Pet von Maginisha ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Aki war heran. Makoto spürte die Präsenz neben sich. Den zweiten Körper dicht an dem seinen. Blicke, die ihn streiften und dann … eine Berührung. Makoto zuckte zusammen. „Was ist das?“   Fingerspitzen strichen, nur ganz leicht, über seine Haut. Berührten Schulter und Nacken. Fuhren die Linien nach, die sie dort fanden. Folgten ihnen bis zum Rand seines Unterhemdes. Makoto wusste, dass man so noch nicht viel erkennen konnte. Die wahre Schönheit des Bildes enthüllte sich erst, wenn man es im Ganzen betrachtete. Was niemand tat, außer ihm selbst.   „Ein Tattoo.“   Die Antwort, so dürftig sie war, musste genügen. Makoto hatte keine Lust, mit Aki zu reden. Wollte nicht, dass er etwas über ihn erfuhr. Wollte nichts mehr über ihn wissen. Er würde seinen Job machen und das war’s. „Und was … zeigt es?“   Aki rutschte noch ein Stück näher. Makoto zog hörbar die Nase hoch. „Einen Tiger.“   Als Aki nicht reagierte, fuhr er ein wenig lauter fort.   „Einen Tiger, verstehst du? Eine blutrünstige, menschenfressende Bestie, bereit, dich mit seinen Krallen zu zerreißen und in deinem Blut zu baden.“   Aki schwieg eine Weile. Dann gluckste er. „Ein Tiger also. Ein großer, gefährlicher, menschenfressender Tiger.“   Makoto wusste nicht, was daran so lustig sein sollte. Wieder wurde er berührt. „Zeigst du ihn mir?“   Makoto schluckte. Da war ein Trommeln in seiner Brust. Der Impuls, Akis Finger zu nehmen, sie ihm zu brechen und ihn dann wieder zurück ins Schlafzimmer zu schleifen, um ihn dort ans Bett zu ketten und elendig verrotten zu lassen. Gleichzeitig wusste er, dass er das nicht tun durfte. Nicht tun wollte. Es machte ihn wütend. Wahnsinnig.   „Nein“, schnappte er. Es klang wie ein Zubeißen. „Es ist mein Tattoo. Es geht dich nichts an.“   Wie um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, verschränkte Makoto die Arme vor der Brust. Er blickte finster drein, hatte die Kiefer angespannt, die Muskeln, alles.   Aki raschelte hinter ihm. „Es … tut mir leid“, tönte er leise. Die Fingerspitzen kehrten zurück. Federleicht strichen sie über Makotos Rücken. Vorsichtig und um Entschuldigung bittend. Makoto bemühte sich, sie nicht wegzuschlagen. Er beruhigte seinen Atem. Seinen Herzschlag. Er grollte. „Du hast keine Ahnung.“ Erneut hörte er Aki rascheln. Der Junge kam näher. Makoto spürte einen Luftzug in seinem Nacken. Wie die Fingerspitzen mehr Gewicht bekamen. Aki stützte sich auf ihn. „Dann zeig ihn mir“, wisperte es ganz nahe an seinem Ohr. „Zeig mir den Tiger. Lass ihn heraus zum Spielen.“   Makoto konnte nicht verhindern, dass die Worte etwas mit ihm machten. Eine Reaktion hervorriefen, wo er keine haben wollte. Keine haben sollte. Er schüttelte den Kopf „Nein“, sagte er und stand auf. Er spürte, wie Aki von seinem Rücken rutschte. Hörte, wie er auf das Sofa plumpste. Stellte sich vor, wie er ihm verwundert aber auch ein wenig zufrieden nachsah, als Makoto … in die Küche ging. Irgendwo musste er ja hin und es gab sonst keine Möglichkeit, um vor der unangenehmen Unterhaltung zu fliehen. Dachte er zumindest, aber die Unterhaltung folgte ihm. „Warum nicht?“   Aki, der wieder einen der Stühle erklommen hatte, betrachtete ihn neugierig. Lauernd. Beinahe so, als wüsste er nicht, ob Makoto jetzt etwas zum Spielen oder zum Fressen war. Oder etwas, vor dem man weglaufen musste. Makoto wollte nichts von all dem sein. Gar nichts!   „Weil du nicht mir gehörst.“   Möglicherweise wischte das ja endlich dieses arrogante Grinsen aus Akis Gesicht, das Makoto zwar nicht sehen, aber ganz deutlich spüren konnte.   „Wenn es nämlich so wäre, hätte ich dich längst übers Knie gelegt und dir den Hintern versohlt, dass du drei Tage lang nicht sitzen könntest.“   Ein Lächeln zupfte an Akis Mundwinkeln. Offenbar dachte er immer noch gewinnen zu können.   Aber nicht mehr lange.   Makoto drehte ihm den Rücken zu.   „Aber du gehörst mir nicht“, sagte er über die Schulter hinweg. „Und Kodama-sama wäre sicherlich nicht erbaut, wenn ich mich an seinem Eigentum vergreifen würde. Außerdem habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich nicht an Männern interessiert bin. Du kannst also aufhören, dich lächerlich zu machen. Du beschämst dich dabei nur selbst.“   Eine Weile war es ruhig hinter ihm. Makoto konnte förmlich hören, wie Aki über das nachdachte, was er gesagt hatte. Ein Stuhl scharrte über den Boden. Leise Schritte waren zu hören und dann …   Hat er sich gerade auf das Sofa gesetzt? Wo ist er hingegangen?   Ohne weiter darüber nachzudenken, drehte Makoto sich um und sah nach. Tatsächlich saß eine kleine, zusammengekauerte Gestalt am entfernteren Ende der Sitzecke. Aki hatte die Beine angezogen und die Arme um die Knie gelegt. Sein Blick ging ins Leere, sein Gesicht unergründlich.   Er spielt nur mit dir. Lass dich nicht einwickeln.   Mit einem Knurren, das tatsächlich einem Tiger zu Ehren gereicht hätte, wandte Makoto sich ab. Zu seinen Füßen lag die Tüte aus dem Konbini. Deutlich leerer als noch am Tag zuvor. Spätestens morgen würde er einkaufen gehen müssen. Ein Unterfangen, von dem er noch nicht wusste, wie er es bewerkstelligen sollte. Da war immer noch Aki und …   Essen wir eben Bonbons.   Makoto zog die bunte Tüte hervor. Sie knisterte. Eine Ecke war eingerissen. Makoto runzelte die Stirn.   War sie schon offen, als ich sie gekauft habe?   Ein Verdacht kam ihm, der sich prompt bestätigte, als er den Mülleimer öffnete. Dort zwischen leeren Bechern und vergeudeten Nudeln lag ein Papier. Grün und rosa war es, mit einer Erdbeere darauf. Makoto knurrte. Dieser Bursche mochte vielleicht schlau sein, aber besonders geschickt war er nicht.   Unwirsch schob Makoto den Mülleimer wieder zu, nahm die Bonbons und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort angekommen warf er die Tüte auf den Tisch. Aki zuckte zusammen.   „Wenn du schon stiehlst, solltest du wenigstens dafür sorgen, dass du keine Spuren hinterlässt. Dein nächster Aufpasser ist vielleicht nicht so nachsichtig wie ich.“   Aki schlug die erschrockenen Augen nieder. Ein zarter Roséton sprang auf seine Wangen. Makotos Worte hatten offenbar einen wunden Punkt getroffen.   Oder der Bursche ist besser, als ich dachte.   Instinktiv hob Makoto die Fäuste und festigte seinen Stand. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, während er jede von Akis Bewegungen beobachtete.   Langsam, fast schon in Zeitlupe, kletterten die Finger des Jungen an seinen Beinen herab. Sie legten sich auf seine Füße, während sein Kopf zwischen seine Knie sank. Dann, als bestünde er aus flüssigem Wachs, schob er die Beine vom Sofa, ließ seinen Körper folgen, ging auf die Knie und lag schließlich vor Makoto am Boden. So, wie er es vorhin schon getan hatte. Sein Atem pustete in den Staub.   „Es tut mir leid“, sagte er. Dieses Mal konnte Makoto keinerlei Hintergedanken darin erkennen. „Ich habe … mich zu Unrecht an Eurem Eigentum bedient. Ich hätte fragen müssen, ob ich etwas von den Süßigkeiten bekomme.“   Makoto schnaubte. Er knurrte. „Ja, allerdings. Das hättest du.“ Dass die Bonbons im Grunde nicht ihm, sondern Sasori Kodama gehörten, verschwieg er lieber. Darauf kam es gerade nicht an.   „Von jetzt an will ich, dass du … dich benimmst. Keinerlei Annäherungsversuche mehr und auch sonst keinen Unsinn. Haben wir uns da verstanden?“   Ein Nicken, das zur Folge hatte, dass Akis Stirn den Boden berührte, war seine einzige Antwort. Makoto knurrte noch einmal, bevor er die Spannung aus seinem Körper entweichen ließ. Er wusste – oder hoffte zumindest – dass er seinen Standpunkt jetzt ausreichend klar gemacht hatte. Auch wenn es nur für den Moment war. Jetzt hatte er allerdings das Problem, dass Aki immer noch vor ihm auf dem Boden kauerte. Und keine Anstalten machte aufzustehen. Warum stand er nicht auf?   „Was lungerst du da noch so herum. Hoch mit dir.“   Auf Makotos Gepolter hin beugte Aki den Nacken noch tiefer. „Ich erwarte, dass Ihr mich bestraft.“   Makoto blinzelte. Nicht nur, dass der Junge ihn jetzt schon zum zweiten Mal betont höflich ansprach, jetzt erwartete er auch noch eine Bestrafung?   Makoto knurrte unwillig. „Eine Bestrafung? Und wie sollte die aussehen? Soll ich dir glühende Nadeln unter die Haut treiben? Dich auspeitschen? Oder dir den kleinen Finger abhacken, so wie man es früher getan hat?“   Akis Hände verkrampften sich. Makoto sah, wie er sich bemühte, sie gerade zu halten, aber er schaffte es nicht. Nicht völlig.   Makoto atmete ein und wieder aus. Dann setzte er sich. „Ich werde dich nicht bestrafen.“   Ohne sich noch weiter um den neben ihm hockenden Aki zu kümmern, griff Makoto nach der Tüte mit den Bonbons. Er zog blind eines der Päckchen heraus, wickelte es aus und steckte es sich in den Mund. Erst, als sich der Geschmack bereits entfaltete, warf er einen Blick auf das Papier. Darauf war eine lachende Kirsche zu sehen.   Ob Kirschen wirklich so schmecken?   Eine echte Kirsche hatte er nie gegessen. Sie waren immer zu teuer gewesen. Meist hatte es nur für Bananen gereicht. Manchmal auch Äpfel oder Orangen, aber Kirschen hatte Makoto stets nur andere Leute essen sehen. Er hatte sie immer beneidet.   Ich sollte mir jetzt Kirschen kaufen. Was nutzte es schließlich, für einen der größten Verbrecher von ganz Japan zu arbeiten, wenn man sich nicht einmal Kirschen leisten konnte? Oder Erdbeeren. Oder sich mit merkwürdigen Jungen herumschlagen musste, die immer noch auf dem Fußboden saßen?   Makoto zog erneut die Nase hoch. Er würde sich auf dieses „Spiel“ ganz gewiss nicht einlassen. Wenn Aki dort unten herumkriechen wollte, bitte. Makoto würde ihn nicht daran hindern.   Aki bewegte sich. Ganz langsam, so als würde er jeden Moment erwarten, dass Makoto ihn darauf ansprach, schob er seinen Rücken in eine aufrechtere Position. Legte die Hände in seinen Schoß und blickte, unter seinem Pony hervor zu Makoto hinauf. Makoto tat, als bemerke er es nicht. Aki holte tief Luft.   „Sasori liebte es, mich zu bestrafen.“ Sein Blick war auf den Boden gerichtet, während er das sagte, aber er wirkte nicht, als würde er wahrnehmen, was dort geschah. „Er liebte es sogar so sehr, dass ich manchmal absichtlich etwas falsch machte, um ihm Gelegenheit dazu zu geben. Er erschien immer sehr glücklich, wenn er mich schlagen oder mir anderweitig … wehtun konnte.“ Der Bonbon in Makotos Mund wurde sauer. Es schmeckte ihm nicht, was Aki erzählte. Und wie er es erzählte. So als wäre das ganz normal. Er brummte.   „Du hast ihn absichtlich wütend gemacht? Ganz schön mutig von dir. Was hast du angestellt? In seine Schuhe gepisst?“   Makoto sah, wie Akis Mundwinkel zuckte. Der Junge warf ihm erneut einen verstohlenen Blick zu. „Das nicht, obwohl ich … mich mal in eine Topfpflanze erleichtert habe. Das war jedoch vor meiner Zeit bei Kodama-sama.“   Makoto, der den Wechsel der Anrede bemerkt hatte, wandte den Kopf ab. Er wollte von so etwas nichts hören. Es ging ihn nichts an. Neben ihm fuhr Aki fort. „Ich habe allerdings schon einmal einen Bettvorhang zerrissen, ohne Erlaubnis das Haus verlassen und mich vor seine Füße erbrochen. Und ich habe … ihn vor seinen Freunden beschämt. Es war ein sehr exklusives Abendessen und ich hätte eigentlich im Nebenraum warten sollen, bis er mich ruft. Aber ich wollte nicht warten. Also habe ich …“   Akis Stimme war leiser geworden. Makoto, der unbewusst aufgehorcht hatte, kämpfte gegen den Drang an, Aki zu fragen, was geschehen war. Alternativ hätte er den Fernseher anschalten können, aber … „Was hast du gemacht?“ Die Frage war heraus, bevor Makoto sie zurückhalten konnte.   Aki sah jetzt wieder auf den Boden direkt vor sich. Seine Haare bedeckten sein Gesicht. „Ich bin einfach ins Zimmer gegangen. Ich weiß noch, wie sie mich angesehen haben. Sasori hatte mich herausgeputzt. Ich trug Ohren, Halsband und Schwanz. Dazu einen Harness, den er extra für mich hatte anfertigen lassen. Er verdeckte fast nichts.“   Die Art, wie Aki das sagte, ließ Makoto aufhorchen. Es erschien ihm, als läge so etwas wie Stolz darin. Oder Bewunderung.   „Und dann?“   Eigentlich wollte Makoto nicht hören, was danach passiert war. Allein die Vorstellung von Aki mit Katzenohren und einem Schwanz! Aber irgendwie…   Akis Oberlippe hob sich ein wenig. Es wirkte wie ein Lächeln. „Dann bin ich auf den Tisch gesprungen“, sagte er und das merkwürdige Lächeln wuchs in die Breite. „Ich habe mich mitten darauf gelegt. Teller und Schüsseln wurden beiseite geschoben oder umgestoßen. Einige fielen sogar herunter und eine Karaffe mit sündhaft teurem Sake ergoss sich mitten auf den unbezahlbaren Teppich. Es war ein furchtbares Fiasko.“   Akis Augen leuchteten. Es war das erste Mal, das Makoto ihn so sah und es war … bezaubernd. Wenn nur der Anlass nicht so verstörend gewesen wäre. Seine Handflächen wurden feucht. „Und dann?“ Eigentlich hatte Makoto gar nicht fragen wollen. Dieses Karussell drehte sich viel zu schnell und er wollte aussteigen. Aber er konnte nicht. Aki hob den Kopf. Er lächelte. Dieses Mal wirklich. Es nahm Makoto den Atem. „Dann hat Sasori mich bestraft. Es war wundervoll.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)