Pet von Maginisha ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Makoto lief. Er rannte. Seine Füße trugen ihn den Flur hinab, in seine Schuhe und durch die Haustür hinaus. Kies knirschte unter seinen Sohlen und der Duft des Blauregens hüllte ihn ein wie eine Wand. Makoto taumelte. Strauchelte. Die Welt um ihn herum drehte sich.   Was hab ich getan?   Eigentlich nichts, das wusste er. In seinem Inneren jedoch wirbelten die Gedanken und Eindrücke durcheinander wie ein Blütenregen in einem Frühlingssturm. Das Gefühl von Akis Händen auf seinem Bein. Akis Füße in seinem Schoß. Das Seil zwischen seinen Fingern. Der sich windende Körper, den er mit brutaler Gewalt bezwungen hatte. Die Frau in dem roten Kleid. Aki auf allen Vieren, den Mund weit geöffnet. Eine Hand mit einem Goldring auf seinem silbernen Haar.   Makoto schloss die Augen. Er wollte das alles nicht sehen. Nicht wissen. Er wollte fort von hier. Weit, weit fort. Als er die Augen wieder öffnete, erblickte er den Wagen. Wie ein Fremdkörper saß er inmitten der Natur. Er gehörte nicht hierher, ebenso wenig wie Makoto. Was, wenn sie beide flohen? All das hinter sich ließen und nie mehr wiederkamen? Makotos Finger ertasteten warmes Metall und den Schlüssel in seiner Tasche. Er öffnete die Tür, wollte einsteigen.   Sie würden mich finden. Die Erkenntnis überkam Makoto so plötzlich, dass er beinahe aufstöhnte. Kraftlos sank er in den Sitz, der Wille zu fliehen erloschen wie eine Kerzenflamme im Wind. Er wusste, dass er hier nicht wegkonnte. Auf seine Weise war er ebenso gefangen wie Aki. Wenn er versuchte zu entkommen, würden sie ihn einfangen und wieder zurückschleifen. Sie würden ihn büßen lassen für seinen Ungehorsam. Ihn foltern oder sogar töten, wenngleich auch erst, nachdem sie ihn hatten leiden lassen. Lange leiden lassen. Makoto wusste, was mit Verrätern geschah. Sasori Kodama war kein nachsichtiger Mann.   Makoto atmete. Er versuchte es wenigstens, auch wenn der Griff um seine Brust ihm die Luft abschnürte. Dabei war doch gar nichts passiert. Er hatte nichts falsch gemacht. Hatte er nicht! Und selbst wenn, wäre es doch vertretbar gewesen. Der Junge war immerhin da, um jedwedes Verlangen zu bedienen. Es war seine Aufgabe und er wollte es sogar. Hatte er selbst gesagt. Warum also ließ Makoto es nicht einfach zu? Warum hatte er das Gefühl, sich zu beschmutzen, wenn er es tat? Warum fühlte es sich genauso an, wie wenn er die Waffe gegen jemanden richtete und abdrückte?   Noch einmal schloss Makoto die Augen und atmete tief durch. Er durfte diese merkwürdigen Gefühle nicht die Oberhand gewinnen lassen. Er war ein Mann, verdammt. Er würde sich doch von diesem Jungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Denn was sollte der schon tun? Er lag gefesselt auf einem Bett. Makoto hatte die Oberhand. Er bestimmte, was geschah. Er hatte die Macht.   Makoto ballte die Hände zur Faust. Er war zu weich geworden, hatte sich einlullen lassen. Damit würde jetzt Schluss sein. Im Grunde genommen hätte Aki es sogar verdient, dass er ihn in all seinem Elend liegen ließ und einfach zum Einkaufen fuhr. Allein die Tatsache, dass Makoto sich nicht sicher war, dass er die Fesseln nicht zu fest gezurrt hatte oder aber zu nachlässig gewesen war, sodass es Aki mit dem Geschick, dass er besaß, vielleicht möglich war zu entkommen, hielten ihn zurück. Ihm war klar, dass er nicht einfach gehen konnte – selbst wenn er vorhatte, später zurückzukommen – aber das hieß nicht, dass er Aki irgendwelche Aufmerksamkeit schenken musste. Sollte der ruhig eine Weile dort versauern und darüber nachdenken, was er getan hatte. Mit Sicherheit würde ihm dann klarwerden, dass es besser war, Makoto zu gehorchen. Und bis es soweit war, würde Makoto …   Ein Bad nehmen. Makotos Mundwinkel hoben sich. Ja, das war ein guter Plan. Er mochte keinen Shōchū haben, aber er verfügte über eine Badewanne und das Wasser konnte er später verwenden, um die Wäsche zu waschen. Das war ohnehin notwendig, warum also nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Zumal er es sich mehr als verdient hatte.   Vielleicht erlaube ich Aki sogar, nachher auch noch die Wanne zu benutzen.   Makoto verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, dass er schon wieder über den Jungen nachdachte. Er brauchte wirklich eine Pause. Eine sehr, sehr lange Pause.   Makoto streckte die Hand nach dem Türgriff aus, als er plötzlich stutzte. Das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben, kratzte am Rand seines Bewusstseins und als sein Blick auf das Handschuhfach fiel, wusste er auch, was es war. Hinter der Klappe lag seine Waffe. Es war ein einfaches Modell. Schwarz und nicht besonders groß. Makoto konnte sie leicht unter seiner Kleidung verstecken, ohne dass es auffiel. Trotzdem tat er es selten, wenn es sich vermeiden ließ. Im Grunde nahm er sie nur an sich, wenn Shisu ihn explizit dazu aufforderte. In der restlichen Zeit bewahrte er sie entweder im Auto auf oder in einem Schuhkarton ganz unten zwischen seinen Kleidern. Es sprach also im Grunde nichts dagegen, die Waffe hier zu lassen, trotzdem behagte Makoto der Gedanke nicht.   Ich werde sie im Haus verstecken.   Das erschien ihm sicherer, als sie hier draußen zu lassen. Diesen Entschluss im Kopf öffnete Makoto das Fach und nahm die Pistole heraus. Sie fühlte sich klein und leicht an in seiner Hand. Fast wie ein Spielzeug. Ein tödliches Spielzeug.   Ich verstaue sie auf dem Küchenschrank und dann nehme ich ein Bad.   Es war ein einfacher Plan. Leicht und nachvollziehbar. Makoto mochte es, wenn Dinge nicht zu kompliziert waren. Kompliziert wie Aki.   Mit einem Schnauben steckte Makoto die Waffe ein, stieg aus und schloss die Tür des Wagens. Es wurde wirklich Zeit, dass er auf andere Gedanken kam. Ganz andere Gedanken.     Der Wasserdampf, der aus der Wanne stieg, roch nach Yuzu und Pinie. Makoto hatte extra einen frischen und herben Duft ausgewählt, um auch die letzte Erinnerung an die faulige Süße des Blauregens zu vertreiben. Dazu war die Wanne heiß, geradezu kochend. Er würde lange hier drin bleiben können, ohne sich zu verkühlen oder Wasser nachlaufen zu lassen.   Makoto seufzte, als er den ersten Fuß in das Wasser gleiten ließ. Seine Haut prickelte und brannte ein wenig von der derben Behandlung, die er ihr zuvor hatte angedeihen lassen. Bis in die letzte Pore hinein hatte er sich geschrubbt um sicherzugehen, dass kein Schmutz in die Wanne gelangte. Es war befriedigend gewesen, auch wenn er einen kurzen Gedanken an Aki und dessen erste Reinigung durch Makotos Hand nicht hatte unterdrücken können. Jetzt jedoch hatte er nicht vor, sich noch einmal durch irgendwelche Überlegungen von seinem Bad abhalten zu lassen.   Langsam ließ Makoto den Rest seines Körpers in das heiße Wasser hinab. Es war immer noch ein wenig unangenehm, aber je länger er ausharrte, desto mehr ebbte der Schmerz ab und wandelte sich in wohlige Wärme. Die ätherischen Öle stiegen ihm in die Nase und schienen, ihn auch von innen heraus zu reinigen. Er atmete tief ein, um sie in sich aufzunehmen, dann griff er nach einem Waschlappen. Es plätscherte, als er das Baumwolltuch in das grünliche Wasser tauchte. Makoto holte ihn wieder heraus, wrang den Stoff aus und legte sich das immer noch feuchte Tuch anschließend auf die Stirn und über die Augen. Wohlig grunzend ließ er seinen Kopf zurück auf den Wannenrand sinken, während der Rest seines Körpers im warmen Wasser verschwand. Ja, das war genau das, was er jetzt brauchte. Kein Aki, kein Shisu und erst recht kein Sasori Kodama. All das konnte er hinter sich lassen, eingehüllt in warme, duftende Flüssigkeit. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dieser Zustand niemals enden müssen.     Makoto öffnete die Tür des Baderaums. Dampf wölkte an ihm vorbei und er trat rasch in den Flur und schloss die Tür wieder. Draußen war es nach wie vor ruhig. Aus dem Schlafzimmer kam kein Laut, was vermutlich hieß, dass Aki keinen Unsinn angestellt hatte, während Makoto in der Wanne gewesen war. Es hieß allerdings auch nicht unbedingt, dass es ihm gut ging. Makotos schlechtes Gewissen begann sich zu regen.   Ich hätte vor dem Baden noch einmal nach ihm sehen sollen.   Aber er hatte es nicht getan und das war nun nicht mehr rückgängig zu machen. Trotzdem war es wohl besser, wenn er jetzt einmal überprüfte, ob wirklich alles in Ordnung war. Und vielleicht wollte Aki ja tatsächlich baden. Nachdem er sich jetzt selbst entspannt hatte, war Makoto durchaus gewillt, dem Jungen dieses Privileg zu gewähren. Vorausgesetzt natürlich, er würde sich benehmen.   Vorsichtig schob Makoto die Tür zum Schlafzimmer zur Seite. Drinnen war es, wie üblich, fast schon stockdunkel. Im Licht der Tür war es Makoto trotzdem möglich, die Umrisse der auf dem Bett liegenden Gestalt zu erkennen. Aki hatte sich keinen Zentimeter bewegt, seit Makoto ihn nach ihrem Zusammenstoß zurückgelassen hatte.   Leichte Unruhe machte sich in Makoto breit, als er neben das Bett trat und sich zu dem gebundenen Körper herabbeugte. Er verlagerte sein Gewicht, sodass das Licht an ihm vorbeiströmte, und konnte sich im nächsten Moment ein Lächeln nur schwer verkneifen.   Aki schlief. Seine wilden, gelben Augen waren geschlossen, seine spitze Nase war tief im Kissen vergraben und sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Angesichts der Tatsache, dass Makoto ihn wirklich sehr eng zusammengeschnürt hatte, wusste er zwar nicht, wie der Junge das fertigbrachte, aber es bestand kein Zweifel. Aki weilte im Land der Träume und würde wohl so bald auch nicht von dort zurückkehren.   Makoto spürte ein Gähnen herannahmen. Der Anblick des friedlich Schlafenden, die Dunkelheit und die warme Schwere, die nach dem Baden von seinem Körper Besitz ergriffen hatten, machten es ihm nahezu unmöglich, es zu unterdrücken. Gewichte schienen an seinen Augenlidern zu ziehen und Makoto hatte mit einem Mal den sehnlichen Wunsch, sich ebenfalls niederzulegen. Nur … konnte er das ungestört tun? Die Aussicht, dafür ins hell erleuchtete Wohnzimmer zurückzukehren, erschien ihm nicht besonders attraktiv. Er würde sich die Decke über den Kopf ziehen müssen, um das Licht auszusperren, dann darunter schwitzen, den Stoff wieder vom Gesicht zerren und sich am Ende vermutlich so lange herumwälzen, bis die wohlige Ausgeglichenheit vollkommen dahin war. Hier im Schlafzimmer hingegen war es schön dunkel und kühl. Das Bett war zudem breit genug und Aki schlief ja. Wenn er erwachte und Makoto brauchte, wäre der gleich in der Nähe, und letzten Endes: Was wollte er tun? Sich auf Makoto draufrollen und versuchen, ihn zu ersticken? Wohl kaum.   Es wird schon nichts passieren, versuchte Makoto sich selbst zu beruhigen. Er schlüpfte aus der Hose, die er sich nach dem Bad kurzerhand wieder angezogen hatte, legte sie auf den Boden und schloss nur noch mit Unterwäsche bekleidet die Tür. Sofort wurde es um ihn herum tatsächlich so dunkel, dass er kaum noch die Hand vor Augen erkennen konnte. Langsam tastete er sich vorwärts, bis er schließlich das Bett errichte. Behutsam schob er die Tagesdecke zurück, auf der Aki immer noch lag, entfaltete die darunter liegende Bettdecke und ließ sich nur Augenblicke später auf die weiche Matratze sinken. Kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, fühlte er auch schon den Schlaf herannahen.   Ich habe mir das verdient, dachte er noch, bevor er endgültig die Augen schloss. Nur kurz darauf begann Makoto zu träumen. 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