Der Künstler im Moor von Lupus-in-Fabula (Halloweenevent) ================================================================================ Prolog: -------- Tagebucheintrag 18XX 3. Januar Verzweiflung durchdringt mich. Weshalb sieht man in mir noch ein Kind, das sich spielend in eine Blumenwiese den Tagträumen hingibt? Erblühe ich nicht? Bin ich stets die einte Blume, welche schüchtern ihr Köpfchen geschlossen hält? Fromm und gütig soll ich sein. Gottes Liebe mein Herz erfüllen lassen. Jedoch spüre ich in mir was Reifen, wovon ich mich fürchte.   [***]   Widerwillig musterte Linda die alten Bücher. Warum bloss liebte es ihre Schwester, auf Trödelmärkten zu stöbern? Das Smartphone piepste laut. Eine neue Push-Benachrichtigung wollte gelesen werden. Sie scrollte ihren Instagramfeed gelangweilt durch, verteilte Likes und Smileys. Wieder dachte Linda an ihre Schwester. Sie machte Urlaub in Frankreich. Wollte sich erholen, während sie einem Geheimnis auf den Grund ging. Mit Kultur und ohne das oberflächigem „Shoppen gehen und Party machen.“ Linda verdrehte ihre Augen, fluchte leise und warf sich auf ihr Bett. Kultur. Jedes Mal kam sie mit Kultur. Museum da, Ausstellung hier. Warum konnte sie keine normale Schwester haben? Die mit ihr fett feiern geht, für sie Geld ausgibt und eine Kariere in den Sozialen-Medien startet? Noch eine Push-Benachrichtigung. Sie griff automatisch nach dem Smartphone. Sah sich das TikTok an. Schmunzelte kurz, bevor sie wieder in ihre Gedanken versank. Morgen würde sie zu ihrer Schwester fliegen. Alle sagten, wie nett das wäre. Das Ferienhäuschen war bezahlt. Das Mietauto für Erkundungen ebenso. Ihre ach so tolle Schwester würde niemals nie einen Fehler machen. Linda stellte die Lautstärke auf Maximum. Ihr Lieblingslied dröhnte durch das Zimmer, liess eine Krähe erschreckt davon fliegen, der sich auf dem Fenstersims niederliess. Linda warf die letzten Klamotten in den Koffer. Eilte ins Bad, suchte ihre Reisehaarbürste und Föhn und kramte in ihrer Schublade mit den Haaraccessoires. Endlich hatte sie das gefunden, was sie gesucht hatte. Mit dem Accessoire würde sie die langweiligen Museumsbesucher allemal schocken. Sie dachte an wieder an ihre Schwester. Stets perfekt. Stets kultiviert. Der Liebling aller Verwanden und Lehrkräfte. Bescheiden und begabt zugleich.   Es klingelte an der Türe. „Ich komme!“, rief die Frau. Breit grinsend übergab die Lieferantin das bestellte Essen. Linda mochte sie. Lebte ihr Leben, wie sie es wollte. Die beiden fanden sich sofort sympathisch und freundeten sich auf der Stelle an. Zusammen zogen sie durch die Strassen, unternahmen Wochenendreisen. Wenn die beiden quirligen Frauen unterwegs waren, überstrahlten sie alles. Linda war einige Tage richtig wütend, da ihre Seelenverwandte nicht mitkommen konnte. Die Nichte wollte mit der „coolen Tante“ ein Wochenendtrip nach London unternehmen. Linda verstand das Mädchen. Sie hätte es gefeiert, wenn jemand von ihrer Verwandtschaft mit ihr solche Dinge getan hätte. Ausflüge. Shopping. Geschenke. So wäre sie sicher weniger auf den Strassen und Bars herumgegammelt. „Sis, bist du bereit?“, fragte die Frau mit dem Essen. Linda stöhnte und machte eine abwertende Handbewegung. „So sorry Sis! Ich denk an dich. Muss los, bin busy!“, sprach die Lieferantin und gab Linda einen Kuss auf den Mund.   Während sie sich das Essen in Mund stopfte, betrachtete Linda das Tagebuch. Warum brach ihre Schwester wirklich nach Frankreich auf? Hatte es mit diesem Tagebuch zu tun? Linda sah zu ihrem Koffer, der immer noch nicht fertig gepackt war. Ein merkwürdiges Gefühl stieg in ihr hoch. Als würde ihre Schwester in Schwierigkeiten sein. Linda hielt den Atem an. Sie konnte den Blick nicht von dem Tagebuch abwenden. Das Smartphone vibrierte. Auf dem Display sammelten sich die Symbole der digitalen Benachrichtigungen. Von Draussen drang der Lärm des Feierabendverkehrs in das Schlafzimmer. Vorsichtig erhob die Frau sich vom ungemachten Bett. Sie nahm das Tagebuch und blätterte es durch.   [***]   Tagebucheintrag 18XX 22. Mai Ich möchte ihr nicht verzeihen. Meine eigene Schwester hinterging mich. Der Zorn verbrennt meine Seele. Ich möchte in ihrem Gesicht Schmerz sehen. Jedoch, verdient sie dies? Sie ist meine Schwester, die ich bewundere und verehre. Mein Herz zieht sich zusammen. Meine Seele ist in Flammen. Gott soll über mich wachen.  [***]   Linda wurde von dem Geräusch eines ungeduldigen Autofahrers geweckt. Verschlafen sah sie auf das Smartphone. Der Akku zeigte mickrige 10 % an. Amüsiert stellte sie fest, dass sie eingeschlafen war. Schnell gab sie ihrem elektronischen Helferlein Leben, bevor sie auf das Klo ging. Das Hupkonzert ging weiter, begleitet von lauter Musik und Geschreie. Das amüsierte Linda sehr. Sie ass ihr nun kaltes Essen, hörte weiterhin zu und liess der Natur ihren Lauf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)