Four Soulmates in an Other World von _Momo-chan_ ================================================================================ Kapitel 4: Ein Date ------------------- „Für sich selbst ist jeder unsterblich; er mag wissen, dass er sterben muss, aber er kann nie wissen, dass er tot ist.“ Samuel Butler     ♥♦♣♠     Jeanne betrachtete sich im Spiegel und erkannte sich selbst kaum wieder. Ein blaues Kleid mit Reifrock, ein einschnürendes Korsett, rote Lederhandschuhe…   Sie konnte sich nicht daran erinnern ein Kostüm aus dem 19. Jahrhundert angezogen zu haben. Und irgendwie war es auch nicht ganz historisch korrekt. Sie sah aus wie aus einem dieser romantisierten Filme entsprungen, in denen neben adeligen Herrschaften auch Vampire und andere magische Dinge vorkamen.   „Es fehlt nur noch der Hut.“, konnte sie die vertraute Stimme Dominiques hinter sich sagen hören. Wenigstens ein sicherer Anker in dieser absurden Situation. Jeanne drehte sich um. Sie musste ihre Freundin fragen was –   Doch Dominique hatte genauso seltsame Kleidung an, nur dass ihr Outfit mehr an eine alte feierliche Militäruniform erinnerte.   „Damit wirst du ihn bei eurem Rendezvous umhauen. Vanitas wird dir auf jedenfalls glauben, dass du ihn magst.“   Ach ja… Das Date. Aber wieso diese Kleidung? Wieso konnte sie sich nicht erinnern wie sie hier her gekommen war? Sie wollte Dominique fragen, aber…   Ein heftiges Zucken ging durch Jeannes Körper als sie in ihrem Bett erwachte. Ihre Augen öffneten sich und suchten prüfend die Umgebung ab. Sie hatte geträumt.   Etwas schwerfällig setzt sie sich auf und fuhr sich durch die Haare.   Offenbar war sie von der Situation, die vor ihr lag so gestresst, dass sie schon von dem Gespräch mit Dominique träumte und ihr verwirrtes Traum-Ich hatte alles in ein historisches Filmset verlegt. Wieso hatte sie sich auch darauf eingelassen? Das Ganze war eine richtig, richtig dumme Idee. Mit einem Seufzen erinnerte Jeanne sich an ihren Besuch vor zwei Tagen:       Während sie bei Macarons und Kaffee an Dominiques Wohnzimmertisch saßen schüttete Jeanne ihr Herz aus.   „…Und dann hat er so getan als würde er mir einen Heiratsantrag machen. Dieser Typ ist einfach unglaublich. Das Arroganteste was mir je untergekommen ist. Ich muss ihn unbedingt loswerden.“ Dominique sah sie mit einem mitleidigen Lächeln an. „Ich wünschte ich könnte dir helfen, Jeanne. Das ist ja schon Belästigung am Arbeitsplatz.“   Jeanne seufzte und schob sich einen weiteren Macaron in den Mund während sie aus dem Fenster sah. „Ich weiß auch gar nicht was er von mir will. Immerhin bin ich ganze fünf Jahre älter als er.“   Nachdenklich stützte Dominique sich mit dem Ellbogen am Tisch ab, ehe sie leicht zu grinsen begann.  „Naja, Noé hat mir erzählt, dass Vanitas keine Eltern mehr hat. Vielleicht hat er einen Mutterkomplex oder so.“   Erschrocken hielt sie inne, als Jeannes Blick den ihren wieder traf. Dominique wurde rot. „Entschuldige, Jeanne… Ich habe vergessen das…“   Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Schon gut, Domi.“     Irgendwie hatten alle in ihrem näheren Kreis entweder keine Eltern, oder wie Dominique selbst, Probleme mit ihnen. Ob sie sich deswegen so gut verstanden?     „Ich weiß aber langsam wirklich nicht mehr was ich machen soll. Je mehr ich ihn zurückweise, desto mehr scheint er an mir zu kleben.“ Frustriert aß Jeanne ein Macaron nach dem anderen.   „Da fällt mir was ein!“, platze es aus Dominique heraus. „Noé hat mir erzählt, dass Vanitas sich nie in eine Person verlieben könnte, die ihn liebt. Du musst ihn also nur glauben machen, dass du dich total in ihn verschossen hast!“       Jetzt zwei Tage später bereute Jeanne es überhaupt dieses Gespräch geführt zu haben. Da hatte sie sich doch tatsächlich dazu überreden lassen sich mit diesem Blödmann zu verabreden. Sie war nervös.   Nach dem Duschen stand Jeanne schließlich ratlos vor ihrem Kleiderschrank. Was zog man zu so einem Date überhaupt an? Neben Schule und später Studium, sowie dem Job hatte sie sich nie genug Zeit genommen um Jungs kennenzulernen. Ein Umstand, der ihren über fürsorglichen Ziehonkel sicher freute, aber…   Es musste irgendetwas sein, das Vanitas gefallen würde. Ihr Blick fiel auf ein blaues Sommerkleid und sie musste unwillkürlich an ihren Traum denken. Hatte sie etwa schon eine Vorahnung gehabt?   Das Kleid hatte einen sehr ähnlichen Farbton wie Vanitas‘ Augen. Ob ihm so etwas gefallen würde? Seine Augen… Jeanne schüttelte energisch den Kopf. Dass sie sich überhaupt Gedanken machen musste, was er mochte lag nur an ihrem Plan. Sie würde dafür sorgen, dass er sie ein für alle Mal in Frieden lies.     Wenige Stunden später stand sie an einer Litfaßsäule in der Pariser Innenstadt und wartete auf Vanitas. Dass ihr Herz so schnell klopfte lag nur daran, dass sie sich extrem unwohl mit dieser Situation fühlte.     „Du wolltest mich treffen?“   Als sie aufsah, stand Vanitas grinsend vor ihr. In lockerer Kleidung sah er nicht aus als ob er auf ein Date wollte. Ob er ihr nicht glaubte, dass das hier eines war?     „Ja, lass uns auf ein Date gehen!“, sagte sie ein bisschen zu entschlossen. Sein Grinsen wuchs, aber der Ausdruck in seinen Augen wurde immer misstrauischer. „Ach ja? Wieso denn auf einmal?“ Das war der entscheidende Moment. Sie musste jetzt gut schauspielern um ihn zu überzeugen.   „N…. naja… Ich glaube ich habe dir unrecht getan. Noé und Dominique haben mir erzählt, dass du mich wirklich magst also…“ Sie wurde rot im Gesicht. Was redete sie da nur für einen Unsinn?   „Ich habe beschlossen dir eine Chance zu geben! Eigentlich hast du mich auf Arbeit ja nur geneckt und ich war zu schüchtern es zuzugeben, aber ich fange wirklich an mich in dich zu verlieben! Ich möchte dich richtig kennenlernen und mich von diesen Gefühlen überzeugen!“, sagte sie indem sie in einer dramatischen Geste die Hand an die Stelle ihres Herzens legte. ‚Perfekt Jeanne! Das war eine filmreife Leistung!‘, dachte sie sich.   Für einen Moment konnte sie Vanitas‘ Blick nicht deuten. Er sah sie geschockt an. Fast schon erschüttert? Unglaube, Hoffnung, Entsetzen. Alle möglichen Gefühle schienen sich in seinen Augen zu mischen, ehe er wieder die ihr bekannte grinsende Maske aufsetzte.   Spielerisch nahm er ihre Hand und setzte einen zarten Kuss darauf. „Wenn das so ist, dann wird es mir ein Vergnügen sein mit dir den Tag zu verbringen.“     Er betrachtete sie von oben bis unten. „Das ist ein wirklich schönes Kleid, Jeanne.“ Jeannes Augen begannen zu strahlen. Bisher hatte ihr noch niemand ein Kompliment für ihre Kleidung gemacht. „Nicht wahr? Ich habe es letztes Jahr in dieser Boutique gefunden und…“   Vanitas, der ihre Hand noch immer in seiner hielt, zog Jeanne plötzlich zu sich heran, bevor er ihr sanft ins Ohr flüsterte: „Gut. Aber das habe ich nicht gemeint. Ich wollte damit sagen, dass du ganz bezaubernd bist.“     In Schauer durchzuckte Jeanne. Diese Worte kamen ihr so vertraut vor. Seine Stimme… Hatte er schon immer so mit ihr gesprochen? Und irgendwie roch er so gut, jetzt da er ihr so nahe kam. Ihr Herz klopfte auf einmal bis zum Hals. Als Vanitas sich von ihr löste, hörte sie kaum wie er sie zum losgehen aufforderte.   Wie benommen folgte sie ihm. ‚Habe ich es geschafft wie eine Verliebte rüber zu kommen?‘, fragte sie sich, wusste aber tief in ihrem Inneren, dass seine Worte tatsächlich etwas in ihr ausgelöst hatten.   Wie selbstverständlich folgte sie ihm, nahm sogar zögerlich seine Hand, während Vanitas sie verdutzt musterte. Was war los? Wieso fühlte sie sich in seiner Gegenwart plötzlich so anders als auf Arbeit? Die Stimmung war auf einmal so vertraut. Als wäre es nicht ihr erstes Date.     Wegen des Studiums war Jeanne erst vor zwei Jahren nach Paris gezogen und hatte bisher nicht die Chance gehabt viel zu sehen, weswegen sie mit einer Stadttour begannen. Als sie durch die Straßen streiften, sich einige Dinge ansahen und hier und da etwas aßen, lernte Jeanne eine Seite an Vanitas kennen, die ihr bisher nie aufgefallen war. Er konnte ein echter Gentleman sein und sie fragte sich so langsam was aus dem arroganten spitzbübischen Kerl geworden war, den sie von Arbeit kannte. War das alles nur eine Fassade? Hatte sie diese Seite an ihm immer ignoriert? Oder spielte er ihr jetzt etwas vor? Hatte er sie etwa durchschaut?   „Hey, Jeanne. Willst du noch einen Crêpe?“ Ohne, dass sie recht darüber nachdenken konnte, hörte sie sich selbst sagen: „Ja, gerne.“   Noch mit dem Crêpe in der Hand war Jeanne innerlich schon wieder am Verzweifeln. ‚Wieso habe ich nur solchen Spaß?! Ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren!‘     Nachdenklich betrachtete sie Vanitas, der sie zwar eingeladen, aber sich selbst nichts gekauft hatte. Hatte er immer so wenig Appetit? Ihr war klar, dass sie selbst häufig ungewöhnlich viel aß, aber sie hatte ihn tatsächlich den ganzen Tag über kaum etwas zu sich nehmen sehen. Wollte er Geld sparen? Und wenn ja, wieso lud er sie dann zum Essen ein? Irgendwie passte alles nicht so recht mit seinen sonstigen Unverschämtheiten zusammen.   Sollte sie ihm doch eine winzige Chance geben? Nein! Sie tat das hier nur, damit er aufhörte an ihr zu kleben. Aber vielleicht… War dieser Tag eine Gelegenheit einmal von allem abzuschalten. Sonst befasste sie sich immer nur mit Pflichte und den Bedürfnissen anderer. Vielleicht sollte sie dieses gespielte Date einfach genießen.     Die Stadt war wirklich schön und so belebt am Nachmittag. Als sich die Sonne neigte stiegen Heißluftballons am Horizont auf. Jeanne war so abgelenkt von ihnen, dass sie nicht bemerkte wie sie langsam die Fußgängerzone verließen und sich ihr ein fahrendes Auto näherte. Ehe sie sich versah, spürte sie den Zug eines Armes um ihre Taille.   „Jeanne, pass auf!“   Vanitas konnte sie gerade noch von der Straße wegziehen, bevor Jeanne dem Auto zu nahe kommen konnte. Leider mit so viel Schwung, dass beide auf ihrem Hintern landendeten.   ‚Aua.‘   Schnell sah sie sich nach Vanitas um. „Ist alles in Ordnung, Jeanne?“, fragte er, allerdings ohne sie dabei anzusehen. „J… ja… es tut mir so leid!“ Vanitas stand auf, noch immer ohne sie anzusehen. „Schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Hauptsache dir ist nichts passiert.“ Er half ihr nicht hoch.   Langsam stand Jeanne wieder auf und musterte ihn. Er sagte zwar so liebe Sachen, aber konnte ihr nicht einmal ins Gesicht sehen. War er doch sauer? Wieder einmal passten seine Handlungen und seine Worte nicht zusammen. Jeanne bekam ein schlechtes Gewissen. Er war heute wirklich lieb zu ihr gewesen und hatte sie nicht ein einziges Mal geärgert, aber sie hatte ihn durch ihre Unachtsamkeit auch noch mit in Gefahr gebracht. Sie musste sich nochmal richtig bei ihm entschuldigen.     „Vanitas…“, begann sie zögerlich und wollte die Hand nach ihm ausstrecken. Als ihre Fingerspitzen ihn jedoch berührten zuckte er plötzlich heftig zusammen und sah sie erschrocken an.   „Fass mich nicht an!“, platze es aus ihm heraus.   Entsetzt sah Jeanne ihn an. Was war mit ihm los?   Wenn sie genauer darüber nachdachte war das tatsächlich das erste Mal gewesen, dass Vanitas und sie so engen Körperkontakt gehabt hatten, der über Händchenhalten hinaus ging. Hatte er ein Problem damit? Oder stand er irgendwie unter Schock wegen dem Auto?   Sie ließ die Hand sinken. „Entschuldige, ich…“     Vanitas‘ Gesichtsausdruck wurde wieder weicher. „Schon gut, ich… Mir tut es leid! Ich wollte dich nicht anschreien… Ich sollte jetzt gehen. Wir sehen uns auf Arbeit!“   Noch ehe Jeanne ihm antworten konnte, rannte Vanitas davon. Verwirrt sah sie ihm hinterher. Hatte sie irgendetwas falsch gemacht? Er hatte auf einmal so bedrückt gewirkt. So als hätte er sich an etwas Wichtiges erinnert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)