Sherlock Holmes von Cyrene (das unheilvolle Familienerbstück) ================================================================================ Kapitel 15: Der Weg ist bekanntlich auch ein Ziel ------------------------------------------------- Sie hatten gerade etwa fünf Minuten gewartet, als auch schon ein schicker und silberfarbener Wagen vor ihnen am Bordstein hielt. Ein junger Mann in einer standesgemäßen Chauffeur Uniform saß am Steuer, ließ die Glasscheibe der Beifahrertür runter und winkte die beide Männer fröhlich lächelnd zu sich. John hob die Augenbrauen und staunte nicht schlecht. Gar nicht mal so übel ihre Mitfahrgelegenheit. Er folgte auch schon seinem Kollegen zum Auto und stieg schließlich vor Sherlock hinten ein, der Chauffeur hielt ihnen die Tür auf. John nahm hinter dem Fahrer, den Detektiv direkt neben ihm Platz. Der Größere tauschte noch ein paar Floskeln mit dem jungen Mann aus und dann setzte sich die Limousine auch schon geschmeidig in Bewegung. Der Blondschopf richtete fast sofort seinen Blick aus dem Fenster, sah sich interessiert um und bewunderte die, je weiter sie sich von London entfernten, schöner werdende Landschaft, war in Gedanken ganz wo anders. Sherlock derweil durchdachte zum wiederholten Male ihren Fall, ordnete die Erkenntnisse aus dem Autopsie Berichten ein, machte sich einen Plan, auf was sie bei der Besichtigung nachher unbedingt achten sollten und tippte dabei auf seinem Handy herum. John lehnte sich immer weiter nach hinten in die weiche Leder Polsterung und döste vor sich hin. Seine Gedanken kreisten nicht etwa um den Fall oder um die letzte Nacht sondern viel mehr um die nächsten Tage. Er würde mal wieder etwas zu Sarah in der Praxis arbeiten gehen müssen, auch wenn das Sherlock überhaupt nicht gefallen würde. Er zerbrach sich gerade den Kopf darüber, wie er dem Jüngeren schonend beibringen könnte, dass er, trotz dem akuten Fall, ein wenig Geld verdienen und sich auch mal wieder blicken lassen musste, wenn er seine Stelle nicht verlieren wollte und das war so anstrengend, das es, gepaart mit dem leichten hin und her Geschaukel des Autos und der Tatsache, dass er total übermüdet war, letztendlich dazu führte, dass der Herr Watson während der Fahrt unwillkürlich ein nickte. Seinem Sitznachbarn war das natürlich, obwohl dieser augenscheinlich sehr konzentriert gewirkt hatte, keineswegs entgangen. Sherlock hatte sehr wohl aus dem Augenwinkel mitbekommen, wie Johns Kopf irgendwann ein wenig nach hinten gesackt war und auch, dass der Kleinere nun - mit entspanntem Gesichtsausdruck - seelenruhig tief und fest schlief. Offensichtlich war er wirklich noch sehr müde. Dadurch bekam es dieser nun natürlich überhaupt nicht mit, wie der Größere sein Handy weg steckte und begann ihn genau zu mustern… Sherlocks Mimik änderte sich dabei schnell und ungewöhnlich lebhaft. Erst schaute er neugierig, dann nachdenklich und dann sogar etwas verärgert. Er ohrfeigte sich gerade innerlich selbst für seine Gedanken, denn diese galten, schon wieder, dem Kuss in der Küche und waren definitiv nicht willkommen. Schnell blendete er die schon auftauchenden Bilder in seinem Kopf krampfhaft aus, zwang sich stur geradeaus zu schauen und ignorierte das leichte Kribbeln in seiner Magengegend, dass Johns Anblick gerade ausgelöst hatte. Dieser weckte, zu Sherlocks Leidwesen, das gleiche Interesse in ihm, wie letzte Nacht. Merkwürdig… Er merkte, leicht genervt, dass sein Blick, fast automatisch, sogleich wieder zu seinem Sitznachbarn glitt und diesen fixierte. Sherlock konnte einfach nicht anders. Dieses mal war ER derjenige, der das Vergnügen hatte den Kleineren beim Schlafen zu beobachten. Dieses mal hieß es wohl ‘getauschte Rollen’ und der Dunkelhaarige hatte einen sehr guten Blick auf den blonde Mann neben ihm.… Unbewusst beugte er sich nach einiger Zeit sogar etwas vor, verengte etwas die Augen und sah zu, wie der Arzt in jenem Moment seinen Kopf langsam genau in seine Richtung drehte. Dessen Gesicht war immer noch entspannt und sah gerade, im wahrsten Sinne des Wortes, unschuldig aus. So unbeschwert und mit solch einer Gelassenheit im Gesicht sah der Jüngere den Älteren selten. Ja normalerweise zierte jenes eher ein ernster und angestrengter Ausdruck und zudem spiegelte dieses immer alle Emotionen des Kleineren ungefiltert wieder. Der Jüngere hatte schon bemerkt, dass ihn die Facetten reichen Gesichtszüge, ja auch der Charakter seines Freundes ihn auf erstaunliche Weise…amüsierten. John war wirklich der Einzige, für den sich Sherlock in dieser Hinsicht interessierte, da dieser solch einen passenden Gegensatz zu ihm abgab. Dadurch bildeten sie beide ein prima Team, ergänzten sich, waren einerseits so verschieden und hatten andererseits doch so vieles gemeinsam. … Ein leises, leicht genervtes Seufzen entkam dem Detektiv, während er so über all das nachdachte. Derweil fuhr der junge Mann am Steuer weiter nichtsahnend, was dort auf den Rücksitzen hinter ihm vor sich ging, über die Landstraße Richtung der Grafschaft Surrey. Diese begann mit der Zeit immer kurviger zu werden, auch wenn die Kurven anfangs noch klein waren. Doch mit der Zeit wurde die Straße zunehmend holpriger, weshalb der Fahrer etwas vom Gas gehen musste. Sherlock bemerkte das, schaute wieder nach vorne und sah schon von Weitem eine große Kurze auf sie zukommen. Ein leises Seufzen kam von der Seite, welches die Aufmerksamkeit des Größeren wieder auf seinen Freund lenkte. Plötzlich kam dann aber auch schon die Kurve und Sherlock legte sich mit seinem Körpergewicht in eben jene. Allerdings begriff er zu spät, dass der Mann neben ihm ja schlief und deshalb schon im nächsten Augenblick in seine Richtung rutschte. Johns schlafender Körper kippte in Richtung des Jüngeren,  wurde nur von seinem Gurt gehalten und hing jetzt mehr oder weniger zwischen seinem und dem Sitz von Sherlock. Reflexartig hatte sich Sherlock versteift, sah neben sich nach unten auf seinen Freund und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Doch einen Wimpernschlag später kam auch schon die nächste größere Kurve, wodurch er logischerweise in Richtung seines Freundes glitt und dabei kurz an diesem anstieß. Seine Hände erhoben, versuchte er den Schlafenden, ohne ihn zu wecken, ihn dessen Sitz zurück zu drücken. Das John aber auch so tief und fest schlafen musste. Er war gerade wohl wirklich vollkommen weg, da er Sherlocks Aktion überhaupt nicht bewusst mitbekam. Wie es schien, wollte Johns Körper derweil bei der Fahrt einfach nicht auf seinem Sitz bleiben, sackte schon erneut etwas zur Seite und rutschte in Sherlocks Richtung. Nun deutlich genervt und auch ein wenig gestresst packte der Größere den Kleineren bei den Oberarmen und wollte ihn kurzerhand aufwecken… Doch... als er dessen Gesicht neben sich bzw. wieder so nah und detailliert vor sich sah,... hielt er sofort inne.… Sherlock legte seinen Kopf schief, betrachtete Johns Gesicht und dessen leicht geöffnete Lippen, über die sein Atem leise und regelmäßig entwich, ein wenig genauer… Der Jüngere war, schon wieder, am grübeln, was ihm selbst sehr verdächtig vorkam. Der Detektiv hob langsam seine rechte Hand, die nicht, wie üblich in einem schwarzen Lederhandschuh steckte und näherte sie der rechten Wange seines Freundes ganz vorsichtig, um diese, über die Haut hinweg schwebend, nur ganz leicht zu berühren.… Hauchzart strich er einige Sekunden lang über Johns Haut. Sein feingliedrigen Finger wanderte zu Johns Kinn runter, anschließend langsam wieder rauf zu seinen Lippen und machten dort Halt. Sherlocks hatte seinen Kopf während dieser Tätigkeit etwas in Johns Richtung geneigt, war gerade auf eigenartige Weise gefesselt und nun dabei, den ruhigen Atemzügen seines Freundes zu lauschen und Johns Wärme zu spüren. Es reizte ihn. Es genoss es über alle Maßen, dass er hier und jetzt den Älteren so nah bei sich haben konnte, ohne das dieser etwas davon mitbekam. Der Jüngere überlegte kurz, ob John sich, wenn Sherlock weiblich wäre, auch freiwillig im wachen Zustand an ihn lehnen würde, ob das Geschlecht das einzige Problem war, warum sich dieser gegen seine Nähe im bewussten Zustand so wehrte. Zu vertrauen schien er ihm auf jeden Fall blind, so friedlich wie er hier neben ihm schlafend saß. Während diesen Überlegungen wiederholte Sherlock sein Spiel und strich dem Älteren mit den Fingern sachte über die Wange, über die überraschenderweise weiche Haut, hatte er doch gedacht, dass Johns Gesicht im unteren Bereich durch die kaum sichtbaren Stoppeln ein wenig rauer sein müsste - doch das Gegenteil war der Fall. Ohne jegliche Regung im Gesicht strich der Detektiv still schweigend dann noch ein paar kleine Haarsträhnen aus Johns Stirn und wollte nun, wenigstens ein Mal und nur für eine Millisekunde, mit seinen Fingerspitzen die Lippen des Doktors berühren. Doch genau in diesem Augenblick vernahm Sherlock plötzlich von vorne eine Stimme, welche nicht gerade leise war. “So meine Herren! Wir wären dann gleich da!” Etwas erschrocken ruckte Sherlocks Kopf nach vorne, sah dabei wieder etwas genervt aus und bemerkte gleichzeitig, wie sich der Körper neben ihm auch schon zu regen begann. So schnell er nun konnte, platzierte der Lockenkopf seinen Freund wieder in der ursprüngliche Sitzposition und setzte sich auch selbst ruckartig wieder gerade hin, so als wäre nichts gewesen. Dann wachte John auch schon auf. Seine Augen öffneten sich langsam, sahen sich etwas verwirrt um, doch dann schien er zu  realisieren, wo er sich befand. Er stöhnte leise. Dieser kurze Schlaf, der, wie er festgestellt hätte, wenn er denn auf die Uhr gesehen hätte, eine dreiviertel Stunde angedauert hatte, war in der Tat erholsam gewesen. Das hatte er jetzt wirklich gebraucht und ausreichend war es seines Empfindens nach offenbar auch gewesen. Sich genüsslich streckend und leise mit der Hand vor dem Mund gähnend, sah er rüber zu Sherlock, welcher vollkommen unbeteiligt nach vorne zu sehen schien, dann nochmals aus dem Fenster und begriff nun endlich, dass sie offensichtlich an ihrem Ziel angekommen waren. Stumm saß der groß gewachsene, junge Detektiv neben ihm und versuchte beinahe krampfhaft nicht verdächtig zu wirken. Doch John hatte anscheinend wirklich nichts mitbekommen… Gott sei Dank… Die Situation gerade sollte besser Sherlocks kleines Geheimnis bleiben. Wie erbärmlich, dachte er noch, als das Auto auch schon stoppte. “Da wären wir, hier können Sie aussteigen!! Lasst Sie sich Zeit und bleiben Sie so lange wie Sie wollen, ich werde ein paar Meter weiter entfernt von hier parken und auf Sie warten!” Sherlock nickte ihm dankend zu und stieg dann auch schon aus. John sortierte sich kurz, rief dann dem Fahrer noch ein “Bis später!” zu und folgte seinem jüngeren Kollegen. Der junge Mann nickte zum Abschied und fuhr, sich eine Sonnenbrille auf die schlanke Nase setzend dann auch gleich weiter zu einem Parkplatz nahe des Waldes, der an das Anwesen grenzte. “Nun John, dann kann es ja losgehen!” Hoch motiviert und mit schnellen Schritten, machten sich Sherlock und John auf den Weg, vorbei an einer gepflegten Buchsbaum Hecke, zum Eingangstor, welches offen stand. Sie folgten der Kies bedeckten Auffahrt zum Herren Haus und trafen dabei so manchen Angestellten, wie den Hausverwalter und den Gärtner, von denen sie beide sogleich musternd und misstrauisch beäugt wurden. Sherlock störte sich nicht weiter daran, schritt jetzt elegant den Weg entlang, sah dabei, wie John, der neben ihm her lief, erneut bewundernd feststellen musste, wirklich aus wie ein junger Lord und so näherten sich die beiden auch recht schnell dem Eingang des prunkvollen Anwesen, standen schon sehr bald darauf vor der großen dunkelroten Haustür und Sherlock betätigte die Klingel, die man im Innern des Hauses als Echo bis hier draußen widerhallen hören konnte. Der Detektiv und sein Doktor sahen sich kurz vielsagend an. “Showtime! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)