Dancing on thin ice von Suga-chan ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1 Hyoma atmete tief durch, als der Ansager seinen Namen ausrief. Jetzt war er an der Reihe. Jetzt durfte er zeigen, warum er sich diesen Platz aus dem Eis verdient hatte. So lange hatte er auf diesen Moment hingearbeitet und es würde sich endlich auszahlen. Mit dem Gedanken, dass er hier als einer der Favoriten galt, betrat er das Eis und fuhr bedächtig zur Mitte. Das Licht wurde gelöscht und nur ein Spot zeigte auf ihn. Er verbeugte sich kurz vor der Jury und atmete ein weiteres Mal durch, ehe die Musik einsetzte. Zu den ersten zarten Geigenklängen startete er sein Kür. Hyoma wusste, dass es die Beste war, die er bisher gemeinsam mit Anri erarbeitet hatte. Seine Trainerin und sein Team fieberten mit ihm mit. Seine Eltern, seine Schwester und seine Freunde jubelten ihm zu. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Einiges an Nervosität hatte sich in Hyoma angestaut, als er heute Morgen mit seinem Team die Eishalle betreten hatte. Das war normal und so ging es ihm vor jedem Wettbewerb. Aber sobald er auf den Eis stand und die Musik hörte, ging sie in seinen Geist über und auch wenn er hier vor hunderten Leuten seine Kür vollführte, konnte er sie nach und nach ausblenden. Es gab nur ihn, die Musik und das Eis. Hyoma begann seine Kür mit einer langgezogenen Rückwärtsgleitung und ging mit den ersten schneller werdenden Geigenklänge in seinen ersten Sprung über, einen zweifachen Lutz. Er war mit seiner Drehung sehr zufrieden und auch mit der Landung. Kein Gewackel und er fand schnell sein Gleichgewicht wieder. Alles wie beim Training. Es folgten eine dreifache Pirouette, die schließlich in einem Layback spin endete. Hyoma erlaubte sich kurz, durchzuatmen, bevor er zu seinem nächstem Sprung ansetzte. Zunächst ein Euler, der als Verbindungssprung dienten sollte. Rechts lief er an und es folgte der Absprung mit demselben Bein. Die Drehung war ihm perfekt gelungen, wie er an dem Jubel des Publikums erkannte. Für Hyoma war dies auch perfekt, denn so würde ihm der Übergang zum nächsten Sprung ebenfalls gelingen. Ein dreifacher Salchow. Als er spürte, wie sich sein rechtes Bein um seinen Körperschwerpunkt schwank, war es für ihn so, als würde für einen kleinen Augenblick die Zeit anhalten. Es gab nur ihn und das Eis. Selbst die Musik, die eigentlich sein Taktgeber war, blendete er für diesen Zeitpunkt aus. Es erfolgte weiteres Jubeln und Hyoma ging in weitere Pirouetten und Spins über, bevor er sein Finale einleiten würde. Zunächst der Richtungswechsel mit dem Mohawk. Er hatte sich bewusst für diesen Element entschieden, da es nicht sofort verriet, welcher Sprung als Nächstes erfolgen würde. Anri hatte lange und ausführlich mit ihm darüber gesprochen, was es für ihn bedeuten würde, wenn er sich an diesen Sprung wagte. Sie hatten beide gewusst, dass er bereit dafür war. Die Musik schlug den letzten Akt des Stückes ein und für Hyoma war der Augenblick gekommen, wo sich alles entscheiden würde. Er sprang ab und im ersten Augenblick fühlte es sich noch richtig an, wie er in der Luft war. Auch die erste und zweite Drehung des Axel waren so wie er es aus dem Training gewöhnt war. Aber in der dritten Drehung verlor er sein Gleichgewicht. Es war nur minimal, aber für Hyoma bedeutete es alles. Als er mit dem linken Bein auf dem Boden ankam, durchfuhr ihn ein einschneidender Schmerz, welcher von seinem Unterschenkel ausging und hinauf bis in sein Knie zog. Die Musik spielte noch weiter, während Hyoma versuchte, aufzustehen. Es gelang ihm nicht und das bemerkte auch das Publikum. Das Gemurmel wurde größer und der Ansager sprach davon, dass man sich keine Sorgen machen sollte. Unfälle passierten nun einmal. Ja, Unfälle passieren, aber das half Hyoma auch nicht weiter. Hilfesuchend sah er zu Anri, die alarmiert an der Banderole stand. Ihre Blicke trafen sich und seine Trainerin verstand. Sie gab Yukimyia und Sendou, zwei seiner Teamkollegen, eine kurze Anweisung und die beiden kamen zu ihm aufs Eis, um ihn zu helfen. „Dein Bein?“, fragte Sendou flüsternd, während Yukimiya und er ihm unter die Arme griffen, um ihn auf die Beine zu helfen. Hyoma nickte. „Ja…ich glaube…es ist etwas Schlimmeres“, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Der Schmerz wurde immer schlimmer. Yukimiya und Sendou tauschten einen kurzen Blick miteinander aus, der Hyoma überhaupt nicht gefiel. Er wusste selbst, was ein gebrochenes Bein für seine Karriere bedeutete. Im besten Fall fiel er nur für ein paar Wochen aus; im schlimmsten konnte er die Schlittschuhe an den Nagel hängen. „Noch wissen wir nichts. Vielleicht bist du beim Aufkommen nur komisch aufgekommen und hast dir etwas verrenkt“, versuchte Yukimiya seine Laune zu heben. Der Brillenträger lächelte ihn kurz an, aber Hyoma erkannte, dass er sich Sorgen machte. Kurz bevor sie das Eis verließen, warf Hyoma einen letzten Blick auf den Punktestand. Ein bitterer Geschmack bildete sich in seinem Mund. Seine Kür war bis zu seinem Sturz perfekt gewesen. Was folgte war ein Spießrutenlauf für Hyoma. Seine Eltern nahmen Anri ihm ab und fuhren mit ihm ins Krankenhaus. Nach dem Röntgen war die Diagnose schnell gestellt: zweifacher Bruch im Unterschenkel wie ein gerissenes Kreuzband. Schlimmeres hätte es in Hyomas Augen nicht kommen können. Der Arzt machte ihm gleich klar, dass er operiert werden musste und danach eine längere Reha folgen würde, bevor er sein Bein wieder vollständig belasten konnte. Er gab ihm die vage Hoffnung, dass er in einem Jahr wieder langsam sein Training aufnehmen könnte, wobei er nicht sonderlich optimistisch klang. Hyoma reichte das aber. Er würde auf das Ziel hinarbeiten, dass er in einem Jahr wieder auf dem Eis stand. ❄ ❄ ❄ Endlich hatte er es geschafft. Endlich stand er wieder vor der Halle. Und das nach etwas über einem Jahr. Der Arzt hatte zwar noch zu ihm gemeint, dass er sich schonen sollte, aber Hyoma fand, dass er genug Ruhe im letzten Jahr gehabt hatte. Natürlich, die Reha, wo er wieder Muskeln aufbauen musste, war alles andere als leicht gewesen, aber sie hatte ihn nicht erfüllt. Alles in ihm drängte danach, wieder auf dem Eis zu stehen. Dort gehörte er hin und nirgends sonst. So hatte er lange auf diesen Tag hin gefiebert. „Da bist du ja endlich, Chigiri!“, begrüßte Bachira ihn stürmisch, als er ihn sah. Ehe sich Hyoma versah, wurde er auch schon umarmt und er musste ein paar Schritte zurückgehen, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Er lachte. „Du tust gerade so, als hätten wir uns monatelange nicht gesehen“, sagte er zu dem etwas Kleineren und grinste ihn an. Immerhin hatten sie sich erst gestern mit Sendou, Hiori und Reo getroffen. Diese Treffen hatten Hyoma in seiner schweren Zeit viel Halt gegeben. „Aber es ist das erste Mal, dass du wieder mir uns trainierst! Da freue ich mich natürlich besonders“, meinte Bachira strahlend und ließ ihn wieder los. Sein Grinsen wich einem Lächeln und Hyoma fühlte sich sofort wieder willkommen. „Lässt du ihn uns jetzt auch mal begrüßen?“, fragte da eine Stimme hinter ihnen und er drehte sich um. Vor der Eishalle hatte sich das gesamte Eislaufteam versammelt. Yukimiya, der gesprochen hatte, kam als auf ihn zu und umarmte ihn auch. Es folgte sein Freund Hiori, der Hyoma ebenfalls kurz in seine Arme zog. „Wie fabulös, dass du endlich wieder hier bist“, begrüßte ihn die hochgewachsene Aryuu, in dessen großen Armen sich Hyoma kurzzeitig verlor. „Super, dass du wieder hier bist“, war Sendou der letzte in der Begrüßungsrunde. Hyoma war für einen Augenblick sprachlos. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Team ihn direkt vor dem Training begrüßen würde. Sie waren zwar die ganze Zeit über in Kontakt miteinander gewesen und sie hatten ihn auch in der Reha besucht, was es für ihn etwas angenehmer gemacht hatte, aber damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Das machte seinen ersten Tag hier gleich ein Stück besser. Es zeigte ihm, dass sie ein Team waren und aufeinander Acht gaben. Er konnte es kaum abwarten, gleich wieder auf dem Eis zu stehen. „Danke, Leute. Ich bin genauso froh, dass ich wieder hier sein kann. Ich brenne darauf, endlich wieder auf dem Eis zu sein“, sagte er zu seinem Team und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Eishalle. Diese war recht groß und teilte sich in drei kleinere Hallen auf. Die größte wurde hierbei von der örtlichen Eishockeymannschaft genutzt und die mittlere gehörte dem Eiskunstlaufteam. In der kleinsten Halle wurde für Einsteigerkurse genutzt, also für Kinder und Erwachsene, die das Eislaufen lernen wollte. Hyoma kannte diese Halle seit seiner Kindheit und hatte in der kleinen Halle seine Anfänge gehabt. „Das hören wir doch gerne. Kenyu und ich feilen aktuell an unserem neuen Paarlauf. Du kannst es dir ja nachher mal in Ruhe ansehen“, meinte Hiori zu ihm und Hyoma nickte. Was hatte ihn dieser Austausch über das Eislaufen mit seinen Freunden gefehlt. Er hatte auch nicht von seinen Freunden auf dem Laufenden gehalten werden wollen, da er das Gefühl nicht ertragen konnte, kein Teil davon zu sein. „Anri meinte, dass wir dieses Jahr ganz gute Chancen haben. Es ist ja bald wieder Zeit für die Vorentscheide“, stimmte Yukimiya seinem Liebsten zu. Daran hatte Hyoma noch gar nicht gedacht und ihm überkam kurz ein ungutes Gefühl. Ihm war bewusst, dass er dieses Jahr noch an keinem Jahr teilnehmen würden könnte. Dafür war es noch zu früh. Aber es gefiel ihm trotzdem nicht. „Das hört sich richtig gut an. Ich würde mich sehr für euch freuen, wenn es klappt. Wie sieht es beim Rest von euch aus?“, fragte er an Aryuu, Bachira und Sendou gerichtet. Zuvor waren sie alle in den Einzelwettbewerben gelaufen und hatten sich dabei immer gegenseitig angetrieben. Hyoma hoffte sehr, dass dies bald wieder so war. „Sen und ich fokussieren uns gerade auf die Wettbewerbe im Frühjahr vor. Aryuu ist dieses Jahr der Einzige, der am Winterlauf teilnimmt. Wir haben dieses Jahr die Qualifikation dafür nicht geschafft.“ Bachira zuckte mit den Schultern, während Sendou das Gesicht erzog. „Erinnere mich bitte nicht daran. Es war so verdammt knapp“, beschwerte er sich und schmollte dabei leicht. „Ihr beiden habt euer Bestes gegeben. Meine Kür war am Ende die stylischste von allen.“ Um seine Worte zu unterstreichen, warf Aryuu seine Haare zurück. Hyoma musste ein Lachen unterdrücken. Auch wenn es ihn für Bachira und Sendou leidtat, freute er sich doch sehr darüber, ein Teil dieses Teams zu sein. „Im Frühjahr wird es sicher etwas. Ich glaube da an euch“, baute er Bachira und Sendou noch kurz auf, bevor sie ihre Trainingshalle betraten. „Da seid ihr ja alle. Und ihr habt sogar Hyoma mitgebracht. Wie schön, dass du endlich wieder hier bist“, begrüßte Anri ihr Team und insbesondere Hyoma, dem sie ein Lächeln schenkte. Er ging ein paar Schritte auf seine Trainerin zu und ließ sich von ihr drücken. Sie kannten einander schon so lange, dass er froh war, wieder von ihr trainiert zu werden. „Ich bin auch froh, dass ich wieder hier bin. Ich bin auch wieder bereit für das Training“, verkündete er feierlich, als er sie wieder losließ. Anri nickte. „Das wollte ich hören. Aber mach erst einmal langsam, ja? Lauf dich vernünftig warm und dann mach ein paar einfache Sprünge. Ich gehe davon aus, dass dein Körper sich zwar an alles erinnert, aber ich möchte ungern, dass du dich übernimmst. Und wenn irgendetwas noch nicht so funktionieren sollte, sag es mir bitte sofort, ja?“ Eindringlich sah sie ihn an. Hyoma verstand, dass sie sich Sorgen machte, aber er konnte auch nicht abwarten, wieder in seinem Element zu versinken. „Das werde ich, Anri-san. Ich will ja nicht, dass meine Karriere vorzeitig endet“, versprach er. Zufrieden nickte seine Trainerin und alle wärmten sich für das Training auf. Als Hyoma endlich wieder seine Schlittschuhe trug und das Eis unter den Kufen spürte, überkam ihn ein unglaublich wohliges Gefühl. Ja, hier gehört er hin. Auf das Eis und sonst nirgendwo. Wie er es Anri versprochen hatte, lief er zunächst ein paar Runden, um wieder warm zu werden. Es fühlte sich dabei an, als hätte er kein Jahr Pause hinter sich. Sein Körper erkannte jeden Schritt wieder und Hyoma ahnte, dass er sich voll und ganz auf seine Instinkte verlassen konnte. Das hier war sein Element. „Du siehst glücklich aus“, sagte Bachira zu ihm, als er an ihm vorbeilief und anschließend eine kleine Pirouette vollführte. „Und wie glücklich ich bin! Das ganze letzte Jahr habe ich mir keinen anderen Moment als diesen hier ausgemalt. Endlich darf ich wieder eislaufen“, antwortete er ihm überschwänglich und fuhr gleich etwas schneller. Sendou nährte sich ihnen und musterte Hyoma kurz. Anri war gerade damit beschäftigt, mit Aryuu seine Kür zu besprechen, und Yukimiya und Hiori übten ihren Paarlauf. „Man merkt kaum, dass du ein Jahr nicht auf dem Eis standest“, stellte er fest und schenkte Hyoma ein Lächeln, während er rückwärts vor ihm vor. „Danke. Ich hoffe echt, dass ich bald das Training voll und ganz aufnehmen kann. Im Herbst will ich wieder an Wettbewerben teilnehmen“, meinte er übermütig, wobei ihm entging, dass Bachira und Sendou einen kurzen Blick miteinander austauschten. „Übernimm dich aber nicht, Chigirin, ja? Dein Unfall war nicht ohne“, erinnerte der Sonnenschein ihres Teams ihn und die Besorgtheit auf seinem Gesicht irritierte ihn für einen Augenblick. So kannte er ihn nicht. „Keine Sorge, ich weiß schon, was ich meinem Körper zutrauen kann und was nicht“, versprach er erneut. Er würde nichts tun, was seine Karriere gefährden würde. Dafür war das Gefühl, welches er gerade empfand, viel zu großartig. Irgendwann wurde es Hyoma leid nur zu laufen und dabei in seinem Tempo zu wechseln wie Pirouetten und Ausfallschritte zu üben. Er wollte wieder springen. Anri hatte ja gemeint, dass er es mit einfachen Sprüngen versuchen sollte. Der einfachste Sprung war der Dreiersprung, das sollte also drin sein. Er hatte diesen Sprung schon als Kind gelernt, von daher kannte er ihn in- und auswendig. Hyoma nahm Anlauf für den Sprung und sprang mit dem linken Bein ab. Es fühlte sich merkwürdig an, aber das war wahrscheinlich nur so, weil er es so lange nicht getan hatte. Es folgte die halbe Drehung und es war auf einmal so, als würde er auf einmal seine letzte Kür noch einmal durchleben. Die ersten beiden Drehungen hatten so gut funktioniert, aber dann hatte er sein Gleichgewicht verloren und die Ladung war sein Untergang gewesen. Dies passierte ihm beim Dreiersprung nicht, aber er kam bei der Ladung doch sehr in Stolpern, während er gleichzeitig das Gefühl hatte, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb. Er fasste sich an die Brust, während ein Fiepen durch seine Ohren ging. Seine Unsicherheit rief Anri auf den Plan, die sofort zu ihm fuhr. „Hyoma, ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt und umfasste seine Schulter, während er sich langsam aufrichtete. Er konnte das Gefühl des Überwältig seins nicht abschütteln. Immer wieder spielte sich in seinem Kopf sein Unfall ab. Vorsichtig hob er seinen Kopf und sah die Trainerin an. „…Ich glaube…ich bin noch nicht so weit…“, gestand er ihr leise. Diese Erkenntnis erschütterte ihn zutiefst. ❄ ❄ ❄ Hyoma war frustriert, dass er es nicht schaffte, wieder auf dem Eis zu stehen. Da er sich so sehr darauf gefreut hatte, hatte er nicht damit gerechnet, dass ihn sein Unfall so stark verfolgen würde. Anri hatte versucht, mit ihm darüber zu sprechen, aber er hatte nicht so recht in Worte fassen können, was ihn so stark einschränkte. Er hatte schon versuchte, die Bilder, die sich immer wieder in seinem Kopf abspielten, zu verdrängen, aber es funktioniert nicht. Seine Frustration wuchs und wuchs und Anri hatte ihm gesagt, dass er es noch ruhiger angehen sollte. Dabei war Hyoma schon der Meinung, dass er es besonders ruhig anging. Da seine schlechte Laune seinen Freunden nicht entgangen war, hatten sie ihn dazu überredet, sie zu einem Treffen mit der Eishockeymannschaft zu begleiten. Am Anfang war Hyoma nicht so begeistert von der Idee gewesen. Er sah keinen Nutzen darin, sich mit ihnen zu treffen, wenn er sowieso wahrscheinlich nie wieder auf dem Eis stehen würde. So pessimistisch war er inzwischen eingestellt. Aber Hyoma hatte seine Rechnung ohne Bachira gemacht. Er wusste zwar, wie hartnäckig er sein konnte, aber eigentlich war er der Meinung, dass er inzwischen immun dagegen war. Bachira hatte ihn dennoch die ganze Zeit bearbeitet, bis Hyoma schließlich nachgegeben hatte. „Ich bin so froh, dass du doch mitgekommen bist“, sagte Bachira zufrieden zu Hyoma, als sie gemeinsam mit seinem Freund Kunigami, der gleichzeitig der bester Freund des Rothaarigen war, bei dem Lokal ankamen, wo ihr Treffen stattfinden sollte. Kunigami und Bachira waren jetzt seit drei Jahren ein Paar und Hyoma hatte sich damals sehr für seinen besten Freund gefreut. An sich war Hyoma auch sehr dankbar dafür, dass die beiden ihn am Ende geholt hatte, da er sich ansonsten wohl doch noch eine Ausrede überlegt hatte, um nicht zu kommen. „Ich denke auch, dass es dir guttut, bevor du dich wieder verkriechst. Die anderen aus dem Team freuen sich auch darüber, dass du wieder dabei bist“, stimmte Kunigami seinem Freund und ergriff dessen Hand. Hyoma wusste natürlich, worauf sein bester Freund anspielte. Kurz nach seinem Unfall hatte er sich vor allem und jedem verkrochen und hatte auch niemanden sehen wollen. Rückblickend gesehen wusste er, dass ihm dies überhaupt nicht gutgetan hatte, aber damals hatte er nicht anders gekonnt. Wahrscheinlich hatte Kunigami Sorge, dass es wieder passieren könnte. „Ihr habt ja beide recht. Und an sich freue ich mich darauf, die anderen wiederzusehen. Manche von ihnen habe ich ja jetzt über ein Jahr nicht gesehen.“ Das meinte Hyoma durchaus ernst. Er mochte das Eishockeyteam, da er den Großteil von ihnen schon aus Schulzeiten kannte und mit allen mehr oder weniger gut befreundet war. So war das einfach, wenn man in einer Kleinstadt aufwuchs. „Das wollen wir hören. Also lasst uns reingehen“, sagte Bachira feierlich und drückte mit seiner freien Hand die Tür zum Lokal auf. Kunigami folgte ihm auf dem Fuß und Hyoma bildete das Schlusslicht. Während seine Freunde auch schon bei den anderen waren, blieb er noch einen Moment stehen. Das Eishockeyteam hatte wie immer den Raum gemietet, wo sie auch ihre Siegesfeier abhielten. Hyoma verband einige Erinnerungen mit diesem Raum, die alle sehr positiv waren. Er ließ auch kurz seinen Blick über die Runde schweifen, um zu erkennen, ob schon alle da waren. Er blieb zunächst bei Sendou und dessen Freund Aiku hängen, der der Captain der Eishockeymannschaft war. Sendou trug einen viel zu großen Hoodie, der eindeutig Aiku gehörte, da er seine Nummer, die Zwei, trug. Immer wieder verschwand die große Hand des Eishockeyspielers in Sendous Nacken und anschließend in dem Hoodie, während die beiden sich mit Aryuu, Tokimitsu, Aryuus Freund, und Niko unterhielten. Tokimitsu und Niko spielten beide auf der Position des Torwarts in der Eishockeymannschaft. Etwas weiter von ihnen entfernt schien eine hitzige Diskussion zwischen einigen Eishockeyspielern entbrannt zu sein. Ganz vorne an standen Karasu und Barou, die wohl die Redensführer der beiden Lager waren. Des Weiteren waren Otoya und Zantetsu daran beteiligt, während Nanase eine schlichtende Position eingenommen hatte. Hyoma nahm auch wahr, dass Kunigami und Bachira Kurona und Rin angesteuert hatten, die mit jemanden zusammenstanden, dessen Gesicht ihm vollkommen fremd war. Ob er auch dorthin gehen sollte? „Da bist du ja endlich, Chigiri“, wurde er da auf einmal begrüßt und ein Arm legte sich um seine Schulter. Sein Kopf ging zur Seite und er sah in das grinsende Gesicht seines anderen besten Freundes. „Ja, Bachira hat mich am Ende doch überreden können, Reo“, grüßte er ihn zurück und das Grinsen wurde für einen Augenblick noch größer. „Sehr gut von ihm. Wir freuen uns sehr, dass du wieder hier bist. Nicht wahr, Sei?“ Reo drehte sich zu seinem Freund Nagi ihm, der ein paar Schritte hinter ihnen stand. Beide spielten ebenfalls in der Eishockeymannschaft. „Hm?“, machte Nagi und hob seinen Kopf, da er auf sein Handy fokussiert gewesen war. Hyoma musste ein Lachen unterdrücken. So war er nun einmal. Reo seufzte leise und nahm seinen Arm von seiner Schultern. „Ach Sei“, sagte er liebevoll und erklärte seinem Freund, was er von ihm wissen wollte. Hyoma musste zugeben, dass er sich in diesem Augenblick sehr willkommen fühlte. Etwas später gab Aiku eine Ansprache und bedankte sich dafür, dass alle gekommen war. Sie wollten heute noch einmal größer feiern, bevor ihre intensive Trainingszeit für die kommende Saison beginnen würde. Das taten sie jedes Jahr, seitdem die Mannschaft regelmäßig daran teilnahm. Umso mehr wurde Hyoma klar, dass ihm wirklich etwas gefehlt hätte, wenn er heute nicht gekommen wäre. Es war doch die richtige Entscheidung gewesen. „Oh, ein neues Gesicht“, wurde er angesprochen, als er sich gerade an der Bar etwas Neues zu trinken holen wollte. Er drehte sich zur Seite und sah ihn ein unglaublich blaues Paar Augen. Für einen Wimpernschlag verlor er sich in ihnen, bevor ihm bewusstwurde, dass es der Typ war, der vorhin bei Rin und Kurona gestanden hatte. „Hallo. Und ich glaube, dass sollte ich eher zu dir sagen“, meinte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er gefiel ihm, das musste er schon zugeben, auch wenn Hyoma selten etwas auf Äußerlichkeiten gab. Der Neue kratzte sich kurz verlegen am schwarzen Schopf. „Haha, da hast du wohl recht. Ich bin Isagi Yoichi. Freut mich sehr“, stellte er sich richtig vor und reichte Hyoma die Hand, die er ergriff. Ihre Blicke trafen sich wieder. „Chigiri Hyoma, freut mich ebenfalls“, antwortete der Eisläufer im Gegenzug, „Wie lange spielst du denn schon für die Mannschaft, Isagi?“ Er wusste natürlich, dass Isagi zur Eishockeymannschaft gekommen sein musste, als er in der Reha gewesen. Es wunderte ihn mehr, dass seine Freunde ihm nichts von ihm erzählt hatten. Gerade bei Bachira hatte er damit gerechnet, dass er mit so einer Information gleich um die Ecke kommen würde. „Ja, ich bin jetzt knapp einen Monat bei der Mannschaft und muss mich noch ein wenig einleben, aber ich denke, dass es bisher ganz gut geklappt hat. Die Jungs sind sehr nett zu mir.“ Isagi lächelte leicht, während er darüber sprach. Hyoma nickte verstehend. Gut, wenn er erst einen Monat dabei war, hatten seine Freunde wahrscheinlich wirklich nicht daran gedacht oder waren der Meinung gewesen, dass Hyoma ihn sowieso bald kennenlernen würde. Nichtsdestotrotz würde er sie noch einmal darauf ansprechen. „Und du? Du bist im Eiskunstlaufteam, oder? Aiku hat mir schon erzählt, dass beide Teams immer viel miteinander machen.“ Das Lächeln auf Isagis Lippen wurde etwas mehr, während das in Hyomas Gesicht gefror. Er konnte es nicht aufhalten, dass diese Frage so viel in ihm bewirkte. Er wusste nicht, ob er sich noch als Teil des Teams bezeichnen konnte. Er hatte Angst davor auf dem Eis zu stehen. Da konnte er den Sport gleich an den Nagel hängen. „…Ich war ein Teil des Teams“, antwortete er leise und sah auf das Glas, welches vor ihn gestellt wurde. Isagi lehnte sich etwas nach vorne, damit er ihn ansehen konnte. „Du warst? Was ist denn passiert?“ Es war eine vollkommen legitime Frage, die Isagi ihm da stellte. Trotzdem wollte oder besser gesagt konnte er sie ihm nicht beantworten. Da war diese Blockade in seinem Kopf. „…Darüber kann ich nicht sprechen.“ Damit schnappte sich Hyoma sein Glas und ließ Isagi einfach stehen. 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