Happy New Year von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 1: only chapter ----------------------- Für Yami & En Frohes Neues Happy New Year „Yukke, ich will da nicht rein.“ „Jetzt hab dich nicht so. Wir haben doch drüber gesprochen und du hast zugestimmt, mitzukommen. Sie werden schon nicht beißen.“ „Doch ich bin mir sehr sicher, dass sie das tun werden.“ „Wieso sollten sie?“ „Gegenfrage, warum sollten sie nicht? Dein Vater schaut mich immer so finster an, wenn wir uns begegnen. Selbst wenn er mal auf einem unserer Konzerte ist, habe ich das Gefühl, seine Blicke schubsen mich gleich höchstpersönlich von der Bühne, damit er mich anschließend in einer dunklen Ecke begraben kann. Und die letzte Begegnung mit deinen Großeltern ist schon so lange her, dass –“ Ein Schnipsen gegen die Stirn unterbrach meinen Monolog. „Ach Tatsue, jetzt sei nicht so eine Dramaqueen. So schlimm wird’s schon nicht.“ Sagte er. Theatralisch seufzend gab ich der Dramaqueen in mir nach und fuhr mir mit den Fingern durch die langen Haare, die sicher inzwischen deutlich wüster aussahen, als noch am Mittag, als wir losgefahren waren. Abermals spähte ich um die Ecke und in Richtung des Hauses, das mir gerade wie mein persönliches Grab erschien. Warum, um Himmels Willen, hatte ich nochmal zugestimmt, Yukke während der Feiertage zu seiner Familie zu begleiten? Richtig, weil er mich mit der Frage überrumpelt hatte und ich gar nicht richtig über meine Antwort nachgedacht hatte. Oder war es der Alkohol gewesen, der mir an jenen verhängnisvollen Tag womöglich ein wenig das Hirn vernebelt hatte? Gekrönt von Yukkes Knopfaugen, die es mir stets so schwer machten, ihm etwas abzuschlagen? Wie dem auch sei: Nun stand ich hier, in dieser kleinen beschaulichen Straße, in der sich die Bewohner sicher seit Jahrzehnten – ach was, seit Jahrhunderten – kannten und wollte am liebsten die Flucht nach Hause antreten. Linste dort drüben etwa ein neugieriger Nachbar an den Vorhängen vorbei, zu uns hinüber? Eine sanfte Berührung an meiner Hand riss mich für einen kurzen Moment aus meiner dezenten Panik. „Tatsuro, tief durchatmen.“ Der hatte gut reden. Schließlich kannte er seine Familie schon seit… immer halt. Ich nicht. Also nicht so richtig. Die wenigen Begegnungen, bei denen seine Eltern unsere Konzerte besuchten, konnte man an einer Hand abzählen und das reichte für meinen Geschmack völlig. An seine Mutter hatte ich kaum Erinnerungen, aber der stechende Blick seines Vaters hatte sich so in mein Gedächtnis gebrannt, dass mir diese Handvoll Treffen für mein ganzes Leben durchaus ausgereicht hätten – wenn Yukke denn nicht andere Pläne gehabt hätte. Außerdem war ich bei der letzten Begegnung „nur“ ein Bandkollege ihres Sohns gewesen. Jetzt nicht mehr. Wussten sie überhaupt davon? Wenn ja, sahen sie mich sicher als Bedrohung an, hatte ich doch ihren geliebten Jungen vom Heiratsmarkt geholt und eine potenzielle Schwiegertochter in weite Ferne rücken lassen. Ich war sicher nicht die Person, die sie sich an seiner Seite vorstellten. Ergeben seufzend tat ich wie geheißen und atmete tief durch. Gleichzeitig griff ich nach Yukkes Hand, vielleicht etwas fester als sonst, gerade brauchte ich diesen Halt. Ja, ich war ein Pessimist, aber schließlich würde ich in wenigen Minuten seiner gesamten Familie gegenüberstehen, denn zu meinem Glück hatten sich auch noch seine jüngeren Geschwister mitsamt der Großeltern zum Jahreswechsel angekündigt. Als hätte es noch mehr Gründe gebraucht, mir den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Hätten wir nicht einfach in meiner Wohnung bleiben können? Yukke schien meine Gedanken zu erahnen. Oder sie standen mir einfach ins Gesicht geschrieben. „Wenn du wirklich nicht willst, entschuldige ich uns.“ Seine dunklen Augen musterten mich derart besorgt, dass sich augenblicklich mein schlechtes Gewissen meldete. „Ich möchte nicht, dass es dir deshalb schlecht geht. Ich hatte nur gedacht, dass wir hier vielleicht ein oder zwei entspannte Tage verbringen können und du endlich alle richtig kennenlernst.“ Gegen Ende war er immer leiser geworden. Sein Blick galt jetzt dem Boden. Ach Mann… In meiner Brust zwickte es gehörig. Ich wusste, wie wichtig ihm seine Familie war und wie schwer es ihm fiel, sie so selten zu sehen. Mit einem tiefen Schnauben schultere ich meine Reisetasche. Dann würde ich das neue Jahr eben im Hause Fukuno begrüßen statt daheim vor dem Fernseher. „Was soll's… wenn wir schon mal da sind.“ Unsicher sah Yukke auf, als wäre er nun derjenige, der lieber wieder nach Hause fahren würde. „Aber Tatsue, wir müssen wirklich nicht – Sie würden es sicher verstehen.“ „Ach Quatsch. Wenn wir nicht kommen, werden sie mich noch weniger leiden können und ich hätte sämtliche Chancen verspielt, als potentieller Schwiegersohn zu glänzen.“ Yukkes Augen weiteten sich, doch bevor er etwas entgegnen konnte, drückte ich ihm einen trockenen, schlecht gezielten Kuss auf den Mundwinkel und zog ihn Richtung seines Elternhauses. „Dafür erwarte ich eine ganz tolle Neujahrsüberraschung von dir, nur damit du Bescheid weißt. Und wehe, du weichst mir auch nur einen Moment von der Seite.“ * Yukke war weg. Oder vielmehr in der Küche mit den Damen des Hauses, während ich mit den anderen im Wohnzimmer saß. Der alte Holzboden gab ein leises Ächzen von sich, als ich auf dem Sitzkissen herumrutschte, um eine bequemere Position zu finden. Himmel, war das unangenehm, hier so schweigend zu sitzen und nicht so recht zu wissen, was ich tun sollte. Zwar unterhielt sich Yukkes Bruder im Moment mit seinem Vater, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich die ganze Zeit mit Blicken durchbohrt wurde. Und das nicht nur von seinem Vater, Yukkes Großvater schaute genauso drein, obwohl dieser stillschweigend in einer Ecke des Raumes saß und theoretisch das Geschehen auf dem Fernseher verfolgte. Warum wurde eigentlich die Freundin von Yukkes Bruder nicht derart durchleuchtet? Das Schlimme war: Für gewöhnlich war ich nicht auf den Mund gefallen und auch selten um einen flotten Spruch verlegen, doch aktuell fehlten mir einfach die Worte. Was sollte ich schon sagen? Höflicher Smalltalk mit einem mir recht unbekannten Gegenüber lag mir einfach nicht. Das fühlte sich einfach zu gestelzt an. Die Minuten wurden zu gefühlten Stunden, in denen ich immer angespannter wurde. Bis ich schließlich erlöst wurde. Mit einem vernehmlichen Rattern wurde die Schiebetür hinter mir aufgezogen und Yukke schneite herein, gefolgt von seiner Mutter und Oma. Selten war ich so erleichtert gewesen, meinen Lieblingsbassisten zu sehen. Mit einem Mal fiel mir das Atmen leichter. „Das Essen ist angerichtet“, strahlte er in die Runde. Kurz darauf stand vor jedem eine Schüssel, randvoll gefüllt mit Toshikoshi-Soba. Es roch herrlich, so viel besser als alles, was ich zum Jahreswechsel in den letzten Jahren gefuttert hatte. Meistens hatte ich mir Essen liefern lassen oder mich irgendwo eingeladen. Aber das hier sah wirklich großartig aus. Selbst mein Magen knurrte vorfreudig. Yukke setzte sich neben mich auf den Boden, so dicht, dass ich seine Wärme durch mein dünnes Hemd spüren konnte. Während seine Eltern ein paar Worte an alle richteten, lehnte er sich zu mir und flüsterte in mein Ohr: „Ich bin sehr froh, dass du mitgekommen bist. Und Oma mag dich übrigens. Hat sie mir in der Küche verraten.“ Mir wurde ein wenig leichter ums Herz. Ich riskierte einen schnellen Blick zu der alten Dame auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches, die mir wie zum Beweis ein breites Lächeln schenkte und sogar noch ein verschmitztes Zwinkern hinterherschickte. * Fröstelnd zog ich die Schultern hoch, eine dicke Gänsehaut krabbelte meine Arme hinauf. Ich hätte mir eine Jacke mitnehmen sollen. Doch nun stand ich hier im Garten der Fukunos, betrachtete den dunklen Nachthimmel – also mehr oder weniger – und fror mir den Allerwertesten ab, während ich gegen die Schwere in meinen Gliedmaßen kämpfte, die zu viel Alkohol stets mit sich brachte. Himmel, was auch immer Yukkes Vater für ein Bier angeschleppt hatte, es hatte es ganz schön in sich. Das Gute daran war, je höher der Pegel stieg, desto redseliger wurden alle, insbesondere der Herr des Hauses. Inzwischen hatte ich es sogar geschafft, ein kurzes Gespräch mit ihm zu führen, ohne Angst zu haben, von seinen Blicken erdolcht zu werden. Ich glaubte sogar ein verstecktes Lächeln in seinen Mundwinkeln wahrgenommen zuhaben, aber womöglich war es auch nur Einbildung. Ich sollte vielleicht bei Gelegenheit mal bei der Oma, die ich inzwischen mit ihren witzigen und spitzzüngigen Kommentaren ins Herz geschlossen hatte, nachhaken, ob ihr Sohn wohl immer so dreinschaute und es gar nicht an mir lag. Bei Yukkes Mutter war ich ebenso einen Schritt weiter gekommen. Wahrscheinlich hatte ich sogar einige Pluspunkte gesammelt, als ich mit ihr nach dem Essen das Geschirr wegräumte, obwohl sie es zunächst ablehnte. Aber hey, was wäre ich denn für ein miserabler, zukünftiger Schwiegersohn, wenn ich nicht wenigstens ein bisschen half. Ja, verdammt, trotz meines ganzen Jammerns wollte ich nun mal einen guten Eindruck hinterlassen. Und anscheinend hatte ich das vorhin geschafft. Das war einer der Gründe, warum ich nun hier draußen stand und die neueste Wendung erstmal verarbeiten musste. Grübelnd starrte ich in das Dunkel des Gartens und ließ die letzte halbe Stunde Revue passieren. Es war – Irgendwie konnte ich das Ganze noch nichts richtig greifen. Ob Yukkes Vater das nur gesagt hatte, weil er womöglich auch schon ein Glas zuviel getrunken hatte? Und was – Die Schiebetür zum Garten wurde hinter mir aufgezogen und unterbrach meine Gedanken. Leise Schritte auf dem Holzboden waren zu hören. Kurz darauf lehnte sich ein warmer Körper gegen meinen Rücken und etwas Weiches, Flauschiges umfing mich. „Mensch, du bist ja schon völlig kalt“, murmelte Yukkes Stimme in mein Ohr, sofort wurde ich noch enger an ihn gezogen. „Es ist bald Mitternacht, willst du nicht wieder reinkommen?“ Ich antwortete nicht gleich, stattdessen glitt mein Blick über den Garten. Irgendwie gefiel mir die Vorstellung, das neue Jahr allein hier draußen mit Yukke zu begrüßen, womöglich die Glocke eines benachbarten Tempels zu hören und für einen Moment alles andere zu vergessen. Vielleicht war es auch die leichte Trunkenheit, die mich etwas wehmütig machte. Seufzend wandte ich mich in Yukkes Umarmung um und legte nun meine Arme um ihn. Dass ich so auf Kuschelkurs war, kam nicht häufig vor, aber gerade brauchte ich das einfach – seine Nähe, die angenehme Wärme, der Duft seines Shampoos mit diesem dezenten Hauch von Zigaretten. Es fühlte sich richtig gut an, hier so zu stehen. Hätte man mir vor einiger Zeit erzählt, dass ich eines Tages den Jahreswechsel als Yukkes Partner – irgendwie war diese Bezeichnung noch immer ungewohnt – mit seiner Familie verbringen würde, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Doch nun war es so und es war – na ja, perfekt nicht gleich, aber nahe dran. „Sag mal, was ist das eigentlich für ein Umhang, den du hier gerade mitschleppst?“, nuschelte ich zusammenhanglos in den weichen Stoff. „Das ist so… hmm… flauschig.“ Ich spürte Yukkes Lachen an meiner Brust, automatisch stahl sich ein Grinsen auf meine Lippen. „Das ist meine Lieblingskuscheldecke von früher. Und ja, sie ist flauschig. So flauschig, dass ich bisher keinen passenden Ersatz für Zuhause gefunden habe. Vielleicht klau ich sie einfach irgendwann und nehme sie mit. Meine Eltern nutzen sie sowieso nicht.“ Ich hätte nie gedacht, wie sehr ich es genießen würde, nachts in der Eiseskälte mit Yukke über Kuscheldecken zu philosophieren. „Aber dann hast du bei unserem nächsten Besuch keine Decke mehr.“ „Hm?“ Schmunzelnd drückte ich Yukke einen Kuss gegen die Schläfe, ehe ich mich ein Stück weit löste, um ihn besser anschauen zu können. Fragend sah er mich an. „Na ja, wenn wir zum nächsten Neujahr hierstehen, dann würde ich gern wieder so von dir eingehüllt werden.“ Ein gewisser Ausdruck machte sich in Yukkes Gesicht breit. „Du meinst, du willst –“ „Dein Vater hat mich vorhin gefragt, ob wir nächstes Jahr nicht wiederkommen wollen.“ Er hatte noch mehr gesagt, alles hatte sich in diesem Moment wie ein kleiner Ritterschlag angefühlt. Wer seinen Sohn so zum Lächeln brachte, war stets willkommen. Seine Worte. Anscheinend hatte ich heute besser abgeschnitten, als ich es je für möglich gehalten hatte. Für einen Augenblick hatte es Yukke die Sprache verschlagen, doch war nicht zu übersehen, wie erleichtert er war. Dieser Ausdruck in seinem Blick. Ja, ich bereute es nicht, mitgekommen zu sein. Lautes Klappern von Gläsern wehte zu uns hinaus, geschäftige Schritte waren zu hören. Die letzten Minuten brachen an. Seufzend rückte ich noch ein bisschen weiter von ihm ab. Wir sollten wirklich ins Haus zurückkehren und mit seiner Familie – Ach scheiß drauf. Ich schloss Yukke erneut fester in die Arme. Nein, ich wollte noch nicht reingehen. Mir gefiel das Bild zu sehr, das Yukke gerade abgab: dick eingemummelt in seine graue Decke, im Halbdunkel des Gartens, nur umrahmt von sanftem Licht, das vom Haus bis hierher gelangte, mit diesem bestimmten Lächeln auf den Lippen. Ob ich – Während ich noch mit mir selbst diskutierte, ob ich mir jetzt schon einen vorgezogenen Neujahrskuss holen sollte, kam Yukke mir zuvor. Erst streiften seine Lippen sachte meinen rechten Mundwinkel, dann raubte er mir kurzzeitig den Atem. Oh. Auf so schnelle Überfälle war ich gar nicht vorbereitet. Leider löste er sich viel zu schnell von mir, doch nicht ohne mir vorher noch zwei flüchtige Küsse auf die Lippen zu hauchen. „Frohes Neues, Tatsuro.“ Entfernt hörte ich den gedämpften Schlag einer Glocke, während ich in Yukkes glücklichem Lächeln versank. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)