Nemesis von Yayoi ================================================================================ Kapitel 2: Schlaflose Nächte ---------------------------- Fireball betrat frisch geduscht sein Hotelzimmer. Er hatte nur das Handtuch um seine Hüfte gebunden und stellte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht vor den großen Spiegelschrank. Es durfte keiner etwas von seiner Verwundung bemerken, so waren die Bedingungen. Das Rennen hatte er immerhin schon gewonnen, auch wenn es verdammt knapp gewesen war. Die Schusswunde an seiner rechten Bauchseite machte ihm schwer zu schaffen. Sie war tief und sah überhaupt nicht gut aus. Beim Duschen hatte er nicht auf die beißenden Schmerzen geachtet. Irgendwie musste er ja die Wunde reinigen, denn zum Arzt durfte er nicht. Auch das war ein Bestandteil der Bedingungen. Jetzt, wo sich sein Körper durch das warme Wasser aufgeheizt hatte, lief das Blut wieder an seiner Seite hinab und sammelte sich im Handtuch. Der Star Sheriff hatte nicht mehr viel Zeit, denn in einer halben Stunde würde er sich mit Colt und April unten im Foyer treffen. Saber Rider hatte einen Anruf von seinem Vater erhalten. Seiner Mutter ging es nicht besonders gut, denn die Krankheit, an der sie schon jahrelang litt, war wieder einmal ausgebrochen. Ihr Mann Edward lebte deshalb immer in größter Sorge, und diesmal, so schien es, wusste keiner, ob seine Frau das überleben würde. ‚Diese blöde Siegesfeier!‘, fluchte Fireball in Gedanken und wandte sich dem Wohnzimmertisch zu, auf dem das Verbandszeug lag. Vorsichtig machte er sich daran, die Bandage um seine Taille zu wickeln, um so die Blutung zu stoppen. Wenigstens hatte er verhindern können, dass April mit ihm ein Zimmer teilte. Er hatte ihr gesagt, dass er sich auf das Rennen konzentrieren müsse und daher seine Ruhe brauchte. Sie hatte das verstanden, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Normalerweise belog Fireball seine Frau nicht, aber in diesem Fall ging es nicht anders; zu vieles stand auf dem Spiel. Er durfte sich keine Fehler mehr erlauben, denn das Rennen hätte er schon fast verspielt, weil er für einen Augenblick durch die Schmerzen die Konzentration verloren hatte. Fast wäre er in den Abgrund gerast, aber im letzten Moment konnte er noch das Steuer herumreißen. Durch den plötzlichen Richtungswechsel geriet sein Red Fury Racer ins Schleudern und der Rennfahrer hatte alle Mühe, ihn zum Stehen zu bringen. Dieser Zwischenfall war seinen Verfolgern von Vorteil und sie hatten wieder die Chance, Fireball noch überholen zu können. Am Ende hatten dem nächsten nur 1,2 Sekunden gefehlt. Er überprüfte, ob der Verband auch nicht verrutschen konnte und war mit dem Ergebnis zufrieden. Dann löste er das Handtuch und stieg in seine Boxershorts. Angewidert betrachtete der Rennfahrer das weiße Hemd und den dunkelblauen Anzug, den er auf der Siegesfeier tragen musste, weil eine gewisse Etikette wegen der vielen Promis, die sich an dem Rennsport erfreuten, gewahrt werden sollte. Die Krawatte ließ er allerdings weg. Er hatte jetzt wirklich keinen Nerv, dieses Ding zu binden. „Auf in den Kampf!“, sagte er zu sich selbst, als er fertig angezogen war und verließ sein Zimmer. Ab jetzt musste er wieder gute Miene zum bösen Spiel machen, musste gerade gehen und durfte sich nicht das Geringste von seinen Schmerzen anmerken lassen. Noch wusste er nicht, wer sein Feind war. Die Outrider waren es diesmal nicht, oder doch? Colt und April warteten schon unten in dem modern ausgestatteten Foyer. In diesem Hotel gab es keine altmodischen Kronleuchter oder schwere dunkle Teppiche. Alles war mit Halogenstrahlern beleuchtet und der Boden war mit einem freundlichen, dünnen Teppich ausgelegt. Als Fireball aus dem Fahrstuhl stieg, sah er zuerst April. Sie sah umwerfend aus. Das hellblaue, schimmernde Kleid, das sie trug, lag eng an ihrem Oberkörper und betonte ihre schlanke Figur, wurde aber ab der Hüfte weiter. Es reichte ihr nur bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel, so dass für jedermann ein Blick auf ihre langen Beine möglich war. An den Füßen trug sie hohe, weiße Tanzschuhe, die an ihrem Verschluss mit Glitzersteinen besetzt waren. Außerdem hatte sie ein zartrosa Lippenstift aufgelegt sowie silberfarbenen Lidschatten und schwarze Wimperntusche. Ihr Haar trug sie wie immer offen, nur wurde es jetzt von keinem Band zurückgehalten, sondern floss wie flüssiges Gold ihren Rücken hinunter. Es gab nicht viele Gelegenheiten für den Rennfahrer, seine Frau so hübsch gekleidet zu sehen, und immer wieder verschlug es ihm die Sprache. Das leichte Lächeln auf ihren Lippen lud zum Küssen ein, und Fireball folgte ihrer Anziehungskraft, um dieser Einladung nachzukommen. „Hey, Partner!“, unterbrach Colt seinen Teamgefährten. Fireball erwachte aus seiner Trance und starrte den Cowboy, der heute einen braunen Wildlederanzug trug, einige Sekunden verwirrt an. Auch wenn es für Fireball ungewohnt war, seinen Teamgefährten so gekleidet zu sehen, musste er zugeben, dass der Cowboy darin gut aussah. „Ähm...hallo“, stotterte Fireball, fing sich aber gleich wieder. Mit einem letzten Blick auf ihren sinnlichen Mund nahm er Abstand von seinem Vorhaben. Er legte April zur Begrüßung einen Arm um die Hüfte und flüsterte ihr ins Ohr: „Du siehst wunderschön aus, meine Süße.“ Er gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie warf ihm einen strahlenden Blick zu. „Danke, mein Schatz!“, hauchte sie zurück. „Vamos!“, forderte der Cowboy seine Partner auf, der jegliche weitere Turtelei verhindern wollte. Die Beiden grinsten sich etwas beschämt an und ließen voneinander ab. „Ja, gehen wir!“, nahm Fireball die Aufforderung seines Partners an und hakte April unter. Dann setzte sich die kleine Gruppe in Bewegung in Richtung Silbersaal, wo die Feierlichkeiten stattfinden sollten. „Ah, Mr. Hikari und seine Begleitung!“, begrüßte sie der Hotelmanager persönlich, der neben dem Eingang zum Saal die Gäste empfing. „Mr. Rossini!“, grüßte Fireball kurz zurück. Er hatte keine Lust, ein längeres Gespräch mit dem Hotelmanager zu beginnen und war froh, als dieser sich zuvorkommend beeilte, den ehemaligen Star Sheriffs die große, weiße Tür zu öffnen. „Genießen Sie den Abend“, verabschiedete der Hotelmanager sich, nachdem die Drei eingetreten waren, und wandte sich den nächsten Gästen zu. Staunend ließen sie ihre Blicke durch den Silbersaal gleiten. Der hohe Raum machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Die Wände waren zum größten Teil verspiegelt und die Tische waren mit silberfarbenen Tüchern bedeckt, auf denen blaue Gläser in verschiedenen ungewöhnlichen Formen standen. Es waren schon viele Gäste anwesend, von denen einige an Tischen saßen, während andere in kleinen Grüppchen zusammen standen und sich unterhielten. Von irgendwoher ertönte Musik, aber eine Band war nirgends zu sehen. An den Wänden, die nicht verspiegelt waren, war eine lustige Erfindung angebracht: Halterungen, in denen ein Reagenzglas eingespannt und in dem wiederum eine einzelne rote Rose hineingestellt war. „Kommt, lasst uns mal weitergehen“, schlug Fireball vor. „Staunen können wir nachher immer noch.“ Mario Firrenza, einer der besten Rennfahrer aller Zeiten, und seine Tochter und Nachfolgerin Claudia waren schon da. Im Vorübergehen sah das Team weitere Rennfahrer, Neueinsteiger, Konstrukteure, Schauspieler, Presseleute und Ehrengäste aus dem politischen Bereich. Viele kannte er vom Sehen, aber er hatte nur mit wenigen Fahrern engeren Kontakt. Seinen Freunden brauchte er nicht zu erklären, wer hier alles anwesend war, denn viele Gesichter waren auch ihnen bekannt. „Lasst uns zu Mario und Claudia gehen“, meinte Fireball, der seinen ehemaligen, ärgsten Konkurrenten und Freund weiter hinten im Saal entdeckt hatte. Noch bevor sie das angepeilte Ziel erreichten, wurde Fireball von Ranga Yogeshwar, einem Rennfahrerkollegen vom Mercedes-Team, weggezogen und zu einem Drink aufgefordert. „Vielleicht geht ihr schon mal vor?“, rief der heißbegehrte Teamkollege Colt und April zu, als er von Ranga „entführt“ wurde. „Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, nicht wahr, Verehrteste?“, grinste der Cowboy. „Sieht wohl so aus.“ „Na, dann kann ich mich ja mal in deiner Schönheit sonnen, solange Fire unterwegs ist. Mir armem Kuhhirten ist ein solches Weib ja nicht vergönnt!“ „Ach, Colt, du bist echt unmöglich!“, lachte April und knuffte ihn mit ihrem Ellenbogen in die Seite. „Naja, dann passen wir ja gut zusammen“, antwortete er und hielt ihr gentlemen-like den Arm hin. „Du bist nämlich auch unmöglich, und Fireball und Saber auch. Denn wir vier haben das Unmögliche vollbracht und Nemesis besiegt. Solltest du das etwa vergessen haben?“ „Wie könnte ich?“, sagte sie und nahm fröhlich seinen Arm an, um mit ihm zu ihren Bekannten zu gehen. „Mensch Fireball“, begann Ranga und legte seinem Konkurrenten einen Arm um die Schultern. „Wie machst du das nur immer mit dem Gewinnen? Nicht mal mehr Claudia Firrenza kommt an dich heran, obwohl sie bis zu deiner Rückkehr die Rangliste angeführt hat.“ Fireball blickte den dunkelhaarigen Ranga von der Seite her verschmitzt an. „Ich werd‘ dir doch mein Geheimnis nicht verraten, was denkst du nur!“ Ranga Yogeshwar war ein Newcomer, immer darauf bedacht, von den Ranglistenführern zu lernen und Tipps abzustauben. Er hatte Talent, das musste der ehemalige Star Sheriff zugeben, aber es würden noch einige Jahre ins Land ziehen, ehe dieser junge Rennfahrer genug Erfahrung besaß, um die Liste anzuführen. „Fireball“, nervte der junge Rennfahrer weiter, „kannst du mir nicht einen Tipp geben? Nur einen einzigen, ganz kleinen, ja?“ Ranga ließ sich auf einen Barhocker nieder, Fireball auf den nächsten. Mit einem kurzen Wink zum Barkeeper bestellte der Jüngere zwei Proseccos und schaute dann sein Idol wieder bittend an. „Ranga.“ Fireball bekam langsam den Eindruck, dass das Gespräch länger dauern würde, als er angenommen hatte. „Ich kann dir keinen Tipp geben. Jeder Rennfahrer ist unterschiedlich und hat seine eigenen Techniken. Die musst du bei dir schon selbst herausfinden!“ Der junge Rennfahrer nahm sich eines der beiden Sektgläser, die der Kellner ihnen auf die Theke gestellt hatte und prostete dem ehemaligen Star Sheriff zu, bevor er trank. „Aber das dauert doch Jahre!“, beschwerte er sich. „Kann man das nicht irgendwie beschleunigen?“ Fast verschluckte Fireball sich an seinem Prosecco, als er diese Frage hörte, und er musste ein lautes Auflachen unterdrücken. Sofort meldete sich seine Verletzung wieder und Fireballs Gesicht wurde von Schmerzen gezeichnet. Ranga Yogeshwar blickte sein Vorbild nervös an. „Was ist mit dir?“, fragte er, aber Fireball hatte seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. „Nichts, ich hab mir nur den Musikknochen gestoßen.“ Schnell hob sein Glas, um die Situation zu überspielen. „Auf den Rennsport!“ „Auf den Rennsport!“, wiederholte der Jüngere und beide leerten ihre Sektgläser in einem Zug. „Entschuldige, aber ich muss weiter. Wir sehen uns sicher noch später!“, sagte der Star Sheriff und erhob sich von seinem Barhocker. Aber keine drei Schritte weiter wurde der Sieger des heutigen Rennens schon wieder angesprochen: „Mr. Fireball! Dürfte ich Sie einen Augenblick sprechen?“ Einladend hielt Liam Nelson, der hiesige Sponsor seines Teams ihm ein Glas Martini hin. Fireball warf einen kurzen Blick zu seinen Kollegen, aber diese schienen sich auch ohne ihn zu amüsieren. Einen Seufzer unterdrückend, nahm er das Glas an und begab sich in die Fänge seines Sponsors, um dessen Lobreden und Smalltalk über sich ergehen zu lassen. Schließlich konnte er ja seinem Geldgeber nicht so vor den Kopf stoßen, zumal ihm sein Teamchef später gehörig den Kopf waschen würde, sollte er Mr. Nelson nicht die Ehre erweisen. Mr. Nelson belagerte ihn fast vierzig Minuten, ehe Fireball sich nach drei Martinis und zwei Klaren wieder auf den Weg zu seinen Teamkollegen begeben konnte. Aber kaum fünf Meter weiter wurde er wieder aufgehalten, diesmal von zwei Reportern des „All Sports“ - Magazins. So erging es ihm fast drei Stunden lang, ehe er sich endlich leicht beschwipst freikämpfen konnte, um zu Colt und April zu gehen. Auf dem Weg zu seinen Freunden, die auf der gegenüberliegenden Seite saßen, wurde Fireball plötzlich schwarz vor Augen. ‚Nein, nicht!‘, dachte er und konzentrierte sich stark auf einen bestimmten Punkt. Um ihn herum war schon alles verschwommen und die Farben wurden dunkler. Nur diese eine Stelle konnte der Rennfahrer noch deutlich und scharf wahrnehmen. Ein paar Sekunden später ging der Druck auf seinem Kopf weg und sein Sichtfeld wurde wieder klarer und heller. ‚Das ging ja noch mal gut‘, sagte er in Gedanken zu sich. Sein Verband fühlte sich unangenehm feucht und klebrig an und Schweißperlen traten ihm von der Anstrengung auf die Stirn. Es war bestimmt nicht gut, in seinem Zustand Alkohol zu trinken, aber was wollte er machen, wenn keiner seine Verletzung bemerken durfte? „Sorry, dass ich euch habe warten lassen“, entschuldigte er sich bei seinen Leuten. „Schon gut“, lachte Mario, „Du bist doch immerhin der Star heute Abend!“ Fireball grinste. Er hoffte innerlich, dass niemandem auffiel, wie schwer es ihm fiel. „Tanzt du wenigstens mal mit mir?“, fragte April. „Der liebe Colt ziert sich.“ „Du stellst dich doch sonst nicht so an, Cowboy“, zog der Rennfahrer seinen Freund auf. „Ich stell‘ mich überhaupt nicht an, du Matschbox, du!“, brauste Colt heftiger als gewollt auf. „Ich hab nur keine Lust.“ „Ich glaube eher, du kannst das nicht!“, sagte April überzeugt. Colt holte tief Luft, um etwas zu erwidern, aber Fireball war schneller: „Streitet euch nicht! Das ist doch nicht so wichtig.“ Er wandte sich an April, um ihr ihren Wunsch zu erfüllen. „Darf ich bitten?“ Er reichte ihr den Arm und führte seine Frau zur Tanzfläche. Viele neidische Augenpaare verfolgten das Paar, wie es über das Parkett schwebte. Fireball war wirklich stolz, April zu haben und vergaß darüber fast seine Verletzung. Nie hätte der Rennfahrer gedacht, dass sein geheimster Traum in Erfüllung gehen würde. Wie lange hatte er ihr seine Gefühle verheimlicht, ehe sie endlich doch zueinander gefunden hatten? Glücklich lächelten sich beide an und versanken in den Augen des anderen. Dieser Tanz gehörte nur ihnen, die Welt um sie herum war verschwommen. Er genoss das Gefühl ihrer Haare, die leicht seine Hand auf ihrem Rücken kitzelten und die Weichheit ihrer Haut. Sie hätten noch ewig so weiter tanzen können, aber dann setzte die Musik für einen kurzen Augenblick aus, und die Beiden kamen zum Stehen. „Tanzen wir noch mal?“ Aprils Wangen waren leicht gerötet und ihr Atem ging ein klein wenig schneller. Fireball wollte schon zustimmen, aber plötzlich meldete sich das Schwindelgefühl schon wieder, diesmal stärker als zuvor. „Lass und eine Pause machen, sonst trauen sich die anderen Gäste nicht mehr“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Die gucken uns schon die ganze Zeit so an, als wollten sie uns gleich auffressen.“ April kicherte hinter vorgehaltener Hand und ließ sich von ihrem Mann zum Tisch zurückführen. „Ich wusste gar nicht, dass du ein so flotter Tänzer bist“, sagte Claudia und beugte sich zu Fireball hinüber, als dieser sich gesetzt hatte. Auch sie sah bezaubernd aus in ihrem gelben Satinkleid. „Tja, es gibt vieles, was du von mir nicht weißt“, entgegnete er trocken. Er konnte die Schmerzen kaum noch verborgen halten und es kostete ihn eine Menge Kraft, seine Stimme normal klingen zu lassen. Vorsichtig griff er mit der linken Hand unter sein Jackett und berührte den Verband. Er fühlte sich nass und klebrig an und in der Tat war seine Hand blutverschmiert, als wieder hervorzog. Ehe es jemand sehen konnte, wischte er es mit seinem Taschentuch weg und widmete sich wieder dem Gespräch. Doch bald schon konnte er der Unterhaltung nicht mehr folgen und alles hörte sich viel lauter an. Wieder traten Schweißperlen auf seine Stirn, obwohl er fror. Er hatte die linke Hand erneut auf den Verband gelegt, weil er hoffte, dass es dadurch besser wurde, aber es half nichts. Der Star Sheriff wusste langsam nicht mehr, wie er sich noch hinsetzen sollte und stand deshalb plötzlich auf. „Entschuldigt mich, Leute, ich muss an die frische Luft.“ „Fireball!“, rief April besorgt als sie sein blasses Gesicht sah, „Was ist mit dir?“ „N...nichts“, versicherte Fireball schnell atemlos. „Ich fühle mich nur nicht besonders.“ „Mach keinen Scheiß, Partner!“, ermahnte ihn Colt. „Wir haben sehr bald einen wichtigen Auftrag zu erfüllen!“ „Ich weiß“, antwortete der Rennfahrer und in dem Moment durchfuhren ihn die Schmerzen so heftig, dass er aufstöhnte, bewusstlos auf den Tisch fiel und von dort aus auf den Boden sank. Viele Leute sprangen erschrocken auf, als Gläser klirrend vom Tisch fielen und zersprangen. Neugierig kamen sie näher. Fireballs Jackett war verrutscht und alle konnten deutlich das blutgetränkte Hemd sehen, auf dem seine Hand lag. „Fireball!“, schrie April und kniete sich neben ihn. Weiter hinten im Saal hatte jemand die Szene beobachtet und verließ zufrieden das Gebäude... Schweißgebadet fuhr Fireball aus den Kissen hoch. Zunächst wusste er gar nicht, wo er war und schaltete daher erst einmal das Licht ein. Als er die friedlich schlafende April neben sich im Bett liegen sah, kam er langsam wieder zu sich. ‚So einen Alptraum hatte ich schon lange nicht mehr. Möchte mal wissen, was das zu bedeuten hat’, dachte er und lehnte sich erschöpft zurück. Gedankenverloren spielte er mit einer von Aprils Haarsträhnen, jedoch ohne sie zu wecken. Draußen regnete es in Strömen und eine eisige Windböe fegte durch die offene Balkontür ins Schlafzimmer. Eine kleine Weile lang lauschte der Rennfahrer dem Geplätscher, aber dann wurde es ihm doch zu nervig und er stand auf, um das Fenster zu schließen. Der Alptraum ging ihm immer noch durch den Kopf und er betrachtete seine rechte Seite. Dort war - wie erwartet - nichts von einer Schusswunde zu sehen, aber der Traum war sehr realistisch gewesen und bewirkte, dass sich ihm jetzt noch die Haare sträubten. Die Digitaluhr auf Aprils Nachtschränkchen zeigte Viertel nach drei. An Schlaf konnte Fireball jetzt nicht mehr denken, er war zu aufgewühlt. Deshalb schaltete er die kleine Lampe wieder aus und ging nach nebenan ins Wohnzimmer, um sich durch Fernsehen etwas abzulenken. *** Colt, Robin und Joshua saßen nach einem anstrengenden Tag beim Abendessen gemütlich zusammen. Sie war nun seit etwas über zwei Wochen zu Hause, weil die Geburt ihres Kindes immer näherrückte. Außerdem konnte sie sich mit ihrem mächtigen Bauch nicht mehr so gut bewegen, geschweige denn längere Zeit stehen. „Na, Josh,“, fing Colt an und grinste Robins kleinen Bruder frech an, „was hast du denn für Noten mit nach Hause gebracht? Heute gab es doch Zeugnisse, wenn mich nicht alles täuscht...“ Der Junge grinste zurück: „Ich habe Schulnoten mitgebracht!“ „Aaach, echt?“ Colt tat erstaunt. „Damit habe ich ja gar nicht gerechnet! Verrätst du mir denn auch, wie sie ausgefallen sind?“ „Hmmm, später vielleicht.“ Joshua zog Colt mit Absicht etwas auf und Robin hörte vergnügt zu. „Ach, komm schon – warum willst du es mir nicht verraten, hm?“, bettelte der Cowboy. „Darum“, war die schlichte, alles erklärende Antwort des Zehnjährigen. „Na, wenn das sooo ist...“, sagte Colt gedehnt, gab sich desinteressiert, und erhob sich langsam von seinem Stuhl. Dann schnappte er sich blitzschnell den Jungen. „Dann muss ich dich wohl durchkitzeln, bis du nachgibst!“ Der Cowboy hatte kaum angefangen, da quietschte Joshua auch schon, dass Colt aufhören sollte. Dieser kam auch gleich der Bitte nach und dachte schon gewonnen zu haben, aber Robins Bruder machte ihm einen Strich durch die Rechnung und entwischte den kitzelnden Händen, indem er plötzlich losrannte. „Na warte...“ Mit einem Satz sprang der Cowboy hinterher und war dem Jungen schon dicht auf den Fersen. Mit einem Aufschrei stürzte Colt sich auf ihn und brachte ihn zu Fall, ohne ihm dabei wehzutun. Dann ging es mit der Kitzelattacke weiter, bis Joshua wirklich kaum noch Luft bekam und klein beigab. Robin konnte sich vor Lachen kaum noch halten, als der stolze Sieger bei ihr seinen Preis in Form eines Siegerkusses abholen wollte, und Joshua endlich mit dem lang umkämpften Papier herausrückte. Eine Zeitlang betrachtete Colt das Schriftstück und blickte dann anerkennend zu dem Schüler: „Nicht schlecht! Da ist Robin doch bestimmt stolz auf dich!“, lobte Colt und wandte sich an seine schwangere Frau, „oder etwa nicht, meine Süße?“ Robin lächelte und strich Josh über den Kopf. „Natürlich bin ich stolz auf meinen kleinen Bruder.“ Josh ahnte, dass das Gespräch bald in eine andere Richtung gelenkt werden würde und fragte deshalb: „Darf ich noch mal zu Kathrin gehen? Ich habe keinen Hunger mehr.“ Kathrin war das Pferd, das Colt gekauft hatte, um gelegentlich einen Ausritt machen zu können und alten Zeiten hinterher zu hängen. Außerdem wollte Joshua auch das Reiten lernen, wozu sich die Stute mit ihrer lieben Art sehr gut eignete. Der vergangenen Zeiten willen hatte er auch den Namen seines ersten Pferdes gewählt. „Na, geh schon“, erteilte Robin ihm die Erlaubnis und schob ihn in Richtung Tür. „Aber komm nicht so spät zurück! Noch bevor es dunkel wird!“, rief sie ihm hinterher, denn ihr Bruder war sofort zu seinem Lieblingshaustier losgerannt. „Hmmmm“, brummte Colt und umarmte seine hübsche Frau von hinten, „dann können wir uns einen gemütlichen Abend machen, bis Josh zurückkommt. Was hältst du davon?“ „Hört sich gut an, mein Schatz“, antwortete sie, schlang die Arme um seinen Hals und reckte sich, um ihn zu küssen. „Was hältst du davon, wenn ich dich jetzt erst einmal in die Badewanne stecke und dir anschließend eine kleine Wohlfühlmassage verpasse?“ „Oh, Colt, du bist so lieb zu mir“ „Natürlich, meine Liebste, ich will doch nur das Beste für dich und unser Baby.“ Zärtlich küsste er sie in den Nacken und streichelte vorsichtig über ihren Bauch. Dann half er seiner Frau beim Aufstehen, das wegen des Kindes langsam arg hinderlich für sie wurde. Eine Zeitlang später - Robin hatte schon längst die Badewanne verlassen und die versprochene Massage bekommen - saßen die beiden auf der Couch vor dem Fernseher. „Josh ist noch nicht zurück“, fiel Robin plötzlich auf und warf einen erschrockenen Blick auf die Uhr. Viertel vor zehn und ein weiterer Blick nach draußen verriet ihr, dass es schon dunkel war. Colt schlug sich vor die Stirn. „Wieso habe ich nicht schon früher daran gedacht?“ „Wir müssen sofort los und ihn suchen“, sagte Robin und wollte aufspringen, aber er hielt sie zurück. „Du gehst nirgendwo hin, Madame! Du musst dich schonen!“ Mit leichtem Protest ließ sich Robin wieder zurück auf die Couch drücken: “Ich bin schwanger, Colt, und nicht krank!“ Aber eigentlich war sie ganz froh, dass sie nicht raus musste, denn ohne sie käme Colt schneller voran. „Also gut, ich warte hier auf euch.“ „So ist es richtig. Bin bestimmt bald wieder da“, verabschiedete Colt sich über die Schulter hinweg, während er schon aus dem Haus stürmte. Bis zu Kathrins Koppel war es schon ein kleines Stück, aber nach zehn Minuten kam der Cowboy dort an und begann nach Joshua zu rufen – ohne Erfolg. ‚Wo kann der Junge nur stecken?‘, überlegte er bei sich und suchte mit großen Schritten die Koppel des Pferdes ab. Kathrin beobachtete ihn neugierig von der gegenüberliegenden Seite aus. „JOOOOOOSSSSHHHH!“ Keine Antwort. „Kannst Du mir nicht sagen, wo der Kleine ist?“, wandte sich Colt an die Stute, natürlich ohne eine Antwort zu erwarten. Er ging weiter suchend über die Wiese. Zum Glück war der Himmel noch nicht bedeckt und so hatte er durch den Vollmond genügend Licht, um ohne Taschenlampe auszukommen. Im Westen zogen sich allerdings schon die ersten dicken Wolken zusammen; für heute Nacht war Regen gemeldet. „Wo ist der Junge nur?“, überlegte der Cowboy laut und ging mit schnellen Schritten weiter. Die hübsche Falben-Stute trabte zum Cowboy hinüber und stieß ihm mit ihren Nüstern in die Seite. „Ich hab jetzt keine Zeit zum Spielen, mein Mädchen“, bedauerte er und schubste sie weg, aber das Pferd ließ nicht locker und drängte sich gegen Colt. Schließlich erkannte dieser auch, was sie damit bezweckte: Nicht weit von ihm entfernt lag Robins Bruder im Gras. „Josh!“ Colt kniete sich nieder und fühlte sogleich nach dem Puls, der nur sehr schwach und unregelmäßig zu spüren war. Außerdem war der Junge glühend heiß. Der Cowboy überlegte nicht lange und rief über seinen Communicator, den er im Hut bei sich trug, einen Notarzt zur Koppel und informierte anschließend Robin. Sie ließ es sich nicht nehmen und eilte sofort zur Koppel, wo sie fast gleichzeitig mit dem Krankenwagen dort ankam. „Was ist mit Josh?“, fragte sie aufgeregt mit Tränen in den Augen und schaute besorgt zu den Ärzten herunter. „Josh hat zwei seltsame Einstiche an den Armen – irgendwas Giftiges hat ihn wohl gebissen. Mach dir keine Sorgen, Schatz, es wird alles wieder gut, Josh ist jetzt in guten Händen.“ „Warum hab ich ihn überhaupt gehen lassen...“, murmelte die Lehrerin vor sich hin, aber Colt unterbrach sie schnell: „Du kannst ihn doch nicht einsperren. Es ist nicht deine Schuld, dass das passiert ist! Rede dir jetzt bloß nichts ein, hörst du!?“ Die Notärzte verfrachteten den kleinen Jungen auf eine Bahre und schoben ihn in den Wagen. Colt und Robin hasteten zurück zu ihrem Haus, stiegen in ihren Jeep und fuhren hinterher. Im Krankenhaus durften sie Joshua nicht mehr sehen. Colt erledigte die Anmeldeformalitäten, während Robin in größter Sorge vor der Notaufnahme auf und ab ging. Immer wieder strich sie sich mit fahrigen Bewegungen durch ihre blonden Haare und tupfte ihre Tränen mit einem Taschentuch ab. ‚Ich hätte besser aufpassen müssen!‘, schalt sie sich selbst. ‚Was bin ich für eine schlechte Schwester!‘ Dieser Gedanke rief neue Tränen hervor und Robin konnte ein paar Schluchzer nicht unterdrücken. Schließlich gab sie es auf und ließ ihren Tränen freien Lauf. Colt kam ungefähr eine Viertelstunde später wieder zurück in die Notaufnahme und fand dort seine weinende Frau. „Hey, Kleines“, sagte er tröstend zu ihr und nahm sie beruhigend in den Arm. „Unser Josh schafft das schon, es wird alles gut!“ Der Cowboy versuchte Ruhe und Besonnenheit auszustrahlen, um seine Frau zu beruhigen. Er selbst machte sich aber ebenfalls die größten Sorgen um seinen Schwager, aber es half nichts, wenn sie beide den Kopf verlören. ‚Wenigstens einer von uns muss die Lage im Griff behalten!‘, redete er sich ein und wiegte seine Frau sanft hin und her. Nach ein paar Minuten bebten Robins Schultern weniger und das Schluchzen ließ auch endlich nach. „Das wird schon wieder!“, redete Colt beruhigend auf sie ein, und Robin sah ihn dankbar an, obwohl sie ihm noch nicht so recht glauben wollte. Für beide wurde es eine lange Nacht, bis sie gegen drei Uhr früh endlich mal wieder einen der Ärzte zu Gesicht bekamen. „Joshua ist bald wieder auf dem Damm. Er hat wohl Bekanntschaft mit einer giftigen Spinne gemacht. Zum Glück war sie nicht allzu gefährlich, sonst hätte das auch anders ausgehen können. Ein paar Tage wird er wohl Fieber haben und sein Arm wird anschwellen, aber das kriegen wir hier schon in den Griff.“ „Danke, Doktor“, flüsterte Robin erleichtert und Colt lächelte ihm zu. „Hab’ ich dir doch gesagt, dass er in guten Händen ist“, raunte der Cowboy Robin zu. Sie warfen noch einmal einen Blick in Joshuas Zimmer und machten sich dann einigermaßen beruhigt auf den Nachhauseweg. Doch als sie in ihrem Haus ankamen, standen April und Fireball vor der Tür. „Hey Leute,“ begrüßte Colt seine beiden Partner überrascht. „Was macht ihr in aller Herrgottsfrühe hier!?“ „Wir sollen uns sofort im Oberkommando melden“, sagte Fireball ohne Umschweife. „Aber...warum...?“ „Wir wissen es auch nicht, Colt“, erwiderte April, „Es hat sich ziemlich dringend angehört. Mein Vater wollte oder konnte an der Comline nichts sagen, aber er hat sehr ernst ausgesehen. Bist du bereit?“ „Einen Moment, bitte“, sagte Colt und wandte sich an Robin: „Schaffst du das, meine Kleine, auch mit Josh? Es scheint wirklich wichtig zu sein, sonst würden die Beiden nicht mitten in der Nacht hierher kommen.“ „Ja, Colt, es wird schon gehen“, erwiderte sie melancholisch. „Ich hatte gehofft, dass es ein Ende hat, dass du immer weg musst.“ „Ich weiß, aber es ist nun mal mein Beruf.“ Er küsste sie kurz auf den Mund und rannte dann durch den Regen los, um seinen Bronco Buster zu holen. „Robin, es wird schon nichts Schlimmes sein“, ermutigte April ihre Freundin. „Wir werden sicherlich bald zurück sein. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.“ „Das glaube ich auch! Bis dann, Robin!“, verabschiedete sich auch Fireball, der schon hinterm Steuer seines Red Fury Racers saß, „Und alles Gute für euer Baby. Wann ist es denn eigentlich soweit?“ „In zwei Monaten ungefähr...“ „Bis dahin sind wir längst zurück – vielleicht müssen wir nur einen Geldtransport durch die Galaxie begleiten, weil eine andere Truppe ausgefallen ist“, munterte der Rennfahrer die Lehrerin auf. Robin lächelte den Beiden zu, als sich das Verdeck des Red Fury Racers schloss. In ihrem Herzen wollte sie Fireballs Worten so gerne glauben, aber in Wirklichkeit zweifelte sie. Die Star Sheriffs wurden nicht wegen eines lächerlichen Geldtransportes mitten in der Nacht gerufen… „Bis bald!“, sagte sie traurig und winkte dem roten Rennwagen nach, der schon bald in dem dichten Regenschleier verschwand. Irgendwie hatte die Lehrerin kein gutes Gefühl. Colt schoss mit seinem Bronco Buster um die Ecke und hielt kurz an, um seine Frau noch einmal für unbestimmte Zeit in den Arm zu nehmen und leidenschaftlich zu küssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)