Schatten der Vergangenheit von abgemeldet (Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!) ================================================================================ Kapitel 11: Die Wahrheit kommt ans Licht ---------------------------------------- Die nächsten zwei Tage an Bord von Ramrod verliefen reibungslos und ohne die Notwendigkeit eines weiteren beherzten Eingriffs durch den Anführer der Star Sheriffs. Eine Tatsache, die Saber mit Erleichterung, aber auch einem bitteren Beigeschmack zur Kenntnis nahm. Seine Gardinenpredigt mochte effektiv und wirkungsvoll gewesen sein, doch im Nachhinein grämte er sich, weil er sich vor den anderen so hatte gehen lassen. Die Beherrschung zu verlieren war ein deutliches Anzeichen dafür, dass man mit einer Situation überfordert war. Sich keinen anderen Rat mehr wusste und seinem Frust nur noch durch verbale Attacken Luft machen konnte. Es war ein Zeichen von der Art Schwäche, mit der Saber sich bislang hatte rühmen können, sie nicht zu besitzen. Doch kaum bedurfte es unter erschwerten Bedingungen seines klaren und ruhigen Kopfes, hatte er selbigen schneller verloren, als Colt seinen Blaster ziehen konnte. Immer häufiger stellte sich der selbstkritische Schotte die anklagende Frage, ob er tatsächlich der Anführer war, für den er sich bislang immer gehalten hatte. Stand es einem Commander zu, so die Selbstbeherrschung zu verlieren, wie es ihm an jenem Morgen passiert war? Hatte er gegenüber seiner Mannschaft nicht eine Vorbildfunktion zu erfüllen, in der er dazu verpflichtet war, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten? Andererseits musste auch ein so disziplinierter Soldat wie Saber zugeben, dass Emotionen letztendlich genau das waren, was einen Menschen von einem Outrider unterschied. Menschlichkeit zu zeigen konnte demnach so verwerflich nicht sein. Zumindest der Erfolg bezog in diesem Punkt klare Position für den Säbelschwinger. Fireball war gute zwei Stunden nach seiner Morgenandacht zu ihm gekommen, um sich ziemlich zerknirscht noch einmal offiziell für sein Misstrauen und das mehr als unangebrachte Verhalten zu entschuldigen. Christa war seinem Beispiel am Abend desselben Tages gefolgt, nicht minder verlegen und genauso erleichtert, diese schwere Bürde abgeschüttelt zu haben. Lediglich Colt verlor kein Sterbenswörtchen mehr über die unsägliche Entwicklung ihres kleinen Pokerabends. Stattdessen stürzte er sich mit Feuereifer in die Arbeit und legte soviel Enthusiasmus an den Tag, dass es Saber schon beinahe unheimlich wurde. Aber er wusste, dass dies die ganz eigene Art des Cowboys war, seine Reue einzugestehen, ohne dabei zu sehr zu Kreuze kriechen zu müssen. Glücklicherweise hatte die kleine Flirterei das Verhältnis zwischen Colt und dem weiblichen Lieutenant nicht nachhaltig beeinträchtigt. Christa war und blieb das bevorzugte Ziel von Colts kleinen Scherzattacken, steckte diese aber mit einer neugewonnen Kaltschnäuzigkeit weg, die Saber sehr beeindruckte. Sie war ohne Zweifel fest entschlossen zu beweisen, dass ihr ein solcher Fauxpas kein zweites Mal widerfahren würde. Unberufen hatte Fireball seine Funktion im Team so selbstverständlich wieder übernommen, wie er die Herausforderung zu einem kleinen Wettrennen angenommen hätte. Er verschanzte sich nicht länger in seinem Quartier, hatte seine verbohrte Schweigsamkeit abgelegt und machte nicht einmal den Eindruck, als würde April ihm sonderlich fehlen. Saber wusste natürlich, dass er sich von diesem Verhalten nicht an der Nase herumführen lassen durfte. Der Rennfahrer mochte zwar genauso gerne wie Colt den harten Kerl herauskehren, war aber im Grunde seines Herzen äußerst sensibel und litt gewiss unter der vorherrschenden Situation. Aprils rätselhaftes Verhalten wäre selbst unter normalen Umständen Grund genug für den Anführer der Star Sheriffs gewesen, sich berechtigte Sorgen um das jüngste Mitglied seines Teams zu machen. Zu wissen, welche zusätzlichen Hoffnungen und Ängste die geheimnisvolle Nachricht aus der Phantomzone in ihm ausgelöst haben musste, bereitete Saber schier schlaflose Nächte. Würde Fireball dem Druck, dem er im Moment ausgesetzt war standhalten? Konnte er es verantworten, den jungen Mann im Ernstfall in den Kampf zu schicken, obwohl er ahnte, welches Gefühlschaos in ihm tobte? Fireball war ein Star Sheriff und hatte wie sie alle seine Fähigkeiten dem Schutz des neuen Grenzlandes verschrieben, aber inwieweit waren diese Fähigkeiten gegenwärtig einsetzbar? Auch wenn er vorgab, alles im Griff zu haben, so war er doch abgelenkt und unkonzentriert und Saber hatte ihn mehrmals auf Flüchtigkeitsfehler hinweisen müssen. Fehler, die ihm in solch einer Tragweite nie zuvor untergekommen waren. Vielleicht machte er sich aber auch völlig grundlos Sorgen. Vielleicht – und dieser Gedanke war weitaus alarmierender, als jeder Fehler, den Fireball machen konnte – beschäftigte er sich ja so eingehend mit der Situation seines Freundes, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, über die eigene nachdenken zu müssen! Er hatte nicht versucht, sich diesbezüglich etwas vorzumachen, dafür war er viel zu sehr Realist. Aber jede Ablenkung, die ihm half, nicht an Cynthia denken zu müssen, hatte er freundlich willkommen geheißen. Sie hatte ihm nicht geantwortet. Er hatte ihr in diesem verfluchten Brief sein Herz ausgeschüttet, war so offen mit seinen Gefühlen gewesen wie noch nie zuvor in seinem Leben und Cynthia hatte keine Reaktion darauf gezeigt. Er wusste ja nicht einmal, ob sie den Brief erhalten hatte. Letztendlich hatte er nichts anderes erwartet, denn schließlich stand es ihm nicht zu, nach so langer Zeit des Schweigens Forderungen an sie zu stellen. Aber zumindest die Hoffnung hatte Saber nicht aufgeben wollen. Dass Cynthia seine Gefühle nach wie vor teilte und ihm seine Torheiten verzeihen würde. Wie dumm er gewesen war, diese Frau hinter seine Pflichten zu stellen! Wer das unheimliche Glück besaß, tatsächlich die Liebe seines Lebens zu finden, sie aber dann nicht festhalten wollte, war ein armer Narr. Eine Erkenntnis, die ihm offenbar zu spät gekommen war. Immer wieder hatte er dieses wunderbare Wesen vertröstet, sie gebeten auf ihn zu warten. Selbst in der Zeit, nachdem die Outrider von der Bildfläche verschwunden waren, hatte er immer neue Ausflüchte gefunden, um Cynthia und ihre Zuneigung auf Distanz zu halten. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem sie ihm erklärt hatte, er müsse sich entscheiden, ob er nun ein Leben mit oder ohne sie führen wolle. Seit jenem Tag hatte er sie nie wieder gesehen und auch kein Wort mehr von ihr gehört. Wieso hatte er angenommen, mit diesem lächerlichen Brief alles wieder in Reine bringen zu können. Er hatte ihre Beziehung mit einem einzigen Schlag in einen Scherbenhaufen verwandelt und erwartete jetzt von Cynthia, dass sie mit Handfeger und Schaufel daher kam und die einzelnen Stücke wieder zusammenkehrte. Ohne den geringsten Zweifel war er nicht nur als Anführer ein jämmerlicher Versager, sondern auch auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen! „Hey, Boss ich hab Dich was gefragt!“ Verwirrt kehrte Saber in die Gegenwart zurück und starrte zu Colt hinüber, der ihn vom Laufband aus angrinste. Zusammen mit Fireball waren sie seit gut einer Stunde im Fitnessraum ihres Schiffes, um die müden Gelenke am völligen Einrosten zu hindern. Es war äußerst wichtig, dass sie in Form blieben, denn keiner konnte sagen, was sie in der Phantomzone tatsächlich erwartete. Und um jedes Risiko einer erneuten Eskapade zu unterbinden, hatte er Christa den Auftrag gegeben, auf der Brücke zu bleiben, bis sie mit dem Training fertig waren. Erschöpft ließ er die Griffe des Butterfly los, den er bis zur völligen Selbstaufgabe bearbeitet hatte und wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht: „Wärst Du auch so gütig, die Frage noch einmal zu wiederholen?“ „Wirst wohl langsam taub auf Deine alten Tage, wie?“ Fireball, der es sich auf der Beinpresse gemütlich gemacht hatte und gerade eine kleine Verschnaufpause genoss, warf ihm eine Flasche Mineralwasser zu. „Ein bisschen mehr Respekt vor der betagten Weisheit, Matchbox“, Colt drückte den Cooldown-Knopf seines Trainingsgerätes und verfiel in einen gemütlichen Trott, „sonst verfrachten wir Dich in Deine Streichholzschachtel auf Rädern und setzen Dich wieder in der Wüste aus, wo wir Dich aufgegabelt haben…“ Der Rennfahrer löste lässig den Hebel neben seinem rechten Bein und stemmte sich wieder mit aller Kraft nach oben. Leises Surren ertönte, als die schweren Gegengewichte sich in Bewegung setzten: „Wenn ich damals geahnt hätte… dass ich Dich Nervensäge heiraten muss… um dem neuen Grenzland meine Treue zu beweisen…“, vor Anstrengung gelang es ihm kaum, die Worte herauszubringen, „wäre ich ehrlich lieber… Vaterlandsverräter geworden!“ „Nicht so undankbar mein Schatz“, theatralisch fasste der Cowboy sich ans Herz und setzte seinen treuesten Welpenblick auf, „hat es Dir denn je an etwas gefehlt?“ Die Worte seiner Teamkameraden schwirrten zusammenhanglos in Sabers Kopf umher und bescherten ihm ein merkwürdiges Schwindelgefühl: „Jungs, ich gehe duschen…“ sicherlich hatte er sich beim Trainieren zu sehr verausgabt und brauchte eine kleine Pause, um wieder auf Trab zu kommen. Verdutzt schauten die anderem beiden ihm nach, als er mit dem Handtuch um die Schultern den Raum verließ. „Aber ich…“ Colt war so verdattert, dass er das Laufen vergaß und mit ohrenbetäubendem Poltern hintenüber vom Band purzelte. Die Tür hinter Saber war aber bereits wieder zugeglitten, als der Cowboy sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrappelte. Benommen rieb er sich den angeschlagenen linken Ellenbogen: „Was war das denn, wenn ich fragen darf?“ Fireball rastete die Gewichte der Beinpresse ein und ließ nonchalant die Beine zu beiden Seiten der Liege herunterbaumeln: „Also wie ein perfekter Flickflak sah es jedenfalls nicht aus.“ „Heute wohl unheimlich zu Scherzen aufgelegt, wie“, Colts Handtuch flog quer durch den Raum und landete zielsicher mitten in Fireballs Gesicht, der angeekelt um sich schlug: „Äh, behalt Deinen vollgeschwitzten Lappen für Dich, ja! Ist ja widerwärtig…“ „Dann halt den Mund, wenn Erwachsene reden!“ Dieser Kommentar sorgte dafür, dass Fireball übertrieben weit aufgerissenen Augen seinen Freund anstarrte und dann den ganzen Raum sondierte: „Seh zum Glück keinen…“ „Jetzt mal ernsthaft, Fire“, Colt lehnte sich mit besorgter Miene gegen die Latzug-Maschine, „findest Du nicht, dass der Säbelschwinger sich ziemlich komisch verhält in der letzten Zeit?“ „Hast Du etwa ein Seminar bei Sigmund besucht, Herr Freud?“ „Wie bidde?“ Fireball winkte müde ab: „Nicht so wichtig, Wunderknabe, flüster mir mal lieber, was genau Du mit komisch meinst…“ Colt zuckte unsicher mit den Schultern: „Na, ja, komisch eben…“ „Ach…“ der Rennfahrer konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, das aber sofort wieder verschwand, als er den warnenden Blick seines Freundes auffing. „Ich finde, er ist irgendwie schräg drauf. Das eben zum Beispiel! Der hat doch gar nicht realisiert, dass ich mit ihm geredet habe.“ Fireball stütze das Kinn auf die Hände und starrte Colt fasziniert an: „Manchmal bin ich wirklich von Deinem ausgeprägten Wortschatz überrascht, Kuhhüter!“ „Danke für die Blumen, aber ohne Flachs“, der Cowboy fuhr sich durch die verschwitzten Haare, „der gute Mr. Rider rennt im Moment rum, wie ein Zombie, der zuviel am Auspuff geschnüffelt hat.“ Nun wurde der Rennfahrer doch ein wenig nachdenklich: „Hmm, stimmt schon“, er ließ die letzten Tage im Geiste Revue passieren, „aber glaubst Du nicht, dass das einfach die ganze Verantwortung ist, die ihm zuschaffen macht? Ich meine, bei so’ner Crew wäre es ja im Prinzip einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten…“ „Stimmt, mit Dir würde ich auch nicht in die Phantomzone hüpfen wollen!“ nun war es an Colt, ein süffisantes Lächeln zu zeigen und dabei die Zähne zu blecken. „Und was soll das wieder heißen?“ „Na, als wenn Du das nicht selber wüsstest!“ Fireballs Blut begann sich gemächlich zu erwärmen: „Und Du meinst, Du warst die Unschuld in Person, wie!“ „Also ich habe ihm nicht vorgeworfen, dass er meiner Frau an die Wäsche wollte.“ Colt genoss es, seinen Freund mit dieser kleinen Geschichte aufzuziehen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, ließ er eine spitze Bemerkung fallen, weil Fireball sich bislang nicht zur Wehr gesetzt hatte. Leider sollte sich das Blatt nun wenden: „Würde ja auch schon reichen, wenn DU DEINER Frau an die Wäsche wollen würdest, aber eine Kollektion scheint Dir ja nicht zu reichen…“ Die beiden Streithähne sahen sich einen Moment lang abschätzend an. Sie hatten sich in eine Sackgasse manövriert, aus der es nur einen Ausweg gab. Beide wussten, dass der andere genauso schlagfertige Argumente auf Lager hatte, wie er selber und dass es zu nichts als einer handfesten Auseinandersetzung führen würde, wenn sie tatsächlich versuchten, diesen Kampf bis zum Letzten auszutragen. Also hieß es nun, sich so geschickt wie möglich zurückzuziehen, ohne es wie eine Kapitulation aussehen zu lassen. Schließlich räusperte Colt sich ausgiebig und starrte dann zur Neonleuchte hinauf: „Jedenfalls denke ich, dass Saber mehr als nur die Verantwortung für diese Mission im Nacken sitzt.“ Fireball nahm das Friedensangebot dankbar an und appellierte an seinen Blutkreislauf, wieder auf Sparflamme abzusinken: „Hast Du auch einen Schimmer, was das sein könnte?“ Der Cowboy schüttelte unsicher den Kopf: „Nicht wirklich, aber ich denke, er brütet irgendwas aus…“ „Eine Grippe?“ Colt war drauf und dran, seinem Freund eine Kopfnuss zu verpassen: „Oh man, und mich wegen meiner bemitleidenswerten Intelligenz auslachen, das hab ich gerne“, er verdrehte die Augen und zeigte Fireball einen Vogel, „nein, ich denke, dass eine Frau dahinter steckt. Und bevor Du gleich wieder losgehst, wie eine Alarmglocke“, er hatte das Blitzen in den Augen des Rennfahrer wohl bemerkt, „ich rede natürlich nicht von Deinem holden Blondschopf!“ „Lehrersyndrom also.“ „Hä?“ verwirrt zog Colt eine Augenbraue hoch. Fireball schüttelte in Anbetracht von soviel Beschränktheit lahm den Kopf: „Ach Colt, streng doch mal Deine grauen Zellen. Welches weibliche Wesen, das wir kennen, ist denn Lehrerin?“ er hatte eine Antwort erwarte, die wie aus dem Blaster gefeuert kam, aber anscheinend überforderten kleine Denksportaufgaben den Geist des Cowboys, nachdem er sich gerade körperlich verausgabt hatte. Nach einigen Sekunden stahl sich dann aber doch ein triumphierendes Grinsen auf sein Gesicht: „Robin!“ „Gut gemacht“, anerkennend reckte Fireball den Daumen in die Höhe, „Dein Stückchen Zucker bekommst Du später!“ „Aber was hat denn Robin damit zu tun?“ auf dieses Rätsel konnte Colt sich einfach keinen Reim machen. „Gar nichts Colt, jetzt stell Dich nicht so blöde an. Welche Lehrerinnen kennen wir sonst noch?“ „Ich passe…“ „Herr lass Hirn fallen“, Fireballs Hände reckten sich flehend zur Decke, „Cynthia natürlich!“ Schlagartig hellte sich Colts Miene auf: „Wieso sagst Du das denn nicht gleich?“ „Hoffnungslos…“ schüttelte der Rennfahrer fassungslos den Kopf, was den Cowboy aber nicht weiter zu stören schien. Er war im Gegenteil hoch erfreut, dass er und sein Gegenüber endlich in den gleichen Bahnen dachten: „Du meinst also auch, dass es an Cynthia liegt?“ „Nein, meine ich nicht. Ich habe lediglich versucht zu erraten, was in Deinem Vakuum da oben vor sich geht. Oder weißt Du etwa Näheres?“ Dieses schien die alles entscheidende Frage gewesen zu sein, auf die Colt von Anfang an hingearbeitet hatte. Ohne Hast spazierte er zu seinem Handtuch hinüber, das noch immer am Boden lag und hob es gemächlich auf: „Also wirklich, wie Du mit dem Eigentum anderer Leute umgehst…“ Angestachelt durch dieses Verhalten sprang Fireball auf und versetzte ihm einen groben Tritt in den Allerwertesten: „Spuck schon aus!“ Es bereitete dem Cowboy ein diebisches Vergnügen, seinen Freund wie einen Fisch an der Angel zappeln zu lassen und hätte dieses Spiel wahrscheinlich auch noch weitergetrieben, wenn er nicht so erpicht darauf gewesen wäre, sein geheimes Wissen endlich zu teilen. Beschwörend legte er einen Arm um Fireballs Schulter und vergewisserte sich, dass ihnen niemand zuhörte, ganz so, als befänden Sie sich mitten auf einem Marktplatz in Yuma-City: „Also aus zuverlässiger Quelle wurde mir zugetragen, dass sich unser werter Anführer im letzten Jahr des öfteren mit besagter Lehrerin getroffen hat!“ das verschlug Fireball beinahe die Sprache. Verblüfft schüttelte er Colts Arm ab: „Bist Du sicher?“ das war ja wirklich mal eine Nachricht. Saber, der Vorzeigkommandant des Kavallerieoberkommandos, der Mann mit der blütenweißen Weste hatte ein Techtelmechtel am Laufen? Da schrumpfte das schlechte Gewissen wegen seines ungebührlichen Verhaltens ihrem Anführer gegenüber doch gleich um einen erheblichen Teil. Der großartige Mr. Rider war wahrhaftig auch nur ein Mensch. Diese Erkenntnis kam für Fireball mit der Entdeckung der Elektrizität gleich. „Würd ich es Dir sonst erzählen“, ein diabolisches Grinsen zeigte sich auf Colts Gesicht, als er im Flüsterton fortfuhr, „Robin hat die beiden ein paar Mal zusammen in der Stadt gesehen!“ „Merkwürdig ist das natürlich schon“, Fireball konnte andererseits nichts Verwerfliches daran finden, sich mit einem Bekannten in der Öffentlichkeit zu treffen, „aber das heißt doch nicht besonders viel, oder?“ „Und was würdest Du sagen, Matchbox, wenn ich Dir erzähle, dass unser Boss sogar ein Foto von der lieben Cynthia mit sich herumträgt?“ Das rückte die Sache natürlich in ein etwas anderes Licht, aber der Rennfahrer blieb trotzdem skeptisch: „Woher weißt Du das? Er wird Dir das ja nicht gerade auf die Nase gebunden haben, oder?“ Colts Grinsen verschwand mit einem Schlag und mit verlegener Unschuldsmiene gab er kleinlaut zu: „Ich habs zufällig gefunden…“ Die Art und Weise wie er das sagte, weckte Fireballs Neugier: „Wie meinst Du das, zufällig gefunden?“ für seinen Geschmack klang das nicht koscher. Und das nervöse Rumgedruckse des Cowboys bestätigte seine Vermutung ziemlich schnell. „Na, ja, ich…“, Colt hantierte nervös mit dem Handtuch herum, „ich habe ihn heute Morgen gesucht und dachte, er wäre in seinem Zimmer…aber da war er nicht und…“ Das schockierte Fireball ein wenig: „Du hast in seinen Sachen gewühlt?“ in Gedanken gab er sich selbst die kurze Anweisung, sein Quartier ab sofort gegen unbefugtes Betreten zu sichern. Das war ja ungeheuerlich! „Man, wo denkst Du hin“, abwehrend hob der Cowboy die Hände und versuchte eine beleidigte Miene aufzusetzen, „ich habe mir nur das Buch angeschaut, dass auf seinem Bett lag…“ Fireball schnappte entrüstet nach Luft. Das wurde ja immer schöner. Schon schlimm genug, dass Colt sich gerade als eine Art Spanner entlarvt hatte, Saber war es auch noch gelungen, ein Buch an Bord von Ramrod zu schmuggeln, ohne den anderen etwas davon zu erzählen. Und er hatte gedacht, dass sein eigenes Exemplar das einzige im Umkreis von ein paar Millionen Meilen war. Was hätte er die letzten Tage nicht dafür gegeben, ein bisschen Nahrung für den Geist in die Finger zu bekommen. Er fügte seinem Gedächtnis eine weitere Randbemerkung hinzu: „Saber auf keinen Fall „Kampf der Giganten“ ausleihen!“ „Und als ich es aufgehoben habe, ist ihr Bild rausgeflattert“, Colts Stimme mischte sich in Fireballs finstere Gedankengänge und brachte ihn zurück zum eigentlichen Thema, „schätze, er benutzt es als Lesezeichen.“ Zufrieden verschränkte er die Arme und blickte den Rennfahrer erwartungsvoll an. „Und Du glaubst, er benimmt sich wegen Cynthia so merkwürdig?“ „Aber klarikowski“, Colt konnte nicht glauben, dass es jemanden gab, der nach seinen bahnbrechenden Enthüllungen noch irgendeinen Zweifel an seiner Theorie hegen konnte, „offensichtlich friste ich mein Leben mit zwei absoluten Amateuren!“ „Und was bitteschön meinst Du damit schon wieder?“ fragte der Zweifler ein wenig gereizt, weil er sich die Antwort im Prinzip schon denken konnte. Aber der Cowboy ließ es sich trotzdem nicht nehmen, eine passende Erklärung darauf zu formulieren: „Na, ja, machen wir uns doch nichts vor, Turbofreak, wenn der gute Colt nicht gewesen wäre, dann dürftest Du unsere eiserne Jungfrau jetzt Mrs. Scott nennen!“ „Einbildung ist ja bekanntlich auch ne Bildung…“ war alles, was Fireball zu diesem Thema erwidern wollte. Ihm stand nicht der Sinn danach, sich zum aberhundertsten Mal die glorreiche Geschichte des beherzten Star Sheriffs anzuhören, der durch seinen selbstlosen Einsatz dafür gesorgt hatte, dass seine zwei Freunde endlich zueinander gefunden hatten, „und was gedenkt der Herr Wedding Planer nun zu unternehmen?“ er wusste doch ganz genau, dass sein Freund etwas im Schilde führte. Colt aber tat völlig überrascht: „Zu unternehmen?“ seine Augen weiteten sich vor Verwirrung, doch sein dümmliches Lächeln konnte er nicht ganz unterdrücken. „Ach komm schon, Gringo“, Fireball wurde dieses Spielchens allmählich müde, „Du hast mir das doch nicht alles erzählt, weil es so eine unheimlich romantische Geschichte ist.“ „Ja, okay, zugegeben, dann verhafte mich doch“, Colt schwang sich das verschwitzte Handtuch um die Schultern, als sei das Thema für ihn bereits erledigt, „ich hatte ja nur gedacht, dass es nett wäre, wenn wir zwei hübschen unserem Boss ein bisschen unter die Flügelchen greifen.“ „Lass lieber die Finger davon, Nummer eins“, beschwörend, wenn auch ein wenig widerstrebend legte Fireball seinem Freund eine Hand auf die Schulter, wobei er unweigerlich das Handtuch berühren musste, „der Säbelschwinger wird auch ohne unser Zutun flügge. Die Sache geht uns nichts an, comprende?“ Bevor Colt zu seiner Erwiderung ansetzen konnte, dass es ja ziemlich schlimm gewesen wäre, wenn damals bei ihm und April alle genauso selbstsüchtig gedacht hätten, da schallte Christas Stimme durch den Raum: „Männer, seid Ihr hier?“ Verdutzt sahen sich die zwei Star Sheriffs an: „Männer?“ Colt kratzte sich irritiert am Kinn und Fireball hob verdattert eine Augenbraue: „Meint die etwa uns?“ „Wären die Ladies vielleicht so nett, ihre Hintern hier herauf zu bewegen? Da will Euch jemand sprechen!“ „Sag dem Commander, dass wir uns erst noch in unseren Sonntagstaat schmeißen müssen, Lieutenant.“ Colt verdrehte genervt die Augen bei der Vorstellung, sich schon wieder einen Vortrag von Eagle darüber anhören zu müssen, welche Bedeutung diese Mission doch für das neue Grenzland hatte und wie stolz doch alle auf sie wären und so weiter und so fort. „Ich schätze, das wird nicht nötig sein. Jetzt setzt Euch in Bewegung!“ Christas Stimme ließ ein leichtes Schmunzeln vermuten, aber sie wartete keine weitere Erwiderung ab und schloss den Funkkanal wieder. Mit wenig Enthusiasmus machten sich die beiden also auf den Weg zur Kommandobrücke. Was mochte ihr Vorgesetzter nun schon wieder von ihnen wollen? Wie erwartet war der große Plasmabildschirm neben Fireballs Satteleinheit aktiviert und schickte ihnen gestochen scharfe Bilder aus dem Inneren des Kavallerieoberkommandos. Beinahe so, als befände es sich direkt um die nächste Ecke und nicht Lichtstunden entfernt. Allerdings wurde das Zentrum des Bildschirms nicht von Commander Eagles imposanter Gestalt ausgefüllt, sondern von den zierlicheren Silhouetten zweier Frauen. Vor Verblüffung fiel Colt die Kinnlade herunter: „Ich glaub, mich laust der Affe!“ Fröhlich winkte ihm seine Frau Robin zu und kniff amüsiert die Augen zusammen: „Na, überrascht, uns so schnell wiederzusehen, Cowboy?“ April, die neben ihr stand, hob etwas schüchtern die rechte Hand und machte das Victory-Zeichen: „Hi Jungs!“ Colt und Fireball grinsten sich zwinkernd zu: „DIE meint uns!“ Unsicher trat Christa von einem Fuß auf den anderen. Obwohl zwischen ihr und Colt ja zum Glück nichts passiert war, hatte sie Robin gegenüber, die sie so herzlich in ihren Kreis aufgenommen hatte, ein schlechtes Gewissen: „Ihr wollt wahrscheinlich einen Moment alleine sein…“ und schwups war sie in den Gang hinaus und die Treppe hinunter geflüchtet. „Hoppla, na die hat’s aber eilig!“ April stieß einen kleinen Pfiff aus, der dröhnend und verzerrt von Ramrods Boxen wiedergegeben wurde und die beiden Männer empfindlich zusammenzucken ließ: „Wäre toll, wenn Du das Trällern unterbinden könntest, Prinzessin, sonst fliegen uns hier noch die Trommelfelle weg“, Colt steckte sich den rechten Zeigefinger ins Ohr und bewegte ihn schnell auf und ab, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, „dabei fällt mir ja dringend ein, dass ich gar nicht mit Dir rede, Du Judas!“ Die Wangen der blonden Frau röteten sich leicht: „Habe ich denn behauptet, dass ich Deinetwegen hier bin, blöder Viehdieb?“ eifrig streckte sie ihm die Zunge heraus. Eine Geste, die wie selbstverständlich eine weitere Frotzelei des Cowboys nach sich zog: „Ach komm schon, Baby, Du hast doch wahrscheinlich schon schlaflose Nächte hinter Dir, weil Du mich so vermisst hast.“ „Ja, wie wild, kann quasi gar nicht leben ohne Dich!“ Über den Bildschirm warf Fireball der anderen Frau ein amüsiertes Zwinkern zu: „Was meinst Du, Robin, wollen wir die beiden Turteltauben alleine lassen?“ Robin schüttelte darauf nur grienend den Kopf: „Ach weißt Du, Fireball, ich bin ja froh, dass mein Mann wieder zu Scherzen aufgelegt ist“, ihr liebevoller Blick wanderte zu Colt, „obwohl ich mich ja doch langsam frage, ob er nicht die falsche Frau geheiratet hat.“ „Was, wieso, nein…“ Colt glaubte, sein Herzschlag würde aussetzen. Gehetzt sah er sich in die Richtung um, in die Christa verschwunden war und plötzlich sprudelte das schlechte Gewissen nur so aus ihm heraus: „Da… da war gar nichts, ehrlich, Süße! Ich meine hey, Rothaarige waren doch noch nie mein Fall…“ mit einem hervorgepressten „Uff“ entwich die Luft aus seinen Lungen, als Fireballs Ellenbogen sich heftig in seinen Magen rammte: „Die redet nicht von Christa, sondern von April, Du Blödmann“, zischte sein Freund ihm entsetzt zu, bevor er sich mit einem breiten Grinsen wieder den Damen zuwandte, „und Mädels, was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs?“ noch während er sprach, erkannte er, dass das Rettungsmanöver zu spät für den Cowboy kam. Robins Augen verengten sich und ihr Mund kräuselte sich zu einer dünnen Linie. Noch schien sie aber zu überlegen, welche Worte sie ihrem Mann an den Kopf zu schmeißen gedachte. April schaute verwundert zwischen ihrer Freundin neben sich und Colt auf der anderen Seite der Comverbindung hin und her, erfasste aber beinahe so schnell wie Fireball, dass Eile zur Ablenkung geboten war: „Oh, ähm…“ hastig versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren, „Daddy hat uns gesagt, dass Ihr heute Abend schon den Sprungpunkt erreichen werdet und wir dachten, wir wünschen Euch noch schnell viel Glück, bevor Ihr Euch in die Phantomzone verdünnisiert.“ Es war ihre Idee gewesen, den Jungs vor dem Sprung in die andere Dimension noch einen kurzen Gruß zukommen zu lassen, nachdem sie von ihrem Vater gehört hatte, dass sie weit vor der geplanten Zeit lagen. Ihr war in den letzten Tagen nicht entgangen, wie sehr sich ihre Freundin um Colt sorgte, und wenn sie ehrlich war, keimten auch ihre Ängste und Befürchtungen mit jeder Stunde, die die Star Sheriffs unterwegs waren, mehr in ihr auf. Mit viel Überredungskunst und sehr demütigen Augenaufschlägen war es den Frauen letztendlich gelungen, Commander Eagle davon zu überzeugen, ihnen ein paar Minuten mit der Hochsicherheitscomline zu gewähren. Denn eigentlich durfte diese ausschließlich zu militärischen Zwecken verwendet werden, da sie über besondere Ortungs- und Abhörsicherheitssysteme verfügte. Man wollte die geheime Mission schließlich nicht unnötig in Gefahr bringen. Mittlerweile begann April allerdings daran zu zweifeln, dass diese eine von ihren besseren Ideen gewesen war. Auch wenn sie sich über alle Maßen freute, Fireball gesund und munter und vor allem bei guter Laune angetroffen zu haben. „Das ist ja mal ein echt netter Zug von Euch!“ der Rennfahrer lächelte April ein bisschen unsicher zu. Ihr unerwartetes Auftauchen hatte seine Gefühle mit einem Schlag durcheinander gewirbelt. In den letzten beiden Tagen hatte er sich ein wenig an die Situation gewöhnt, dass Aprils Platz durch Christa eingenommen wurde, was wohl nicht zuletzt der hohen Integrationsfähigkeit des Lieutenants zu verdanken war. Er hatte nicht ständig darüber nachdenken müssen, welche Motive hinter Aprils eigenartigem Verhalten stecken mochten und hatte sogar zeitweilig verdrängt, dass er mit dieser Mission vielleicht dem Geheimnis um das Verschwinden seines Vaters auf die Spur kommen würde. Nun war alles wieder gegenwärtig. Und auch wenn April und er nicht im Streit auseinander gegangen waren, stand immer noch das Geheimnis um ihre Entscheidung wie eine unüberwindbare Barriere zwischen ihnen. Trotzdem freute er sich sehr, sie vor dem Sprung in die Phantomzone noch einmal sehen zu können: „Ja, stimmt“, etwas verschämt zupfte er an seinem verschwitzten T-Shirt herum, um seine Unsicherheit zu überspielen, „der Säbelschwinger meint allerdings, dass es klüger wäre, wenn wir erst morgen früh zu den Schmutzfüßen rüberhüpfen. Glaubt wohl, ausgeschlafen kämpft es sich besser.“ „Vernünftige Entscheidung“, April konnte den Blickkontakt augenscheinlich auch nicht besonders lange aufrechterhalten, „obwohl Ihr ja noch gar nicht wisst, ob Ihr tatsächlich kämpfen müsst.“ „Na hör mal“, war es nicht wieder typisch, dass sie mit Sabers Plänen sympathisierte, „wir sind extra den weiten Weg gekommen, um in ein paar Phantomhintern zu treten.“ Bei der Erwähnung des Wortes „Hintern“ räusperte sich Robin würdevoll und verschränkte abweisend die Arme: „Und was habt Ihr die letzten Tage so getrieben? Es war ja anscheinend bislang sehr ruhig da draußen.“ Ihre Stimme war schneidend wie eine Vibroklinge und ließ Colt noch ein Stückchen mehr in sich zusammen sinken: „Na, ja“, eine Schweißperle lief von seiner Stirn über den Nasenrücken in sein rechtes Auge, „was soll man hier schon großartig machen, Süße. Asteroiden zählen, über den Sinn des Lebens philosophieren und an den Memoiren arbeiten!“ er wagte es nicht, über das Auge zu fahren, um den brennenden Reiz zu beenden. „Aha…“ Robins Antwort klang auffordernd, so als sei sie mit dieser flapsigen Ausführung bei Weitem noch nicht zufrieden. Die Spannung, die von ihrer Freundin ausging, trug nicht gerade zur Verbesserung von Aprils unangenehmem Befinden bei. Die Situation war schon skurril genug, auch ohne eine ausgewachsene Ehekrise: „Tja, ähm, wir haben auch leider nicht soviel Zeit, Daddy hat uns nur ein paar Minuten zugestanden“, betrübt schaute sie wieder in die Kamera, „ich denke, wir lassen dem Ehepaar noch ein paar Minuten Zeit für sich, oder?“ Fireball nickte bereits ernüchtert, als sich Robin überrascht zu April drehte und ihr im Flüsterton etwas zuraunte, was die Männer nicht verstehen konnten. April schüttelte darauf traurig den Kopf, lächelte Fireball dann aber doch schnell noch einmal tapfer zu: „Stellt keinen Blödsinn an, ja! Und passt auf Euch auf.“ „Ich…“ die blonde Frau hatte zum Abschied kurz die Hand gehoben und war aus dem Aufnahmewinkel der Kamera herausgetreten, bevor der Rennfahrer seinen Satz hatte beenden können. Vielleicht war es auch besser so, eine rasch dahingemurmelte Bekundung seiner Gefühle hätte die Situation und den Abschied sicherlich nur schwerer gemacht. Niedergeschlagen drehte er sich um: „War schön, Dich kennen gelernt zu haben, Kumpel!“ aufmunternd zwinkerte er Colt zu und überließ den Cowboy dann der drohenden und hoffentlich nicht zu unbarmherzigen Gerichtsbarkeit seiner Frau. „Hey“, Fireball hatte Christa im Aufenthaltsraum entdeckt, die es sich dort mit einer Tasse Kaffe gemütlich gemacht hatte, „hast Du den Rest getilgt, oder ist noch ein Tässchen für mich drin?“ er fand es eine nette Geste, dass sie die beiden Star Sheriffs mit Robin und April allein gelassen hatte und wollte sich durch einen kleinen Plausch ein wenig erkenntlich zeigen. Der Lieutenant zog entschuldigend die Schultern nach oben: „Sorry, Turbo, das hier ist alles, was noch übrig ist“, sie hielt ihm großzügig ihren eigenen Becher entgegen, „würde Dir ja gern was davon anbieten, aber ich fürchte, das könnte wieder als billiger Versuch aufgefasst werden, mich an ein ehrenwertes Mitglied des KavCom heranzumachen…“ ein bitterer Unteron schwang in ihrer Stimme mit. Fireball wusste, dass Christa sich von Saber ein wenig ungerecht behandelt fühlte; die Verbannung aus dem Fitness-Raum war selbst in seinen Augen eine drastische Maßnahme gewesen. Aber so, wie der Säbelschwinger sie formuliert hatte, musste Christa glauben, dass er ihr die Hauptschuld an dem Poker-Exzess gab. Colt wäre für seine Schwache für hübsche Frauen hinreichend bekannt und man müsste ihn nicht noch zusätzlich in Versuchung führen, indem sie im engen Sportdress vor seiner Nase herumtanzte. Völlig ungeniert griff Fireball nach der Tasse: „Kratzt mich nicht im Mindesten, Süße“, er nahm einen großen Schluck und ließ sich dann neben Christa auf das Sofa fallen, „werde mich gegen Deine Reize schon zur Wehr zu setzen wissen!“ aufmunternd zwinkerte er ihr zu, aber der Lieutenant konnte daran nichts Amüsantes finden: „Aber Colt hat anscheinend neuerdings die Anweisung, mir nicht zu nahe zu kommen, oder wie?“ Nun musste Fireball tatsächlich herzlich lachen: „Baby, selbst wenn wir Colt für den Rest des Flugs vorne auf Ramrods Nase binden würden, könnte das seine Hormone nicht bändigen. Er ist und bleibt nun mal ein waschechter Cowboy!“ „Wie blöd von mir, das zu vergessen“, missmutig schnippte sie einen Fussel von ihrer Hose und versuchte, ihre Stimme nicht allzu grimmig klingen zu lassen, „der arme Colt konnte sich ja quasi gar nicht gegen meine plumpen Annäherungsversuche wehren. Wieso wird es den Männern eigentlich immer so einfach gemacht?“ anklagend durchbohrte ihr Blick Fireballs Brust. „Uff“, der Rennfahrer kratzte sich nachdenklich am Kopf, „ist wohl so eine genetische Sache, denke ich. Wir können halt nichts dafür, dass wir dem schönen Geschlecht verfallen sind.“ „Pf“, was für eine lächerliche und unbefriedigende Ausrede, „das ich nicht lache. Und wir Frauen dürfen immer schön den kühlen Kopf bewahren und sind die Wurzel allen Übels, wenn wir zur Abwechslung auch mal mit einem anderen Körperteil denken!“ „Klar“, zustimmend klopfte Fireball ihr auf den linken Oberschenkel, „vergiss das Märchen mit der Schlange und dem Apfel nicht.“ dabei setzte er einen verklärten Oberschullehrerblick auf, was Christa keineswegs beeindruckte: „Das war die Bibel, Du Hirni!“ seine kleinen Aufmunterungsversuche verfehlten ganz offensichtlich ihren Zweck. „Nun lass mal das hübsche Köpfchen nicht hängen Prinzessin“, Sabers Verhalten schien sie wirklich tiefer getroffen zu haben, als er ursprünglich angenommen hatte, „der einzige, dem Saber hier irgendeine Schuld gibt, ist Colt. Er hat nur eine etwas merkwürdige Art, das zu zeigen.“ „Äußerst merkwürdig, allerdings.“ Christas Worte troffen vor Hohn. „Der beruhigt sich bald wieder“, verschmitzt stieß der Star Sheriff seiner Kollegin den Ellenbogen in die Seite, „und Du willst ja wohl nicht wirklich behaupten, dass Dich gar keine Schuld trifft, oder?“ zufrieden stellte er fest, dass Christa bei diesen Worten errötete: „Das habe ich auch gar nicht gesagt!“ fauchte sie angriffslustig zurück. Ihr war die ganze Geschichte noch immer schrecklich peinlich. „Wärst Du denn…na, ja, ich meine, hättest Du…“ verkrampft suchte Fireball nach den richtigen Worten, „also wenn Saber Euch nicht…unterbrochen hätte, wäre dann…tatsächlich was passiert?“ es war eine interessante Selbsterkenntnis, dass er sich nicht getraut hatte, diese Frage an seinen besten Freund zu richten, sie einer beinahe fremden Frau aber durchaus zu stellen vermochte. Christas Mine war mit einem Schlag wie versteinert: „Das geht glaube ich nur Colt und mich etwas an!“ diese heftige Reaktion überraschte den Rennfahrer: „Tja, Du hast wohl vermutlich Recht“, er streckte die Beine aus und verschränkte versonnen die Hände hinter dem Kopf, „andererseits ist Colt mein bester Freund, der zufällig mit meiner ebenfalls sehr guten Freundin Robin verheiratet ist. Und ich würde es ungern sehen, wenn die beiden…“ „Ist ja schon gut“, genervt gab die junge Frau auf, „okay, ich gebe zu, dass ich Colt durchaus anziehend finde…“ „Was finden die Weiber nur alle an diesem Viehtreiber?“ Fireball empfand dieses Geständnis als bodenlose Ungerechtigkeit. „Kann ich Dir auch nicht wirklich sagen“, fuhr Christa unbeirrt fort, als hätte sie den Einwand nicht gehört, „ich meine, er sieht irgendwie gut aus, und sein Charme lässt sich nicht verleugnen.“ Verträumt wanderten ihre Gedanken zu dem Moment zurück, als sich Colts Hand auf ihren Schenkel gelegt und sie seinen erregten Atem auf der Haut gespürt hatte. Sie konnte dieses Bild und die damit verbundenen Emotionen nicht so einfach verdrängen und wünschte sich so manches Mal, dass Saber nicht in ihre kleine Privatparty geplatzt wäre. Einfach weil sie gerne erfahren hätte, ob Colt genauso gut küssen konnte, wie er flirtete. Ein leichter Schauer wanderte ihren Rücken hinunter und ließ ihre Haut angenehm prickeln. Mit zunehmender Beunruhigung beobachtete Fireball, welche Veränderung beim Gedanken an den Cowboy sich bei Christa vollzog: „Ich glaube, dass ich das schon erwähnte“, er räusperte sich verlegen, „aber der Mann ist verheiratet, Julia!“ „Du hast gefragt und ich antworte, okay“, der Lieutenant seufzte enttäuscht, weil Fireball ihre kleine Träumerei zerstört hatte, „ich bin wirklich die Letzte, die seine Ehe gefährden will, aber wenn die Dinge anders lägen, dann könnte mir der Cowboy tatsächlich gefährlich werden!“ wie hätte sie offen zugeben können, dass aufgrund der drohenden Gefahr bereits sämtliche Alarmglocken in ihrem Kopf Sturm läuteten? Sie würde sich zusammenreißen und ihre Gefühle wieder in den Griff bekommen müssen. Aber das war leider einfacher gesagt, als getan. „Puh, da bin ich wirklich erleichtert“, mit einem spitzbübischen Grinsen betrat Colt das Zimmer und ließ sich gegenüber der entsetzt dreinblickenden Christa auf dem Sessel fallen, „ich lege nämlich keinen gesteigerten Wert darauf, noch mal so ein Gespräch mit Robin führen zu müssen, wie eben!“ geschafft nahm er seinen Hut ab und fächerte sich damit ein wenig Luft zu. Christa wagte es nicht, den Kopf zu heben: „Wie lange hast Du schon zugehört?“ blieb ihr denn überhaupt keine Peinlichkeit erspart? „Keine Sorge, ich konnte mich gerade erst aus den Klauen meines Eheweibes befreien“, Colts Grinsen wurde noch breiter, „soll Dir auch einen schönen Gruß von ihr bestellen. Wenn uns nicht die Outrider dahinraffen, wird sie diesen Job nach unserer Rückkehr gern persönlich übernehmen.“ „Oh man, mir wird schlecht!“ das Herz sank dem jungen Lieutenant in die Hose, auch wenn sie nicht glauben konnte, dass die friedliebende Robin sich tatsächlich solch einer Ausdrucksweise bedient hatte. Doch allein die Tatsache, dass sie nun über ihren Beinahefehltritt Bescheid wusste, verursachte in ihr das Gefühl, sich übergeben zu müssen. „Ich finde es sowieso ziemlich erstaunlich, dass Du noch so guter Laune bist, Nummer eins“, Fireball musterte seinen Freund interessiert, „Robin schien doch ein wenig säuerlich zu sein. Wie kann man aber auch so dämlich sein und sich bei der erstbesten Gelegenheit verplappern?“ Ein wenig zerknirscht gab Colt zu, dass das in der Tat selten dämlich von ihm gewesen war: „Allerdings habe ich jetzt wieder ein reines Gewissen, das ist auch was wert!“ „Und was hat Dich das gekostet?“ der Rennfahrer fragte sich, ob April nach so einer Entgleisung wohl auch so einfach zu besänftigen gewesen wäre, oder wie schwer er seine Kreditkarte zur Wiederherstellung des häuslichen Friedens hätte belasten müssen. „Nichts außer etwas ernst gemeinter Reue“, das Ego des Cowboys konnte nicht sehr schwer gelitten haben, denn sein Auftreten war bereits zur alten Großspurigkeit zurückgekehrt, „Du weißt doch, Robin liebt mich!“ er warf Christa ein keckes Lächeln zu, das diese endgültig aus der Bahn warf. Mit hochrotem Kopf erhob sie sich: „Na, da können wir ja froh sein, dass Frauchen so geduldig mit Dir ist!“ hastig stürmte sie aus dem Zimmer. Es verletzte sie, dass Colt so offenkundig über ihren gemeinsamen Abend sprach, als hätte dieser rein gar nichts bedeutet. Der Cowboy hatte eine verdammt große Klappe, aber sie wusste genau, dass auch er nur mit Wasser kochte. Sie hatte das Glänzen in seinen Augen gesehen, seinen schnellen Herzschlag und sein Verlangen in jener Nacht gespürt, wie konnte er es wagen, sich jetzt darüber lustig zu machen? „Sie weiß eben, wie gutaussehend und charmant ich bin!“ Fireball hatte das Gefühl, dass sein Freund, beflügelt durch sein frisch reingewaschenes Gewissen, es nun mit seiner Neckerei auf die Spitze treiben wollte. Christa drehte sich nicht mehr um, aber vom Gang schallte ein aus tiefstem Herzen kommendes „Mistkerl“ zurück. „Findest Du nicht, dass Du ein bisschen zu weit gegangen bist, Cowboy?“ dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs gefiel diese Entwicklung keineswegs. „Warum“, mit Unschuldsmiene schaute Colt zu Fireball hinüber, „es bringt doch nichts, wenn wir den Rest des Fluges rumlaufen und uns nicht in die Augen gucken können. Über Fehler lachen hat schließlich noch keinem geschadet.“ Der Rennfahrer hegte in dieser Hinsicht berechtigte Zweifel und erhob sich, um zurück auf die Kommandobrücke zu gehen: „Hauptsache ist nur, Du teilst Christas Auffassung darüber, was an diesem Abend der Fehler gewesen ist!“ damit war für ihn dieses Thema vorläufig beendet. Etwas zur gleichen Zeit hatte es sich April in einer der kleinen ausgebauten Nischen von Luigis Café gemütlich gemacht und schlürfte genussvoll an einem Cappuccino mit Macadamianuss Sirup. Sie hatte Robin im Hauptquartier eine Nachricht hinterlassen, dass sie nach dem Gespräch mit Colt hier auf sie warten würde und rechnete jede Minute damit, dass die Freundin zur Tür hereinspazierte. Leider musste sich Yuma-City noch immer den Auswirkungen eines Schlechtwettertiefs ergeben, die es im Moment unmöglich machten, einen Café oder ähnliches draußen im Freien zu sich zu nehmen. Andererseits gefiel es April auch, das leckere Getränk Schluck für Schluck ihre Kehle hinunterrinnen zu lassen, während ein unbarmherziger Wind heftige Regenschauer über die Straßen trieb. Es war eine dämliche Idee gewesen, mit Ramrod Kontakt aufzunehmen, soviel stand mittlerweile fest. Sie hatte gehofft, ihre Ängste bei Fireballs Anblick ein wenig beruhigen zu können, aber im Grunde fühlte sie sich nun noch schlechter als zuvor. Und zu allem Überfluss hatte sie Robin und Colt unbeabsichtigt einen Streit oktroyiert, der zwar mit Sicherheit Robins Sorgen um ihren Mann vertrieben, aber wohl kaum zum Wohlbefinden ihrer Freundin beigetragen hatte. April musste zugeben, dass Christa durchaus eine sehr anziehende und attraktive Frau war, aber dass Colt schon nach wenigen Tagen nicht mehr in der Lage gewesen sein sollte, seiner Frau treu zu bleiben, war ein starkes Stück. Sicher, Colt war ein ausgemachter Schürzenjäger, an dieser Tatsache gab es nicht viel zu rütteln. Aber vielleicht waren ihre Befürchtungen ja auch ganz umsonst und sein Vergehen war nicht so schlimm, wie es vorhin beim KavCom den ersten Eindruck erweckt hatte. Gedankenverloren rührte April mit einem Keks in ihrer Tasse herum und fragte sich, wie sie wohl reagiert hätte, wenn Fireball an Colts Stelle gewesen wäre und seine Finger nicht hätte bei sich behalten können. Unter den vorherrschenden Umständen hätte sie ihm ein solches Verhalten wahrscheinlich nicht einmal übel genommen. Der durchweichte Keks brach in der Mitte entzwei und versank in den cremefarbenen Fluten des Cappuccino. Fluchend griff April nach dem kleinen Löffel, der neben der Tasse lag und versuchte, das matschige Stück Gebäck herauszufischen. Diese Vorstellung war doch wirklich absurd. Fireball würde niemals auch nur daran denken, sie mit einer anderen Frau zu hintergehen. Schmerzlich erinnerte sie sich daran, dass der Rennfahrer vor gut einem Jahr nach einem hässlichen Streit mit ihr in den Armen von Captain Mandarin Yamato Trost gesucht hatte. Aber das war eine ganz andere Situation gewesen. Die arme Robin konnte einem einfach nur Leid tun! Als hätte sie die Freundin mit ihren Gedanken herbeigerufen, öffnete sich im nächsten Moment die Tür des Cafés und Robin wurde förmlich von einer Böe hereingepustet. Zielstrebig streifte sie den triefenden Regenmantel ab und hängte ihn an dem kleinen Kleiderständer neben der Tür zum Trocknen auf. Dann sah sie sich nach ihrer Freundin um. April bemerkte sofort die geröteten Wangen und die hektischen Flecken an ihrem Hals. Das Gespräch mit Colt musste recht emotionsgeladen verlaufen sein. Sie hob die Hand und winkte Robin zu, als diese in ihre Richtung sah. „Dieses Wetter kann einen wirklich wahnsinnig machen, oder?“ seufzend ließ die junge Frau sich auf dem Stuhl neben April nieder und begann notdürftig mit Hilfe eines kleinen Handspiegels an ihrer zerzausten Frisur herumzuzupfen. „Darf ich Ihnen schon etwas bringen, oder möchten sie erst einen Blick in die Karte werfen?“ wie aus dem Nichts war ein Kellner neben ihrem Tisch aufgetaucht und beäugte lächelnd den neuangekommenen Gast. Robin fuhr unbeirrt mit dem Richten ihrer Haare fort: „Eine heiße Schokolade mit Sahne und einen Brownie bitte!“ April war überrascht. Ihre Freundin, die sonst sehr viel Wert auf gesunde und vor allem kalorienbewusste Ernährung legte, bestellte die beiden gehaltvollsten Dinge, die die kleine aber feine Karte des Cafés zu bieten hatte. Dem Kellner war das selbstverständlich egal. Er tippte mit einem Stift ein paar Tasten an seinem Handheld und schickte die Bestellung direkt weiter in die Küche, um sich dem nächsten Tisch zuwenden zu können. „Schokolade und Brownie, hm?“ den Kopf auf die Hände gestützt musterte April ihr Gegenüber interessiert, was Robin etwas verlegen machte: „Und?“ „Müssen ja erschreckende Erkenntnisse gewesen sein!“ Diskretion war noch nie eines der Steckenpferde des weiblichen Star Sheriffs gewesen, aber diese direkte Art führte nicht immer auch zwangsläufig zum angestrebten Ziel. Robin war ganz und gar nicht gewillt, es ihrer Freundin so leicht zu machen: „Ich weiß nicht, wovon Du sprichst. Mir ist einfach nach etwas Süßem, das ist alles!“ Eine Antwort, die April überraschender Weise nicht zufrieden stellen konnte. Sie schöpfte etwas Milchschaum von ihrem Cappuccino und steckte sich den Löffel unwirsch in den Mund: „Komm schon Robin, lass Dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Du weißt, dass ich weiß, dass Du niemals soviel Schokolade auf einmal in Dich reinstopfen würdest. Es sei denn, Du hast Dich fürchterlich geärgert und versuchst so, Dich wieder zu beruhigen!“ Ergeben hob Robin die Hände: „Ich finde es erschreckend, dass Du mich besser kennst, als ich mich selbst.“ „Du bist ein offenes Buch für mich, meine Liebe“, jetzt hatte sie die gute Mrs. Wilcox genau dort, wo sie sie haben wollte, „und jetzt erzähl endlich, was sich unser John Wayne geleistet hat.“ Robin atmete tief durch und verschränkte die Hände ineinander, weil sie nicht verhindern konnte, dass sie vor Wut zitterten: „Na, was denkst Du wohl?“ „Soll ich einen Scheidungsanwalt kontaktieren und Roland mitteilen, dass er sich seine Hochzeitspläne abschminken kann?“ ob ein wenig Spaß die hochschlagenden Wogen glätten konnten? „Ach, red keinen Unsinn!“ offensichtlich konnte er nicht. Übellaunig nahm Robin ihre heiße Schokolade und das sündige Stück Schokoladengebäck entgegen. Mit Wucht stieß sie ihre Gabel in den unschuldigen Kuchen, als hätte sie ihren Mann persönlich auf dem Teller liegen: „Es ist doch immer dasselbe mit diesem Kerl. Kaum sieht er eine schöne Frau, verliert er den Kopf.“ Wissensdurstig zog April ihren Stuhl ein wenig näher an den Tisch heran, um auch ja kein Wort der wohl folgenden Tirade zu verpassen: „Er hat also richtig aus dem Vollen geschöpft, ja?“ Eine äußerst geschmacklose Umschreibung, wie Robin fand, aber präzise auf den Punkt gebracht: „Er hat sich aus Langeweile mit Christa betrunken und dann Strip-Poker mit ihr gespielt. Kannst Du Dir das vorstellen!“ ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Entrüstung, während April sich zusammenreißen musste, um nicht laut loszulachen: „Waren etwa die Kekse alle?“ „Freut mich, dass wenigstens Dich das Verhalten meines Mannes so amüsiert!“ wendete sich Robins Wut nun gegen ihre Freundin, die schuldbewusst den Kopf senkte: „Tut mir leid, Süße, war nicht so gemeint…“ „Ach, ist schon gut, Du kannst ja nichts dafür, dass ich Casanova persönlich heiraten musste!“ „Hat er denn“, April wurde die eigentliche Tragweite dessen, was Colt angestellt haben konnte, erst jetzt allmählich bewusst und sie sah ein, dass Robin zu Recht nicht zum Lachen zumute war, „na, ja, Du weißt schon…“ vielsagend hob sie eine Augenbraue. Der Gedanke, dass der Cowboy seine Frau tatsächlich nach gerade mal zwei Tagen mit einer beinahe Fremden betrogen hatte, erschütterte sie in ihren Grundfesten und passte nicht zu dem Bild, das sie bislang von Colt gehabt hatte. Sicherlich war er ein Weiberheld und auch die Bezeichnung Casanova stimmte irgendwie, aber seine Devise war grundsätzlich gewesen: „Appetit holen ist erlaubt, aber gegessen wird zu Hause!“ Unter seiner rauen Machoschale war Colt ein liebender und treuer Ehemann; zumindest hatte sie das immer angenommen. Glücklicher Weise schüttelte Robin den Kopf, während sie sich ein großes Stück des Brownies in den Mund schob: „Nein, hat er nicht. Er hat mir hoch und heilig geschworen, dass zwischen ihm und Christa nichts gelaufen ist…“ ob sie dieser Bezeugung allerdings Glauben schenkte, war aus diesen Worten nicht zu entnehmen. „Aber wenn nichts passiert ist“, grübelte April laut vor sich hin, „wieso hat er sich dann aufgeführt, als hättest Du ihn mitten bei einem Kapitalverbrechen erwischt?“ sein gehetzter Blick über die Schulter, nachdem Robin diesen sorglosen Kommentar bezüglich der falschen Ehefrau hatte fallen lassen, war ihr natürlich nicht entgangen. „Saber ist dazwischen gegangen. Hat die beiden quasi in flagranti ertappt, bevor es zu Schlimmerem kommen konnte.“ Mit einem Happen war das letzte Stück Brownie vertilgt und wurde mit einem kräftigen Schluck heißer Schokolade hinunter gespült. April verstand ihre Freundin nur zu gut: „Liegt natürlich immer im Auge des Betrachters, was man als Schlimmeres ansieht, oder?“ Robin nickte mürrisch: „Er hat mir versichert, er hätte sie weder angerührt noch geküsst!“ Mitfühlend legten sich Aprils Hände auf Robins und drückten sie leicht: „Und, glaubst Du ihm?“ eine Frage, die sie im Moment nicht hätte beantworten können. „Ja, das tue ich“, dankbar für die Unterstützung lächelte Robin flüchtig, „weißt Du, er ist eigentlich kein schlechter Kerl und würde wohl nie absichtlich etwas tun, das mich verletzen könnte“, diese Worte klangen schon fast entschuldigend, „es ist nur einfach so, dass er den Hals manchmal nicht voll bekommt und nicht weiß, wann es Zeit ist aufzuhören!“ „Auf jeden Fall scheint ihn ja ein mächtiges Gewissen geplagt zu haben.“ anders konnte sich April jedenfalls keinen Reim darauf machen, dass Colt ein Geständnis für eine Sache abgelegt hatte, die nie wirklich geschehen war. Ob nun durch Sabers Eingreifen oder aus anderen Gründen vereitelt. „Ich schätze, das wird ihm eine Lehre sein. Vorerst wird er sich wohl nichts mehr zu Schulden kommen lassen“, nun zeigte sich sogar ein leichtes Schmunzeln auf Robins Gesicht und in ihren Augen blitzte der Schalk, „aber sei gewiss, dass ich mir diese Sache einiges kosten lassen werde.“ akribisch pickte sie die letzten Krümel mit dem Zeigefinger von ihrem Teller und schob sie sich genießerisch in den Mund. „Na, wenn das so ist“, April hob ihre Tasse, „auf den Triumph über das männliche Geschlecht!“ belustigt stieß sie mit ihrer Freundin an, die bei ihren Worten ein wenig die Stirn runzelte: „Ich war übrigens überrascht, dass Du so schnell das Feld geräumt hast, vorhin!“ Ein kleiner Adrenalinstoß zuckte durch Aprils Körper und ließ ihr Herz schneller schlagen. Nun kam wieder das unliebsame Thema, vor dem sie sich seit Tagen so fürchtete, dem sie aber anscheinend nicht entkommen konnte: „Ich dachte, bei Eurem Ehekrach wolltet Ihr keine Zuschauer…“ lächelte sie leichthin, ohne auf Robins bohrenden Blick zu reagieren. So einfach wollte sie die Flinte nicht ins Korn werfen. Ein Grundsatz, dem auch Colts Frau sich offenbar verschrieben hatte: „Ich dachte, Du hattest die Absicht, Fireball vor dem Sprung in die Phantomzone doch noch reinen Wein einzuschenken.“ Qualvoll krampfte sich Aprils Magen zusammen, als ihr klar wurde, dass sie dem Thema wohl nicht mehr würde ausweichen können. Und Robin jetzt noch weismachen zu wollen, dass sie das Gespräch nur ihr Zuliebe anberaumt hatte, wäre ein allzu kläglicher Rückzug gewesen: „Wenn das meine Absicht gewesen wäre, hätte ich es ihm auch schon vor dem Abflug erzählen können“, nervös drehte sie ihre Tasse auf dem kleinen Unterteller hin und her, „ich wollte einfach nur wissen, wie es ihm geht. Die ganze Situation hat ihn so durcheinander gebracht und ich…“ ihre Stimme erstarb. Sie hatte keine Lust schon wieder ihre Schuldgefühle breit zu treten, besonders nicht vor Robin, der Vorzeigeehefrau. „Meinst Du nicht, er hat ein Recht darauf, es zu wissen?“ Scheppernd glitt die Tasse vom Teller und ein Schwall Cappuccino ergoss sich über den Tisch: „Habe ich denn ein Recht darauf, ihm die Möglichkeit zu nehmen, nach seinem Vater zu suchen?“ mechanisch griff April nach ihrer Handtasche, holte ein Papiertaschentuch heraus. Energisch wischte sie über den Fleck, so als wäre es nicht Cappuccino, sondern eingebrannte Milch auf einer Herdplatte. Immer heftiger presste sie das Stück Papier auf den Tisch und rubbelte so doll damit über die Platte, dass es bereits begann, sich in Fetzen aufzulösen. Aber April bemerkte das nicht. Tränen stiegen ihr bei dem Gedanken in die Augen, dass Robin wohlmöglich Recht haben konnte. War es richtig gewesen, Fireball im Unklaren zu lassen und ihm damit die eigene Wahl zu nehmen. Woher wollte sie so genau wissen, dass er sich zum Bleiben entschieden hätte? Vielleicht wäre er trotzdem ohne sie geflogen, auch wenn er die Wahrheit gekannt hätte. Wenn sie ehrlich war, lag genau darin ihre größte Angst verborgen. Dass Fireball wissentlich auf diese gefährliche Mission gegangen wäre und sie allein zurück auf Yuma gelassen hätte. Robins Hand legte sich beruhigend auf die ihre und brachte sie dazu, das Taschentuch endlich Taschentuch sein zu lassen: „Du hast Angst, dass sich die Geschichte wiederholt, nicht wahr?“ April keuchte erschrocken auf: „Du…Du…weißt es?“ ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und starrten um Erklärung flehend zu ihrer Freundin hinüber. Robin verstärkte daraufhin den Druck auf Aprils Hand: „Denkst Du denn wirklich, ich hätte nicht bemerkt, was los ist“, unbeholfen wischte sie dem Star Sheriff eine Träne von der Wange, „Du bist meine beste Freundin, April, vergiss das nicht!“ „Ja aber…“, der Schock darüber, dass ihr Geheimnis entdeckt war, wich langsam einem unheimlichen Gefühl der Erleichterung, „ach Robin…“ schluchzend warf sie sich in ihre Arme und vergrub das Gesicht an ihrer Schulter. Robin tat das einzig wahre in diesem Moment, sie gab ihrer Freundin Halt und Wärme. Sie sagte kein Wort und ließ April die Zeit, die sie brauchte, um sich zu beruhigen. Sicherlich waren die letzten Tage sehr schwer für sie gewesen, ganz allein mit einer unüberwindbar erscheinenden Situation fertig werden zu müssen, während alle Welt sich von ihr abgewandt hat. Leise verfluchte sie ihren Mann dafür, dass er April mit seinem verletzten Stolz besonders zugesetzt und die Lage nur noch verschlimmert hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm von Anfang etwas von ihren Vermutungen zu erzählen, aber sie hatte verhindern wollen, dass Fireball die Wahrheit aus dem Mund des Cowboys hörte. Das Zittern, welches Aprils Körper mit sich gerissen hatte, ebbte allmählich ab, aber anscheinend war sie noch nicht bereit, die schützende Umarmung zu verlassen: „Ich habe solche Angst, Robin.“ wisperte sie mit brüchiger Stimme, während sie den Kopf hilfesuchend auf deren Schulter bettete. „Ich weiß“, Robin küsste zärtlich den blonden Scheitel der Freundin, genauso wie Colt es bei ihr immer tat, wenn sie traurig oder niedergeschlagen war, „aber es wird alles gut gehen, Du wirst schon sehen.“ Es tat ihr beinahe leid, nichts Besseres als diese hohlen Phrasen bieten zu können, aber es war nun einmal das einzige, was ihr einfallen wollte. „Weißt Du, ich war zwar noch sehr klein, als meine Mum gestorben ist“, Aprils heisere Stimme verwandelte sich in ein ängstliches Flüstern, „aber ich weiß noch genau, wie schrecklich ich gelitten habe. Sie war so tapfer und hat bis zum Schluss gekämpft, und am Ende hat doch der Krebs gewonnen.“ Ein schemenhaftes Bild flackerte in ihrem Gedächtnis auf. Ihre Mutter, die blass und erschöpft in ihrem Bett gelegen und einem keinen blonden Mädchen versprochen hatte, dass sie es niemals alleine lassen würde. Aber sie hatte nicht Wort gehalten: „Ich habe Mum so furchtbar vermisst, dass ich am liebsten auch gestorben wäre!“ Ergriffen schloss Robin sie noch fester in die Arme: „Glaub mir, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Alles wird gut, ganz sicher“, sie griff nach einem sauberen Stück des zerfledderten Taschentuchs und tupfte damit sanft Aprils Tränen fort, „und egal was auch passiert, ich bin für Dich da!“ Und das war im Moment das Einzige, was für April wirklich zählte. Welches Schicksal die Zukunft auch für sie bereithielt, sie war nun nicht mehr allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)