Schatten der Vergangenheit von abgemeldet (Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!) ================================================================================ Kapitel 14: Zerfall ------------------- Hektisch durchstöberte Christa den Ersthilfekasten im Waschraum. Jod, Wattetupfer, Schere, eine steril verschweißte Nadel mit einem entsprechenden Faden Wundgarn, Verbandszeug zum vorläufigen Schutz der Wunde, der Nahtbrenner und Einwegspritzen. Das alles hatte sie in null Komma nichts gefunden, aber wo zum Teufel steckte das Procain zur örtlichen Betäubung? Ihr desolater Zustand wurde durch die Vorstellung, zum ersten Mal selber eine Verletzung nähen zu müssen, von heftigen Übelkeitsgefühlen verstärkt. Sie war zwar während ihrer Ausbildung auf viele Eventualitäten vorbereitet worden, aber Lokalanästhesie und chirurgische Eingriffe hatten dabei lediglich einen theoretischen Part dargestellt. „Verflixt, das gibt es doch gar nicht!“ ungeduldig wühlte die junge Frau das Unterste der roten Metallbox nach oben, bemerkte aber zu spät, dass die Kiste äußerst wackelig auf dem Rand des Waschbeckens stand. Mit lautem Scheppern fiel sie zu Boden und der gesamte Inhalt verstreute sich über die graublauen Stahlplatten: „Oh scheiße“, mit ihrer Kraft am Ende sank Christa neben dem Durcheinander auf die Knie und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie durfte jetzt bloß nicht anfangen zu heulen. So diszipliniert, wie es ihr möglich war, zog sie die Box zu sich heran und atmete tief ein und wieder aus, „das ist alles ein verfluchter Alptraum!“ Sie hatten den vermaledeiten Outriderplaneten vor gut einer halben Stunde verlassen und waren nun auf dem Weg zurück zu dem Ort, an dem sie nach dem Sprung in die Phantomzone eingetreten waren. Saber hatte seine Entscheidung, die Mission an diesem dramatischen Wendepunkt abzubrechen, umgehend in die Tat umgesetzt, ohne bei den Überresten seiner Crew auf Gegenwehr gestoßen zu sein. Fierballs Tod hatte sie alle so erschüttert, dass keinem mehr der Sinn danach stand, sich auch nur eine Sekunde länger als nötig hier in dieser Dimension aufzuhalten. Für den Fall, dass die übrigen Wranglereinheiten zum Schauplatz des Kampfes zurückkehren würden, hatten sie vorsorglich den aufgegebenen Renegade mit ein paar gezielten Schüssen in seine Bestandteile zerlegt. Anschließend hatten sie das unglücksselige Tal und damit Fireballs einsame letzte Ruhestatt hinter sich gelassen. Damit Christa sich um Colts Verletzung kümmern konnte, hatte Saber freiwillig die Maverick-Flugssteuerung übernommen und dirigierte nun den rücktransformierten Ramrod zu ihrem Sprungpunkt. Abgekämpft schob der Lieutenant die verstreuten Utensilien auf dem Boden hin und her. Da war es ja endlich, ein kleines braunes Glasfläschchen mit der Aufschrift Procain. Eilig stellte sie es zu den anderen aussortierten Gegenständen auf das Waschbecken und schaufelte dann den Rest unachtsam in die rote Box zurück, die sie auf dem Boden stehen ließ. Erst einmal musste der Cowboy versorgt werden, bevor sich seine Wunde durch Staub und Ruß noch entzündete. Da war Ordnung im Moment auf jeden Fall zweitrangig. Ausgelaugt stemmte Christa sich wieder auf die Beine, eine eigentlich wenig anspruchsvolle Bewegung, die sie aber jeden einzelnen Knochen im Leib schmerzhaft spüren ließ. Der zähe Kampf gegen die Outrider forderte bei ihnen allen seinen Tribut, auch wenn es nicht beim ersten Anblick zu erkennen war. Ihre Unterarme schmerzten von den harten Flug- und Bewegungsmanövern, die sie Ramrod abverlangt hatte, ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und ihr Kopf hämmerte ungehalten wie bei einem Migräneanfall. Seufzend sammelte sie die Habseligkeiten für ihren ersten Einsatz als Krankenschwester zusammen und eilte in die Küche hinüber, in der sie Colt zurück gelassen hatte. Bei ihrem Eintreten saß der Cowboy mit blassem Gesicht am Esstisch, den Blick apathisch ins Nirgendwo gerichtet, und spielte versonnen mit einem rotbackigen Apfel. Sein Gesicht sah schrecklich aus. Die Wunde an seiner Schläfe blutete noch immer und hatte die komplette linke Wange und das Ohr mit einer dicken Blutkruste überzogen, in die sich Spuren von Tränen und Schmutz gemischt hatten. Vom Weinen waren seine Augen geschwollen und blutunterlaufen und einige seiner kleinen braunen Locken klebten verschwitzt an seiner Stirn. Ihren Anweisungen zum Trotz trug er nach wie vor seinen Kampfanzug, lediglich seine Handschuhe hatte er ausgezogen. Christa trat schweigend neben ihn, stellte die mitgebrachten Verbandsmaterialien auf den Tisch und legte dann vorsichtig eine Hand über die Wunde an seinem Kopf: „Das müssen wir zuerst mal ordentlich reinigen.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Colt zeigte keinerlei Reaktion. Er ließ weiter den Apfel zwischen seinen Händen hin und her wandern und starrte trübsinnig an die gegenüberliegende Wand. Erst als Christa behutsam begann, sein Gesicht mit Hilfe eines nassen Waschlappens von Blut und Schmutz zu säubern, ließ er den Apfel gleichgültig auf die Tischplatte fallen. Er kugelte seelenruhig auf die Kante des Tisches zu und landete mit einem dumpfen Plop auf dem Boden: „Ich hab ihn im Stich gelassen.“ Mit plötzlich aufwallender Wut hieb Colt mit der geballten Faust auf den Tisch, um im nächsten Moment verzweifelt den Kopf in die Hände zu stützen. „Lass das“, sanft aber bestimmt schob Christa seine Hände fort, „ich komme sonst nicht richtig an die Wunde heran!“ Sie versuchte, so vorsichtig wie möglich um den Schnitt herum zu wischen, ohne dabei eine größere Menge an Schmutz oder Blut zurück zu lassen: „Und außerdem hast Du Fire nicht im Stich gelassen“, die Verletzung war ziemlich groß und das durchschimmernde Weiß des Schädelknochens bereitete ihr ein leidliches Maß an Ekel, „Du hast getan, was in Deiner Macht stand, Colt.“ „Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn da raushaue“, die Stimme des Cowboys war harsch und bitter, „und er hat auf mich gezählt.“ „Hey“, jetzt zog Christa einen weiteren Stuhl unter dem Esstisch hervor und setzte sich ihm gegenüber, „es war nicht Deine Schuld, Colt. Niemand ist Schuld an dem, was passiert ist.“ Tröstend ergriff sie eine seiner Hände und drückte sie zärtlich: „Und jetzt werden wir uns erst mal um Dich kümmern, ich habe nämlich keine Lust, Dich auch noch zu verlieren!“ Sie spürte, wie der Cowboy matt den Druck ihrer Hand erwiderte und ihr ein blasses, verschwindet unscheinbares Lächeln schenkte: „An so was ist noch keiner gestorben…“ Christas Herz machte einen kleinen Satz, als sich ihre Blicke trafen und sie stand eilig auf: „Gut zu wissen“, fahrig sie griff nach der Einwegspritze und der Flasche Procain, „aber ich würde doch lieber auf Nummer sicher gehen.“ Unter Colts kritischen Augen zog sie erst die Spritze auf und setzte dann die Kanüle darauf: „Weißt Du eigentlich, wie man mit solchen Dingern umgeht?“ trotz der Weltuntergangsstimmung, die seinen Verstand gefangen hielt, regte sich doch so etwas wie ein instinktiver Selbsterhaltungstrieb beim Anblick der spitzen Nadel und Christas etwas ungelenkem Umgang mit der selbigen. „Na, ja“, die junge Frau räusperte sich unsicher, „ich…weiß rein theoretisch, wie es funktioniert.“ „Rein theoretisch, ja?“ die Skepsis in Colts Stimme war nicht zu überhören. Gespielt fachmännisch schnippte Christa mit dem Zeigefinger gegen die Spritze: „Kann sein, dass Du ein bisschen allergisch auf das Zeug reagierst, Procain ist nicht so richtig das Gelbe vom Ei, aber immer noch besser, als Zähne zusammenbeißen, oder?“ Ein verächtliches Schnauben war die einzige Antwort auf diese wenig aufmunternden Worte. Energisch entriss Colt dem Lieutenant die Spritze: „Ein bisschen Ablenkung kann im Moment nicht schaden, ich halts schon aus!“ „Bitte“, ohne weitere Widerworte legte Christa die Spritze beiseite und tränkte den mitgebrachten Wattebausch mit Jod, „das wird jetzt aber ganz schön brennen!“ sachte begann sie die gesäuberte, noch immer leicht blutende Wunde abzutupfen. Der Cowboy zuckte kurz zusammen und gab einen leisen Zischlaut von sich. Dann ließ er die Prozedur bereitwillig über sich ergehen. Er hatte Recht gehabt, der brennende Schmerz linderte ein wenig das Chaos, das in seinem Herzen tobte, oder vermochte zumindest, es für einen kurzen Moment zu verdrängen. Das Jod biss erbärmlich in der offenen Wunde und er fürchtete schon, die Tortur würde kein Ende finden. „Und Du bist wirklich sicher, dass ich das ohne Spritze nähen soll“, unentschlossen hielt Christa die eingeschweißte Nadel mit dem Wundgarn in der Hand, „das wird mehr wehtun als das bisschen Desinfizieren!“ Am liebsten hätte Colt beim Anblick des gebogenen Stahls einen Rückzieher gemacht, wollte sich aber vor ihr nicht diese Blöße geben: „Wenn Du nicht bald damit anfängst, sitzen wir Weihnachten noch hier.“ tapfer hielt er ihr schräg den Kopf hin, damit sie besser an die Wunde heran kam. Christa schluckte vernehmlich und ihre Hände zitterten, als sie die Nadel vorsichtig, um sie nicht fallen zu lassen, aus der sterilen Verpackung zog. Vor ihren Augen flimmerte es kurzzeitig, als sich auch ihr Magen wieder zu Wort meldete. „Alles in Ordnung mit Dir?“ Colt hatte ihre Unsicherheit und den ängstlichen Ausdruck in ihren Augen bemerkt. „Ja, ich... es ist nur… ich habe das noch nie gemacht…“ Die Eröffnung rang dem Cowboy ein leises Stöhnen ab: „Warum musstest Du mir das auf die Nase binden“, schicksalsergeben reckte er ihr seine linke Seite noch ein Stückchen näher entgegen, „nun sieh zu, wird schon schief gehen!“ Wacker setzte Christa die Nadelspitze an. Die Haut war widerstandsfähiger, als sie es erwartet hatte. Es kostete sie einige Anstrengung, das Gewebe richtig zu durchstoßen. Sie musste aufpassen, dass sie nicht zu fest zudrückte, um die Einstichstelle nicht einzureißen. Endlich gab die Haut nach und sie konnte den weißen Kunststofffaden durch das kleine Loch ziehen. Als sie auch die gegenüberliegende Seite mit etwas Mühe überwunden hatte, machte sie in den Faden einen lockeren Knoten und schnitt ihn ab: „So, das war Nummer eins.“ Eilig machte sie sich an den zweiten Knoten. Der Anblick des Blutes, der offenen Wunde, des blanken Knochens und letztlich die Tatsache, dass sie gerade eben eine Nadel durch die Epidermis des Cowboys getrieben hatte, ließen ihre Knie weich werden. Noch ein paar Augenblicke und sie wäre wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, die Arbeit zu vollenden. Bereits jetzt war ihr hundelend zumute. Es bedurfte am Ende fünf solcher Einstiche, um die Schnittwunde sorgfältig zu verschließen. Christa atmete erleichtert auf, als sie die verschmierte Nadel und den blutroten Faden zur Seite legen konnte. Hastig langte sie nach dem Nahtbrenner: „Könnte jetzt etwas heiß werden.“ Ihre Fingerspitzen kribbelten und die Flecken vor ihren Augen wurden größer. „Wozu ist das?“ Colt war ein ziemlich perfektes Abbild ihrer eigenen Empfindungen. Er hatte das Nähen ohne Murren oder Wehleid ertragen, aber sein Gesicht hatte eine graue Farbe angenommen und das Schimmern seiner Augen war zum ersten Mal seit ihrem Abflug nicht auf Fierballs tragisches Ende zurück zu führen. „Das ist der Nahtbrenner“, haltsuchend stützte der Lieutenant sich auf der Rückenlehne des Stuhls ab, „durch das Erhitzen zieht sich das Wundgarn automatisch so zusammen, dass die Knoten weder zu eng sind, noch zu locker. Dadurch kann die Wunde optimal heilen und der Faden baut sich in ein paar Tagen von selbst ab, ohne dass wir ihn ziehen müssen. Außerdem bleibt damit kaum eine Narbe zurück“, die nächsten Worte sprudelten einfach aus ihr heraus, ohne dass sie vorher tatsächlich über sie nachgedacht hatte, „brauchst also keine Angst zu haben, dass Dich Deine Robin nicht mehr leiden kann.“ In Colts Augen flackerte kurz etwas auf, das die junge Frau nicht recht zu deuten wusste. Es konnte Wut sein, oder Sorge, auf jeden Fall aber ein Gefühl das auf keiner positiven Empfindung basierte. Christa hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, wenn sie die Worte dadurch hätte ungeschehen machen können. Sie hatten vor einer halben Stunde ein Mitglied ihres Teams verloren, sogar Colts besten Freund, wenn sie das nach dieser kurzen Zeit des Zusammenseins schon richtig bemerkt hatte, und konfrontierte den armen Kerl nun tatsächlich mit ihrer lächerlichen, wenn auch nagenden Eifersucht. Die Stimmung schlug ruckartig um und eine unangenehme Spannung dehnte sich zwischen den beiden aus, die dazu führte, dass weder Colt noch Christa ein weiteres Wort verloren. Erst als sie mit dem Verschweißen der Knoten fertig war und die Naht provisorisch mit einem großen Pflaster geschützt hatte, stand der Cowboy leicht benommen auf, murmelte ein unwirsches „Danke!“ und eilte ohne sich noch einmal umzudrehen aus dem Raum. Christa ließ die Schere und das Endlosleukoplast fallen und rannte hinüber zur Spüle, wo sie sich würgend übergab. Unterdessen hing Saber auf der Brücke seinen ganz eigenen finsteren Gedanken nach und geißelte sich mit Selbstvorwürfen. Er saß in Fireballs Satteleinheit und starrte verbittert hinaus in die alles verschlingende Schwärze der Phantomzone. Diese Mission war eine Aneinanderreihung von Katastrophen gewesen, wie sie kein Lehrbuch hätte schlimmer beschreiben können. Begonnen hatte es doch schon damit, dass April sich gegen ihre Teilnahme ausgesprochen und so eine heikle Schwächung des Teams verursacht hatte. Der Schotte machte der Freundin keinerlei Vorwürfe wegen dieser Entscheidung. Rückblickend betrachtet war sie offenkundig die einzige gewesen, die die richtige Wahl getroffen hatte. Nein, er als Anführer hätte bereits an diesem Punkt ablehnen müssen, ihre kleine Gemeinschaft auf diese aberwitzige Reise zu schicken. Es war vermessen gewesen, den drohenden Gefahren mit einer neu zusammengestellten Einheit entgegenzutreten. Hatte die Erfahrung sie nicht immer wieder gelehrt, dass der erfolgreiche Ausgang eines Auftrages vom perfekten Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder untereinander abhing. Wie hätten sie da auch nur den Hauch einer Chance haben können, besonders, nach den eskalierten Streitigkeiten und den stark erhitzten Gemütern. Fireball war mental viel zu stark in die Angelegenheit verstrickt gewesen und hatte vielleicht sogar ein größeres Wagnis als die unerfahrene Christa dargestellt. Aber auch ihm war nichts vorzuwerfen. Jeder hatte die Beweggründe des Rennfahrers verstanden und niemand wäre auf die Idee gekommen, ihm die Teilnahme an diesem Einsatz zu verwehren. Auch er selber nicht. Er hatte es als ihrer aller selbstverständliche Pflicht angesehen, diesen Auftrag anzunehmen, ohne wirklich über die Konsequenzen nachgedacht zu haben. Ein törichter Anfängerfehler. Saber korrigierte leicht ihren Kurs, indem er einige neue Parameter in den Computer eingab. Er war ein Versager, soviel stand fest. Offensichtlich war es ihm nicht einmal gelungen, die aufkeimende Beziehung zwischen Christa und Colt zu unterbinden. Das Verhältnis innerhalb des Teams hatte einfach von vorne bis hinten nicht gestimmt. Eigentlich war es sogar ein Wunder, dass sie nur eines ihrer Mitglieder verloren hatten. Spätestens nachdem das Schadensausmaß durch den Dimensionssprung klar auf dem Tisch gelegen hatte, wäre es an der Zeit gewesen, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Aber nein, er hatte sie weiterfliegen lassen, mitten hinein in die Arme ihrer wartenden Feinde. Quasi mit verbundenen Augen und den Händen auf dem Rücken gefesselt. Sein allerletzter und größter Fehler aber war es gewesen, Fireball wider besseren Wissens allein gegen die Wrangler-Übermacht zu schicken. Diese Entscheidung hatte der Freund mit dem Leben bezahlt. Und um Haaresbreite hätten sie auch Colt verloren, wenn die Outrider nicht für ihre schlechte Zielsicherheit bekannt gewesen wären. Leise Schritte auf dem Metallboden kündeten das Nahen des jungen Lieutenants an. Saber wusste nicht genau, ob er sich über ihr Auftauchen freuen sollte, oder nicht. Einerseits stand ihm nicht der Sinn nach Konversation, andererseits konnte ein wenig Ablenkung nicht schaden. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, als sie sich erschöpft gegen Colts Satteleinheit lehnte. Ihr leidgeprüftes Gesicht war aschfahl und dunkle Ringe lagen unter ihren sonst so strahlenden Augen. „Wie geht es Colt?“ Der Rotschopf verzog keine Miene: „Gut soweit, die Wunde ist ziemlich groß, war aber gut ausgeblutet. Ich denke, er sollte damit keine großen Probleme kriegen.“ „Das habe ich nicht gemeint.“ Der Säbelschwinger wusste, dass der Cowboy hart im Nehmen war und sich durch körperliche Verletzungen nicht so schnell aus der Bahn werfen ließ. „Oh“, ein knappes Nicken verriet, dass Christa verstanden hatte, „in dem Fall würde es lausig wohl besser treffen. Er starrt die ganze Zeit grimmig vor sich hin, redet kaum ein Wort und malträtiert sich mit Vorwürfen, er sei Schuld an Fireballs Tod.“ Ihr prüfender Blick blieb an Sabers verschlossenen Gesichtszügen hängen: „Eigentlich genauso wie Du!“ Ärgerlich wandte der Highlander sich von ihr ab: „Der Kerl ist doch wirklich ein Idiot. Wenn einer Schuld an dem ganzen Schlamassel hat, dann bin das wohl eher ich!“ „Oh bitte“, frustriert faltete die junge Frau wie zu einem stummen Gebet die Hände, „ich höre mir diese ganze Leier nicht noch einmal an.“ Wütend brauste Saber auf: „Ich habe das Kommando, Christa“, seine Faust fuhr krachend gegen den gelben Stahlrahmen seines Sitzes, „ich bin für diese Mission und das Team verantwortlich.“ „Ja natürlich, aber Fireball war nun einmal Soldat“, mit ruhiger Stimme versuchte sie, ihr Gegenüber wieder ein wenig zu besänftigen, „und Soldaten können sterben, das ist das Risiko, mit dem sie leben müssen!“ „Aber nicht unter meinem Kommando und wenn ich es verhindern kann!“ „Ahh“, verzweifelt raufte sich Christa die Haare, „Du bist wirklich noch halsstarriger als Colt, weißt Du das!“ Saber schluckte seine neu aufkeimende Wut hinunter: „Ich habe April versprochen, dass ich auf Fireball aufpasse“, sein Tonfall schlug zu einem Flüstern um, „und jetzt kann ich nicht einmal seine Leiche zu ihr zurück bringen.“ Wütend schnaubend stieß sich der Lieutenant von Colts Satteleinheit ab: „Du bist nicht Gott, Saber, sieh das endlich ein!“ „A propos Gott“, rief ihr Anführer ihr nach, bevor sie den Kommandostand verlassen konnte, „sagt Dir das Sprichwort „Was Gott zusammen gefügt hat, soll der Mensch nicht trennen“ etwas?“ anklagend prallten die Wort gegen Christas Rücken, die mit hochrotem Kopf herumfuhr. Ihre Lippen fest aufeinander gepresst, starrte sie Saber funkelnd an: „Könntest Du Dich eventuell etwas präziser ausdrücken?“ Offenbar hatte Saber den Nagel auf den Kopf getroffen: „Robin ist eine gute Freundin und sie hat es nicht verdient, dass man ihr weh tut!“ Christa schnappte erregt nach Luft. Eigentlich gab es keinen Grund, sich vor dem Schotten zu rechtfertigen, denn was war schon großartig zwischen ihr und Colt vorgefallen? Gut, sie hatten sich geküsst, aber weiter war nichts passiert. Und die patzige Reaktion des Cowboys, als sie beim Nähen der Wunde Robins Namen erwähnt hatte, ließ kaum Zweifel daran, dass auch nichts weiter passieren würde. Unwillkürlich versetzte diese Erkenntnis dem Lieutenant einen schmerzlichen Stich: „Tut mir leid, aber ich denke, diese Sache geht Dich nichts an, okay!“ „Mit Verlaub“, Saber stellte die Systeme auf Autopilot und erhob sich aus seinem Sitz, „das sehe ich aber ganz anders.“ Seine Augen waren nicht mehr als zwei schwarze Schlitze, die sie brandmarkend anstarrten: „Ich bin als Kommandant auch für die Disziplin an Bord verantwortlich und kann es nicht tolerieren, dass Ihr zwei durch Euer unentschuldbares Verhalten die Mission oder ein anderes Mitglied der Crew in Gefahr bringt!“ Christa glaubte ihren Ohren nicht zu trauen: „Sag mir, zu welchem Zeitpunkt ich je die Mission oder einen von uns durch mein Verhalten in Gefahr gebracht habe!“ ihr Puls raste und sie musste die Hände zu Fäusten ballen, um das Zittern zu verbergen. Diese Anschuldigung war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Saber verschränkte selbstsicher die Arme vor der Brust: „Colt hat bei der Schlacht seinen Posten verlassen, um Dir zu helfen, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Wenn…“ „Wag es nicht“, drohend stieß die junge Frau ihren rechten Zeigefinger in seine Richtung, „versuch ja nicht, mir die Schuld an Fireballs Tod in die Schuhe zu schieben!“ unkontrolliert stiegen erneut Tränen in ihrer Kehle auf. Würde dieser Alptraum denn niemals enden? „Das habe ich überhaupt nicht gesagt…“ Versuchte sich der Schotte schwach zu verteidigen, aber Christa war viel zu sehr in Rage, als dass sie ihn hätte ausreden lassen können: „Nein“, schrie sie unbeherrscht und blinzelte wütend die Tränen fort, „aber Du hast es gedacht!“ Saber fürchtete fast, sie würde ihm jede Sekunde an die Gurgel springen, so wild und entschlossen stierte sie ihn hasserfüllt an. Doch sie machte ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz kehrt und flüchtete in Richtung der Quartiere. Himmel, war er denn eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Erschrocken griff sich der Säbelschwinger an die Stirn. Warum hatte er das eben nur gesagt? Er wusste doch ganz genau, dass weder Colt noch Christa Schuld an Fireballs Tod hatten. Welcher miserable Anführer brachte es denn fertig, sein sowieso völlig niedergeschmettertes Team durch völlig lächerliche Anschuldigungen auch noch weiter in die Tiefe zu ziehen? Es war sein Job dafür zu sorgen, dass seine Mannschaft nicht den Mut verlor und leichter mit dem schmerzlichen Verlust zu Recht kam. Das war ihm ohne Frage ganz ausgezeichnet gelungen. Dabei konnte man Christa nicht einmal einen Vorwurf wegen ihres Benehmens machen. Saber wusste ganz genau, welche Wirkung der Charme des Cowboys auf das weibliche Geschlecht hatte und zudem befanden sie sich in einer Ausnahmesituation, in der jeder für etwas menschliche Nähe und Zuneigung dankbar war. Wenn er ein Problem mit der Annäherung der beiden aneinander hatte, dann musste er das mit Colt klären und durfte seinen Unmut nicht an dem Lieutenant auslassen. Und selbst den Scharfschützen konnte er im Moment nicht noch zusätzlich mit dieser Thematik belasten, er hatte schon genug mit der Trauer um den gemeinsamen Freund zu kämpfen. Vielleicht ging es ihn auch tatsächlich nichts an. Wenn sich zwischen den beiden etwas Ernsthaftes anbahnte, konnte er sowieso nichts dagegen tun. Er vermochte lediglich darauf zu hoffen, dass die Funken in den verbleibenden Tagen bis zu ihrer Rückkehr nach Yuma nicht mehr als einen kleinen Schwelbrand entzünden würden. Wenn Robin erst wieder auf der Bildfläche auftauchte, wäre das Spiel für den Cowboy sowieso beendet, denn er liebte diese Frau, dessen war sich Saber ganz sicher. Wie auch immer, er musste sich bei Christa entschuldigen, am beste noch bevor sie den Sprung zurück in ihre eigene Dimension wagten. Erst einmal zurück in den Gefilden des neuen Grenzlandes stand ihm eine Aufgabe viel erdrückenderen Ausmaßes bevor: die Nachricht von Fireballs Tod zu überbringen. Verschlafen wischte sich April eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht und setzte sich müde auf dem Sofa auf. In der Wohnung war es still und dunkel, denn die Sonne war bereits untergegangen und sie hatte noch keine Lampe eingeschaltet, bevor sie sich für das kurze Nickerchen hingelegt hatte. Ein kurzer Blick auf den Chronometer zeigte dem weiblichen Star Sheriff, dass es bereits kurz vor sieben war. Erschrocken stellte April fest, dass sie mehr als vier Stunden geschlafen hatte. Mit schwerem Kopf und müden Gliedern erhob sie sich schwankend und schlurfte ins Badezimmer hinüber. Eigentlich war es kein Wunder, dass sie vor Übermüdung kein Auge mehr hatte aufhalten können, denn die ganze letzte Nachte war sie vor Anspannung nicht richtig zur Ruhe gekommen. Und seit das Ortungssignal von Ramrod von den Bildschirmen des KavCom am Morgen verschwunden war, hatte sie sich untätig in den Räumlichkeiten des Hauptquartiers herumgetrieben, um ja sofort zur Stelle zu sein, wenn man wieder ein Lebenssignal von den Star Sheriffs empfangen würde. Als ihr Vater sie dann kurz nach dem Mittagessen in der Kantine an seinem Schreibtisch vorgefunden hatte, tief schlafend, den Kopf auf die Arme gebettet, hatte er kurzerhand angeordnet, dass man sie zu ihrer Wohnung brachte, damit sie sich etwas ausruhen konnte. Nur unter Protest hatte April schließlich eingewilligt und auch erst, nachdem Commander Eagle ihr hoch und heilig versprochen hatte, dass man sie sofort holen würde, wenn es Nachricht von Saber und den anderen gab. Sie wusste natürlich, dass es noch Tage dauern konnte, bis Ramrod ins neue Grenzland zurückkehrte, aber die Ungewissheit, ob ihre Freunde den Dimensionssprung tatsächlich geschafft hatten, nagte unnachgiebig an ihren Nerven. Ein Blick in den Spiegel des Badezimmerschranks ließ April unwillkürlich erschaudern. Die Frau, die ihr da aus hohlen Augen entgegen starrte, bot einen geradezu jämmerlichen Anblick. Ihr blondes Haar hing strähnig und ungekämmt auf ihre Schultern, die Lippen waren blutleer und spröde und ihre Lider waren dick geschwollen. Eilig zog April ein Haarband aus einer der kleinen Schubladen, drehte das Haar behelfsmäßig zu einem Knoten zusammen, den sie mit dem Band fixierte und drehte den Kaltwasserhahn bis zum Anschlag auf. Was sie jetzt brauchte, war eine kleine Erfrischung, um wieder richtig munter zu werden. Es verschlug ihr kurzzeitig den Atem, als sie ihr Gesicht in das eiskalte Wasser tauchte, dass sie mit den Händen aufgefangen hatte, aber sie merkte, dass ihre Gedanken augenblicklich klarer wurden. Sie wiederholte die Prozedur dreimal, drehte dann das Wasser ab und schnappte sich ein Handtuch vom Ständer, mit dem sie notdürftig die kühlenden Tropfen fortwischte. „Na, ja“, ihre Haut war durch die Kälte leicht gerötet und wirkte frischer als beim ersten Blick in den Spiegel, an den dunklen Rändern unter den Augen hatte sich allerdings nichts geändert, „nicht schön, aber selten!“ Gleichgültig warf sie das Handtuch auf den heruntergeklappten Toilettendeckel und verließ das Bad. Es wurde höchste Zeit, dass sie sich zurück in die Kommandozentrale begab, sie hatte mit ihrem kleinen Mittagsschlaf schon viel zu viel wertvolle Zeit verloren. Sie wollte die erste sein, die die Jungs und Christa mit einem strahlenden Lächeln empfing, wenn sie ihre Mission in der Phantomzone beendet hatten. Flüchtig schnappte sie sich ihre EDM-Card, die sie vorhin auf den Couchtisch gelegt hatte und band sich ihren Communicator ums Handgelenk. Dabei fiel ihr siedendheiß ein, dass sie ja am frühen Nachmittag von einem Wachsoldaten nach Hause gebracht worden war und ihr Buggy noch immer im Fahrzeugpark des KavCom stand. Dann würde sie wohl Nova nehmen müssen, um zum Stützpunkt zu gelangen. Dort angekommen konnte sie das Mecha-Pferd problemlos alleine wieder nach Hause schicken, um dann später den Buggy mitzunehmen. Flugs eilte sie aus der Haustür, die sie krachend ins Schloss fallen ließ und flitzte die Stufen des Treppenhauses zu den Garagen hinunter. Für die Warterei auf den Fahrstuhl hatte sie augenblicklich keine Muße. Als sie gute zwanzig Minuten später den Hochsicherheitstrakt betrat, in dem sich die Luftraumüberwachung und das Flugkontrollzentrum befanden, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise herrschte hier reger Verkehr und Mitarbeiter des KavCom eilten pausenlos geschäftig von einem Raum zum nächsten, trugen wichtige Diagramme oder Auswertungen vor sich her und hielten per Headset Funkkontakt zu militärischen Schiffen, die sich irgendwo im Orbit befanden. Kurz gesagt glich dieser Sektor in der Regel einem aufgescheuchten Bienenstock, doch jetzt lagen die Gänge verlassen und außer dem elektrischen Summen der vielen Computer und Terminals in den einzelnen Abteilungen war absolut nichts zu hören. Was zum Teufel ging hier vor? Von einer bösen Vorahnung getrieben hastete April den Korridor entlang in Richtung des Kontrollzentrums. Es musste etwas Schwerwiegendes geschehen sein, dass die Betriebsamkeit dieses quirligen Mitarbeiterhaufens so radikal zum Erliegen gebracht hatte. Als sie um die nächste Ecke bog, prallte sie unvermittelt gegen die stattliche Gestalt ihres Vaters Commander Eagle, der seinerseits gerade in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. „Hoppla“, erschrocken hielt er seine Tochter an den Schultern fest, die durch den Zusammenstoß nach hinten gestolpert war, „da bist Du ja, April, ich habe schon mehrfach versucht, Dich zu erreichen!“ Verwirrt hob April den Arm, an dem sie den Communicator trug und konstatierte resigniert: „Muss vergessen haben, den blöden Akku aufzuladen. Hat mal wieder seinen Geist aufgegeben.“ „Macht nichts“, Eagle ergriff den erhobenen Arm und zog sie sacht mit sich den Gang hinunter, „nun bist Du ja endlich hier!“ „Was ist los, Daddy“, alarmiert befreite April sich aus der Umklammerung und eilte neben ihrem Vater her, „wo sind denn alle? Ist etwas passiert?“ Der Commander stieß unsanft die Tür zum Kontrollzentrum auf: „Wir empfangen seit gut einer halben Stunde ein Signal aus der Region, in der Saber Rider und die anderen zum Dimensionssprung angesetzt haben.“ „Was“, die Überraschung war so groß, dass April wie angewurzelt stehen blieb und ihren Vater verblüfft anstarrte, „besteht Funkkontakt?“ sie war doch zu spät gekommen! „Nein“, Eagle schüttelte beinahe entschuldigend den Kopf, „wir haben schon mehrfach versucht, den Kontakt über Hypercom herzustellen, aber bislang erfolglos.“ Aprils Magen krampfte sich unangenehm zusammen und sie musste sich zwingen, ihrem Vater in den Raum zu folgen, der angefüllt war mit lautem Stimmengewirr. Offensichtlich hatten sich hier alle Mitarbeiter des gesamten Sektors versammelt und unterhielten sich angeregt, während sie auf den großen Monitor über dem Zentralcomputer starrten. Die junge Frau blieb oben auf der Balustrade stehen und beobachtete mit verworrenen Gefühlen dieses merkwürdige Schauspiel. Das Kontrollzentrum war ein riesiger Raum von sechs Metern Höhe und einer Grundfläche von mindestens sechzig Quadratmetern, der vom Boden bis zur Decke vollgestopft war mit den neuesten Terminals, Computern und Technologien. Normalerweise war die aufgeladene Atmosphäre hier drinnen erfüllt von ständigem Piepen und anderen Tönen, die die Ortungsgeräte, Radar- und Sonaranlagen von sich gaben, aber im Moment war nur das Gemurmel der gut vierzig Soldaten und Wissenschaftler zu vernehmen, die sich um den Hauptmonitor geschart hatten. Eagle trat neben April und tätschelte ihr beruhigend die rechte Hand, die sie verkrampft um die Brüstung der Balustrade geklammert hatte: „Wahrscheinlich ist es nur falscher Alarm und wir haben da lediglich einen Peripheriepiraten erwischt, der einen Teufel tun wird, mit uns in Funkverbindung zu treten.“ „Nein“, wie hypnotisiert starrte April auf die grauen, krisseligen Streifen, die sich flackernd über den Bildschirm zogen, „sie sind es, ich spüre das. Irgendetwas ist schief gegangen!“ „Red keinen Unsinn, Kind“, der Commander beäugte seine Tochter skeptisch, „das kannst Du doch gar nicht wissen.“ Das stimmte, April konnte es nicht wissen, und trotzdem blühte in ihrem Bewusstsein die grausige Gewissheit auf, dass sie Recht hatte. Sie konnte es nicht erklären, ja, sie konnte nicht einmal sagen, wann sie dieses Gefühl beschlichen hatte, aber nun war es eben da. Erdrückend und niederträchtig wie ein Outrider, der einem mit seinem Hyper-Jumper direkt im Nacken saß. „Herrje, April“, eilig griff Eagle seiner Tochter um die Hüften, als er bemerkte, wie blass sie mit einem Mal geworden war, „ist Dir nicht gut, Kleines?“ sicherlich waren die ganzen Aufregungen der vergangenen Tage einfach zuviel für sie gewesen. „Daddy…“ hilfesuchend lehnte sich April an seine starke Schulter. Die Angst in ihrem Inneren wurde so übermächtig, dass sie meinte, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Sie zitterte am ganzen Körper, so dass selbst ihre Zähne klappernd aufeinander schlugen. Gerade als sie meinte, sich nicht mehr länger aufrecht halten zu können, rief einer der Verbindungsoffiziere: „Commander, wir bekommen ein Signal rein!“ er schaltete die Lautsprecher ein und eine klare männliche Stimme hallte durch den plötzlich mucksmäuschenstillen Raum: „Yuma Kommandozentrale, hier Ramrod, bitte kommen!“ „Saber!“ Aprils erleichterter Ausruf ging im allgemeinen Tumult der Jubelschreie und klatschenden Hände unter. Ein unbeschreiblich großer Stein fiel ihr vom Herzen. Die Jungs hatten es geschafft. Was auch immer ihnen in den letzten Stunden in der Phantomzone wiederfahren sein mochte, sie waren zurück. „Legt ihn auf den Monitor!“ brüllte Eagle über den Lärm hinweg seinem Offizier zu. Als dieser ihm signalisierte, dass er seinen Vorgesetzten nicht verstanden hatte, wies der Commander stumm auf den gigantischen Bildschirm. Dieses Mal verstand der Soldat und eine Sekunde später tauchte das riesige Bild des Säbelschwingers vor Aprils Augen auf. Er sah müde und abgekämpft aus, aber er war am Leben! Der Jubel ging in ein ehrerbietiges Schweigen über, als die anwesenden Mitglieder des KavCom das Antlitz des Kommandanten der Star Sheriffs erblickten. „Wir hören Euch, Ramrod“, tönte Eagles joviale Stimme durch den Raum, „es tut gut, Euch wieder bei uns zu haben!“ Ein schwaches Lächeln huschte über das Gesicht des Schotten: „Tut auch gut, wieder zurück zu sein, Sir“, man sah, wie er konzentriert an seinem Computer herumhantierte, „leider haben wir durch den Dimensionssprung ein paar Probleme mit unserem Hypercom. Ich fürchte, wir bekommen kein Bild von Ihnen rein, Sir.“ „Wir sehen Dich klar und deutlich, Saber!“ heiße Tränen rannen Aprils Wangen hinab, während sie die Züge des Freundes so eingehend studierte, als hätte sie ihn Monate lang nicht gesehen. Deshalb sah sie auch die Veränderung in dessen Gesicht, als er ihre Stimme vernahm. Seine Muskeln spannten sich merklich an und sein Blick verfinsterte sich: „Hey Kleines“, er hatte sich räuspern müssen, um klar antworten zu können, „schön, Deine Stimme zu hören!“ Ihr Gefühl hatte doch nicht getrogen, etwas stimmte ganz und gar nicht. Ihr Vater hingegen bemerkte die Gemütswandlung des Schotten nicht: „Wir sind gespannt auf Ihren Bericht, Kommandant!“ Seufzend fuhr sich Saber durch die blonden Haare, offenkundig nicht wirklich gewahr, dass sein Bild ins Hauptquartier des KavCom übertragen wurde: „Ganz kurz und bündig, Sir, wir sind alle ein wenig erledigt hier…“ „Natürlich“, Eagle hob gönnerhaft die rechte Hand, „Ihr seid ja in ein paar Tagen zu Hause, dann können wir uns die Details anhören.“ Saber nickte: „Wir haben den Sprung in die Phantomzone geschafft, Sir. Allerdings nicht ohne Verluste. Mehrere Wärmeaustauscher und die Kurzstreckenraketen sind ausgefallen, anfänglich auch die Challenge-Phase“, ein anerkennendes Raunen ging durch die Menge der Zuhörer, „eine Stunde nach Ankunft hatten wir dann Kontakt mit einem ziemlich feurigen Empfangskomitee bestehend aus vielleicht 200 Hyper-Jumpern und Kampfjets sowie drei Renegade-Einheiten der übelsten Sorte…“ seine Stimme verstummte bei der Erinnerung an das heftige Gefecht. Der Stein in Aprils Magengegend wuchs von Sekunde zu Sekunde. Es war ein Wunder, dass die Star Sheriffs eine Auseinandersetzung mit so einer übermächtigen Outrider-Division trotz defekter Nahkampfwaffen überlebt hatten. Wie übel mochten sie zugerichtet sein? „Offensichtlich habt Ihr es geschafft, Euch gegen die feindlichen Einheiten zu behaupten, Saber!“ die Stimme des Commanders platzte vor schierem Stolz auf seine Truppe, doch das konnte Sabers Laune nicht bessern. „Ja, Sir. Von den Jumpern und Jets sind sicherlich einige entkommen, aber die Renegades konnten wir eliminieren. Allerdings wurde Ramrod während des Kampfes so stark beschädigt, dass ich den Abbruch der Mission angeordnet habe!“ trotzig hob sich das Kinn des Säbelschwingers, als müsse er seine Entscheidung gegenüber dem KavCom verteidigen. „Nun, ich bin sicher, dass Du weißt, was Du tust“, der Commander konnte nicht ganz verbergen, dass er von der Entwicklung des Einsatzes etwas enttäuscht war, „aber das wichtigste ist, dass der Sprung in die Phantomzone tatsächlich funktioniert hat. Und wir wissen, dass die Outrider wieder mobil machen, die Mission war also auf der ganzen Linie ein voller Erfolg!“ er hatte seine Fassung schnell wiedergefunden und reckte anerkennend den rechten Daumen in die Höhe. Wieder toste der donnernde Jubel der Anwesenden los, die den Sieg über die Outrider feierten. Eagle hatte einige Mühen, sich bei diesem Krach ein letztes Mal Gehör zu verschaffen: „Nun, Saber, ich denke, Ihr habt Euch eine kleine Verschnaufpause verdient. Wir erwarten Euch dann in fünf Tagen hier auf Yuma!“ „Warten Sie, Commander“, nervös leckte sich Saber über die Lippen, „wir ähm… es gibt da noch etwas, was sie wissen müssen, Sir.“ Er brach ab und suchte offenbar nach den richtigen Worten. In diesem Moment machte sich April auf das schlimmste gefasst. Schützend schlang sie die Arme um ihren Körper und schickte flehend ein Stoßgebet nach oben an die Zimmerdecke. „Und das wäre?“ „Wir ähm…es…“ dem Säbelschwinger fiel das Sprechen mehr als schwer und seine Augen begannen verdächtig zu schimmern: „April“, schließlich wandte er sich mit um Verzeihung heischendem Blick direkt an die Freundin, „es tut mir so leid, Kleines! Fireball… er… einer der Renegades hat den Red Fury erwischt. Er… hat es nicht geschafft!“ April verlor den Halt. Der Raum drehte sich in wahnwitzigem Tempo wie ein Kettenkarussell, dann wurde alles schwarz und sie versank in einem alles verschluckenden Meer aus Nichts. Christa schlug genervt ihre Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Seit Stunden versuchte sie jetzt schon einzuschlafen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Sobald sie die Augen schloss, sah sie die schrecklichen Bilder von Kampf und Zerstörung vor sich, zerstörte Maschinen, die Leichen der Outrider und die kläglichen Überreste des Red Fury Racers. Sie hatte gehofft, nach der Rückkehr in ihre eigene Dimension würde sie sich ein wenig besser fühlen, aber das war ein Irrtum gewesen. Der Sprung zurück ins neue Grenzland war irgendwann zwischen halb sieben und sieben nach Yuma-Zeit erfolgt und Saber hatte, nach einigen anfänglichen Problemen mit ihrem Hypercom, die unliebsame Aufgabe übernommen, Commander Eagle und April die schreckliche Nachricht von Fireballs Tod zu überbringen. Kurz vor dem Sprung hatte er sich noch für sein rüdes und unfaires Verhalten ihr gegenüber entschuldigt. Er habe es natürlich nicht so gemeint, die Situation sei ihm nur einfach über den Kopf gewachsen und er wäre einfach nicht mehr Herr der Lage gewesen. Christa hatte die Entschuldigung ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert, aber was Saber nicht hatte zurücknehmen können, waren seine Worte bezüglich Gott, Menschen und Trennung gewesen. Noch lange, nachdem sie sich den Dreck des Kampfes vom Körper geschrubbt hatte und in T-Shirt und Pyjamahose geschlüpft war, hatte sie wach auf ihrem Bett gelegen und sich Gedanken über ihre momentane Lage gemacht. Sie dachte an Roland und fragte sich, warum sie seinetwegen kein schlechtes Gewissen verspürte. Sie liebte ihn doch, oder hatte das zumindest bis zum Beginn dieser Mission gedacht. Seit sie und Colt sich näher gekommen waren, sah die Sache ein wenig anders aus. Sie empfand keine Reue, weil sie den Cowboy geküsst hatte oder sich zu ihm hingezogen fühlte. Schließlich war Roland derjenige gewesen, der von ihr gefordert hatte, sich entweder für ihn oder für den Einsatz zu entscheiden und der sie dann ohne ein weiteres Wort verlassen hatte. Kein Abschied, kein „Hals- und Beinbruch“, er war nicht einmal zum Abflug von Ramrod erschienen. Soviel konnte sie ihm also gar nicht bedeutet haben. Anders verhielt es sich allerdings mit ihren Gefühlen gegenüber Robin. Sie spürte tiefe Gewissensbisse, weil sie sich ungefragt in den Mann dieser netten Frau, ja, was eigentlich? Verliebt hatte? Hegte sie tatsächlich so tiefe Empfindungen für Colt? Oder war das zwischen ihnen nach wie vor eine harmlose Flirterei, der man nicht all zu viel Bedeutung beimessen sollte? Gegen elf Uhr hatte sie das Licht ausgeschaltet und entschieden, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt war, um über diese Sache nachzudenken, oder wohlmöglich weitreichende Entscheidungen zu treffen, die man später vielleicht wieder bereute. Aber anstelle des erlösenden Schlafes waren die grausamen Bilder erschienen und hatten ihren Geist noch mehr in Aufruhr gebracht. Christa stöhnte leise auf, als sie einen kurzen Blick auf die LED-Anzeige ihres Weckers warf; kurz vor zwei und sie war hellwach. Die Stunden bis zum Frühstück konnten lang werden. Rastlos stand sie auf und verließ auf Zehenspitzen ihr Zimmer, um die anderen nicht zu wecken. Sowohl Colt als auch Saber hatten den Schlaf dringend nötig, der ihnen hoffentlich etwas mehr Vergessen bescherte, als ihr. Sie würde sich zuerst einmal einen kleinen Drink in der Küche genehmigen und dann weitersehen. Als sie hinaus auf den Flur trat, wurde sie von Ramrods dämmriger Nachtbeleuchtung umfangen. Ein bläulich schimmerndes blasses Licht, an das sich die müden oder schlaftrunkenen Augen im Zweifel schnell gewöhnen konnten. April hatte bei der Konstruktion dieses Giganten wirklich an alles gedacht. Ein heller Schein, der sich unter Colts Tür hindurch über den kalten Boden ergoss, erregte ihre Aufmerksamkeit. Dem Anschein nach war der Cowboy noch wach. Die junge Frau zögerte nur einen Augenblick, dann klopfte sie leise gegen das Metall: „Colt, bist Du noch wach?“ Als Antwort auf ihre Frage schwang die Tür lautlos zur Seite und Christa trat ein wenig befangen in das Reich des Cowboys ein. Colt lag nur mit Boxershorts bekleidet auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte ihr fragend entgegen. Er musste die Tür wohl mit Hilfe des kleinen Schalters neben seiner Schlafkonsole geöffnet haben; noch so ein nützliches kleines Detail, das auf April zurückzuführen war. „Was ist los?“ Der Rotschopf blickte etwas verlegen auf seine lackierten Fußnägel: „Ich konnte nicht schlafen und habe gesehen, dass bei Dir noch Licht brennt.“ Sie ärgerte sich über ihre eigene Unsicherheit, wusste aper partout kein Rezept dagegen. Solange Colt sie so durchdringend anblickte, würde ihr Blut von Sekunde zu Sekunde mehr in Wallung geraten. „Hm“, er schien sie geradezu mit Röntgenaugen zu durchleuchten, „Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich Dir ein Schlaflied vorsumme, oder?“ Diese flapsige Antwort warf Christa noch mehr aus der Bahn. Seit dem sie ihn in der Küche notdürftig versorgt hatte, waren sie sich nur noch einmal kurz auf der Kommandobrücke begegnet, als Saber den Dimensionssprung eingeleitet hatte. Danach war Colt in seinem Zimmer verschwunden und sie hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Irgendwie hatte sie von ihm Trost oder zumindest Verständnis erwartet, aber vielleicht hatte sie sich das durch ihre blöde Bemerkung in Bezug auf Robin ja verscherzt. „Was…nein, ich“, irritiert starrte sie auf die Wunde an seiner Schläfe, „Du hast ja das Pflaster abgenommen!“ erleichtert, sich in dieses Thema flüchten zu können trat sie eilig an das Bett des Cowboys heran und ließ sich auf der Matratze nieder. Die Naht sah gut aus und offenbar hatte der Schnitt auch nicht mehr weiter geblutet. Vorsichtig streckte die junge Frau ihre rechte Hand aus, um Colts Kopf ein wenig zur Seite zu drehen, damit sie die Verletzung genauer in Augenschein nehmen konnte. „Lass das“, bestimmt schob der Scharfschütze ihre Hand fort, „Du hast schon genug getan!“ die Bitterkeit seiner Worte ließ keinen Zweifel daran, dass sie in diesem Zimmer unerwünscht war, auch wenn sie in seinen Augen den Zwiespalt erkennen konnte, in dem Colt sich befand. „Bitte, wenn Du nicht willst“, wütend sprang sie auf, „ich dachte, Du könntest vielleicht ein wenig Gesellschaft brauchen, aber Du kommst wohl auch prima alleine klar!“ leise schluchzend stürmte sie aus der Unterkunft des Cowboys zurück in ihre eigene, wo sie sich weinend auf ihr Bett warf. Warum nur behandelte er sie so? In der einen Sekunde meinte man, er würde vor lauter Sorge um sie sterben und im nächsten Moment behandelte er sie wie eine Leprakranke. Sie konnte es einfach nicht ertragen, wenn er so barsch zu ihr war. Sie hatte sich so sehr danach gesehnt, in seinen Armen Halt zu finden, um vielleicht endlich ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Aber an Schlaf war nun überhaupt nicht mehr zu denken. Herzzerreißend heulte sie in ihr Kopfkissen. Es war einfach nicht fair von Colt, dass er die Wut, die er auf sich selber hatte, an Christa ausließ. Immerhin gehörten zu diesem Spiel nach wie vor zwei. Wenn er so sehr in seine Robin verliebt war, warum hatte er sie dann geküsst und schaute sie ständig so verzehrend an? Sie hatte nicht mehr zur Eskalation der Lage beigetragen, als er selbst auch. Aber Fireballs schrecklicher Tod hatte alles aus den Fugen gerissen, was vorher vielleicht noch am seidenen Faden gehangen hatte. „Hey“, eine tröstende Hand fuhr ihr überraschend streichelnd den Rücken entlang und ihre Bettfedern ächzten unter dem Gewicht, als Colt sich neben sie setzte, „ich habe das nicht so gemeint, Kleines!“ Schniefend wälzte Christa sich herum und blickte in seine leidvolle Miene. Sie war so mit ihrem Frust und ihrer Wut beschäftigt gewesen, dass sie zum Einen vergessen hatte, den Verriegelungsmechanismus der Tür wieder zu aktivieren und zum Anderen nicht bemerkt hatte, wie der Cowboy ins Zimmer geschlichen war. „Fein“, krächzte sie verletzt, „willst Du das jetzt jedes Mal sagen, wenn Du mich wie Deinen persönlichen Punching-Ball behandelt hast?“ Liebevoll schob er eine Strähne ihres roten Haares aus ihrem verweinten Gesicht: „Tut mir ehrlich leid, hörst Du“, seine Stimme war ein beschwichtigendes Flüstern, das Christa eine Gänsehaut einjagte, „ich bin nur einfach so…so…aufgewühlt“, das Wort traf es wohl am besten, „ich weiß im Moment wirklich nicht, was ich tue!“ Durch seine tröstenden Liebkosungen schon beinahe wieder versöhnt setzte sich die junge Frau auf und nickte schwach, während sie sich wenig ladylike über die Nase wischte: „Ist schon gut, das geht uns doch allen so.“ sie saßen keinen halben Meter von einander entfernt, aber Christa schien es, als würde ein unüberwindliche Kluft zwischen ihnen liegen. Wie gerne hätte sie sein trauriges Gesicht berührt, dass von getrockneten Tränenspuren gezeichnet war, aber sie traute sich nicht, aus Angst ihn durch dieses forsche Verhalten wieder abzuschrecken. Die Sekunden vergingen und nichts geschah. Keiner von beiden bewegte auch nur eine Wimper, aus Angst, das Falsche zu tun und damit alles zu verderben. Als Colt den Anblick ihrer zarten und zerbrechlichen Züge nicht länger ertragen konnte, stand er ohne Vorwarnung auf: „Ist wohl besser, wenn ich jetzt wieder…“ „Nein“, besitzergreifend klammerte Christa sich an eine seiner Hände, „bitte geh nicht. Bleib heute Nacht bei mir!“ die Worte waren so schnell über ihre Lippen gerutscht, dass der Lieutenant, selbst erschrocken darüber, die Augen aufgerissen hatte. Colt wusste vor Überraschung nicht, was er sagen sollte. Er starrte perplex auf die junge Frau hinab und spürte die Wärme ihrer Hände, die ihn gefangen hielten. Diese Bitte war wie ein Gong gewesen, der den offenen Kampf zwischen dem kleinen Engel und dem immer stärker werdenden Teufel in seinem Kopf eröffnet hatte. Diese Augen! Er hatte Robin einmal gesagt, ihre Augen sähen aus, wie zwei klare chinesische Bergseen. Aber was waren schon schnöde Tümpel verglichen mit diesen Feueropalen, die ihn magisch anzogen, wie das Licht die Motten. Himmel, was dachte er da nur? Er liebt Robin, hatte ihr versprochen, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen und war nicht einmal in der Lage, sich zusammen zu reißen, wenn die erste dahergelaufene Frau ein wenig mit ihm flirtete! Mit etwas Kraftaufbringung erlangte der Engel mit knapper Mühe die Oberhand zurück und verwies den murrenden Teufel vorerst in die Ecke. Bebend vor Anspannung setzte sich Colt wieder auf das Bett und schloss Christas Gesicht fest in seine Hände. Es war nass von ihren bitteren Tränen, die er ihr am liebsten fortgeküsst hätte, aber er riss sich zusammen: „Du weißt, dass das nicht geht“, seine Daumen fuhren zärtlich über ihre Pfirsichhaut gleichen Wangen, „Robin…“ Ehe er den Satz vollenden konnte, fiel der Lieutenant ihm eilig ins Wort: „Nicht das, was Du glaubst“, oder zumindest nicht nur, durchfuhr es sie enttäuscht, „ich kann im Moment einfach nicht alleine sein. Ständig sehe ich diese furchtbaren Bilder vor mir. Bitte bleib bei mir, zumindest, bis ich eingeschlafen bin!“ sie musste einige Schläge zurückrudern, um ihn mit ihrer forschen Art nicht endgültig zu verjagen, auch wenn das nicht leicht fiel, jetzt, da sie ihre wahren Gedanken endlich einmal ausgesprochen hatte. Colt zögerte. Es würde eine harte Angelegenheit werden, sich zu beherrschen, wenn dieses engelsgleiche Wesen neben ihm lag. Aber der Schmerz über Fireballs Tod saß so tief und tat so höllisch weh, dass ihn ein tröstender, warmer Körper vielleicht etwas beruhigen würde. Besiegt zuckte er mit den Schultern, während der kleine Teufel in seinem Inneren vor Freude Purzelbäume schlug: „Ich schätze, dagegen wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, oder?“ Überglücklich kroch Christa unter ihre Decke, schlug diese ein Stückchen zurück und klopfte einladend auf den leeren Platz: „Danke!“ Geradezu schüchtern streckte sich der Cowboy neben ihr aus und ließ zu, dass sie ihn bis zum Ansatz seiner Rippen liebevoll zudeckte. Da er nicht so recht wusste, wo er seinen rechten Arm lassen sollte, ohne Christa damit zu berühren, legte er ihn zunächst lässig hinter seinen Kopf. Sein Gewissen schrie ihm zu, dass er hier einen fürchterlichen Fehler beging, den er später sicherlich bereuen würde. Doch im selben Moment erfüllte ihn ein so wohltuendes Gefühl von Trost und Geborgenheit, dass er alle Warnhinweise in den Wind schlug. Christa schmiegte ihren Kopf in seine Armbeuge und spürte die warme Haut seiner Brust an ihrer Wange. Mit der rechten Hand tastete sie hinter ihrem Rücken nach dem Lichtschalter. Nachdem das Licht erloschen war, legte sie die Hand sanft aber scheu auf Colts durchtrainierte Bauchmuskulatur, denn sie war sich nicht sicher, ob der Cowboy so eine vertraute Nähe zulassen würde. Doch ihre Befürchtungen waren unbegründet gewesen. Als Colt die zitternden kalten Finger auf seiner Haut spürte, ergriff sein Beschützerinstinkt Besitz von seinem Verstand und es war endgültig um ihn geschehen. Tröstend legte er seine linke Hand auf die von Christa und schlang den rechten Arm innig um ihre Schultern. Wie gut es tat, diese wunderschöne Frau einfach nur im Arm zu halten, das Gesicht in ihrer nach wilden Früchten duftenden Haarmähne zu vergraben und ihr Herz nahe bei seinem schlagen zu spüren. Im Raum war es mucksmäuschenstill, nur der unregelmäßige und vor Aufregung schnelle Atem der beiden war zu hören. Als sich Christas Augen nach einigen Momenten an die Dunkelheit gewöhnt hatten, blickte sie zu Colts Gesicht auf. Sie konnte es jetzt nur noch schemenhaft erkennen, aber die getrockneten Tränenspuren waren ihr wieder eingefallen die sich auf seinen Wangen abgezeichnet hatten: „Fireball ist Dein bester Freund gewesen, oder?“ flüsterte sie eindringlich und versuchte so leise wie möglich nach Luft zu schnappen, damit der Cowboy nicht bemerkte, wie nervös sie ob der momentanen Lage war. „Hmm“, Colt senkte den Kopf und versuchte im schwachen Dämmerlicht seinerseits die Augen der jungen Frau zu ergründen, „weißt Du, bis ich zu den Star Sheriffs kam, hatte ich nie wirklich richtige Freunde. War’n ziemlicher Einzelgänger, nie lange genug an einem Ort, um dort Verbindungen zu knüpfen. Aber der Kleine ist fast wie’n Bruder für mich geworden. Ständig musste ich auf ihn aufpassen und ihm den Hintern retten“, mit bitterer Ironie fügte er noch hinzu, „nur heute habe ich meinen geschwisterlichen Pflichten wohl nicht besonders viel Ehre gemacht!“ Christa fiel bei diesen Worten ein, was der Säbelschwinger früher am Tag während ihrer kleinen Auseinandersetzung zu ihr gesagt hatte: „Ich glaube, Saber denkt, dass ich daran Schuld bin.“ „Wie kommst Du denn darauf?“ Colt war hörbar überrascht. „Na, ja, wir haben vorhin ein wenig gestritten und… Böse Vorahnungen schwanten dem Cowboy und er musste den Reflex unterdrücken, seine Hand von Christas zurück zu ziehen: „Worüber?“ wollte er brummend wissen. Christa antwortete nicht sofort und das Zögern des Rotschopfes bestätigte seine Befürchtungen: „Es ging dabei um uns, oder?“ Sie nickte verlegen und entrang Colt dadurch einen leise gezischten Fluch: „Er hat gesagt, Du hättest Deinen Posten verlassen, um mir zu helfen, obwohl das absolut unnötig gewesen wäre.“ „So ein Unsinn“, brauste der Cowboy auf, atmete aber insgeheim leise auf, weil er glaubte, noch einmal mit heiler Haut davon gekommen zu sein, „ich hätte genauso gehandelt, wenn April Ramrod gesteuert hätte“, ungeschickt verhakte er seine Finger mit ihren, „ich bin sicher, Saber hat das auch gar nicht so gemeint. Er hat genauso mit der Situation zu kämpfen, wie wir alle.“ Trotz dieser gut gemeinten Worte blieb Christa skeptisch: „Hat er auch gesagt, als er sich später bei mir entschuldigt hat“, sie glaubte, Colt müsse ihren Puls bis in ihre Fingerspitzen spüren, „trotzdem glaube ich, dass er mich für einen Teil des Dramas verantwortlich macht!“ „Hat er denn noch etwas anderes gesagt…in Bezug auf uns, meine ich?“ eigentlich wollte der Scharfschütze die Antwort auf diese Frage nicht wirklich hören, aber er musste sichergehen, inwieweit Saber tatsächlich bescheid wusste. „Hat etwas von Gott und der Ehe gefaselt und dass Robin es nicht verdient hätte, wenn man ihr weh tut.“ Sie fühlte die Anspannung des Cowboys, der ein gequältes Stöhnen von sich gab: „Großartig, wie ich mein Glück kenne, rennt der fromme Kerl direkt nach unserer Rückkehr zu ihr und erzählt ihr, dass wir zusammen in der Kiste waren, oder so was Blödes!“ er mochte sich das Ergebnis einer solchen Unterredung gar nicht ausmalen. „Also wenn Du das momentan vor Gericht abstreiten würdest, wäre das ein glatter Meineid!“ Christa konnte sich trotz Colts böser Blicke nicht der gewissen Komik der Situation verwehren. „Hör auf mit dem Quatsch, das ist echt nicht witzig“, ruckartig ließ er ihre Hand los und legte sie sich nachdenklich an die Stirn, „herrje, die macht mir die Hölle heiß. Wieso war ich auch so bescheuert und musste Dich…“ Robin durfte das einfach nicht erfahren, sonst wäre er wirklich geliefert. Nach der gestrigen Unterhaltung würde sie ihm doch niemals abnehmen, dass zwischen ihm und Christa nicht mehr gelaufen war, als ein flüchtiger Kuss. Wenn man die Vorkommnisse im Waschraum überhaupt als solchen bezeichnen konnte. Diese Reaktion trieb sich wie ein giftiger Stachel mitten ins Herz des jungen Lieutenant. Die Erkenntnis, dass Colt seine Frau wirklich liebte und in ihr nichts weiter sah, als ein nettes Abenteuer, war hart. Sie kam zwar nicht sehr überraschend, war aber deswegen auch nicht weniger schmerzhaft. Wenn sie aus dieser Sache herauskommen wollte, ohne ihr Gesicht zu verlieren, musste sie umgehend handeln. Entschlossen griff sie Colts Arm und zog ihn wieder zurück auf dessen Brust: „Mach Dir nicht so viele Gedanken, deswegen, Cowboy“, sie setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und versuchte, einen möglichst gleichmütigen Tonfall anzuschlagen, „Saber wird schon nichts verraten. Und wenn schon, was hat er denn großartig gesehen? Dass Du mich im Cockpit geküsst hast. Na und, das war doch nur, um mich zu beruhigen. Sonst ist nichts passiert, das werde ich bezeugen, wenn es sein muss!“ ihr Lächeln wurde noch breiter, auch wenn ihr eigentlich zum Heulen zumute war. Colt hingegen war rundweg perplex: „Ja, aber“, er konnte ihre plötzliche Gemütsänderung nicht verstehen, „was war… mit dem Pokerspiel…und heute morgen?“ Teilnahmslos zuckte Christa die Achseln: „Mach doch nicht mehr draus, als es tatsächlich war“, sie betete, dass das Zittern in ihrer Stimme sie nicht verriet, „wir hatten beide unseren Spaß und mehr nicht. Muss doch niemand erfahren!“ „Ist das Dein Ernst?“ immer noch ganz durcheinander starrte der Cowboy die junge Frau an. Er hätte schwören können, dass er in den letzten Tagen stumme Signale von ihr empfangen hatte, die weit über das Interesse an ein wenig körperlichem Vergnügen hinausgingen. Was war mit den kleinen Eifersüchteleien gewesen, mit ihrer Sorge um sein Wohlergehen und den Blicken, die die Luft zwischen ihnen zum Knistern gebracht hatten? War das alles nur Einbildung gewesen? „Aber klar doch“, sanft drückten sich ihre Lippen auf seine nackte Schulter, „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich ernsthaft auf einen raubeinigen Cowboy wie Dich einlassen würde, wenn ich zu Hause einen Prinzen haben kann!“ War da etwa ein Schimmern in ihren Augen? Colt konnte es wegen der Dunkelheit nicht genau erkennen, aber er war sicher, dass ihre Stimme bei den letzten Worten mächtig ins Straucheln geraten war. Aber es war wohl besser, dieser Sache nicht weiter auf den Grund zu gehen, denn immerhin bot Christa ihm hier eine einmalige Gelegenheit, aus dieser rasenden Achterbahn auszusteigen, bevor sie mit voller Wucht gegen eine Betonmauer krachte. „Danke“, er beugte sich vor und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, „wir sollten jetzt versuchen zu schlafen, sonst bekommen wir morgen tierischen Ärger mit unserem Boss!“ wieso fühlte er sich so furchtbar, wenn ihm doch eigentlich ein Stein vom Herzen hätte fallen müssen? „Ja, gute Idee“, theatralisch gähnend drehte sich Christa auf die andere Seite, peinlich darauf bedacht, den Cowboy nicht mehr zu berühren, „versuchen wir zu schlafen!“ Colt blinzelte verstohlen nach ihrer Schulter. Zur gleichen Seite wie die junge Frau konnte er sich unmöglich wenden, denn allein der Anblick ihres wallenden Haares brachte seine Hormone in Aufruhr. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als auf dem Rücken zu liegen und zu warten, bis Christa eingeschlafen war, denn auf die linke Seite konnte er sich wegen der frisch verpassten Narbe erst recht nicht drehen. Wenn sie fest schlief, würde er sich zurück in sein eigenes Zimmer schleichen und dort versuchen, noch ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Grübelnd faltete er die Hände über seinem Bauch und stierte durch die Dunkelheit hinauf zur Decke: „Schlaf gut!“ das konnte eine lange und anstrengende Nacht werden. Das erste, was Colt am nächsten Morgen spürte, als er allmählich vom Schlaf- in eine Art Dämmerzustand überschwebte, waren erbarmungslos hämmernden Kopfschmerzen. Es fühlte sich so an, als hätte seine linke Schläfe in der Nacht Bekanntschaft mit einem Dampfhammer gemacht. Ein dumpfer, monoton pochender Schmerz jagte von dieser Stelle aus durch seinen Schädel und strahlte beinahe noch bis hinab zu seinen Zehen. Sein rechter Fuß war im Verlauf des Schlafs irgendwie aus dem warmen Schutz der Bettdecke entflohen und ragte nun durchgefroren über die Bettkante. Eilig zog der Cowboy ihn wieder zurück und kuschelte sich auf der Suche nach noch mehr Wärme an den Körper der Frau, die in seinen Armen lag. Was für ein Alptraum hatte ihn da letzte Nacht nur heimgesucht! Sie waren in die Phantomzone gesprungen und hatten dort gegen eine Übermacht an Outridern gekämpft. Und sein Freund Fireball war… Schaudernd wühlte er sein Gesicht in die Mähne seiner tief schlafenden Wärmespenderin. Wann hatte Robin ihr Shampoo gewechselt? Colt konnte sich nicht daran erinnern, dass die Haare seiner Frau je so betörend und intensiv fruchtig geduftet hatten. Er musste förmlich den Wunsch unterdrücken, direkt hinein zu beißen. Wahrscheinlich hatte sein böser Traum ihn sensibilisiert, denn auch die weichen Rundungen ihres Körpers erschienen ihm heute anders als sonst. Robin war eine schlanke und zart gebaute Frau, die er sicherlich nicht wegen ihres ausgeprägten Kurvenreichtums geheiratet hatte, aber an diesem Morgen wirkten ihre Hüften, die sich schutzsuchend an ihn pressten, so erregend und sexy, dass Colt immer wieder zärtlich darüber streicheln musste. Ihre Haut war weich und makellos, und als er seine Hand vorsichtig, um sie nicht zu wecken, unter das kurze Bein ihres Schlafanzuges schob, ertastete er den linken Teil ihres hübschen Pos, der sich wie dafür gemacht in seine Handfläche schmiegte. Dem Cowboy stockte der Atem. Er bemerkte, dass die Reize von Robins Körper ihn um den Verstand zu bringen drohten. Gott, sie war so umwerfend, so perfekt, wieso war ihm das nicht viel öfter so sehr bewusst, wie an diesem Morgen? Entschlossen ließ er von ihrem Hinterteil ab und ließ seine Hand vorwitzig unter ihr T-Shirt krabbeln: „Oh Robin…“ murmelte Colt wohlig in ihr Haar, als sie ihr Becken drängend gegen seines drängte: „Hm, Lando…“ Mit einem Schlag war der Scharfschütze hellwach und erstarrte. Die Realität erschlug ihn förmlich und hätte ihm sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggerissen, wenn er nicht sowieso schon gelegen hätte. Eine kleine warme Hand griff nach seiner und führte sie auffordernd ihren Bauch hinunter in Richtung ihrer Pyjama-Hose. Entsetzt entwand Colt sich dem Griff und langte hinüber zu den Lichtschaltern. Unwirsch schirmte die verschlafene Christa ihre Augen gegen das gedämpfte Licht der Nachttischlampe ab: „Was’n los? Müss’n wir schonaufschtehn“, unverständlich murmelnd drehte sie sich auf den Rücken und blinzelte den Cowboy zärtlich an, „COLT!“ wie vom Donner gerührt erkannte sie, dass es nicht Prinz Roland war, der da neben ihr lag, sondern ein ziemlich entschuldigend lächelnder Star Sheriff. „Morgen, Kleines…“ Entsetzt zupfte Christa ihr Shirt nach unten, um ihre Blöße zu verdecken: „Ha…haben wir etwa…“, geniert schlang sie die Arme um den Oberkörper und rappelte sich hoch, „na, Du weißt schon!“ Colts Grinsen verschwand: „Glaub mir, daran würde ich mich erinnern“, peinlich berührt schwang er die Beine aus dem Bett und stand auf, „ist aber wohl trotzdem besser, wenn ich jetzt gehe.“ Verlegen raffte die junge Frau die Bettdecke an sich und zog sie bis zum Kinn hoch: „Ja, ich denke, das ist wohl das beste.“ „Gut, dann“, der Cowboy kratzte sich fahrig am Kopf, „sehen wir uns wohl beim Frühstück.“ Eilig verließ er Christas Quartier und wäre draußen beinahe mit Saber zusammengestoßen, der gerade aus dem Waschraum kam: „Hoppla…“ Ungehalten wanderten die Blicke des Säbelschwingers zwischen der Tür, die sich gerade hinter dem Cowboy geschlossen hatte, und dem verschlafenen Haufen Star Sheriff vor ihm hin und her: „Würde es Dir helfen, wenn ich Dir einen Kompass spendiere, damit Du Dein eigenes Bett findest?“ die Worte troffen vor Sarkasmus und Colt konnte an Sabers Miene ungefähr erahnen, was dieser gerade denken musste: „Es ist nicht so, wie Du denkst, okay!“ „Ach“, der blonde Schotte verschränkte erwartungsvoll die Arme, „und was soll ich Deiner Meinung nach denken, wenn Du Dich nachts um zwei in Christas Zimmer schleichst und es morgens um sieben erst wieder verlässt?“ „Du hast uns gehört?“ das überraschte den Cowboy doch sehr. Nachdem Saber gegen 23 Uhr in seiner Unterkunft verschwunden war, hatte Colt keinen Mucks mehr von dort gehört und war davon ausgegangen, dass ihr Anführer den tiefen Schlaf der Gerechten gefunden hatte. „Glaubst Du wirklich, nach allem, was gestern passiert ist, hätte ich auch nur eine Sekunde lang ein Auge zumachen können?“ „Tut mir leid“, Colt sah ein, dass natürlich auch Saber sich Gedanken und wahrscheinlich noch mehr Vorwürfe als er selber wegen Fires Tod machte, „wir sind wohl alle ziemlich durch den Wind im Moment.“ Wohlwollend nahm der Säbelschwinger diese Entschuldigung entgegen und versuchte, seinen Tonfall etwas zu mildern: „Das erklärt trotzdem noch nicht, was Du bei Christa gemacht hast!“ Müde streckte sich der Cowboy und unterdrückte ein Gähnen: „Sie hatte Alpträume, na, ja, kein Wunder, wenn Du mich fragst“, umständlich nestelte er an seiner Boxershorts herum, „und da ich auch nicht schlafen konnte, habe ich ihr einfach nur ein wenig Gesellschaft geleistet. Mehr nicht, das schwöre ich Dir!“ Das klang ehrlich und Saber fasste es als positives Zeichen auf, dass Colt nicht versuchte, ihm in einem hitzigen Wortgefecht klarzumachen, dass ihn sein Aufenthalt in Lieutenant McRaes Zimmer eigentlich nichts anging. Offenbar legte der Cowboy viel Wert darauf, dass ihr Anführer ihm tatsächlich glaubte: „Na gut“, widerwillig stemmte Saber die Arme in die Hüften, „aber gutheißen kann ich das trotzdem nicht. Du bist unehrlich zu Robin, mein Alter.“ „Vielleicht, ein bisschen“, betreten schürzte Colt die Lippen, „aber Du weißt, was ich für sie empfinde!“ „Für Robin, oder für Christa?“ Der Cowboy runzelte verärgert die Stirn: „Frag nicht so scheinheilig, für Robin natürlich. Mensch, ich liebe diese Frau, okay! Ich würde doch niemals absichtlich etwas tun, das sie verletzen könnte.“ „Freut mich aufrichtig, das zu hören“, Saber klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter und erachtete das Thema damit als abgeschlossen, „dann sieh zu, dass Du Dich in Deinen Kampfanzug schwingst, zur Abwechslung darfst Du heute mal die Maverick-Steuerung übernehmen!“ Genau wie auf dem Hinflug kamen sie auf ihrem Weg zurück nach Yuma ohne Zwischenfälle voran. Zwar hatte keiner von ihnen Fireballs hervorragendes Gespür für die Steuerung ihres Kampfschiffes, aber sie lagen zu keinem Zeitpunkt der Reise hinter ihrem Plan. Eine merkwürdige Stimmung hatte sich an Bord ausgebreitet, denn die Besatzung Ramrods war stillschweigend darin übereingekommen, dass es besser war, sich für den Rest ihrer Mission so weit möglich aus dem Weg zu gehen. Saber verbrachte wie immer die meiste Zeit in der Kommandozentrale und hing seinen düsteren Gedanken nach, während es Colt nur selten überhaupt noch an Bord des Kampfkolosses hielt. Er verbrachte Stunden alleine mit seinem Bronco Buster im All, denn dort musste er nicht fürchten, jeden Moment Christas Weg zu kreuzen. Seit Saber ihn an jenem Morgen beim Verlassen ihres Zimmers ertappt hatte, tat der Cowboy alles, um jeden noch so kleinen Zweifel an der Loyalität und Treue gegenüber seiner Frau auszumerzen. Wenn er und der Lieutenant doch einmal aufeinander trafen, betrieben sie oberflächliche Konversation wie zwei Fremde, die sich an einer Bushaltestelle begegnet waren. Aber auch wenn beide glaubten, ihrem Anführer mit diesem Theater etwas vormachen zu können, fielen Saber doch die heimlichen Blicke auf, die die beiden sich immer wieder zuwarfen, wenn sie der Meinung waren, der andere würde es nicht bemerken. Beinahe empfand er so etwas wie Mitleid mit seinem Freund und dem weiblichen Navigator, denn er konnte verstehen, dass sie unter den gegebenen Umständen gerne Halt bei einander gesucht hätten, doch er konnte nach wie vor nicht gutheißen, dass Colt Christa während ihres letzten Kampfes geküsst hatte. Und vielleicht noch mehr, schließlich konnte er nur mutmaßen, was in jener Nacht in Christas Zimmer passiert war, als der Cowboy sich zu ihr geschlichen hatte. Wenn Saber genauer darüber nachdachte, hatte er auch gar keine große Lust, sich mit diesem Problem näher zu befassen. Er hatte genügend eigene Sorgen, die ihm Nacht für Nacht den Schlaf raubten und für die er trotz intensiver Bemühungen keine Lösungen fand. Wie um alles konnte er April je wieder unter die Augen treten, geschweige denn ihr erklären, dass Fireball gestorben war, weil er eine falsche Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte sich auf ihn verlassen, hatte ihn extra darum gebeten, ein Auge auf den jungen Heißsporn zu haben und er musste sie jetzt so bitterlich enttäuschen. Darüber hinaus würde er sich sicherlich vor dem Oberkommando verantworten müssen, weil er die Mission ohne ersichtlichen Grund aus einer Laune heraus beendet hatte. Natürlich, sie hatten ein Mitglied ihrer Besatzung verloren, aber ein Kommandant konnte nicht einfach einen Kampf abbrechen, nur weil ein Untergebener gestorben war. Wie Christa es schon so treffend bemerkt hatte, Fireball war Soldat gewesen. Und Soldaten starben im Krieg, so war das eben. Die bohrendste Frage, die ihn beschäftigte, ging allerdings in eine ganz andere Richtung und hatte wenig mit ihrer Mission oder deren Auswirkungen zu tun. Je näher sie Yuma kamen, desto häufiger kreisten seine Gedanken um Cynthia. Wie sehr hoffte er, dass sie bei seiner Ankunft da sein würde und auf ihn wartete. Dass sie seinen Brief gelesen und ihm sein törichtes Verhalten verziehen hatte. Er war an einem Punkt angelangt, an dem er zum ersten Mal in seinem Leben nicht weiter wusste und sehnte sich so sehr danach, sich Cynthia anzuvertrauen, dass es wehtat. Bei ihr hatte er sich stets fallen lassen und einfach nur der Mensch sein können, der hinter dem ruhigen und besonnenen Star Sheriff verborgen war. Sie würde verstehen, was im Augenblick in ihm vorging und vielleicht würde sie es schaffen, ihm ein wenig Trost zu spenden. „Yuma Bodenkontrolle“, er öffnete den Hypercom-Kanal, ließ aber den Monitor deaktiviert, „hier spricht Ramrod, bitte kommen!“ „Hier Yuma Bodenkontrolle, wir hören Euch klar und deutlich, Ramrod.“ antwortete eine sympathische Frauenstimme. Saber atmete erleichtert auf, denn er hatte befürchtet, Commander Eagle oder gar April könnten sich im Kommandostand befinden und auf seinen Funkspruch antworten: „Erbitten Übermittlung der Daten für den Anflugskorridor, Yuma. Befinden uns kurz vor dem Landemanöver.“ „Liegen schon seit gestern für Sie bereit, Sir. Ich schicke sie Ihnen sofort rüber“, ein kurzer Blick zu Christa bestätigte, dass die Datenübertragung begonnen hatte, „Commander Eagle wird sich freuen, von Ihrer Rückkehr zu hören. Er hat ausdrücklich angeordnet, ihm sofort bescheid zu geben, sobald Sie sich im Orbit befinden.“ „Ist der Commander augenblicklich in der Zentrale?“ Saber betätigte die Kontrollen für den Landeanflug und überließ es Ramrods Autopilot, ihr Schiff mit Hilfe der Korridordaten sicher auf den Raumhafen von Yuma zu bringen. Fireball hatte es sich nie nehmen lassen, diese Manöver eigenhändig auszuführen, aber der Säbelschwinger traute seinen eigenen Flugkünsten nicht annähernd so sehr über den Weg, wie denen des toten Freundes oder der Maverick-Systeme. „Ja, Sir, er hat die Basis seit Ihrer Rückkehr aus der Phantomzone nicht mehr verlassen.“ „Verstehe“, der Schotte konnte sich schon denken, dass ihr Vorgesetzter geradezu darauf brannte, aus erster Hand einen Bericht über die gescheiterte Mission zu erhalten, „was ist mit Miss Eagle, ist sie auch auf dem Stützpunkt?“ Dieses Mal zögerte die Stimme am anderen Ende der Comverbindung, bevor sie betrübt antwortete: „Tut mir leid, Sir, darüber weiß ich nichts. Sie hat nach der Nachricht über den Tod ihres Verlobten einen Nervenzusammenbruch erlitten. Seitdem hat sie hier niemand mehr gesehen und der Commander hat strikt verboten, nach ihr zu fragen.“ „Danke“, mit einem unguten Gefühl in der Magengegend kappte Saber die Verbindung zur Kommandozentrale, „Ramrod over and out!“ Colt, der die Unterhaltung zwischen seinem Boss und der Bodenkontrolle missmutig von seinem Platz aus verfolgt hatte, polierte mal wieder akribisch seinen Blaster: „Ich mag gar nicht dran denken, was sie gerade durchmacht.“ Im Nachhinein war er froh, dass er sich vor dem Abflug noch mit ihr versöhnt hatte, denn sie hatte jetzt genügend andere Sorgen und konnte jeden freundschaftlichen Trost gebrauchen, den er ihr bieten konnte. Saber ließ seinen Kommentar unbeantwortet im Raum stehen und konzentrierte sich auf den Anflug. Der Cowboy hatte ihm direkt aus der Seele gesprochen, sie alle konnten nur erahnen, wie sich April wohl gerade fühlte. Er betete, dass sie bei ihrer Ankunft nicht am Raumhafen auf sie wartete. Das würde ihm noch ein wenig Zeit einräumen, bis er ihr irgendwann unausweichlich gegenüber treten und ihr erklären musste, wie und warum Fireball ums Leben gekommen war. Und offenbar wurde sein Wunsch erhört. Als die übel zugerichteten Überbleibsel dessen, was Ramrod einst gewesen war, auf dem Raumhafen von Yuma zum Stehen kamen, wurden sie von einer kleinen Delegation bestehend aus Offizieren des Oberkommandos erwartet. Bei ihnen waren auch Robin, König Jared und Prinz Roland, aber von April fehlte weit und breit jede Spur. „Na, wenn das nicht unsere eingeschnappte Prinzessin ist“, breitbeinig stand Colt im Cockpit und schaute durch die riesige, von den Kampfspuren ziemlich zerkratzte Glasfront hinunter auf ihr Empfangskomitee, „hätte ja nicht gedacht, dass wir den so schnell noch mal wiedersehen!“ sein Blick wanderte weiter zu seiner Frau Robin. Wie immer adrett, aber auch ein wenig spießig, wie ihm plötzlich auffiel, in Rock und Bluse gekleidet, stand sie neben König Jared und starrte gebannt zu ihm hinauf. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn durch das Panzerglas wirklich sehen konnte, aber vorsichtshalber machte er ein paar Schritte zurück und entzog sich damit dem Blickfeld der Wartenden. Das schlechte Gewissen rumorte schon seit einigen Stunden in seinen Eingeweiden und hatte nun, da er das unschuldige und besorgte Gesicht seiner Frau erblickt hatte, einen absoluten Höhepunkt erreicht. „Na, Schiss?“ Christa war unerwartet neben ihn getreten und fixierte ihn spöttisch; seine Reaktion auf den Anblick Robins war ihr nicht verborgen geblieben. Colt schielte sie aus den Augenwinkeln an: „Weiß nicht, wovon Du redest, Lieutenant!“ sie hatte sich bereits ihres Kampfanzuges entledigt und trug wieder den dunkelgrünen Overall, der ihre kurvenreiche und feminine Figur so auffallend gut zur Geltung brachte. Ein krasser Gegensatz zu Robins schulmeisterlichem Erscheinungsbild. „Wie Du meinst!“ Christa drehte sich mit säuerlicher Miene um und begab sich zu den Quartieren, wo Saber sicherlich schon auf sie wartete. Mit Angst hatte sie diesem Augenblick entgegen gesehen und wollte ihn nun nicht noch länger herauszögern. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Roland tatsächlich auf dem Flugfeld sein würde, aber das änderte nichts an der Entscheidung, die sie im Laufe der letzten Tage getroffen hatte. Das Verhältnis zu Colt hatte ihr die Augen geöffnet. Aber ihre Sorge hatte nicht dem Prinzen gegolten, auch wenn dieser nicht sehr erfreut über ihren Entschluss sein würde. Viel mehr beschäftigte sie die Frage, was wohl der Cowboy tun würde, wenn er seiner Angetrauten endlich wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand. „Seid Ihr soweit?“ Saber blickte forschend zwischen Christa und Colt, der sich ein paar Minuten später auch endlich zu ihnen in den Hangar bequemt hatte, hin und her. Er sah die Anspannung in den Gesichtern der Freunde und konnte sich denken, was in ihnen beiden vorging. Aber es war nicht mehr seine Angelegenheit, sich in diese prekäre Geschichte einzumischen, dafür waren jetzt die zwei Personen zuständig, die draußen sehnsüchtig auf den Cowboy und den Lieutenant warteten. „Nun mach schon“, Colt zog seinen Hut tief in die Stirn, „ich kann es kaum erwarten, diesen Blechhaufen zu verlassen und mich in einer heißen Badewanne zu räkeln!“ Als Christa mit einem knappen Nicken bestätigte, dass sie für den großen Auftritt bereit war, betätigte Saber den Schalter für die Bodenluke. Mit einem lauten Zischen reagierte die Hydraulik und die riesige Klappe senkte sich dem Boden entgegen. Es war das erste Mal seit ihrem Abflug, dass ihnen wieder klare Luft entgegen schlug. Die junge Frau nahm einen tiefen Zug der abendlichen lauen Herbstluft. Wie gut es doch tat, die Lungen wieder mit einer frischen Brise füllen zu können. In dem Moment, als die Luke auf dem glänzenden Asphalt des Raumhafens auftraf, setzte sich automatisch das Laufband in Bewegung, dass die Besatzung Ramrods nach unten befördern würde. Nur zögernd setzte Christa den ersten Fuß auf das Band und ließ sich aus dem Inneren ihres Kampfkolosses in die Tiefe tragen. Wahrscheinlich würde sie nie wieder an Bord dieses wunderbaren Schiffes zurückkehren, wo sie in so kurzer Zeit so viele aufwühlende und einschneidende Gefühle erlebt hatte. Dort stand Roland, die Hände in den Taschen seiner rotbraunen Uniform verborgen, und warf ihr ein schüchternes Lächeln zu. Es versetzte ihr einen Stich, die Hoffnung und die Freude in seinem Gesicht zu erkennen. Gerade, als sie die Hand zu einem schüchternen Gruß hob, rannte Colt an ihr vorbei die restlichen Meter der Rampe hinunter: „Robin!“ stürmisch schloss er die blonde Frau, die vor Freude begonnen hatte zu weinen, fest in die Arme und küsste sie ungeniert und überschwänglich. Verletzt wandte Christa den Blick von dieser rührseligen Begrüßung ab. Sie konnte es einfach nicht ertragen mit anzusehen, wie der Cowboy seine offenkundige Liebe gegenüber seiner Frau so offen zur Schau trug. Sie hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass Colt sich genau so verhalten würde, wie er es dann auch tatsächlich getan hatte, aber trotzdem hatte sie erst jetzt die Hoffnung auf die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche endgültig begraben. Tröstend legte sich eine Hand auf ihre linke Schulter: „Es ist besser so, glaub mir!“ beschwörend hatte Saber sich zu ihr herüber gebeugt und ihr leise ins Ohr geraunt. Überrascht von dieser warmherzigen Geste starrte Christa den Säbelschwinger verblüfft an und hätte gerne etwas erwidert, aber im nächsten Moment griff ein starkes Paar Arme nach ihr und Prinz Roland zog sie fest an sich: „Oh, ma petite, verrsei mirr. Es tut mirr so undendlisch leid!“ schüchtern drückten sich seine Lippen auf die ihren und die junge Frau ließ die Zärtlichkeiten des hitzköpfigen Monarchen wehrlos über sich ergehen. Saber hatte die Rampe als letzter verlassen und stand nun in Habachtstellung vor Commander Eagle, der ihm mit undurchdringlicher Miene den rechten Arm entgegen streckte: „Willkommen daheim!“ Die nächste halbe Stunde erlebten die verbliebenen Besatzungsmitglieder von Ramrod wie in Trance. Man führte sie in das Büro von Commander Eagle, wo Saber mit knappen und wenig ausschmückenden Worten den Hergang ihrer Mission schilderte. Betretendes Schweigen breitete sich unter den entsetzten Zuhörern aus, als er die letzten Minuten von Fireballs Todeskampf Revue passieren ließ: „Letztlich blieb uns nichts anderes zu tun, als ihm die letzte Ehre zu erweisen und ihn auf diesem gottverlassenen Planeten zurück zu lassen.“ Bei seinen bitteren Worten überlief Robin ein kalter Schauer. Mit zitternden Lippen drängte sie sich noch näher an ihren Mann, der beruhigend eine Hand auf ihr Knie legte und ihr einen Kuss auf den Scheitel gab. Um welchen Preis hatten die Star Sheriffs diese furchtbare Aufgabe nur angenommen. Ihre Freund Fireball war tot und der Verletzung an Colts Schläfe nach zu urteilen, die langsam zu heilen begann, war auch der Cowboy nur knapp mit dem Leben davon gekommen. „Und danach hast Du Dich für den Abbruch der Mission entschieden?“ Eagles sorgenvolle Miene lag halb hinter seinen gefalteten Händen verborgen. Er saß an seinem Schreibtisch und hatte bislang ohne einen Einwand dem Bericht des Schotten gelauscht. Angespannt versuchte Saber den Knoten herunter zu schlucken, der sich in seinem Hals eingenistet hatte: „Aye, Sir, das habe ich“, seine Wangen begannen zu glühen und seine Hände ballten sich zu Fäusten, „im Nachhinein betrachtet wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, zunächst auszukundschaften, über welche Kampfkraft die Outrider auf diesem Planeten noch verfügen, aber unter den gegebenen Umständen erschien es mir als das einzig richtige, die verbliebenen Mitglieder meiner Crew nicht weiter unnötig der Gefahr auszusetzen.“ „Ist schon gut, Saber“, Eagle erhob sich müde und stützte die Arme auf den Schreibtisch, „Du musst Dich nicht für Deine Entscheidung rechtfertigen. Zumindest nicht mehr heute und schon gar nicht vor mir.“ Verunsichert blickte der Säbelschwinger zu seinem Vorgesetzten auf: „Sir?“ was konnte das bedeuten? „Es ist eine Anhörung angesetzt“, das resignierte Schnaufen des Commanders ließ deutlich erkennen, was er von dieser Entscheidung hielt, „Fireball war eine Art Held. Der berühmte Rennfahrer, der sich zum Star Sheriff gemausert und mitgeholfen hat, das neue Grenzland von den Outridern zu befreien. Die Öffentlichkeit wird eine genaue Aufklärung zu seinem Tod fordern und das Oberkommando ebenso.“ „Diese blöden Fuzzis“, voller Empörung hatte Colt seine Faust auf den Besprechungstisch niedersausen lassen, „nächstes Mal können die ja selber mal ihren Hintern hinhalten, wenn sie meinen, es besser zu können! Saber hat absolut richtig gehandelt, Sir!“ sein Atem ging schwer. Wenn es hier jemanden gab, den man für Fires Tod verantwortlich machen konnte, dann war er das. Er hatte seinem Freund versprochen, ihn aus der Patsche zu holen und hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft! Sein Freund warf ihm ein müdes aber dankbares Lächeln zu: „Ist schon gut, Colt, ich habe schon mit einem Ausschuss gerechnet“, an Eagle gewandt fügte er wieder etwas gefasster hinzu, „ich stehe jederzeit für eine Anhörung zur Verfügung, Commander!“ die Unterstützung des Cowboys hatte ihm ein Stück seines Selbstvertrauens wiedergegeben. Eagles Hand legte sich väterlich auf seine Schulter, auch wenn Saber durch den Raumanzug hindurch nicht spüren konnte, wie der Commander sie zu drücken versuchte: „Ich bin sicher, dass es sich dabei lediglich um eine Formalität handeln wird. Es gab noch nie Grund zu der Veranlassung, an Deinen Entscheidungen zu zweifeln, Saber!“ „Danke, Sir“, der junge Schotte fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Haut und wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich beenden, „wann wird die Anhörung stattfinden?“ „Oh, der Termin ist noch nicht festgesetzt, ich habe angeordnet, dass man Euch dreien erst einmal genügend Zeit gibt, um Euch von den Erlebnissen und Strapazen zu erholen.“ „Feiner Zug, Commander“, Colts Augen huschten kurz zu Christa hinüber, die ihn mit schmerzerfülltem Blick musterte, „die nächsten Tage haben wir also Urlaub, ja?“ „Korrekt, Colt“, der Commander ging hinüber zu seiner Bürotür und öffnete sie, „falls etwas Dringendes anstehen sollte, weiß ich ja, wo ich Euch finden kann. Und jetzt überlasse ich Euch erst einmal Euren eigenen Gedanken. Ich denke, Ihr habt eine Menge zu verarbeiten und wollt vielleicht zuerst einmal nach Hause, um ein wenig auszuruhen?“ Damit war die Sitzung beendet. Keiner hatte es gewagt, aus Angst vor einer negativen Antwort nach April zu fragen und Eagle hatte das Thema offensichtlich mit Absicht umgangen. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn sie sich ein wenig von den Ereignissen erholten und April dann mit neuer Kraft gegenüber traten. Müde und entkräftet verließ Saber gefolgt von Colt und Robin das Büro ihres Vorgesetzten und schlenderte kurze Zeit später in Richtung Ausgang: „Ich werde noch kurz Steed holen und dann nichts wie weg hier. Ich habe die Nase wirklich gestrichen voll!“ „Ich komme mit“, behutsam löste sich der Cowboy aus dem klammernden Griff seiner immer noch sehr mitgenommen wirkenden Frau, „ich komme dann mit dem Bronco Buster nach, ja!“ schnell küsste er sie auf die Wange und eilte Saber nach, der in den Korridor abgebogen war, der zum Rollfeld führte. Enttäuscht blickte Robin ihm nach. Fireballs Tod musste ihm sehr viel näher gegangen sein, als sie befürchtet hatte. Sein merkwürdig oberflächliches und abweisendes Auftreten sprach eindeutig dafür, dass er in seinem Herzen etwas verbarg, das ihn tief beschäftigte, worüber er aber mit ihr noch nicht bereit war zu reden. Vielleicht würde er ja etwas entspannen, wenn sie erst zu Hause waren und sie sich um ihn kümmern konnte. Trotz allem froh darüber, dass er endlich und vor allem beinahe gesund wieder bei ihr war, machte sie sich zum Fuhrpark auf, um mit dem Jeep nach Hause zu fahren. „Wie lange meinst Du, kannst Du Robin aus dem Weg gehen, bis sie von alleine darauf kommt, dass etwas nicht stimmt?“ Saber sah seinen Freund musternd von der Seite an, während sie eiligen Schrittes die Gänge des Oberkommandos durchquerten. Beiden war daran gelegen, dieses Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen, um endlich etwas Abstand von den Wirren der letzten Tage zu bekommen. Colt reagierte überhaupt nicht auf diese Frage. Sein Kopf war stur geradeaus gerichtet, so als befände sich sein Gehirn noch in der Phantomzone und auf seinem Gesicht verzog sich keine Miene. Übellaunig gab der Säbelschwinger ein leises Schnauben von sich: „Ich weiß genau, dass Du mich gehört hast, Colt!“ „Hm…“ grunzte der Cowboy nicht weniger ungehalten zurück. Dabei beließ Saber es vorerst, denn er hoffte, sein Freund würde irgendwann ganz von selbst sein Schweigen brechen und ihm endlich reinen Wein einschenken. Schweigend überquerten sie das Rollfeld und hielten auf den demolierten Rumpf von Ramrod zu, an dem schon mehrere Tech-Einheiten die Reparaturarbeiten aufgenommen hatten. Mindestens ein Dutzend schwer beschädigter Panzerplatten waren bereits demontiert worden und an allen Ecken und Enden sprühten Funken von Schweißbrennern und anderen Wartungsgeräten. „Sieht wirklich übel aus, ein Wunder eigentlich, dass die Kiste nicht auseinander gefallen ist!“ Colt hatte beim Anblick ihres Schlachtschiffes den Hut vom Kopf genommen und ließ ihn nun nervös auf dem rechten Zeigefinger kreisen. Vielleicht, durchfuhr es ihn kurzweilig, wäre es gar nicht so schlecht gewesen, wenn genau das passiert wäre. Auf jeden Fall hätte es ihm eine Menge Ärger erspart. Andererseits war es doch ziemlich feige, den Problemen auf so plumpe Weise ausweichen zu wollen. Saber nickte unmerklich. Auch ihm war bei dem traurigen Bild, das Ramrod bot, eine Gänsehaut über die Arme gelaufen und er fragte sich zum wiederholten Male, an welchem Punkt ihres Auftrags er wohl die alles entscheidende verhängnisvolle Fehlentscheidung getroffen hatte, die zu diesem Debakel geführt hatte: „Ich muss gestehen, dass ich froh darüber bin, dass April nicht hier ist. Ich glaube, ich könnte ihr im Moment nicht in die Augen sehen!“ Soviel Offenheit rührte den Cowboy und er boxte Saber kameradschaftlich den Arm: „Hör auf, Dich mit Selbstvorwürfen zu quälen, das macht Fireball auch nicht wieder lebendig. Aber mich würde schon interessieren, wie es April geht. Ist sicherlich ziemlich am Ende, die Kleine.“ Ramrods Rampe stand nach wie vor offen, wahrscheinlich hatten sich auch im Inneren des Roboters schon Mechaniker an die Arbeit begeben, und das Förderband wurde durch das Gewicht der beiden Star Sheriffs neu aktiviert. Die Berührungssensoren registrierten den Punkt, an dem sie die Rampe betreten hatten und der Zentralcomputer startete automatisch den Bordingmechanismus, der dafür sorgte, dass das Band sie vom Boden hinauf in den Rumpf des Schiffes beförderte. Das Licht im Hangar brannte bereits, als sie dort eintrafen, ein weiteres Indiz für die Anwesenheit von Tech-Einheiten. Steed stand nervös mit dem rechten Vorderhuf scharrend in seiner Box und wartete darauf, seinem Gefängnis endlich entkommen zu können. „Ist ja gut mein Junge!“ der Highlander klopfte beruhigend gegen die blecherne Flanke des Mecha-Pferdes, woraufhin Colt die Augen verdrehte und seinem Freund einen Vogel zeigte: „Wann siehst Du endlich ein, dass diese Blechbüchse nur ein Haufen aus Bolzen und Nieten ist?“ er war bei seinem Bronco Buster stehen geblieben und entfernte die Sicherheitsbügel vom Kanzeldach des Gleiters. Unweigerlich fiel sein Blick auf die leere Stellfläche, an der normaler Weise Fireballs Red Fury Racer gestanden hatte. Das einzige, was noch an den Boliden erinnerte, war der Gummiabrieb der Reifen, der sich im Laufe der Zeit auf dem Metallboden abgesetzt hatte. Das monotone Klopfen und Hämmern der Techniker bot eine gespenstische Untermalung zu diesem traurigen Bild: „Meinst Du, es wäre klug, April einen Besuch abzustatten?“ er warf einen Blick auf seinen Chronometer; es war erst kurz nach 18 Uhr. „Irgendwann werden wir es sowieso tun müssen“, Saber ließ von Steed ab und trat mit ernster Miene zum Bronco Buster herüber, „aber Du solltest erst mal Deine eigenen Probleme in den Griff bekommen, bevor Du versuchst, die von April zu lösen!“ Wieder tat der Cowboy so, als hätte er die Worte seines Anführers nicht gehört und öffnete per Knopfdruck an seinem Communicator das Kanzeldach seines Jets: „Ich denke, ich werde vielleicht mal morgen früh bei ihr vorbei schauen.“ Bevor er sich ins Cockpit schwingen konnte, hatte Saber den Sturkopf an den Schultern gepackt und zu sich herum gedreht. „Was?“ fauchte Colt gereizt und wand sich aggressiv aus dem Griff des Schotten. Er wusste genau, was nun kommen würde, war aber nicht erpicht darauf, es auch tatsächlich zu hören. „Glaubst Du wirklich, ich weiß nicht, was los ist“, Sabers Stimme blieb ruhig, aber seine Augen verrieten die Sorgen, die er sich um den Freund machte, „ich bin doch nicht blind, Colt. Ich habe doch gesehen, wie Ihr zwei Euch während des gesamten Fluges angeschmachtet habt, wie zwei mondsüchtige Wölfe.“ „Red keinen Blödsinn“, ungehalten stieg Colt in seinen Pilotensessel und startete die Triebwerke, „das Thema ist abgehakt!“ brüllte er über das Kreischen der Turbinen hinweg. Dann schloss sich das Kanzeldach und mit trommelfellzerreißendem Donnern war der Bronco Buster aus der Ladeluke des Schiffes hinaus ins Freie geschossen. Hilflos schüttelte Saber den Kopf. Er glaubte zu wissen, welcher Kampf in Colts Kopf und vor allem in seinem Herzen tobte, und er fühlte sich noch immer für ihn und sein Tun verantwortlich. So wie er das sah, steuerte der Cowboy geradewegs auf die nächste Katastrophe zu. Es wurde Zeit, dass König Jared samt Sohnemann und Christa zurück nach Jarre abreisten, um ihrer aller Frieden willen. „Na komm, Junge, dann wollen wir mal nach Hause!“ müde wollte er sich seinen Helm überstülpen, als er stutzig aufhorchte. In die stetigen Geräusche, die die Techs verursachten, hatte sich noch etwas anderes gemischt, das er nicht klar identifizieren konnte. Es klang beinahe wie… Saber schluckte angespannt. Das waren eindeutig Laserschüsse und Raketenexplosionen, nur so leise, dass man sie kaum wahrnahm. Wurde der Raumhafen etwa angegriffen? In dem Fall hätten die Mechaniker wohl kaum in aller Seelenruhe ihre Arbeit an Ramrod fortgesetzt und es hätte sicherlich längst Alarm gegeben. Aber der Säbelschwinger war sich sicher, das hohe Zischen von Laserkanonen und die Detonationen von Raketenlafetten und Granatwerfern zu hören. Und sie kamen auch nicht von draußen. Saber konzentrierte sich, versuchte, alle Sinne auf diese unerklärlichen Geräusche zu fokussieren. Sie kamen aus dem oberen Deck, in dem sich die Quartiere und die Kommandobrücke befanden. Er nahm die Beine in die Hand und eilte die Treppen zum A-Deck hinauf. Mit jedem Schritt, den er in Richtung der Unterkünfte machte, wurden die Geräusche lauter und klarer. Jetzt mischten sich auch Wortfetzen in den Kampfeslärm. Anfangs verzerrt und durch das Tosen der Waffen übertönt, aber als er in den Flur einbog, der an den Wohnräumen vorbei zum Cockpit führte, schnappte er unverkennbar Colts Stimme auf, die panisch rief: „Dort hinten ist er. Dieser stinkende Renegade hat ihn genau im Fadenkreuz!“ „Mach schon, Christa“, donnerte seine eigene Stimme durch den Gang, „leg einen Schritt zu!“ „Ich tu ja schon, was ich kann.“ das war Christa gewesen. Saber blieb wie angewurzelt stehen. Die Blackbox! Jemand musste in Ramrods Kontrollraum eingedrungen sein und spielte nun die Aufzeichnung ihres Kampfes gegen die Outrider ab, die automatisch von Kameras und Mikrofonen mitgeschnitten worden waren. „Oh mein Gott…“ das war wieder seine eigene Stimme und der Schotte fröstelte, als er sich daran erinnerte, was er in dem Moment gefühlt hatte, als ihm diese Worte über die Lippen gerutscht waren. Geradezu angsterfüllt wartete er auf den markerschütternden Schrei des Cowboys, der nur Sekunden später die Luft erzittern ließ. Das war der Moment gewesen, in dem die tödlichen Laserkanonen ihr Feuer auf den wehrlosen und bewegungsunfähigen Red Fury eröffnet hatten. Der Moment, in dem Fireball gestorben war. Von dunkler Vorahnung getrieben, zwang sich Saber die Treppe zum Feuerleitstand hinauf. Die Geräusche waren verstummt und nur das Werken der Mechaniker war wieder zu hören. Das erste, was der Schotte beim Eintreffen auf der Brücke sah, war der heruntergefahrene Monitor neben Fireballs Satteleinheit. Er zeigte ein Standbild des zerstörten Red Fury Racers, der brennend und qualmend zu den Füßen des feuerroten Renegades lag. Und dann entdeckte er sie. „April?“ Erschrocken fuhr die blonde Frau, die seitlich auf dem Rand von Sabers Satteleinheit gesessen hatte, zu ihm herum. Ihr Gesicht das Abbild einer schaurigen Totenmaske, blass und fahl, mit tief in den Höhlen liegenden Augen und bleichen Lippen, die zu einem stummen Schrei geöffnet waren. Ganz langsam, beinahe gespenstisch, erhob sie sich und kam mit schlurfenden Schritten und anklagendem Blick auf ihren Freund zu. „April!“ wiederholte Saber erstickt, eilte ihr entgegen und schloss fest die Arme um den schlanken, zitternden Körper. Es brach ihm das Herz, diese wunderschöne junge Frau in einem Zustand solch seelischen Leidens sehen zu müssen. Er legte ihr sanft einen Arm um den Rücken, während er mit der Hand des anderen Arms beruhigend über ihre Haare strich: „Das hättest Du Dir nicht ansehen sollen, Kleines!“ April, die den Trost des Freundes zuerst teilnahmslos hingenommen hatte, versteifte sich plötzlich in seinen Armen und schob ihn schließlich sogar von sich weg. Aus der Nähe erkannte Saber die Wut und den Hass in ihren Augen und er schluckte schwer. Er hatte gewusst, dass Fireballs Tod sie hart treffen würde, aber diese Frau, die hier mit diesem tränenlosen, verletzten Blick vor ihm stand, war nicht mehr die April die er gekannt hatte. „Was hatte er da draußen zu suchen“, ihre Stimme war kalt und geißelnd, „wie konntest Du zulassen, dass er sich mit seinem Wagen einer solchen Übermacht an Gegnern stellt?“ sie wich einen Schritt zurück, als er verzweifelt versuchte, sie erneut in die Arme zu schließen. „April, ich…“ seine Hände griffen ins Leere und er verstand sofort, „ich habe ihm gesagt, er soll an Bord bleiben, weil es für den Red Fury viel zu gefährlich war…“ „Und trotzdem war er da draußen“, schnitt sie ihm das Wort ab und deutete hinter sich auf den Monitor, „Du hast ihn gehen lassen, obwohl Du wusstest, dass es für ihn ein Himmelfahrtskommando werden würde. Und dann hast Du ihn einfach seinem Schicksal überlassen!“ Das war ein schwer lastender Vorwurf, den der Schotte nur zu gerne entkräftet hätte, aber ihm fehlten einfach die Worte. Er hatte sich zwar immer ausgemalt, wie emotional April reagieren würde, wenn er ihr die Geschichte von Fireballs Tod erzählte. Aber er hatte nie ernsthaft geglaubt, dass sie ihm deswegen Vorwürfe machen würde. „Du hast ihn umgebracht, Saber“, sie stach ihm ihr eisiges spitzes Flüstern direkt ins Herz, „ich hoffe, Du bist Stolz darauf, großer Anführer!“ sie bedachte ihn mit einem weiteren verächtlichen Blick und eilte dann an ihm vorbei zum Ausgang. „April…“ niedergeschmettert musste Saber an Aprils Satteleinheit Halt suchen, bevor ihm die Beine schockbedingt den Dienst versagten. Er hätte ihr nachrennen müssen, denn in ihrem momentanen Zustand stellte sie eine Gefahr für sich selbst und andere dar, aber er konnte einfach nicht. Ihr blinder Hass, war das letzte Quäntchen gewesen, das zur völligen Zerstörung seines sowieso desolaten Selbstwertgefühls noch gefehlt hatte. Verzweifelt ließ er sich auf ihren Sitz fallen und verbarg das Gesicht hinter den Händen. Die Star Sheriffs, die glänzendste und erfolgreichste Truppe des neuen Grenzlandes lag wie ein Haufen Scherben zerstört am Boden. Und er war derjenige gewesen, der sie durch Ignoranz und Selbstherrlichkeit zerschlagen hatte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)