Schatten der Vergangenheit von abgemeldet (Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!) ================================================================================ Kapitel 1: Missverständnisse und andere Schwierigkeiten ------------------------------------------------------- Die Nacht war über Yuma-City hereingebrochen, die Nacht des Triumphes. Wo man auch hinsah, quollen die Straßen über vor Fröhlichkeit und Erleichterung, weil der Tyrannei der Outrider endlich ein Ende gesetzt war. Die Einwohner waren so ausgelassen, wie schon seit vielen Jahren nicht mehr und feierten die wiedergewonnene Freiheit mit überschwenglichen Feuerwerken, die den sternklaren Himmel über dem Planeten immer wieder in ein gleißend buntes Licht tauchten. Von überall her schallte Musik und Gelächter hinauf zu Robins Apartment, in dem sich die eigentlichen Helden des Abends versammelt hatten. April stand mit verschränkten Armen am Fenster und beobachtete das ausgelassene Spektakel mit einem zufriedenen Lächeln: „Ist es nicht wundervoll? Wir haben es endlich geschafft! Diese verfluchten Outrider sind ein für allemal besiegt...“ „Tja, Baby, so ist es“, Colt ließ sich etwas schwerfällig in einen der drei Ledersessel fallen und stöhnte leise auf dabei. Seine Verletzung, die ihm Jesse Blue zugefügt hatte, setzte ihm doch noch mehr zu, als er zugeben wollte: „Die Schmutzfüße werden wir diese Mal wohl wirklich nicht wiedersehen... ein bißchen schade fast, findet ihr nicht?“ „Oh nein, ganz und gar nicht!“ Colt zuckte unwillkürlich zusammen, als er die erboste Stimme von Robin hörte. Mit finsterer Miene stand sie drohend hinter ihm: „Ich kann mir zwar durchaus vorstellen, daß Du am liebsten sofort wieder losziehen würdest, um irgendwelchen Schurken das Handwerk zu legen, aber damit ist es jetzt vorbei“, weniger ärgerlich, ja beinahe zärtlich strich sie dem Cowboy über die bandagierte Schulter, „Du mußt Dich jetzt wirklich erstmal ausruhen, Colt!“ Beschwichtigend ergriff Colt mit seiner gesunden Hand die von Robin: „Hey, Süße, Du hast ja vollkommen recht. Ich könnte wirklich eine kleine Auszeit gebrauchen, bevor ich mich wieder in den Sattel schwingen kann.“ Für ihn war das Thema damit eigentlich erledigt, doch leider schien das nicht die Antwort gewesen zu sein, die Robin erwartet hatte. Hastig zog sie ihre Hand zurück und verschränkte die Arme vor der Brust: „Was meinst Du damit, ‚bevor ich mich wieder in den Sattel schwingen kann‘? Die Star Sheriffs werden nicht mehr länger gebraucht, Du wirst Dich nicht mehr ‚in den Sattel schwingen müssen‘!“ bei den letzten Worten äffte Robin Colts Redeweise so übertrieben nach, daß nun auch Saber Rider hellhörig wurde, und sich mit leichtem Amüsement der kleinen Szene widmete. Colt hingegen schnappte bereits händeringend nach Luft; in was für eine dumme Situation hatte er sich da nur wieder hinein manövriert. „Aber Robin, die Outrider sind doch nicht das einzige Problem, das das neue Grenzland hat. Ich gebe zu, es war das mit Abstand größte, aber...“ „WAS, aber?“ zischte Robin giftig und tippte angespannt mit der rechten Fußspitze auf den Parkettboden. „Na, ja“, Colt zog sich den Hut tiefer in die Stirn, um ihr nicht mehr in die Augen sehen zu müssen, „denk doch mal an die ganzen Peripherie-Piraten, die da draußen so ihr Unwesen treiben. Denen muß doch schließlich auch jemand das Handwerk legen!“ „Ach so ist das“, wütend riß Robin Colt den Hut vom Kopf, der geradezu erschrocken war über diesen plötzlichen Wutausbruch, „heißt das, Du möchtest weiterhin den großen Cowboy spielen und wie ein Wahnsinniger in der Gegend herum ballern?“ Colt stand bereits der Schweiß auf der Stirn; wenn Robin so in Rage war, konnte er im Prinzip einpacken: „Sieh mal Robin, es ist nun einmal mein Job... Sag es ihr Saber!“ flehend warf er seinem Boß einen beschwörenden Blick zu, doch der Sebelschwinger schien nicht im mindesten daran interessiert zu sein, seinem Freund aus der Patsche zu helfen: „Laß mich da raus Cowboy, diese Sache geht nur Dich und Robin etwas an!“ „Bist mir ja eine große Hilfe...“ knirschte Colt resignierend. An Robin gewandt murmelte er nur: „Wollen wir das nicht nachher in Ruhe besprechen? Allein!“ Aber Robin schien kein Interesse daran zu haben, die Diskussion auf später zu verschieben, dafür war sie schon viel zu aufgewühlt. „Erinnerst Du Dich an Dein Versprechen?“ ihre Augen begannen verdächtig zu schimmern und Colt wußte langsam nicht mehr, was er tun sollte; die Situation geriet langsam aber sicher außer Kontrolle: „Mein Versprechen... Du meinst, daß ich nie wieder... aber Robin, das kannst Du nicht wirklich ernst genommen haben, oder?“ Das war zuviel. Eine dicke Träne kullerte Ihre Wange hinunter und mit erstickter Stimme wisperte sie: „Dann kannst Du meine Antwort auf Deinen Antrag auch als nicht ernst gemeint betrachten!“ schluchzend drehte sie sich auf dem Absatz um und rannte zur Apartmenttür, die sie mit einem lauten Knallen hinter sich ins Schloß fallen ließ. Natürlich versuchte Colt sofort, ihr nachzueilen, doch kaum war er aufgesprungen, da durchzuckte ein stechender Schmerz seine verwundete Schulter und er mußte sich auf die Rücklehne des Sessels stützen. „Laß sie lieber gehen, Colt. Heute abend erreichst Du sowieso nichts mehr bei ihr!“ April warf ihm ein amüsiertes Lächeln zu; sie schien die Sache unheimlich witzig zu finden. „Ach, ja, und woher weißt Du das so genau, Miss Neunmalklug?“ er mußte noch immer die Zähne zusammen beißen, um einen lauten Schmerzensschrei zu unterdrücken. April war nicht im mindesten beeindruckt von dieser Nettigkeit: „Na, weil ich auch eine Frau bin, Du Dummerchen. Wenn ich an Robins stelle wäre, wärst Du heute der letzte Mensch auf Erden, den ich sehen wollte.“ „Sieh mal an, Du willst eine Frau sein“, der Cowboy setzte sich grimmig zurück auf seinen Platz, „wenn ich sehe, wie Du Dich in meinem Leid suhlst, würde ich eher sagen, der Ausdruck ‚Eiserne Jungfrau‘ paßt besser zu Dir!“ „Was Du nicht sagst, und wenn Du mich fragst...“ „Schluß jetzt April“, Saber stand energisch auf und schnitt ihr das Wort ab, „hört auf mit der lächerlichen Streiterei! Robin wird sich schon wieder einkriegen. Außerdem ist es langsam an der Zeit, sich in die Kojen zu schwingen. Es war ein ziemlich anstrengender Tag für uns alle, und ich fürchte, daß wir heute noch nicht dem letzten Ehrenempfang beigewohnt haben. Ich schlage vor, wir machen uns auf den Weg zurück zum Hauptquartier, damit wir morgen einigermaßen frisch auf den Beinen sind!“ Damit griff er sich seine Uniformjacke und bahnte sich seinen Weg zum Ausgang. „Ähm, ich eh, ich denke, ich werde dann später...“ Colt stieg die Röte ins Gesicht und er kratzte sich verlegen am Kopf. „Schon gut, ich denke Du bist uns keine Erklärungen schuldig. Sei aber morgen pünktlich, ja.“ Saber zwinkerte seinem Freund vielsagend zu und öffnete die Tür: „April, was ist, kommst Du mit?“ Die junge Frau blickte etwas unschlüssig zwischen den beiden Männern hin und her: „Ich glaube, ich bleibe noch ein bißchen hier und versuche, ihn aufzumuntern!“ wisperte sie dem Blondschopf verschwörerisch zu. Saber nickte verständnisvoll: „Aber bitte nicht zu heftig, ich möchte nicht, daß er sich vor lauter Depressionen noch aus dem Fenster stürzt...“ „Sieh zu, daß Du Land gewinnst, altes Ekel!“ April griff erbost nach einem Kissen, um es nach ihrem Anführer zu werfen, doch dieser war in weiser Voraussicht schon durch die Tür ins Freie geschlüpft. Eine unangenehme Stille machte sich plötzlich im Raum breit, die April nervös machte. Colt saß wie ein Haufen Elend dort auf dem Sessel, die Augen starr vor sich hin gerichtet und die rechte Hand an seinem Blaster. Er schien gar nicht zu bemerken, daß sie noch anwesend war. Oder ob er sie ignorierte, weil sie sich eben über ihn lustig gemacht hatte? Leise nahm sie auf dem Sofa ihm gegenüber Platz: „Du, es tut mir leid Colt. Es war nicht nett von mir, daß ich...“ „Schon gut, April“, winkte er müde ab, ohne den Kopf zu heben, „ich bin ja im Prinzip selber schuld, warum muß ich auch in jedes verfluchte Fettnäpfchen treten, das meinen Weg kreuzt!“ „Glaubst Du, sie kriegt sich wieder ein?“ Colt zuckte erschöpft die Schultern: „Keine Ahnung, aber ich schätze, ich habe es mal wieder gründlich vermasselt. Ich hatte Robin versprochen, daß ich nie wieder meinen Blaster anrühren würde, wenn wir die Outrider ein für allemal geschlagen hätten... aber ehrlich gesagt, hätte ich niemals gedacht, daß es je soweit kommen würde!“ April nickte verständnisvoll: „Keiner hat damit gerechnet, daß wir das schaffen würden. Aber meinst Du nicht, sie wird verstehen, daß Du trotzdem ein Star Sheriff bleiben möchtest, um Dich für Recht und Ordnung einzusetzen? Ich meine, was ist falsch daran?“ „Du kennst doch ihre Ansicht über Waffen und all das“, seufzte Colt, „sie wird niemals verstehen, daß mir mein Beruf als Star Sheriff Spaß macht. Aber ich weiß einfach nicht, ob ich dieses Versprechen einhalten kann, April.“ „Glaubst Du nicht, daß ihr soviel an Dir liegt, daß sie es irgendwann akzeptieren wird?“ plötzlich empfand April Mitleid mit Colt; so verzweifelt und hilflos hatte sie ihn noch nie erlebt. Er war es eben gewohnt, seine Probleme mit dem Revolver und den Fäusten zu klären, doch damit konnte er dieses Mal nichts ausrichten! „Und was ist, wenn sie es nicht akzeptieren wird? Du hast sie doch eben gehört! Ich will sie nicht verlieren!“ „Das wirst Du auch nicht, Colt, dazu liebt sie Dich doch viel zu sehr“, nun schlich sich doch wieder ein kleines Lächeln auf ihre Lippen, „aber sag mal, was meinte sie eigentlich vorhin mit ‚der Antwort auf Deinen Antrag‘? Du hast doch wohl nicht etwa vor, seßhaft zu werden?“ Wieder schoß dem Cowboy die Röte ins Gesicht: „Hm, na ja, ich hab...also ich meine...irgendwie hat sie mich dazu überredet. Sie hat mir quasi die Worte im Mund umgedreht, und ehe ich mich versah, hatte ich ihr einen Heiratsantrag gemacht...“ „Das ist ja kaum zu glauben, und damit rückst Du erst jetzt raus? Wann wolltest Du uns das denn erzählen, auf der Hochzeit vielleicht?“ April war völlig aus dem Häuschen und begann insgeheim schon die ersten Pläne für die Feier zu schmieden. „Ich weiß nicht, ich wollte es nicht so an die große Glocke hängen... irgendwie kann ich mich selber noch nicht so ganz mit dem Gedanken abfinden... Colt, der einsame Steppenwolf als Ehemann...“ „Aber“, April blickte ihn durchdringend an, „das mit dem Heiraten meintest Du doch wohl ernster als die Sache mit dem Blaster, oder!“ „Blöde Frage“, Colt sprang zornig auf, „denkst Du denn, ich würde so etwas im Spaß sagen? Himmel, ich, ich, ich liebe diese Frau, ich kann einfach nicht mehr ohne sie leben, verstehst Du?“ „Es tut mir leid, Colt. Ich weiß, wieviel Dir Robin bedeutet. Wenn es jemanden gibt, der mit Deinen Macken und Deinem Temperament fertig werden kann, dann ist es Robin. Und ich bin auch sicher, daß sie es nicht so gemeint hat. Im Grunde liebt sie es doch, gegen Deinen Dickschädel angehen zu müssen. Sonst hätte sie es nie solange mit Dir ausgehalten!“ Colts Miene hellte sich ein wenig auf: „Danke, April, ich denke Du hast recht. Ich wollte Dich auch eben nicht so anfahren, ist wohl einfach der Streß der letzten Zeit... Laß uns am besten das Thema wechseln, okay?“ Wohlwollend zuckte April die Schultern, im Prinzip ging es sie ja auch überhaupt nichts an, was Colt und Robin für Probleme hatten: „Von mir aus, reden wir über etwas anderes!“ sie streckte sich gähnend und kuschelte sich an ein großes Kissen. „Willst Du auch was trinken, ich habe einen tierischen Brand!“ Colt schlenderte hinüber zur Einbauküche und holte, ohne Aprils Antwort abzuwarten, zwei gekühlte Colaflaschen aus der Minibar. Dankend nahm sie die kleine Gabe an, denn nach den unzähligen Gläsern Champagner, die sie heute auf den ganzen Empfängen hatte trinken müssen, war dies eine willkommene Gelegenheit, wieder etwas nüchterner zu werden. „Aber, wo wir schon gerade bei dem Thema Beziehungskisten sind“, Colt nahm einen tiefen Zug aus der Flasche und machte es sich neben April auf dem Sofa gemütlich, „wo steckt eigentlich Fireball, den habe ich seit dem Fest des Kavallerie Oberkommandos nicht mehr gesehen!“ Unsicher strich sich April ein Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht: „Wieso wo wir gerade beim Thema sind? Woher soll ich denn wissen, was Fireball treibt?“ „Ach komm schon, spiel mir kein Theater vor. Wir wissen doch alle, was zwischen Euch beiden läuft, auch wenn Ihr tunlichst versucht, es geheim zu halten!“ Colt stieß ihr vielsagend den Ellenbogen in die Seite und zwinkerte herausfordernd. „Was läuft denn bitte zwischen uns beiden, hm?“ die Antwort klang nicht unbedingt so, wie Colt es erwartet hatte. April schien ziemlich frustriert zu sein, obwohl er gar nicht verstehen konnte, wieso. „Ich bitte Dich, Süße, Du kannst mir nicht erzählen, daß Ihr zwei im Urlaub nur Däumchen gedreht habt. Das kaufe ich Dir nämlich nicht ab!“ „Wirst Du aber leider müssen. Es ist nichts passiert während des Urlaubs, rein gar nichts!“ Colt brach in Gelächter aus: „Sag bloß unser Turbo-Freak hat einen auf ‚rühr mich nicht an‘ gemacht. Das glaub ich einfach nicht...“ „Colt“, unterbrach April ihn scharf, sie fand die ganze Situation überhaupt nicht zum Lachen, „wenn Du es unbedingt wissen willst; du lagst mit der eisernen Jungfrau vielleicht gar nicht so verkehrt. Ich habe ihn abblitzen lassen... und bevor Du noch weiter bohrst, nein, ich bin nicht sonderlich stolz darauf!“ Nun war Colt geradezu sprachlos: „Aber, das kapier ich nicht. Ich dachte eigentlich, sogar ein Blinder mit Krückstock hätte sehen können, daß es zwischen Euch beiden ganz gehörig gefunkt hat, oder sollten mich meine kleinen Guckerchen da so hinters Licht geführt haben? Ich meine, daß Fireball auf Dich steht, das weiß ich so sicher, wie ich Colt heiße, aber ich dachte, Du würdest ihn auch...“ „Oh, Colt, bitte“, April stand auf und begann nervös im Raum hin und her zu tigern, „ich weiß selber nicht, was mit mir los ist. Die Zeit mit Fire war so schön, ich glaube, ich habe mich in der Gegenwart eines anderen Menschen noch nie so wohl gefühlt, aber als er versucht hat, mich zu küssen, da hat bei mir irgendwie was ausgesetzt.“ Colt stütze das Kinn auf seine geballten Fäuste: „Hm, verstehe. Und seitdem ist nichts weiter passiert?“ „Nein“, April rang verzweifelt die Hände, „das ist es ja, seit meiner Ohrfeige...“ „Du hast ihm echt eine geknallt?“ für diese Frage erntete Colt nur strafende Blicke. „Seit der Ohrfeige“, fuhr April unbeirrt fort, „hat er keinen weiteren Versuch mehr unternommen. Er war zwar genauso nett und hilfsbereit wie immer, aber irgendwie war es nicht mehr dasselbe. Ich hatte eher das Gefühl, er würde versuchen den großen Bruder für mich zu spielen, oder so... Ich habe ihn bestimmt mit meinem dummen Verhalten abgeschreckt, und jetzt will er nichts mehr von mir wissen.“ Sie war den Tränen nahe, was Colt sichtlich berührte. Ungeachtet seiner eigenen Probleme mit Robin stand er auf, und legte ihr den gesunden Arm tröstend um die Schultern: „Er bedeutet Dir also doch eine ganze Menge, habe ich recht?“ Ein kurzes Nicken, begleitet von herzzerreißendem Schluchzen war die einzige Antwort, die er bekam. „Wieso hast Du dann nicht mit ihm darüber geredet?“ „Das wollte ich ja“, sie schmiegte sich hilfesuchend an Colts Brust, „aber seit unserer Rückkehr ist soviel los gewesen, und ich wollte doch den richtigen Zeitpunkt abwarten. Ich dachte vielleicht, heute nach dem Empfang beim Oberkommando wäre eine gute Gelegenheit... aber er war den ganzen Tag lang schon so komisch...“ Colt nickte, so als wollte er ihre Aussage bestätigen: „Du hast recht, das ist mir auch aufgefallen. Er war ziemlich geistesabwesend und nachdenklich. Dabei ist das sonst gar nicht seine Art.“ „Genau. Und als ich ihn gefragt habe, was los ist, wollte er nicht mit der Sprache herausrücken und ist mir ziemlich offensichtlich aus dem Weg gegangen!“ „Ach, Süße, mach Dir doch deswegen keinen Kopf“, Colt hob ihr Kinn leicht mit einer Fingerspitze an und zwinkerte ihr aufmunternd zu, „wie wäre es, wenn Du ihm jetzt noch einen kleinen Besuch abstatten würdest?“ „Würde ich ja gerne, aber ich weiß wie gesagt nicht, wo er sich jetzt rumtreibt...“ „Hat er Dir denn gar nichts gesagt, als er verschwunden ist?“ „Nein“, eine kleine Träne lief Aprils Nasenspitze hinunter und landete auf Colts Hemdsärmel, „als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, ist er zusammen mit Mandarin in ihren Jeep gestiegen...“ schniefend wischte sie sich über die Augen. „Du glaubst doch nicht...“ Colt schüttelte beharrlich den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll...“ „Paß auf, Süße, ich bin hundertprozentig sicher, daß sich das aufklären wird. Der Kleine ist doch völlig vernarrt in Dich! Du fährst da jetzt hin und klärst das mit ihm. Ich bin sicher, er ist längst zu Hause.“ April strich sich die Haare aus dem Gesicht: „Meinst Du wirklich?“ „Ja, meine ich, ich kann es nicht sehen, wenn Ihr zwei Euch das Leben so schwer macht“, sanft schob er April in Richtung Tür, „und außerdem will ich Dich jetzt loswerden, denn wenn ich die Sache mit Robin wieder gerade biegen will, habe ich heute noch einiges zu tun!“ Nun kehrte auch die Freude auf Aprils Gesicht zurück: „Tolle Freundin bin ich, was? Da bleibe ich hier, weil ich Dich ein bißchen trösten will, und dann heule ich Dir einen vor... Bin schon weg“, sie gab Colt noch einen kameradschaftlichen Klaps aufs Hinterteil, „und viel Glück!“ „Dito, holde April, nimm den armen Jungen nicht ganz so hart ran, ja.“ Die Tür fiel hinter April ins Schloß und Colt atmete erleichtert auf. Freunde waren ja wirklich etwas sehr schönes, doch wenn er vorhin mit Robin allein gewesen wäre, hätte er vielleicht etwas unternehmen können, bevor die Sache zu eskalieren begann. Doch nun mußte er sich wirklich etwas einfallen lassen, wie er die Wogen wieder glätten konnte. Etwas unentschlossen verzog er die Miene: „Na, alter Junge, da hast Du Dir wieder ganz schön was eingebrockt“, murmelte er, während er durchs Apartment wanderte, um ein wenig Klarschiff zu machen, „daß Du aber auch nie Deine große Klappe halten kannst. Jetzt laß Dir gefälligst etwas einfallen!“ Sein Blick fiel auf den kleinen Sekretär, auf dem eine Bestellkarte von einem japanischen Restaurant lag. Robin liebte japanisches Essen, das wußte er. Vielleicht war der beste Weg zur Versöhnung ja über ein schmackhaftes Mahl; Liebe ging doch bekanntlicher Weise durch den Magen! Flugs hatte er mit Hilfe des integrierten Laptops im Schreibtisch eine Comline zu dem besagten Restaurant hergestellt und orderte so ziemlich alle Dinge, die ihm von der Speisekarte irgendwie appetitlich vorkamen. Das waren auf Anhieb zwar nicht besonders viele, da er als richtiger Cowboy eher auf ein saftiges Steak und Baked Beans stand, doch nach einiger Beratung durch die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung hatte er am Ende soviel bestellt, daß es mindestens noch für sein ganzes Team gereicht hätte. „Eine halbe Stunde hat sie gesagt“, er blickte prüfend auf die Uhr über dem Sofa, „bis dahin kann ich ja schon soweit alles vorbereiten... ich hoffe nur, Robin kommt auch rechtzeitig zurück!“ aber irgendwie hatte er arge Bedenken, daß dieser Teil seines Planes funktionieren würde... Fireball kam erst ziemlich spät wieder in dieser Nacht, und hatte auch eigentlich vorgehabt, sich sofort ins Bett zu begeben, da er rechtschaffen müde war von den Anstrengungen des Tages. Doch als er das Licht in seiner Unterkunft anknipste, war seine Müdigkeit vor Überraschung mit einem Mal wie weggeblasen. Denn dort auf seiner Couch lag, friedlich in eine Decke eingekuschelt, April und schlief den Schlaf der Gerechten. Das schlechte Gewissen stieg in Fireball auf, als er sie so ruhig daliegen sah; er hatte sich nach der Feier nicht von ihr verabschiedet, als er verschwunden war, und sie hatte sich daraufhin wahrscheinlich Sorgen um seinen Verbleib gemacht. Mit zärtlichen Blicken betrachtete er das blonde Mädchen einen Augenblick und überlegte, ob er sie wecken oder lieber weiter träumen lassen sollte, doch wenn er letzteres tat, würde sie wahrscheinlich am nächsten Morgen zurecht sauer auf ihn sein. Immerhin mußte sie schon ziemlich lange hier auf ihn gewartet haben! April bot einen geradezu bezaubernden Anblick: ihre sanften Gesichtszüge wirkten so vollkommen entspannt, und ihr zarter Mund war zu einem kleinen Lächeln verzogen, so als durchlebte sie gerade einen schönen Traum. Ihre Haare umrahmten das ganze wie ein Korona aus fließendem Gold. Fireball mußte sich der Versuchung widersetzen, über ihre Aprikosen gleichen Wangen zu streicheln, obwohl ihm das nicht gerade leicht fiel. Aprils Körper hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Ein Träger ihres Overalls war etwas verrutscht, und jedes Mal, wenn sich ihre Lungenflügel mit Luft füllten, offenbarte sich Fireball ein noch viel einladenderer Einblick in ihr Dekolleté. Er schluckte überwältigt und atmete tief durch, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Entschlossen nahm er eine Strähne von Aprils blonden Flechten in die rechte Hand und kitzelte damit behutsam ihre Nase: „Hey, Prinzessin, aufwachen!“ flüsterte er lächelnd, doch erst, als er die Prozedur einige Male wiederholt hatte, zeigte April eine Reaktion. Zuerst rümpfte sie die Nase, ähnlich wie ein Hase oder Kaninchen, schlug dann aber doch schlaftrunken die Augen auf: „Fireball...“, murmelte sie benommen und fuhr sich mit der rechten Hand übers Gesicht bevor sie sich etwas aufrichtete, „was zum...“ zuerst hatte sie Mühe, sich zu orientieren, wo sie war, doch plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, „wo hast Du so lange gesteckt?“ Fireball setzte sich auf den kleinen Couchtisch, um sich die Schuhe auszuziehen, oder wohl besser gesagt, um April nicht länger in die Augen sehen zu müssen: „Ach, eigentlich nirgendwo, ich bin einfach ein bißchen in der Gegend rumgefahren!“ April streckte sich mit einem herzhaften Gähnen und stellte die Füße auf den Teppichboden: „Wie spät ist es eigentlich?“ sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr und erschrak: „Was, kurz nach vier? Jetzt verrate mir aber mal, wie Du es geschafft hast, solange wegzubleiben, wenn Du doch eigentlich nirgendwo warst!“ ihre Blicke durchbohrten Fireball beinahe wie blitzende Speere. „Himmel, ist das denn so wichtig? Ich wollte eben mal ein bißchen allein sein. Dieser ganze Trubel heute konnte einen ja echt wahnsinnig machen...“ er bemühte sich, so unbeschwert wie möglich zu klingen, aber er konnte April nichts vormachen. „Du meinst, Du wolltest mit Mandarin alleine sein, ja!“ Für den Bruchteil einer Sekunde hielt Fireball in seiner Bewegung inne, für einen Fremden wahrscheinlich nicht wahrnehmbar, doch für April war es bereits Bestätigung genug gewesen. „Wieso mit Mandarin, ich weiß gar nicht, was Du meinst.“ Er sollte schnell einsehen, daß es keinen Sinn mehr hatte die Wahrheit noch länger abzustreiten. „Ach, Du weißt gar nicht was ich meine, wie. Hör mal zu Freundchen, ich habe genau gesehen, wie Du in ihren Jeep gestiegen und zusammen mit ihr weggefahren bist. Und versuch ja nicht, mir was anderes weiszumachen!“ Erregt war April aufgesprungen und hatte sich drohend vor ihn hingestellt. „Herrje, April“, Fireball wurde die Situation sichtlich unangenehm, „was ist denn los mit Dir? Ja, okay, ich bin mit Mandarin weggefahren; und, was ist daran so schlimm? Du bist doch nicht mein Kindermädchen...“ „Du hättest aber wenigstens Bescheid sagen können, ich habe, ich meine die anderen, also, wir haben uns Sorgen um Dich gemacht. Es wußte ja keiner, wo Du steckst!“ sie ballte erbost die Fäuste. „Sag bloß, unserer kleine Miss April ist eifersüchtig...“ Fireball stupste mit dem linken Zeigefinger gegen ihre Nase uns grinste frech dabei; langsam schien er die Situation wieder in den Griff zu bekommen. April schnaufte verächtlich: „Hah, eifersüchtig! Auf dieses spindelige kleine Hühnchen was? Das ich nicht hohl lache!“ „Warum machst Du dann so ein Theater“, Fireball hob gleichgültig die Hände und kehrte ihr den Rücken zu, „was sollte mir denn groß passiert sein? Die Outrider gibt es nicht mehr, schon vergessen, Süße? Und außerdem bin ich ja wohlbehalten wieder zurück. Damit sollte das Thema doch wohl vom Tisch sein!“ entschlossen, es dabei bewenden zu lassen, ging er hinüber in seine Küche und holte sich ein Sandwich aus dem Kühlschrank: „Willst Du auch etwas zu essen, April?“ rief er ins Wohnzimmer hinüber, doch anstelle einer Antwort hörte er nur das Knallen der Tür. Wie von der Tarantel gestochen stürzte er in den Flur, aber April war fort. Hastig schlüpfte er wieder in seine Schuhe und hatte auch schon die Verfolgung aufgenommen: den Flur entlang, zwei Treppen hinunter, dann den zweiten Gang rechts und... Rums, auch die Tür von Aprils Apartment knallte vor Fireballs Nase zu. Verärgert darüber, daß er es nicht mehr geschafft hatte, sie einzuholen, stand er nun davor wie ein begossener Pudel und klopfte vorsichtig, um nicht noch mehr Mitbewohner aufzuwecken; natürlich vorausgesetzt, daß überhaupt noch einer schlief nachdem April so einen Radau veranstaltet hatte. „April, komm schon, mach die Tür auf...“ keine Reaktion. „Bitte April, es tut mir leid, okay. Laß mich rein...“ aber auch auf dieses Flehen kam keine Antwort. Fireball war der Verzweiflung nah: „Verdammt noch mal, warum muß denn immer alles genau so laufen, wie es nicht laufen soll? April...“ der nächste Versuch. Er war so sehr damit beschäftigt, darauf zu achten, ob er von drinnen ein Lebenszeichen zu hören bekam, daß er nicht bemerkte, wie im Flur jemand hinter ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte: „Hey, hombre, was soll der Lärm?“ Mit einem markerschütternden Schrei fuhr Fireball herum und blickte in das angespannte Gesicht von seinem Freund Colt: „Man, hast Du mich erschreckt, alter Viehtreiber!“ „Tja, tut mir wirklich leid, Partner“, der Cowboy setzte ein verschmitztes Grinsen auf, „was ist los? Ärger im Paradies, oder warum läßt Dich unser Engelchen nicht rein?“ Fireball kniff die Augen zusammen: „Und warum treibst Du Dich zu dieser Tageszeit hier rum wie ein Hühnerdieb, anstatt bei Deiner angebeteten Robin zu verweilen?“ natürlich ahnte er die Antwort bereits, aber er hatte keine Lust, seine Probleme mit April hier auf dem Flur mit Colt auszudiskutieren. „Kumpel, Du weißt doch, Frauen sind ein ewiges Rätsel, die wird nie einer verstehen. Im einen Moment sind sie lammfromm und im nächsten ziehen sie Dir die Bratpfanne über den Kopf!“ anscheinend war auch Colt nicht daran interessiert seine Beziehungskrise vor aller Öffentlichkeit an den Tag zu legen. „Oh man, ich weiß, was Du meinst...“ Fireball fuhr sich entnervt durch die wuscheligen Haare. „Was hältst Du davon, wenn wir es uns unten in der Bar ein bißchen gemütlich machen, Matchbox? Laß uns versuchen, die Weiber mal für ein paar Minuten zu vergessen, okay?“ Colt legte seinem Freund einen Arm um die Schultern und zog ihn mit sich, ohne auf eine Antwort zu warten, aber Fireball kam die Idee sowieso sehr gelegen und leistete deswegen auch keinen Widerstand. „Ich kann es einfach nicht glauben. Ich meine, ich mache dieses tolle Abendessen bei Kerzenschein, besorge ihr sogar noch einen Strauß Blumen und sie schmeißt mich einfach raus...“ Colt nippte an seinem zweiten Fusionsbrenner und ließ die Szene noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren. Er konnte noch immer nicht begreifen, wieso sein toller Plan fehlgeschlagen war, obwohl er sich wirklich alle Mühe gegeben hatte. Er war sicher gewesen, Robin würde ihm beim Anblick des Festessens wieder vergeben, doch alles, was sie gesagt hatte, war: „Ich werde jetzt ins Badezimmer gehen und mich frisch machen, und wenn ich wiederkomme, möchte ich, daß Du verschwunden bist!“ gewesen. „Was erwartest Du eigentlich, Colt? Du hast ihr quasi versprochen, Dein Image als Revolverheld an den Nagel zu hängen, wenn die Outrider einmal nicht mehr sein sollten, und nun offenbarst Du ihr, daß das eigentlich alles nur ein Scherz gewesen ist. Welche Frau würde da wohl nicht vor Wut aus der Haut fahren?“ Fireball hatte seinen Kopf auf die Ellenbogen gestützt und spielte lustlos mit einem Bierdeckel herum. Die Bar des Hauptquartiers war trotz der vorangeschrittenen Stunde noch sehr gut besucht, und die ausgelassene Stimmung der anderen Gäste frustrierte die beiden Star Sheriffs nur noch mehr. „Hast ja recht, aber wenigstens betrüge ich meine Freundin nur mit meinem Revolver, wenn Du verstehst, was ich meine...“ Colt warf Fireball einen vielsagenden Blick zu, der diesen sofort aus seiner Lethargie riß: „Was zum Geier willst Du denn damit andeuten, hm?“ „Ach, nichts weiter, das war nur so dahin geredet...“ „Laß den Blödsinn Colt, Du glaubst doch nicht allen Ernstes, daß ich April betrüge, oder?“ der Gedanke brachte ihn beinahe zur Weißglut. „Sieh mal an, immerhin weißt du ja, daß ich von April gesprochen habe...“ da war er schon wieder, dieser zweideutige Tonfall! „Ja glaubst du denn, ich hätte einen ganzen Harem an Freundinnen hier versteckt? Was soll dieses dämliche Theater?“ „Na, ja“, Colt vollführte eine vielsagende Handbewegung, „weiß denn Deine angebetete April auch, daß sie die Dame Deines Herzens ist?“ Fireball war einfach baff: „Doofe Frage, natürlich weiß sie es. Ich meine, sogar Du weißt es, oder etwa nicht?“ „Hast Du es ihr gesagt?“ das nahm Fireball etwas den Wind aus den Segeln: „Nein, nicht direkt, ich...“ „Aha, hast Du es ihr denn wenigstens gezeigt?“ „Wie meinst Du das, gezeigt!“ das jüngste Mitglied des Star Sheriff Teams war sichtlich verwirrt. „Kumpel, spiel doch nicht so die Unschuld vom Lande. Hast Du sie schon geküßt, oder so?“ Colt setzte ein verschwörerisches Grinsen auf. „Mh“, Fireball druckste, „nein, aber ich...“ „Was“, diese Überraschung war natürlich nur gespielt, denn der Cowboy hatte ja von April bereits den Stand der Dinge erfahren, „Du hast es während Eures Urlaubs nicht einmal geschafft, sie an Land zu ziehen? Was für ein Spätzünder bist Du denn eigentlich?“ „Ich hab es ja versucht, verdammt“, Fireball hieb mit der Faust auf den Tresen, so daß sich einige Gäste zu ihm umsahen, „aber sie hat mich eiskalt abblitzen lassen. Ich dachte, ich hätte es zu sehr überstürzt und habe sie deswegen erstmal in Ruhe gelassen, damit sie sich nicht von mir in die Enge gedrängt fühlt. Und glaub mir, das ist mir garantiert nicht leicht gefallen...“ er sah April vor sich, ihre langen blonden Haare, die gertenschlanke Figur, das süße Lächeln; nein, das war wirklich nicht einfach gewesen! Colt schwieg eine ganze Weile, so als müßte er sich seine nächsten Worte gut überlegen: „Und weil Du es nicht mehr länger aushältst, auf sie zu warten, schiebst Du jetzt mit Mandarin los?“ „Was!!!“ Fireball hätte sich beinahe an seinem Bier verschluckt, so unerwartet war diese Frage gewesen. „Seid Ihr denn heute alle komplett durchgedreht? Wieso glaubt Ihr auf einmal alle, ich würde was mit Mandarin haben? Das ist ja absurd!“ Colt beobachtete seinen Freund eindringlich und fragte sich, ob diese heftige Reaktion darauf zurückzuführen war, daß er sich ertappt fühlte, oder weil die Frage tatsächlich absurd gewesen war. Einerseits konnte er sich nicht vorstellen, daß es Fireballs Art war, April auf so hinterhältige Weise zu übergehen, aber andererseits wußte man nie genau, was bei Frischverliebten im Kopf vorging. „Du hast doch vorhin zusammen mit Ihr die Party verlassen, oder nicht?“ „Ja, klar“, Fireballs Ohren begannen wie Kohlen zu glühen, „ist denn das verboten? Sie ist eine gute Freundin, die uns bei unserer Mission eine Menge Unterstützung gegeben hat, falls sich der Herr erinnern sollte. Darf ich mich da nicht mal mit ihr unterhalten, nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben?“ „Wieso habt Ihr Euch nicht auf der Party unterhalten? Zu viele Beobachter?“ nun, da Colt einmal an dem Thema dran war, tat er alles, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. „Hey, man, so einen Schwachsinn brauche ich mir echt nicht anzuhören. Und rechtfertigen brauche ich mich vor Dir schon gar nicht, verstanden Kuhtreiber!“ Fireball leerte wütend mit einem Zug sein Bierglas und stand auf; das war doch wohl das allerletzte! „He, Kumpel, mir kannst Du es doch sagen. Ich bin es doch, der alte Colt! Komm schon erzähl, was hast Du so mit Mandarin in ihrem Jeep getrieben, he? Da läuft doch was zwischen Euch, die Kleine ist doch schon seit Ewigkeiten scharf auf Dich...“ Colt wußte einfach nicht, wann es an der Zeit war, die Klappe zu halten. Plötzlich fuhr Fireball herum, griff ihn am Kragen seines Hemdes und zog ihn vom Stuhl hoch: „Hör zu Colt, was Du Dir in Deinen schmutzigen Phantasien so alles zurecht spinnst, interessiert mich nicht. Aber Du solltest nicht vergessen, daß nicht jeder so ein Weiberheld ist, wie Du, der hinter allem her rennt, was einen Rock trägt!“ verächtlich stieß er seinen Freund zurück auf den Stuhl und verschwand in der Menge der Bargäste. Zu seinem Glück war Colt so perplex über die heftige Reaktion gewesen, daß er sich nicht gewehrt hatte, denn sonst wäre die Situation wahrscheinlich sehr zu Fireballs Nachteil ausgegangen; er war Colt, was die Stärke anging, einfach meilenweit unterlegen. Aber dieser versuchte noch immer sich zu fangen und zu verarbeiten, was da eben mit dem sonst so friedlichen Fireball geschehen war. Robin fühlte sich wie gerädert, als sie spät am nächsten Morgen erwachte. Sie hatte wegen des Streits mit Colt die halbe Nacht lang kein Auge zugetan und war dementsprechend müde und unausgeschlafen. Nachdem sie die Augen geöffnet hatte, griff sie als allererstes mit der linken Hand neben sich auf die andere Seite des Bettes. Irgendwie hatte sie gehofft, Colt würde dort liegen und selig schlafen, doch sie griff ins Leere, das Kopfkissen neben dem ihren war unbenutzt. Selbstverständlich war es das, denn schließlich hatte sie Colt ja am Abend zuvor ziemlich unsanft und auch unmißverständlich aus dem Apartment geworfen, was sie mittlerweile schon wieder zu bereuen begann. Es war immer ein so schönes Gefühl, neben ihm aufzuwachen, seine ruhigen Atemzüge zu hören und die wärme seines nackten Oberkörpers zu spüren, aber sie hatte es anscheinend wieder vermasselt! Niedergeschlagen schwang sie sich aus dem Bett und warf sich ihren Morgenmantel über. Während sie sich mißmutig im Spiegel betrachtete und versuchte, ihre zerzausten Haare zu bändigen, dachte sie noch einmal über den vergangenen Abend nach. Hatte sie es nicht wieder ein wenig übertrieben mit ihrem Pazifismus? Immerhin wußte sie doch, wie sehr Colt seine Arbeit als Star Sheriff liebte, wieviel sie ihm bedeutete. War es denn da überhaupt fair von ihr, zu verlangen, daß er all das ihr zuliebe aufgab? Wenn sie ihn wirklich so sehr liebte, wie sie vorgab, dann mußte sie doch wenigstens Colts Wesen so akzeptieren, wie es war. Aber sie versuchte nur ständig ihn zu einem Menschen zu machen, der er nicht sein wollte. Nannte sie das etwa Liebe... Die Zweifel machten Robin schier wahnsinnig. Energisch schüttelte sie den Kopf: „Nein, jetzt gib nicht wieder Dir an allem die Schuld. Du bist schließlich ihm hinterher gefahren. Sonst hättest Du ihn wahrscheinlich nie wieder gesehen! Und wenn er möchte, daß Du ihn heiratest, dann kannst Du doch immerhin verlangen, daß er ein Versprechen einhält, das er Dir gegeben hat, ganz egal, worum es dabei geht!“ Sie schlüpfte in ihre Hausschuhe und schlurfte hinüber ins Wohnzimmer. Dort stand noch immer das prunkvolle Abendessen, das Colt als Wiedergutmachung für sie gezaubert hatte. Sie wußte natürlich, daß das Essen auf keinen Fall von ihm zubereitet sein konnte, aber das war ja auch nicht ausschlaggebend. Es war doch der Wille, der zählte. Und Colt hatte versucht, seinen Fehler wieder gut zu machen, doch sie hatte ihm nicht einmal die kleinste Chance gegeben! Keinen Bissen hatte sie von dem leckeren Essen angerührt, das bestimmt Unsummen gekostet haben mußte, wenn man sich die reichhaltige Auswahl aus der Nähe betrachtete. Robin fuhr sich niedergeschlagen durchs Haar und überlegte, was sie jetzt am besten tun konnte. Der Streit war nicht mehr ungeschehen zu machen, und wie sie Colts Stolz kannte, würde er auch keinen weiteren Versuch mehr unternehmen, sich bei ihr zu entschuldigen, nachdem sie ihm eine so lächerliche Szene gemacht hatte. Ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Kehle: „Vielleicht sollte ich einfach wieder nach Hause fahren. Die Idee hierher zu kommen war höchstwahrscheinlich sowieso die dümmste, die ich je hatte...“ Gerade als sie meinte, zu dieser „richtigen“ Erkenntnis gekommen zu sein, vernahm Robin ein leichtes Rascheln aus dem Flur. Verwundert lugte sie um die Ecke und fand einen kleinen Briefumschlag, den anscheinend jemand unter der Tür hindurch geschoben haben mußte. „Colt...“ ihr Herz schlug wie wild, und mit zittrigen Fingern fischte sie einen zusammengefalteten Zettel heraus, den sie eiligst öffnete. Ja, eindeutig, das war Colts Handschrift. Es stand nicht viel auf dem Blatt Papier, doch diese wenigen Sätze genügten, um Robins Blut in den Adern gefrieren zu lassen: ‚Liebste Robin, ich habe eingesehen, daß Du recht hast. Ich werde mich niemals ändern können, egal wie sehr ich mich auch bemühen würde. Doch Du verdienst einen Mann, der Dir das Leben bieten kann, das Du Dir wünschst, weil Du es verdienst, daß man Dir jeden Wunsch von den Augen abliest. Deshalb werde ich Dich auch nicht länger belästigen! Ich hoffe, Du und Josh, Ihr werdet glücklich. Ich werde die Zeit mit Dir niemals vergessen. In Liebe, Colt‘ Entgeistert ließ Robin den Brief fallen und riß, ohne darüber nachzudenken, wie sie gekleidet war, die Tür zu ihrem Apartment auf. Vielleicht war er ja noch nicht weit gekommen und es war noch nicht zu spät. Wie sehr erschrak sie, als sie diesem Häufchen Elend von Mann gegenüber stand, das die ganze Zeit vor ihrer Tür flehend darauf gewartet hatte, sie würde genau diese Reaktion auf den Zettel zeigen. Colts Haare waren ungekämmt, sein Hemd war völlig zerknautscht, was darauf schließen ließ, das er es die ganze Nacht über anbehalten hatte und seine Augen blickten so treu wie die eines kleinen Hündchens, das man mutterseelen alleine an einen Hydranten gebunden hatte. „Robin...“ mehr brachte er nicht heraus, weil seine Stimme versagte, aber er brauchte auch gar nichts zu sagen. Robin brauchte nur noch ein paar Sekunden, bis sie ihm weinend, aber glücklich in die Arme fiel. „Mandarin...“ Fireball unterbrach kurz seine Arbeit, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Obwohl es noch nicht ganz elf Uhr war, konnte man die sengenden Strahlen der Sonne schon kaum noch ertragen. „Was gibt’s denn?“ Mandarins Kopf tauchte aus dem Cockpit des Raumschiffes auf, in dem sie ihrerseits eifrig am Werkeln war. Fireball widmete sich wieder dem komplizierten Antriebssystem der Turbinen: „Kannst Du mir bitte den Sechser-Kreuzschlüssel bringen? Und den kleinen Stromkonverter auch gleich, es wäre doch gelacht, wenn ich diesem Baby nicht noch ein bißchen Saft entlocken könnte!“ Er war bereits seit den frühen Morgenstunden damit beschäftigt, an diesem Schiff herumzubasteln, obwohl ihm langsam Zweifel kamen, daß diese Anstrengungen viel Sinn hatten. Es stammte von den Outridern und war beim letzten Gefecht aus unerfindlichen Gründen so gut wie unversehrt geblieben. Deshalb hatte man es hier in den Hangar des Oberkommandos gebracht, um mehr über die Technologie der Outrider herauszufinden. Doch da dieses nach der Vernichtung des Feindes ein eher müßiges Unterfangen war, hatte Fireball keine Bedenken, daß man ihn und Mandarin bei ihren Aktivitäten ertappen würde. Es waren doch alle viel zu beschäftigt damit, den Triumph zu feiern. Mandarin sprang elegant wie eine Katze auf den Hangarboden und kam zu Fireball hinüber geschlendert. Aufgrund der hohen Temperaturen war sie nur mit einer knappen, ziemlich eng anliegenden Shorts und einem Spaghettiträger-Hemd bekleidet, was so manchen starken Mann aus der Fassung gebracht hätte. Auch Fireball mußte, nicht zum ersten Mal an diesem Tag, gewaltig schlucken, als sie sich lässig auf das Heckteil des Schiffes stütze, wobei sie ziemlich freizügig zur Schau stellte, was bis dahin noch einigermaßen unter dem Hemd verdeckt gelegen hatte: „Na, meinst Du, Du kriegst es hin?“ „Weiß nicht“, Fireball schielte abwechselnd zwischen dem Motorblock und ihrem Ausschnitt hin und her, „das Problem ist, daß die Energiequelle dieses Schiffes die Triton-Materie gewesen ist. Und als die zerstört wurde, ist das Ding einfach vom Himmel geplumpst, wie ein Bleiente! Ich muß irgendwie versuchen eine neue Energiequelle dafür zu finden!“ „Du versuchst schon den halben Tag, eine Energiequelle für diesen dämlichen Schrotthaufen zu finden. Warum ist es überhaupt so wichtig, daß das Teil wieder fliegt? Wir können es doch eh nicht mehr gebrauchen!“ Mandarin war sichtlich gelangweilt. Ihr ging das Theater, das Fireball wegen dieses Raumschiffes veranstaltet mächtig auf die Nerven. Als er sie gestern abend auf dem Fest gefragt hatte, ob sie sich irgendwo ungestört unterhalten könnten, hatte sie gehofft, er wollte ein wenig mit ihr allein sein. Sie hatte das Interesse an ihm schließlich nie verloren, und es konnte doch immerhin sein, daß er seine Meinung diesbezüglich auch mal änderte. Aber alles, worüber er hatte reden wollen, war dieses wertlose Stück Blech gewesen, an dem sie nun schon seit Stunden ihre Zeit verschwendeten. Gelangweilt blies sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn: „Wollen wir nicht lieber zum Strand gehen und den Sieg über die Outrider mit einem Gläschen Champagner begießen?“ den Versuch war es doch immerhin wert. „Du hast versprochen, mir zu helfen, aber wenn Du die ganze Zeit nur rumnörgelst, werden wir nie fertig damit!“ Fireball machte nicht den Anschein, als würde er ein romantisches Frühstück am Strand dieser schmierigen Arbeit vorziehen. „Okay, okay..“ Mandarin lehnte sich noch ein Stückchen tiefer und tat so, als würde sie sich das Antriebssystem fachmännisch betrachten. Fireball bliebe beinahe die Luft weg; er konnte ihr jetzt ja quasi bis zum Bauchnabel blicken: „Würde es Dir etwas ausmachen, Dich da etwas weniger aufreizend hinzustellen? Ich bin schließlich auch nur ein Mann!“ murmelte er mit hochrotem Kopf, ohne Mandarin direkt anzusehen. „Ja, soll ich Dir nun helfen, oder nicht?“ maulte sie gespielt beleidigt. Wenn sie es jetzt geschickt anstellte, würde vielleicht doch noch etwas aus dem Strand werden! „Natürlich sollst du das...“, Fireball war sichtlich von der Rolle, „aber wenn Du Dich da so hinstellst, kann ich mich leider nicht mehr aufs Arbeiten konzentrieren.“ „Na um so besser“, Mandarin klatschte freudig in die Hände und machte einen kleinen Hüpfer in die Luft, „dann würde ich vorschlagen, daß wir eine kleine Pause einlegen und nachher weitermachen. Es ist doch sowieso viel zu heiß, um in diesem stickigen Hangar rumzuhängen!“ Fireball versuchte, ihr einen energischen Blick zuzuwerfen: „Verdammt nochmal, wenn Du keine Lust hast, mir zu helfen, dann kannst Du gerne gehen. Ich werde Dich nicht aufhalten!“ „Okay, okay“, Mandarin sah ein, daß der Strand endgültig gestorben war, aber irgendwie mußte sie die Gelegenheit ergreifen; wann würde sie schließlich das nächste Mal mit Fireball alleine sein, „dann laß mich mal sehen! Ich würde sagen, wir sollten an dieser Stelle den Mikrochip austauschen“, hierbei drängte sie sich so nahe an Fireball vorbei, daß ihr Oberkörper an seinen gepreßt wurde, „hier müßte eigentlich das Antriebsmodul sitzen!“ sie berührte noch immer mit einer ihrer Pobacken sein linkes Bein, obwohl sie schon wieder kopfüber im Motorraum verschwunden war. Fireball versuchte einen klaren Kopf zu behalten, doch das war gar nicht so einfach in so einer Situation. Mandarin war eine attraktive Frau, mit einer gut gebauten Anatomie, da fiel es jedem Mann schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, ohne auf falsche Gedanken zu kommen. Selbst wenn man so eine zauberhafte Freundin wie April hatte... „...st Du nicht auch?“ ihr Kopf tauchte wieder aus der Dunkelheit auf. Offenbar hatte sie Fireball eine Frage gestellt und erwartete nun eine Antwort. „Wie...“, er schüttelte verwirrt den Kopf, „hast Du...“ „Hey“, noch bevor er seinen Satz zu ende formulieren konnte, hatte Mandarin ihn bereits unterbrochen und streichelte liebkosend seine linke Wange, „Du bist ja völlig verkrampft Fireball. Du hast wahrscheinlich zu wenig geschlafen. Komm, ich werde Dich ein bißchen massieren, damit Du wieder lockerer wirst!“ sie strich sanft über seine Schultern und stellte sich hinter ihm auf. „Nein, hör auf mit dem Unsinn...“ Fireball kam sich vor wie die Fliege im Spinnennetz, oder besser noch, wie die Maus, die hypnotisiert vor der Schlange auf ihr Ende wartetet. Schon begannen ihre flinken Hände gezielt seine Muskulatur zu durchkneten. Was für ein herrlich angenehmes Gefühl das doch war, nachdem er so einen anstrengenden Tag und die noch viel schlimmere Nacht hinter sich gebracht hatte. Der ganze Ärger fiel plötzlich von ihm ab; der Streit mit April und mit Colt schien in weite Ferne zu rücken. Für einige Sekunde gab er sich ganz diesem Gefühl hin, doch als sich die massierenden Bewegungen von Mandarins Händen langsam in kleine Streicheleinheiten verwandelten, die sich mehr und mehr auf die Frontseite seines Körpers verlagerten, erwachte er mit plötzlichem Schrecken aus seiner Traumwelt. Ruckartig fuhr er herum: „Hör auf damit, ja!“ sanft aber bestimmend schob er ihre Hände von sich, doch Mandarin ließ nicht locker: „Wieso denn, war das etwa nicht schön?“ sie zog wieder ihren kleinen Schmollmund. „Doch, Mandarin, das ist es ja. Es ist leider viel zu schön, verstehst Du.“ Er hoffte, sie würde diese Erklärung verstehen. Und das tat sie auch, nur leider war sich Fireball bis zu diesem Zeitpunkt nicht darüber im Klaren gewesen, was sie mit diesem Theater bezwecken wollte. „Warum läßt Du mich dann nicht einfach weitermachen“, ihre Hände wanderten liebkosend von seinen Schultern über seinen Brustkorb, „laß Dich einfach treiben!“ Dieses Mal gebot Fireball ihr sofort Einhalt, indem er ihre Hände fest umklammerte: „Wenn Du so weitermachst, dann...“ „Was dann?“ flüsterte sie betörend und schmiegte sich eng an seinen muskulösen Körper. Jetzt kannte sie keine Skrupel mehr. Fireball drohten die Knie weich zu werden. Was sollte er bloß tun? Hier war dieses süße Wesen, das sich ihm an den Hals schmiß, und auf der anderen Seite war das Bild von der wunderhübschen April, die er doch eigentlich so sehr liebte! „Dann...“ er blickte in ihre Augen und bekam keinen Ton mehr heraus. Verführerisch lächelte ihr Mund ihm zu. „Komm schon Fireball“, ihre Lippen berührten sanft seinen Hals und jagten ihm einen Schauer über den Rücken, „warum sträubst Du Dich so dagegen? Magst Du mich denn gar kein bißchen?“ „Nein, das ist es nicht. Aber ich, ich liebe nun einmal April!“ jetzt, da er ihren Namen ausgesprochen hatte, war Fireball plötzlich wieder klar im Kopf. Ein wenig energischer als beim ersten Mal schob er Mandarin von sich fort und gab ihr einen kameradschaftlichen Kuß auf die Stirn: „Es liegt nicht an Dir, Mandarin. Ich liebe April, und ich könnte nie eine andere Frau küssen, verstehst Du?“ Mandarin senkte betreten die Augen auf den Boden. Auf einmal kam sie sich fürchterlich schäbig vor und schämte sich ganz schrecklich: „Tut mir leid Fireball“, druckste sie verlegen und wußte nicht wohin mit Händen und Füßen, „ich weiß doch, was Du für April empfindest, und trotzdem... Ich schätze, ich habe mich benommen wie ein Idiot, oder?“ unsicher blickte sie auf und schaute direkt in Fireballs grinsendes Gesicht: „Weißt Du was“, er legte ihr einen Arm um die Schultern, „ich schlage einfach vor, wir vergessen diese dumme Angelegenheit und machen doch eine kleine Pause. Ich habe mordsmäßigen Kohldampf!“ Jetzt konnte auch Mandarin wieder lachen: „Einverstanden, Du wartest hier solange, während ich was zum Beißen organisiere, und dann futtern wir erstmal ordentlich!“ und schon war sie durch eine der hinteren Hangartüren davongestoben. Fireball blickte ihr noch eine Zeitlang kopfschüttelnd hinterher und versuchte, sich das Lachen zu verkneifen; so etwas verrücktes war ihm ja noch nie passiert, damit konnte er doch direkt Colt Konkurrenz machen! Grinsend wollte er sich gerade noch ein bißchen an die Arbeit machen, da schlug die nächste Überraschung über ihm zusammen, wobei man das Wort ‚schlagen‘ diese Mal wörtlich nehmen konnte. Wie aus dem Nichts stand mit einem Mal April vor ihm, mit wutentbranntem Blick und hochrotem Kopf. Und noch ehe Fireball die Möglichkeit hatte, einen Ton hervorzubringen, versetzte sie ihm eine saftige Ohrfeige, die sich gewaschen hatte: „Du verdammter Mistkerl. Wie konntest Du es wagen mich so anzulügen!“ rief sie unbeherrscht und schnaubte wie eine alte Diesellok. Der arme Fireball wußte gar nicht, wie ihm geschah: „April, sag mal spinnst Du? Ich glaub Du hast mir den Kiefer gebrochen!“ mit schmerzverzerrtem Gesicht befühlte er seine Wange, die binnen Bruchteilen von Sekunden anschwoll. „Spar Dir Deine Worte, Du, Du Möchtegerncasanova! Und ich dumme Pute bin extra hierher gekommen, weil ich mich bei Dir entschuldigen wollte!“ Aprils Temperament war nicht zu bremsen. „Was zum Teufel ist denn überhaupt los?“ Fireball verstand noch immer nur Bahnhof. „Was los ist“, April stemmte die Arme in die Hüften, „gestern beteuerst Du mir noch hoch und heilig, zwischen Dir und dieser dummen Gans würde nichts laufen, und heute erwische ich Dich, wie Du mit ihr hier rumknutschst!“ „Aber“, langsam ging ihm ein Licht auf, „das hast Du alles ganz falsch verstanden! Mandarin...“ „Wage es nicht noch einmal, den Namen dieses, dieses Flittchen in meiner Gegenwart auszusprechen, kapiert. Ich will ihn nie wieder hören...“ Tränen stiegen ihr in die Augen, „und Dich will ich nie wieder sehen Shinji Hikari!“ damit drehte sie sich um und rannte davon. „Aber April...“ „Nie wieder!“ schrie sie ein weiteres Mal, um diesen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. Fireball war geplättet, das war einfach zuviel für ihn gewesen. Normaler Weise wäre er April hinterher gelaufen, doch er konnte noch nicht so ganz verarbeiten, was da eben passiert war. Zuerst verpaßte sie ihm eine Ohrfeige, weil er versucht hatte, sie zu küssen, und dann verpaßte sie ihm noch eine, weil ein anderes Mädchen versucht hatte, ihn zu küssen. Und dann auch noch dieser Name: Shinji Hikari, Fireball war sich nicht einmal bewußt gewesen, daß April seinen richtigen Namen kannte, ihn jetzt in diesem Tonfall von ihr ins Gesicht geschrien zu bekommen, setzte der Sache noch die Krone auf. Verdattert ließ er sich auf dem Heck des Schiffes nieder und rieb seine schmerzende Wange. Hätte sein Gehirn die Ereignisse etwas schneller verarbeitet, und hätte er Aprils Verfolgung doch aufgenommen, wäre das Schlimmste an dieser Situation wahrscheinlich zu verhindern gewesen. Doch so stolperte eine tränenüberströmte April genau in die Arme von einer grinsenden Mandarin, die das kleine Geplänkel mit angehört hatte. „Bist eine ziemlich schlechte Verliererin, Miss Eagle!“ tönte sie höhnisch, lässig an ihren Jeep gelehnt. April hätte sie wahrscheinlich übersehen, weil ihre Gedanken völlig wirr in ihrem Kopf herumkreisten, doch nun blieb sie abrupt stehen und starrte ihre vermeintliche Rivalin mit haßerfülltem Blick an: „Ich hoffe, Du bist stolz auf Dich!“ zischte sie so würdevoll, wie es ihr möglich war. „Na, ja, immerhin habe ich da eben nicht so eine lächerliche Nummer abgezogen, wie Du. Wie wäre es, wenn Du Fire einfach in Ruhe lassen würdest und einsiehst, daß es vielleicht ein Fehler war, ihn so lange an der Leine zappeln zu lassen. Es gibt nicht viele so begehrte Trophäen, und man sollte immer damit rechnen, daß ihn sich ein anderer Angler an Land zieht!“ mit diesen äußerst theatralischen Worten schwang sich Mandarin in ihren Jeep und fuhr grinsend davon. Wenn sie Fireball nicht haben konnte, dann sollte ihn auch keine andere bekommen! April rannte über das Flugfeld, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Ein dichter Tränenschleier vernebelte ihr die Sicht und in ihrem Kopf herrschte ein heilloses Chaos. Wie hatte er ihr das nur antun können? Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Das konnte einfach nicht sein, sie mußte einen schlechten Traum durchleben, doch warum schmerzte dann ihre Hand noch immer von der Ohrfeige, die sie Fireball verpaßt hatte. Warum zum Teufel hatte er ihr die ganze Zeit über solche Hoffnungen gemacht, wenn er doch eigentlich die ganze Zeit hinter Mandarin her gewesen war? Mandarin... „Hey Miss“, versuchte ein Wachmann April aus ihren Gedanken zu reißen, doch sie nahm den Mann gar nicht wahr, „Sie können hier nicht einfach so über das Flugfeld laufen, das ist viel zu gefährlich!“ Sie rannte an ihm vorbei, als wäre er Luft. Verdutzt blickte er ihr hinterher und fragte sich, was dieses hysterische Frauenzimmer überhaupt hier auf seinem Stützpunkt zu suchen hatte. Wie auch immer, es war seine Pflicht, sie aufzuhalten, denn sie gefährdete immerhin den ganzen Betrieb mit ihrem unvorsichtigen Verhalten. Widerwillig setzte er sich in Bewegung und trottete April nach: „Miss, so bleiben sie doch stehen...“ die blonde Frau machte noch immer keine Anstalten, seiner Bitte nachzukommen. Nun wurde der Wachmann doch langsam ärgerlich, das hier war schließlich kein Spielplatz für wild gewordene Teenager! Er legte einen Zahn zu, um der Sache ein schnelles Ende zu setzen; diese Frau mußte unbedingt hier verschwinden. April schlug einen Haken und bog um eine Wartungshalle. Sie war so beschäftigt mit ihren Gefühlen, daß sie gar nicht bemerkte, daß sie seit einigen Metern einen Verfolger hinter sich herzog. Sie rannte einfach weiter, um nicht länger darüber nachdenken zu müssen, was da eben im Hangar passiert war. Deshalb bemerkte sie auch nicht den Schlepper, der aus dem offenen Tor der Halle heraus gefahren kam. „Vorsicht!!!“ erst die entsetzte Stimme des jungen Mannes, der den Schlepper steuerte, riß sie aus ihren Gedanken. Wie gebannt starrte sie auf das große Fahrzeug, daß mit ziemlich großer Geschwindigkeit auf sie zuschoß. Der Aufprall kam viel früher als erwartet und schleuderte April einige Meter weit von ihrem vorigen Standpunkt zu Boden. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihren Rücken, der den Sturz zum größten Teil gebremst hatte, doch noch im selben Moment wurde sie sich verwundert darüber klar, daß sie nicht tot sein konnte, wenn sie noch solche Schmerzen spürte. Sie konnte zwar kaum Atmen, weil ein unheimlich schweres Gewicht ihren Brustkorb zu erdrücken schien, doch sie schien nicht einmal ernsthaft verletzt zu sein! „Miss, sind sie in Ordnung...“ drang eine dumpfe Stimme in ihr Unterbewußtsein. Durcheinander und geschockt öffnete April vorsichtig die Augen. Ein dunkelhaariger Mann lag über sie gebeugt und blickte besorgt in ihr Gesicht. Es war der Wachmann, den April nun zum ersten Mal wahrnahm. Benommen schaute sie an ihm vorbei zu dem Schlepper, der ungefähr dreißig Meter weiter zum Stehen gekommen war: „Sie...“ ihre Blicke glitten zurück, „Sie haben mir das Leben gerettet, oder?“ Ja, nur so konnte es gewesen sein. Der Mann hatte April in letzter Sekunde zur Seite geschubst, denn sonst wäre jetzt nicht mehr viel von ihr übrig gewesen. Vorsichtig zog sie die Arme an, um sich aufzustützen. „Geht es Ihnen gut? Haben Sie irgendwo Schmerzen? Bleiben sie liegen, ich werde einen Krankenwagen kommen lassen!“ die Wut des Mannes hatte sich anscheinend wirklich in größte Besorgnis umgewandelt. Müde schüttelte April den Kopf: „Nein, das ist nicht nötig“, sanft aber bestimmend schob sie seinen Körper von sich und rappelte sich langsam auf, „dank Ihrer schnellen Reaktion ist ja zum Glück nicht viel passiert!“ ein starkes Schwindelgefühl nahm von ihr Besitz und sie mußte sich gegen ihren Helfer lehnen, da ihr sonst die Beine zu versagen drohten. Dieser legte sofort helfend einen Arm um sie: „Meinen Sie nicht, wir sollten doch besser einen Arzt rufen, Miss...“ „Eagle! April Eagle ist mein Name, und nein danke, ich brauche wirklich keinen Arzt. Ich muß nur erst einmal den Schreck verdauen!“ Nun war der Mann platt. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, welche wichtige Persönlichkeit er da eben gerade gerettet hatte: „Sie sind April Eagle, die von den Star Sheriffs?“ er konnte es anscheinend noch nicht so recht glauben. „Ja, genau die“, nickte April etwas genervt, denn seit dem gestrigen Tag konnte sie es nicht mehr sonderlich leiden, gleich von jeder Person, die ihr begegnete, als die April identifiziert zu werden, „und mit wem habe ich das Vergnügen, wenn die Frage gestattet ist!“ „Scott“, der junge Mann reichte ihr die rechte Hand, „David Scott von der Raumfahrtkontrolle!“ Dankbar ergriff April seine Hand: „Danke David, ich...“ „Oh, bitte, meine Freunde nennen mich Dave, Miss Eagle!“ murmelte ihr Retter etwas schüchtern und errötete leicht. Daraufhin mußte April unweigerlich lächeln: „Ich möchte Ihnen danken Dave, ohne Sie wäre jetzt wohl nicht mehr sehr viel übrig von mir...Und übrigens, meine Freunde nennen mich April!“ sie blickte in seine strahlend blauen Augen und mit einem Mal schien der ganze Ärger mit Fireball wie weggeblasen zu sein. „Ähm“, Dave machte die Situation sichtlich nervös, „verzeihen Sie die Frage... April, aber warum zum Teufel sind Sie wie ein Derwisch hier über das Flugfeld gerannt?“ Und da war er auch schon wieder, der Ärger! Aprils Miene verdunkelte sich schlagartig bei dieser Frage: „Ehrlich gesagt möchte ich nicht darüber reden, es ist etwas ziemlich persönliches, verstehen Sie?“ „Selbstverständlich“, Dave überschlug sich geradezu bei seiner Antwort, „entschuldigen Sie bitte meine unmögliche Frage, es geht mich ja schließlich gar nichts an!“ April begann langsam, sich etwas unbehaglich zu fühlen; schließlich wurde man nicht alle Tage von einem gutaussehenden fremden Mann in den Armen gehalten, oder überhaupt von irgendeinem Mann, da konnten einem schon die Hände zittrig werden! Deshalb wand sie sich sanft aber bestimmt aus der stützenden Umarmung: „Ich muß jetzt aber wirklich weiter...“ „Sind Sie auch ganz sicher, daß Ihnen nichts fehlt, April?“ irgend etwas gefiel ihr an der Art, wie Dave ihren Namen aussprach, außerdem fand sie es wahnsinnig süß von ihm, daß er sich solche Sorgen um sie machte: „Ja, ganz bestimmt, dank Ihrer hervorragenden Reaktion!“ „Tja, dann...“ unsicher rieb Dave seine Hände an seinen Oberschenkeln und scharrte mit dem rechten Fuß leicht über den Asphalt, „es wäre schön, Sie einmal wiederzusehen!“ „Ja...“, April schoß das Blut ins Gesicht, wieso machte dieser junge Bursche Sie nur so nervös? Irgend etwas an seiner Haltung, an seiner ganzen Art erinnerte sie an jemanden, doch sie kam einfach nicht darauf, an wen. „Noch einmal danke, Dave...“ „Keine Ursache, April, es war mir ein Vergnügen, Sie retten zu dürfen!“ April räusperte sich leise: „ Ich könnte mir auch keinen besseren Retter als Sie vorstellen!“ Dieses Mal war es an Dave zu erröten: „Na, ja, dann... also wenn Sie mal wieder jemanden brauchen, der Ihnen hilft... Sie wissen ja, wo Sie mich finden...“ Sie nickte schüchtern und schenkte ihrem Helden noch ein bezauberndes Lächeln, bevor Sie sich umdrehte und in Richtung Tower marschierte. Irgendwie fand sie es schade, diesen netten Kerl einfach so dort stehen zu lassen, nachdem sie ihm immerhin ihr Leben verdankte. Gebot es da nicht wenigstens die Ehre und der Anstand, ihn aus Dank für seinen Mut wenigstens zu einem Kaffee oder etwas ähnlichem einzuladen? Und wenn schon nicht deshalb, dann wenigstens aus Neugier darauf, was sich hinter diesem attraktiven Mann noch alles verbarg. April ertappte sich dabei, wie sie es bereits bedauerte, Dave so einfach abgespeist zu haben, denn ob sie es nun wahrhaben wollte, oder nicht, er hatte irgendwie ihr Interesse geweckt! Lächelnd schüttelte sie den Kopf; wahrscheinlich wurde sie gerade nur von dem sogenannten Samarita-Effekt heimgesucht, nachdem sich ein Opfer angeblich immer in seinen Retter verlieben mußte. Natürlich war das bei April nicht im mindesten der Fall, oh nein! Sicher, sie fand ihn nett, und auf bestimmte Art und Weise sogar irgendwie anziehend, aber sie war hundertprozentig davon überzeugt, daß Dave ihr nie im Leben aufgefallen wäre, wenn sie auf dem Raumhafengelände einfach aneinander vorbei gelaufen wären. Und trotz dieser Erkenntnis war da immer noch dieses unbestimmte Gefühl, welches April Bauch zum Kribbeln brachte, so als würden sich tausende von Schmetterlingen darin befanden. Dieses Gefühl war es auch, das sie schließlich, gegen ihr besseres Wissen, dazu brachte sich ruckartig umzudrehen: Dave stand noch immer dort an der Wartungshalle und schaute ihr mit verträumten Blicken nach, doch in dem Moment, als sie sich umdrehte, zuckte er erschreckt zusammen und sah verschämt zu Boden. „Dave“, rief April impulsiv über den Platz, so daß es mindestens ein Dutzend Mechaniker mitbekamen, „wollen Sie mich heute abend zu einem Bankett zu Ehren der Star Sheriffs begleiten?“ Verwirrt blickte Dave sich um und legte sich schließlich verdattert die Hände auf den Brustkorb: „Meinen Sie mich, April?“ er konnte sein Glück kaum fassen. „Natürlich! Ich muß mich doch schließlich bei Ihnen bedanken, daß Sie Ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt haben...“ „M...mit dem allergrößten Vergnügen...“ stotterte unser armer Held, ohne zu wissen, wie ihm gerade geschah. „Gut“, flötete April heiter, „holen Sie mich um kurz vor acht am Haupteingang des Kavallerie-Oberkommandos ab, ich werde dem Pförtner Bescheid sagen, damit er Sie auf den Campus läßt!“ und schon stob sie davon und überließ den verdatterten Dave seinem Schicksal: „Dann bis heute abend...“ rief er ihr noch hinterher, doch er war sich nicht sicher, ob sie es noch gehört hatte. Auf dem kurzen Weg zum Tower schossen hunderte von Gedanken durch Aprils Kopf, angefangen mit der einfachen Frage, wieso zum Geier sie diesen wildfremden Mann zu einem Bankett eingeladen hatte, bis hin zu dem heiklen Thema, was sie zu diesem Anlaß am besten anziehen sollte. Ihre Wangen glühten, obwohl der kurze Sprint sie keinerlei Anstrengung gekostet hatte, und ihr Herz raste wie wild. Was war das nur plötzlich für ein komisches Gefühl, das von ihrem Körper Besitz zu ergreifen schien? Konnte es sein, daß sie sich doch ein wenig in diesen charmanten Offizier verguckt hatte? Nein, unmöglich, sie hatte ihn rein aus Höflichkeit zu dieser Feier eingeladen, um ihm zu zeigen, wie dankbar sie für seine Tat war! Aber warum konnte sie sich diesen Tatbestand selber nicht so ganz abkaufen? Im Raumhafengebäude steuerte sie schnurstracks auf das kleine Büro ihres Vaters zu. Normalerweise war Commander Eagle zwar im Hauptgebäude des Kavallerie-Oberkommandos anzutreffen, doch gelegentlich zog er sich auch hierhin zurück, wenn er sich etwas Ruhe von all dem Streß und dem Trubel gönnen wollte. April wußte, daß er sich momentan hier auf dem Raumhafen aufhielt, denn sie hatte vor gerade erst einer halben Stunde dort mit ihm geredet, um herauszufinden, wo sich Fireball aufhielt. Und tatsächlich, der Commander saß in Gedanken versunken am Schreibtisch seines kleinen Büros, als seine Tochter ohne Vorwarnung ins Zimmer gestürmt kam. „Meine Güte, April, hast Du mich erschreckt“, er bemerkte sofort, wie ausgelassen sie war, „mir scheint, Du hast Fireball gefunden!“ er setzte ein verschmitztes Grinsen auf. „Was, Fireball“, April reagierte geradewegs so, als hätte sie den Namen Fireball noch nie zuvor gehört, „ach so, ja, ja, habe ich, habe ich!“ kess schwang sie sich auf den Schreibtisch ihres Vaters und setzte den treuesten Hundeblick auf, den eine Tochter nur haben konnte: „Oh Daddy, ich brauche unbedingt noch ein neues Kleid für den Empfang heute abend!“ Eagle konnte ein tiefes Lachen nicht unterdrücken: „Erbarmungslos und direkt, wie Deine Mutter... aber sag mal, das Kleid, das Du gestern getragen hast...“ „Genau, gestern“, sie verzog den Mund noch ein wenig mehr, „wie sieht das denn aus, wenn der Star des abends zweimal mit dem gleichen Kleid aufkreuzt? Da kann man sich doch nicht mit mir blicken lassen!“ „Da hast Du natürlich recht mein Kleines“, gefügig holte der Commander sein Portemonnaie hervor und überreichte es bereitwillig seiner Tochter, deren Augen sofort zu leuchten begannen, „dann sieh zu, daß Du hübsch aussiehst heute abend... wann holt er Dich denn ab?“ da war es wieder dieses verschmitzte Grinsen, welches sagen wollte: ‚Deinem alten Daddy kannst Du es ruhig erzählen, ich weiß doch sowieso Bescheid!‘ „Wie“, April blickte erstaunt hoch, als sie die Geldbörse in ihrem Overall verschwinden ließ, sie war offensichtlich mit den Gedanken ganz woanders, „ach so, Du meinst zum Bankett... um kurz vor acht! Jetzt muß ich aber los Daddy, machs gut und danke noch einmal!“ flüchtig drückte sie Commander Eagle einen Kuß auf die Wange und stob aus dem Büro. ‚Junge Liebe‘, murmelte der Commander, als die Tür hinter seiner Tochter ins Schloß gefallen war, ‚ich muß zusehen, daß ich Fireball langsam mal ins Gebet nehme. Er ist der einzige, der meine kleine April so zum Strahlen bringen kann...‘ mit einem ahnungsvollen Lächeln auf den Lippen machte er sich wieder an seine Arbeit. Es war natürlich äußerst leichtsinnig von ihm gewesen, April einfach so seine Brieftasche zu überlassen, aber er hatte ja nicht wissen können, daß sie mit einem ‚neuen Kleid‘ gleich ein komplettes Outfit assoziierte. Den ganzen Nachmittag brachte sie damit zu, die Einkaufswelt von Yuma-City bis ins kleinste Detail zu erforschen, bis sie schließlich, vollbepackt mit allerlei Tüten und Schachteln, in Robins Apartment stand, um ihrer Freundin die neuen Errungenschaften zu präsentieren. „Meine Güte“, murmelte Robin verblüfft und bestaunte die Einkäufe, die April mit viel Eifer auf der Couch ausbreitete, „das muß ein halbes Vermögen gekostet haben, April. Wie um alles in der Welt kannst Du Dir das leisten?“ „Sponsored by Daddy!“ grinste April zufrieden und wedelte mit der kleinen goldenen Plastikkarte ihres Vaters, mit der sie sich all diese schönen Dinge angeeignet hatte. Da war zuerst einmal ein dunkelblaues Samtkleid mit verführerischem Dekolleté, das mit silbernen Fäden durchwoben war und schimmerte wie ein aufgehender Stern. Es hatte kleine bauschige Puffärmel und reichte bis knapp zu den Knien. Dazu gab es einen passenden Samtblazer, Lederstiefel, die ebenfalls fast bis zu den Knien reichten, ein fein gearbeitetes Silbercollier mit passenden Haarspangen und Ohrringen dazu, und letztendlich... „Sag mal, wem willst Du denn damit imponieren?“ Robin hielt sich mit leicht rotem Kopf das weiße Seidennegligé an, das April ganz zum Schluß ausgepackt hatte. Die Antwort auf die Frage war ein spitzbübisches Kichern: „Wer weiß, der Abend hat ja noch nicht einmal angefangen“, sie griff sich das passende durchsichtige Höschen dazu und hielt es sich vor die Augen, „aber es ist doch immer gut, auf alles vorbereitet zu sein!“ Robin schüttelte beinahe schockiert den Kopf: „So kenne ich Dich ja überhaupt nicht, April, ist irgend etwas vorgefallen, von dem ich nichts weiß?“ „Noch nicht“, grinste diese verschmitzt, während sie ihr Hab und Gut wieder in Sack und Tüten verstaute, „aber wenn etwas erwähnenswertes passieren sollte, dann bist Du die erste, die es erfährt!“ „Langsam mache ich mir doch ernsthaft Sorgen um Dich. Bist Du sicher, daß...“ Ungeduldig nickte April mit dem Kopf: „Ja, bin ich. Es ist lieb von Dir, daß Du besorgt um mich bist, aber dazu besteht wirklich kein Anlaß!“ vor ihrem geistigen Auge tauchte zum wievielten Mal auch immer seit jenem Vorfall am Raumhafen das Bild von Dave auf, wie er verlegen zu Boden geschaut, und ihre Augen begannen von Neuem zu leuchten: „Nun muß ich aber los, Robin, wenn ich mich bis zum Bankett fertig machen will, muß ich mich langsam sputen!“ „Aber...“, Robin blickte skeptisch auf ihren Chronometer, „die Feier beginnt doch erst in vier Stunden!“ langsam wußte sie mit Sicherheit, daß mit April etwas nicht stimmte. „Eben!“ April drückte ihrer Freundin einen Kuß auf die Wange: „Wir sehen uns dann ja heute abend.“ ‚Sie hat mich nicht einmal gefragt, was aus meinem Streit mit Colt geworden ist. Dabei ist das sonst gar nicht ihre Art. Vielleicht hat sie es natürlich auch nur vergessen, aber so aufgedreht habe ich sie schon Ewigkeiten nicht mehr erlebt. Da bin ich ja wirklich mal gespannt. Ob Fireball dahinter steckt?‘ Und schon war sie die zweite im Bunde, die Aprils gute Laune dem jüngsten Mitglied des Star Sheriffs anrechnen wollte, doch dieser hatte im Moment ganz andere Sorgen. Er hatte seine Arbeit im Hangar abgebrochen, weil er sich aufgrund des Zwischenfalls mit April sowieso nicht mehr darauf hatte konzentrieren können. Und wenn er nicht mit vollem Einsatz bei der Sache war, würde er wahrscheinlich eher Schaden anrichten, als seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen. Also schickte er Mandarin kurzerhand nach Hause und zog sich in sein Apartment zurück, um sich erst einmal den Frust und vor allem den Dreck vom Leib zu waschen. Das kühle Wasser beruhigte sein erhitztes Gemüt ein wenig, doch in Gedanken war er noch immer bei April. Wieso hatte er sie aber auch einfach so gehen lassen, anstatt die Sache ein für allemal aufzuklären, so wie Colt ihm indirekt geraten hatte. Natürlich hätte er dann auch erklären müssen, wieso er überhaupt mit Mandarin in dem Hangar gewesen war, und das war es ja eigentlich, was er vermeiden wollte. Er hatte April und seine Freunde nicht mit in diese Sache mit reinziehen wollen, weil sie ihm zu gefährlich erschienen war. Deswegen hatte er Mandarin um ihre Hilfe gebeten, obwohl das im Grunde genommen ziemlich unfair ihr gegenüber gewesen war. Fireball griff nach seinem Duschgel und schäumte sich den Oberkörper ein. Natürlich hatte er Mandarin auf die Risiken aufmerksam gemacht, und trotzdem war er bereit gewesen, sie der Gefahr auszusetzen, vor der er seine Freunde beschützen wollte! Wahrscheinlich hatte er die Ohrfeige von April sogar verdient, wenn auch nicht für das, wofür sie gedacht gewesen war. April... da war sie wieder... völlig am Boden zerstört, und das alles nur wegen eines dummen Mißverständnisses. Abwesend stellte Fireball das Wasser ab und verließ die Dusche. Wieso hatte er nicht wenigstens den Versuch unternommen, ihr alles zu erklären? Sie hätte es mit Sicherheit verstanden! Er wickelte sich ein Handtuch um die Taille und tigerte hinüber ins Wohnzimmer. Diese Situation war einfach unerträglich für ihn, wie mußte es da erst der armen April gehen. Die saß wahrscheinlich momentan in ihrem Zimmer und heulte sich seinetwegen die Augen aus dem Kopf, und das nur, weil er seit Monaten zu feige war, ihr endlich reinen Wein einzuschenken, was seine Gefühle betraf. So konnte es unmöglich weitergehen. Er mußte die Dinge endlich richtig stellen, bevor noch etwas geschah, was er nicht wieder gut machen konnte. Am besten würde es sein, wenn er sie kurz vor dem Bankett an diesem Abend abholen würde, um endlich mit ihr über all die unausgesprochenen Gefühle und Sehnsüchte zu sprechen, die anscheinend nicht nur ihn quälten. Ja, das würde das beste sein. Er nahm das Handtuch ab und begann sich seine Haare damit trocken zu rubbeln. Heute abend würde er endlich mit der Wahrheit herausrücken und April sagen, was er für sie empfand! Doch als er dann gegen halb acht vor Aprils Zimmertür stand, war seine Entschlossenheit plötzlich wie weggeblasen. Was, wenn sie ihm gar nicht zuhören würde, wenn er sie schon längst verloren hatte, durch seine eigene Dummheit? Seine Knie wurden weich und eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Nicht gerade die romantischen Gefühle, die er sich für diesen Augenblick immer vorgestellt hatte! ‚Reiß Dich verdammt noch mal zusammen!‘ ermahnte ihn seine innere Stimme. ‚Es ist vollkommen gleichgültig, ob sie Dir zuhören wird, oder nicht, wenn Du sie verloren hast, dann hast Du selber Schuld, das ist dann Dein Problem. Aber sie hat wenigstens ein Recht auf die Wahrheit!‘ Er atmete tief durch und klopfte zaghaft an die Tür, in der Hoffnung, sie würde verschlossen bleiben. Sein Herz schien in seinem Brustkorb zerspringen zu wollen und der Kragen seines Hemdes schnürte ihm die Kehle zu, doch tatsächlich, die Tür blieb zu! Beinahe hätte sich Fireball seufzend damit abgefunden, daß sein Plan zum Scheitern verurteilt war, doch dann besann er sich eines Besseren. Wenn er es April jetzt nicht sagen würde, dann vielleicht niemals. Also klopfte er ein zweites Mal, länger und ein wenig lauter, doch wieder geschah nichts, die Tür blieb geschlossen. Vorsichtig legte Fireball ein Ohr an das Holz um festzustellen, ob sich im Inneren des Zimmers etwas bewegte, und tatsächlich. Es war zwar nur sehr leise zu hören, aber es war unverkennbar: April mußte unter der Dusche sein! Unschlüssig umfaßte Fireball den Türknauf. Sollte er einfach so in ihr Apartment platzen, während sie unter der Dusche stand? Einerseits hatte er etwas sehr wichtiges auf dem Herzen, das keinen Aufschub duldete, andererseits ziemte es sich nicht unbedingt für einen jungen Mann unaufgefordert in das Zimmer einer Frau einzudringen, während diese ahnungslos unter der Dusche stand. Aber letztendlich war es doch egal, denn entweder würde April ihn trotz seines Geständnisses zum Teufel jagen, dann würde sie sowieso nie wieder ein Wort mit ihm reden, oder sie würden sich versöhnen, und dann war es doch schließlich in Ordnung, wenn er sie unter der Dusche überraschte! Langsam drehte er den Türknauf herum und schlich sich wie ein Dieb in das Apartment. Das Duschgeräusch war nun schon wesentlich besser zu vernehmen, aber da war noch irgend etwas anderes, das Fireball aus dem Bad hören konnte: April sang! Er konnte nicht verstehen, was für ein Lied es war, oder ob es sich überhaupt um ein Lied handelte, aber auf jeden Fall sang sie. Fireball atmete erleichtert auf. Anscheinend hatte sich ihre Laune seit dem Mittag wesentlich gebessert, was bedeutete, daß seine Chancen auf einen positiven Ausgang auf einmal enorm in die Höhe schnellten. Er wurde etwas lockerer und trat ins Wohnzimmer, wo April ihre neue Garderobe wie zuvor in Robins Apartment auf dem Sofa drapiert hatte. ‚Ein neues Kleid!‘ stellte Fire zufrieden fest: ‚Wenn sie sich extra für heute abend ein neues Kleid gekauft hat, dann muß ihre Laune schon außerordentlich gut sein.‘ Gerade versuchte er sich vorzustellen, wie zauberhaft und engelsgleich April in diesem Kleid wohl aussehen würde, da fiel sein Blick auf die ebenfalls neu erworbene Unterwäsche. Sein Atem stockte, als er die hauchzarten Kleidungsstücke in die Hände nahm und so gut wie durch sie hindurch sehen konnte. Vor seinem geistigen Auge manifestierte sich ein unbeschreibliches Bild, von dem er zuvor nie zu träumen gewagt hätte. April, die auf seinem Sofa lag, so wie er sie früh am morgen auch vorgefunden hatte, mit offenen Haaren und nichts weiter bekleidet, als dieser zarten Unterwäsche. Diese Vorstellung schlug ihn so in den Bann, daß er weder bemerkte, daß die Dusche im Nebenzimmer ausgestellt wurde, noch daß einige Minuten später eine fröhlich pfeifende April, nur mit einem Handtuch bekleidet, das Wohnzimmer betrat. „Was hast Du denn hier verloren?“ schlagartig hatte sie im Pfeifen innegehalten, als sie Fireball entdeckt hatte und verschränkte erbost die Arme vor der Brust, offenbar nicht mehr ganz gewahr, wie sie gekleidet war. Erschrocken fuhr Fireball aus seiner Trance auf und wirbelte zu April herum, wobei er versuchte, das Negligé hinter seinem Rücken zu verstecken: „April, Du...“ ‚siehst umwerfend aus‘ hätte er den Satz beinahe vervollständigt, denn wie sie so dort stand, mit dem Handtuch eng um ihren schlanken Körper gebunden, die langen Haare zu einer Hochfrisur gesteckt und zarte Schweißperlen auf der Stirn, war sie noch tausendmal atemberaubender, als er sich in seinen kühnsten Träumen je hätte ausmalen können. Doch der Zauber war nicht von sehr langer Dauer. „Ich glaube, ich habe mich vorhin wohl nicht klar genug ausgedrückt. Ich will Dich nicht mehr sehen, kapiert!“ sie spuckte beinahe Feuer und ihre Augen schienen wie zwei Kohlen zu glühen. „Ja, ich weiß. Ich bin auch nur gekommen, um Dir zu sagen...“ „Spar Dir Deine Worte, ich will sie nicht hören.“ Fauchte sie wild. Jetzt begann Fireball ins Schwimmen zu geraten: „April, so hör mir doch zu, das ganze war doch nur ein dummes Mißverständnis...“ „Pah“, schnitt sie ihm erneut das Wort ab. „daß ich nicht lache. Deine kleine Freundin hat mir schon erzählt, was es da zu verstehen gibt, und glaube mir, ich bin an keinen weiteren Erklärungen interessiert, und jetzt verschwinde!“ „Würdest Du mir jetzt bitte endlich mal zuhören?“ Fireball verlor die Kontrolle. Was sollte er bloß tun, daß es so schwierig werden würde, hätte er nicht gedacht. „Verdammt noch mal, bist Du taub? Zieh Leine, mach‘ ne Mücke, ich habe genug von Dir!“ energisch wies sie mit der linken Hand zur Tür, doch Fireball blieb standhaft. „Und wenn Du mir noch mal eine scheuerst, ich bleibe so lange hier, bis Du mich endlich zu Wort kommen läßt!“ Schnaubend stürmte sie auf ihn zu wollte nach den Sachen greifen, die auf dem Sofa verteilt lagen: „Bitte schön, wie Du willst, gehe ich halt in mein Schlafzimmer!“ doch noch ehe sie ihr Kleid zu fassen bekam, hielt Fire sie schon an einem ihrer Handgelenke fest: „Du gehst nirgendwo hin, bevor ich nicht gesagt habe, was ich Dir zu sagen habe!“ „Laß mich sofort los!“ zischte April drohend, aber Fireball dachte gar nicht daran: „Nein, werde ich nicht. Und ich würde Dir auch raten, Dich nicht allzu doll zu wehren, denn sonst wird Dein Handtuch wohl möglich noch ganz runter fallen!“ damit spielte er auf Aprils schon bedächtig tief hängende Bekleidung an, die sie mühsam mit einer Hand nach oben zu ziehen versuchte: „Wenn Du nicht gleich losläßt, dann schreie ich!“ Doch soweit mußte es gar nicht mehr kommen, denn in dem Moment piepste die Sprechanlage an Aprils Schreibtisch: „Miss Eagle, sind Sie da?“ Vor Schreck ließ Fireball ihren Arm los und April sprang wütend einen Meter zur Seite. Energisch rückte sie ihr Handtuch zurecht, bevor sie auf den Funkspruch anwortete: „Ja, was gibt es denn?“ fragte sie unwirsch, ohne Fireball aus den Augen zu lassen. „Ähm, tut mir leid, Sie zu stören Miss“, entschuldigte sich die Stimme überaus höflich, „aber hier unten am Tor ist ein gewisser David Scott, der behauptet, mit Ihnen zum Bankett verabredet zu sein!“ „Oh Gott, jetzt schon?“ April sah entgeistert zur Uhr, während Fireball wiederum entgeistert zu ihr blickte: „Wer zur Hölle ist David Scott?“ „Oh man, ich habe total vergessen, der Wache Bescheid zu geben, daß sie ihn durchlassen sollen!“ murmelte sie im Selbstgespräch. „Wer ist dieser David Scott?“ fragte Fireball nun noch energischer. „Kannst Du nicht einmal die Klappe halten“, schrie sie ihn plötzlich an und sagte im nächsten Moment ganz ruhig zu der Wache, „Ja, das ist in Ordnung. Bitte zeigen Sie ihm, wie er zur Lounge kommt, er möchte dort bitte auf mich warten!“ Die Leitung knackte und April fuhr hektisch herum: „Oh Gott, wie soll ich das denn jetzt so schnell schaffen? Das ist alles Deine Schuld!“ giftete sie Fireball an, doch dessen Gesichtsausdruck hatte sich während ihrer Antwort an den Wachmann in ein zynisches Grinsen verwandelt: „Deshalb also das neue Kleid, ja! Wegen diesem...“ „Ja, ganz genau, deshalb das neue Kleid, was dagegen? Wenn Du mit Deiner kleinen Mandarin in schmierigen Wartungshallen rummachen kannst, dann werde ich mir ja wohl für eine Verabredung ein neues Kleid kaufen können, ohne Dich vorher zu fragen!“ sie konnte nicht genau sagen warum, doch April hatte tatsächlich den leichten Anflug von Schuldgefühlen gegenüber Fireball. Doch das hätte sie natürlich niemals zugegeben. „Tja, weißt Du“, Fireballs Enttäuschung kannte keine Grenzen, und deshalb sagte er, ohne es eigentlich zu wollen, etwas sehr dummes, das er hinterher bitter bereuen sollte, „wenn Du extra für mich auch mal so süße Unterwäsche gekauft hättest, anstatt mir Ohrfeigen zu verpassen“, er hielt das Negligé triumphierend in die Höhe, „dann würde ich mich jetzt auch nicht mit Mandarin in irgendwelchen Wartungshallen herumtreiben, wenn Du verstehst was ich meine!“ „Gib das sofort her“, sie riß ihm das dünne Stückchen Stoff aus den Händen, „wofür hältst Du mich eigentlich? Das habe ich schon lange, damit Du es weißt!“ April sah sich in die Ecke gedrängt, wobei sie völlig überhört zu haben schien, was Fireball zum Schluß gesagt hatte. Sie mußte ihre Ehre verteidigen! „Deshalb ist auch noch das Preisschild dran, nicht wahr!“ grinste er und ging ohne noch ein weiteres Wort zur Tür. „Es...es geht Dich gar nichts an, was ich mir kaufe! Du bist schließlich nicht mein Vater!“ rief sie ihm wütend hinterher, um ihn wieder in die Diskussion zu verstricken, denn irgendwie wollte sie nicht, daß er jetzt ging. „Du hast recht. Was Du tust, geht mich nichts mehr an!“ damit ließ er die Tür hinter sich ins Schloß fallen und ließ eine völlig am Boden zerstörte April allein zurück. „Fireball...“ wisperte sie leise und sank auf ihr Sofa, den Tränen nahe, „komm zurück!“ Doch dafür war es nun zu spät. Er war gekommen, um ihr etwas zu sagen, doch sie hatte ihn gar nicht zu Wort kommen lassen. Nun hatte sie ihn aus ihrem Leben vergrault, vielleicht für immer... Kapitel 2: Ein Ende mit Schrecken --------------------------------- „Dieses Bankett ist doch klasse, oder?“ Colt schob sich gerade seinen dreizehnten Schrimp-Spieß in den Mund, während Robin und Saber Rider sich angeregt über die Friedensbewegung unterhielten. „Wie meinen?“ räusperte sich der Säbelschwinger und betrachtete skeptisch den Teller mit den vielen Holzspießen, den Colt in den Händen hielt. „Na, ich meine keine langen Reden, kein großes Gehabe um uns“, er schmatzte genüsslich und griff wieder hinter sich zum Buffet, „hier kann man es sich so richtig gut gehen lassen, ohne ständig auf dem Podium flanieren zu müssen!“ „Na, dass Du es Dir gut gehen lässt, sieht man“, bemerkte Robin leicht bissig, „wenn Du so weitermachst, platzt Du noch aus allen Nähten.“ „Ah, Blödsinn“, murmelte der Cowboy, „liebste Robin, Du weißt doch, ich kann essen soviel ich will, ich werde niemals dick!“ „Ja, und satt auch nicht!“ grinste Saber und schlug Colt auf den Rücken, woraufhin dieser sich mächtig verschluckte: „Mensch, pass doch auf, denk an meine verletzte Schulter!“ „Siehst Du wohl“, Robin hob tadelnd den Zeigefinger, „so kann es einem gehen, wenn man den Mund nicht voll kriegt!“ „Was denn, ich habe doch gar nichts gemacht...“ „Komm Robin, wir wollen mal sehen, ob wir nicht ein bisschen das Tanzbein schwingen können. Der arme Colt ist ja mit seiner schweren Verletzung leider zum Stillstehen verdonnert!“ und schon ließen Robin und Saber den Cowboy lachend stehen und gingen hinüber zur Tanzfläche: „Hey, das ist nicht fair...“, Colt wollte protestieren, doch das war zwecklos, „na bitte, dann geht doch wenn Ihr wollt, macht mir gar nichts aus! Ich kann mich auch prima alleine vergnügen!“ beleidigt lehnte er sich an die Wand neben dem Buffettisch und beobachtete die Feier. Es mussten wohl so an die vierhundert Gäste sein, die sich am Buffet, den verschiedenen Bars und vornehmlich auf der Tanzfläche tummelten, noch mehr, als gestern auf dem Empfang des Kavallerie-Oberkommandos. Aber das war natürlich auch ein hoch offizieller Akt gewesen, bei dem man sich eigentlich nicht großartig hatte amüsieren können, sondern bei dem man sich von sämtlichen Oberhäuptern des neuen Grenzlandes hatte auf die Schulter klopfen lassen, für das, was sie im Kampf gegen die Outrider geleistet hatten. Natürlich hatte es auch dort Musik und Tanz gegeben, aber die hatten sich auf ein klassisches Orchester und Walzer beschränkt, eben ganz der Gelegenheit und der Umgebung angepasst. Dieser Empfang fand in einer umgebauten Scheune statt, die bunt geschmückt war mit bunten Lampions und Girlanden, nicht mit Kronleuchtern und edlen Gemälden. Es herrschte eine angenehme und gemütliche Atmosphäre, zu der eine Country-Band ihre Stücke zum Besten gab. Das ärgerte Colt aber im Moment ganz gewaltig, denn er als waschechter Cowboy liebte so etwas, das war quasi seine Welt. Hier nun rumstehen zu müssen, während Saber mit seiner Verlobten beschwingt über das Parkett fegte, wie die meisten anderen auch, wurmte ihn doch sehr. Zerknirscht sah er sich um, ob er irgendwo ein vertrautes Gesicht ausmachen konnte, mit dem sich ein kleiner Plausch gelohnt hätte, und dabei blieb sein erstaunter Blick an einem Pärchen auf der Tanzfläche hängen. Zuerst glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können, doch auch bei näherer Betrachtung änderte sich das Bild, das sich ihm da bot, nicht. Dort waren Fireball und Mandarin, die ziemlich eng umschlungen einen Lambada ähnlichen Tanz hinlegten, bei dem man nicht mehr genau sagen konnte, wo Fireball aufhörte und Mandarin anfing. Colt fiel sprichwörtlich die Kinnlade herunter, als er mit ansah, wie sich sein bester Freund dort drüben ziemlich freizügig an ein Mädchen heranmachte, von dem er am Vorabend noch Stein und Bein geschworen hatte, dass sie ihn überhaupt nicht interessierte. Mandarins Hände wanderten seinen Rücken rauf und runter, wobei sie immer besonders lange damit zubrachten, die Taschen von Fireballs Hose zu inspizieren, während man seine Hände eigentlich gar nicht mehr sehen konnte, da diese schon vor einiger Zeit im Rückteil ihrer Bluse verschwunden waren. Die Gesichter der beiden glühten geradezu, und immer, wenn sich ihre Blicke trafen, funkelten sie sich leidenschaftlich an. Colt kniff sich gerade zum fünften Mal in den gesunden Arm, weil er nicht glauben wollte, was er da mit ansehen musste. Was sollte die arme April bloß dazu sagen, wenn sie das sehen würde? Das würde sicherlich ihr Herz brechen! Er musste etwas tun, sonst würde dieser Abend in einer Katastrophe enden. Er schaute zurück auf die Tanzfläche, wild entschlossen, diesem zügellosen Treiben ein Ende zu setzen, doch Fireball und Mandarin waren verschwunden. Verdutzt suchte Colt den Raum nach ihnen ab und dachte schon, er hätte sie verloren, als er sie gerade noch durch einen kleinen Seitenausgang in den Pavillon huschen sah. „Na warte, Freundchen, so kommst Du mir nicht davon, Du kannst was erleben!“ mit diesen Worten marschierte er festen Schrittes mitten durch die Tanzfläche, um den beiden auf den Fersen zu bleiben. „Colt, wo willst Du hin?“ Robin und Saber, die sich gerade wieder zu ihm gesellen wollten, blickten ihm verwundert hinterher, als er ziemlich zornig an ihnen vorbei stapfte: „Ich muss da mal ein paar Dinge klären, dauert nicht lange!“ und schon war er fort. Saber sah Robin fragend an, doch auch diese konnte nur mit den Schultern zucken. „Ob er sauer auf uns ist, weil wir einfach so gegangen sind?“ murmelte sie schuldbewusst, doch Saber konnte sie schnell wieder beruhigen: „Keine Sorge Robin, ich kenne ihn. Wenn er so einen Blick drauf hat, dann ist ihm eine gewaltige Laus über die Leber gelaufen, für die wir beide nicht verantwortlich sind!“ Und während die beiden noch rätselten, was für ein Insekt Colt nun wieder gestochen hatte, war der bereits bei dem kleinen, menschenleeren Pavillon angekommen. Auf Anhieb konnte er nicht sonderlich viel erkennen, weil hier weder elektrisches Licht noch Lampions brannten, und die vielen Palmen und anderen Sträucher einem die Sicht zusätzlich erschwerten. Das war wohl auch der Grund dafür, warum sich niemand an diesem Ort aufhielt, denn drinnen in der Scheune war es doch wesentlich gemütlicher! Vorsichtig tastete sich der Cowboy durchs Dunkel, um sich ja nicht vorzeitig durch einen unüberlegten Schritt zu verraten. Er schlich sich Meter für Meter nach vorne, bis er auf einen kleinen Platz blicken konnte, der ein wenig vom Mondlicht erhellt wurde, das durch die Glaskuppel hereinfiel. Und dort standen sein Freund und die Anführerin eines der besten Kampfgeschwaders des Grenzlandes in ziemlich eindeutiger Pose; jedenfalls vermutete Colt, dass es sich um die beiden handelte. Er konnte ihre Umrisse nicht gut erkennen, weil ihre Silhouetten miteinander verschmolzen waren. Er hörte ein leises Kichern, gefolgt von einem Flüstern, das dieses Mal unverkennbar Mandarins Identität verriet, denn so eine schrille Stimme wie sie hatte sonst keine zweite Frau, die er kannte: „Was ist denn auf einmal los mit Dir? Heut Nachmittag warst Du noch so ... vernünftig, und jetzt bist Du plötzlich die Leidenschaft in Person, Fire!“ „Womit auch das Rätsel um die zweite Person geklärt wäre!“ grummelte Colt sarkastisch. Daraufhin herrschte wieder Stille, die nur ganz gelegentlich von einem leisen Seufzen unterbrochen wurde. Der Cowboy schüttelte sich vor Ekel, als er sich vorstellte, dass die beiden aneinander hingen, wie die Kletten. „Mandarin...“ murmelte Fireball atemlos, „was meinst Du, wollen wir hier nicht verschwinden und uns ein Plätzchen suchen, wo uns niemand stört?“ Wieder dieses Kichern: „Wie wäre es mit Deinem Apartment? Bei mir kann man nie sicher sein, dass nicht zufällig jemand aus meiner Staffel vorbei schaut!“ „Glaubst Du, sie würden Dich vermissen, wenn Du morgen nicht zum Frühstück erscheinen würdest?“ Fireballs Worte hingen eine Weile in der Luft, bis Mandarin sich zu einer Antwort durchringen konnte: „Fireball, heißt das ...“ Nun fand Colt, dass es an der Zeit für seinen Auftritt war: „Ich denke, dass heißt, dass unser guter Mr. Fireball ein bisschen zu viel über den Durst getrunken hat!“ Das Pärchen wich erschrocken auseinander, als der Cowboy plötzlich aus dem Gebüsch zu ihnen hinaus ins Freie trat. „Colt“, Fireball war entsetzt. Einerseits, weil sein Freund ihn anscheinend beobachtet hatte, andererseits, weil er bei einer Sache ertappt worden war, von der er eigentlich selber wusste, dass sie nicht in Ordnung war, „was zum Teufel treibst Du hier?“ Der Cowboy verschränkte theatralisch die Arme vor der Brust und setzte ein breites Grinsen auf: „Sagen wir, ich versuche Dich vor einem ziemlich dummen Fehler zu bewahren!“ an Mandarin gewandt murmelte er: „Ich denke es ist besser, wenn Du Dich wieder unter das Volk mischst. Du wirst sicherlich nicht mit ansehen wollen, was jetzt kommt!“ „Oh, hört, hört, der große Viehtreiber hat gesprochen. Ich denke, Du solltest Dich lieber unters Volk mischen und uns in Frieden lassen, kapiert!“ Fireball knurrte seinen Freund an wie ein tollwütiger Hund, was Mandarin irgendwie Angst machte. Mit einem verzerrten Lächeln und erhobenen Händen machte sie sich vorsichtig in Richtung Scheune davon: „Ich denke, es ist besser, wenn ich Euch Jungs für einen Moment alleine lasse, habe ich recht!“ „Mandarin...“ Fireball wollte ihr sofort hinterher, doch Colt packte ihn fest am Arm und wartete noch einen Augenblick ab, bis das Mädchen außer Reichweite war, dann schleuderte er seinen Freund mit voller Wucht zu Boden: „Was glaubst Du eigentlich, was Du hier treibst, hombre, he?“ wütend starrte er auf ihn hinab, wartete aber mit seiner nächsten Attacke, bis Fireball sich mühsam wieder aufgerappelt hatte. Colt hatte mit der Vermutung was den übermäßigen Alkoholkonsum anging anscheinend nicht unrecht gehabt, denn der Rennfahrer war offensichtlich nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. „Was fällt Dir eigentlich ein, Kuhhirte? Hast Du nichts Besseres zu tun, als rumzurennen und anderen Leuten die Tour zu vermasseln?“ er schnaubte schwer und versuchte das Gleichgewicht zu halten. „Oh, entschuldige, Fireball“, erwiderte Colt mit gespieltem Bedauern, „es tut mir unheimlich leid, wenn ich Dir die Tour vermasselt haben sollte, aber ich dachte, Du solltest vielleicht erstmal wieder zu Sinnen kommen, bevor Du Dich auf ein horizontales Abenteuer mit unserem kleinen Captain einlässt.“ „Das geht Dich einen Dreck an, kapiert!“ Fireball blickte seinem Freund in die Augen, so als wollte er ihn mit seinen Blicken töten. „Dummer Weise geht es mich schon etwas an, wenn unsere süße April Deinetwegen Liebeskummer bekommt. Obwohl ich mir im Moment nicht erklären kann, was sie an einem Typen wie Dir findet...“ verächtlich spuckte der Cowboy auf den Boden. Doch die erwartet reumütige Reaktion von Fireballs Seite blieb aus. Stattdessen begann dieser nur sarkastisch zu lachen: „Unsere süße April, ja! Um die mach Dir mal keine Sorgen, die bereitet sich schon selbst auf ein horizontales Abenteuer vor!“ aber irgendwie schien Colt doch einen wunden Punkt erwischt zu haben, denn Fire senkte niedergeschmettert die Augen und atmete tief durch, so als müsste er sich selbst wieder unter Kontrolle bringen. „Was soll das heißen?“ Colt war wie vom Blitz getroffen. War da etwa ein Fünkchen Wahrheit dran, oder erfand sein Freund in seinem Rausch wilde Geschichten? „Wieso gehst Du nicht zu ihr und fragst sie danach. Wenn Du mir hinterher schnüffeln kannst, wieso dann nicht auch ihr?“ er wollte an Colt vorbei, doch dieser hielt ihn wieder am Arm fest: „Wenn Du mir nicht sofort sagst, wie Du das gemeint hast, dann werde ich es aus Dir herausprügeln!“ „Uh, jetzt habe ich aber Angst, Cowboy!“ Colt beschlich langsam die Verzweiflung. Was sollte er mit diesem betrunkenen Fireball bloß anfangen, um ihn wieder einigermaßen zur Vernunft zu bringen? Ihn wirklich zu schlagen ging gegen seine Prinzipien, denn sein Gegenüber hätte wohl kaum die Chance gehabt, sich zur Wehr zu setzen. Da fiel Colts Blick auf einen kleinen Brunnen, der einige Meter entfernt leise vor sich hin sprudelte. Entschlossen schleifte er den zappelnden Fireball mit sich, der gar nicht recht wusste, wie ihm geschah, bis sein Kopf plötzlich in eiskaltes Wasser eingetaucht wurde. Er strampelte und ruderte mit den Armen, doch Colt war erbarmungslos. Erst nach zwanzig Sekunden zog er seinen Freund am Kragen nach oben, der prustend und Wasser spuckend fluchte: „Verdammt Colt, willst Du mich umbringen, oder was!“ „Sagst Du mir jetzt, wie Du das eben mit April gemeint hast, oder nicht?“ „Scher Dich doch zum Teufel...“ diese Antwort bescherte Fireball ein weiteres unfreiwilliges Bad im kühlen Nass. „Und, wie sieht es jetzt aus?“ „Was willst Du eigentlich von mir, hab ich irgendwas...“ und zum dritten Mal tauchte Colt den Kopf seines Freundes unter Wasser, woraufhin dieser schließlich resignierte: „Okay, okay, ich erzähl Dir ja alles, was Du wissen willst, nur hör endlich auf mit dem Schwachsinn!“ flehte er, als er zum Luft holen an die Oberfläche kam. Colt setze ein zufriedenes Grinsen auf: „Robin wäre bestimmt stolz auf mich, ich habe eine schwierige Situation hervorragend gemeistert, ganz ohne rohe Gewalt!“ schoss es ihm durch den Kopf. Er ließ Fireball los, damit sich dieser ein wenig erholen konnte, während er es sich auf dem Brunnenrand gemütlich machte. Fire hockte hustend am Boden und versuchte, etwas Klarheit in seinen Kopf zu bekommen, für die er anscheinend durch das kalte Wasser wieder etwas empfänglicher geworden war. Geschafft lehnte er sich an den kalten Stein und wischte sich eine Strähne seines triefenden Haares aus dem Gesicht. „Und, sagst Du mir jetzt endlich, was los gewesen ist?“ Colt wurde allmählich ungeduldig. Fireball hingegen stütze den Kopf in die Hände und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was an dem Tag alles geschehen war. An sich war er dankbar dafür, dass er endlich jemandem erzählen konnte, was in ihm vorging, doch auf eine so morbide Weise dazu gezwungen zu werden, kratzte ganz schön am Stolz. Besonders wenn einem langsam klar wurde, wie dämlich man sich verhalten hatte. Deshalb beschloss er auch, diese Konversation so kurz wie möglich zu halten, damit er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen konnte. Weg von Colt, weg von Saber und Robin, und ganz besonders von Mandarin! Fireball stieß einen kleinen Seufzer aus und legte angespannt den Kopf in den Nacken: „Also schön, da Du ja sowieso nicht locker lassen wirst, bis ich es Dir erzählt habe...“ „Du hast es erfasst, Amigo!“ erwartungsvoll verschränkte Colt die Arme und sah gespannt auf seinen Freund hinunter. „Eigentlich bist Du ja an allem Schuld!“ wenn das nicht ein Aufhänger war. „Wie bitte?“ wie vom Donner gerührt sprang der Cowboy auf: „Ich? Hab ich etwa gesagt, dass Du Dir die Birne zuknallen sollst, um hinterher die arme Mandarin zu verführen?“ das war ja wohl wirklich ein starkes Stück. Fireball schüttelte frustriert den Kopf: „Du hast mir gesagt, ich müsste endlich reinen Tisch mit April machen...“ „Ja, aber doch nicht so“, Colt rang mit den Händen, „ich hätte zwar nie gedacht, dass an der Sache mit Dir und Mandarin was dran ist, aber meinst Du nicht, es wäre April gegenüber einigermaßen fair gewesen, ihr die Sache schonend unter vier Augen beizubringen, als sie so knallhart...“ „Verdammt, würdest Du bitte die Klappe halten“, Fireball fuhr sich erneut durch die Haare, „es ist schon schwierig genug, auch ohne das Du ständig Deine überflüssigen Kommentare abgibst!“ „Ja, aber...“ „Soll ich nun weiter erzählen, oder nicht?“ das klang nicht nur wie eine leere Drohung, also nahm Colt schweigend wieder auf dem Brunnenrand Platz. Fireball atmete schwer, vielleicht steckte ja doch mehr hinter der Sache, als es zuerst den Anschein gemacht hatte! „Ich bin vorhin zu ihr gegangen, weil ich ihr endlich sagen wollte, was ich... na ja... Du weißt schon...“ Fireball hätte nie gedacht, dass es so schwierig sein würde, so offen über seine Gefühle zu reden. „Was Du für sie empfindest?“ Colt verzog unsicher das Gesicht, weil er befürchtete, wieder eine Rüge für diese unangekündigte Unterbrechung zu bekommen, doch diese blieb zu seiner Verwunderung aus. Stattdessen nickte Fireball nur unmerklich: „Ich war der Meinung, dass Du recht hattest damit. Von wegen klare Verhältnisse schaffen und so... Na, ja, jedenfalls bin ich hin zu ihr, aber sie hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen, was ich ja ehrlich gesagt auch ein bisschen verstehen kann...“ „Immer noch der Streit von gestern?“ Fireball räusperte sich nervös, entschied sich dann aber, Colt nichts von dem Vorfall im Hangar zu erzählen, da er ihm nach der eben geschehenen Szenen wahrscheinlich sowieso nicht geglaubt hätte: „Nein, aber das ist jetzt auch nicht so wichtig! Der springende Punkt ist, dass sie sich gerade in Schale werfen wollte, für einen Typen namens David Scott!“ Colt grübelte: „Aber ist es nicht normal, dass sie versucht, Dir so einen Denkzettel zu verpassen, um Dich aus der Reserve zu locken? Ich meine, ein bisschen Eifersucht hat noch niemandem geschadet, oder?“ „Du hast sie ja nicht gehört, wie sie unter der Dusche voller Vorfreude rumgeträllert hat“, murmelte Fireball niedergeschlagen, „und die neue Unterwäsche, die sie sich extra für den heutigen Anlass gekauft hat, die hast Du auch nicht gesehen...“ ein diabolisches Lächeln zuckte um seine Lippen, „aber an der war ja auch eigentlich nicht mehr viel dran, was man noch sehen konnte!“ Das verschlug Colt nun doch die Sprache. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen starrte er sein Gegenüber an, so als erwartete er jede Sekunde ein „April, April“ oder „Scherz bei Seite“, aber da hoffte er vergebens. „Meinst Du immer noch, dass das normal ist? Ich meine, vielleicht bin ich ja auch ein kleines Bisschen paranoid oder so, aber für mich sah das eigentlich nicht nach einer Zeigen-wir-es-dem-kleinen-Fireball-mal-Kampagne aus!“ „Das hätte ich niemals von ihr gedacht“, stotterte Colt noch immer völlig fassungslos, „dabei hat sie mir doch gestern gerade noch erzählt...“ „Was hat sie Dir erzählt?“ Fireball wurde mit einem Schlag hellhörig. „Na, ja“, Colt versuchte sich an Aprils Wortlaut zu erinnern, „so genau kann ich Dir das auch nicht mehr sagen...“ „Colt!“ „Schon gut, schon gut“, der Cowboy hob beschwichtigend die Hände, „also sinngemäß habe ich das so verstanden, dass sie in letzter Zeit ziemlich durcheinander war, weil... weil Du... hm... nach der Ohrfeige keinen weiteren Versuch mehr unternommen hast, sie...“ „Frauen...“, ohne Vorwarnung sprang Fireball, plötzlich wieder ganz behände, auf und begann wie ein aufgescheuchtes Huhn hin- und herzulaufen, „zuerst ist es ihnen nicht recht, wenn Du spontan versuchst, sie zu küssen, und dann sind sie beleidigt, wenn man es etwas ruhiger angehen lässt!“ Colt erhob sich ebenfalls und versuchte, seinen Freund zum Stehen zu bringen: „Du hättest ihr vielleicht nur hin- und wieder das Gefühl geben müssen, dass Du noch Interesse an ihr hast...“ „Jetzt bin also auch noch ich Schuld, dass sie sich einen anderen Kerl gesucht hat, ja!“ Fireballs Tonfall verriet, dass er nahe davor war, die Geduld endgültig zu verlieren. „Hör mir doch zu“, Colt ergriff seine rechte Schulter und baute sich beschwörend vor ihm auf, „was ich hier zu sagen versuche ist, dass ich nicht glaube, dass sie wirklich einen anderen hat. Himmel, sie hat gestern Abend geheult, weil sie glaubte, Du hättest was mit Mandarin...“ Colt hielt kurz inne, weil Fireball etwas beschämt zu Boden blickte; er hatte das Fettnäpfchen mal wieder voll erwischt. „Junge, sie hat mir doch selber gesagt, dass Du ihr viel bedeutest!“ „Ehrlich?“ ungläubig und verunsichert blickte Fireball zu ihm auf, dass der Cowboy beinahe vor Mitleid angefangen hätte zu weinen: „Ja, ich sage Dir, sie ist nur verletzt, und versucht so, Deine Aufmerksamkeit wieder zu gewinnen!“ Keine Antwort! „Komm, wir werden jetzt wieder da rein gehen und sie suchen. Sie wird ja schließlich nicht einen schmackhaften Köder auswerfen und dann die ganze Angel ins Wasser schmeißen. Und dann wirst Du mit ihr reden... „Verdammt Colt, Du hörst mir nicht zu“, Fireball schüttelte resigniert den Kopf, „das habe ich doch bereits versucht. Sie will nicht mit mir reden, verstehst Du? Sie würde mich wahrscheinlich sogar ignorieren!“ „Ah“, Colt legte ihm einen Arm um die Schultern und zog ihn mit sich, „keine Bange, der süße Colt ist ja auch noch da, der wird das Kind schon schaukeln!“ Und es war auch Colt, der April als erster in all dem Getümmel ausfindig machte. Sie stand etwas abseits der Tanzfläche an einer der vielen Sektbars und hatte sich bei einem gut aussehenden Seargant eingehakt, der eine Ausgehuniform der Raumfahrtkontrolle trug. Ob es sich dabei um den besagten David Scott handelte? Unauffällig stieß er Fireball mit dem gesunden Ellenbogen in die Seite und deutete mit dem Kopf in Aprils Richtung: „Da haben wir ja unsere Prinzessin!“ Einige Sekunden starrte Fireball suchend in die Menge, dann entdeckte er die beiden, und sein Blick verfinsterte sich: „Es hat keinen Zweck, Colt, sieh sie Dir doch an...“ Aprils Wangen strahlten wie die aufgehende Sonne. Gerade beugte sich ihr Begleiter zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie ungezwungen anfing zu lachen, „ich denke, sie amüsiert sich auch ganz gut ohne mich!“ Colt verfolgte die Szene und musste sich selber eingestehen, dass April wirklich nicht gerade so aussah, als würde sie vor Liebeskummer zerfließen, aber er hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, seinen besten Freund mit dieser störrischen Schönheit zusammen zu bringen, da durfte er sich nicht bereits beim ersten Anzeichen eines Kampfes ins Boxhorn jagen lassen! Er griff fest nach Fireballs Schulter, weil dieser gerade Anzeichen machte, sich im Gewühl aus dem Staub zu machen: „Papperlapapp, wer wird denn so schnell aufgeben? Wir zwei spazieren dort jetzt hin, und während ich unseren Seargant ablenke, schnappst Du Dir Cinderella und sagst ihr endlich, wo der Hase im Pfeffer liegt!“ Energisch schob er den leicht protestierenden Rennfahrer vor sich her durch die tanzenden Pärchen, die dem triefend nassen Fireball etwas verwundert hinterher starrten. Dieser betete, dass sich der Boden auftat, um ihn zu verschlingen, denn der Gedanke, April nach allem, was er sich geleistet hatte, noch einmal gegenüber zu treten, bereitete ihm einiges Unbehagen. Doch nichts dergleichen geschah; kein Erdbeben, kein Vulkanausbruch vermochte ihn jetzt noch vor dem Jüngsten Gericht zu bewahren. April stand mit dem Rücken zu ihnen gedreht und drehte sich erst zu ihnen um, als Colt ihr grinsend auf die Schulter tippte. „Was...“ ihr verdutztes Gesicht nahm einen befremdeten Zug an, als ihre Blicke kurz die von Fireball trafen. Ihr Herz begann bis zum Hals zu pochen, und sie hatte das Gefühl, jeder Anwesende in der Scheune müsste es hören, doch es war genauso wenig zu vernehmen, wie das Herz unseres unglücklichen Helden, welches nicht weniger raste. „Holdes Wesen, Du siehst mal wieder ganz hinreißend aus heute Abend“, flötete Colt und ergriff ihre Hand, „also wenn ich nicht bereits mit der schönsten Frau des Universums verlobt wäre, müsstest Du Dich schwer vor mir in Acht nehmen!“ Beschämt zog April ihre Hand eiligst zurück: „Hör auf mit dem Blödsinn, Colt...“ „Na, April, Blödsinn würde ich das nicht gerade nennen“, seine Augen wanderten vielsagend zu der vierten Person im Bunde, die nicht so genau wusste, wie sie die Situation zu deuten hatte, „Deine Schönheit hat doch schon ein Opfer angezogen, oder sehe ich das falsch?“ Jovial streckte er Aprils Begleiter die Hand entgegen: „Darf ich mich überhaupt erst einmal vorstellen, mein Name ist Colt, ich bin ein Teamkollege dieses reizenden Geschöpfes!“ verwirrt ergriff David die ihm angebotene Hand und wusste noch immer nicht so ganz, wie ihm geschah. April wirkte auf einmal verstört und angespannt, und dieser tropfnasse schwarzhaarige Typ, den der Cowboy im Schlepptau hatte, wirke auch nicht unbedingt wie die Ruhe in Person. Ständig scharrte er mit den Füßen über den Boden und versuchte, Aprils Blicken auszuweichen. „Ich bin David Scott, ich arbeite hier auf Yuma bei der Raumfahrtkontrolle...“ murmelte er an Colt gewandt und hoffte inbrünstig, die beiden Gestalten würden wieder verschwinden und ihn mit April alleine lassen. Doch da kannte er natürlich unseren Cowboy schlecht, der nur auf eine so günstige Gelegenheit wie diese gewartet hatte. „Raumfahrtkontrolle? Man, da hast Du ja einen richtig harten Job abgekriegt, was. Das soll doch so mordsmäßig gefährlich sein...“ er verpasste Fireball einen kleinen Tritt und legte seinen gesunden Arm um Davids Schultern, der gar nicht richtig realisieren konnte, was mit ihm geschah, „ich fand das schon immer irre aufregend. Du musst mir unbedingt mehr darüber erzählen. Wie wäre es mit einem kleinen Gläschen Guavensaft Dave, ich darf doch Dave sagen...“ schon wurde er von Aprils Seite gezerrt, ohne sich zur Wehr setzen zu können, denn Colt war ihm was die Stärke anging noch immer weit überlegen: „April, ich...“ wandte er sich flehend um, doch April war ihrerseits viel zu sehr damit beschäftigt, den Augenkontakt zu vermeiden. „Keine Sorge, Dave“, flötete Colt, „der Abend ist noch lang und ich bin sicher, April wird Dir nicht weglaufen. Mein Freund Fireball wird solange auf sie aufpassen...“ Erst bei dieser letzten Bemerkung ging David ein Licht auf, doch nun war es zu spät, noch ernsthaften Protest gegen dieses abgekartete Spiel einzulegen. Genervt ließ er sich von April weg manövrieren und überlegte sich, wie er seinen lästigen neuen Freund am schnellstens wieder loswerden konnte. Mit gemischten Gefühlen blickten Fireball und April den beiden hinterher, bis sie sie aus den Augen verloren hatten. „War das etwa Deine blöde Idee?“ April war nicht halb so gereizt, wie sie zu klingen versuchte, aber mit einer so schnellen und erneuten Konfrontation mit Fireball hatte sie nicht gerechnet. Fireball hob den Blick und betrachtete sie durchdringend: „Du...siehst wunderschön aus, April!“ murmelte er, ohne auf ihre Frage einzugehen. Ein zarter Schimmer legte sich auf ihre Wangen: „Danke, kann man von Dir nicht gerade behaupten!“ sie musterte seine nassen Haare und die Wasserspuren, die sie auf seinem Sakko verursacht hatten: „Was ist passiert?“ Fireball zuckte mit den Schultern: „Ich denke, Colt hat mir den Kopf gewaschen...“ „Aha...“ Betretenes Schweigen machte sich breit, wobei wieder jeder versuchte, dem anderen nicht in die Augen sehen zu müssen. April fühlte sich unwohl, ihr wurde abwechselnd heiß und kalt und sie hatte das Gefühl, jede Sekunde an der warmen Luft, die in der Scheune vorherrschte, ersticken zu müssen. Fireball schien es da wohl ähnlich zu gehen, denn er versuchte ständig den Knoten seiner Krawatte zu lockern. Das hatte Colt ja wieder ganz toll eingefädelt, erst schleppte er ihn hier an und machte sich dann auch noch mit ihrer Begleitung aus dem Staub; wenn das nicht stark nach Verschwörung roch! Aber warum sagte Fireball jetzt nichts? Schließlich hatte er doch nun, was er wollte; sie waren allein. Und alles was er tun konnte, war da herum zu stehen und so zu tun, als ob es sie überhaupt nicht gab. Vielleicht hatte er ihr ja auch gar nichts mehr zu sagen, konnte doch sein. Vielleicht hatte Colt ihn genauso überrascht, wie April, und in Wirklichkeit wollte er überhaupt nicht mit ihr reden! Seine Worte aus ihrem Apartment fielen ihr wieder ein: ‚Was Du tust geht mich nichts mehr an...‘ ob er das wohl ernst gemeint hatte? Dieses Schweigen machte sie wahnsinnig, das konnte doch kein Mensch aushalten. Mit einem traurigen Seufzen dreht sie sich um: „Ja dann, schönen Abend noch!“ „April, warte bitte!“ Fireball ging ihr nach und stellte sich dicht vor sie hin: „So kann es doch nicht weitergehen...“ dieses Mal sah er ihr direkt in die Augen und April merkte, wie innerlich ihr Blut zu kochen begann. Fireball war sichtlich nervös, aber er wusste, wenn er diese Chance nicht ergreifen würde, dann hätte er wahrscheinlich auch die allerletzte Möglichkeit verspielt, mit April reinen Tisch zu machen. Sein Herz klopfte und seine Ohren brannten wie Feuer, so sehr brachte ihr Anblick ihn aus der Bahn. Am schlimmsten jedoch waren diese Menschenmassen um einen herum, wie sollte man da einen klaren Gedanken fassen können: „Lass uns irgendwo hingehen, wo wir reden können!“ „Ach, Fireball, was soll denn das bringen“, schüttelte April traurig den Kopf, ohne ihn anzusehen, „ich denke, es wurde alles gesagt, was zu sagen war, oder nicht!“ „Bitte“, flehte Fireball und ergriff eine ihrer Hände, „gib mir doch wenigstens noch eine Chance, Dir alles zu erklären. Ich verspreche Dir auch, dass ich Dich danach in Ruhe lassen werde...“ April atmete tief durch und zog ihre Hand zurück: „Na schön, aber nur fünf Minuten!“ ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei und steuerte eine kleine ausgebaute Fensternische an, die durch einen schweren Vorhang vom Rest des großen Saales getrennt war. Unschlüssig folgte Fireball ihr, hin- und her grübelnd, wie er das Gespräch am besten anfangen sollte. April nahm erwartungsvoll auf der ausladenden Fensterbank Platz, während Fireball den Vorhang hinter sich zuzog, um lästige Beobachter auszuschließen. Wieder entstand ein peinliches Schweigen, doch dieses Mal war er es, der es brach: „April, ich... es tut mir leid... das alles, diese ganze Sache ist ein blödes Missverständnis...“ „Ich finde es eigentlich ziemlich unmissverständlich, wenn Du Dich mit Mandarin in irgendwelchen Raumhafen-Hallen versteckst und ich Euch dann auch noch...“ „April“, Fireball kniete sich hin und legte seine Hände auf ihre Knie: „Wir haben uns nicht versteckt. Wir haben an dem Outrider-Raumschiff gearbeitet, das wir gekapert hatten!“ „Natürlich, was denn auch sonst. Und dafür musste sich Mandarin so sehr in Schale werfen, dass einem ihre... ihre Dinger gleich entgegen gesprungen kommen, ja!“ langsam wallte der Zorn wieder in ihr auf, als sie sich die Bilder noch einmal ins Gedächtnis rief, die sie ungewollt mit angesehen hatte. „Es war tierisch warm in der Halle...“ „Das glaube ich, dass einem dabei warm wird...“ die Zweideutigkeit war Fireball natürlich nicht entgangen, aber er versuchte sie einfach zu ignorieren: „Willst Du denn überhaupt nicht wissen, warum wir an dem Raumschiff gearbeitet haben?“ „Nein, ehrlich gesagt interessiert mich gar nichts, was Du mit Mandarin so anstellst!“ „Verdammt noch mal“, Fireball stand auf und fuhr sich durch die nassen Haare, „wie oft soll ich Dir denn noch sagen, dass ich nichts mit Mandarin habe...Wieso meinst Du wohl, bin ich denn vorhin extra in Dein Apartment gekommen? Was kann ich denn bloß tun, damit Du mir glaubst?“ April verschränkte die Arme: „Von mir aus könntest Du es mir bei der Ehre Deines Vaters schwören, und ich würde es Dir nicht glauben...“ „Abgesehen davon, dass er das niemals tun würde!“ Entgeistert schraken die beiden hoch und starrten auf den Eindringling, der sich durch den Vorhang schob. „Mandarin!“ Fireball war fassungslos, was hatte sie hier zu suchen? Wie hatte sie ihn hier finden können? Ein flaues Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, als er beobachtete, wie sich Mandarin mit einem zynischen Grinsen neben April auf der Fensterbank niederließ. „Tja, Fire, Du hattest mich wohl schon vergessen, wie!“ sie schlug kess die Beine übereinander und enthüllte so, was ihr Körper unterhalb ihrer Taille zu bieten hatte, um Fireball noch ein bisschen mehr aus der Fassung zu bringen. „Was soll das heißen, das würde er niemals tun?“ April wollte die Antwort in Wirklichkeit nicht hören, doch diese eiskalte Hand, die nach ihrem Herz griff, zwang sie dazu endlich nach der Wahrheit zu forschen. Es war besser jetzt das schlimmste zu erfahren, als ewig mit Lügen und Ungewissheit zu leben: „Was meinst Du damit?“ „April...“ Fireball geriet in Panik; wenn Mandarin jetzt alles erzählen würde, was zwischen ihnen gewesen war, dann hatte er ein für allemal bei April verspielt. „Ja, was meine ich denn damit“, es schien Mandarin offenbar Spaß zu machen, April so auf die Folter zu spannen, „los Fireball, erzähl es ihr...“ „Mandarin, halt jetzt den Mund...“ „Auf einmal so grob, das klang aber vor einer Viertelstunde noch ganz anders!“ sie strich verführerisch mit dem rechten Schuh an Fireballs Hosenbein entlang. „Ich hab gesagt, Du sollst still sein. Verschwinde, Mandarin...“ „Nein“, April war aufgestanden und hatte sich vor ihm aufgebaut. Ihre Lippen bebten und in ihren Augen zeichneten sich die ersten Anzeichen von Tränen ab, doch sie versuchte tapfer, sich zusammen zu reißen, „ich will es jetzt hören. Die ganze verdammte Wahrheit, verstehst Du!“ „April, bitte, ich...“ er ergriff ihre Schultern, doch sie riss sich sofort wieder los: „Keine Ausflüchte mehr, verstanden. Ich will endlich wissen was für ein Spielchen Du hier mit mir treibst!“ die erste Träne kullerte ihre Wange hinunter, denn intuitiv wusste sie, was nun kommen würde; die Erfüllung ihres schlimmsten Alptraumes. Fireball wusste nicht mehr, was er tun sollte. Er war in die Ecke manövriert worden und stand mit dem Rücken zur Wand. Ein dicker Kloß setzte sich in seinem Hals fest und das flaue Gefühl im Magen erreichte seinen Höhepunkt. Mandarin grinste zufrieden: „Ich sehe schon, April, unser kleiner Rennfahrer hat nicht ganz den Mut, Dir zu beichten, wie gut er sich auch ohne Dich vergnügen kann!“ sie stand auf und legte Fireball einen Arm um die Hüfte: „Dann werde ich es Dir eben erzählen!“ er wollte noch Widerspruch einlegen, doch Fireball sah ein, dass nun alles aus war, und irgendwann würde April es sowieso erfahren... „Bevor uns dieser dämliche Kuhhirte vorhin unterbrochen hat, wollte Fire mich nämlich gerade auf ein kleines nächtliches Abenteuer in seiner Wohnung einladen, Frühstück mit inbegriffen, versteht sich. Oh, Du hättest ihn erleben müssen, April, so sehr wie heute Abend hat er seinen Namen noch nie verdient...“ „Es reicht, Mandarin!“ Fireball hatte die Fäuste geballt und versuchte, sein Wut unter Kontrolle zu halten, doch das gelang ihm nur sehr schwer. „Nein wirklich, ich habe noch nie jemanden erlebt, der so heißblütig küssen kann, wie Du...“ „Verdammt noch mal, ich habe gesagt, es reicht!“ brüllte er mit einem Mal und starrte Mandarin mit vernichtenden Augen an. Dieser wurde die ganze Situation dann doch zu mulmig und sie zog es vor, das Weite zu suchen: „Ich denke, Ihr habt eine Menge zu bereden, ich warte dann solange draußen!“ und schon war sie verschwunden. Fireball traute sich nicht, April ins Gesicht zu sehen, so sehr schämte er sich vor ihr. Seine Augen brannten, während sein Pulsschlag noch immer dafür sorgte, dass sein Blut durch seinen Körper raste. Er hörte ein leises Wimmern: „Ist... ist das... wahr?“ Er blickte widerstrebend auf und sah in Aprils kreidebleiches und tränenüberströmtes Gesicht. „April...“ er wollte sie in den Arm nehmen, ihre Tränen fortwischen und sie trösten, doch er war wie eingefroren, „ich... es ist nicht so... ich war...“ „Ist es wahr“, wisperte sie mit erstickter Stimme. Ihre zitternden Hände verkrampften sich in den Stoff ihres Kleides. „Nein“, Fireball musste nach Luft schnappen, um weiter reden zu können, „es ist nicht so, wie sie es erzählt hat... April, ich war betrunken!“ Sie fuhr sich schniefend durchs Gesicht, während Fireballs Herz langsam an ihrem Leid zerbrach: „Vor einer Viertelstunde warst Du noch betrunken und jetzt bist Du wieder total nüchtern, ja!“ der Sarkasmus kehrte langsam in Aprils Stimme zurück, was ihn endgültig aus der Bahn warf: „Ich weiß, wie absurd das klingt...“ „Ich möchte nur eines wissen“, sie holte tief Luft, um den letzten Schlag verkraften zu können, „hast Du Mandarin heute geküsst? Und ich meine nicht so einen flüchtigen Kuss auf die Wange!“ Reumütig schloss Fireball die Augen, bevor er kaum merklich zur Bestätigung nickte. Ein kleines Beben durchzuckte Aprils Körper, und mit kaum hörbarer Stimme flüsterte sie: „Wolltest Du... mit ihr... schlafen?“ „April...“ flehend sah Fireball zu ihr auf, doch sie kannte keine Gnade mehr. „Sieh mich an und sag mir, dass Du nicht mit ihr geschlafen hättest, auch wenn Colt nicht dazwischen gefunkt hätte!“ Dieses Mal konnte er nichts mehr darauf erwidern. Fireball merkte, wie eine heiße Träne seine rechte Wange hinunter kullerte und zu Boden fiel, doch er vermochte es nicht mehr, sich zu rühren, oder April anzusehen. Das war genug Bestätigung für sie. Mit einem herzzerreißenden Schluchzen rauschte sie an ihm vorbei, hinaus aus ihrem Versteck und weg von dem Mann, der ihr soeben das Herz gebrochen hatte. Fireball wollte ihr nach, sie aufhalten um ihr zu sagen, dass er doch nur sie liebte, und niemanden sonst, aber dafür war es zu spät: „Verzeih mir April...“ flüsterte er kraftlos und ließ entmutigt die Arme sinken. „Na, die hat ja vielleicht einen Abgang hingelegt!“ schon steckte Mandarin wieder ihre Nase in das kleine Versteck, um zu sehen, wie groß der Schaden gewesen war, den sie angerichtet hatte. Fireball nahm sie anscheinend gar nicht wahr; erst als sie sich wie eine Schlange um seinen Hals wickelte, bemerkte er ihre Anwesenheit. „Vergiss doch diese dumme Pute, lass uns lieber da weiter machen, wo uns Colt vorhin unterbrochen hat!“ Grob schubste er sie von sich: „Du weißt wohl nie, wann es Zeit zum Aufhören ist, oder?“ mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen und verließ die Nische. Er wusste, dass er ihr keine Schuld an der Sache geben konnte, obwohl sie natürlich den Stein ins Rollen gebracht hatte. Aber wenn er sich nicht wie ein vollkommener Idiot aufgeführt hätte, dann wäre die ganze Situation niemals so sehr eskaliert. Er hatte selber Schuld, dass April nun nie wieder mit ihm reden würde; er hatte sie betrogen und ihr Vertrauen missbraucht. Er hatte auf dieser Party nichts mehr zu suchen! Ihm war, als starrten ihn alle Leute an, an denen vorbei er in Richtung Ausgang schlich. Doch in Wirklichkeit nahm niemand außer seinem Freund Colt Notiz von ihm, der schon ein paar Momente vorher beobachtet hatte, wie April weinend am Arm von David Scott den Saal verlassen hatte. Der Cowboy hielt es für ratsam, sich dem Rennfahrer in einem gewissen Abstand anzuschließen, um sicher zu gehen, dass er keine Dummheiten anstellen würde. Fireball war am Boden zerstört; ihn quälte das Gefühl, dass er eben den wichtigsten Menschen auf der Welt verloren hatte, und das mit einem Mal alles so sinnlos geworden war. Der Sieg über die Outrider, seine Arbeit als Star Sheriff, seine Bemühungen um das feindliche Schiff... Wie in Trance drängelte er sich durch die vielen Gäste, ohne zu bemerken, dass er den einen oder anderen so doll anrempelte, dass dieser sich mit seinem Punsch bekleckerte. Nach einer ewig währenden Zeit taumelte er endlich benommen in die kühle, befreiende Nacht hinaus, die seinen Kopf wieder ein wenig klarer werden ließ. Er hatte April zutiefst verletzt und konnte diesen Fehler wahrscheinlich nie wieder gut machen, weil sie bestimmt kein einziges Wort mehr mit ihm reden würde! Zu Recht, wie Fireball meinte, denn den Fehltritt mit Mandarin hätte er sich nie erlauben dürfen, auch wenn er noch so liebeskrank und eifersüchtig gewesen war; es gab nichts, was dieses schändliche Verhalten entschuldigen konnte! Er atmete tief durch, um die neu aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Die Nacht war sternklar und der Mond von Yuma erhellte seine Umgebung. Es gab nicht sehr viele Leute, die sich hier draußen aufhielten, denn die Nächte von Yuma waren kalt und windig, doch für Fireball war das im Moment genau das richtige. Er entfernte sich einige Meter von der Scheune, wobei er einen Kieselstein vor sich her kickte und immer wieder diese schlimme Szene vor seinem geistigen Auge abspielte. Wie hatte es nur soweit kommen können? Wenn doch bloß Mandarin nicht aufgetaucht wäre, dann hätte er die ganze Situation vielleicht noch in den Griff bekommen, aber sie war nun mal aufgetaucht. Er konnte ihr nicht mal einen Vorwurf daraus machen, weil er ja wusste, wie sehr sie in ihn verschossen war. Und er hatte das in seinem betrunkenen Zustand schamlos ausgenutzt, ohne auf ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen, geschah ihm nur recht, dass sie sich jetzt auf diese Art bei ihm revanchierte! Gerade als Fireball zu der Erkenntnis kam, dass es am sinnvollsten war, sich in seinen Red-Fury-Racer zu setzen, um das Schlachtfeld zu verlassen, fiel sein Blick auf ein Pärchen, das nicht weit entfernt von ihm an einem Baum lehnte. Zuerst dachte er, sein Verstand würde ihm einen Streich spielen, aber bei genauerem Hinsehen bestand kein Zweifel mehr; die Frau, die sich dort an den Arm eines Mannes klammerte, den man aufgrund des schlechten Lichtes nicht ausmachen konnte, war April. Ihr Körper zitterte immer wieder, wie ein junger Baum, der von einem Windstoß gepeinigt wurde und sie versuchte krampfhaft, ihr Gesicht an der Brust des Mannes zu verbergen. Sie weinte! „April...“ rief Fireball wie aus Reflex und ging auf die beiden zu, doch besonders weit kam er nicht. Kaum dass die beiden ihn bemerkt hatten, schob der Mann April vorsichtig zur Seite und stellte sich Fireball mit verschränkten Armen in den Weg; es war David. „Natürlich, wer auch sonst!“ durchschoss es den Rennfahrer. Die Eifersucht stieg erneut in ihm auf, gerade so, als ob April ihn betrogen hatte, und nicht umgekehrt. „Meinen Sie nicht, dass Sie langsam genug Schade angerichtet haben“, David funkelte ihn herausfordernd an, „es wäre besser, wenn Sie April ein für allemal in Ruhe ließen!“ Fireballs Frust verwandelte sich schlagartig in blinde Wut. Was hatte dieser Aushilfsfluglotse mit ihm und April zu schaffen? „Ich denke nicht, dass Sie das etwas angeht, Mr. Scott!“ wie zur Kampfansage stemmt er die Hände in die Hüften. „Ich denke aber schon“, David trat einen Schritt zurück und legte beschützend einen Arm um April, „ich lasse nicht zu, dass Du Mistkerl ihr noch einmal weh tust!“ „April“, Fireball wandte sich nun verzweifelt an sie, doch er erhielt keine Antwort, nicht mal einen Augenaufschlag. Er machte einen Schritt auf sie zu, um ihre Hand zu greifen, aber David kam ihm zuvor. Blitzschnell umfasste er sein Handgelenk und stieß Fireball ziemlich unsanft zurück: „Lass die Finger von ihr, oder Du kannst was erleben, Freundchen!“ „Na, warte!“ mit einem Wutschnauben ging Fireball auf seinen Kontrahenten los, um ihm zu zeigen, wer hier die Finger von wem zu lassen hatte, aber noch bevor er einen ersten Schlag austeilen konnte, traf eine gewaltige Explosion seinen Unterkiefer und riss ihn von den Füßen. „Fire...“ schrie April entsetzt auf, war aber nicht in der Lage, sich vom Fleck zu rühren. Benommen rappelte sich Fireball wieder auf. Etwas Warmes lief sein Kinn hinab und tropfte zu Boden. Angewidert wischte er mit dem Ärmel seines Sakko darüber und betrachtete zornig die dunkelrote Spur, die sein Blut hinterließ: „Das hast Du nicht umsonst getan!“ zischte er und wollte sich mit einem markerschütternden Schrei ein zweites Mal auf David stürzen, aber in letzter Sekunde packten ihn zwei Arme von hinten: „Bleib ruhig, Matchbox, damit erreichst Du gar nichts!“ „Verdammt Colt“, fluchte Fireball und versuchte sich angestrengt loszureißen, doch trotz seiner Verletzung hatte Colt die besseren Karten, „ich werde diesem Kerl zeigen, was es heißt, sich mit einem Star Sheriff anzulegen!“ „Sicher wirst Du das Kumpel“, murmelte der Cowboy beschwichtigend, „aber ich denke, das ist hier weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit dafür!“ er warf April, die noch immer leichenblass und wie versteinert dastand einen vielsagenden Blick zu, „ich denke, Ihr solltet wieder rein gehen, ich kümmere mich um unseren kleinen Heißsporn.“ „Scheiße, Colt, lass mich endlich los, sonst...“ Fireball tobte, wie ein wildes Pferd, das man gerade mit einem Lasso eingefangen hatte. April warf Colt ein dankbares Nicken zu und griff nach Davids Arm. Dieser hatte zwar auch nichts dagegen, diesem arroganten Star Sheriff noch einmal gehörig die Meinung zu geigen, doch er sah ein, dass ein Rückzug momentan wahrscheinlich die klügste Entscheidung war. Also ließ er sich ohne Widerworte zurück in die Scheune führen. „April...“ brüllte Fireball und versuchte erneut, sich aus dem eisernen Griff zu befreien, „verdammt, lass mich los...Aaaaprilll.“ Für einen kurzen Moment blieb sie stehen und blickte kurz über die Schulter zurück: „Leb wohl, Fireball!“ flüsterte sie so leise, dass nur David es konnte, dann drehte sie sich wieder um und verschwand. „April...“ kraftlos sank Fireball in sich zusammen, so dass Colt keinen weiteren Anlass dafür sah, ihn noch länger festzuhalten: „Tja, Partner, ich weiß ja nicht, was da eben zwischen Euch passiert ist, aber ich denke, Du hast Dich heute mehr als einmal daneben benommen, meinst Du nicht, es wäre an der Zeit, nach Hause zu fahren?“ Gespannt erwartete er die Antwort und war ziemlich baff, als anstatt einer weiteren Attacke nur ein verzweifeltes Seufzen zu hören war: „Ist doch jetzt sowieso alles scheiß egal, oder nicht?“ Fireball drehte sich mit gesenktem Kopf um und ging einfach so in Richtung der Parkplätze davon. „Hey, Moment“, Colt rannte ihm besorgt nach, „was hast Du denn jetzt vor?“ „Zum Raumhafen fahren...“ „Zum Raumhafen?“ der Cowboy verstand nicht ganz. „Ich hab da noch was zu erledigen!“ „Fireball, mach ja keinen Quatsch, hörst Du!“ Der Rennfahrer zuckte mit den Schultern: „Und wenn schon, wen kümmerts?“ er hatte anscheinend völlig resigniert. „Na hör mal, Partner“, rief Colt gleichzeitig entrüstet und besorgt, „mich kümmert das natürlich. Kannst Du überhaupt fahren bei Deinem Zustand?“ Sie waren beim Red-Fury-Racer angekommen und Fireball betätigte bereits den Cockpit-Mechanismus. Mit einem leisen hydraulischen Zischen schwang das Verdeck nach oben und gab seine Satteleinheit frei: „Keine Sorge, ich schalte auf Autopilot, wenn es Dich beruhigt!“ müde nahm er auf dem Sitz Platz und drückte einige Knöpfe an der blinkenden Steuerkonsole. Genauso leise, wie es aufgesprungen war, schloss sich der Red-Fury wieder. Im nächsten Augenblick wurden die Treibwerke gezündet, und Fireball schoss an Colt vorbei hinaus in die dunkle Nacht: „Pass bloß auf Dich auf!“ murmelte er noch, bevor er sich mit gemischten Gefühlen zurück auf die Party begab. Was war nur zwischen den beiden vorgefallen? Er hatte es so schön eingefädelt, dass sie sich in Ruhe aussprechen konnten, und das Ergebnis davon war, dass April anscheinend endgültig kein Wort mehr mit Fireball reden wollte, und sein Freund bereits mit seinem Leben abgeschlossen zu haben schien. Er musste sich noch einmal mit April unterhalten, so konnte es mit den beiden nicht weitergehen. Aber es war bestimmt unklug, dass noch am selben Abend versuchen zu wollen, denn April war viel zu aufgewühlt, als dass sie noch einen klaren Gedanken hätte fassen können, und Fireball musste erst einmal wieder ganz zu sich kommen. Denn auch wenn der Adrenalinschub seinen Verstand wieder aktiviert hatte, so befand sich in seinem Blut doch noch immer eine enorm große Menge Alkohol, die er verarbeiten musste. Da konnte man nur beten, dass er auch heile zu Hause ankommen würde, um das tun zu können. „Colt“, am Eingang der Scheune wurde er von einer schüchternen und leicht verängstigten Mandarin abgefangen, „wo ist er hin?“ Colt überlegte, ob er sie nicht einfach ignorieren sollte, denn wenn sie Fireball jetzt folgte, dann war das mit Sicherheit die absolute Besiegelung von seinen und Aprils Zukunftsaussichten: „Warum sollte ich Die das sagen? Immerhin bist Du doch Schuld an dem ganzen Schlamassel!“ dieser Vorwurf war hart, doch anscheinend wollte Mandarin keinen Einspruch dagegen erheben: „Bitte, Colt...“ Er sah in ihre flehenden Augen, und irgendwie berührten sie sein Herz: „Er wollte zum Raumhafen, keine Ahnung, warum!“ „Danke!“ und schon war der kleine Captain davon gehuscht, ohne Colt noch eines Blickes zu würdigen. Eine gewaltige Explosion, gefolgt von einem Beben, das die Erde für mehrere Sekunden lang erschütterte, brachte die ausgelassene Feier abrupt zum Stillstand. Gläser fielen klirrend zu Boden und zersprangen in tausend Scherben, weibliche Gäste begannen erschrocken und hysterisch zu schreien und die Musik endete so plötzlich, als hätte man den Tonarm von Plattenspieler genommen. April hatte sich überrascht an Davids Arm geklammert, als das Beben eingesetzt hatte, und wollte diesen anscheinend auch nicht so schnell wieder loslassen, aus Angst vor einem erneuten Erdstoß: „Was zur Hölle war das?“ wandte sie sich entgeistert an Colt, der seine Robin schützend an sich gezogen hatte und gebannt zur Decke starrte, so als erwarte er, dass diese jede Sekunde einstürzen würde: „Ich habe keine Ahnung, Süße, so was habe ich seit unserem letzten Kampf mit den Outridern nicht mehr erlebt!“ Nervöses Stimmengewirr erfüllte den ganzen Saal und überall rannten Leute hin und her, auf der Suche nach Erklärungen. „Meinst Du etwa...“ April starrte den Cowboy fassungslos an, doch dieser winkte sofort ab: „Nein, nein, keine Sorge April. Wir haben sie ein für alle mal in ihre eigene Dimension zurück katapultiert. Aber was sonst kann das gewesen sein?“ Robin schmiegte sich ängstlich an seine Brust: „Colt...“ „Schon gut, Robin“, er fuhr ihr zärtlich über den Rücken, „wir werden sicherlich bald erfahren, was los ist.“ Und damit sollte der Cowboy recht behalten, denn schon wenige Minuten später stieß Saber Rider mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck zu ihnen: „Da seid Ihr ja. Ich habe eben Deinen Vater über Comline gehabt, April...“ „Was ist passiert? Ein Angriff?“ April ließ von David ab und fiel automatisch zurück in ihre sachliche Rolle als Star Sheriff. Robin bewunderte das an ihr. Sie selbst wünschte sich, auch so mutig sein zu können, doch stattdessen schlotterte sie am ganzen Leib. „Nein, es gab eine Explosion am Raumhafen, die Ursache ist aber noch unklar!“ „Am Raumhafen...“ Colt wurde schlagartig kreidebleich, denn ihm fielen Fireballs Worte wieder ein: ‚Zum Raumhafen fahren‘, „mein Gott!“ „Was ist los, Colt? Du siehst aus, als hättest Du ein Gespenst gesehen!“ Saber musterte seinen Teamkollegen eindringlich. „Fireball...“ stotterte Colt benommen, „er ist dorthin gefahren...zum Raumhafen meine ich!“ betroffen sah er zu April hinüber, der schlagartig das Blut in den Adern gefror. „Nein...“ wisperte sie leise und musste sich an Saber abstützen, weil der Schock sie sonst aus dem Gleichgewicht geworfen hätte, „wann ist er dorthin gefahren, Colt?“ ihre Stimme zitterte und war kaum mehr als ein Flüstern. „Hey, Baby, der Raumhafen ist riesig. Und wahrscheinlich ist er schon längst nicht mehr dort!“ versuchte Colt sie sofort zu trösten, denn er wusste, was im Moment in ihrem Kopf vor sich ging. „Und selbst wenn er zum Zeitpunkt der Explosion noch dort gewesen ist“, startete auch Saber einen Versuch, den Moment der Panik, den April durchlebte, nicht eskalieren zu lassen, „die Wahrscheinlichkeit, dass er sich gerade in der Halle aufgehalten hat, in der sie das Outrider-Schiff deponiert haben, ist doch ziemlich gering!“ April hatte ein Gefühl, als ob man ihr die Kehle zuschnürte. Vergeblich versuchte sie, Luft in ihre Lungen zu saugen und krallte sich japsend an Sabers Arm fest. „Mein Gott, April“, Saber reagierte sofort und griff ihr unter die Arme, weil sie sonst wahrscheinlich einfach zusammen gebrochen wäre, „was ist mit Dir?“ April zitterte. Eine Gänsehaut nach der anderen lief über ihren ganzen Körper und sie hatte das Gefühl, innerlich erfrieren zu müssen: „Er hat gesagt, er arbeitet an dem Outrider-Schiff!“ sie starrte mit leerem Blick vor sich hin, so als ob sie die anderen gar nicht mehr wahrnahm. Robin kniete sich neben sie und legte ihre Hände auf die ihren: „Wer hat das gesagt, April?“ Die anderen blickten erwartungsvoll auf die beiden Frauen hinunter. „Fireball...“ murmelte April immer noch wie in Trance, „er ist auch heute Nachmittag mit... mit Mandarin dort gewesen...oh mein Gott“, mit Tränen in den Augen sprang sie auf mit einem Mal wieder völlig klar im Kopf, „wenn er wirklich noch dort gewesen ist, dann in dieser Halle! Wir müssen sofort dorthin!“ „April“, Saber legte ihr eine Hand auf die Schulter, „beruhige Dich, Fireball ist bestimmt nicht dort gewesen, ihm geht es sicher gut!“ April wischte die Hand beiseite und schaute ihrem Boss finster in die Augen: „Verstehst Du denn nicht, was ich sage! Er war heute den ganzen Tag schon dort!“ „Aber weshalb?“ Colt konnte ihren Ausführungen nicht so ganz folgen. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf, wollte denn hier keiner verstehen, dass es hier wahrscheinlich um Leben und Tod ging? „Ich weiß nicht, weshalb. Er hat vorhin versucht, es mir zu erklären, aber ich habe ihm nicht zugehört. Kapiert Ihr denn nicht, er ist bestimmt wieder zum Raumhafen gefahren, um weiter an dem Raumschiff zu arbeiten...“ Erst jetzt wurde allen Anwesenden die Bedeutung von Aprils Worten bewusst. Saber zögerte keine Sekunde mehr: „Ich organisiere sofort einen Transporter, der uns zur Unglücksstelle fährt!“ Robin schloss April fest in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Wange: „Er war nicht mehr dort, April, es geht ihm bestimmt gut!“ dankend erwiderte April die Umarmung, doch insgeheim war sie davon überzeugt, bei ihrer Ankunft auf dem Flugfeld nur noch die verbrannten Überreste von Fireball vorzufinden. „Der Wagen erwartet uns am Eingang. Kommt schon!“ Saber gab der kleinen Gruppe ein Zeichen und schon setzten sie sich schleunigst in Bewegung. Auf der Fahrt zum Flugfeld sprach keiner von ihnen ein Wort. Saber hatte sich vorne zu dem Soldaten gesetzt, der den Wagen manövrierte, um mehr Informationen über den Vorfall herauszubekommen. Doch die Fahrerkabine war durch eine Glasscheibe vom Rest des Wagens getrennt, so dass hinten nur das Dröhnen des Motors zu hören war. April saß am Fenster und drückte ihre Stirn gegen die kühlende Fensterscheibe. Was, wenn Fireball wirklich dort gewesen war? Er durfte einfach nicht tot sein, sie hatte ihm doch noch so vieles zu sagen. Wie sollte sie ohne ihn weiterleben können, ohne ihm je ihre Liebe gestanden zu haben? Ihre Augen brannten wie Feuer, aber sie versuchte, sich aus Rücksicht gegenüber den anderen unter Kontrolle zu halten. Die Spannung war schon schlimm genug für alle. Robin hielt während der ganzen Fahrt über fest ihre Hand, was sie ein wenig beruhigte, doch es konnte nicht dieses schreckliche Bild vor ihren Augen vertreiben. Fireball, wie er reglos auf dem Boden lag und von einem Sanitäter mit einem weißen Laken zugedeckt wurde. Nein, das durfte nicht sein. April war bereit, ihm alles zu vergeben, was er ihr angetan hatte, wenn ihm nur nichts passiert war. Was war schon eine kleine Affäre im Vergleich zu einem ganzen Leben... Je näher sie der Unfallstelle kamen, desto heller wurde es um sie herum. Feuerwehrwagen rasten mit lautem Sirenengeheul an ihnen vorbei, genauso wie ein Krankenwagen mit Blaulicht. Und als sie um die Ecke eines der größeren Hangars bogen, konnten sie das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen: die ganze Halle stand lichterloh in Flammen. Die roten Feuerzungen bohrten sich haushoch in den klaren Nachthimmel, so als wollten sie sich über die zwecklosen Bemühungen der vielen Feuerwehrleute lustig machen, die zu Dutzenden versuchten, dem Inferno Herr zu werden. Als die Star Sheriffs in sicherer Entfernung zum aus ihrem Gefährt stiegen, schlug ihnen ein unerträglich Hitze entgegen, die ihnen die feinen Härchen auf den Armen versengten. Um sie herum war das laute und verzweifelte Schreien der Feuerwehrmänner zu hören, die immer wieder neue Angriffspunkte versuchten, um die Flammen einzudämmen, aber das schien sinnlos zu sein. April starrte entsetzt in das gewaltige Feuermeer, das sich, genährt durch den kühlen Abendwind, immer noch weiter ausbreitete. „Was haben Sie hier zu suchen, verdammt. Bringen Sie sofort die Zivilisten hier weg!“ eine große Gestalt in einem Schutzanzug trat auf die Gruppe zu und brüllte auf den armen Fahrer ein, der überhaupt nicht recht wusste, wie ihm geschah. „Entschuldigen Sie, Sir, wir sind von den Star Sheriffs, und Commander Eagle hat uns beauftragt, uns die Sache anzusehen! Sind sie hier der leitende Kommandant?“ Saber streckte ihm diplomatisch die Hand entgegen und machte eine Miene, die besagte, dass er keinerlei Widerspruch duldete. Und tatsächlich schien sein Gegenüber seine Meinung zu ändern. Er nahm kurz Haltung an und ergriff dann Sabers Hand: „Colonel Deering, oberster Einsatzleiter. Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht erkannt habe“, brülle er, um den Lärm zu übertönen, „aber sie sehen ja selbst, dass hier die absolute Hölle los ist!“ Gerade, als Deering sich wieder zurück auf seinen Posten machen wollte, nahm April allen noch vorhandenen Mut zusammen: „Colonel“, rief sie so sachlich wie möglich, „waren Personen in der Halle... als es passierte?“ Der Colonel blieb stehen und schwieg für einige Sekunden, um dann mit leidvoller Miene zu sagen: „Eine der Wachen hat beobachtet, dass kurz vor der Explosion noch jemand in dieser Halle gearbeitet hat, aber...“ „Wer war diese Person? Was ist mit ihr geschehen?“ die Beherrschung war aus Aprils Stimme verschwunden. „Es tut mir leid, Miss“, der Mann senkte betreten den Kopf, „bis jetzt konnten wir noch nicht in die Halle vordringen, das Feuer ist einfach zu dicht!“ „Aber“, April riss in Panik an seinem Anzug, „Sie müssen doch etwas tun. Wenn dort noch jemand drin ist, können Sie ihn doch nicht einfach so sterben lassen!“ Tränen liefen ihre Wangen hinunter und trockneten aufgrund der großen Hitze, noch bevor sie zu Boden fallen konnten. „Verdammt, Lady, wir tun hier, was wir können“, schrie Deering April an, ohne auf Ihren emotionalen Ausbruch zu achten, „aber Sie können nicht von mir verlangen, dass ich meine Männer auf ein Himmelfahrtskommando schicke, nur weil vielleicht noch jemand dort drin ist. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst meine Arbeit tun!“ damit riss er sich von April los und brüllte noch im Umdrehen die nächsten Befehle für seine Männer. „Saber, Colt, wir müsse etwas unternehmen“, rief April völlig aufgelöst, „Fireball ist noch da drinnen!“ verzweifelt warf sie sich an Colts Brust, weil sie wusste, dass sie dieser Belastung nicht mehr lange standhalten konnte. „Wir können nichts tun, April!“ flüsterte Saber kaum hörbar, was April zur Weißglut brachte: „Wie bitte, Du willst ihn einfach da drinnen sterben lassen und seelenruhig dabei zusehen?“ „April, Du hast doch gehört, was der Colonel gesagt hat“, bemühte sich nun auch Colt, die Fassung zu bewahren, „sie tun alles Menschenmögliche, aber sie können nicht in die Halle gehen, solange sie das Feuer nicht unter Kontrolle haben!“ „Ihr verdammten Feiglinge“, schrie April hysterisch und trommelte mit geballten Fäusten gegen Colts Brustkorb, „Ihr wollt ihn einfach da drinnen verrecken lassen!“ „Verdammt, April, nicht einmal unsere Raumanzüge wären in der Lage, dieser Hitze standzuhalten. Was sollen wir denn Deiner Meinung nach tun?“ brüllte nun auch Saber fassungslos. Die ganze Situation schien ihm aus den Händen zu gleiten, und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er wurde zum ersten Mal bis an seine Grenzen als Anführer getrieben. „Ich weiß es nicht“, noch immer trommelten Aprils Fäuste auf den armen Cowboy ein, „aber ich werde nicht tatenlos zusehen...“ Ein heißer Schmerz, der mit einer gewaltigen Wucht ihren Kopf durchzuckte, wurde April aus ihrer Hysterie gerissen: „Komm endlich zu Dir“, schrie Colt sie an, „willst Du da reinlaufen und bei lebendigem Leibe verbrennen? Verdammt, uns fällt es genauso schwer, hier untätig rum zustehen, aber was anderes können wir nun mal nicht tun!“ April befingerte die anschwellenden Striemen auf ihrer Wange, wo Colts Ohrfeige sie getroffen hatte und sah den Cowboy durch einen Tränenschleier an. Sein Gesicht glühte durch die Hitze des nahen Feuers, doch in seinen Augen stand die blanke Angst um ihren gemeinsamen Freund. Schluchzend warf sie sich an seinen Hals: „Oh, Colt... er darf nicht sterben...“ „Ich weiß, Süße“, antwortete Colt mit gebrochener Stimme und drückte April ganz fest an sich. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, damit niemand sehen konnte, dass auch er die Tränen der Verzweiflung nicht mehr länger verbergen konnte. Robin stand daneben und war zwischen ihren Gefühlen hin- und her gerissen. Natürlich machte sie sich auch schrecklich Sorgen um Fireball, doch sie konnte diese Sorge nicht mit den anderen teilen. Sie war kein Star Sheriff. Sie verstand nicht die enge Bindung, die sich während ihrer zahllosen Abenteuer zwischen den Freunden aufgebaut hatte. Sie konnte bloß zusehen, wie April und Colt versuchten, beieinander Trost zu finden. Für April war es ein beruhigendes Gefühl, sich bei ihrem Freund ausweinen zu können, deshalb blieb sie auch noch eine ganze Weile so stehen, bis das Motorengeräusch eines neu ankommenden Fahrzeugs ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie hob die Augen und versuchte, den Verursacher des Geräusches irgendwo auszumachen, doch sie konnte nichts erkennen. Die gleißenden Flammen und die heiß flimmernde Luft zwangen sie dazu, ihre Augen eng zusammenzukneifen, um die beißenden Schmerzen ertragen zu können. Das Fahrzeug musste auf der anderen Seite der Halle gehalten haben! Als sie sich wieder Colt zuwandte, der noch immer mit seinen Tränen beschäftigt war, dachte sie, aus dem Augenwinkel eine Bewegung aufgeschnappt zu haben. Sie drehte erneut den Kopf und kniff die Augen dieses Mal noch fester zusammen, um ein schärferes Bild zu bekommen. Angestrengt sah sie zu der Stelle hinüber, an der sie meinte, eine Person ausgemacht zu haben. Das Flimmern der Luft verzerrte ihre Sicht, aber sie hatte sich nicht geirrt. Jemand war um die Ecke der brennenden Halle gerannt gekommen und stand nun in einiger Entfernung von ihnen und starrte ebenso gebannt ins Feuer. Es musste sich um einen Mann handeln, jedenfalls nach der Körpergröße zu urteilen; ein dunkelhaariger Mann in einem rot-weißen Outfit. „Fireball...“ flüsterte April gebannt und schob sich langsam, ja beinahe benommen von Colt weg. Wie magnetisiert sah sie zu der Person hinüber: „Fireball...“ Die anderen wandten ihre Blicke ebenfalls verwundert in die Richtung, die April ihnen vorgab, doch sie konnten weder Fireball, noch irgendetwas sonst erkennen. Dort stand eine Person, die anscheinend nicht zum Feuerwehrpersonal gehörte, aber Saber begann ernsthaft an Aprils Verstand zu zweifeln, als sie plötzlich auf diese Person zurannte, und den Namen ihres Teamkollegen schrie. Auf diese Entfernung und bei den schlechten Bedingungen war es unmöglich zu sagen, wer diese Person war: „April, komm zurück...“ rief er ihr deshalb hinterher, um sie vor einer weiteren Enttäuschung zu bewahren, aber das nahm sie nicht wahr. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und ihr Puls raste so schnell, dass es bereits wehtat. Warum nur konnten ihre Füße sie nicht schneller tragen, die Strecke zwischen ihr und der Person schien anstatt kleiner immer nur noch größer zu werden. „Fireball!“ rief sie erneut mit erstickter Stimme, und dieses Mal reagierte die Gestalt auch auf ihr Rufen. Ruckartig drehte sie den Kopf und schirmte die Augen gegen die Hitze und die Helligkeit ab. Mit einem Mal setzte sie sich dann in Bewegung und kam auf sie zu gerannt: „Aaaaprilll!“ April konnte nicht mehr sagen, wie sie die letzten Meter überwunden hatte, sie konnte sich nur noch an dieses überwältigende Gefühl erinnern, als Fireball sie fest in seine Arme schloss. „Fireball, oh Gott, Fireball, ich dachte Du... Du wärst...“ ihre Stimme versagte, aber das war nun nicht mehr so wichtig. Fireball lebte. Er war hier bei ihr und hatte seine Arme um sie gelegt. Sie spürte seine Körperwärme, seinen Atem und genoss das beruhigende Gefühl, wie sich sein Brustkasten hob und senkte. „April...“ flüsterte er glücklich, während er seine Hände in ihren Haaren vergrub, „kleine April!“ Das war alles, was er sagen konnte. Er genoss dieses schöne Gefühl, April endlich in die Arme schließen zu können, ihren Duft einzuatmen und ihre zarte Haut zu spüren, nachdem er schon fast befürchtet hatte, dieser Traum würde niemals in Erfüllung gehen. Er wusste ja nichts von ihren Sorgen und Ängsten. Die Explosion hatte ihn in seinem Apartment genauso überrascht, wie alle anderen, und um herauszufinden, was passiert war, hatte er sich so schnell wie möglich auf den Weg gemacht; dass er dabei als erstes April über den Weg laufen würde, hätte er nie für möglich gehalten. Das hastige Trampeln von Füßen riss ihn aus seinen Gedanken. „Mensch Fireball“, als er aufblickte, schaute er direkt in das strahlende Gesicht von Colt, der nicht erst wartete, bis er sich von April getrennt hatte, sondern gleich beide auf einmal umarmte, „mach so einen Scheiß nie wieder, hörst Du! Du hast uns echt einen gewaltigen Schreck eingejagt!“ Auch Robin und Saber umarmten den verloren geglaubten Freund überschwänglich, obwohl Fireball noch immer nicht ganz verstand, weshalb ihm plötzlich diese Ehre zuteil wurde. Nur David stand etwas abseits daneben und beobachtete das Schauspiel. Natürlich freute er sich, dass der Star Sheriff unverletzt war, doch es passte ihm nicht, dass dieser nach seinem schändlichen Verhalten auf der Feier auf einmal so schnell davon kommen sollte. „Wie zum Geier seid Ihr auf die Idee gekommen, ich würde hier sein?“ Fireball lauschte etwas verwirrt den Schilderungen seiner Freunde, als sie ihm von der wahnwitzigen Rettungsaktion erzählten. Er hatte einen Arm um April gelegt, die sich noch immer fest an ihn schmiegte. „Wie zum Geier bist Du denn auf die Idee gekommen, mir zu erzählen, Du würdest hier her fahren, hombre!“ Colt verschränkte entrüstet die Arme vor der Brust. Das war ja wohl das letzte; erst machte man sich seinetwegen die größten Sorgen, und alles, was man von Fireball als Dankeschön erhielt, war ein "Wie zum Geier". Der Rennfahrer verzog leicht verlegen das Gesicht: „Okay, eins zu null für Dich. Aber warum in Dreiteufelsnamen habt ihr nicht versucht, mich über Comline zu kriegen?“ Betreten blickten sich die Star Sheriffs einen Moment an, um dann laut loszulachen: „Wäre ja zu einfach gewesen...“ grinste Saber, der froh war, die Situation wieder voll im Griff zu haben. Sie redeten noch eine Zeit lang so, als hätten sie das brennende Inferno um sich herum völlig vergessen, bis ein lauter Schrei ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Katastrophe richtete: „Sanitäter, schnell, ein Trage, wir haben hier eine Verwundete!“ Geschockt verfolgten die Star Sheriffs, was nun geschah. Sie hatten so fest damit gerechnet, dass Fireball derjenige gewesen war, der sich vor der Explosion in der Halle aufgehalten hatte, dass sie die Möglichkeit, noch eine andere Person hätte im Feuer eingeschlossen sein können, ganz außer acht gelassen hatte. Für sie war die Welt in dem Moment wieder in Ordnung gewesen, als April Fireball entdeckt hatte. Nun waren sie zutiefst beschämt über das sorglose Verhalten, das sie an den Tag gelegt hatten, während ein anderer Mensch in unmittelbarer Nähe mit dem Tod gekämpft hatte. Einer der Feuerwehrmänner trug eine leblose Frauengestalt aus den brennenden Trümmern des Hangars ins Freie, wo sich sofort ein Spezialistenteam von Ärzten um sie kümmerte. Ihre Sachen waren entweder verbrannt oder vom Rauch geschwärzt, und ihre Haare waren beinahe bis auf die Kopfhaut angesengt, doch man konnte noch immer einen kleinen orangefarbenen Schimmer erkennen. Fireball schluckte: „Nein!“ mit einem Mal war das Leben aus seinem Gesicht gewichen und eine schreckliche Welle von Erkenntnis stürzte über ihm zusammen. Ohne Vorwarnung rannte er los, genau auf das Feuer und die Sanitäter zu. „Fireball, bleib hier, das ist zu gefährlich!“ er beachtete Aprils Rufen nicht, genauso wenig wie die Schreie der Männer, die versuchten, ihn vom Feuerherd wegzulotsen. Hände griffen nach ihm, doch Fireball schüttelte sie alle ab, getrieben von blankem Entsetzen und einer fürchterlichen Ahnung. Er verlangsamte seinen Schritt erst wieder, als er nur noch wenige Meter von der Trage entfernt war, auf die man die Frau gelegt hatte. Sein Herzschlag setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. Sie hatte schwere Verbrennungen an Armen, Beinen und auch im Gesicht; trotzdem erkannte Fireball sofort, dass er sich mit seiner ersten Ahnung nicht getäuscht hatte. Mit einem markerschütternden Schrei fiel er neben der Bahre auf die Knie: „Mandarin...“ Kapitel 3: Schlimmer Verdacht ----------------------------- „Mister Hikari... Mister Hikari...“ drang eine tiefe Stimme langsam in Fireballs Unterbewußtsein vor und holte ihn aus seinem traumlosen aber unruhigen Schlaf in die Wirklichkeit zurück. Benommen kniff er die Augen zusammen und blinzelte dem künstlichen Licht der Neonröhre entgegen, die leise über ihm summte. „Wo zum Teufel...“ verwirrt fuhr er sich durchs Gesicht und starrte dann fassungslos auf die schwarzen Rußspuren, die sich unregelmäßig auf seinen Unterarmen verteilten. „Mister Hikari...“ da war wieder diese Stimme. Fireball richtete sich langsam auf und wandte den Blick in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. Er erkannte Dr. Jade, den Chefarzt des Yuma Bay Hospitals. Und da fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen; der Unfall! Er erinnerte sich an die Explosion auf dem Raumhafen und an den schrecklichen Moment als er gesehen hatte, wie die Feuerwehrmänner Mandarins leblosen Körper aus dem flammenden Inferno getragen hatten. Wenig schwungvoll stellte er seine zittrigen Beine auf den Boden und erhob sich von seinem nächtlichen Lager, einer unbenutzten Transportbahre des Hospitals: „Wie spät ist es?“ murmelte er während er noch versuchte, seine Sinne zusammen zu sammeln. „Es ist gerade Mittag durch...“ „Was, so lange habe ich geschlafen...“ Fireball starrte fassungslos auf seinen Communicator, nur um die Aussage des Arztes bestätigt zu sehen. „Sie hatten den Schlaf aber auch dringend nötig“ rügte ihn Dr. Jade mit besorgter Stimme, „es wäre besser gewesen, wenn Sie mit Ihren Freunden zusammen zurück in die Kommandozentrale gefahren wären, um sich nach den Anstrengungen der Nacht ein wenig Erholung zu gönnen. Ihr Körper hätte sie dringend gebraucht!“ „Danke“, Fireball streckte sich ausgiebig, wobei er das Gefühl hatte, jeder Zentimeter seines Körpers würde von hunderten von Nadeln malträtiert werden, „aber Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen, ich bin soweit in Ordnung!“ Der Arzt konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen: „Wenn ich mir dessen nicht hundertprozentig sicher gewesen wäre, hätte ich sie zur Not auch mit Gewalt hier wegbringen lassen...“ Den letzten Satz schien Fireball gar nicht gehört zu haben: „Sagen Sie, wie geht es ihr?“ er hatte die Augen stur auf den Boden gerichtet um den nun folgenden Blick seines Gegenübers nicht sehen zu müssen. Doch trotzdem spürte Fireball, wie sich die Miene des Arztes mit tiefen Sorgenfalten überzog. „Sie ist noch immer nicht aus dem Koma erwacht...“ „Aber sie wird es doch schaffen, nicht wahr? Sie wird wieder gesund werden!“ die flehenden Bitten versetzten Dr. Jade einen schmerzlichen Stich, der die Situation nicht gerade leichter machte. „Hören Sie Fireball,“ er legte dem jungen Rennfahrer beruhigend eine Hand auf die rechte Schulter, „sie hat extreme Verbrennungen am gesamten Körper erlitten, dazu noch komplizierte Verletzungen mehrerer lebenswichtiger Organe... “ „Heißt das etwa...“ Fireballs Augen begannen zu brennen und eine eiskalte Hand schnürte ihm die Kehle zu. „Wir haben alles für sie getan, was medizinisch und menschlich in unserer Macht stand, aber Sie können natürlich weder von uns noch von der Medizin ein Wunder verlangen...“ „Sie meinen...“ eine kleine Träne kullerte Fireballs Wange hinunter und hinterließ eine dünne weiße Spur auf dem rußverschmierten Gesicht, „sie hat keine Chance?“ seine Hände verkrampften sich vor Anspannung zu Fäusten. Der Gesichtsausdruck von Dr. Jade verdunkelte sich zunehmend: „Hören Sie, junger Freund, ich würde Ihnen zu gerne genau das Gegenteil sagen, aber das kann ich nicht. Verstehen Sie, ich bin hierher gekommen weil... An sich ist es unerklärlich, daß Sie es überhaupt solange geschafft hat!“ „Aber...“ die Stimme des Star Sheriffs versagte. Das war einfach zuviel für ihn. Er hatte viel durchgemacht während seiner Zeit beim Kavallerie Oberkommando, doch niemals hatte er sich so einer Situation stellen müssen. Traurig schüttelte der Doktor den Kopf: „Wenn Mandarin den heutigen Tag... wenn sich ihr Zustand unerwarteter Weise verbessern sollte... bestünde vielleicht die Möglichkeit, daß wir weitere Eingriffe vornehmen können, um ihre inneren Verletzungen zu behandeln...“ „Wieso“, Fireball schnappte nach Luft, „wieso zum Teufel stehen Sie dann untätig hier herum anstatt ihr zu helfen?“ er konnte es einfach nicht fassen. Da stand doch dieser Arzt seelenruhig vor ihm und erzählte ihm etwas über Mandarins schlimmen inneren Verletzungen und darüber, diese eventuell demnächst zu behandeln; das war ja einfach ungeheuerlich! „Weil es für Ihre Freundin im Moment den sicheren Tod bedeuten würde, wenn wir einen weiteren Eingriff vornehmen würden“, erklärte Dr. Jade sachlich und überlegt, denn er hatte schon viele Menschen in Fireballs jetziger Lage ähnlich schlechte Nachrichten überbringen müssen, und wußte, wie schwierig es für einen Nichtmediziner war, diese auch richtig zu verstehen, „wir haben im Moment getan was wir konnten, ohne ihren Zustand unnötig noch mehr zu gefährden. Noch einen Eingriff würde sie in der momentanen Verfassung nicht überstehen!“ „Das heißt...“ Fireball versuchte, seinen letzten Mut zusammen zu kratzen, „das heißt doch, daß sie vielleicht noch eine Chance hat, oder? Das haben Sie doch gerade gesagt, nicht wahr!“ Der Mann im weißen Kittel ließ sich schwermütig neben ihm auf der Bahre nieder ohne ihm in die Augen zu sehen: „Fireball, sie müssen sich an den Gedanken gewöhnen... die Wahrscheinlichkeit, daß sich Mandarins Zustand tatsächlich wieder bessert ist ungefähr eine Million zu eins. Begreifen Sie es doch bitte... Ihre Freundin wird den heutigen Tag wahrscheinlich nicht...“ „Nein!“ schrie Fireball verzweifelt und sprang auf. Völlig verzweifelt versuchte er gegen die Tränen anzukämpfen, die ihm langsam die Kehle zuschnürten und fuhr sich immer wieder über sein rußgeschwärztes Gesicht: „Sie wird nicht sterben, verstehen Sie! Sie darf nicht sterben...“ ein bitteres Schluchzen raubte ihm die Stimme, „ich bin Schuld an diesem Unfall... ich... ich sollte eigentlich dort liegen...“ hierbei deutete er zitternd auf das Zimmer, in das man Mandarin gebracht hatte, „es ist nicht fair...“ kraftlos lehnte er sich gegen die Hospitalwand und rutschte langsam an ihr herunter, bis er wie ein wimmerndes Stückchen Elend auf dem Boden kauerte und versuchte, sein Gesicht hinter seinen Armen zu verbergen. Dr. Jade erhob sich schwerfällig und drehte Fireball langsam den Rücken zu: „Der Tod ist niemals fair, Fireball! Aber es wird ihr auch nicht helfen, wenn Sie jetzt heldenmütig Ihr Leben für ihres geben wollen... Sie leben, seien Sie dankbar dafür...“ Fireball versuchte sein Schluchzen unter Kontrolle zu bringen, denn innerlich wußte er, daß die Worte von Dr. Jade, mochten sie auch noch so hart klingen, der Wahrheit entsprachen. Es würde Mandarin jetzt nicht helfen, wenn er in Selbstmitleid und Vorwürfen versank; sie brauchte seine Hilfe... „Kann ich... kann ich zu ihr, Dr. Jade?“ langsam rappelte er sich vom Boden auf und wischte sich seine letzten Tränenspuren von den Wangen. „Ich glaube nicht, daß das eine so gute Idee wäre...“ auch jetzt drehte sich der Arzt nicht zu dem jungen Rennfahrer um, denn Fireballs Gefühlsausbruch hatte ihm doch mehr zugesetzt, als er sich eingestehen wollte. Wenn er diesem armen Kerl noch einmal in die Augen sehen mußte, würde er endgültig die Fassung verlieren, „wie ich schon sagte, sie liegt im Koma. Sie würde nicht einmal merken, daß Sie bei Ihr sind. Ich denke, es wäre besser, wenn Sie sie nicht in diesem Zustand sehen. Versuchen Sie sie so in Erinnerung zu behalten, wie sie vor dem...“ „Ich bin den ganzen Weg im Krankenwagen bei ihr gewesen. Schlimmere Bilder als die von letzter Nacht können sich nicht mehr in mein Gehirn einbrennen...“ ein eiskalter Schauer jagte Fireballs Rücken hinunter; diese Bilder würden ihn wahrscheinlich ein Leben lang verfolgen! „Ich bin sicher, daß sie spürt, wenn ich bei ihr bin! Ich meine... wir können sie doch nicht einfach dort...“ wieder übermannten ihn seine Gefühle bei dem Gedanken daran, daß Mandarin wahrscheinlich sterben würde. „Mag sein, daß Sie recht haben...“ murmelte Dr. Jade und machte sich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, auf den Weg in Richtung der Stationsaufsicht: „Rufen Sie mich, wenn sich an ihrem Zustand etwas ändern sollte!“ und damit war er verschwunden. Mit zittrigen Fingern drückte Fireball die Klinke zu Mandarins Zimmer hinunter und schob die Tür vorsichtig einen Spalt breit auf, gerade soweit, daß er hindurch schlüpfen konnte... Als April einige Stunden später vor Fireballs Zimmertür stand, saß ihr ein dicker Kloß im Hals. Die Ereignisse des letzten Abends und der letzten Nacht hatten deutliche Spuren auf ihrem sonst so hübschen und vor Freude strahlenden Gesicht hinterlassen. Tiefe dunkle Ringe unter ihren Augen verrieten, daß Fireball nicht der einzige gewesen war, der sich die Nacht um die Ohren geschlagen hatte und ihre Schultern hingen kraftlos herunter, was man sonst gar nicht von ihr gewohnt war. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen klopfte sie zaghaft an, insgeheim hoffend, daß Fireball nicht da sein würde. Irgendwie machte sie der Gedanke nervös, ihm nach allem was geschehen war, gegenüber zu treten, obwohl sie nicht genau sagen konnte, warum. Aus dem Zimmerin neren kam keine Antwort. Beinahe hätte April erleichtert aufgeatmet, doch sie wußte, daß sie dieser Konfrontation nicht ewig würde aus dem Weg gehen können, und aller Wahrscheinlichkeit nach brauchte Fireball gerade jetzt jemanden, dem er sich anvertrauen konnte, da konnte sie nicht einfach vor Feigheit kneifen und ihn seinem Schicksal überlassen. Vorsichtig wie ein Dieb, der Angst hatte, bei seiner Tat erwischt zu werden, griff sie nach dem Türknauf und drehte ihn langsam herum. Mit einem kleinen Klicken sprang die Tür auf und Aprils Herzschlag setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. Wenn die Tür nicht abgeschlossen war, konnte das nur bedeuten... „Fireball...“ flüsterte sie zittrig und trat in den kleinen Flur von Fireballs Appartement. Mit noch größerer Sorgfalt schloß sie die Tür wieder hinter sich und schlich sich auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Es war ja immerhin möglich, daß er schlief und ihr deswegen nicht geantwortet hatte, daß er hier war spürte April auf jeden Fall ganz deutlich. Doch Fireball schlief nicht. Er saß gedankenverloren, nur mit einer Boxershorts gekleidet auf dem kleinen Sofa und starrte mit leerem Blick vor sich hin. April bemerkte sofort wie blaß sein Gesicht war und wie tief sich die Sorgenfalten in seine Stirn gegraben hatten. „Fire...“ wisperte sie erneut und schien ihn dieses mal aus seiner Lethargie gerissen zu haben. Müde hob er den Kopf und starrte April mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrtheit an: „April...“ krächzte er hüstelnd, was April sofort aufzeigte, daß er geweint haben mußte, „was machst Du hier?“ Zögernd machte sie einige Schritte auf ihren Teamkameraden zu und setzte sich ihm gegenüber auf den Wohnzimmertisch: „Ich... wollte schauen, wie es Dir geht...“ Hierfür erntete sie ein verächtliches Schnauben: „Kein Sorge, immerhin bin nicht ich derjenige, der...“ seine Stimme versagte und Fireball stütze wieder verzweifelt den Kopf auf seine Hände. April biß sich auf die Lippe, denn sie sah ein, daß dieser Anfang wenig taktvoll gewesen war. Fireball hatte ja recht, ihm war schließlich nichts bei dem Unglück auf dem Raumhafen passiert: „Wie steht es um Mandarin?“ „Schlecht...“ Fireball erhob sich abrupt vom Sofa und begann im Zimmer umher zu tigern, „die Ärzte geben ihr kaum eine Chance!“ April wußte nicht, was sie auf diese Nachricht antworten sollte; sie hatte nicht erwartet, daß es so schlimm um den weiblichen Captain stand. Es entstand ein lange Pause, in der Fireball langsam zum Fenster hinüber ging. Das bunte Treiben in der Zentrale des Kavallerieoberkommandos schien wenig berührt von Mandarins Schicksal zu sein. Wohin man auch blickte, überall auf dem Komplex wuselten Menschen in zivil und Uniform herum, die geschäftig Ihrer täglichen Arbeit nachgingen. April verspürte den Drang danach aufzustehen und Fireball fest in die Arme zu schließen, doch sie war auf ihrer unbequemen Sitzgelegenheit wie angewurzelt. Sie traute sich kaum zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen. „Es ist einfach nicht fair...“ unterbrach Fireball nach einigen Minuten die Stille und lehnte die Stirn gegen das kühlende Fensterglas, „es hätte mich treffen müssen und nicht sie...“ „Sag sowas nicht...“ April überlief eine Gänsehaut bei dieser schrecklichen Vorstellung. Die unerträgliche Angst, die sie in der Nacht zuvor durchlebt hatte, war tief in ihr Gedächtnis gebrannt und sie fühlte, wie ihr beim Gedanken daran wieder Tränen in die Augen stiegen. „Aber es stimmt, April...“ Fireball drehte sich langsam zu ihr um und blickte sie unverwandt mit seinen leeren, traurigen Augen an, „es ist meine Schuld, daß das alles passiert ist. Ich bin für diesen Unfall verantwortlich!“ dieser Vorwurf war anklagender, als jedes Gericht es je hätte aussprechen können. „Fire...“ April konnte nachvollziehen, was in diesem Moment in ihrem Freund vorging, doch sie mußte ihn zur Vernunft bringen, „ich weiß, daß Du Dich verantwortlich fühlst, aber das bist Du nicht... Keiner weiß, was Mandarin letzte Nacht in dieser Halle zu suchen hatte und wieso es zu der Explosion gekommen ist...“ Sie sah, daß Fireballs Augen verdächtig zu schimmern begannen: „Doch, es ist meine Schuld! Sie ist nur meinetwegen dort gewesen und die Explosion...“ seine Stimme versagte und er begann leise zu schluchzen. Von tiefem Mitleid und dem unbändigen Drang erfüllt, Fireball einen Teil seiner Last abzunehmen stand April auf und ging zu ihm hinüber: „Das redest Du Dir jetzt doch nur ein...“ liebevoll legte sie ihm die Hände auf die Schultern, „es ist niemand für diesen Unfall verantwortlich, und ganz bestimmt nicht Du...“ die letzten Worte klangen beinahe wie eine flehentliche Bitte, doch Fireball enttäuschte ihre Hoffnung sehr schnell. Er griff nach ihren Händen und drückte sie fest an sein Brust, während ihm eine Träne die rechte Wange hinunter lief: „April, ich weiß, wie es zu der Explosion gekommen ist...“ „Was?!“ keuchend trat sie einen Schritt zurück und starrte Fireball entsetzt an. Dieser konnte nur noch resigniert mit den Schultern zucken: „Ich schätze, es wird Zeit, daß ich Dir alles erzähle...“ er zog April mit sich zurück aufs Sofa, versuchte dabei aber angestrengt, ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. „Weißt Du noch das Outrider-Raumschiff, das wir nach der letzten Schlacht bergen konnten?“ begann er leise, ohne ihre Hände loszulassen, den Blick starr zu Boden gerichtet. ‚Du meinst das, bei dem ich Dich zusammen mit Mandarin erwischt habe!‘ schoß es ihr durch den Kopf, doch sie signalisierte nur durch ein kaum hörbares „hm“, daß sie wußte, wovon Fireball sprach. „Als es nach der Schlacht hieß, es wäre uns gelungen, dieses beinahe unbeschadete Outrider-Schiff zu sichern, hat sich in meinem Kopf ein Hirngespinst festgesetzt. Ich war plötzlich wie besessen von dem Gedanken, dieses Schiff wieder funktionsfähig zu machen, um damit einen Weg in die Phantomzone zu finden...“ „Aber, weshalb? Das kann ich nicht verstehen...“ April schwirrten die Worte von Fireball im Kopf herum, so als könnte ihr Gehirn nicht verarbeiten, was er ihr gerade offenbart hatte. „Ich habe Dir doch von meinem Vater erzählt...“ „Ja“, April versuchte etwas klarer im Kopf zu werden, „er war Pilot, so wie Du, und bei einem seiner Kampfeinsätze wurde er vermutlich in die Phantomz...“ plötzlich dämmerte es April und all die Puzzlestücke fügten sich mit einem Mal zu einem Ganzen zusammen, „Du wolltest das Schiff reparieren, um Deinen Vater zu suchen...“ ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter; wieso war sie nicht schon viel früher darauf gekommen. Als seine Freundin hätte sie doch eigentlich als erste merken müssen, was mit Fireball los gewesen war. „Diese Schiff war meine einzige Hoffnung herauszufinden, was damals wirklich mit meinem Vater geschehen ist und ... ob er noch ...“ wieder versagte Fireballs Stimme bei der schmerzlichen Erinnerung an seinen Vater. „Aber Fire...“ April legte ihm tröstend einen Arm um die Schultern, „das wäre doch viel zu gefährlich geworden. Wir hätten sicherlich niemals zugelassen, daß Du Dich in so ein waghalsiges Abenteuer stürzt...“ „Das ist genau der Grund, weshalb ich Euch nichts von der Sache erzählt habe, sondern Mandarin um ihre Hilfe gebeten habe...“ Fireball vergrub das Gesicht in seinen Händen, „ich wollte nicht, daß Ihr Euch meinetwegen Sorgen macht, oder Euch wohlmöglich noch selber in Gefahr begebt... ich war so ein fieser Dreckskerl... Ich habe Mandarins Freundschaft schamlos ausgenutzt, nur um Euch nicht in Schwierigkeiten zu bringen...“ April schluckte schwer; langsam begann alles irgendwie einen Sinn zu bekommen. Warum Fireball mit Mandarin von der Feier verschwunden war und April nicht hatte verraten wollen, worüber sie geredet hatten, die Tatsache, daß sie die beiden zusammen in dem Hangar angetroffen hatte... Übelkeit stieg in ihr hoch, denn sie begriff mit einem Mal, wie unrecht sie Fireball die ganze Zeit getan hatte. Gestern abend vor der Feier war er zu ihr gekommen und hatte ihr alles erklären wollen, doch sie hatte ihm, blind vor Eifersucht, einfach nicht zuhören wollen: „Fire, das, das...“ nun sah auch sie reumütig zu Boden, „ich wußte nichts davon...“ „Das solltest Du ja auch nicht. Ich hätte natürlich niemals gedacht, daß es solche Problem geben würde, Dir die ganze Sache zu verheimlichen... ich hätte es auch nie getan, wenn ich diese Konsequenzen hätte ahnen können...“ „Fireball, es tut mir so leid, wenn ich das gewußt hätte... ich hätte mich doch niemals so...“ „Nein, nein“, liebevoll aber gedankenverloren tätschelte er ihr linkes Knie, „Du konntest es ja nicht wissen. Zum Glück, denn sonst würdest Du jetzt vielleicht genauso wie Mandarin...“ „Was ist passiert, Fireball?“ April hatte irgendwie Angst vor der Wahrheit, aber nun wollte sie alles wissen, jede Einzelheit und jedes noch so schreckliche Detail. „Das Hauptproblem daß sich uns bei dem Outrider-Schiff entgegenstellte, war es, eine neue Energiequelle zu finden, um dem Ding wieder Leben einzuhauchen. Ich wollte gestern nachmittag eigentlich noch einen unserer Stromkonverter an das Hauptantriebssystem anschließen, aber wegen der Feier hatte ich dafür nicht mehr genügend Zeit. Also habe ich alles so stehen und liegen gelassen und habe mich auf den Abend vorbereitet...“ er räusperte sich kurz und fuhr sich mit der rechten Hand durch die Haare, „der wurde zugegeben ein wahres Desaster!“ Fireballs Hände begannen zu zittern und er versuchte krampfhaft sie wieder unter Kontrolle zu bringen: „Ich habe mich aufgeführt wie der allerletzte Vollidiot!“ „Aber...“ „Nein, April, nichts aber! Dafür gibt es auch keine Entschuldigung. Nachdem Du von mir nichts mehr wissen wolltest und auch noch dieser David auf der Bildfläche aufgetaucht war...“ bei diesen Worten senkte April schuldbewußt den Blick, „war mir so ziemlich alles egal! Ich habe mich ziemlich voll laufen lassen und mir gedacht, was solls, wenn Du April schon nicht...“ beiden stieg die Röte ins Gesicht und Fireball stand auf, weil ihm Aprils Nähe unangenehm wurde, „dann kannst Du genauso gut mit Mandarin Vorlieb nehmen. Zum Glück war Colt rechtzeitig zur Stelle, um das schlimmste zu verhindern...“ Wieder begann er im Zimmer auf und ab zu marschieren, weil es ihm nicht sonderlich leicht viel, mit April über seine kleinen Eskapaden mit Mandarin zu sprechen. Diese wußte auch nicht wirklich, was sie darauf erwidern sollte und hörte einfach nur mit betretenem Schweigen zu. „Nachdem dann auch mein allerletzter Versuch mich mit Dir auszusprechen gescheitert war, habe ich ihr die ganze Schuld für die Misere in die Schuhe geschoben und ihr auch noch ein schlechtes Gewissen eingeredet. Deshalb ist sie in der Nacht wieder zum Raumhafen gefahren und hat weiter an dem Raumschiff gearbeitet, um mir eine Freude zu machen, kannst Du Dir das vorstellen! Nach allem was ich mieser Kerl ihr angetan hatte, wollte sie mir einen Gefallen tun...“ verzweifelt schlug sich Fireball immer wieder mit der flachen Hand gegen die Stirn: „Ich habe sie so hinterlistig ausgenutzt und sie fühlt sich auch noch schuldig dafür...“ kraftlos ließ er sich in den Sessel sinken und schluchzte hinter vorgehaltenen Händen immer wieder, was für ein schrecklicher Mensch er doch war und es verdiente, anstelle von Mandarin jetzt dort im Krankenhaus zu liegen. April war verzweifelt; sie wußte einfach nicht mehr, was sie machen sollte. Sie hatte mit allem gerechnet, als sie sich auf den Weg zu Fireballs Appartement gemacht hatte, nur nicht mit so einem Geständnis. Und irgendwie fühlte sie sich auch mit verantwortlich für die Dinge, die passiert waren. Wenn sie ihm von Anfang an doch nur geglaubt hätte, dann wäre es niemals soweit gekommen. Und doch, eine zweifelnde Frage stand noch immer im Raum, auf die eine Antwort ausgeblieben war: „Aber die Explosion, Fire, wie ist es dazu gekommen?“ Fireball hob den Kopf und blickte April direkt in die Augen: „ Sie hat den Stromkonverter an das Schiff angeschlossen, so wie ich es machen wollte, und als sie die Kiste angestellt hat, ist alles in die Luft geflogen...“ Wie vom Donner gerührt starrte April ihren Teamkameraden fassungslos an. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, was er da eben gesagt hatte: „Aber... woher weißt Du, daß es so...“ „Mandarin ist heute morgen ganz kurz bei Bewußtsein gewesen...“ Fireball stand langsam auf und sah die immer noch fassungslose April durchdringend an: „Verstehst Du jetzt, wieso ich Schuld an dieser ganzen Sache bin, ich hätte sie durch meinen Leichtsinn beinahe umgebracht!“ „Nein...“ rief April verzweifelt, sprang auf und warf sich Fireball um den Hals: „Das darfst Du nicht sagen, hörst Du! Sowas darfst Du nicht sagen...“ heiße Tränen liefen ihre Wangen hinunter, die auf Fireballs nackten Oberkörper tropften. „Ich bin mindestens genauso Schuld an der ganzen Sache...“ „Nein...“ energisch nahm Fireball ihr Gesicht in seine Hände, „sowas darfst Du nicht einmal denken, April, Dich trifft nun wirklich gar keine Schuld...“ „Doch...“ April drängte sich noch näher an den warmen Körper ihres Freundes, „ich habe Dir nie zugehört, wenn Du versucht hast, mir die Situation zu erklären. Wenn ich Dir nur vertraut hätte oder Dir eine Chance zum Erklären gegeben hätte, dann wäre das alles nie soweit gekommen...“ Nun konnte auch Fireball seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Verzweifelt schlang er seine Arme fest um Aprils Körper und verbarg sein Gesicht in ihren Haaren. „Und ich hätte verhindern können, daß Ihr Euch weiter mit dem Schiff beschäftigt, schließlich wußte ich doch, daß Ihr Euch dort aufgehalten habt...“ „April“, die Umarmung wurde noch fester, „Du darfst niemandem erzählen, daß Du mich und Mandarin bei dem Raumschiff gesehen hast. Es war strengstens untersagt, sich dem Schiff auch nur ansatzweise zu nähern, und es wäre Deine Pflicht als Star Sheriff gewesen, über den Vorfall in der Halle Meldung zu machen... ich will nicht, daß Du auch noch in die Sache reingezogen wirst.“ „Und Du darfst auch nichts darüber sagen, Fire“, April schmiegte sich ganz eng an seine Brust, „wenn niemand erfährt, daß Du etwas damit zu tun hattest, dann wird man Dich auch nicht zur Verantwortung ziehen können!“ sie wußte was sie in diesem Augenblick von Fireball verlangte, doch ihre Ehre als Star Sheriff war jetzt egal, was zählte war nur, daß er keine Schwierigkeiten bekommen würde... „Das kann ich nicht April, egal was mich erwartet... ich kann nicht mein ganzes Leben mit dieser Schuld herumlaufen... die schlimmste Strafe wäre noch viel zu milde für mich...“ „Aber... ich will Dich nicht verlieren, Fire...“ April löste sich ein handbreit von Fireball und blickte in seine wunderschönen braunen Augen. „April...“ langsam, ganz langsam näherte sich Fireballs Gesicht dem ihren und April schloß erwartungsvoll die Augen. Sie spürte seinen unregelmäßigen Atem auf ihrer Wange, der ihr eine Gänsehaut verursachte. Er war ihr so nah, daß sie seine Wärme spüren konnte. Die Zeit schien still zu stehen, und dann... „Es tut mir leid...“ flüsterte er ganz nahe an ihrem linken Ohr, „ich habe so lange auf diesen Augenblick gewartet...“ sanft schob er die verdutzte April von sich weg, „aber ich kann nicht! Ich kann Dich nicht auch noch unglücklich machen...“ „Fireball, ich...“ „Nein, April...“ mit leidvoller Miene schüttelte Fireball langsam den Kopf, „es darf einfach nicht sein...“ „Aber wieso denn nicht, Fireball...“ April wollte ihn wieder umarmen, aber dieses Mal wehrte er sie sanft aber bestimmt ab, „Du bist doch alles, was ich zum glücklich...“ „Hör auf damit...“ wimmerte Fireball verzweifelt, „mach es nicht schlimmer als es ist! Meinst Du wirklich, daß Du es Dir als Tochter von Commander Eagle leisten kannst, Dich mit mir abzugeben, nach allem, was passiert ist und mit mir noch passieren wird?“ Stur schüttelte April ihre blonde Mähne: „Das ist mir völlig egal...“ „Aber Mandarin braucht mich jetzt mehr.“ diese dumpfe Antwort hatte April alle Farbe aus dem Gesicht getrieben und ließ ihre Knie bedenklich zittern. „Es ist meine Pflicht, April...“ jede Emotion schien aus Fireballs Stimme gewichen zu sein, „nach allem was ich ihr angetan habe, ist das mindeste, was ich für sie tun kann, immer für sie da zu sein. Sollte sie tatsächlich wieder gesund werden, werde ich mich um sie kümmern, sie hat doch sonst niemanden!“ „Aber...“, Aprils Lippen bebten und brachten nicht mehr als ein Wispern hervor, „was ist mit mir... mit uns? Die Star Sheriffs brauchen Dich doch auch...“ flehend faltete sie die Hände wie zu einem stummen Gebet, doch insgeheim wußte sie, daß Fireball seine Meinung nicht mehr ändern würde. „Ich... ich werde meinen Dienst als Star Sheriff quittieren, April!“ „Nein...“ flüsterte sie entsetzt und bewegte wie in Zeitlupe den Kopf hin und her, „das kannst Du nicht tun, wir brauchen Dich! Wir sind doch ein Team, Fireball... wer soll denn dann Ramrod...“ Weiter kam April nicht mit ihren Einwänden, denn in dem Moment klopfte es an Fireballs Tür: „Fireball, bist Du da, ich muß mit Dir reden...“ Entgeistert fuhren beide zusammen, denn das war unverkennbar die Stimme von Commander Eagle gewesen. „Dein Vater...“ hastig blickte sich Fireball im Zimmer um, „geh ins Schlafzimmer, schnell!“ er zog April hinter sich her und bugsierte sie in das angrenzende Zimmer. Natürlich versuchte sie sich zu wehren, denn immerhin war es ja nichts schlimmes, daß sie sich im Appartement ihres Teamkollegen aufhielt, aber Fireball ließ keine Gegenwehr zu. „Wieso soll ich mich denn verstecken, glaubst Du denn, Daddy weiß nicht...“ „Fireball...“ drang erneut die joviale Stimme des Commanders vom Flur her. „Eine Sekunde, Commander Eagle, ich bin sofort da... jetzt sei vernünftig, April, ich will nicht, daß Du irgendwie in die Sache mit reingezogen wirst, verstanden...“ „Aber...“ „Nichts aber“, Fireball war bereits im Begriff, die Tür hinter sich zu schließen, „Du bleibst hier drin, egal was passiert, ist das klar...“ dieser Befehl ließ keinen Widerspruch zu und resigniert ließ sich April aufs Bett fallen. Fireball hingegen hastete bereits zur nächsten Tür, hinter der er einen ziemlich niedergeschlagenen Commander Eagle antraf: „Entschuldigen Sie, Commander, daß ich Sie warten ließ... ich ähm... kam gerade aus der Dusche und ähm... mußte mir erst etwas anziehen!“ Die Miene seines Gegenübers veränderte sich zu einem müden Lächeln: „Ist schon gut meine Junge...“ er blickte an Fireball vorbei ins Innere des Appartements, „bist Du allein?“ „Ja...“ eine blasse Röte stieg dem Rennfahrer ins Gesicht, ob der Commander etwas bemerkt hatte, „aber bitte, kommen Sie doch rein...“ er ließ Aprils Vater an sich vorbei schreiten und folgte ihm mit einem sehr unguten Gefühl ins Wohnzimmer. Es war noch nie vorgekommen, daß er ranghöheren Besuch in seiner Unterkunft empfangen hatte, das ließ einfach nichts gutes ahnen. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Sir?“ „Nein, danke“, der Commander stellte sich mit auf dem Rücken verschränkten Armen ans Fenster, so wie es Fireball kurz zuvor auch getan hatte und starrte geistesabwesend hinaus, „gibt es Neuigkeiten von Captain Yamato?“ „Nein, Sir, ich hatte gehofft, Sie könnten mir vielleicht etwas Neues berichten... oder vielleicht hatte ich es auch befürchtet!“ Ruckartig drehte sich der Commander herum und blickte Fireball durchdringend an: „Ich komme gerade von der Untersuchungskomission, die mit der Explosion von letzter Nacht betraut wurde... man hat jetzt die Ursache für die Explosion gefunden!“ Fireball stieg ein schaler Geschmack in den Mund und sein Magen fühlte sich an, als würde er von innen nach außen gestülpt werden: „Commander, ich...“ „Unterbrich mich bitte nicht, Fireball, hör Dir erst an, was ich zu sagen habe, bevor Du etwas erwidern möchtest!“ Eagle sah am leichten Kopfnicken seines Gegenübers, daß er seine ungeteilte Aufmerksamkeit haben würde. Er schloß sichtlich gequält die Augen und fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn, so als müssen er sich imaginäre Schweißperlen fortwischen: „Die Explosion ist kein Unfall gewesen, Fireball...“ „Wie soll ich das verstehen, Commander?“ den jungen Rennfahrer schien diese Aussage sichtlich zu verwirren und Eagle mußte sich alle Mühe geben, um seine Stimme weiterhin unter Kontrolle zu halten: „Man hat bei den Untersuchungen herausgefunden, daß es sich bei der Explosion um ein Attentat gehandelt haben muß. Es wurden die Überreste eines ferngezündeten Sprengsatzes gefunden!“ Wie vom Donner gerührt sprang Fireball auf: „Sie meinen... eine Bombe...“ alle Farbe war ihm mit einem Schlag aus dem Gesicht gewichen. „Es sieht ganz so aus“, der Commander trat einige Schritte auf Fireball zu, „offensichtlich hat jemand versucht, Captain Yamato umzubringen...“ Die Worte hallten in Fireballs Kopf wie in einem großen, leeren Konzertsaal. Mandarin war einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen: “Aber... weshalb... wer würde...“ er schlug sich die Hände vors Gesicht und zwang sich tief Luft zu holen, obwohl er das Gefühl hatte, irgend etwas würde ihm die Kehle zuschnüren. Mitfühlend und gleichzeitig tief besorgt legte Eagle dem jungen Mann eine Hand auf die linke Schulter: „Ich weiß, es ist unvorstellbar! Ich selber konnte es zuerst auch nicht glauben, aber...“ Fireball schien sein Gegenüber nicht wahrzunehmen: „Warum sollte jemand so etwas tun?“ seine Augen wirkte wie erstarrt: „Warum sollte jemand Mandarin umbringen wollen? Das ergibt doch keinen Sinn!“ Der Commander atmete tief durch und verstärkte den Druck auf Fireballs Schulter, damit dieser im seine Aufmerksamkeit schenkte: „ So schwer mir das fällt, aber ich fürchte, genau diese Frage wird die Kommission Dir stellen wollen, Fireball!“ Den Rennfahrer durchlief eine Gänsehaut, so als hätte eine eiskalte Hand nach seinem Herzen gegriffen: „Wieso mir...“ eine dunkle Vorahnung ergriff von ihm Besitz, doch war das, was jetzt kam, viel schlimmer, als er jemals erwartet hätte. „Fireball...“ Egale senkte den Kopf, weil er Fireballs Blick nicht länger standhalten konnte: „Es gibt einen Augenzeugen, der zu Protokoll gegeben hat, Dich gestern mit Mandarin in genau dem Hangar gesehen zu haben, in dem die Explosion stattgefunden hat...“ „Ja, ich...“ Fireball mußte schwer schlucken, um zu verhindern, daß ihm die Stimme versagte: „Wir haben... an dem Outrider-Schiff gearbeitet, Sir.“ „Junge, Du wußtest, daß es den Star Sheriffs untersagt war, strengstens untersagt, sich diesem Schiff auch nur zu nähern...“ „Ja, Commander, ich weiß, aber...“ „Was zum Teufel hat Dich geritten gegen diese Anweisung zu verstoßen?“ Und so kam es, daß Fireball zweimal innerhalb weniger Minuten die gleiche Geschichte beichten mußte, die ihm und seinen Freunden soviel Ärger und Kummer eingebrockt hatte. „Ehrlich Commander, wenn ich gewußt hätte, was ich damit für eine Lawine auslöse, dann, dann hätte ich bestimmt die Finger von der Sache gelassen, ich wollte doch nur...“ nun versagte dem Star Sheriff doch die Stimme und seine Augen füllten sich mit Tränen, als ihm zum wiederholten Male klar wurde, was er mit seinem Egoismus angerichtet hatte. Sein Vorgesetzter mußte das starke Verlangen unterdrücken, Fireball einfach väterlich und tröstend in die Arme zu nehmen, denn dieses Verhalten wäre in der gegenwärtigen Situation einfach nicht angemessen gewesen. „Fireball, ich kann durchaus verstehen, warum Du so gehandelt hast, vielleicht hätte ich an Deiner Stelle sogar das gleiche getan, aber trotzdem hast Du Dich über einen Befehl hinweg gesetzt und Dich auch noch dabei erwischen lassen.“ „Ich...“ Fireball fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen, „ich werde noch heute vor den Untersuchungsausschuß treten und alles zu Protokoll geben, was ich zu dieser Sache sagen kann. Vielleicht hilft es ja, Mandarins Mörder...“ „Nichts der gleichen wirst Du tun“, herrschte Commander Eagle ihn mit einem Mal wild an. Erschrocken wich Fireball einige Zentimeter zurück: „Aber Commander, ich...“ „Anscheinend hast Du noch nicht begriffen, was ich versuche, Dir hier klarzumachen“, die Spannung im Raum war kaum noch auszuhalten, „Fireball, für die Kommission bist Du der Hauptverdächtige!“ Für Fireball schien eine Welt zusammenzubrechen. Dort stand, nicht einmal einen Meter von ihm entfernt Aprils Vater und beschuldigte ihn, die Bombe gelegt zu haben, der Mandarin zum Opfer gefallen war. Das konnte nicht sein, es mußte sich einfach um einen schlechten Traum handeln. Jede Sekunde würde Colt kommen und ihn aufwecken, so mußte es einfach sein. Doch nichts der gleich geschah. Kein Laut durchschnitt die gespenstische Stille in Fireballs Apartment. Seine Hände zitterten wie Espenlaub und seine Kehle war so trocken wie nach einem Gewaltmarsch durch die Wüste von Phantom Valley: „Commander, Sie können doch nicht wirklich im Ernst glaube, daß ich etwas damit zu tun habe!“ diese Worte klangen beinahe wie ein flehender Hilferuf und berührten Eagles Herz. Niedergeschmettert ließ er sich auf Fireballs Sofa sinken und faltete die Hände: „Natürlich glaube ich nicht, daß Du etwas mit dem Attentat zu tun hast, aber alles was wir bis jetzt haben, spricht gegen Dich. Wir haben die Aussage von Seargent Scott, daß er Dich gestern mittag zusammen mit Mandarin in dem Hangar gesehen hat. Und Du sollst den Raumhafen erst eine halbe Stunde nach ihr verlassen haben.“ Plötzliche Wut stieg in Fireball hoch, als er den Namen des vermeintlichen Augenzeugen hörte: „Dieser Mistkerl...“ murmelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und vergaß für einen kurzen Moment die Anwesenheit des Commanders. „Mir ist nicht entgangen, daß dieser Seargent auch derjenige war, der April gestern abend zum Empfang begleitet hat und mit dem Du Dir wohl auch eine kleine Auseinandersetzung geliefert hast...“ Das Blut schoß Fireball ins Gesicht: „Wir hatten... eine kleine Meinungsverschiedenheit, ja!“ „Worum ist es dabei gegangen?“ „Ich denke, das tut nichts zur Sache, Commander.“ „Fireball“, Eagles Stimme nahm wieder einen schärferen Zug an, „so wie ich es gehört habe, war auch Captain Yamato in diese besagte Meinungsverschiedenheit verwickelt, und einige Stunden später hat man versucht, sie umzubringen. Erzähl mir also nicht, daß es nichts zur Sache tut!“ Fireball wurde heiß und kalt, wie sollte er Aprils Vater erklären, was da letzten Abend vorgefallen war? „Captain Yamato war nicht wirklich mit in die Sache verwickelt, Sir. Ich hatte einen Streit mit Seargent Scott...“ „Worum ging es dabei, Fireball? Du kanntest ihn doch bis gestern abend überhaupt nicht, oder? Welchen Grund hat ein normaler Weise friedliebender Mensch wie Du, sich mit einem fremden Soldaten zu prügeln?“ Der Rennfahrer biß sich auf die Lippe. Eagle war also schon darüber informiert, daß es mit David Scott ein Handgemenge gegeben hatte, wahrscheinlich wußte er auch bereits ganz genau, weshalb er und David sich geschlagen hatten, doch anscheinend wollte er es noch einmal von ihm bestätigt wissen. „Nun“, er räusperte sich und sah hinaus aus dem Fenster, „ganz genau genommen hatte ich auch keinen Streit mit Seargent Scott, sondern vielmehr mit... mit April... Scott meinte, sich in diesen Streit einmischen zu müssen, da er April ja an diesem Abend begleitet hat, und ich war der Meinung, daß ihn diese Sache nichts anging. So sind wir aneinander geraten...“ er betete, daß dem Commander diese Antwort genügen würde, doch die Hoffnung war vergebens. „Weshalb hattet Ihr Euch gestritten, Du und April?“ seine Miene wirkte wie versteinert und ließ keinen Zweifel daran, daß er nichts anderes als die Wahrheit akzeptieren würde. „Bitte, Commander, muß ich das...“ „Ja, Du mußt...“ brauste Eagle auf und stieß seinen rechten Zeigefinger Richtung Fireball, „weil Du es Dir nicht erlauben kannst, noch lange um den heißen Brei herumzureden! Begreifst Du denn nicht, Fireball, wenn ich die Kommission nicht davon überzeugt hätte, daß es politisch unklug wäre, einen gerade gekürten Helden an den Pranger zu stellen, ohne ausschlaggebende Beweise in den Händen zu halten, wärst Du bereits wegen versuchten Mordes verhaftet worden! Versteh doch, ich bin nicht hier, als Dein Vorgesetzter, sondern als Dein Freund, der versucht, Dir zu helfen. Scott hat ausgesagt, daß Du Dich mit April wegen Mandarin gestritten hast...“ „Weil April dachte, ich hätte etwas mit Mandarin, nachdem sie uns zusammen in dem Hangar gesehen hat...“ „Und Colt gegenüber hast Du gesagt, Du würdest zum Raumhafen fahren, nachdem Du Dir die Prügelei mit Scott geliefert hattest!“ Eagle sah Fireballs leichenblasses Gesicht; „Nein, Colt hat noch keine Aussage, vor dem Ausschuß gemacht, ich habe mich vorhin mit ihm unterhalten. Aber er wird nicht um diese Aussage drum herum kommen, und spätestens dann wird man Dir einen Strick aus der Sache drehen. Mandarin ist Dir zum Raumhafen gefolgt und kurze Zeit später kam es zu der Explosion...“ Panik stieg in Fireball auf: „Das ist doch völlig absurd! Ja, ich habe mich mit April wegen Mandarin gestritten und ich wollte diesen David am liebsten dafür krankenhausreif schlagen, daß er sich so wichtigtuerisch einmischen mußte. Und ich habe auch zu Colt gesagt, daß ich zum Raumhafen fahren würde, nachdem ich den Empfang verlassen habe, aber das bin ich nicht. Ich hatte viel zu viel getrunken und habe es vorgezogen, zurück zu meiner Unterkunft zu fahren.“ „Wofür Du leider kein Alibi hast...“ „Verdammt, nur weil ich mich mit April wegen Mandarin gestritten habe, soll ich sie gleich umbringen wollen, was ist denn das für ein ausgemachter Schwachsinn...“ „Fireball, wenn ich nicht genau wüßte, daß es nicht so gewesen ist, wäre ich jetzt nicht hier, um Dir zu helfen, aber die Kommission und alle angefallenen Indizien sprechen im Moment gegen Dich. Sie sind der Meinung, Mandarin wäre Dir zu lästig geworden und Du hättest sie aus dem Weg räumen wollen.“ Fireball schluchzte verzweifelt: „Das ist doch echter Wahnsinn, wie können die glauben, ich wäre zu so etwas in der Lage?“ „Ich konnte den Ausschuß davon überzeugen, Deine Verhaftung noch 48 Stunden aufzuschieben, mehr konnte ich nicht für Dich herausholen. Du hast nur diese zwei Tage, um auf eigene Faust herauszufinden, was letzte Nacht wirklich geschehen ist...“ als hätte er alles gesagt, was ihm auf der Seele gelegen hatte, ging Eagle langsam in Richtung Tür: „Und bitte, versuch April so weit wie möglich aus dieser Geschichte herauszuhalten. Ich weiß, daß ich das als Dein Vorgesetzter nicht von Dir verlangen kann und darf, aber ich tue es als Vater... ich will nicht, daß sie noch mehr leiden muß!“ Fireball nickte müde. Natürlich verstand er, doch im Augenblick ging soviel durch seinen Kopf, daß er einfach nicht mehr die Kraft hatte, alles zu verarbeiten. Da hatte er noch vor ein paar Minuten hier gesessen und sich die Schuld an Mandarins „Unfall“ gegeben, dabei wurde er längst als mutmaßlicher Täter in einem Bombenanschlag abgestempelt. Was war nur los? Warum hatte sich plötzlich die ganze Welt gegen ihn verschworen? „Commander...“ nur wenige Sekunden, bevor sich die Tür hinter Eagle schloß, fand Fireball wieder einigermaßen zur Besinnung, „danke!“ Erschöpft ließ sich Fireball auf einen der Sessel fallen und verbarg sein Gesicht hinter den Händen. Er konnte einfach nicht begreifen, was da um ihn herum geschah, es war alles viel zu absurd um überhaupt real zu sein. Ihm war beinahe so, als müßte er jede Sekunde aus diesem schrecklichen Traum erwachen, doch nichts dergleichen geschah. Wie er schon dem Commander gesagt hatte, war das alles schlicht gesagt verrückt. Draußen auf der Straße feierten die Leute ihn und die anderen als Helden, weil sie endlich der schrecklichen Bedrohung durch die Outrider ein Ende gesetzt hatten und insgeheim wurde er bereits als Attentäter gehandelt, der versucht hatte, einen seiner besten Freude umzubringen. Das war mehr als nur absurd, es war grotesk! In dem Moment, als das Leben im neuen Grenzland eine neue, positive Richtung eingeschlagen hatte, hatte sein eigenes begonnen, sich in ein absolutes Desaster zu verwandeln. Erst der Streit mit April, dann der Unfall von Mandarin – der augenscheinlich keiner gewesen war – und schließlich die Tatsache, daß man ihn für die Bombe verantwortlich machte. Aber aus welchen Gründen sollte jemand versucht haben, Mandarin zu töten? Die Outrider waren fort und Fireball konnte sich nicht vorstellen, daß der Sterncaptain irgendwelche Feinde hatte, die ihr nach dem Leben trachteten. Mandarin, wenn sie doch bloß wieder gesund werden würde... Eine neue Welle von Emotionen rollte auf ihn zu und drohte ihn zu übermannen. Verzweifelt raufte er sich die Haare. Er war nicht mehr in der Situation, daß er einfach tatenlos rumsitzen und darauf hoffen konnte, daß sich an Mandarins Zustand bald etwas ändern würde. Er hatte eine neue Aufgabe, die ihm alles abverlangen würde und die vor allem einen klaren Kopf erforderte. Irgend jemand hatte versucht, Mandarin das Leben zu nehmen, und diesen jemand mußte Fireball zur Strecke bringen. Nicht um sich selbst aus der Schußlinie zu bugsieren, das war für ihn selbst im Moment eher zweitrangig. Nein, er wollte Rache. Rache für das, was man Mandarin angetan hatte. Das war das einzige, worauf er sich jetzt konzentrieren durfte, den Kerl zu finden, der seine Freundin so zugerichtet hatte und Vergeltung zu fordern. Das Problem war nur, daß ihm die Zeit davon rannte. Commander Eagle hatte ihm zwar ein kleines Polster verschafft, aber ohne einen einzigen Anhaltspunkt nach einem Attentäter zu suchen und diesen dann auch innerhalb von 48 Stunden zu finden, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Trotzdem durfte er sich nicht unterkriegen lassen. Energisch und mit einer wilden Entschlossenheit erhob er sich, um sofort an die Arbeit zu gehen. Als erstes würde er sich wohl einmal ankleiden müssen. Eilig wandte er sich seinem verschlossenen Schlafzimmer zu, als ihm plötzlich mit Schrecken bewußt wurde, daß sich ja April die ganze Zeit dort aufgehalten hatte. Diese Erkenntnis traf Fireball wie ein Blitz; wenn sie nun die ganze Unterhaltung zwischen ihm und Commander Eagle mitbekommen hatte? Hastig riß er die Tür auf, doch zu seiner großen Verwunderung fand er das Zimmer dahinter verlassen vor. „April?“ irritiert schaute er sich in dem kleinen Raum um und bemerkte die offene Balkontür. „Sie wird doch nicht...“ er lief hinaus ins Freie und stellte mit einem Blick fest, daß die Feuerwehrleiter hinuntergelassen worden war. April war tatsächlich über das angrenzende Flachdach des Gebäudevorbaus verschwunden! „Verdammt...“ Fireball machte sich große Vorwürfe, daß er nicht schon früher an sie gedacht hatte. Vielleicht hätte er ja so verhindern können, daß sie die Unterhaltung mitbekam, aber die Neuigkeiten von Commander Eagle hatten ihn einfach zu sehr aus der Bahn geworfen als daß er überhaupt an irgend etwas anderes hätte denken können. Fröstelnd verschränkte er die Arme vor der Brust, obwohl es ein warmer und sonniger Abend war. Was jetzt wohl in April vorgehen mochte? Was, wenn sie den Anschuldigungen Glauben schenkte und ihn auch für den Bombenleger hielt? Oder wenn sie kopflos in irgendeine Sache hinein rannte, nur weil sie versuchen wollte, ihm zu helfen. Nicht auszudenken, was in ihrem momentanen Gemütszustand alles passieren konnte! In einer äußerst absurden Weise war er aber insgeheim doch dankbar dafür, daß April nun bescheid wußte, denn einerseits war er nicht noch einmal in der mißlichen Lage, ihr ein Geheimnis vorenthalten zu müssen, und andererseits wußte er wenigstens, was er jetzt als erstes zu tun hatte: er mußte sie finden, um zu verhindern, daß sie irgendwelchen Blödsinn anstellte! Einem Mädchen, das er sehr mochte, war bereits genug Unheil seinetwegen widerfahren, dem Mädchen das er liebte, sollte nicht das gleiche Schicksal blühen. Entschlossen eilte er zurück in das Apartment und überlegte krampfhaft, wo er April wohl finden würde, während er in seinen Overall schlüpfte. So viele Möglichkeiten konnte es nicht geben, denn April hatte nicht viele Vertraute, mit denen sie über ihre Probleme redete, und daß es ihr im Moment ein unsagbares Bedürfnis war, ihr Herz zu erleichtern, konnte sich Fireball nur zu gut vorstellen. „Zu wem würde sie gehen?“ die Zahnräder in seinem Kopf ratterten unablässig. Colt? Nein, das war eher unwahrscheinlich, denn im Augenblick brauchte sie jemanden, mit dem sie ernsthaft reden konnte! Saber? Auch diesen Gedanken verwarf Fireball schnell wieder. Saber Rider war ein guter Freund und ein fabelhafter Anführer, aber ihm fehlte manchmal einfach ein Quentchen an Einfühlungsvermögen und kameradschaftlicher Wärme... Robin! Ja, das war die wahrscheinlichste Antwort auf seine Frage. Sie war eine Frau und konnte sich viel besser in Aprils Lage versetzen, als jeder andere. Schließlich hatte sie ja mit Colt auch einen Star Sheriff zum Freund, wer sollte also besser verstehen, was gerade in April vorging, als sie? Außerdem hatten sich die beiden in den letzten Tagen zu wahren Seelenverwandten entwickelt, da war es nur naheliegend, daß April zu ihr flüchtete. Zufrieden mit seinem eigenen Kombinationsvermögen zog sich Fireball seine Stiefel an und war auch schon hinaus aus der Wohnung in Richtung zur Tiefgarage, wo er seinen Red Fury geparkt hatte. Zu dumm aber auch, daß Robin als Nichtmitglied des Kavallerieoberkommandos keine Wohnung im militärischen Sektor haben durfte, denn sonst hätte er lediglich ein paar Stockwerke rauf- oder runtereilen müssen, um ihre Zimmer zu erreichen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich durch den dichten Nachmittag Verkehr von Yuma City zu quälen! Wie befürchtet dauerte die Fahrt zu Robins Apartment eine halbe Ewigkeit, auf der Fireball tausende von schmerzlichen Fragen das Hirn zermarterten. Was, wenn April ihm nicht glauben würde? Wenn sie ihm gar nicht erst zuhören würde, oder noch viel schlimmer, wenn sie versuchen würde, ihm zu helfen? Das durfte er nicht zulassen, er mußte mit allen Mitteln verhindern, daß April noch tiefer in diese Sache mit hineingezogen wurde. Es war doch schon schlimm genug, daß Mandarin... Wie es ihr wohl ging? Hoffentlich hatte sich ihr Zustand gebessert! Liebend gern wäre Fireball auch noch einmal zum Hospital gefahren, um sie zu besuchen, doch ihm war klar, daß das ein aussichtsloses Unterfangen gewesen wäre. Gleich nachdem man herausgefunden hatte, daß Mandarin einem Attentat zum Opfer gefallen war, waren sicherlich Wachposten vor ihrem Zimmer postiert worden, die als allerletzten Menschen dieser Erde ihn, den mutmaßlichen Täter, zu ihr gelassen hätten. Wenn sich ihr Zustand doch bloß bald bessern würde! „Verdammt nochmal, beweg Dich da vorne, sonst schiebe ich Dich beiseite!“ schrie Fireball gereizt einen Taxifahrer an, der gemütlich vor ihm seinen Wagen in eine Parklücke am Straßenrand manövrierte. Hektisch fuhr er sich durch die Haare und klammerte sich dann am Lenkrad fest. Er durfte sich nicht so gehen lassen, sondern mußte versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren! Aber wer zum Teufel hatte es bloß auf Mandarin abgesehen? Warum hatte man versucht, sie umzubringen? Das ergab doch keinen Sinn! Aber wenn es vielleicht gar nicht um sie ging? Konnte es sein, daß jemand versucht hatte, das Outrider-Schiff zu vernichten? Wenn ja, war es ihm gelungen, aber weshalb? Die Outrider waren erledigt, es gab keine Feinde mehr, die ein berechtigtes Interesse daran gehabt hätten, dieses Schiff zu zerstören. Und selbst wenn, wie sollten sie herausgefunden haben, daß das Kavallerieoberkommando überhaupt im Besitz dieses Schiffes gewesen war? So viele Fragen und nicht eine einzige Antwort, die Fireball einfallen wollte! Nach einer schier endlosen Fahrt, die beinahe eine Dreiviertelstunde gedauert hatte, konnte er seinen Red Fury endlich vor dem Haus parken, in dem Robin wohnte. Geistesabwesend verließ er sein Gefährt und wollte gerade die Treppe zur Eingangstür hinaufsteigen, als die von ihm gesuchten Person just in diesem Moment durch die selbe nach draußen gehuscht kam. „Fireball, was machst Du denn hier?“ Fireball blickte überrascht zu Robin auf. Sie wirkte müde und erschöpft, so als hätte sie die Nacht über nicht viel Schlaf bekommen. Auch sie hatte sich anscheinend eine Unmenge von Gedanken über die ganze Angelegenheit gemacht. „Ich...“ begann er leise und räusperte sich, „ich bin auf der Suche nach April und dachte, sie ist vielleicht bei Dir?“ Robins Kopfschütteln bestätigte ihm, was er in der Sekunde gewußt hatte, als er sie hatte aus dem Haus kommen sehen. „Seit gestern nacht habe ich sie nicht mehr gesehen...ich wollte gerade etwas einkaufen gehen, ich werde sonst wahnsinnig dort oben!“ „Hm...“ enttäuscht senkte Fireball den Blick zu Boden. „Wie geht es denn Mandarin?“ ein Hauch von Angst schwang in Robins Frage mit, die er nur zu gut verstehen konnte. „Ich...weiß nicht genau, ich habe in den letzten Stunden nichts mehr gehört, aber... die Ärzte meine, daß es nicht gut aussieht...“ „Oh...“ dieses Mal war es an Robin die Augen niederzuschlagen „das tut mir leid, Fire!“ „Danke, das ist lieb von Dir...“ er drehte sich um und schlurfte zurück zu seinem Wagen, „aber falls Du April sehen solltest... kannst Du ihr bitte sagen, daß ich sie unbedingt sprechen muß?“ Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern schwang sich in seine Satteleinheit und brauste mit hohem Tempo in Richtung Raumhafen davon. Robin schaute ihm etwas verdutzt hinterher, doch sie war ihm nicht böse wegen seiner angebundenen Art; sie konnte sich vorstellen, wie ihm in der momentanen Situation zumute war, oder jedenfalls dachte sie das. „Was zum Teufel...“ David Scott stand wie angewurzelt im Rahmen seiner Quartierstür und starrte mit einer Mischung aus Entsetzen und haßgleicher Abneigung auf sein Gegenüber, das seinem Blick ein wenig kleinlaut standhielt. „Wir müssen reden!“ Fireball brachte die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, so als hätte er Mühe, überhaupt etwas zu sagen. „Ich wüßte nicht, worüber wir beide zu reden hätten!“ spuckte David wütend hervor und war kurz davor, Fireball die Tür vor der Nase wieder zuzuschlagen, doch dieser setzte noch rechtzeitig einen Fuß dazwischen, um das zu verhindern. „Verdammt...“ brüllte David und funkelte Fireball zornig an. „Es geht um Ihre Aussage wegen des gestrigen Vorfalls...“ unsicher trat der Star Sheriff näher, wich aber sofort wieder einen Schritt zurück, als David ihn noch lauter und unbeherrschter als zuvor anschrie: „Sie haben vielleicht nerven! Erst schicken Sie April her, damit sie für Sie bettelt und jetzt wagen Sie sich auch noch selber hierher um Ihre lausige Haut zu retten!“ rote Flecken traten auf seine Wangen und ließen ihn äußerst furchteinflößend wirken. „April... sie war hier?“ Erstaunen trat auf Fireballs Gesicht. „Tun Sie doch nicht so bescheuert, Mann! Sie haben Sie doch hergeschickt, damit sie mich überredet, keine Aussage über gestern abend zu machen...“ „Was für ein ausgemachter Schwachsinn...“ „Ach ja, und als sie Ihnen erzählt hat, daß ich wegen so einer Made wie Ihnen garantiert keine Falschaussage machen werde, haben Sie sich überlegt, mich noch einmal persönlich zu überzeugen, wie!“ „Himmel,“ fauchte der Rennfahrer mit einem Mal sehr aufgebracht, „ich bin hier, weil ich Sie bitten wollte, daß Sie April aus der ganzen Sache heraushalten!“ „Und das soll ich glauben!“ David hatte mit seiner Antwort den Bruchteil einer Sekunde gezögert. Fireball ballte die Hände zu Fäusten: „Glauben Sie denn tatsächlich, daß ich April zu so einer Sache anstiften würde, für die sie vielleicht ins Gefängnis wandern könnte?“ David zuckte unberührt die Schultern: „Nachdem ich gesehen habe, was Sie ihr sowieso schon angetan haben...“ „Ich weiß, aber glauben Sie wirklich, ich würde April zu einer Straftat überreden? Verdammt, sie ist seit Jahren mein Partner, meinen Sie, ich wäre in der Lage, so etwas zu tun?“ Davids Schultern zuckten erneut nach oben: „Und wieso sollte ich Ihnen glauben?“ „Weil Ihnen etwas an April liegt und Sie nichts zu verlieren haben, wenn Sie mir nur zuhören!“ Fireballs Atem ging schwer und die Verzweiflung auf seinem Gesicht schien irgendwie überzeugende Wirkung zu haben. „Also gut,“ murmelte David unwirsch und machte einen Schritt zur Seite, damit Fireball in seine Wohnung eintreten konnte, „aber sobald ich merke, daß Sie hier ein falsches Spiel mit mir treiben, werfe ich Sie hochkant raus!“ Stumm nickend folgte Fireball Davids Aufforderung und ließ sich von ihm in dessen Wohnzimmer führen. Ihm war äußerst unbehaglich zumute, denn er wußte, daß dieser David Scott ebenso wenig von ihm hielt, wie es anders herum der Fall war. Aber Fireball war in der unglücklichen Situation, ihn um einen Gefallen bitten und auf sein Wohlwollen hoffen zu müssen. „Vor ‘ ner halbe Stunde war sie hier...“ begann David völlig von selbst zu erzählen und ließ sich auf sein Sofa fallen. Grimmig wies er auf einen Sessel und wartete, bis sich Fireball unsicher darauf niedergelassen hatte. „Sie war völlig aufgelöst und erzählte mir, die Explosion gestern auf dem Flugfeld sei kein Unfall sondern ein Bombenanschlag gewesen.“ „Ja, das stimmt,“ nickte Fireball traurig und starrte auf seine Hände, „der Commander hat es mir selber erzählt!“ Scott ließ ein lautes Schnauben hören: „Und April hat mir auch erzählt, daß man Sie aufgrund meiner Aussage für den Hauptverdächtigen hält!“ „Auch das ist korrekt, aber darum geht es im Moment gar nicht!“ Davids rechte Augenbraue schob sich unweigerlich nach oben: „Sie hat mich unter Tränen angefleht, nichts über unseren Streit von gestern abend zu Protokoll zu geben, wobei ich wirklich nicht begreifen kann, warum sie sich nach allem, was Sie ihr angetan haben, immer noch so für Sie einsetzt!“ Fireball blickte ihm ernst in die Augen: „Das kann ich Ihnen ehrlich gesagt auch nicht erklären, aber es wäre mir auch wesentlich lieber, wenn April irgendwo in ihrem Apartment sitzen und mich für alle Zeit verfluchen würde, dann wäre ich wenigstens sicher, daß sie sich nicht in Schwierigkeiten bringt!“ Er ließ die rechte Faust in die flache linke sausen: „Verdammt, warum ist sie nur so leichtsinnig? Sie weiß doch gar nicht, was sie mit ihrem dummen Verhalten anrichtet!“ David stand auf und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu tigern: „Da bin ich ausnahmsweise Ihrer Meinung. Nachdem ich April das auch klar gemacht habe, ist sie ganz aufgelöst abgerauscht, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen...“ „Das tut mir leid.“ „Oh, bitte, sparen Sie sich Ihren Spott. Als ob es Ihnen nicht ganz gelegen kommen würde, wenn sie sauer auf mich ist!“ „Ich bin nicht gekommen, um einen Konkurrenzkampf mit Ihnen auszutragen, David!“ er taxierte sein Gegenüber solange, bis dieser stehenblieb und ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte: „Ich bin auch nicht gekommen, um Sie zu bitten, den Vorfall unter den Tisch fallen zu lassen. Ich möchte Sie nur um eines bitten!“ er machte eine kurze Pause, um seinen Worte noch mehr Nachdruck zu verleihen: „Wenn Sie Ihre Aussage über unsere gestrige Auseinandersetzung zu Protokoll geben, lassen Sie April da raus!“ David schien zum ersten Mal seit Beginn der Unterhaltung wirklich sprachlos zu sein. „Ich verlange nicht, daß Sie lügen, oder die Prügelei verschweigen, aber erwähnen Sie nicht, daß April in diese Sache verwickelt war. Sie hat in den letzten Tagen schon mehr als genug erlitten, und das allerletzte, was sie jetzt braucht, sind ellenlange Verhöre, die nur alles noch schlimmer machen und sie mit in diese schreckliche Sache hineinziehen.“ Noch immer viel David nichts ein, was er darauf erwidern konnte, er blickte Fireball nur überrascht an. „Sagen Sie, wir hätten uns wegen einer persönlichen Sache gestritten, die absolut nichts mit dem Fall zu tun hat und deswegen auch nichts zur Sache tut. Dieser Aussage werde ich mich anschließen...“ Eine ganze Weile hingen diese letzten Worte in der Luft, bevor David endlich sein Schweigen brach. Und zu Fireballs Verwunderung klang seine Stimme nicht mehr im mindesten zornig oder aufgebracht, sondern er meinte beinahe so etwas wie Freundlichkeit wahrzunehmen: „Ich muß sagen, ich habe Sie falsch eingeschätzt!“ er ging auf Fireball zu und streckte ihm seine Hand unter die Nase: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.“ Er hatte einen festen und soliden Händedruck. „Es ist sehr nobel von Ihnen, daß Sie in so einer Situation an April denken und nicht an sich selbst.“ Fireball erhob sich: „Ich schätze, mir ging es ähnlich. Die Tatsache, daß April zuerst zu Ihnen gekommen ist, zeigt, wieviel sie von Ihnen hält, und auf Aprils Menschenkenntnis war bisher immer Verlaß.“ „Was werden Sie jetzt tun...“ Dieses Mal zuckten Fireballs Schultern nach oben: „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich denke, ich werde zurück in die Zentrale fahren, um mich mit meinem Kollegen zu besprechen, vielleicht finden wir gemeinsam einen Ansatz.“ Plötzlich legte David ihm eine Hand auf den rechten Arm: „Ich bin sicher, daß sich das alles aufklären wird.“ Dankbar lächelte Fireball ihn an und wandte sich zum Gehen: „Das hofft glaube ich niemand mehr als ich selbst, aber...“ er drehte sich noch einmal um, bevor er den Schalter für die Tür betätigte und David merkte, daß es ihm unheimlich schwer fiel, die kommenden Worte zu sagen, „falls mit mir irgendwas geschehen sollte, kümmern Sie sich bitte um April!“ Fireball fuhr zurück in die Zentrale, so wie er es David gesagt hatte. Doch nicht, um sich mit Colt oder Saber zu beratschlagen, denn er hatte nicht vor, seine Freunde in die Sache zu verwickeln. Kurz vor dem großen Gebäudekomplex, der den Verwaltungsapparat des Oberkommandos beherbergte, bog er rechts in eine kleine Seitenstraße ein. Er hielt seine ID-Karte vor die rot-weiß gestreifte Schranke, die ihm nach wenigen Metern den Weg versperrte und wie durch Zauberhand hob sie sich in den Himmel, so daß Fireball seine Fahrt mühelos fortsetzen konnte. Er folgte der Straße, die ihn nahe an der Kommandozentrale bis hin zu einem sehr unscheinbar wirkendem Hangar brachte, der das äußerste Gebäude auf dem Stützpunktkomplex darstellte. Er zückte ein weiteres Mal seine Karte um den Hochsicherheitszaun zu passieren, der das gesamte Gelände gegen ungebetene Gäste abschirmte und fuhr hinüber bis zum großen Stahltor des Hangars. Ein Soldat der Raumwaffe trat aus seinem kleinen Häuschen und musterte den Neuankömmling eindringlich. Fireball öffnete das Verdeck des Red Fury und grinste den Private freundlich an: „Ich wollte mal nachschauen, wie es unserem Baby geht!“ Der Junge Soldat salutierte zackig, nachdem er Fireball anhand seines Daumenabdruckes identifiziert hatte: „Selbstverständlich Mr. Hikari!“ Er betätigte einen Knopf in dem kleinen Wachgebäude, das er zuvor verlassen hatte und mit lautem Ächzen schob sich langsam das tonnenschwere Tor des Hangars beiseite. Fireball gab Gas und hinein in die schwach erhellte Halle. Vor ihm erhob sich die imposante Statur von Ramrod, ihrem einzigartigem Kampfschiff. Wie jedesmal fesselte ihn dieser faszinierende Anblick einige Sekunden lang. Ramrod war ein absolutes Wunderwerk der Technik, das mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben war; man mußte ihn selber gesehen haben. Langsam betätigte Fireball einen blinkenden Knopf an seiner Cockpit-Armatur und sagte mit ruhiger, beinahe ehrfürchtiger Stimme: „Ramrod, Laderampe öffnen!“ und fast im selben Moment fuhr die Einstiegsluke des Kampfschiffes beinahe lautlos zu Boden. Er wartete ab, bis die Rampe auf dem Hallenboden aufgesetzt hatte und lenkte dann seinen Red Fury den schmalen Steg hinauf ins Innere des Kolosses. „Ramrod, Laderampe schließen!“ befahl er, nachdem er den Wagen in der dafür vorgesehenen Vorrichtung geparkt hatte. Genauso geräuschlos wie sie sich geöffnet hatte, fuhr die Rampe wieder nach oben und als Fireball das Auto verließ, stand er in völliger Dunkelheit. „Beleuchtungssysteme aktivieren!“ überall um ihn herum flackerten hunderte von Neonröhren an den Wänden des Schiffes auf und tauchten Fireballs Umgebung in ein helles, aber nicht unangenehmes Licht. Langsam schritt er den Hauptgang hinunter, der zum Cockpit des Roboters führte. Wie herrlich kühl die Luft hier drinnen doch im Vergleich zu draußen vor der Halle war. Er nahm einen tiefen Atemzug und die kühlen Ströme füllten seine Lungen. Warum er ausgerechnet hierher gekommen war, wußte Fireball selber nicht genau, aber die vertraute Umgebung von Ramrods Inneren hatte eine sehr beruhigende Wirkung auf ihn. Zum ersten Mal seit Stunden fühlte sich sein Kopf nicht mehr so schwer an und der Druck fiel für einen kleinen Moment von seiner Seele ab. Liebevoll strich seine Hand über seine Satteleinheit im Cockpit. Was für ein wunderbares Gefühl es doch jedes Mal wieder gewesen war, diesen Stahlkoloss durch die Weiten des neuen Grenzlandes zu manövrieren. Und was für wunderbare Zeiten es doch gewesen waren! Für einen kurzen Augenblick mußte er der Versuchung widerstehen, sich einfach hinter die Steuerung zu setzen und mit Ramrod auf und davon zu fliegen, doch er wußte selber, daß es keinen Sinn hatte, vor seinen Problemen davonzulaufen! Er mußte sich den Dingen stellen, egal wie es für ihn ausgehen würde! Das metallische Geräusch von Schritten dicht hinter ihm ließ ihn aus seiner Trance erwachen und herumwirbeln. „April...“ erschrocken starrte er in ihr verweintes, bleiches Gesicht, „wie bist Du hier reingekommen?“ Schniefend steckte sie sich eine Strähne ihres langen blonden Haares hinter das linke Ohr: „Ich war schon vor Dir hier. Als ich gehört habe, daß die Luke geöffnet wurde, bin ich in mein Quartier gegangen und habe alle Systeme heruntergefahren, damit mich keiner bemerkt! Ich wollte allein sein...“ Fireball sagte nichts. Er beobachtete, wie sie dort vor ihm stand, mit Tränenspuren auf den Wangen und zittrigen Händen und merkte, wie sich auch in seinem Hals ein Kloß zu bilden begann und seine Augen anfingen zu brennen. Mit einem lauten Schluchzen warf April sich ihm ohne Vorwarnung an den Hals und begann herzzerreißend zu weinen. „Was sollen wir bloß tun“, wimmerte sie, während sich ihre Hände auf seinem Rücken in Fireballs rotes T-Shirt krallten, „wie können sie nur denken, Du hättest etwas mit diesem Bombenanschlag zu tun!“ Fireball schloß seine Arme so fest er konnte um Aprils zarten Körper und drückte sie an sich: „April...“ jetzt wo er ihre Wärme spürte, ihre Zärtlichkeit, ihre Nähe, brach alles über ihm zusammen, was ihn in den letzten Stunden bewegt hatte und Tränen stiegen ihm in die Augen. „Ich lasse nicht zu, daß sie Dich festnehmen, Fire! Du bist unschuldig...“ Eine große Erleichterung machte sich in Fireball breit: „Weißt Du, wovor ich am allermeisten Angst hatte“, er vergrub sein Gesicht in ihrem blonden Haar und atmete den blumigen Duft ein, der von ihnen ausging, „daß Du mir nicht glauben könntest!“ „Ich kenne Dich doch besser, als jeder andere Mensch“, schluchzend schüttelte sie den Kopf, „wie hätte ich nur eine Sekunde lang glauben können, daß Du...“ die Tränen erstickten ihre Stimme. „Warum bist Du weggelaufen, April? Ich habe mir wahnsinnig Sorgen gemacht...“ natürlich konnte sich Fireball die Antwort mittlerweile selber zusammen reimen, nachdem er David Scott den kleinen Besuch abgestattet hatte. April versuchte, ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Zitternd wischte sie sich die Tränenspuren aus dem Gesicht: „Na, weil ich... weil ich Dir helfen wollte! Ich...“ „Und deshalb bist Du zu David gefahren?“ April schaute Fireball entsetzt an: „Woher...“ „Ich bin bei ihm gewesen und er hat mir die ganze Sache erzählt...“ verschwörerisch legte er April die Hände auf die Schultern und schob sie soweit von sich weg, daß er in ihre geröteten und geschwollenen Augen blicken konnte, „wie konntest Du nur so leichtsinnig sein!“ Sie wollte zu einer Verteidigung ansetzen, aber Fireball ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen: „Damit machst Du es nur noch schlimmer, April. Und Du bringst Dich selber in Gefahr...“ seine Stimme klang ruhig aber auch vorwurfsvoll, was ihr neue Tränen in die Augen trieb: „Ich wollte Dir...doch nur helfen...“ „April...“ jetzt nahm er ihr Gesicht zärtlich in die Hände, „glaubst Du, ich will, daß Du auch noch mit in diese Sache verwickelt wirst. Versprich mir, daß Du Dich ab sofort raushältst und Dich nicht mehr rührst, egal was auch passiert!“ „Aber...“ „Nichts aber“, Fireball wurde energisch, „versprich es mir, April!“ Ihre Blicke wanderten schuldbewußt nach unten: „Das kannst Du nicht von mir verlangen...“ Gereizt ließ Fireball sie los und wirbelte herum: „Du machst es nur noch schlimmer, als es sowieso schon ist!“ er legte die Hände in den Nacken und versuchte sich zu beruhigen: „Hör zu, April. Es ist ja wirklich lieb von Dir, daß Du mir helfen willst, aber ich habe schon genug damit zu tun, meine eigene Haut zu retten“, ihm fiel ein, daß David so vor gut einer Stunde genau die gleichen Worte benutzt hatte und er schauderte leicht, „wenn ich mir auch noch Gedanken um Dich machen muß...“ „Aber ich bin doch Schuld daran, daß Ihr zwei Euch geprügelt habt!“ rief April aufgelöst und rang die Hände: „Wenn ich mich gestern abend nicht so angestellt hätte, wäre es doch gar nicht soweit gekommen...“ „Ist es aber nun mal“, Fireball lehnte sich müde gegen seine Satteleinheit, „und Dich trifft daran keine Schuld, das habe ich Dir vorhin schon gesagt. Wenn ich mich nicht wie ein absoluter Volltrottel benommen hätte, wäre Mandarin jetzt gar nicht...“ er atmete tief durch und schüttelte traurig den Kopf: „Nein, Du bist nicht schuld und ich will auch nicht, daß sich daran irgendwas ändert!“ April ging langsam und ein wenig eingeschüchtert auf ihn zu: „Aber ich kann nicht anders, ich muß Dir einfach helfen!“ Fireball gab es auf: „Das ehrt mich ja wirklich sehr, April, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, womit ich Deine Hilfe noch verdient hätte. Ich mein, eigentlich solltest Du mich dafür hassen, daß ich Dich so enttäuscht habe. Ich habe Dich angelogen, Dich hintergangen, habe mit“, er verkniff sich zu sagen, daß er mit Sterncaptain Yamato ‚herumgemacht‘ hatte, „habe Mandarins Zuneigung zu mir schamlos ausgenutzt...“ „Und trotzdem will ich Dir helfen, Fire...“ jetzt stand sie so dicht vor ihm, daß er ihren Atem spüren konnte. „Warum nur, April...“ flüsterte er und starrte gebannt in ihre blauen Augen. Sie war so wunderschön, selbst wenn sich so tiefe Sorgenfalten auf ihre zarten Züge gelegt hatten. Ihre Lippen strahlten wie Korallen in einem hellen Rot und ihr wohlgeformter Busen hob und senkte sich mit jedem hektischen Atemzug, so daß Fireball mal einen besseren, mal einen weniger guten Ausblick auf ihr Dekolleté erhaschen konnte. Ihm wurde plötzlich ganz schwummerig und tausende von Schmetterlingen schienen in seinem Magen herumzuflattern. April mußte es ähnlich ergehen, denn ihre Wangen überzogen sich mit einer sanften Röte und in ihren Augen stand zum ersten Mal ein Glitzern, das nicht von Tränen her rührte. „Du weißt, warum“, flüsterte sie kaum noch hörbar, „weil ich Dich...“ Bevor sie den Satz zuende spreche konnte, wurde sie von jähem Lärm unterbrochen, der plötzlich aus dem hinteren Teil von Ramrod zu ihnen drang. Eilige Schritte von vielen Füßen kamen auf sie zu und instinktiv wichen sie beide ein Stück auseinander. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür zum Cockpit mit einem hydraulischen Zischen und Commander Ealge trat mit ernster Miene und fünf bewaffneten Soldaten auf sie zu. „Commander...“ verwirrt blickte Fireball auf die Bewaffneten, die ihre entsicherten Lasergewehre auf ihn richteten. „Daddy, was soll das?“ April lief zu ihrem Vater hinüber und erwartet anscheinend eine Erklärung, doch er beachtete sie nicht. Mit jovialer Stimme, die kein Zittern vernehmen ließ wandte er sich an Fireball: „Star Sheriff Shinji Hikari...“ Fireball wunderte sich darüber, wie oft er schon in den letzten paar Tagen mit seinem richtigen Namen tituliert worden war, „Sie werden hiermit vom Dienst suspendiert und mit sofortiger Wirkung unter Arrest gestellt. Bitte händigen Sie mir Ihre ID-Karte aus!“ Fireball war wie gelähmt, das alles erschien ihm so unwirklich. Beinahe wie in Zeitlupe griff er in seinen Overall und zog seine Karte hervor, die er dem Commander unsicher entgegenstreckte. „Aber Daddy...“ setzte April erneut an und wurde diesmal mit herrischer Stimme von ihrem Vater zum Schweigen gebracht: „Schweig, April. Es ist am besten, wenn Du Dich sofort in Dein Quartier begibst. Du solltest eigentlich gar nicht hier sein!“ bei seinen letzten Worte warf er Fireball einen vorwurfsvollen Blick zu, woraufhin der Rennfahrer betreten die Augen senkte. „Es ist nicht seine Schuld, Daddy, ich war schon hier, als er kam, er wußte nicht...“ „Miss Eagle“, der Commander war kurz davor die Beherrschung zu verlieren, „es tut nichts zur Sache, warum und weshalb Sie hier sind. Wenn Sie jetzt nicht schweigen und sich ohne Umschweife in die Zentrale zurückbegeben, werde ich Sie von zwei Bewaffneten dorthin eskortieren lassen!“ „Commander...“ warf Fireball schnell ein, um die Aufmerksamkeit von Eagle wieder auf sich zu lenken, damit April nicht noch mehr Schwierigkeiten bekam, „weshalb werde ich...“ ja, was wurde er eigentlich? War man tatsächlich dabei, ihn zu verhaften? Die Haltung des Commanders versteifte sich: „Sie stehen unter dem Verdacht des vorsätzlichen Mordversuches an Sterncaptain Yamato...“ seine Stimme nahm einen weicheren, fast entschuldigenden Zug an und in seinen Augen spiegelte sich Trauer wieder. „Mandarin ist vor einer Stunde gestorben!“ Kapitel 4: Rückkehr von den Toten --------------------------------- Erschöpft lag Fireball auf der Pritsche in seiner Zelle und starrte auf die abblätternde Farbe an der Decke. Die Ereignisse der letzten 24 Stunden spulten vor seinem geistigen Auge ab wie ein schlechter Kinofilm und immer wieder stellte er sich diese eine Frage: was würde jetzt mit ihm passieren? Er sah April, wie sie mit einem herzzerreißenden Schrei zusammen gebrochen war, als man ihn abgeführt hatte. Wie gerne hätte er sie tröstend in die Arme genommen, ihr ein paar beruhigende Worte ins Ohr geflüstert wie: „Mach Dir keine Sorgen, Kleines, es wird schon alles gut gehen!“ aber diese Möglichkeit hatte man ihm natürlich nicht gegeben. Abgesehen davon war er schon lange nicht mehr überzeugt davon, daß auch tatsächlich alles gut gehen würde. Bislang hatte man ihn noch nicht verhört, oder seine Aussage zu Protokoll genommen, was nichts gutes verheißen ließ. Sicherlich suchte man noch eifrig Beweise und ließ andere Beteiligte ihre Meinung darüber kundtun, wie sie über die Angelegenheit dachten. Vor einigen Stunden war Colt hier gewesen, um ihn ein bißchen aufzumuntern, doch lange hatte er nicht bleiben können. Ein Wachmann hatte ihn darüber informiert, daß er zu Commander Eagle kommen sollte und Fireball wußte, was das bedeutet hatte. Colt mußte über die Dinge berichten, die am Abend vorgefallen waren, und natürlich war Fireball viel zu spät eingefallen, auch seinen Freund darauf zu briefen, möglichst Aprils Namen aus seiner Aussage heraus zu lassen. Er konnte nur darauf vertrauen, daß der Cowboy selber schlau genug war, um auf diesen Gedanken zu kommen. Vielleicht hatte der Commander ja die Möglichkeit gehabt, Colt noch kurz unter vier Augen zu sprechen, und sicherlich hätte er auch ihn dann gebeten, seine Tochter nicht unnötig in die Sache zu involvieren. Fireball massierte sich müde mit der linken Hand die Schläfen. Mandarin war tot! Er hatte einige Stunden gebraucht, um diese schreckliche Wahrheit zu akzeptieren. Nachdem Fireball sie im Krankenhaus verlassen hatte, waren bei ihr schwere innere Blutungen aufgetreten, die man durch eine verzweifelte Operation versucht hatte zu unterbinden, doch vergebens. Irgendwann hatte einfach ihr kleines Herz aufgehört zu schlagen und auch der Einsatz des Defibrillators hatte sie nicht ins Leben zurückholen können. „Mandarin...“ murmelte er tonlos und stellte sich ihr süßes, lächelndes Gesicht vor, wie sie ihm frech die Zunge herausstreckte, oder kess mit den Augenlidern klimperte. Wieso hatte dieses junge Leben so vorzeitig enden müssen? Nur weil er einen hirnverbrannten Plan ausgeheckt hatte und ihr Leben dadurch leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte? Oder lief irgendwo dort draußen tatsächlich ein krankes Geschöpf herum, daß es auf den Sterncaptain abgesehen und einfach seine Chance genutzt hatte? Natürlich mußte letzteres der Fall sein, denn eine Bombe bastelte sich bekanntlich nicht von selbst, doch konnte Fireball einfach nicht verstehen, wie man einem Menschen wie Mandarin nach dem Leben hatte trachten können. Die ganze Nacht über hatte er wach gelegen und um seine Freundin getrauert, aber nun, da seine Tränen endlich versiegt waren, hatte die tiefe Trauer einer geradezu ohnmächtigen Wut Platz gemacht. Die Vorstellung, daß Mandarins Mörder auf freiem Fuß vielleicht gerade mitten durch Yuma City spazierte, während er hier im Sicherheitstrakt des Oberkommandos festgehalten wurde, ohne zu wissen, wie und wann es endlich weitergehen würde, machte ihn rasend. Er drehte sich auf die Seite und schnippte eine Wollmaus von seiner Matratze. Wieso nur ließ man ihn solange schmoren? Wie es April im Moment wohl ging. Colts Berichten zufolge verschanzte sie sich in ihrem Apartment und ließ sich einfach nicht beruhigen. „So habe ich sie noch nie erlebt“, hatte der Cowboy mit leidvoller Miene erzählt, als er Fireball vor einigen Stunden besucht hatte, „sie ist völlig apathisch und murmelt die ganze Zeit, wir müßten etwas unternehmen und Dich hier herausholen. Dann fängt sie plötzlich ohne Vorwarnung wieder an zu weinen. Das kenne ich gar nicht von ihr, sie ist doch sonst immer so stark und tapfer gewesen!“ Fireball konnte sich schon vorstellen, daß auch das größte Pensum an Stärke und Tapferkeit irgendwann einmal erschöpft sein mußte, und nachdem, was April alles durchgemacht hatte, wunderte es ihn, daß sie nicht völlig zusammen gebrochen war. „Als ich ihr gesagt habe, ich würde Dich besuchen fahren, wollte sie natürlich sofort mit, aber ich habe ihr gesagt, daß es im Moment besser ist, wenn sie Dich nicht sieht. Du kannst Dir vorstellen, wie sie getobt hat, aber mir ist es lieber, sie ist wütend auf mich, als daß sie sich auch noch das hier antut...“ bei diesen Worten hatte der Cowboy bedeutungsvoll in der Zelle umhergeblickt und Fireball war ihm für sein Einfühlungsvermögen sehr dankbar gewesen. Es war gut, daß Colt ein Auge auf April hatte, solange konnte sie wenigstens keine Dummheiten anstellen. Fireball fragte sich, wie sie wohl reagieren würde, wenn man ihn tatsächlich für schuldig sprach, aber diese Bilder mochte er sich lieber nicht ausmalen. „Fireball!“ Erschrocken fuhr der Star Sheriff von seiner Pritsche hoch und nahm, wenn auch nicht ganz so perfekt und schnittig wie sonst, Haltung gegenüber seinem Vorgesetzten an: „Commander...“ erwartungsvoll trat er von einem Bein auf das andere. „Ich bin hier, um Dich zum Verhör abzuholen.“ Eagle gab einen Zahlencode in ein kleines Terminal in der Nähe von Fireballs Zelle ein und die Tür schwang mit einem leisen Zischen auf. „Wurde aber auch langsam Zeit...“ murmelte dieser, erleichtert darüber, endlich seine momentane Umgebung verlassen zu können. Fireball trat aus der Zelle und blickte sich etwas verdutzt um: „Wie, keine bewaffnete Eskorte für den Schwerverbrecher?“ er konnte den Sarkasmus nicht unterdrücken. „Ich habe die volle Verantwortung dafür übernommen“, der Commander schmunzelte leicht, „tu mir also bitte den Gefallen und geh nicht stiften!“ „Keine Sorge“, der Star Sheriff lächelte müde zurück, „wenn ich vorgehabt hätte zu fliehen, wäre ich schon längst über alle Berge...“ Eagle führte Fireball einen langen schmalen Korridor entlang, vorbei an unzähligen weiteren Inhaftierzellen. „Ist alles in Ordnung soweit?“ fragte er etwas besorgt und warf dem jungen Mann einen flüchtigen Blick von der Seite zu. „Ich denke, ich komme damit klar; ich kann nur immer noch nicht glauben, daß sie wirklich tot sein soll...“ Fireball stieß einen Seufzer aus, „wie geht es April?“ „Ich habe Anweisung gegeben, daß man ihr jeglichen Zugang zum Gefängnistrakt verweigert; ich hoffe, das ist auch in Deinem Interesse!“ „Gut“, brummte der Rennfahrer, „für den Fall, daß Colt sie mal nicht im Auge behalten kann, ist wenigstens sichergestellt, daß sie nicht hierher kommt.“ Danach sagten sie beide nichts mehr. Der Raum, in den Eagle Fireball führte, war klein und stickig. Er hatte keine Fenster, sondern nur eine Lampe an der Decke, die ihre grellen Strahlen durch die dunstige Luft schickte. Die einzigen Möbel, die Fireball ausmachen konnte, waren ein schlichter Tisch und zwei ebenso spartanisch anmutende Stühle. Auf dem einen Stuhl saß ein gedrungener Seargent mit kleinen Schweinsaugen und Glatze, der, dem Aschenbecher auf dem Tisch zur Folge, gerade seine vierte Zigarette rauchte. Fireballs Vorstellung von dem schlechten Kinofilm verhärtete sich mit jeder Sekunde. Der Mann machte sich nicht die Mühe aufzustehen, oder vor Commander Eagle zu salutieren, woraus der Star Sheriff schloß, daß die beiden Herren am heutigen Tage schon des öfteren miteinander zu tun gehabt hatten. „Seargent Wulf“, Eagle bedachte ihn mit einem kurzen Nicken, „hier bringe ich Ihnen Shinji Hikari, das jüngste Mitglied der Ramrod-Crew.“ „Hm“, brummte der Seargent, „nehmen Sie Platz, Fireball. Ich darf Sie doch so nennen!“ der Kerl war Fireball auf Anhieb unsympathisch. Widerwillig ließ er sich auf dem harten Aluminiumstuhl nieder und warf dem Commander ein kurzes Lächeln zu, mit dem er sagen wollte: ‚Keine Sorge, mit dem werde ich schon fertig!‘ Dann war Eagle verschwunden und Fireball blieb mit Wulf allein zurück. „Also“, begann der Seargent und blies Fire eine Wolke Rauch mitten ins Gesicht, so daß dieser sich automatisch fragte, wann wohl der ‚gute Bulle‘ seinen Auftritt hatte, „dann wollen wir mal anfangen, nicht wahr. Warum Sie hier sind, brauche ich Ihnen nicht noch einmal zu erläutern, oder!“ seine schnarrende, gleichgültige Stimme forderte Fireballs Temperament heraus: „Ich schätze mal, weil Sie mich für einen Mörder halten und ich jetzt versuchen darf, Sie in dieser Meinung auch noch zu bestätigen.“ Der Seargent wirkte ein wenig verdutzt, denn offensichtlich hatte er von einer Person in Fireballs Lage eine andere Antwort erwartet: „Nun denn“, nuschelte er grimmig, „wenn Sie so ein schlaues Kerlchen sind, dann können wir ja anfangen.“ Er dreht sich um und streckte seinen rechten Daumen in Richtung einer kleinen Kamera, die hinter ihm an die Wand montiert war. Fireball nahm an, daß man ab sofort einen Mitschnitt des Interviews machen würde, um seine Aussagen genau festzuhalten. „Ähm, erzählen Sie mir doch mal, seit wann Sie das Opfer gekannt haben, Fireball!“ Das Opfer? Fireball mußte schlucken. Es war schließlich schon schlimm genug für ihn, daß Mandarin tot war, konnte dieser Kerl da nicht wenigstens ihren Namen gebrauchen, sondern mußte sie das ‚Opfer‘ nennen? „Ich kenne Captain Yamato... ich kannte sie seit ungefähr zwei Jahren.“ antwortet er unwirsch um seinem Gegenüber zu zeigen, daß es durchaus noch eine andere Bezeichnung für Mandarin gab. Das schien diesen aber wenig zu beeindrucken: „Verraten Sie mir, wo sie sich kennengelernt haben?“ Fireball mußte kurz nachdenken: „Soweit ich mich erinnern kann, war es auf dem Herbstball des Oberkommandos... vor zwei Jahren. Commander Eagle hatte sie uns vorgestellt, da wir in Zukunft gelegentlich Unterstützung von ihrer Staffel erhalten sollten...“ mit einem leichten Lächeln auf den Lippen erinnerte er sich daran, wie aufgeregt Mandarin damals gewesen war, als sie das erste Mal Saber Rider gegenüber gestanden hatte. „So, so“, Wulf nahm einen kräftigen Zug, „und sie verstanden sich gleich auf Anhieb recht gut, ja?“ „Ja!“ Fireball ließ keinen Zweifel daran offen: „sie war eine sehr nette Person und ich fand sie sehr sympathisch.“ „Nur sympathisch?“ ein zynisches Grinsen trat auf das Gesicht des Seargents. „Wie meinen Sie das?“ „Ach kommen Sie schon Fireball, ich habe gehört, Captain Yamato sei eine äußerst attraktive Person gewesen. Können Sie mir das bestätigen!“ das Grinsen wurde noch breiter und Fireball witterte den Braten: „Sie war eine hübsche Frau, wenn Sie darauf anspielen, Searge!“ „Hm“, brummte er wieder und schnippte seine Zigarette in den Aschenbecher, „wie würden Sie Ihre Beziehung zu Captain Yamato beschreiben?“ Mißmutig beobachtete Fireball, wie Wulf in die Tasche griff, ein silbernes Etui herausnahm und die nächste Zigarette hervorbrachte: „Wir waren gute Freunde. Captain Yamato hat uns mit ihrer Flugstaffel oft hilfreich zur Seite gestanden!“ „Gute Freunde, ja“, ritsch, machte das Chromfeuerzeug und entzündete die Zigarette, bevor es wieder in der Tasche von Wulf verschwand, „sind Sie sicher, daß nicht vielleicht mal etwas zwischen Ihnen beiden gelaufen ist?“ „Nein“, brauste Fireball auf und fragte sich schon im nächsten Moment, ob das eventuell schon die erste Lüge gewesen war. „Nun, ich frage, weil laut Aussage eines Ihrer Teamkollegen Captain Yamato anscheinend mehr für Sie empfunden hat, als bloße Freundschaft.“ Der Star Sheriff bis sich auf die Lippe; also war Colt tatsächlich schon hier gewesen und hatte seine Aussage gemacht. Wieviel mochte er diesem kleinen, speckigen Soldaten nur erzählt haben? „Stimmt das, Fireball? Hat sich Captain Yamato jemals in Ihrer Gegenwart darüber geäußert, wie ihre Gefühle für Sie ausgesehen haben?“ Fireball schluckte und er merkte, wie sein Adrenalinspiegel anfing zu steigen: „Es ist möglich, daß sie das eine oder andere mal eine Andeutung in diese Richtung gemacht hat, aber ich bin nie darauf eingegangen!“ schon wieder eine Lüge? „Wie“, Wulf wirkte verblüfft, „eine, wie sie selber sagen, hübsche Frau, mit der sie sich gut verstehen, macht Annäherungsversuche bei Ihnen und Sie gehen nicht darauf ein? Sie waren doch mal Rennfahrer, nicht wahr? Ich dachte, Ihr Jungs laßt bei den Frauen nichts anbrennen!“ verschwörerisch blinzelte er dem Star Sheriff zu, der beinahe aus der Haut fuhr: „Solche Sprüche verbitte ich mir, klar! Es stimmt, daß ich Captain Yamato sehr attraktiv fand, aber allein aus der Tatsache heraus, daß wir beruflich miteinander zu tun hatten, hätte ich niemals eine Beziehung mit ihr angefangen!“ Der Seargent nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette: „Es lag also eher an dienstlichen Gründen, daß Sie Captain Yamato zurückgewiesen haben, und nicht daran, daß Sie vielleicht schon anderweitig vergeben waren?“ er stieß den Rauch in einem langen Seufzer aus. „Nein“, dieses Mal konnte Fireball mit guten Gewissen antworten, denn er hatte ja nie wirklich eine Beziehung mit April gehabt, „es waren rein dienstliche Gründe!“ „Was, wenn ich fragen darf, haben Sie vorgestern vormittag zusammen mit Captain Yamato in Hangar dreizehn zu tun gehabt? Laut Aussage eines Soldaten der Raumpatroullie sind sie dort so gegen 11:30 Uhr mit ihr gesehen worden. Ist das korrekt?“ Nun kam also zum dritten Mal die Geschichte, aber irgendwie hatte Fireball bei diesem Mal das Gefühl, daß man sie ihm nicht glauben würde: „Ja, das ist korrekt. Ich habe mich mit Captain Yamato in dieser Halle aufgehalten. Und bevor Sie weiterfragen, wir haben an dem gekaperten Outrider-Schiff gearbeitet, über das Sie sicherlich bescheid wissen.“ Wulf zuckte gespielt mit den Augenbrauen: „Aber wußten Sie denn nicht, daß es streng verboten war, sich diesem Objekt überhaupt zu nähern?“ „Doch, selbstverständlich“, Fireball war gereizt, er konnte dieses Katz-und-Maus-Spiel nicht leiden, besonders nicht, wenn er nicht einschätzen konnte, was für Trümpfe sein Gegner noch auf der Hand hielt, „aber in diesem Raumschiff sah ich die einzige Möglichkeit, um herauszufinden, was mit meinem Vater geschehen ist!“ Nickend klopfte der Seargent die Asche von seiner Zigarette: „Ihr Vater, ja, ja, habe davon gehört. Wurde bei einem Einsatz mit in die Phantom-Zone katapultiert, sagt man...“ er machte eine theatralische Pause, „und Sie haben geglaubt, Sie könnten sich einfach so Regierungseigentum unter den Nagel reißen, um in einer halsbrecherischen Aktion nach ihm zu suchen, ja!“ Kleinlaut nickte Fireball; sein Gemüt kühlte sich wieder etwas ab. „Und Sie haben Captain Yamato davon überzeugt, Ihnen zu helfen, obwohl Sie beide wußten, daß es Ihre Suspendierung hätte bedeuten können?“ Wieder erhielt der zufrieden grinsende Wulf als Antwort nur ein Nicken: „Und wie haben Sie den Captain davon überzeugen können, sich diesem großen Risiko auszusetzen?“ Fireball verstand nicht ganz. Verwirrt blickte er den ihm gegenüber sitzenden Mann an: „Worauf wollen Sie hinaus?“ „Ich kann mir nicht vorstellen, daß Captain Yamato so dumm gewesen ist, sich so einer Gefahr auszusetzen, ohne nicht wenigstens eine entsprechende Gegenleistung dafür zu bekommen!“ Fireball sah, wie sich der dicke Seargent mit der fleischigen Zunge über die ebenso fleischigen Lippen fuhr und mußte unwillkürlich den Reiz unterdrücken, sich zu übergeben: „Sie hat mir geholfen, weil sie eine gute Freundin war. Das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen, aber gelegentlich soll es so etwas geben!“ Wulf lachte hämisch: „Mein lieber Freund, seien wir doch einmal ehrlich miteinander“, wohlwollend blickte er den Star Sheriff an, so als wollte er ihm sagen ‚mir kannst Du es doch verraten‘, „ist es nicht eher so, daß Sie Captain Yamato für ihre großzügige Hilfe ein bißchen mehr Entgegenkommen gezeigt haben?“ „Entgegenkommen...“ „Rein auf sexueller Basis meine ich natürlich!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang Fireball auf und drohte dem Seargent mit dem Zeigefinger, so daß dieser leicht zurückwich: „Sie...wie können Sie es wagen, so eine absurde Behauptung loszulassen! Da draußen rennt irgendwo Mandarins Mörder herum und Sie erzählen so einen Quatsch!“ „Nun mal ganz ruhig, Fireball! Nehmen Sie bitte wieder Platz, oder ich bin gezwungen, Sie wieder in ihre Zelle führen zu lassen, und das wollen Sie doch nicht, oder?“ Schwer atmend ließ Fireball sich wieder auf dem Stuhl sinken, wie konnte dieser schmierige Kerl es nur wagen, so über Mandarin zu reden! „So ist es schon besser! Wissen Sie Fireball, es ist ja nur so, daß ich wirklich jede Möglichkeit in Betracht ziehen möchte, bevor ich mir ein Urteil bilde“, er drückte die Zigarette aus und blickte den Rennfahrer jetzt unvermittelt an, „aber Sie haben ja gesagt, daß Sie niemals eine Affaire mit Captain Yamato angefangen hätten, nicht wahr.“ Fireball nickte grimmig, er war diese Spielchen langsam leid. „Nun, dann frage ich mich aber doch, wie man sie in einer relativ unzweideutigen Situation mit Captain Yamato auf der vorgestrigen Feier des Oberkommandos hat erwischen können. In diesem kleinen Pavillon, wenn ich mich nicht irre?“ Fireball war sicher, daß ihm in diesem Moment sämtliche Gesichtszüge entgleisten. Blut schoß ihm in die Ohren und pochte so stark, daß er fürchtete, jede Sekunde würde sein Kopf explodieren. Wulf wußte also bescheid, er hatte ihm die ganze Zeit nur Theater vorgespielt. „Sie scheinen überrascht, Fireball. Entspricht es etwa nicht der Wahrheit, daß Sie sich ziemlich freizügig mit dem Captain vergnügt haben? Unterbreiteten Sie dem Captain nicht sogar das Angebot, die Nacht mit ihr zu verbringen? Was wollten Sie denn tun? Den Sonnenaufgang beobachten?“ Colt! Diese Informationen konnte der Mistkerl nur von Colt bekommen haben, denn er war der einzige, der diese Szene zwischen ihm und Mandarin beobachtet hatte. Aber Fireball konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß Colt so unvorsichtig gewesen war, diesem fetten Mops das alles auf die Nase zu binden. Nichts desto trotz wußte er bescheid und weiteres Leugnen hatte wohl keinen Sinn. „Ich war an diesem Abend ziemlich angetrunken und wußte nicht mehr so recht was ich tat. Wie Sie ja selber erwähnt haben, Mandarin war eine sehr hübsche Frau, kennen Sie das etwa nicht, wenn man ein bißchen zuviel über den Durst getrunken hat, daß man seinem Verstand manchmal nicht mehr so ganz zuhört!“ er versuchte so locker wie möglich zu klingen, aber ohne Erfolg. „Seien Sie nicht albern, Fireball. Sie können mir nicht erzählen, daß Sie zwei Jahre lang ihren Reizen entfliehen konnten und gerade zufällig dann, wenn Sie gemeinsam an einer illegalen Sache arbeiten, die Beherrschung verlieren!“ jeder gespielte Humor, jedes Grinsen war aus dem speckigen Gesicht verschwunden: „Geben Sie es zu, Captain Yamato hat gedroht die ganze Aktion hochgehen zu lassen, und um sie ruhig zu stellen, haben Sie sie ein bißchen ‚auf andere Gedanken‘ gebracht!“ „So ein, so ein ausgemachter Blödsinn“, Fireball schlug mit den flachen Händen auf den Tisch. Wie sollte er den Seargent nur davon überzeugen, daß das Tächtelmächtel mit Mandarin absolut gar nichts mit dem Schiff zu tun gehabt hatte? Das konnte er nicht, denn dann hätte er April erwähnen müssen, und das war genau, was er nicht tun durfte! Da fiel ihm etwas ein: „Und wieso sollte ich sie dann Ihrer Meinung nach umgebracht haben? So schlecht wird der Sex wohl nicht gewesen sein, daß ich mir deswegen gleich eine Leiche auf die Schultern lade!“ Jetzt kehrte das gehässige Grinsen in Wulfs Gesicht zurück: „Wie gut oder schlecht Ihr Sex mit Captain Yamato war, obliegt wohl kaum meiner Beurteilung. Aber ich denke auch nicht, daß Sie sie deswegen umgebracht haben...“ er legte eine kleine Künstlerpause ein und flüsterte dann gehässig, „sondern wohl eher wegen Ihrer kleinen Freundin Miss Eagle!“ Das war ein Schlag mitten ins Gesicht. Von einer Sekunde auf die andere war alles Leben aus Fireball gewichen und er sackte wie ein nasser Sack auf seinem Stuhl zusammen. „Sie hatten doch an diesem besagten Abend Streit mit Miss Eagle, nicht wahr? Sie brauchen mir das nicht zu bestätigen, wenn Sie nicht wollen, ich habe genug Aussagen, die diese Behauptung stützen. Sie hat herausgefunden, was zwischen Ihnen und Captain Yamato lief und hat Ihnen deshalb eine Szene gemacht, habe ich recht...“ Wulf konnte seinen Triumph kaum noch unterdrücken. Fireballs Hände begannen zu zittern: „Lassen Sie April aus dem Spiel, sie hat mit der ganzen Sache nichts zu tun!“ flüsterte er mit gebrochener Stimme. „Oh, keine Sorge, keine Sorge, nicht Miss Eagle steht hier unter Anklage. Sie bedeutet Ihnen sehr viel, habe ich recht?“ diese Frage klang beinahe ehrlich. Fireball nickte stumm, denn er stellte sich gerade vor, wie er Colt und David den Hals umdrehen würde, wenn er sie in die Finger bekommen sollte. „Und das war Ihre Zwickmühle!“ Wieder wußte der Star Sheriff nicht, wovon Wulf redete und sah ihn verwirrt an. „Wenn Sie Ihre sexuelle Beziehung zu Captain Yamato nicht beendet...“ „Ich hatte keine sexuelle Beziehung mit Mandarin, verdammt!“ erschüttert stütze Fire sein Gesicht auf die Hände und fragte sich, was als nächstes kommen würde. „Wenn Sie diese Beziehung zum Opfer nicht beendet hätten, dann hätten Sie Ihre Chancen bei Miss Eagle verspielt. Da Sie Miss Eagle aber anscheinend lieben, oder was auch immer, konnten Sie das nicht zulassen. Also mußten Sie die Beziehung zu Captain Yamato aufgeben, was zur Folge gehabt hätte, daß sie ihr kleines dunkles Geheimnis ausgeplaudert hätte. Also fuhren Sie direkt von der Feier zum Raumhafen, ja, auch dafür haben wir Aussagen, und nein, wir haben niemanden gefunden, der hätte bezeugen können, daß Sie sich auf den Weg in Ihr Quartiert gemacht hätten...“ Fireball lauschte den Worten des Seargents wie in Trance. Wenn er im Moment einen Blaster zur Hand gehabt hätte, hätte er ihn wahrscheinlich auf sich selber gerichtet, um dieser Qual zu entfliehen. „Auf dem Raumhafen legten Sie dann die Bombe, um sich des Opfers zu entledigen, und der Plan ist auch tatsächlich aufgegangen...“ Wulf hielt inne, als Fireball mitten im Satz aufstand. Er befürchtete einen weiteren Wutausbruch oder vielleicht auch einen tätlichen Angriff, doch nichts dergleichen geschah. Mit blutrot unterlaufenen Augen blickte er flehend direkt in die Kamera hinter dem Seargent und flüsterte: „Commander, bitte holen Sie mich hier raus, ich ertrage diesen Schwachsinn nicht länger!“ „Himmel, Fireball, es tut mir leid“, Colt stand von der Pritsche in Fireballs Zelle auf und stellte sich mit hilfloser Miene vor seinen Freund, „ich konnte doch nicht ahnen, daß die Kerle solche fiesen Tricks anwenden würden!“ Der Rennfahrer ließ die geballten Fäuste sinken und nickte mißmutig: „Du hast ja Recht, Colt, aber Du kannst Dir einfach nicht vorstellen, wie erniedrigend es gewesen ist, mir von diesem schleimigen Seargent Fragen über mein Sexualleben mit April und Mandarin stellen zu lassen!“ Saber, der mit verschränkten Armen an die Zellentür gelehnt stand räusperte sich kurz bei der Erwähnung des Wortes Sexualleben, sagte aber nichts weiter dazu. „Amigo, das kann ich doch verstehen“, der Cowboy sah noch immer verdrossen drein, „und glaub mir, ich hatte niemals vor, denen irgend etwas über Dich und Mandarin, geschweige denn April zu erzählen...“ „Ich würde das an Deiner Stelle nicht zu laut sagen, Colt“, Saber Rider bedachte ihn mit tadelndem Blick, „Du weißt, daß Du aufgrund einer Falschaussage genauso schnell Deine Marke los sein kannst, wie Fireball!“ „Herrgott“, brauste Colt auf und wirbelte herum, „wer hat denn hier was von Falschaussage erzählt? Natürlich hätte ich denen nichts vorgemacht, aber ich hätte ja auch nie im Leben damit gerechnet, daß sie schon über alles bescheid wissen!“ „Du hättest doch sicherlich bestritten, etwas von der... Beziehung zwischen April und Fireball gewußt zu haben, oder?“ „Ja, und?“ der Cowboy starrte seinen Teamkollegen wütend an, während sich Fireball genervt wieder auf der Pritsche niederließ. Das war nun schon das dritte Mal, daß sich die beiden in seiner Gegenwart streiten mußten, obwohl ihnen das doch in der gegenwärtigen Situation am allerwenigsten weiterhelfen würde. „Colt, es ist schon schwierig genug im Moment. Du tust Fireball keinen Gefallen damit, wenn Du Dich aus falschem Ehrgefühl heraus zum Lügen verleiten läßt!“ Saber blieb wie immer ganz ruhig und sachlich, während er die Reaktion seines Gegenübers abwartete. Und die kam! „Falsches Ehrgefühl“, Colt stieß den ausgestreckten Zeigefinger in Sabers Richtung, „Du bist mir ehrlich ein feiner Anführer und Freund. Fireball sitzt hier unschuldig im Knast und wird des Mordes verdächtigt, und Du machst mir Vorwürfe, weil ich versuche, ihm zu helfen?“ sein Gesicht lief puterrot an und die Schlagader an seinem Hals schwoll zum doppelten der eigentlichen Größe an. „Laß doch gut sein, Colt“, Fireball warf ihm einen flehenden Blick zu, „Saber versucht doch auch nur zu helfen...“ „Nein, das tut er nicht“, wütend stampfte Colt mit dem rechten Fuß auf, „wenn er wirklich helfen wollte, hätte er sich zum Beispiel bei Commander Eagle darüber beschweren könne, was für unmögliche Verhörmethoden hier beim Oberkommando eingesetzt werden...“ „Du weißt genau, daß ich das getan habe“, Saber ließ die Arme sinken und machte einen Schritt auf Colt zu, „und Commander Eagle hat mir versichert, daß er nichts davon gewußt hat, daß man Dich und David vor dem Verhör per Kamera überwacht hat.“ „Und obwohl er es nicht wußte...“ „Ist es trotzdem zulässig, Colt!“ murmelte Fireball schon beinahe resigniert: „Das solltest Du doch wissen. Solange sie nicht das Band selber als Beweisstück vorlegen, ist es ein völlig legitimes Mittel, wenn auch nicht gerade das feinste!“ Saber nickte mürrisch: „Sie haben Euch mit Euren Aussagen von dem Video konfrontiert, um das ganze noch einmal als hieb- und stichfeste Aussagen zu bekommen. Wenn ihr nicht darauf eingegangen wärt oder sogar geleugnet hättet, was Ihr Euch kurz vorher noch im Geheimen gesagt habt, hätten sie nichts in der Hand gehabt. Das Video hätten sie ja nicht als Beweis aufnehmen dürfen.“ „Ja, schon“, Colts Wut verrauchte und machte wieder dieser Hoffnungslosigkeit Platz, „aber ich konnte doch nicht ahnen, daß die Nasen uns belauscht haben. Als die mich mit diesen ganzen Sachen konfrontiert haben, dachte ich wirklich, David hätte schon alles erzählt, oder sie hätten stichhaltige Beweise gefunden. Deshalb hielt ich es für ratsam, bei der Wahrheit zu bleiben. Wenn ich gewußt hätte...“ schuldbewußt sah er zu Fireball nieder, der müde lächelte: „Hör auf, Dir deswegen Vorwürfe zu machen, Colt. Ich hätte an Deiner Stelle genauso reagiert!“ „Wenn ich doch vor dem Verhör bloß meine große Klappe gehalten und David nicht die ganze Story erzählt hätte...!“ „Du konntest nun wirklich nicht damit rechnen, daß das Oberkommando mit solchen fiesen Tricks aufwartet...“ es war das erste Mal, daß Fireball einen bitteren Unterton in Sabers Worten erkennen konnte. Anscheinend machte es ihm schwer zu schaffen, daß seine Vorgesetzten solch unorthodoxe Methoden anwandten, um ein Mitglied aus den eigenen Reihen in die Pfanne zu hauen. „Es ist nun einmal so, wie es ist“, Fire stütze die Hände auf die Knie, „früher oder später wären sie ja vielleicht doch hinter die ganze Geschichte gekommen. Es ist nur so wahnwitzig, daß die wirklich glauben, ich hätte Mandarin wegen irgendwelcher Eifersüchteleien von April aus dem Weg schaffen wollen...“ die anklagenden Worte vom Verhör des Vortages klangen ihm noch immer in den Ohren. „Mach Dir keine Sorgen, hombre, wir werden draußen alles daran setzen, um den wahren Täter zu finden, und spätestens dann bist Du hier wieder raus!“ erklärte Colt im Brustton der Überzeugung und warf Saber einen auffordernden Blick zu. „Aber natürlich“, stimmte er nicht ganz so enthusiastisch mit ein, „wir lassen Dich doch hier nicht versauern!“ Er warf einen prüfenden Blick auf seinen Communicator: „Ich werde gleich noch einmal mit Commander Eagle reden, um die nächsten Schritte zu besprechen. Ihm ist genauso an der Aufklärung der ganzen Sache gelegen, wie uns!“ Colt machte eine flüchtige Bewegung mit der linken Hand: „Geh nur schon vor, ich treffe Dich dann später bei Ramrod...“ Mißtrauisch beäugte Saber das leicht schiefe grinsen seines Kameraden, entschied dann aber, daß es besser war, nicht nachzuhaken, weshalb er noch bei Fireball bleiben wollte: „Gut, ich werde dann gehen. Halt die Ohren steif, Fireball, ich werde wieder vorbei schauen, sobald wir etwas neues herausgefunden haben!“ „Brauchst auch nicht vorher anzurufen“, grinste der Rennfahrer spöttisch, „mir gefällt es hier so ausgesprochen gut, daß ich wohl noch ein paar Tage bleiben werde!“ Saber verkniff sich die Antwort auf diesen sarkastischen Satz und gab der Wache vor der Zellentür ein Zeichen, damit man ihn hinaus ließ. „Du brauchst jetzt aber wirklich nicht aus Mitleid hier zu bleiben.“ Fireball sah zu Colt hoch, nachdem die Tür ins Schloß gefallen war. Dieser setze mit einem Mal eine äußerst ernste Miene auf und vergewisserte sich mit einem kurzen Blick, daß sie auch nicht von der Wache draußen beobachtet wurden. Dann griff er hastig unter sein Hemd und zog einen Blaster hervor. „Colt, bist Du wahnsinnig...“ keuchte Fireball und schaute jetzt genauso gehetzt zur Tür, aber von der Wache war nichts zu sehen. „Hier...“ Colt drückte seinem Freund die Waffe in die Hand: „ich dachte, den könntest Du vielleicht brauchen!“ „Du kommst in Teufelsküche, verdammt. Was meinst Du, was los ist, wenn die das Ding bei mir finden?“ flüsterte Fireball gereizt und wollte den Blaster zurückgeben, doch Colt blieb standhaft. „Den wirst Du schön hier behalten“, schnell ließ er die Handfeuerwaffe unter dem Kopfkissen auf der Pritsche verschwinden, „man weiß nie, wozu man sowas mal brauchen kann...“ mit diesen Worten erhob er sich und machte Anstalten zu gehen. „Das kannst Du nicht machen“, Fire sprang auf und ergriff seinen rechten Arm, „Du fliegst wegen Beihilfe oder sowas. Saber hat vollkommen recht, es bringt mir gar nichts, wenn Du Dich auch noch in Gefahr bringst...“ Colt ergriff nun seinerseits den Arm seines Freundes und blickte ihm tief in die Augen: „Hast Du denn noch gar nicht daran gedacht, daß der Anschlag nicht Mandarin, sondern Dir gegolten haben könnte?“ Fireball schluckte schwer: „Wie... wie meinst Du das?“ „Wer auch immer diese Bombe gelegt hat, er muß Euch vorher beobachtet haben, denn sonst wäre er nicht auf die Idee gekommen, den Sprengsatz ausgerechnet in das Antriebsaggregat einzubauen. Er wußte, daß Du das nächste Mal versuchen würdest, das an das Raumschiff anzuschließen...“ Fireball lief ein kalter Schauer über den Rücken. Hatte Mandarins Mörder sie tatsächlich die ganze Zeit beobachtet, während sie an dem Outrider Schiff gearbeitet hatten? „Und die Chancen, daß entweder Mandarin oder Du das tun würdest, war doch fifty-fifty, oder nicht? Wieso soll der Mörder es also nicht genauso gut auf Dich abgesehen haben?“ „Ich gebe zu, daß ich darüber noch nicht nachgedacht habe...“ der Star Sheriff schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich schätze, während unserer Tätigkeit als Star Sheriffs haben wir uns auch unter Nicht-Outridern eine Menge Feinde gemacht, auf jeden Fall mehr als Mandarin. Und wenn der Mörder es wirklich auf Dich abgesehen hatte, wird er es vielleicht wieder versuchen...“ Colt blickte zu dem Kopfkissen, unter dem jetzt der Blaster ruhte, „für den Fall solltest Du Dich verteidigen können! Schließlich lassen die mich hier nicht rund um die Uhr Wache schieben!“ Fireball hatte ein Gefühl, als würde sich langsam seine Kehle zuschnüren: „Colt, Du riskierst Kopf und Kragen für mich...“ „Hey“, Colts Griff um Fireballs Arm wurde noch ein bißchen fester, „das gleiche würdest Du auch für mich tun!“ Der Rennfahrer mußte das starke Gefühl unterdrücken, seinen Freund zu umarmen: „Danke...“ Etwas verlegen schüttelte Colt den Kopf und löste sich dann von Fireball: „Wie gesagt, paß Du nur auf, daß Dir nichts passiert.“ Er wandte sich zur Tür. „Wie geht es eigentlich April?“ „Frag lieber nicht“, der Cowboy zuckte die Schultern, „sie hat sich fest vorgenommen, mit zu Mandarins Beerdigung zu kommen, weil sie meint, dadurch irgend etwas gutmachen zu können, aber ich...“ „Beerdigung?“ wenn noch ein Rest Farbe auf Fireballs Wangen gewesen war, so war diese jetzt endgültig verschwunden. „Tut mir leid, ich dachte, sie hätten es Dir gesagt“, Colt kratzte sich verlegen am Kopf, „heute nachmittag um drei wird sie auf dem Militärfriedhof beigesetzt...“ Die Schüsse von Gewehren rissen Fireball aus seinem unruhigen Schlaf. Sofort saß er kerzengerade auf seiner Pritsche und warf einen Blick auf seinen Communicator; er hatte sich nicht getäuscht! Wieder fielen Schüsse, einheitlich abgefeuert aus mindestens zehn Gewehrmündungen. Der Star Sheriff erhob sich und ging hinüber zu dem vergitterten Fenster, wieder Schüsse. Zwar konnte man den Militärfriedhof des Oberkommandos von hier aus nicht sehen, doch wußte Fireball, daß er sich ganz in der Nähe befand. Die vierte Salve folgte. Er wußte, daß Mandarins Beisetzung begonnen hatte und man ihr, wie jedem Mitglied des Militärs die letzte Ehre in Form von 21 Salutschüssen gewährte. Seine Hände begannen zu zittern, als er sich vorstellte, daß der Körper seiner Freundin nun für alle Zeiten der Erde überlassen wurde. Er riß das kleine Zellenfenster auf und wurde nur noch durch die Gitter von der Freiheit getrennt. Verzweifelt umklammerte er sie, als hoffte er, damit seine Hände wieder unter Kontrolle bringen zu können. Die Schüsse gingen vorüber und eine ganze Weile lang blieb es ruhig; wahrscheinlich, weil ein Geistlicher gerade die Grabrede hielt. Fireball schluckte. Noch nie war ihm Mandarins Tod so real vorgekommen, wie in diesem Moment. Ein einzelner Trompeter begann in der ferne langsam und getragen das letzte Geleit zu spielen. Bilder von seiner toten Freundin schwirrten plötzlich in Fireballs Kopf umher, in der Reihenfolge, wie er sie zuletzt erlebt hatte. Gerade noch lehnte sie sich kess über das Outrider Schiff, nur mit ihrem Trägertop bekleidet und voller Lebensfreude, und im nächsten Moment trugen dick vermummte Feuerwehrmänner sie aus einer brennenden Lagerhalle. Fireballs Augen begannen zu brennen. Jetzt fielen ihm auch wieder die letzten Minuten ein, die er mit ihr verbringen durfte, vor zwei Tagen im Krankenhaus, als sie noch ein kurzes Mal bei Bewußtsein gewesen war. Sie hatte dort in ihrem Bett gelegen, von Kopf bis Fuß bandagiert, mit vielen Schläuchen und anderen Gerätschaften in den Armen, die sie am Leben erhielten. Ihre Augen hatten geschimmert, als sie ihn erkannt hatte, und dann, irgendwann hatte sie die letzten Worte zu Fireball gesagt, die er je von ihr hören sollte. Es war nicht mehr als ein Wispern gewesen, doch es hatte sich tief in seinem Herzen verankert: „Es tut mir leid, Fireball, ich wollte Dir nicht soviel Ärger bereiten...“ Heiße Tränen liefen nun Fireballs Wangen hinunter und er schlug blind vor Wut gegen die Gitter: „Was hast Du nur dort zu suchen gehabt, Mandarin. Wieso wolltest Du mir helfen? Hättest Du mich doch einfach zum Teufel gejagt, wie ich es verdient hatte, dann wärst Du noch am Leben...“ hilflos trat er immer wieder gegen die Zellenwand, „es tut mir so leid, Mandarin... tut mir so leid. Wären wir uns doch einfach nie begegnet!“ Das lauter werdende Geräusch von Triebwerken ließ ihn aufblicken, und im nächsten Moment rauschte eine Gruppe aus sechs Düsenjets tief über den Komplex der Kommandozentrale hinweg. Sie flogen in V-Formation, zu der eigentlich sieben Maschinen gehörten, doch in der zweiten Reihe fehlte auf der rechten Seite ein Jet, so daß das V aussah, als hätte man ein Loch hinein geschlagen. Fireball mußte sich nicht erst die Mühe machen, die Einheitsinsignien zu entziffern, um zu wissen, wo die Jets herkamen. Sie wurden von den Männern und Frauen aus Mandarins Staffel geflogen, die mit dieser Geste Abschied von ihrem Captain nahmen. Das Loch in der Formation symbolisierte Mandarin selbst, ein Mitglied des Teams das für immer gegangen war und einen leeren Platz hinterlassen würde. Schluchzend sank Fireball zusammen und kauerte sich an die kalte Betonwand: „Es tut mir leid“, murmelte er immer wieder, „es tut mir leid.“ Nachts wurde Fireball von einem schrecklichen Alptraum geplagt und warf sich in seiner Zelle unruhig hin und her. Er rannte über einen Strand und verfolgte April, so wie es vor einiger Zeit in ihrem kurzen Urlaub wirklich gewesen war, doch dieses Mal lief sie nicht aus Spaß vor ihm davon, sondern schrie immer wieder er solle sie in Ruhe lassen, er wäre ein Mörder und solle verschwinden. Verzweifelt versuchte er sie einzuholen, doch ständig waren um ihn herum Explosionen, die ihn immer wieder zu Boden warfen oder ihm Sand in die Augen schleuderten. Er hatte Angst um April, wollte sie aus dieser gefährlichen Zone herausbringen, doch sie wollte einfach nicht auf ihn hören. Wie ein Hase schlug sie Haken um die Krater und entfernte sich immer mehr aus seiner Reichweite. Und irgendwann begann ihn eine weit entfernte Stimme zu rufen, wehklagend und schaurig. Zuerst konnte er sie nicht zuordnen, doch dann erkannte er, daß es die Stimme von Mandarin war, die ihm überall hin folgte, ja direkt in seinem Kopf zu sein schien. Und dann sah er sie auch. In den Feuerbällen der Explosionen stand sie mit flehendem Blick und ausgestreckten Armen, von denen zerfetzte Bandagen hingen. Ihre Kleidung war in Stücke gerissen und ihre bloße Haut war gezeichnet von tiefen Brandwunden. Fireball konnte den Anblick nicht ertragen und versuchte ihr zu entfliehen, doch wo er auch hinlief, tauchte Mandarins schreckliche Gestalt auf und wisperte unheilverheißend seinen Namen: „Fireball...“ Und dann passierte es: von weitem konnte er sehen, wie April mit einem lauten Schrei in einer Explosion aus Feuer und Sand verschwand. Von panischer Angst befallen rannte er zu der Stelle hinüber, an der es geschehen war und konnte einen leblosen Frauenkörper erkennen, auf den sich langsam eine Staubwolke niederlegte. Doch als Fireball sie erreichte, stellte er mit Entsetzen fest, daß es nicht April war, die ihn mit leeren Augen anstarrte, sondern Mandarin. Ihre von der Explosion aufgerissenen Arme hoben sich zitternd zu ihm nach oben und ihre blutigen Lippen murmelten mit gespenstischer Stimme wieder seinen Namen: „Fireball...“ Mit einem lauten Schrei fuhr Fireball aus dem Schlaf hoch und wischte sich die Haare aus der schweißnassen Stirn. Keuchend starrte er in die Dunkelheit seiner Zelle. Diese Stimme. Eine Schauer lief ihm über den Rücken. Sie hatte so schrecklich echt geklungen, daß er fast geschworen hätte, nicht nur davon geträumt zu haben. Mit einem erleichterten Seufzer setzte er sich jetzt jedoch auf und stellte die Beine auf den Boden. „Fireball...“ Ein Adrenalinschub durchschoß den Körper des Star Sheriffs. Beinahe starr vor Schreck drehte er den Kopf in Richtung Tür. Spielten ihm seine Sinne langsam einen Streich, oder hatte er eben tatsächlich jemanden seinen Namen sagen hören? Er kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit mehr erkennen zu können, aber er mußte sich getäuscht haben; vor seiner Zellentür war niemand. Von leichten Selbstzweifeln gepackt schüttelte er den Kopf: „Junge, reiß Dich zusammen...“ murmelte er sich selber zu und wollte sich wieder hinlegen, doch da erklang ein leises, kaltes Lachen. Mit einem Ruck war Fireball nun auf den Beinen: „Wer ist da?“ seine Stimme zitterte leicht vor Anspannung. Jetzt schien sich draußen auf dem Gang jemand zu bewegen. Schlurfende Schritte kamen näher und mit einem Mal tauchte eine dunkle Gestalt vor der Zellentür auf. So sehr sich Fireball auch anstrengte, er konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Dem Umriß nach zu deuten trug die Gestalt zwar die Uniform eines Wachsoldaten, es war aber unmöglich zu sagen, ob es einer der Soldaten war, die ihn bis jetzt bewacht hatten. „Was wollen Sie?“ raunte Fireball den Mann an und stellte verwirrt fest, daß dieser wieder anfing zu lachen. „Gar nichts“, antwortete er mit einer rauhen Stimme, die Fireball merkwürdig vertraut vorkam, „ich habe doch schon alles, was ich will.“ Er machte eine kurze Pause und trat noch näher an die Zelle heran: „Und, wie gefällt es Dir im Gefängnis, Fireball?“ Der Star Sheriff wußte nicht, was er erwidern sollte, diese Gestalt flößte ihm Angst ein. „Hättest wohl nicht gedacht, daß Du auch mal so schnell auf der anderen Seite stehen würdest, wie?“ „Wer zum Teufel sind Sie?“ Fireballs Blick zuckte kurz hinüber zu seinem Kopfkissen, wo wohl verwahrt der Blaster von Colt lag. Warum hatte er ihn nur nicht gleich mitgenommen, als er aufgesprungen war; jetzt war er außer Reichweite. „Es stimmt mich ein wenig traurig, daß Du mich nicht erkennst, aber das war wohl nicht anders zu erwarten. Hättest wahrscheinlich auch nicht damit gerechnet, mich so schnell wiederzusehen!“ die Gestalt lehnte sich an die Tür und begann stetig mit den Knöcheln seiner rechten Hand dagegen zu klopfen. Das machte Fireball ganz wahnsinnig: „Verschwinden Sie, oder ich rufe nach der Wache!“ „Idiot, siehst Du nicht, daß ich heute nacht die Wache bin?“ die Gestalt nahm kurz die Uniformmütze vom Kopf und nickte damit leicht in Fires Richtung: „Es wird Dich also niemand hören...“ „Sagen Sie mir endlich wer Sie sind und was Sie wollen!“ dem Rennfahrer wurde zunehmend mulmiger und er hatte seine Nerven kaum noch unter Kontrolle. „Eigentlich wollte ich mich nur vergewissern, daß es Dir hier auch gut geht, nachdem Du doch schon meinem kleinen Anschlag entkommen bist!“ eine Reihe weißer Zähne blitzte im Dunkeln auf und Fireball ballte instinktiv die Fäuste. Colt hatte also recht gehabt. Der Bombenanschlag auf dem Rollfeld hatte ihm gegolten und nicht Mandarin. „Sie verdammtes Schwein“, brach es aus ihm heraus, „Sie haben Mandarin umgebracht!“ Sein Gegenüber zuckte hierauf nur lässig die Schultern: „Was kann ich dafür, wenn diese kleine Pilotenschlampe meinen schönen Plan durchkreuzt...“ „Wagen Sie es nicht noch einmal, sie so zu nennen!“ schrie Fireball erhitzt und rannte wütend gegen die Tür. Die Gestalt trat müde lächelnd einige Schritte zurück: „Na, na, Fireball, wer wird sich denn gleich so aufregen?“ „Mörder...“ mit geballten Fäusten schlug der Star Sheriff gegen die Eisentür. „Ist es nicht komisch“, der Unbekannte begann mit verschränkten Armen vor der Zelle auf und ab zu gehen, „eigentlich wollte ich Dich in dieser Halle sterben sehen, aber jetzt, wo mir Deine kleine Freundin dazwischen gekommen ist, muß ich sagen, daß mir das Ergebnis sogar noch besser gefällt. Der große Held Fireball sitzt wegen Mordes an einem Sterncaptain hinter Gittern, ist das nicht amüsant?“ „Und wieso haben Sie es auf mich abgesehen?“ „Weil Du mir schon immer der größte Dorn im Auge gewesen bist, Fireball!“ flüsterte die Gestalt mit Grabesstimme: „Aber nun bist Du ja aus dem Weg geräumt und ich kann genüßlich verfolgen, wie man Dich verurteilen wird. Und dann wird ein gewisser weiblicher Star Sheriff sicherlich Trost brauchen, um über Dein übles kleines Schicksal hinweg zu kommen!“ Das Blut gefror Fireball in den Adern: „Was zum Teufel meinen Sie damit?“ schrie er den Unbekannten an und rammte erneut seine Hände gegen die Tür. „Ich werde April auch nett von Dir grüßen, wenn ich Sie besuchen gehe!“ ein kehliges Lachen folgte. „Du Dreckskerl, laß Deine Finger von ihr!“ es hatte den Anschein, als würde der Star Sheriff die Tür mit bloßer Körperkraft aufbrechen wollen, was sein Gegenüber natürlich nur um so mehr amüsierte. „Meine Finger von ihr lassen, wo Du doch nun endlich nicht mehr zwischen uns stehst, Du machst Witze!“ er trat nun ganz nahe an die Tür heran und zückte ein Feuerzeug aus der Hosentasche: „Weißt Du denn immer noch nicht, wer ich bin, Kleiner?“ das Feuerzeug klickte kurz und erhellte mit einer orange-gelben Flamme das von Brandwunden entstellte Gesicht des Fremden, das von kurzen blauen Haaren eingesäumt war. Fireball wich keuchend zurück: „Jesse...!“ Das Feuerzeug erlosch: „Ja, ich bin es, der gute alte Jesse...“ „Aber“, der Star Sheriff rang nach Atem, „ich dachte, Du wärst...“ „Tot“, vollendete Jesse den Satz und zeigte wieder sein weißes Grinsen, „ich gebe zu, daß dafür auch nicht mehr viel gefehlt hätte. Ich habe den Sprung in die Phantomzone gemacht, als ich schon mittendrin in der Explosion des Phantom-Planeten gewesen bin. Ein paar Sekunden länger, und ich wäre Grillfleisch gewesen. So bin ich mit ein paar kleineren Blessuren davon gekommen“, er strich sich bedächtigt über das entstellte Gesicht. Fireball begriff jetzt auch, wieso ihm Jesses Stimme zwar so bekannt vorgekommen war, er sie aber nicht hatte zuordnen können. Sicherlich hatte die gewaltige Hitze und das Feuer ihm nicht nur äußerlichen Schaden zugefügt, sondern ihm auch die Lunge und die Stimmbänder verbrannt! „Und wieso bist Du nicht mit den anderen Schmutzfüßen in Deiner Phantomzone geblieben?“ vorsichtig bewegte sich Fireball zurück um in die Nähe des Kopfkissens zu kommen, ohne daß Jesse etwas bemerkte. Er mußte den Blaster erreichen! „Weil ich Rache will“, dieses Mal schlug Jesse mit den geballten Faust gegen die Tür, „Ihr miesen Star Sheriffs habt meine Pläne durchkreuzt und alles zerstört, was ich aufgebaut hatte, dafür werdet Ihr büßen...“ „Und weil Du Dich an mir rechen wolltest, mußte Mandarin sterben...“ Fireball spuckte ihm diese Worte förmlich entgegen. „Ich kann nicht behaupten, daß mir ihr Tod sonderlich nahe geht, aber ich verspreche Dir, daß ich bei meinem nächsten Plan nicht zulassen werde, daß man ihn mir durchkreuzt!“ „Und was ist Dein nächster Plan?“ der Blaster war schon beinahe in Reichweite. „Das habe ich Dir doch gesagt, ich werde wohl erst einmal die arme April darüber hinweg trösten müssen, daß sie Dich so schnell nicht wiedersehen wird. Und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mich da schon Jahre drauf gefreut...“ „Nicht ein Haar wirst Du ihr krümmen, Mistkerl“, blitzschnell drehte sich Fireball zur Seite, griff nach dem Blaster und feuerte ihn dreimal kurz hintereinander auf Jesse ab, doch dieser war schon in den Schutz der Mauer zurück getreten. Leise lachend hörte man ihn jetzt den Gang hinunter schlendern: „Ich muß sagen, Du schaffst es immer wieder, mich zu beeindrucken, aber das wird Dir dieses Mal nicht viel nützen. Ich werde April aber von Deinem mutigen Einsatz berichten, wenn ich meinen Spaß mit ihr habe...“ „Jesse“, brüllte Fireball außer Kontrolle und rannte gegen die Tür, „Du mieses Schwein, komm zurück.“ aber Jesse war schon verschwunden. „Ich schwöre Dir, ich kriege Dich!“ Als April mitten in der Nacht erwachte, lief ihr ein kleiner Schauer über den Rücken. Ihre Balkontür stand noch immer offen, weil die Luft abends so stickig gewesen war, daß man kaum hatte einschlafen können. Doch nun hatte es sich stark abgekühlt und eine kalte Brise strich über ihre nackten Schultern. Sanft wiegten sich die Vorhänge mit leichtem Rauschen im Wind und warfen unnatürliche Schatten auf den Fußboden. April fröstelte. Normalerweise machte ihr das nichts aus, doch nach den Ereignissen der letzten Tage war ihr Nervenkostüm arg angegriffen. Und sich nun vorzustellen, es könnte sich jemand durch die offene Balkontür eingeschlichen und hinter den Gardinen versteckt haben, war das letzte, was sie momentan gebrauchen konnte. Entschlossen hüllte sie sich in ihre dünne Bettdecke und stand auf, um die Tür zu schließen. Wie ruhig draußen doch alles wirkte, ja beinahe gespenstisch. Sie zog die Decke etwas fester um ihren Oberkörper und trat hinaus auf den Balkon. Die kühle Nachluft umfing sie und spielte mit ihrem offenen Haar. Der Himmel war sternenklar und der leuchtende Vollmond tauchte die Umgebung in ein unnatürliches Gemisch aus Licht und Schatten. ‚Wie es wohl Fireball geht?‘ schoß es ihr durch den Kopf. Wie mußte es wohl in einer solchen Nacht sein, alleine in einer Gefängniszelle zu sitzen, angeklagt für einen Mord, den man nie begangen hatte. Sicherlich fühlte er sich schrecklich einsam und verzweifelt! Aprils Augen begannen bei diesem Gedanken zu brennen. Warum hatte Colt sie auch nicht zu ihm gelassen, hatte er denn gedacht, sie würde den Anblick von Fireball nicht verkraften? Er brauchte sie doch, jetzt mehr als je zuvor! Morgen würde sie ihn besuchen fahren, egal wer versuchen würde, sie daran zu hindern. Und dann konnten sie gemeinsam überlegen, was als nächster Schritt zu unternehmen war, um Fireballs Unschuld zu beweisen. Sie nickte energisch, um sich ein wenig Mut zuzusprechen und ging dann zurück ins Schlafzimmer. Nachdem sie die Balkontür fest verschlossen hatte, warf April die Bettdecke zu Boden und schlich barfuß hinüber ins Wohnzimmer und weiter in die Küche, weil sie plötzlichen Durst verspürte. Ihr hauchdünnes, kurzes Seidennachthemd ließ die Silhouette ihres Körpers erkennen, als sie den Kühlschrank öffnete und dessen Licht ein wenig die Dunkelheit in der Wohnung erhellte. „Deine Schönheit verschlägt mir immer wieder den Atem, weißt Du das?“ Mit einem lauten Schrei ließ April den Tetra-Pak mit Orangensaft fallen und fuhr zu Tode erschrocken herum. Dort auf ihrem Sessel saß eine dunkle Gestalt und beobachtete sie. April zitterte am ganzen Körper: „W...wie kommen Sie hier herein?“ Saft lief langsam über den Küchenboden und schloß ihre Füße in eine kleine Lache ein. „Daß auch Du mich nicht erkennst...“ die Gestalt stand bedächtig auf und April wich entsetzt einen Schritt zurück, wobei sie beinahe in der Saftpfütze ausgerutscht wäre: „Wer...sind Sie?“ stammelte sie ängstlich, während sie versuchte hinter sich auf der Küchenarbeitsplatte irgendeine brauchbare Waffe zu finden. Ohne Erfolg! Ihr Gegenüber trat nun ins Licht der offenen Kühlschrank und April stieß einen kleinen Schrei aus, wobei sie sich die Hände ins Gesicht schlug: „J...Jesse...“ erschrocken blickte sie auf das entstellte Gesicht, das sie triumphierend angrinste. „Was zur Hölle soll dieser Lärm?“ ein entnervter Soldat trat vor Fireballs Zelle und schlug mit der flachen Hand dagegen. Sein Dienst fing ja hervorragend an! Zuerst war die Wache, die die Schicht vor ihm gehabt hatte verschwunden, ohne ihm einen Bericht über eventuelle Vorkommnisse zu geben und nun machte auch noch einer der Gefangenen Rabatz. „Wo zur Hölle haben Sie gesteckt“, schrie Fireball aufgebracht und klammerte seine linke Hand um die Eisenstäbe, „ich schreie mir hier seit einer halben Stunde die Seele aus dem Leib, ohne das sich irgend jemand drum schert!“ Der Soldat legte gereizt eine Hand auf seine Waffe: „Mein Einsatz hat gerade erst angefangen, und ehrlich gesagt nervt es mich gewaltig, wenn ich mich gleich um so einen Unruhestifter kümmern muß!“ „Hören Sie auf zu schwafeln, Mann“, Fireball rüttelte vergeblich an der Tür, „Sie müssen mich auf der Stelle hier heraus lassen...“ Der Lieutenant brach in schallendes Gelächter aus, bevor der Star Sheriff seinen Satz beenden konnte: „Aber natürlich, wenn es weiter nichts ist. Hätten Sie vielleicht auch gern ein Taxi oder eine Limousine, die Sie zum Raumhafen bringen soll?“ er machte Anstalten sich wieder in sein Büro aufzumachen. „Das ist ein Notfall, um Himmelswillen. Miss Eagle schwebt in Lebensgefahr...“ „Nun mal ganz sachte“, der Soldat kam zurück und starrte Fireball mit einer Mischung aus Langeweile und Gereiztheit an, „Miss Eagle schwebt also in Lebensgefahr, ja. Und wie bitte kommen Sie auf diese Vermutung? Hat Ihnen das ein Vögelchen zugeflüstert?“ Fireball geriet in Rage. Hier ging es um Aprils Leben und dieser dämliche Kerl spielte Spielchen mit ihm: „Jesse Blue ist just in diesem Augenblick auf dem Weg zu Miss Eagles Apartment, und wenn wir nicht sofort...“ „Oh...“ der Lieutenant pfiff beeindruckt durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen, „Jesse Blue, sagen Sie, ja! Ist er zurück von den Toten?“ „Er war niemals tot, Sie Vollidiot“, Fireball schlug wütend gegen die Eisenstäbe, „er ist eben hier gewesen, vor gut einer halbe Stunde...“ „Hier, in diesem Gefängnis?“ nun fing der Soldat wohl doch an, an Fireballs Verstand zu zweifeln. „Ja, zum Geier, hier in diesem Gefängnis. Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, hier hereinzukommen, aber er war hier. Er hat die Bombe auf dem Raumhafen gelegt und jetzt will er sich Miss Eagle holen.“ „Also, ganz ehrlich, glauben Sie, ich kaufe Ihnen diese haarsträubende Geschichte ab? Ich gebe ja zu, das sie wirklich gut ist, aber es reicht leider noch nicht ganz, um mich davon zu überzeugen, einen angeklagten Mörder freizulassen!“ Der Star Sheriff wurde rasend: „Dann informieren Sie schnellstens Commander Eagle und Saber Rider, wenn Sie mir nicht glauben. Sie müssen sofort zu Miss Eagle um für ihre Sicherheit zu sorgen!“ reif er hitzig und trat gegen die Tür. Den Soldaten schien dieses kaum zu kümmern: „Nichts dergleichen werde ich tun“, murmelte er grimmig, „wenn Sie wirklich erwarten, daß ich meinen Job riskiere, weil ich den Commander um diese unchristliche Zeit aus dem Bett gerissen habe, nur weil Sie unter Hirngespinsten leiden, dann sind Sie dümmer, als ich dachte!“ mit einem flapsigen Schulterzucken drehte er sich auf dem Absatz um, so als erachtete er die Unterhaltung für beendet. „Dann geht es wohl nicht anders...“ hörte er Fireball murmeln und drehte sich verwundert noch einmal zu ihm um. Er blickte geradewegs in die Mündung eines ziemlich realistisch aussehenden Blasters: „Wie zur Hölle...“ keuchte er und griff automatisch nach seiner eigenen Waffe. „Das“, bellte Fireball grimmig, „würde ich an Ihrer Stelle lieber lassen!“ Der Lieutenant ließ sofort die Hände sinken: „Wo haben Sie den her?“ fragte er zittrig ohne sich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu rühren. „Tut nichts zur Sache“, blaffte der Starsheriff zurück, „Sie werden jetzt schön brav diese Tür aufschließen und mich hier herauslassen, comprende?“ er wedelte ein wenig mit der Waffe, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Sie...Sie würden es nicht wagen, auf einen Soldaten des Kavallerieoberkommandos zu schießen...“ stammelte sein Gegenüber, was Fireball ein gehässiges Grinsen aufs Gesicht malte: „Mein lieber Freund, ich sitze hier sowieso schon wegen Mordes an einem Sterncaptain, glauben Sie ernsthaft, da würde der Tod eines kleinen Lieutenant noch einen Unterschied machen?“ Einen Moment lang blickte der Soldat Fireball an, als wäre er zur Salzsäule erstarrt, dann trat er langsam näher und betätigte mit zittrigen Händen die Konsole, die in einem sicheren Abstand zur Zelle angebracht war. Mit einem leisen Zischen sprang die Tür auf. Der Star Sheriff trat eilig auf den Flur hinaus und bedeutete dem Soldaten, er solle sich anstatt seiner in den kleinen Raum begeben. „Damit kommen Sie niemals durch“, drohte dieser giftig, so als hätte er ein Quentchen seines Mutes wiedergefunden, „die finden Sie überall!“ Fireball warf die Tür mit einem lauten Knall ins Schloß: „Vorerst wird wohl niemand mitbekommen, daß ich verloren gegangen bin, denn der nächste, der Dich vermissen wird, Kumpel, wird wohl Deine Wachablösung sein...“ das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter, „ich würde ja gern noch ein bißchen hier bleiben und mit Dir plaudern, aber dazu fehlt mir im Moment die Zeit!“ Entschlossen setzte er sich, gefolgt von den üblen Flüchen des eingesperrten Lieutenants, in Bewegung und rannte den Gang hinunter in Richtung Freiheit. Er mußte sich beeilen, denn sicherlich war Jesse schon auf dem Weg zu April, wenn er ihr Apartment nicht sogar schon erreicht hatte! April durfte einfach nichts passieren. Wenn Jesse ihr auch nur ein Haar krümmte, schwor er sich, ihn den qualvollsten Tod sterben zu lassen, den man sich nur vorstellen konnte. Er bog am Ende des langen Ganges rechts um die Ecke und erreichte das kleine Büro, in dem sich die Wachen dieses Gefängnistraktes normaler Weise aufhielten. Hier war alles ruhig und nichts deutet darauf hin, daß Fireball auf seiner Flucht noch irgendwelche Gegenwehr zu erwarten hatte. „Ich glaube, ich muß mich bei Gelegenheit mal mit Commander Eagle über diese lausigen Sicherheitsvorkehrungen unterhalten, einfacher kann man es den Leuten ja gar nicht machen, stiften zu gehen!“ er schüttelte ein wenig verständnislos den Kopf, dankte dem Oberkommando aber gleichzeitig dafür, daß man es auch ihm so leicht gemacht hatte, aus seiner Zelle zu entfliehen. Fireballs Blick fiel auf die Uniformjacke und die Kopfbedeckung des Wachsoldaten, die er achtlos auf einen Stuhl in der Ecke des Raumes geworfen hatte. Anscheinend hatte dieser sich wohl auf eine ruhige und beschauliche Nacht eingerichtet, bis der Star Sheriff ihm dazwischen gefunkt hatte. Schnell griff Fireball nach den Sachen und warf sie über. Zwar spannte die Jacke ein wenig an den Schultern, und die Mütze rutschte ihm beinahe bis zu den Ohren, doch es würde reichen müssen, um an den Posten am Tor vorbeizukommen! Schnell lief er weiter in Richtung Ausgang. Er hatte es schon beinahe geschafft, den Komplex ohne Zwischenfall zu durchqueren, als er sich einer großen, eisernen Tür gegenüber sah, die weder Griff noch Knauf besaß, ihn aber offensichtlich als einziges Hindernis noch von der Außenwelt trennte. Neben der Tür war ein kleines elektronisches Terminal angebracht, auf dem ein etwa briefmarkengroßes Display schimmerte. Fireball wußte genau, was das zu bedeuten hatte. Diese Tür ließ sich nicht durch irgendeinen programmierten Code öffnen, sondern sie war auf Fingerabdrücke geprägt. Sobald jemand ohne Berechtigung seinen Daumen auf das kleine Display drückte, würde der Alarm losschlagen und binnen Sekunden wären Soldaten zur Stelle, um den Eindringling oder den Flüchtling dingfest zu machen. Er atmete tief durch und trat an das Display heran. Als Mitglied der Star Sheriffs hatte er zu jedem Gebäude und zu jeder Einrichtung des Militärs Zugang, doch was, wenn man ihm diese Rechte im Moment seiner Verhaftung aberkannt hatte? Es half nichts, Fireball mußte einfach darauf vertrauen, daß noch nicht genügend Zeit seit seiner Inhaftierung vergangen war und daß man noch nicht daran gedacht hatte, seine ID aus den Zentralcomputern des Oberkommandos zu löschen. Mit laut pochendem Herzen drückte er seinen Daumen auf das leuchtende Feld und erwartete mit zusammen gekniffenen Augen das Losheulen der Sirene. Doch nichts dergleichen geschah. Das Terminal gab einige piepsende Laute von sich und schon schwang die Eisentür zur Seite und die kühle Nachtluft von Yuma schlug Fireball entgegen. Erleichtert atmete er auf: „Noch ein Punkt, der Commander Eagle interessieren sollte!“ Er lief hinaus auf den kleinen, von Licht überfluteten Parkplatz, auf dem sich Jeeps und andere Wagen des Oberkommandos aneinander reihten. Er steuerte das erstbeste Fahrzeug an und drückte seinen Daumen wiederum auf eine Platine, die unterhalb des Griffes der Fahrertür angebracht war. Wenn es mit den Türen des Gefängnistraktes funktionierte, dann sollte es doch eigentlich ein leichtes für ihn sein, einen Jeep des Militärs zu klauen! Und richtig vermutet aktivierte die Berührung seines Fingers die Systeme des Wagens innerhalb von Sekunden und er konnte ohne Probleme die Tür öffnen. Es war zwar nicht sein Red Fury Racer, das merkte man gleich, wenn man sich in die harten und schon recht ausrangierten Sitze warf, aber das war nun einmal im Moment die schnellste Möglichkeit, um zu April zu kommen. Der Motor heulte auf und mit quietschenden Reifen verließ das Vehikel den Parkplatz. Fireball schaltete das Kom-Gerät des Wagens ein und gab den Zugangsnamen von Colt in die Tastatur. „Verbindung zum gewünschten Objekt konnte nicht hergestellt werden!“ quakte eine Computerstimme und das Kom-Gerät schaltete sich automatisch ab. „Verdammt...“ Fireball hieb auf das Lenkrad. So etwas in der Art hatte er schon befürchtet. Es war mitten in der Nacht, und Colt hatte seinen Kommunikator abgeschaltet. Wahrscheinlich schlief er sowieso bei Robin und würde erst am nächsten Morgen wieder zu erreichen sein. Und das war definitiv zu spät! Fireball gab eine weiter Nummer ein und wartete mit flehenden Blicken, ob sich eine Leitung aufbaute. „Verbindung zum gew...“ „Ja, ja, ja!“ schrie Fireball und schlug wütend auf die Konsole, die augenblicklich verstummte. Also war auch Saber Rider so unheimlich schlau gewesen, seinen Kommunikator über Nacht abzuschalten. Der Star Sheriff biß sich auf die Unterlippe. Colt oder Saber zu erreichen wäre die beste Möglichkeit gewesen, um April zu schützen, denn immerhin befanden sie sich, jedenfalls normaler Weise, zu nachtschlafender Zeit in ein und demselben Wohnblock wie April. Aber diese Möglichkeit fiel nun leider außer Betracht. Jetzt lag es allein an Fireball so schnell wie es nur ging zu April zu kommen, um sie vor Jesse Blue zu schützen. Wenn es hierfür nicht sogar schon zu spät war. „Warum so ängstlich, süße April“, Jesse trat mit einem häßlichen Grinsen auf sie zu, „Du wirst Dich doch nicht vor mir fürchten!“ „Wie kommst Du hier herein?“ April drängte sich so eng wie möglich gegen die Wand hinter sich, so als hoffte sie im Stillen, sie würde sich jeden Moment auftun, um ihr einen Fluchtweg zu eröffnen. Ihr Herz raste wie verrückt und ihre Finger zitterten wie Espenlaub. Es mußte ein schlechter Traum sein; es war einfach unmöglich, daß Jesse Blue hier vor ihr stand... „Netter Weise hattest Du die Balkontür für mich aufgelassen“, wie in Zeitlupe kam er immer näher, „aber Du hast so wunderschön ausgesehen, wie Du so friedlich geschlummert hast, daß ich Dich einfach nicht wecken konnte. Allerdings muß ich sagen, daß dieser Anblick noch viel atemberaubender ist!“ mit verlangendem Blick starrte er auf Aprils Busen, der durch die feinen Fasern des Nachthemdes schimmerte. Hastig riß sie die Arme nach oben und verschränkte sie vor der Brust. Jesse konnte sein Amüsement darüber nicht verbergen: „Nicht doch, April, eine solche Schönheit wie die Deine sollte man nicht verbergen“, jetzt war er nur noch Zentimeter von ihr entfernt und April stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben, „Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie lange ich mich schon danach gesehnt habe, Dich in so einer netten Aufmachung vor mir zu sehen...“ Er wollte ihre Wange berühren, doch in dem Moment machte sie einen Ausfall zur Seite und stürzte ins Wohnzimmer. Sie wußte, auf dem kleinen Tisch in der Ecke hatte sie ihren Blaster am Abend abgelegt, aber bevor sie ihn erreichen konnte, klammerten sich Jesses Hände um ihren Oberkörper und er zog sie fest an ihn: „Es hat doch keinen Sinn vor mir wegzulaufen“, flüsterte er ihr sanft ins Ohr. „Laß mich los...“ mit Händen und Füßen versuchte April sich zu wehren, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Grob wirbelte er sie herum und stieß sie rücksichtslos aufs Sofa nieder. Hastig versuchte sie aufzustehen, doch bevor sie sich auch nur einen Millimeter bewegt hatte, spürte sie schon, wie das Gewicht von Jesses Körper sie niederdrückte. „Geh runter von mir Du Mistkerl!“ verzweifelt trommelte sie mit Fäusten gegen seinen Brustkorb, was er sich einige Sekunden mit einem hämischen Grinsen gefallen ließ. Dann umgriff er rabiat ihre Handgelenke, zwängte sie hinter ihrem Kopf auf das Sofa nieder und kam mit seinem Gesicht ganz nah zu ihrem hinunter: „Niemand wird kommen, um Dir zu helfen, Du kannst also ebensogut aufhören, Dich zu wehren!“ April spürte seinen Atem auf ihren Lippen und wandte den Kopf zur Seite um ihm auszuweichen. „Jetzt gibt es nur Dich und mich!“ flüsterte er und berührte dabei mit seiner Nasenspitze ihr rechtes Ohr. „Du bist krank, Jesse“, flüsterte April ebenfalls, doch ihre Stimme zitterte, „was willst Du von mir?“ Tränen stiegen ihr in die Augen. „Was ich von dem Moment an wollte, als ich Dich damals in der Kadettenschule zum ersten Mal gesehen habe“, er hielt inne und streichelte mit den Daumen sanft ihre Handflächen, „ich will Dich, April!“ ein wahnsinniger Ausdruck trat auf sein Gesicht, der April erschauern ließ: „Aber Du weißt doch, daß ich Dich nicht liebe...“ flehte sie unter Tränen und versuchte kraftlos sich zu befreien. „Nein“, stimmte Jesse ihr sarkastisch zu, „Du schenkst Dein Herz lieber einem idiotischen Rennfahrer, der Dich mit der erst besten Pilotin, die er finden kann, betrügt!“ Ein leises Wimmern war ihre einzige Antwort. „Ich weiß sowieso nicht, was Du an diesem Fireball gefunden hast. Was hat er, was ich nicht habe, April?“ „Ein Herz...“ wisperte sie beinahe tonlos und versuchte, seinem Blick standzuhalten. Verdutzt blickte Jesse auf sie hinunter: „Meinst Du denn, ich habe kein Herz? Wie sollte ich Dich denn sonst lieben können, wenn ich kein Herz hätte? Ich begehre Dich so sehr, wie es dieser Wichtigtuer niemals können wird...“ Entsetzt spürte April, wie er sich zu ihr hinunter beugte und seine Lippen auf die ihren preßte. Angewidert riß sie den Kopf zur Seite, aber das hielt Jesse nicht ab. Er bedeckte erst ihre Wange mit Küssen und dann wanderte seine Zunge langsam ihren Hals hinunter bis zum Ansatz ihres Negligés. „Bitte“, flehte April weinend, „hör auf damit. Wenn Du mich wirklich liebst, dann zwing mich nicht dazu, Deine Gefühle zu erwidern!“ ihr ganzer Körper war vor lauter Abneigung zum Bersten gespannt. Jesse lächelte triumphierend: „Es tut mir leid, aber Deine Schönheit ist einfach zu überwältigend als daß ich sie ignorieren könnte...“ er zog Aprils Arme neben ihren Körper und klemmte sie unter seinen Knien ein. Mit den nun frei gewordenen Händen begann er beinahe zärtlich die Konturen ihres Gesichtes nachzuziehen. Er umrundete ihre Augen, fuhr an den Nasenflügeln entlang, über ihre Wangen, die von ihren Tränen ganz naß waren und zog die Konturen ihrer Lippen nach: „Eine Schande, diesen wundervollen Mund Fireball zu überlassen...“ energisch hielt er jetzt ihren Kopf mit den Händen fest und drückte seine Lippen fest auf die ihren. Wie von Schmerzen heimgesucht schloß April fest die Augen und betete, daß es bald vorbei sein würde. Sie preßte ihre Lippen so energisch zusammen, wie sie nur konnte, aber schon im nächsten Augenblick spürte sie, wie sich Jesses Zunge gewaltsam dazwischen schob und begann, ihren Mund zu erforschen. Von Ekel überwältigt biß April mit ganzer Kraft zu und Jesse zuckte mit einem Schmerzensschrei zurück: „Verdammtes Biest...“ ein heller Blitz, gefolgt von wahnsinnigen Schmerzen durchzuckte Aprils Kopf, als Jesse ihr mit flacher Hand mitten ins Gesicht schlug. „Ich werde Dich schon noch zähmen, Du kleine Wildkatze!“ er biß ihr so stark in die Schulter, daß April schreien mußte: „Bitte Jesse, hör auf. Bitte...Du tust mir weh...“ Aprils Stimme versagte unter lautem Schluchzen. „Glaub mir, Liebes“, jetzt küßte Jesse die Stelle, wo seine Zähne sich in ihre Haut gegraben hatten, „ich will Dir nicht weh tun. Wenn Du keine Zicken mehr machst, dann werde ich das auch nicht mehr müssen, verstehst Du.“ Schniefend nickte April und schloß die Augen, schwer entschlossen alles zu ertrage, was Jesse mit ihr tun würde. Andernfalls würde er sie wahrscheinlich töten. „So ist es brav, April“ er strich ihr liebevoll eine Haarsträhne aus dem verweinten Gesicht, „weißt Du, der kleinen Mandarin habe ich auch nicht weh tun wollen, aber sie mußte sich ja leider in Dinge einmischen, die sie nichts angingen!“ „Du...“ April starrte ihn haßerfüllt an, „Du hast Mandarin umgebracht?“ „Das wollte ich wirklich nicht“, gedankenverloren streichelte er langsam ihren Hals hinunter bis zu den Trägern des Negligés, „ich hatte die Falle eigentlich für Fireball gedacht, aber sie hat leider dazwischen gefunkt.“ Wieder küßte er ihren Hals und fuhr dabei leicht mit der rechten Hand über ihren Busen. April biß die Zähne zusammen. Jesse hatte also Mandarin auf dem Gewissen. Er hatte Fireball umbringen wollen, doch der Plan war nicht aufgegangen... Seine Berührungen verursachten bei ihr eine Gänsehaut. Noch nie zuvor war sie von einem Mann so angefaßt worden! „Bitte, Jesse, laß mich gehen...“ flehte sie mit noch immer geschlossenen Augen, doch sie wußte natürlich, daß das wenig Zweck hatte. „Wir haben doch gerade erst begonnen, uns zu amüsieren...“ er richtete sich auf und schob behende die kleinen dünnen Träger von Aprils Schultern und zog den Stoff bis zu ihrem Bauchnabel hinunter. Scham stieg in ihr auf und sie flehte, daß irgend jemand kommen und ihr helfen möge. Mit erregtem Blick zog Jesse langsam die Formen von Aprils Busen nach, bevor er seine Hände begierig um ihre weiblichen Rundungen schloß und fordernd zu massieren begann. April trat mit den Füßen aus, um Jesse zum Aufhören zu bringen, aber er war wie besessen. Das nächste, was sie spürte, waren seine Zähne, die sich um eine ihrer Brustwarzen schlossen, während seine rechte Hand noch immer die andere Brust bearbeitete. „Bitte...nein...“ sie formte diese Worte nur mit den Lippen und weinte stumme Tränen der Verzweiflung und des Abscheus. „Schließlich muß ich Fireball doch etwas zu erzählen haben, wenn ich ihn das nächste Mal im Gefängnis besuche!“ murmelte Jesse erregt. Seine rechte Hand wanderte nun gemächlich über ihren linken Oberschenkel. Sofort schlang April die Beine übereinander, denn sie hatte seine Absicht erkannt. Natürlich blieb auch diese Anstrengung ohne Erfolg, denn Jesse war ihr an Kraft haushoch überlegen. Gewaltsam zwängte er seine Hand zwischen ihre Schenkel und versuchte, seine Finger an einem Beinausschnitt unter ihr Seidenhöschen zu schieben. „Wenn Du nicht sofort Deine dreckigen Griffel von ihr nimmst, blase ich Dir den Schädel weg!“ Entgeistert ließ Jesse von April ab und starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Lauf eines Blasters, der direkt auf sein Gesicht zielte: „Das darf doch nicht...“ „Fireball!“ noch nie war April erleichterter gewesen, als beim Anblick des jungen Mannes, der mit grimmiger Miene im Dunkel ihres Wohnzimmers stand und eine Waffe auf ihren Angreifer richtete. „Steh auf, Jesse, sofort!“ Fireball trat einen Schritt auf das Sofa zu und unterstrich seine Worte mit einer leichten aufwärts Bewegung des Blasters. Jesses erster Schreck war verflogen und ein kleines Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, als er betont langsam aufstand. Geradezu hilfsbereit wollte er Aprils Spaghettiträger wieder über ihre Schultern streifen, doch noch bevor er sie berühren konnte, drückte sich kaltes Metall an seine rechte Schläfe: „Wag es nicht!“ Fireballs Worte klangen wie das Knurren eines tollwütigen Hundes. April griff hastig nach ihrem Negligé und schob sich mit den Füßen nach hinten in die äußerste Ecke des Sofas um so schnell wie möglich aus Jesses Reichweite zu kommen. Dieser grinste matt: „Dabei haben wir uns doch gerade so prächtig amüsiert“, betont gelassen schob er sein linkes Knie vom Sofa und stand nun seitlich zu Fireball, der ihm immer noch die Waffe an den Kopf hielt, „ich denke, da habe ich Dich wohl unterschätzt, Kleiner!“ Fireball ignorierte seinen überflüssigen Kommentar: „Bist Du in Ordnung, April? Hat Dir dieser Dreckskerl irgend etwas angetan?“ er warf seiner Freundin einen besorgten Blick zu. Erleichtert atmete er auf, als er sie stumm den Kopf schütteln sah. „Leider bist Du zu früh hier reingeplatzt“, Jesse beäugte April mit ausziehenden Augen und leckte sich theatralisch die Lippen, „sonst hätte ich vielleicht zu Ende bringen können, wozu Du Star Sheriff Schlappschwanz bis jetzt nicht in der Lage gewesen bist!“ „Du verdammter...“ „Fireball, nein!“ Der Rennfahrer hatte zu einem Schlag ausgeholt, mit dem er dem Verräter die Waffe ins Genick rammen wollte, doch Aprils Aufschrei hatte ihn in letzter Sekunde aufhalten. Fragend und verständnislos blickte er sie jetzt an. Konnte es tatsächlich sein, daß sie, nach allem, was Jesse ihnen angetan hatte, immer noch so etwas wie Mitleid für ihn empfand? „Wenn Du das tust, dann bist Du nicht besser als er!“ flehte sie mit bebender Stimme, wagte es aber nicht, ihre Augen zu heben. Fireball war für den Bruchteil einer Sekunde so verwirrt über Aprils Verhalten, daß er seine Aufmerksamkeit und Jesse Blue vergaß. Allerdings sollte er diese Nachlässigkeit noch im nächsten Moment bereuen. Jesse hatte sein Chance gewittert, als Fireballs Augen kurz von ihm zu April hinüber gewandert waren. Blitzartig schlug er dem Star Sheriff mit der rechten Hand den Blaster weg und verpaßte ihm mit der linken einen Fausthieb in die Magenkuhle. „Fireball...“ April schrie auf, als sie Fireball mit schmerzverzerrtem Gesicht einige Schritte zurück taumeln sah, doch Jesse ließ ihm keine Zeit, sich von diesem unerwarteten Angriff zu erholen. Mit einem Wutschrei, der nichts menschliches mehr an sich hatte, stürzte er sich auf sein Gegenüber und riß Fireball mit sich zu Boden. Sterne explodierten vor dessen Augen und ein dumpfer Schmerz vernebelte ihm die Sinne, als er mit dem Schädel auf dem Boden aufschlug. Er konnte Aprils erstickte Schreie hören und spürte ein großes Gewicht, das seinen Körper auf den Boden drückte. Er öffnete benommen die Augen und sah das grinsende Gesicht von Jesse über sich, das ihn funkelnd angrinste: „Ich habe Dich wohl doch nicht unterschätzt“, flüsterte er gefährlich leise und senkte seinen Kopf. Fireball konnte jetzt seinen heißen Atem spüren. „Ich habe schon lange auf diesen Augenblick gewartet, Fireball“, Jesse griff hinter sich in seinen Stiefel und zog ein Messer mit einer etwa 20 cm langen Klinge daraus hervor, „wenn ich es mir recht überlege, war es gar nicht so schlecht, daß Dich die Bombe nicht erwischt hat. Ich glaube, es wird mir ein noch viel größeres Vergnügen bereiten, Dich mit meinen eigenen Händen zu töten...!“ er drückte das Messer gegen Fireballs rechte Wange und zog es langsam hinunter zu seinem Kinn. Ein brennender Schmerz durchzuckte den Rennfahrer und April stockte der Atem, als sie das dünne Blutrinnsal sah, das sich auf Fireballs Wange bildete: „Bitte, Jesse, laß ihn in Ruhe! Ich tue alles, was Du willst, aber tu ihm nichts!“ sie war aufgestanden und hatte flehend die Hände vor der Brust gefaltet. „April, nein...“ Fireball starrte sie beschwörend über das Messer hinweg an, das nun wieder bedrohlich neben seinem Auge schwebte. „Keine Sorge“, murmelte Jesse und drückte Fireball die Klinge jetzt gegen den Hals, „wenn ich mit Dir fertig bin, werde ich schon dafür sorgen, daß unsere kleine April endlich einmal das bekommt, was sie braucht!“ „Du mieser...“ mit ganzer Kraft schaffte Fireball es, Jesse von sich herunter zu befördern und sich seitlich wegzurollen, um einer neuen Attacke aus dem Weg zu gehen. Schwer atmend rappelte er sich auf und starrte seinen Kontrahenten, der ebenfalls auf die Beine gesprungen war, schwer atmend an. Wieder zeigte er sein eiskaltes Grinsen: „Du hast mehr Mut, als ich Dir zugetraut hätte, Kleiner“, er warf das Messer von der linken in die rechte Hand und nahm eine Art Angriffshaltung ein, „aber das wird Dir auch nichts nützen. Sieh es doch ein, ich bin Dir weit überlegen. Du zögerst Deinen Tod nur noch länger hinaus!“ mit einem Ausfallschritt sprang er auf Fireball zu, der gerade noch zur Seite ausweichen konnte. Mit einem leisen Zischen pfiff das Messer nur Millimeter an seinem Gesicht vorbei. Die nächste Attacke ließ nur eine Sekunde auf sich warten. Dieses Mal verfehlte Jesse Fireball um mindestens einen halben Meter, denn dieser duckte sich geschickt unter der nahenden Waffe hinweg und rollte sich zur Seite ab. Im Rollen hakte er seine Beine um die von Jesse Blue und riß ihn damit zu Boden. Leider brachte das Jesse nicht so sehr aus dem Gleichgewicht, wie Fireball erhofft hatte. Noch im Fallen holte er erneut mit seinem stählernen Dolch aus und dieses Mal versetzte er dem Star Sheriff eine anderthalb Zentimeter tiefe Schnittwunde an der rechten Seite. Fireball preßte die linke Hand auf die pochende Wunde. Warmes Blut rann ihm durch die Finger und er mußte sich ein paar Sekunden lang zusammen reißen, um nicht ohnmächtig zu werden. Von tiefen Schmerzen erfüllt versuchte er sich aufzurappeln, doch schon war Jesse über ihm und drückte ihn abermals zu Boden: „So, Fireball, und jetzt beenden wir unser kleines Spielchen. Zu schade nur, daß Du es mir so leicht gemacht hast...“ er verzog kaum eine Miene, als er die Klinge mit der Spitze voran direkt dorthin setzte, wo er Fireballs Herz vermutete, „wenn ich gewußt hätte, was für ein Schwächling Du bist, dann hätte ich Dich damals in der Kadettenausbildung schon herausgefordert. Vielleicht hätte dann ja auch April eingesehen, daß es sich nicht lohnt, Dir hinterher zu rennen!“ er erhöhte den Druck auf das Messer und die Spitze bohrte sich schmerzlich einen halben Zentimeter tief in Fireballs Fleisch. „Fahr zur Hölle, Jesse!“ stöhnte der Star Sheriff und unternahm einen letzten, kläglichen Versuch, sich von seiner Last zu befreien, doch durch seine tiefe Fleischwunde an der Seite war er zu sehr geschwächt. „Ich schätze“, murmelte Jesse melancholisch, „Du wirst vor mir dort landen!“ sein Gesicht verzog sich zu einer schrecklichen Grimasse. Er umklammerte die Waffe mit beiden Händen, hob sie einige Zentimeter über Fireballs Brustkorb und... Das leise Surren eines Laserschusses erfüllte den Raum: „Das glaube ich nicht, Jesse!“ Mit geradezu verwirrtem Gesicht drehte Jesse sich wie in Zeitlupe zu April um und Fireball konnte erkennen, daß sie seinen Blaster auf ihn gerichtet hatte. In Jesses Rücken klaffte eine tiefe Schußwunde, seine Jacke war rund um die Wunde vom Laserstrahl versengt. April atmete schwer und unregelmäßig, der Blaster in ihrer Hand zitterte. Jesse starrte ihr mit leerem Blick direkt in die Augen und jagte ihr einen Schauer über den Rücken: „April, Du...?“ dann sackte sein Körper zusammen und er fiel zur Seite. So schnell es mit seiner Verletzung ging rappelte Fireball sich auf und drehte den leblosen Körper seines Gegners auf den Rücken. Jesses Augen hatten ihren Glanz verloren und die Pupillen zeigten keinerlei Reflexe mehr. Um ganz sicher zu gehen tastete der Rennfahrer nach der Halsschlagader. „Ist er...“ April hatte den Blaster fallen gelassen und die Hände vor das Gesicht gelegt. Ihre Stimme bebte und ihr ganzer Körper zitterte. Fireball legte eine Hand über Jesses Augenlider und schloß sie mit einem zögerlichen Nicken: „Dieses Mal hat er es nicht geschafft, sich in die Phantomzone zu retten!“ Mit einem lauten Stöhnen sackte April aufs Sofa. Tränen rannen Ihr über das totenbleiche Gesicht: „Ich...ich wollte ihn nicht töten“, stammelte sie aufgelöst, „aber er hätte Dich umgebracht!“ „Hey“, Fireball hiefte sich unter großen Schmerzen hoch und wankte zu ihr hinüber, „es ist nicht Deine Schuld, April. Er hat Mandarin auf dem Gewissen... und wer weiß, was er mit Dir noch angestellt hätte, wenn ich nicht aufgetaucht wäre...“ April starrte auf die Wunde an Fireballs Seite und sprang auf: „Himmel, wir müssen Dich verarzten, sonst verblutest Du noch!“ sie hastete an ihm vorbei, wohl darauf bedacht, Jesses Leiche so weit wie möglich zu umgehen, verschwand im Badezimmer und kam kaum eine Minute später mit einem Verbandskasten unter dem Arm zurück. Sie schaltete das Licht im Wohnzimmer an, um sich besser um Fireballs Verletzung kümmern zu können, doch jetzt sah sie zum ersten Mal das Ausmaß des Kampfes. Überall auf dem Teppichboden waren dunkelrote Flecken von Fireballs Blut, und die rechte Seite von Fireballs Overall war beinahe bis zum Stiefel durchtränkt. Übelkeit stieg in April hoch, als sie sah, daß selbst ihr Negligé spuren vom Blut des Star Sheriffs aufwies, doch sie durfte sich davon jetzt nicht beirren lassen! Sie mußte ihren Freund versorgen, sonst würde sie ihn vielleicht verlieren. „Setz Dich aufs Sofa, damit ich Dich verbinden kann!“ sie schob ihn sanft zurück, bis er sich vorsichtig auf der Polstergarnitur niedergelassen hatte. Mit Hilfe einer kleinen Schere vergrößerte sie das Loch in Fireballs Overall, um besser an die Wunde herankommen zu können. „Das brauchst Du nicht zu tun, es geht schon!“ brachte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, während April die Verletzung mit einem Jod-Wattebausch behandelte. „Nein, natürlich brauche ich das nicht. Aber ich fänd es ehrlich gesagt schade, Dich sterben zu lassen, wo wir doch jetzt Deine Unschuld beweisen können!“ murmelte sie bissig und warf den Wattebausch beiseite. Sie kramte angestrengt in dem kleinen Erstehilfekasten und fand schließlich eine Druckkompresse, die ihr groß genug erschien: „Halt die mal fest, bitte!“ sie legte Fireballs Linke auf das sterile Verbandsstück, um ordnungsgemäß eine Mullbinde darum wickeln zu können. Schweigend ließ Fireball die Behandlung über sich ergehen und war insgeheim froh, daß April ihm so energisch helfen wollte. Er hatte tatsächlich schon eine beachtliche Menge an Blut verloren, und wer wußte schon, ob er es mit dieser Verletzung noch bis ins nächste Krankenhaus geschafft hätte. „Fertig!“ April befestigte den letzten Klebestreifen Leucoplast an dem provisorischen Verband und betrachtete mit einigem Stolz ihr Werk. Dafür, daß sie doch eigentlich Wissenschaftlerin war, hatte sie es gar nicht so schlecht hinbekommen! „Danke“, Fireball lehnte sich erschöpft zurück in die Kissen und schloß kurz die Augen, „ich denke, Du hast mir das Leben gerettet!“ Aprils Wangen nahmen einen roten Schimmer an: „Oder Du meins...“ hastig packte sie die Verbandsutensilien zurück in den kleinen Koffer, um Fireballs Blicken auszuweichen. Er mußte ihre neu aufgetretene Nervosität bemerkt haben, denn er legte beruhigend seine Linke auf eine ihrer Hände und drückte sie leicht: „Was hat er Dir angetan?“ „Gar nichts, Du bist ja noch rechtzeitig gekommen!“ flötete sie beinahe fröhlich und versuchte aufzustehen: „Ich werde erstmal den Verbandskoffer wieder weg bringen..." „Hat er Dich angefaßt?“ Fireball zog sie zurück aufs Sofa und zwang sie, in seine Augen zu sehen. „Er... er ist tot, Fire? Was macht es denn jetzt noch für einen Unterschied?“ „Ich war nicht rechtzeitig hier, um Dich zu beschützen, April. Ich habe es nicht einmal geschafft, Dich vor diesem widerlichen Kerl...“ „Fire“, April strich ihm sacht durch die Haare, „Du bist noch rechtzeitig hier gewesen!“ „Aber ich habe genau gesehen, wie Du dort auf dem Sofa gelegen hast!“ der Gedanke daran, wie April mit entblößtem Oberkörper unter Jesse gelegen hatte, verursachte Fireball eine Gänsehaut. April schmiegte sich sanft an seine Brust: „Aber er ist nicht weiter gekommen... Er hat... mich geküßt... und mir... das Negligé... aber Du bist gerade noch rechtzeitig aufgetaucht!“ Sacht legte Fireball seine Arme um April und zog sie an sich: „Ich könnte mir nie verzeihen, wenn Dir etwas passiert wäre...“ seine Stimme schwankte leicht und plötzlich merkte er, wie ihn eine Art Übelkeit überfiel. „April, kannst Du mir bitte ein Glas Wasser holen, mir ist so komisch...“ mit einem Schlag war alles Blut aus seinem Gesicht gewichen. „Um Himmelswillen...“ hastig sprang April auf die Füße, um Fireball aus der Küche etwas zu trinken zu holen, doch als sie ins Wohnzimmer zurück eilte, war es bereits zu spät: Fireball war in Ohnmacht gefallen. Als Fireball am nächsten Morgen erwachte, hatte er das merkwürdige Gefühl eines Déjà-Vus. Eine weibliche Stimme hatte ihn aus dem Schlaf gerissen, nachdem sie wohl zum fünften Mal seinen Namen geflüstert hatte, und als er benommen die Augen aufschlug, starrte er auf eine surrende Neonröhre. „Ich bin im Krankenhaus...“ fuhr es ihm sofort durch den Kopf, denn das gleiche Schauspiel hatte sich ihm geboten, als er im Yuma-Bay Hospital darauf gewartet hatte, daß Mandarin wieder zu sich kam. „Mister Hikari?“ Fireball wandte den Kopf zur Seite und erblickte eine kleine, rundliche Schwester Ende der Fünfziger, die ihn freundlich anlächelte: „Schön, daß Sie wieder bei uns sind!“ „Wo...“ der Rennfahrer versuchte sich aufzusetzen, doch ein stechender Schmerz in seiner rechten Seite ließ ihn wieder zusammen zucken. „Immer langsam, junger Freund, Sie haben da einen ganz schönen Schnitt abbekommen! Die Wunde mußte mit dreizehn Stichen genäht werden, aber keine Sorge. Bis jetzt verheilt sie sehr gut!“ die Schwester griff flink unter das Kopfkissen ihres Patienten und half ihm dabei, sich aufrecht hinzusetzen. Fireball versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er war offensichtlich wirklich in einem Krankenhaus gelandet, aber wie war er hier hergekommen? Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war April, die seine Verletzung verarztete. „April...“ murmelte er müde und fuhr sich durch die Haare. Seine Betreuerin grinste verschmitzt: „Hat beinahe zwei Tage ununterbrochen hier bei Ihnen am Bett gesessen die Kleine, obwohl sie genau wußte, daß Sie nicht aufwachen würden... die Ärzte haben Sie in ein künstliches Koma versetzt!“ fügte sie als Erklärung hinzu und begann geschäftig, ein frisches Paar Handtücher neben das Waschbecken an der Wand gegenüber zu hängen. Fireball schloß resigniert die Augen: ‚Wenn das so weitergeht, verschlafe ich wohl noch mein ganzes Leben!‘ „Wie bin ich eigentlich hierher gekommen“, fragte er laut und beobachtete die rundliche Frau bei ihrer Arbeit, „ich kann mich nicht daran erinnern, daß...“ „Miss Eagle“, die Schwester zuckte die Schultern und fuhr unbeirrt in ihrer Tätigkeit fort, „hat uns informiert, nachdem Sie das Bewußtsein verloren haben. War sehr vernünftig von ihr, Sie nicht in ein normales Krankenhaus einweisen zu lassen, schließlich waren Sie ja ein entflohener Häftling!“ Verwirrt starrte Fireball zum Fenster und stellte erstaunt fest, daß es mit engen Eisenstäben vergittert war: „Dann bin ich wieder im Gefängnis?“ ungläubig runzelte er die Stirn. „Aber ja! Im Hospitaltrakt natürlich, aber im Gefängnis, ja!“ „Hm...“ irgendwie behagte Fireball dieser Gedanke überhaupt nicht. Die Schwester lachte leise: „Keine Sorge, mein Junge! Ich weiß zwar nicht, was Sie ausgefressen haben, aber es hat den Anschein, als seien Sie begnadigt worden!“ Dazu fiel dem Rennfahrer nichts besseres ein, als mit einem noch verdutzteren Gesicht aus der Wäsche zu schauen. „Na, ganz einfach“, die Frau stellte sich theatralisch vor ihm auf und breitete die Hände aus, „als Sie vor drei Nächten hier eingeliefert wurden, hatten Sie nicht weniger als eine Eskorte von vier MPs dabei. Keine Schwester durfte ohne Begleitung Ihr Zimmer betreten, so als fürchtete man, Sie könnten in Ihrem Zustand erneut flüchten, oder wohlmöglich jemanden umbringen...“ sie lachte herzhaft, doch Fireball versetzte dieser Satz einen tiefen Stich. Es wäre ja schließlich nicht das erste Mal gewesen, daß man ihm einen Mord zugetraut hätte! „Aber schon am nächsten Morgen wurden die Wachen abgezogen und wir erhielten die Anweisung, Sie wie einen ganz gewöhnlichen Kranken zu behandeln. Und daraus habe ich haarscharf geschlossen, daß das, was auch immer Sie ausgefressen haben müssen, jetzt erledigt ist...“ „Sie hätten mit Ihrer Auffassungsgabe vielleicht doch lieber zum Geheimdienst gehen sollen, Dotty!“ Erschrocken fuhr die Frau herum und starrte in das freundliche Gesicht von Commander Eagle: „Ach, Commander, ich will doch Ihre Jungs nicht arbeitslos machen...“ sie strich sich ihre Uniform gerade und huschte wieselflink an Eagle und seinem Begleiter vorbei nach draußen. „Eine herzensgute Seele...“ brummte der Commander, nachdem die Tür ins Schloß gefallen war und wandte sich seinem Krankenbesuch zu: „Na, Fireball, wieder unter den Lebenden?“ Nervös knetete der Star Sheriff seine Finger und versuchte, den Blicken seines Vorgesetzten auszuweichen: „Bin mir noch nicht ganz schlüssig darüber, Sir!“ Eagle und sein Begleiter, ein schmaler, hochgewachsener Soldat mit schütterem grauen Haar, traten an das Bett heran. „Sie haben uns mit Ihrem Ausbruch ganz schön auf Trab gehalten, junger Freund!“ der grauhaarige Mann zog sich einen Stuhl heran und nahm am Fußende von Fireballs Bett Platz. Der Rennfahrer musterte ihn nervös: „Entschuldigen Sie bitte, aber wer...“ „Entschuldige Fireball“, Commander Eagle trat neben den Stuhl und legte dem Soldaten eine Hand auf die Schulter, „darf ich vorstellen. Das ist Major Browning. Er ist der Einsatzleiter im Fall Yamato.“ „Freut mich, Sie nun endlich einmal persönlich kennenzulernen!“ Browning streckte dem Star Sheriff die Hand entgegen und Fireball ergriff sie zögerlich und mit einem schiefen Grinsen auf dem Gesicht: „Freut mich ebenfalls, Major. Und, erfülle ich Ihre Erwartungen als kaltblütiger Killer?“ diese Bemerkung hatte er sich nicht verkneifen können. Eagle räusperte sich sehr vernehmlich, sagte aber nichts, sondern überließ das Reden dem Major. „Nun, ich gebe zu, daß wir kurzzeitig unsere Vermutungen bestätigt sahen, als wir von Ihrem Ausbruch hörten. Alles deutete darauf hin, daß Sie versuchen wollten, sich aus dem Staub zu machen, bevor man Sie verurteilen konnte...“ „Wie Du an den Blaster gekommen bist, mit dem Du Lieutenant Higgins bedroht und außer Gefecht gesetzt hast, möchte ich glaube ich lieber nicht erfahren.“ mischte sich Eagle nun doch mit leicht säuerlicher Miene ein, denn er schien bereits zu ahnen, wie Fireball an die Waffe gekommen war. „Mit Verlaub, Commander“, Fireball zog zum ersten Mal die Mundwinkel bis zu den Ohren, „diese Geheimnis werde ich auch mit ins Grab nehmen.“ Auch Eagles Mund kräuselte sich jetzt zu einem dünnen Lächeln: „Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust, schon wieder ein Mitglied meines Star Sheriff Teams wegen Mißachtung der Dienstvorschriften vor den Kader zu schleifen!“ Browning gluckste amüsiert: „Ich denke auch, daß es reicht, wenn wir Mr. Hikari hier wegen Verstoßes gegen ein Dutzend Paragraphen zur Verantwortung ziehen müssen. Da wäre zuerst einmal unerlaubter Waffenbesitz in Untersuchungshaft, Bedrohung eines Soldaten des Yuma-Militärs, unerlaubtes Entfernen aus der Untersuchungshaft, Entwendung einer Dienstuniform, Diebstahl eines Militärfahrzeuges...“ „Moment“, Fireball hob verdattert die Arme und starrte abwechselnd zwischen Browning und Eagle hin und her, „was soll das alles? Ich bin wegen Mordes angeklagt, was sollen das solche Lappalien schon noch ausmachen?“ Das Grinsen den Majors wurde noch breiter: „Nun, was den Fall Yamato angeht, hat sich hier in den letzten Tagen, während denen Sie, wie soll ich sagen, im Land der Träume weilten, einiges getan...“ Fireball runzelte etwas genervt die Stirn. Konnte dieser Kerl nicht endlich mit der Wahrheit herausrücken, anstatt ihn wohlmöglich noch Ewigkeiten zu quälen? Er hatte weiß Gott genug erlebt in den letzten Tagen, so daß er von Überraschungen und für diese auf die Folter gespannt zu werden mehr als genug hatte. Commander Eagle schien seine Gefühle erraten zu haben. Bedeutungsschwer lehnte er sich gegen das Metallgestänge des Bettes: „April hat ausgesagt, was in jener Nacht in ihrem Apartment geschehen ist, als Du... ausgebrochen bist“, er hielt kurz inne und die angespannten Muskeln in seinem Gesicht schienen sich zu lösen, „Wir haben ebenfalls die Aussage von Lieutenant Higgins aufgenommen, der zu Protokoll gegeben hat, daß Du unbedingt einen zuständigen Offizier sprechen wolltest, weil der tot geglaubte Mr. Blue Dich im Gefängnis aufgesucht hat. Angeblich hätte Jesse Dir verraten, daß er die Bombe am Raumhafen gelegt hat und wäre nun auf dem Weg, um April etwas anzutun...“ „Angeblich“, Fireball konnte es nicht fassen, „Commander, das habe ich mir doch nicht...“ „Beruhige Dich, Fireball. Ich wiederhole doch nur den Wortlaut des Protokolls!“ Eagles Stimme wirkte besänftigend und Fireball ließ sich wieder schwer atmend in die Kissen sinken. „Wir haben die Aussagen von Miss Eagle und Lieutenant Higgins verglichen“, fuhr nun Major Browning fort, „und haben dabei festgestellt, daß sie sowohl schlüssig ineinander griffen als auch teilweise sogar identisch waren. Des weiteren haben wir den Bericht von Lieutenant Hawthorne, die wir am Morgen nach ihrem Ausbruch gefesselt und geknebelt in einer der Abstellkammern des Gefängnistraktes gefunden haben.“ er machte eine Pause und sah kurz aus dem Fenster. „Der Lieutenant hat zu Protokoll gegeben, sie sei von einem Mann mit vernarbten Gesicht und blauen Haaren angegriffen und überwältigt worden, der sich zwar nicht zu erkennen gegeben hat, aber die Beschreibung paßte ziemlich genau auf unseren Freund Jesse Blue.“ „Und letztendlich spricht die Tatsache, daß wir Dich ohnmächtig und Jesse Blues Leiche in Aprils Apartment vorgefunden haben ganz für sich!“ Eagle verzog keine Miene. Fireball kratzte sich ein wenig verunsichert am Kopf: „Und das heißt?“ er war sich nicht sicher, worauf die beiden Männer vielleicht noch hinaus wollten. „Das heißt...“ Browning erhob sich und schob den Stuhl zurück an seinen Platz, „daß ich mich um einen Fall weniger zu kümmern habe. Die Anklage gegen Sie wurde offiziell fallen gelassen, Fireball. Sie sind ein freier Mann!“ Wie um diese wunderbare Nachricht bestätigt zu wissen starrte der Star Sheriff zu seinem Vorgesetzten hinüber, der ihm lächelnd zunickte. „Das heißt, ich kann gehen? Jetzt gleich, wenn ich will? Ich bin nicht mehr suspendiert?“ „Was die Suspendierung angeht, die wird selbstverständlich aufgehoben, Sie sind ab sofort wieder aktives Mitglied der Star Sheriffs, aber ich fürchte, Schwester Dotty wird Sie nicht so ohne weiteres gehen lassen, bevor...“ Brownings Worte brachen mitten im Satz ab, als er sah, wie sich Fireball eifrig, wenn auch von Schmerzen gepeinigt, aus dem Bett kämpfte. „Was... was haben Sie vor? Sie brauchen noch unbedingt Bettruhe!“ der Major war völlig entgeistert, doch Eagle legte ihm kameradschaftlich eine Hand auf den rechten Arm: „Wissen Sie, Tom, wenn selbst unsere Gefängnismauern den Jungen nicht halten konnten, dann wird es auch Dotty nicht schaffen!“ er zwinkerte Fireball verschwörerisch zu: „Außerdem denke ich, daß er draußen vielleicht noch bessere Pflege erhalten wird, als wir ihm hier bieten können!“ Der Rennfahrer errötete, denn er wußte genau, daß diese Anspielung April galt. Er nickte ihm dankbar zu: „Ich würde gerne... zu Mandarins Grab...Sir!“ Browning hob die Augenbrauen: „Nun, das kann ich natürlich verstehen. Dann würde ich sagen, sehen Sie zu, daß Sie hier verschwinden, bevor Sie jemand vermißt!“ er ging mit Eagle zusammen zur Tür, drehte sich aber noch einmal um, so als sei ihm etwas wichtiges eingefallen: „Ach, ähm, Fireball... ich erwarte bis Montag einen Bericht über diese ganze Sache auf meinem Schreibtisch!“ dann waren sie verschwunden. Kapitel 5: Schau nach vorne, nicht zurück ----------------------------------------- Die Sonne stand schon tief am Himmel, als Fireball endlich den großen Militärfriedhof von Yuma erreicht hatte. Ihre warmen Strahlen tauchten das Gras ringsherum in gleißendes Gold und die weißen Steinkreuze der gefallenen Soldaten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten, warfen lange Schatten auf den Boden. Ein leichter Wind strich sacht durch die Zweige der umstehenden Weiden und verursachte ein beruhigendes, stetes Rauschen. Anfänglich hatte Fireball Schwierigkeiten gehabt, das Grab von Mandarin zu finden, denn bei dem letzten Angriff der Outrider hatten viele mutige Männer und Frauen ihr Leben lassen müssen. Ein großes Feld des Friedhofs war bedeckt mit neuen Gräbern, auf denen zahllose Kränze und Blumensträuße zu finden waren. Nach ein wenig Suche und Inspizierung der Grabsteine hatte Fireball jedoch endlich sein Ziel gefunden. Ein weißes Marmorkreuz, von den anderen nur durch seine Inschrift zu unterscheiden: "In Gedenken an einen guten Kameraden und lieben Freund: Cpt. Mandarin Yamato" darunter standen ihr Geburtsdatum und der Tag, an dem sie gestorben war. Der Rennfahrer schluckte schwer; Mandarin war nicht älter als 24 Jahre geworden! Er musterte die Kränze, die die dunkle Erde ihres Grabes bedeckten und las die Beileidsbekundungen der Spruchbänder. Der größte Kranz, ein Gebinde aus roten und weißen Rosen auf Tannenhintergrund stammte von ihrer Staffel, ein beinahe eben so großer vom Kavallerieoberkommando. Viele der anderen Namen, die er sah, kannte Fireball nicht und ihm wurde bewußt, wie wenig er eigentlich über die junge Frau gewußt hatte, deren sterbliche Überreste nun unter diesem Blumenmeer ruhten. Sein Blick fiel auf einen kleinen Kranz aus weißen Lilien, der mit einer blauen Scherpe umwickelt war. Dort waren in silbernen Lettern die Namen von Colt, Aril, Saber und ihm selbst zu lesen, und darüber der schlichte, aber vielsagende Satz: "In unseren Herzen wirst Du weiterleben!" Eine kleine Gänsehaut überlief Fireball, aber er war froh, daß seine Freunde an diese Geste gedacht hatten und auch nicht versäumt hatten, seinen Namen mit auf die Schleife zu schreiben. Er war sich fast sicher, daß das einigen Tumult ausgelöst haben konnte, denn schließlich hatte er zum Zeitpunkt der Beisetzung als Mandarins Mörder hinter schwedischen Gardinen gesessen, und nicht jeder war sich seiner Unschuld so sicher gewesen, wie die Star Sheriffs. Trotzdem dankte er den anderen, daß sie ihn nicht vergessen hatten. Wenn er schon nicht an der Beerdigung hatte teilnehmen können, so war doch wenigstens dieser Kranz da gewesen, um seiner tiefen Trauer Ausdruck zu verleihen. Fireball ließ sich seufzend vor der Anhäufung aus Blumen im warmen Gras nieder und begann unentschlossen, einen Halm nach dem anderen aus dem Boden zu zupfen: "Die ganze Zeit während der Fahrt hierher habe ich mir überlegt, was ich Dir sagen will, doch jetzt wo ich hier bin..." die Worte waren nicht mehr als ein Flüstern gewesen, hallten aber durch seinen Kopf wie durch einen großen leeren Saal. "Ich wollte nicht, daß das alles passiert Mandarin. Ich wollte Dir nie weh tun, oder Dich in irgend etwas hinein ziehen, was Dich..." der Star Sheriff wischte sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und blickte in den blaßroten Himmel hinauf. "Du hast mir geholfen, obwohl Du wußtest, daß Du damit gegen Befehle verstoßen hast, aber es hat Dich nicht gestört. Du hast es für mich getan, weil ich Dir etwas bedeutet habe, und als Du mich brauchtest, war ich nicht für Dich da..." Seine Blicke wanderten wieder hinab auf das Kreuz und die schwarz hinterlegten, eingemeißelten Buchstaben: "Ich habe Deine Gefühle zu mir ausgenutzt und Dich somit in Gefahr gebracht, ohne an die Konsequenzen zu denken. Ich war unsensibel und egoistisch, und weil ich zu blöd war, die Gefahr zu erkennen, mußtest Du..." eine kleine Träne lief Fireballs rechte Wange hinunter und tropfte auf die dunkelblaue Uniform, die er trug. "Es ist alles meine Schuld, Mandarin. Es tut mir so leid... ich wünschte, ich könnte etwas tun, um das alles rückgängig zu machen, doch nichts auf der Welt kann Dich wieder zum Leben erwecken..." er verbarg das Gesicht hinter seinen Händen und mußte sich zusammenreißen, um nicht loszuweinen. "Du hast mich im Krankenhaus um Verzeihung gebeten, dabei hätte eigentlich ich es sein müssen, der Dich um Verzeihung bittet. Ich wünschte, Du könntest mich jetzt hören Mandarin... oh, bitte, vergib mir... vergib mir für all das, was ich Dir angetan habe...!" der Rennfahrer mußte ein Schluchzen unterdrücken und wischte sich zwei weitere Tränen aus dem Gesicht. "Ich bin sicher, daß sie Dir vergeben hat, Fireball!" Erschrocken fuhr der Star Sheriff herum und starrte in die tröstenden Mienen von Colt und Saber Rider: "Was macht Ihr zwei denn hier?" er erhob sich schwerfällig und ging auf seine Teamkollegen zu. Colt konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: "Wir wollten Dir eigentlich einen kleinen Krankenbesuch abstatten, aber eine ziemlich furiose Krankenschwester hat uns berichtet, daß Du bereits auf eigene Faust das Lazarett verlassen hättest..." "Und da haben wir uns gedacht, daß Du höchstwahrscheinlich hier sein würdest, nachdem Du Dich auf der Beerdigung nicht von ihr hast verabschieden können!" Saber legte Fireball mitfühlend eine Hand auf die rechte Schulter und sah ihm tief in die Augen: "Aber hör auf, Dich mit Selbstvorwürfen zu quälen, Fireball. Dich trifft keine Schuld an der Sache; niemand ist sicher, solange solch kranke Menschen wie Jesse Blue ihr Unwesen treiben. Das einzige, was Du für sie hättest tun können, wäre gewesen, mit ihr zu sterben, so wie Jesse es geplant hatte..." Fireball merkte das Gewicht einer weiteren Hand auf seiner linken Schulter: "Und ganz ehrlich gesagt, hombre, bin ich froh, daß Dir nichts passiert ist, mal abgesehen hiervon..." der Cowboy deutete auf Fireballs Verletzung, die nun unter der Uniform verborgen lag. "Wenn ich nicht diese blödsinnig Idee gehabt hätte..." "Wenn und aber hilft jetzt auch nicht, Fireball. Mandarin war Soldat, sie wußte, daß sie vielleicht eines Tages bei der Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben lassen würde, das wissen wir alle." "Aber Saber, sie hat in dieser Nacht nicht ihre Pflicht erfüllt, sie hat versucht, mir zu helfen!" der Rennfahrer sah seinen Boß mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Unmut an. Wollte er denn nicht begreifen, daß er die Schuld an diesem ganzen Schlamassel trug? "Hey, jetzt hör mal zu, Matchbox", Colt dreht ihn zu sich herum und musterte ihn mit brüderlicher Schärfe, "Jesse hatte es auf Dich abgesehen, das wissen wir jetzt. Und wenn Du nicht zusammen mit Mandarin an diesem Schiff gebastelt hättest, dann hätte er sich eine andere Möglichkeit gesucht, um Dich ins Jenseits zu befördern. Vielleicht hätte er die Bombe dann in Deinem Wagen versteckt, oder in Deiner Wohnung. Vielleicht hätte er dann nicht Mandarin erwischt, aber an ihrer Stelle vielleicht Dich, oder Saber, oder mich... oder April..." er drückte seine Finger fest in Fireballs Schultern, "und wärst Du dann Schuld an der Sache gewesen? Weil es Menschen gibt, die Dich mögen und die dann vielleicht ungewollt gestorben wären?" Fireball sah erst Colt und dann Saber an, der zustimmend nickte: "Colt hat recht, Fireball. Keiner von uns konnte ahnen, daß Jesse noch lebte oder daß etwas derartiges passieren würde. Dich trifft keine Schuld daran, daß er Dich im Visier hatte, sieh das doch endlich ein. Wir alle sind schockiert darüber, daß Mandarin von uns gegangen ist, aber deswegen darfst Du Dich jetzt nicht in falschem Schuldbewußtsein wälzen. Du mußt weiterleben, in die Zukunft blicken und Dich nicht hinter der Vergangenheit verstecken!" Der Rennfahrer spürte einen Knoten im Hals, als er merkte, wie sehr seine Freunde um ihn besorgt waren: "Vielleicht habt Ihr sogar recht. Vielleicht war es tatsächlich nicht meine Schuld, aber es wird nicht einfach sein, das alles hier zu vergessen..." sein Blick wanderte wieder auf den kleinen Blumenhügel. "Niemand verlangt von Dir, daß Du es vergißt", Colt legte ihm behutsam einen Arm um die Schultern und drückte ihn sacht an sich, aus Angst, die Wunde könnte seinem Freund Schmerzen bereiten, "wenn wir alle zusammen halten, dann werden wir über den Schrecken der Ereignisse hinweg kommen, aber Mandarins Andenken werde wir immer in Ehren halten!" "Ich danke Euch, Ihr seid wirklich wahre Freunde..." die Worte blieben Fireball im Hals stecken und er mußte sich verlegen räuspern, bevor er weitersprach, "ich denke, Ihr habt recht. Sich jetzt zu verkriechen wäre falsch und unfair gegenüber Mandarin. Sie hat im Kampf gegen die Outrider ihr Leben gelassen, und ich werde ihrem Tod einen Sinn geben, indem ich alles daran setze, den Bedrohungen des neuen Grenzlandes auch weiterhin die Stirn zu bieten!" "Das ist die richtige Einstellung, Kumpel", Saber griff in seine rechte Hosentasche und holte etwas silbrig glänzendes daraus hervor, "aber ich hoffe doch, daß Du uns auch ein bißchen dabei helfen lassen wirst. Schließlich sind wir doch immer noch ein Team, habe ich recht?" er hielt Fireball das rechteckige, dünne Plastikstück entgegen. Der Rennfahrer keuchte kurz auf: "Mei...meine ID-Card..." stammelte er und nahm mit zittriger Hand die Chipkarte entgegen. "Der Commander hat sie uns in die Hand gedrückt...", Colt grinste vom einen Ohr zum anderen, "wollte sie Dir eigentlich selber geben, aber da warst Du schon über alle Berge." Ein leises Piepen unterbrach die eingetretene Stille und Saber Rider warf einen flüchtigen Blick auf seinen Communicator: "Wenn man vom Teufel spricht... der Commander erwartet mich im Hauptquartier..." "Fahr nur, ich bin sicher, Fire wird mich mitnehmen." Colt machte eine wohlwollende Geste in Richtung des Ausganges und Fireball nickte zustimmend. "Gut", Saber warf dem Rennfahrer einen letzten Blick zu, "ich bin froh, daß Du wieder da bist, Kumpel!" Zum ersten Mal zeichnete sich jetzt ein dünnes Lächeln auf Fireballs Lippen ab: "Das bin ich auch Boß..." Der Säbelschwinger bedachte die beiden mit einem Kopfnicken und machte sich dann ohne ein weiteres Wort auf den Weg in Richtung des Parkplatzes, wo er den Jeep geparkt hatte, mit dem er und Colt hergekommen waren. Colt wartete, bis es außer Hörweite war, bis er brummig murmelte: "Hat sich wohl doch ziemliche Sorgen um Dich gemacht; vielleicht hätte ich ihn nicht so anmachen sollen, von wegen, daß er Dir nicht helfen wollte und so..." "Saber hat halt seine eigene Art zu zeigen, was er fühlt, und manchmal muß man eben etwas genauer hinsehen, um zu verstehen, was in dem guten Mr. Rider vorgeht..." Fireball schaute auf seinen ID-Card, die er immer wieder durch seine Finger wandern ließ. Colt bemerkte es und scharrte nervös mit dem rechten Fuß: "Ich bin auch froh, daß sich die ganze Sache geklärt hat und Deine Unschuld endlich bewiesen werden konnte." "Nur dank Deiner Hilfe, alter Kuhtreiber..." die Chip-Karte verschwand endlich in Fireballs Hosentasche, "wenn Du mir nicht den Blaster aufgedrängt hättest, dann wäre die ganze Sache wahrscheinlich nicht so glimpflich abgelaufen. Nicht auszudenken, was dieser Bastard noch alles hätte anrichten können!" "Dann bin ich ja wohl gelegentlich doch zu was gut, hm?" der Cowboy zog sich seinen Hut tief ins Gesicht um die Röte zu verbergen, die gerade in ihm aufstieg. "Du bist der beste Freund, den man sich nur wünschen kann." platzte es aus Fireball heraus, jedoch auch nicht, ohne ihm das Blut ins Gesicht schießen zu lassen. Colt machte einen entsetzen Schritt zurück: "Komm jetzt aber bloß nicht auf die Idee, mich abknutschen zu wollen, kapiert. Ich bin schließlich ein verlobter Mann!" Der Rennfahrer kicherte amüsiert: "Keine Sorge, so hübsch bist Du nun auch wieder nicht. Außerdem bist Du nicht mein Typ!" "Wo Du gerade von Deinem Typ sprichst, wie wäre es, wenn wir uns jetzt auch auf den Weg machen", Colt drehte sich um und machte einige Schritte von Fireball weg, "ich kenne da zufällig einen weiblichen Star Sheriff, der die letzten Tage beinahe umgekommen ist vor Sorge um Dich, und den es wahrscheinlich doch ziemlich interessieren dürfte, daß Du wieder wohl auf bist!" Fireball nickte, denn er hatte verstanden, was Colt ihm sagen wollte: "Geh schon vor, ich brauche nur noch eine Minute..." Der Cowboy nickte verständnisvoll und schlug den gleichen Weg ein, den er vor einigen Minuten mit Saber Rider zusammen gekommen war. Fireball wandte sich wieder dem Grab zu. Er konnte nicht genau sagen wieso, doch durch das Gespräch mit seinen Freunden war die Ohnmacht verschwunden, die er empfunden hatte, als er vor einer halben Stunde hier angekommen war. Die starken Schuldgefühle, die er beim Anblick von Mandarins Grab verspürt hatte, waren fort und hatten allein die Trauer um den Verlust eines lieben Menschen zurück gelassen. "Ich denke, sie haben recht, Mandarin", zärtlich strich er über das kalte Steinkreuz, "wahrscheinlich hätte ich es wirklich nicht verhindern können, und vielleicht wären sogar noch mehr unschuldige Menschen gestorben, wenn wir nicht an dem Schiff gebastelt hätten..." Er trat einige Schritte vom Grab zurück und ließ ein letztes Mal den Blick über ihren Namen wandern, wie er dort mit schwarzen Lettern eingemeißelt war: "Ich schwöre Dir, daß ich Dich niemals vergessen werde, Kleines. Dein Tod war nicht umsonst; ich werde dafür kämpfen, daß er seinen Sinn nicht verliert!" er drehte dem Blumenmeer den Rücken zu und folgte Colt mit entschiedenen und schnellen Schritten: "Leb wohl, Mandarin..." Es dauerte nicht lange, bis Fireball seinen Freund eingeholt hatte. Eine Zeit lang gingen die Männer schweigend nebeneinander her, doch dann drängte sich dem Rennfahrer eine Sache auf, die er so schnell nicht wieder aus seinen Gedanken hatte streichen können. "Sag mal, Colt", seine Augen waren starr auf den Kiesweg gerichtet und seine Hände hatte er in den Taschen der Uniform vergraben, "die Schwester im Krankenflügel hat mir erzählt, April hätte die letzten beiden Tage bei mir am Bett verbracht?" er musterte den Cowboy kurz, der unwillkürlich anfing zu grinsen: "Ja, das stimmt. Wir haben alle versucht, sie davon zu überzeugen, daß es keinen Sinn hatte, darauf zu warten, daß Du aufwachst. Schließlich wußten wir ja, daß sie Dich in ein künstliches Koma versetzt hatten, aber sie wollte davon nichts hören. Andererseits kann ich auch verstehen, daß sie nicht in ihr Apartment zurück wollte, so wie es dort ausgesehen hat!" Colt machte eine bedeutungsvolle Geste und Fireball nickte verständnisvoll. Er konnte sich zu gut an die Blutspuren überall erinnern, die sein Kampf mit Jesse Blue hinterlassen hatte; in einer solchen Umgebung hätte sich wohl niemand wohl gefühlt. "Und dann kam auch noch hinzu, daß die Untersuchungskommission bis gestern abend damit zugange war, irgendwelche Beweismittel und Spuren zu sichern, um ja nichts zu übersehen oder zu vergessen. Robin hatte ihr angeboten, mit bei ihr zu wohnen, bis sich alles wieder etwas beruhigt hat", Colt seufzte herzhaft und schob sich seinen Hut ein Stück weit aus der Stirn, "aber auch das wollte April nicht. Sie war einfach nicht von Deinem Bett weg zu bewegen. Nachts hat sie sich in eine Decke gewickelt und auf einem Stuhl geschlafen, aus Angst, man könnte Dich aus dem Koma zurückholen und sie wäre dann nicht da. Ich glaube, sie war der Meinung, ihre Anwesenheit würde Dir irgendwie helfen..." "Wer weiß", Fireball zuckte die Schultern und dachte an die Strapazen, die April nur seinetwegen auf sich genommen hatte, "vielleicht hat es das ja tatsächlich!" "Auf jeden Fall war sie heute morgen so erschöpft, daß ihr Vater angeordnet hat, daß sie erst einmal nach Hause fährt, um sich auszuruhen. Er mußte ihr natürlich versprechen, sie sofort rufen zu lassen, wenn sich an Deinem Zustand etwas ändern sollte... schätze, das wird noch ein kleines Nachspiel haben!" er knuffte seinem Freund kameradschaftlich in die gesunde linke Seite. "Meinst Du, sie ist noch in ihrem Apartment?" nervös spielte Fireball in seiner Hosentasche mit der ID-Card herum. "Ja, ich glaub schon", ausnahmsweise schien Colt nicht darauf aus zu sein, ihn mit dem nun folgenden Thema aufzuziehen, "sie sah wirklich ziemlich mitgenommen aus, und es würde mich nicht wundern, wenn sie bis Weihnachten durchschläft... Willst Du zu ihr?" Der Rennfahrer nickte stumm. "Jetzt gleich?" der Cowboy schien überrascht. "Willst Du Dich nicht vielleicht auch erstmal ein bißchen ausruhen? War doch eine ganze Menge, was in der letzten Zeit so passiert ist, und Deine Verletzung..." "Schon, aber ich muß sie unbedingt sehen, gerade nach all dem, was passiert ist. Ich muß endlich mit ihr reden, dazu hatte ich ja in den letzten Tagen nie wirklich Gelegenheit!" Der leicht ironische Unterton in Fireballs Stimme war Colt nicht entgangen: "Willst Du ihr endlich reinen Wein einschenken? Was Deine Gefühle für sie angeht, meine ich?" Fireball schüttelte matt den Kopf: "Vor allem will ich ihr sagen, wie leid mir das alles tut. Sie hat soviel leiden müssen, und alles nur meinetwegen..." Abrupt blieb Colt stehen, packte seinen Freund an den Schultern und drehte ihn zu sich herum: "Meinst Du nicht, daß Du sie endlich von ihren Qualen erlösen solltest, anstatt noch lange zu lamentieren?" Die Männer starrten sich direkt in die Augen. "Wie meinst Du das?" "Die Sache ist vorbei, Fireball! April hat genug gelitten. Du bist frei und es geht Dir den Umständen entsprechend gut, ich glaube nicht, daß für sie im Moment etwas anderes zählt. Mach es nicht komplizierter, als es ist!“ "Ja, aber..." "Nichts aber", energisch wurde Fireball unterbrochen, "Du liebst April doch, nicht wahr?" Der Rennfahrer errötete leicht, gab aber einen brummigen Ton von sich, den Colt als "ja" verstand: "Na, also, und sie liebt Dich. Dann geh jetzt auch gefälligst hin und sag ihr das. Mach endlich Nägel mit Köpfen!" "Colt, ich..." "Himmel, Fireball", der Cowboy hob ungeduldig die Hände in die Höhe, "worauf willst Du denn noch warten? Hast Du aus dieser ganzen Sache nichts gelernt? Du bist dem Teufel jetzt so oft von der Schippe gesprungen, willst Du solange zugucken, bis doch noch ein anderer Kerl daher kommt und sie Dir vor der Nase wegschnappt? Zeig dem Mädchen endlich, wo der Hammer hängt!" Colt hatte sich geradezu in Rage geredet. "Das sagt ja gerade der richtige!" Fireball mußte trotz der ernsten Miene des Cowboys grinsen, was Colt gar nicht amüsant fand: "Ja, wenn nicht ich, wer denn sonst? Schließlich bin ich schon seit mittlerweile fast einem Monat verlobt!" Fireball gefror das Grinsen auf dem Gesicht: "Willst Du damit sagen, ich soll hingehen und sie einfach fragen ob sie mich..." "Ich will gar nichts sagen", würgte Colt Fireballs Gedanken unwirsch ab, "ich dachte nur, Du wärst jetzt langsam selber auf den Trichter gekommen, daß Du diesem ganzen Theater ein Ende setzen mußt. Warum quälst Du Euch beide unnötig? Du willst mit ihr zusammen sein und sie mit Dir. Warum also noch länger warten oder zögern, bis es vielleicht zu spät ist? Wie hat Saber das vorhin ausgedrückt? Du mußt weiterleben und in die Zukunft blicken. Werd Dir langsam klar darüber, was Du eigentlich willst!" Das waren die vorerst letzten Worte, die zwischen den beiden Männern auf dem Weg zum Parkplatz fielen. Colt war anscheinend der Meinung, er hätte seinem Freund genug zum Nachdenken vorgesetzt, und Fireball war tatsächlich tief damit beschäftigt, über das zu grübeln, was der Cowboy gesagt hatte. Werd Dir klar darüber, was Du willst! Hatte der Colt recht? Sollte er wirklich hingehen und April seine Gefühle gestehen, nach allem, was er angerichtet und ihr angetan hatte? Was, wenn sie ihn aus genau diesen Gründen vielleicht gar nicht mehr wollte? Das war doch immerhin möglich! Würde er so eine Zurückweisung nach allem, was sie durchgemacht hatten ertragen können? Und selbst wenn sie ihn noch wollte, konnten sie denn nach den vergangenen Geschehnissen überhaupt noch miteinander glücklich werden? Hatte er nicht alles kaputt gemacht, was sich je zwischen ihnen aufgebaut hatte? Oder war ihre Beziehung durch die schrecklichen Dinge vielleicht sogar fester geworden und würde nun, da diese furchtbare Sache ausgestanden war, auch mit allem anderen fertig werden? Werd Dir klar darüber, was Du willst! Fireball erinnerte sich an die vielen Dinge, die ihm durch den Kopf geschossen waren, als er im Gefängnis gesessen hatte. Daß er April bei einer tatsächlichen Verurteilung niemals hätte gestehen können, wie er wirklich für sie empfand, um die Sache für sie nicht noch schwieriger zu machen. Er hatte sich wahnsinnige Vorwürfe gemacht, weil er nicht schon viel früher ehrlich zu ihr gewesen war, und nun, da ihm das Schicksal doch noch eine Möglichkeit dazu bot, wollte er feige den Schwanz einziehen? Hatte Saber mit seiner kleinen Weisheit nicht genau richtig gelegen? Wer wußte schon, wann er sich das nächste Mal in einer gefährlichen Situation befand, in der er sich dann wünschen würde, er hätte April endlich alles gestanden. Selbst wenn sie ihn zurückweisen sollte, war er es nicht sogar sich selber schuldig, ihr die Wahrheit zu sagen? Werd Dir klar darüber, was Du willst! Er wollte April, das wußte Fireball so sicher, wie nichts anderes auf der Welt, und vielleicht, so dachte er plötzlich, war tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, um ihr genau das zu sagen! „Wie...hast Du es bei Robin angestellt...“ fragte er schüchtern und blickte Colt schräg von der Seite an, „als Du sie gefragt hast, ob sie Dich... na, ja, Du weißt schon... heiraten will!“ Der Cowboy fuhr überrascht herum: „Hast Du etwa vor, April einen Antrag zu machen?“ es war schwerlich zu sagen, ob seine Augen weiter aufgerissen waren, oder sein Mund. „Na, ja“, der Rennfahrer hob verteidigend die Schultern, „ich habe in letzter Zeit soviel Mist gebaut, da... dachte ich, es wäre gut, wenn ich es wenigstens diesmal richtig anpacke...“ „Herrje“, Colt raufte sich verwirrt die Haare, vielleicht hätte er seinen Freund doch nicht so auf das Liebesgeständnis drängen sollen, „Du... Du hast sie doch noch nicht mal geküßt, Fire! Bis... bist Du sicher, daß... Du das nicht nur wegen Deines schlechten Gewissens machst?“ Fireball starrte ausweichend auf den Kiesweg unter sich, doch er sagte mit fester, sicherer Stimme: „Ich brauche sie nicht erst geküßt zu haben. Sie ist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt und wenn ich nicht mehr bei ihr sein könnte, wäre das glaube ich schlimmer als der Tod!“ Colt nickte bewundernd; anscheinend hatten ihn diese tiefen Gefühle überzeugt: „Na, wenn das so ist...“ er kratzte sich nachdenklich am Kinn, „eigentlich habe ich Robin gar nicht so direkt gefragt!“ er erinnerte sich an die romantische Szene und ein versonnenes Lächeln trat auf seine Lippen: „Ich glaube, die Frauen sagen Dir schon, wann Du ihnen einen Antrag gemacht hast... Ist wahrscheinlich keine große Hilfe für Dich, oder?“ „Hm“, Fireball zog erneut die Schultern nach oben, „ich habe ja noch ein bißchen Zeit, mir was zu überlegen, bis wir zu Hause sind!“ Sie erreichten endlich das von einer riesigen Rosenhecke gesäumte Friedhofstor und traten hinaus auf den kleinen Parkplatz, auf dem nur zwei Autos standen. Das eine war der Jeep des Kavallerieoberkommandos mit dem Fireball kurz zuvor gekommen war, das andere war... „Ich schätze, Deine Zeit zum Überlegen hat sich gerade stark gegen null dezimiert!“ Verwundert über Colts Worte blickte der Rennfahrer auf: „April...“ keuchte er und starrte dem weiblichen Star Sheriff entgegen, der lässig an seinem Red Fury Racer lehnte. Als sie die beiden erblickte, stieß sie sich von der Kanzel ab und kam ihnen strahlend entgegen geeilt: „Saber hat mir gesagt, Ihr würdet gleich kommen, er ist eben gerade weg gefahren!“ ihre Augen wanderten zu Fireball, dem das Herz mit einem Mal bis zum Hals schlug. „Uh, ähm“, Colt scharrte neben ihm ungeduldig mit den rechten Fuß, „ich würde ja wirklich gern noch mit Euch beiden hübschen hier bleiben, daß schöne Wetter genießen und unsere Wiedervereinigung feiern, aber leider...“ ein diabolisches Grinsen zog sich von seinem einen Ohr zum anderen, als er Fireball die rechte Hand hinstreckte, „ich habe noch etwas dringendes zu erledigen. Würdest Du mir bitte die Schlüssel für den Jeep geben?“ Dem Star Sheriff gefror das Blut in den Adern: „Aber ich dachte, Du...“ er konnte ihn doch jetzt nicht einfach mit April alleine lassen! „Ich kann auch den Jeep...“ begann April unschlüssig, wurde aber gleich von Colt unterbrochen: „Paperlapp, Süße, Du kümmerst Dich jetzt gefälligst ein bißchen um unseren kleinen Helden hier“, er griff Fireball flink in die Tasche und hatte die Schlüssel für den Wagen schneller in der Hand, als dieser reagieren konnte, „ich bin sicher, zum Dank wird er Dich hinterher auch nach Hause fahren!“ fröhlich pfeifend drehte er sich um und stapfte auf den oliv farbenen Jeep zu. Machtlos, ja geradezu ohnmächtig verfolgte Fireball, wie er sich in das Auto setzte, den Motor aufheulen ließ und dann mit einem noch breiteren Grinsen als zuvor von dannen rauschte. Was sollte er jetzt bloß tun? Dort stand seine angebetete April, mit den Strahlen der untergehenden Sonne, die sich in ihrem langen, blonden Haar fingen, und wußte nicht, wohin mit Händen und Füßen. „Dieser alte Kuhtreiber...“ brachte er zwischen zusammen gepreßten Lippen hervor und versuchte dabei, April möglichst nicht direkt anzusehen. Ihre Anwesenheit verwirrte ihn schon genug, wenn er jetzt auch noch in ihre wundervollen blauen Augen schaute, würden wahrscheinlich seine Knie nachgeben und er würde das zweite Mal innerhalb von drei Tagen in ihrer Gegenwart in Ohnmacht fallen. „Ich wollte Dich eigentlich im Lazarett besuchen, aber als ich dort ankam, erzählte man mir, Du seist schon gegangen...“ sie ging an ihm vorbei und setzte sich auf eine weiße Holzbank, die direkt neben dem Eingangstor an der Rosenhecke stand. Ein leichter Hauch ihres dezenten Parfums stieg Fireball in die Nase und er fragte sich, warum Aprils Anwesenheit ihn plötzlich so aus der Fassung brachte. Sicherlich, er hatte schon immer Schmetterlinge im Bauch gehabt, wenn sie ihn aus Versehen berührt oder zärtlich angesehen hatte, doch noch nie hatten seine Gedanken solche Purzelbäume geschlagen, wie in diesem Moment. Unsicher schlenderte er zu der Bank hinüber und setzte sich neben sie, peinlich darauf bedacht, sie auf gar keinen Fall zu berühren: „Es tut mir leid, daß Du Dir solche Sorgen um mich gemacht hast...“ „Ich habe Deinen Wagen holen lassen. Nachdem Du nicht länger unter Anklage stehst, durften sie ihn ja nicht länger beschlagnahmen und ich dachte, Du könntest ihn vielleicht brauchen!“ Aprils Stimme klang abwesend und monoton. Sie hatte gar nicht auf seine Worte reagiert! „Das war sehr nett von Dir“, druckste Fireball und knete unsicher seine Finger, „aber woher wußtest Du, daß ich hier bin?“ „Daddy hat es mir gesagt...“ noch immer keine Regung von Gefühlen. „Oh...“ „Wie geht es Deiner Verletzung?“ „Besser, denke ich...“ der Star Sheriff versuchte dem dumpfen Schmerz an seiner Seite zu ignorieren, der in den letzten Stunden stetig zugenommen hatte. „So, denkst Du“, nun zeigte sich doch eine Veränderung in Aprils Stimme, „und was haben die Ärzte dazu gemeint?“ sie hatte deutlich an Schärfe zugenommen. Fireball fühlte, wie sich ein Knoten in seinem Hals bildete: „Ähm, na, ja, eigentlich hätte ich wohl noch ein wenig im Bett bleiben sollen, aber...“ „Aber der Herr mußte ja wieder den Helden mimen!“ ihr Kopf ruckte herum und ein zorniges Paar Augen blitzte ihn böse an: „Wieso hätte man auch erwarten sollen, daß Du endlich ein bißchen Vernunft annimmst?“ „Es geht mir wirklich schon wieder besser, April, ehrlich!“ schnell wich er ihrem Blick aus und starrte auf seine ineinander verkrampften Hände. „Jetzt komm mir nicht mit diesem Blödsinn, hörst Du“, wütend sprang April auf und deutete wild mit dem rechten Zeigefinger direkt auf sein Gesicht, „weißt Du überhaupt, was ich die letzten Tage und Nächte durchgemacht habe?“ Natürlich konnte er sich das vorstellen. Nicht umsonst hatte sie wohl an seinem Bett gesessen, Tag und Nacht in der Hoffnung, sein Zustand würde sich bald bessern. „Du bist vor meinen Augen ohnmächtig geworden und beinahe unter meinen Händen verblutet. Ich.. ich dachte Du würdest sterben!“ rief April aufgebracht und fuhr sich durchs Haar. „Weißt Du überhaupt, wie gefährlich Deine Verletzung war?“ Fireball hatte das Gefühl, als würden sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn sammeln: „N...nein, ich... ich lag im Koma, oder?“ das war wohl eine etwas zu vage Antwort? „Du kannst froh sein, daß Du überhaupt noch am Leben bist! Jesse hat Dir das Messer genau zwischen zwei Rippen gerammt, und es ist ein reines Wunder gewesen, daß er dabei keine lebenswichtigen Organe getroffen hat. Mal abgesehen davon, wieviel Blut Du verloren hast.“ Fireball schluckte. Hatte es ihn tatsächlich so schlimm erwischt gehabt, ohne daß er davon Notiz genommen hatte? Hatte der Adrenalinschub während des Kampfes seine Sinne so sehr benebelt, daß er nicht einmal die Schmerzen hatte spüren können? „Siehst Du...“, April ließ ihren Arm müde sinken, „Du bist mal wieder losgestürmt, ohne darüber nachzudenken, ob Du Dir selbst oder anderen damit schadest.“ „Ich wollte Dir nicht schon wieder weh tun, April“, eingeschüchtert blickte er zu ihr auf, „aber ich mußte einfach raus dort. Ich habe es nicht mehr ausgehalten!“ „Ach so, Du hast es nicht mehr ausgehalten“, wie als wenn ihr gerade ein Licht aufgegangen wäre, schlug sich April mit der flachen Hand gegen die Stirn, „warum habe ich daran bloß nicht gleich gedacht. Es ist natürlich etwas völlig anderes, wenn Du es nicht mehr ausgehalten hast!“ Fireball schien auf der Bank immer weiter in sich zusammen zu sinken: „Du kannst das nicht verstehen...“ Damit hatte er einen großen Fehler begangen. Ihre funkelnden blauen Augen fixierten ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Abscheu, so daß er sich wünschte, der Boden würde sich unter seinen Füßen auftun und ihn verschlingen. „Ich kann das also nicht verstehen, nein? Was glaubst Du wohl, wie das für mich war, als ich um jeden Preis zu Dir ins Gefängnis wollte und weder Colt noch mein Vater mich gelassen haben? Glaubst Du, die beiden haben darauf gehört, daß ich es nicht mehr ausgehalten habe ohne Dich? Oder meinst Du, die Ärzte haben Dich aus dem künstlichen Koma zurückgeholt, nur weil ich es nicht mehr ausgehalten habe an Deinem Bett zu sitzen und um Dein Leben zu betteln?“ sie atmete schwer und hatte die Hände fest an den Körper gepreßt, um zu verhindern, daß sie zitterten. „Hast Du wirklich zwei Tage lang bei mir im Krankenflügel gesessen...“ Fireball wagte kaum den Blick zu heben, doch anstelle eines weiteren Gefühlsausbruches bekam er nur ein müdes Nicken zur Antwort. „Warum?“ Er merkte, daß April sich mühsam beherrschte, ihn nicht erneut anzuschreien, aber sie schaffte es lediglich, ihre Wut in Sarkasmus umzuwandeln: „Weil ich Angst um Dich hatte natürlich, weshalb wohl sonst. Entschuldige dieses überaus menschliche Verhalten, Du kannst das natürlich nicht verstehen!“ Dieser Stich hatte gesessen. Zum ersten Mal seit Beginn der Unterredung regte sich ein Gefühl von Unmut in Fireball. Immerhin hatte er in den letzten Tagen auch einiges durchmachen müssen, und jetzt stellte sich April doch glatt vor ihn hin und behauptete, er würde nicht wissen, was es hieß, sich um jemanden zu sorgen. Irgendwo hörte der Spaß schließlich auch auf: „Und was glaubst Du wohl, wie ich mich gefühlt habe, als ich hinter Gittern saß und wußte, daß Jesse auf dem Weg zu Dir war und weiß Gott was mit Dir vorhatte? Ich bin beinahe umgekommen vor Sorge, weil ich nicht wußte, ob ich es noch rechtzeitig schaffen würde. Ich habe die ganze Zeit an nichts anderes mehr denken können...“ das Blut des Rennfahrers begann langsam zu kochen und trieb ihm die Röte ins Gesicht, doch April schien das wenig zu beeindrucken. Sie stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften und schnaubte verächtlich: „Das hat man wohl gemerkt. Anstatt Verstärkung zu rufen mußtest Du es ja ganz allein mit Jesse aufnehmen und Dich fast von ihm umbringen lassen...“ Das brachte das Faß endgültig zum Überlaufen: „Stellen Sie sich vor, Miss Eagle“, wütend war Fireball aufgesprungen und hatte sich bedrohlich vor April aufgebaut, „ich habe doch tatsächlich auch selber daran gedacht, Verstärkung zu holen. Nur leider konnte ich niemanden erreichen, der mir meine Geschichte zu dem Zeitpunkt auch abgenommen hätte. Falls Du Dich erinnerst“, er tippte ihr mit dem rechten Zeigefinger an die Stirn, woraufhin sie grimmig einen Schritt zurück wich, „ich saß wegen Mordes im Gefängnis. Ich hatte die Wahl. Hätte ich Unterstützung angefordert, wäre ich wahrscheinlich schneller wieder im Knast gewesen, als ich draußen war und Dich hätte man wohl oder Übel Deinem Schicksal überlassen. Also habe ich mich entschieden, Dir alleine zur Hilfe zu kommen. Aber wenn Du darauf bestehst, kann ich das nächste Mal auch gerne meine Haut schonen und tatenlos dabei zusehen, wie Dich irgendein daher gelaufener Mistkerl vergewaltigt...“ Entsetztes Schweigen trat ein. Noch während Fireball die letzten Worte von sich gegeben hatte, war ihm bewußt geworden, wie taktlos diese gewesen waren, doch nun war es zu spät um sie rückgängig zu machen. Erschrocken beobachtete er April, deren ganzer Körper zu zittern begann. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Lippen bebten, aber sie brachte kein Wort heraus. Der Star Sheriff fürchtete, sie würde ihm jede Sekunde eine saftige Ohrfeige verpassen: „April, ich...“ flüsterte er schwach und streckte eine Hand nach ihr aus. Er hatte sie schon wieder verletzt! Wieso zum Teufel brachte er es einfach nicht fertig mit ihr zu reden, ohne daß gleich alles in einem Desaster endete? Sie würde ihm gleich eine unbeschreibliche Standpauke halten und sich dann wahrscheinlich für immer von ihm verabschieden! Um so überraschter war Fireball, als April ihm plötzlich in die Arme fiel und ihre Hände fest in seine Uniformjacke grub: „Fireball...“ schluchzte sie erstickt preßte das Gesicht an seine Brust. Der Rennfahrer wußte nicht recht wie ihm geschah. Eben noch war April drauf und dran gewesen, ihm die Gurgel durchzuschneiden, und nun klammerte sie sich an ihn, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Die letzten dunklen Wolken verzogen sich aus seinen Gedanken und mit einem leichten Lächeln schloß er seine Arme fest um ihren zarten Oberkörper: „Es ist vorbei, Kleines, keiner wird Dir mehr etwas tun!“ zur Bestätigung gab er ihr einen schüchternen Kuß auf den golden glänzenden Scheitel. Das schien sie ein wenig zu beruhigen, denn das Zittern wurde schwächer: „Ich hatte solche Angst, er würde...“ wimmerte sie kaum hörbar und drängte sich noch fester an ihn. Zärtlich fuhr ihr Fireball über das blonde Haar und schmiegte seinen Kopf sacht an ihren: „Ich hätte niemals zugelassen, daß er Dir weh tut, April. Niemals, hörst Du...“ er umschloß ihr verweintes Gesicht sanft mit den Händen und hob es ein wenig an, damit er direkt in ihre stahlblauen Augen schauen konnte. Ihr unregelmäßiger Atem strich über seine Wangen und er meinte sogar die Wärme ihrer Haut spüren zu können. „Ich werde Dich beschützen, solange ich lebe!“ liebevoll wischte er ihre Tränenspuren fort. Wie wunderschön April doch war, selbst wenn sie weinte! Unsicher beugte er seinen Kopf zu ihrem hinunter und berührte zaghaft ihre korallenroten Lippen mit den seinen. Es war nicht mehr als der Hauch eines Kusses gewesen, doch die Sekunde, in der er ihre weichen, vollen Lippen hatte schmecken dürfen, war für Fireball der schönste seines Lebens gewesen. „Ich...“ verschämt sah er zu Boden und wollte sie loslassen, doch da fiel ihm ein, was er Colt vorhin gesagt hatte: ‚Diese Mal will ich alles richtig machen!‘ Nun war er schon soweit gekommen, da konnte er auch endlich mit der Wahrheit herausrücken. Auf Aprils Lippen lag ein kleines Lächeln und das Leuchten ihrer Augen schien seine Gefühle zu erwidern: „Ich wollte Dir schon so lange...“ nein, so ging es nicht! Er versuchte einen dritten Ansatz, doch bevor er einen Ton heraus bringen konnte, hatte April ihren Mund auf seinen gepreßt. Ihre Zunge wanderte energisch über seine Lippen, bis Fireball die Sekunde der Überraschung verarbeitet hatte und sich nun dem innigen Gefühl des Kusses hingab. Er zog ihren Körper so fest an sich, daß er ihren Busen spüren konnte und ließ ihre Zunge seine Lippen passieren, damit sie den Weg zu seiner fand. Aprils Finger krallten sich fest in seinen Rücken und ihr Becken drängte sich fordernd gegen sein rechtes Bein. Fireball spürte eine ungeheure Wärme in sich aufsteigen. Wenn er nicht gleich etwas unternahm, würde ihn auch noch der letzte Funken Vernunft verlassen, der in ihm wohnte. Energisch schob er April einige Zentimeter von sich fort, auch wenn es ihm, und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen auch ihr, äußerst schwer fiel. Überwältigt betrachtete er ihre glühenden Wangen, den Ausschnitt ihres Dekolletés, das sich erregt hob und senkte und strich ihr zärtlich durchs Haar: „Wie lange habe ich mich nach diesem Moment gesehnt“, flüsterte er schwer atmend, während seine Hände auf ihren Schultern zum Ruhen kamen, „ich habe immer davon geträumt, Dich in den Armen zu halten, Deine Wärme zu spüren...ich liebe Dich, April!“ Er sah ein kurzes Zucken über ihr Gesicht huschen und im nächsten Moment füllten sich ihre Augen mit Tränen: „Ist...ist das wirklich Dein Ernst...“ er hatte ihre Worte kaum verstehen können. „Du weißt es doch, Kleines! Ich habe mich in dem Moment in Dich verliebt, als ich Dich das erste Mal gesehen habe“, verwundert starrte er auf die kleine Träne, die Aprils Wange hinunter kullerte und eine kleinen Fleck auf ihrem roten Overall hinterließ, „aber ist das so schrecklich, daß Du deswegen weinen mußt?“ „Blödmann“, lachte April herzlich und schlang die Arme um seinen Hals, „hast Du schon mal davon gehört, daß Menschen gelegentlich auch vor Freude weinen können!“ Fireball konnte das Glück kaum fassen, daß über ihm zusammenbrach: „Heißt daß...Du...“ „Du weißt es doch auch“, sie gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Nasenspitze und sah ihm dann tief in die Augen: „Ich liebe Dich, Fireball!“ Noch ehe April begreifen konnte, wie ihr geschah, hatte der Star Sheriff seine Arme um ihre Taille gelegt und sie hochgehoben. Wie ein kleiner Junge wirbelte er mit ihr im Kreis herum und jauchzte aus voller Kehle, bis April ihm protestierend gegen die Brust klopfte: „Laß mich runter Du verrückter, Kerl!“ grinste sie übermütig, aber Fireball dachte gar nicht daran, sie runter zu lassen. Blitzschnell griff er mit dem rechten Arm unter ihre Beine und trug sie nun wie eine Braut, die er über die Schwelle heben wollte zu seinem Red Fury hinüber: „Tut mir leid, Süße, aber Dich laß ich für den Rest meines Lebens nicht wieder los...“, etwas schwerfällig betätigte er einen kleinen Knopf an seinem Communicator und die Kanzel seines Rennwagens hob sich zischend um das Cockpit freizugeben, „und jetzt fahren wir nach Hause!“ Überwältigt blinzelte April ihn an: „Für den Rest Deines Lebens? Soll das etwa... ich meine... war das eben ein... Antrag?“ Fireball biß sich erschrocken auf die Unterlippe. ‚Ich glaube, die Frauen sagen Dir schon, wann Du ihnen einen Antrag gemacht hast!‘ hallten Colts Worte in seinem Gedächtnis wieder und er verstand, was der Cowboy damit gemeint hatte. Er schaute in Aprils wunderschönes Gesicht, in das Gesicht der Frau, die er so sehr begehrte und so sehr liebte, daß er jederzeit sein Leben für sie geben würde. Ein entschlossenes Lächeln trat auf seine Lippen, so entschlossen, wie April es noch nie zuvor gesehen hatte: „Ja, April, das war es!“ Kapitel 6: Kleine Geheimnisse ----------------------------- Ein Sonnenstrahl hatte sich den Weg durch die Wirren der Vorhänge gebahnt, die April vor ihre Schlafzimmerfenster gezogen hatte und kitzelte sie nun vorwitzig an der Nase. Müde öffnete sie die Augen, aber nur einen winzig kleinen Spalt weit, um das blendende Licht abzuwehren. Wie spät es wohl sein mochte? Halbherzig drehte sich der weibliche Star Sheriff auf die rechte Seite und griff nach dem kleinen Digitalwecker, der auf ihrem Nachttisch stand. Sieben Uhr neununddreißig, eine geradezu unchristlich frühe Zeit dafür, daß man heute einen freien Tag hatte. Aber das war wohl eines von Murphys ungeschriebenen Gesetzen. So wie das Brot stets mit der gebutterten Seite nach unten fiel, wollte der Körper die Chance partout nicht nutzen, wenn man einmal ausschlafen und es sich im Bett richtig gemütlich machen konnte. Sie würde also die Gunst der frühen Stunde nutzen und einige Dinge erledigen, die sie in der letzten Zeit aufgrund der Arbeit beim Kavallerieoberkommando schändlich vernachlässigt hatte. Da waren Einkäufe zu tätigen, ein ganzer Berg von Wäsche wollte endlich einmal gewaschen werden und die ganze Wohnung lechzte eigentlich nach einem Generalputz. Rundum feine Aussichten für das Verbringen eines lang ersehnten Urlaubstages! April vernahm ein leises Schnauben hinter sich und im nächsten Moment bewegte sich die Matratze unter ihr. "Fire?" sie warf einen Blick über die Schulter und stellte zufrieden lächelnd fest, daß der junge Mann neben ihr noch tief und selig schlummerte. Nicht zum ersten Mal dachte sie, wie niedlich er doch aussah, wenn er schlief, und mußte das Verlangen unterdrücken, ihn zu berühren. Er sollte ruhig noch ein wenig im Land der Träume weilen, sie würde sich in der Zwischenzeit ums Frühstück kümmern. Immerhin war es doch schön zu sehen, daß wenigstens ihr Verlobter nicht zur Festigung ihrer eben selbst aufgestellten These beitrug. Ausnahmen bestätigten ja bekanntlich die Regel. Zärtlich wanderten Aprils Blicke über Fireballs sanfte Gesichtszüge und seinen durchtrainierten, nackten Oberkörper. Seit beinahe einem Jahr teilten sie sich nun schon eine gemeinsame Wohnung, aber sie war es nie müde geworden, diesen Mann jeden Morgen aufs Neue zu betrachten. An manchen Tagen war sie so unheimlich glücklich, neben ihm aufwachen zu dürfen, daß es ihr vorkam, als sei alles nur ein schöner Traum. Doch wenn er dann seine starken Arme um sie legte und sie fest an sich zog, wußte sie, daß sie nicht träumte; Fireball war tatsächlich hier bei ihr. Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse hatte die beiden im Vorjahr endlich zusammen geführt und April war seither jede Sekunde ihres Bewußtseins dankbar dafür gewesen. Wenn alles gut ging und nichts unvorhergesehenes mehr dazwischen kam, würden sie im nächsten Jahr sogar heiraten, obwohl man bei ihrem Beruf nie genau wissen konnte, was für neue Herausforderungen auf sie zukamen. Das war eben das Los eines Star Sheriffs, mit dem man sich wohl oder übel abfinden mußte! Aber hatte nicht ihr Teamkamerad und bester Freund Colt eindrucksvoll bewiesen, daß auch ein Mitglied der Star Sheriffs in der Lage war, sich ein Familienleben aufzubauen? Seit fünf Monaten war er nun schon der glückliche Ehemann seiner angebeteten Robin und sprach bereits davon, wie schön es doch wäre, bald einen kleinen Colt auf dem Schoß sitzen zu haben. Kinder, so war April mit sich selbst überein gekommen, wollte sie keine mit Fireball in die Welt setzen. Nicht in den nächsten Jahren jedenfalls, auch wenn sie dieses Thema eigentlich noch nie mit dem zukünftigen Vater besprochen hatte. Sie liebte ihre Arbeit über alles, beinahe so sehr, wie sie Fireball liebte. Und sie wußte, daß sie sie würde aufgeben müssen, wenn sie sich entscheiden sollte, Kinder zu haben. Sie durfte ihrem Nachwuchs nicht zumuten, daß er ihre Mutter eventuell bei einem Sternengefecht mit Peripheriepiraten verlor; schließlich war es schon schlimm genug, daß den Vater ein solches Schicksal ereilen konnte! Nein, die Vorstellung, Fireballs Frau zu werden, war wunderschön, doch an so etwas wie Kinder wollte sie im Augenblick nicht denken! Sie warf dem schlafenden Star Sheriff einen letzten liebevollen Blick zu und schwang dann vorsichtig die Beine über die Bettkante, um ihn nicht zu wecken. Leise wie ein Einbrecher stahl sie sich hinüber in die Küche, wo sie das Frühstück vorbereiten wollte. Sie glaubte sich zu erinnern, daß sie am Vortag noch tiefgefrorene Croissants im Eisschrank entdeckt hatte und kam zu dem Entschluß, daß diese genau die richtige Grundlage für ein Frühstück bieten würden. Während die süßen Blätterteig-Hörnchen also im Ofen langsam zu ihrer vollen Größe heranwuchsen, holte April verschiedene Sorten Marmelade aus dem Kühlschrank und setzte einen kleinen Topf Milch auf den Herd. Sie war keine besonders überzeugte Kaffeetrinkerin, hatte aber schnell herausgefunden, daß Fireball ohne einen gewissen Coffeinschub morgens nicht zu gebrauchen war. Deshalb hatten sie sich irgendwann zu einem für beide Seiten akzeptablen Mittelweg durchgerungen, der da so wunderbar Milchkaffee lautete. Gerade als sie genüßlich einen Finger in den frisch geöffneten Waldhonig tunken wollte, spürte April, wie eine ungeheure Übelkeit in ihr hochstieg. Ihr kam es vor, als würde sich nicht nur ihr Magen, sondern ihre ganzen Eingeweide in ihrem Körper zusammenkrampfen. "Nicht schon wieder..." murmelte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und eilte so leise wie möglich ins Badezimmer. In letzter Zeit hatte sie häufiger mit dieser plötzlich auftretenden Übelkeit zu kämpfen, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, woher sie kam oder was sie verursachte. Es überfiel sie ohne Vorwarnung und verschwand meistens auch genauso schnell und unvorbereitet wieder. In den seltensten Fällen hatte sie sich übergeben müssen, doch sie konnte nie ganz sicher sein, wie schlimm es beim nächsten Mal werden würde. Hastig stieß sie die rechte Tür des Spiegelschränkchens im Badezimmer auf und griff nach der Flasche, die allzeit bereit im obersten Fach stand. Sie enthielt magenberuhigende Tropfen und April stellte mit Schrecken fest, daß der Inhalt bereits auf ein Drittel der ursprünglichen Flüssigkeit zusammengeschrumpft war. Sie füllte ihr Zahnputzglas mit zwei Zentimetern Wasser auf, gab 20 Tropfen der Medizin hinein und spülte die Mixtur mit einem großen Schluck hinunter. Dann ließ sie sich erschöpft auf dem heruntergeklappten Deckel der Toilette nieder und stütze den Kopf in die Hände. Was war in letzter Zeit nur los mit ihr? Anfänglich hatte sie vermutet, etwas falsches gegessen zu haben, aber weder ein verdorbener Fisch noch ein zu fettiger Burger würden einem länger als zwei Wochen Probleme bereiten. Es sei denn natürlich, man hatte sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen, die sich ganz bestimmt noch wesentlich eindrucksvoller als nur mit gelegentlicher Übelkeit präsentiert hätte. Sicherlich hatte sie sich nur einen schnöden Virus eingefangen, denn momentan hörte man ja von allen Ecken und Enden, daß sich die Leute mit Grippe und ähnlichen Krankheiten herumschlugen. Vielleicht war es ja sinnvoll, den freien Tag dahingehend zu nutzen, den Arzt zu konsultieren, um sich Gewißheit über die Eigendiagnose zu verschaffen. Schaden konnte das immerhin nicht und wahrscheinlich würde sie dann auch ein Medikament bekommen, mit dem sie gezielter gegen die Infektion vorgehen konnte! Als sich ihr Magen wieder beruhigt hatte, trottete April zurück in die Küche, um sich wieder dem Frühstück zu widmen. Die Übelkeit hatte ihrem Hunger keinen Abbruch tun können und mit kindlicher Vorfreude tauchte sie nun ihren rechten Zeigefinger in die dunkle, klebrige Masse, die in einem kleinen Einmachglas auf dem Tisch stand. Sie wartete, bis die überschüssigen Tropfen Honig zurück ins Glas gefallen waren und wollte sich dann an dem ergötzen, was an ihrem Finger haften geblieben war; doch gerade, als sie ihren Mund öffnete, schloß sich plötzlich eine Hand um ihr Gelenk. "Fireball..." schon war ihr Finger im Mund des zerzaust aussehenden Star Sheriffs verschwunden und sie spürte, wie seine Zunge mit hohem Genuß den Honig davon schleckte. "Beinahe so süß wie Du..." kommentierte er trocken, als er den Mund wieder frei hatte. "Ich dachte, Du würdest noch schlafen." April schob ihren Verlobten sanft von sich weg und öffnete den Ofen. Die Croissants hatten genau die richtige Bräune um verspeist zu werden. "Ich bin aufgewacht, als Du aufgestanden bist..." er wartete geduldig, bis April das heiße Blech auf dem Tisch abgestellt hatte, dann schlang er seine Arme um ihre schlanke Taille, "aber ich hatte gehofft, Du würdest noch einmal wiederkommen!" sein Mund senkte sich auf ihre nackte Schulter und bedeckte sie mit leidenschaftlichen Küssen. "Hör auf damit, Fire", April versuchte sich vergebens aus der Umklammerung zu befreien, "ich habe Hunger..." Zum Glück konnte sie das spitzbübische Grinsen auf seinem Gesicht nicht sehen: "Ich auch..." aber sie konnte spüren, wie sich Fireball noch enger an sie drängte und wie sich seine Hände unter ihr T-Shirt schoben. "Himmel, das ist ja wirklich unglaublich...", gluckste sie amüsiert, ließ ihn aber gewähren, "kriegst Du eigentlich niemals genug?" "Nein, von Dir nicht!" mit Schwung griff Fireball unter Aprils Beine und trug sie zurück ins Schlafzimmer. Eine halbe Stunde später saßen beide mit einem verklärten Lächeln in friedlicher Eintracht im Wohnzimmer und genossen ihr Frühstück. Aprils Haare waren wild zerzaust und auf Fireballs Gesicht lag eine schimmernde Röte: "Ich schätze, ich werde gleich erstmal duschen gehen..." "Willst Du, daß ich mitkomme?" April warf ihm ein kesses Lächeln zu, doch der Rennfahrer lehnte dankend ab: "Nein, Süße, ich glaube, das überlebe ich nicht!" "So, so...", pikiert biß sie in ihr Croissant und tat so, als sei sie beleidigt, "vorhin noch große Töne spucken, daß Du von mir nicht genug kriegen kannst, und jetzt war die halbe Stunde eben schon das höchste der Gefühle!" "Tut mir ja wirklich leid", antwortete Fireball ungerührt und streckte sich ausgiebig, "aber Du hast mich eben ehrlich geschafft." "Dann will ich den Herrn natürlich nicht in seiner Phase der Regeneration stören!" "Kein Bange..." Fireballs Augen verengten sich verschwörerisch, "der Tag ist schließlich noch lang und wir haben ihn ganz für uns alleine." April erhob sich und griff nach den Überresten ihrer Mahlzeit: "Wenn Du glaubst, ich verbringe heute den ganzen Tag im Bett mit Dir, dann hast Du Dich geschnitten Schnuckiputz!" sie klemmte sich drei Konfitüregläser unter den linken Arm und nahm ihren Teller in die Rechte. Der Rennfahrer schob sich widerstrebend den letzten Bissen seines Croissants in den Mund und stand dann auf, um ihr zu helfen: "Und was, wenn ich fragen darf, schwebt Dir in Deinem hübschen Köpfchen für den heutigen Tag so vor?" er schlurfte hinter ihr her in die Küche und verstaute Milch und Butter im Kühlschrank. Wie er April kannte, wußte er die Antwort bereits und hatte eigentlich keine große Lust, diese von ihr bestätigt zu bekommen. "Ach", seine Verlobte zögerte kurz, so als war sie sich nicht ganz schlüssig darüber, was sie sagen sollte, "ich dachte, ich mache mal wieder einen kleinen Einkaufsbummel mit Robin..." Fireball setzte eine gequälte Leidensmiene auf; er hatte es ja gewußt! Aber vielleicht konnte er ihr die Idee ja noch austreiben? "Ich verstehe überhaupt nicht, wieso es Dir Spaß macht, ausgerechnet mit Robin einzukaufen. Ich meine was Mode angeht, können zwei Meinungen wohl kaum verschiedener sein, als Eure oder?" gedanklich verglich er die ewig sittsam gekleidete Frau seines Freundes Colt mit seiner gar nicht so sittsamen April. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie von einer Boutique in die nächste stürmte, peinlich genau darauf bedacht auch nicht zu wenig von ihrem hart verdienten Geld auf den Kopf zu hauen, während Robin sich dreimal überlegte, ob eine schlichte weiße Bluse nicht ein zu gewagtes Outfit sei! "Auf alle Fälle brauche ich Robin nicht zu erklären, welche verschiedenen Größen es gibt!" "Hey..." nun war der Rennfahrer doch gekränkt. Daß April aber auch immer wieder auf dieser einen blöden Geschichte herumreiten mußte: "Wenn Du meine kleinen Andeutungen nicht kapierst, kann ich da auch nichts für, Süße. Und außerdem bin ich mir ziemlich sicher, daß Robin ein nicht halb so guter Packesel sein wird, wie ich!" herausfordernd verschränkte er die Arme vor der Brust. "So ist das", April versetzte ihm im Vorbeigehen einen Klaps auf den Allerwertesten, "sag doch gleich, wenn Du lieber mit mir einkaufe gehen möchtest..." "NEIN!" vor Schreck wäre ihm beinahe die Luft weggeblieben. April brach in schallendes Gelächter aus und trollte sich hinüber ins Badezimmer. Hier stand noch immer das Glas, aus dem sie vorhin ihre Medizin getrunken hatte. Fireball brauchte nicht zu wissen, daß sie den Arzt aufsuchen wollte, er würde sich ja doch nur wieder unnötig Sorgen um sie machen. Sie würde nach ihrer Rückkehr einfach sagen, daß sie nichts passendes gefunden hatte, was ihn zwar sehr erstaunen, aber letztendlich doch zufrieden stimmen würde! "Ich denke, ich werde heute mal wieder ein paar Runden auf der Piste drehen, mein Red Fury weiß glaube ich schon gar nicht mehr, wie sich der fünfte Gang anfühlt bei diesem blöden Stadtverkehr!" rief Fireball aus dem Schlafzimmer herüber. Um so besser, dachte April. Sie hatte schon gefürchtet, er würde etwas mit Colt unternehmen wollen. Unter den Umständen hätte sie Robin in ihr Geheimnis einweihen müssen, was die ganze Sache nur zusätzlich verkompliziert hätte. Auf der Grand Prix Strecke von Yuma würde Fireball aber weder auf Robin noch auf Colt treffen und ihre Tarnung würde hieb- und stichfest bleiben. Zufrieden steckte sie sich ihre Zahnbürste in den Mund und begann sie gemütlich auf und ab zu bewegen, während sie mit der freien Hand versuchte, ihre Haare wieder ein wenig zu richten. Einfach unglaublich, was Fireball da wieder mit ihr angerichtet hatte. "Sag mal", Fireball erschien im Türrahmen und lehnte sich lässig dagegen, in der Hand hielt er einen Brief, "ist Dein guter Daddy in letzter Zeit ein wenig arg überarbeitet, oder redet Ihr nicht mehr miteinander?" "Nein", nuschelte April und spuckte den Zahnpastaschaum ins Waschbecken, "er hat mir nie wirklich verziehen, daß ich mich mit so einem nichtsnutzigen Rennfahrer verlobt habe..." "Au contraire, Madame! Mir hat er neulich erst wieder mit Tränen in den Augen seine tiefe Dankbarkeit ausgedrückt. Hat wohl schon befürchtet, Dich gar nicht mehr loszuwerden, der Ärmste!" April wollte nach einem Handtuch greifen, um es nach ihm zu schmeißen, doch dann sah sie wieder den Brief in seinen Händen: "Wieso hörst Du nicht auf, soviel Blödsinn zu erzählen und sagst mir, was für einen ominösen Brief Du da hast." Das Grinsen des Rennfahrers wurde noch breiter: "Ist vom Kav-Com... hast Du gewußt, daß König Jared und sein Prinzenröllchen heute zu einem Staatsbesuch erwartet werden?" "Wie meinen der Herr?" "Na, ja..." Fireball machte keinen allzu großen Hehl daraus, daß er Prinz Roland nicht zu den sympathischsten Menschen zählte, die er in seinem Leben getroffen hatte, "Du weißt schon, dieser königliche Dings, na, Prinz eben!" April zuckte gleichgültig mit den Schultern: "Ja..." "Was, ja?" der Rennfahrer machte ein verwirrtes Gesicht, was seine Verlobte zu amüsant fand. "Na, Du hast doch eben gefragt, ob ich wußte, daß die beiden zu Besuch kommen..." "Ja?" "Ja!" "Tut mir leid", Fireball hüstelte verlegen, "ich verstehe zur Zeit nur Bahnhof!" "Himmel, bist Du heute wieder von der schnellen Truppe, da hat ja Colt mehr Grips im Hirn", das grenzte schon nahe an eine ernsthafte Beleidigung, "Du hast gefragt ob ich es wußte und ich habe gesagt ja, weil ich es eben wußte! Jetzt verstanden, oder soll ich es Dir schriftlich geben?" sie wandte sich von Fireball ab, um sich wieder ihren Haaren zu widmen. "Wie, Du hast es gewußt?" das war ja wohl unglaublich, "wieso hast Du es mir nicht erzählt?" da war man schon mit der Tochter von Commander Eagle verlobt und war trotzdem nicht besser informiert, als der Durchschnittsbürger! "Weil es eine streng vertrauliche Sache ist natürlich. Der Besuch ist inoffiziell und es soll nichts an die Presse gelangen. Außerdem werden wir erst morgen zum Empfang mit ihnen erwartet, Du kannst also noch ein bißchen an Deinen Manieren pfeilen. Und jetzt sei brav und zieh Dir endlich etwas an, ja!" mit mütterlicher Stimme scheuchte April ihn aus dem Bad und schloß die Tür hinter sich. Kaum daß sie alleine war, konnte sie sich aber ein breites Grinsen nicht verkneifen. Es war doch immer wieder zu schön, ihn ein bißchen zu ärgern. Und sie wußte, daß es ihn geradezu rasend machte, wenn sie mehr Informationen über anstehende Geschehnisse hatte als er. Draußen streckte Fireball der verschlossenen Tür hingebungsvoll die Zunge heraus: "Herzloses Stück..." murmelte er eingeschnappt und warf den Brief beiseite, "manchmal frage ich mich wirklich, wieso ich Dich je habe in meinen Red Fury einsteigen lassen. Ich hätte mir soviel Ärger ersparen können, wenn ich einfach an Dir vorbei gebraust wäre!" "Hast Du was gesagt, Schatz?" April steckte den Kopf zur Tür heraus und Fireball sprang erschrocken einen Schritt zurück: "Nein, nein, gar nichts... ich habe nur gerade festgestellt, was für ein unglaublicher Glückspilz ich doch bin, mit Dir verlobt sein zu dürfen." "Na dann ist ja gut!" und schon flog die Tür wieder ins Schloß. Einige Stunden später kehrte April gut gelaunt von ihrem ominösen Einkaufsbummel mit Robin zurück. Sie hatte nach ihrem Besuch beim Arzt tatsächlich noch einen kleinen Schaufensterbummel gemacht und dabei einen äußerst netten Jeansanzug gefunden, den sie sogleich anprobieren mußte. Der Abstecher zu Dr. Petry war schneller und reibungsloser verlaufen, als sie sich das vorgestellt hatte. Ihr wurden eine Blut- und eine Urinprobe für das Labor abgenommen und die Schwester am Empfang hatte ihr versichert, daß man sie anrufen würde, sobald der Befund feststand. Der Doktor hatte ihr aber bereits versichert, daß es sich kaum um etwas ernstes handeln würde, das man nicht mit ein oder zwei gezielt eingesetzten Medikamenten beheben konnte. Es war also doch ganz gut gewesen, daß sie Fireball gar nicht erst davon erzählt hatte! Fröhlich betrachtete April sich im großen Spiegel ihres Schlafzimmerschrankes. Die Jeans und auch das Oberteil dazu waren wunderbar geschnitten und betonten ihre gut gebaute Figur, als hätte sie für den Anzug Modell gestanden. Das Vorderteil des Tops, eine ärmellose Weste, war wie eine Fahne gearbeitet und in schlichtem blau, rot und weiß gehalten. Das gleiche Muster wiederholte sich auf den Hosentaschen und unterhalb des Knieansatzes der Jeans. Fireball würde ausflippen, wenn er sie darin sah! Und als wenn sie es geahnt hätte, hörte sie einige Sekunden später das Klappern von Schlüsseln, mit denen sich jemand an ihrer Wohnungstür zu schaffen machte. Ein durchgeschwitzer, dunkelhaariger Rennfahrer betrat das Schlafzimmer. Auf seiner Stirn hatte sich ein tiefes Muster in die Haut gedrückt, wo sein Helm gesessen hatte und seine nassen Haare waren eng an den Kopf gedrückt: "Hallo, Süße", begrüßte er April müde und zog sich sogleich sein rotes Shirt über den Kopf, "was hast Du denn da an?" "Gefällt es Dir", April vollführte eine Pirouette um die eigene Achse, "habe ich mir vorhin gekauft. Sieht klasse aus, oder?" sie wartete gespannt auf ein nettes Kompliment. "Hm, was soll denn das sein? Die Fahne von Jare, sozusagen als Ehrerbietung?" das war wohl nicht ganz das, was April hatte hören wollen. "Nein, das ist nicht die Fahne von Jare. Das ist eine alte terranische Flagge. Der Union Jack! Sowas kommt jetzt wieder voll in Mode..." enttäuscht beobachtete sie, wie Fireball das Zimmer verließ, ohne ihre Errungenschaft noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Das war ja eine schöne Pleite. "Sag mal, hattest Du nicht gesagt, Du wolltest mit Robin einkaufen gehen?" April wurde hellhörig. Eine kleine Alarmglocke begann in ihrem Kopf zu klingen und ihr Puls beschleunigte sich. Diese Frage war nicht so harmlos, wie Fireball versucht hatte, sie zu stellen; so etwas hatte er noch nie sonderlich gut verbergen können. Vielleicht war es besser, direkt in die Offensive zu gehen, bevor sie sich unglücklich in Notlügen verfranste! "Eigentlich schon, aber ich habe es mir dann doch anders überlegt. Robin hat einfach nicht die Ausdauer für eine gute Shopping-Tour..." würde diese Antwort reichen, um Fireball aus der Reserve zu locken? "Ach so", April konnte gerade noch sehen, wie der Star Sheriff mit entblößtem Körper an ihr vorbei ins Badezimmer huschte, "ich habe sie nämlich vorhin getroffen, als ich von der Rennstrecke wiederkam und sie wußte nichts davon, daß Ihr zusammen einkaufen wolltet." Erleichtert atmete sie auf. Zum Glück hatte sie die Variante des Angriffs gewählt; die Sache hätte nach hinten losgehen können, wenn sie bei ihrer ursprünglichen Geschichte geblieben wäre. "Sie läßt Dich schön grüßen und hat gefragt, ob wir heute abend vielleicht zusammen ins Mexican gehen wollen..." der Duschkopf wurde aufgedreht und April mußte ebenfalls ins Bad hinüber gehen, um die Konversation fortsetzen zu können. Jetzt lehnte sie sich an den Türrahmen und beobachtete fasziniert, wie das Wasser Fireballs nackten Körper hinunterlief: "Das ist eine ganz hervorragende Idee. Ich habe schon ewig keine Caipi mehr getrunken!" bei dem Gedanken an die leckeren Cocktails, die in ihrer Lieblingsbar serviert wurden, lief April bereits jetzt das Wasser im Mund zusammen. "Dann geh und ruf sie an, anstatt wie gebannt auf meinen Adoniskörper zu starren!" "Pf..." völlig desinteressiert drehte April sich weg, "irgendwann wird der Herr wohl noch mal an seiner Bescheidenheit zugrunde gehen..." sie schloß die Tür hinter sich, um Fireballs Antwort auf diese kleine Nettigkeit nicht hören zu müssen. Sie ging hinüber zum Schreibtisch, wo ihr Com-Line Gerät stand und drückte eine der Kurzwahltasten. Es dauerte einige Sekunden, dann begann der Monitor zu flackern. Erwartungsvoll beugte April sich nach vorn und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab. Ein Blitz zuckte über den Bildschirm und plötzlich verwandelte sich der Schnee in die scharfen Konturen eines grinsenden Cowboys: "Was liegt an..." Colts Lächeln wurde noch breiter, als die Verbindung endgültig hergestellt war, "uh, April-Baby, also wenn ich nicht schon verheiratet wäre, würde mich Dein momentaner Anblick glaube ich ganz schön aus den Socken hauen!" "Oh, Colt", April bemerkte peinlich berührt, daß die Webcam genau auf den Ausschnitt ihres neu erstandenen Outfits zielte, "werd endlich erwachsen!" schnell zog sie sich einen Stuhl heran, um dem Cowboy nicht noch mehr Einsicht auf ihre Anatomie zu gewähren. Wie zu erwarten, konnte er seine Enttäuschung darüber kaum verbergen: "Schade, Süße, von mir aus hättest Du gern so stehen bleiben können. Reizendes Teil, das Du da trägst, ist das neu?" Typisch, daß Colt der erste sein mußte, der ihr ein Kompliment zu ihrem neuen Erwerb machte: "Stimmt auffallend, Cowboy. Kannst Du unseren kleinen Rennfahrer nicht mal ein bißchen in die Richtung erziehen, daß er mir auch solche Komplimente macht?" "Sorry, holdes Wesen, aber das fällt nicht mehr in meinen Zuständigkeitsbereich! Matchbox gehört jetzt allein Dir, sieh zu, daß Du noch was anständiges aus ihm machst." "Hm, die Hoffnung auf Besserung habe ich eigentlich schon aufgegeben", April zwängte ein müdes Lächeln hervor, "aber sag mal, ist Dein Frauchen auch zugegen?" "Weib", Colt blickte über die Schulter nach hinten, "die eiserne Jungfrau will Dich sprechen!" Von beiden Seiten der Com-Verbindung drang ein erbostes "Colt!" auf den Cowboy ein und im nächsten Moment sah April, wie sich ihre Freundin Robin ins Bild schob. "Hallo, Mrs, Willcox, wie geht es Ihnen?" "Danke, nachdem ich meinem Mann gleich die Leviten gelesen habe, bestimmt noch besser. Und selber Mrs. Hikari?" Robin strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn und versuchte, die aufkochende Wut über Colts Bemerkung zu unterdrücken. "Noch ist es nicht soweit, mein Liebe", flötete April fröhlich, "rein theoretisch kann ich noch einen Rückzieher machen!" "Das wirst Du mir nicht antun, April! Laß mich bloß nicht mit diesem Haufen von Raufbolden und Schwachköpfen allein!" "Hey, wer ist hier ein Schwachkopf?" drang Colts verzerrte Stimme über die Lautsprecher. "Kannst Du ihn nicht einfach vor die Tür schicken? Macht man doch mit Hunden, die nicht gehorchen auch!" "Wer hat Dich eigentlich nach Deiner Meinung gefragt, Baby? Bist heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden, bist Du!" "Ach, Colt, jetzt halt doch mal den Mund, wenn sich zwei Erwachsene unterhalten..." unwirsch machte Robin eine Handbewegung in die Richtung, in der April den Cowboy vermutete, "was wolltest Du denn von mir April?" "Oh", April versuchte sich das Lachen zu verkneifen, "ich wollte eigentlich nur sagen, daß wir heute abend gern mit ins Mexican kommen." Robins Miene hellte sich auf: "Ach, das ist schön. Wir sind schon so lange nicht mehr zusammen weg gewesen." "Ja, ja, die lästige Arbeit..." "Wollen wir uns dann dort treffen? Sagen wir, so gegen 20:00 Uhr?" Robin warf einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr. "Ja, prima, aber sieh zu, daß Du Deinen Mann bis dahin noch ein bißchen züchtigst!" "Kein Sorge, April, das werde ich!" damit unterbrach Robin die Verbindung und April saß wieder vor einem schwarzen Monitor. Kaum daß sie aufgestanden war, um sich ein wenig im Haushalt zu betätigen, meldete ihr ein stetes Piepen, daß nun ein Teilnehmer versuchte, sie über Comline zu erreichen. Sie drückte den kleinen blinkenden Knopf und abermals zuckte ein Blitz über den Bildschirm. "April, bist Du es?" erklang die joviale Stimme von Commander Eagle, noch bevor sich sein Bild endgültig manifestiert hatte. "Hallo Daddy... was gibt es denn?" April hörte, wie Fireball hinter ihr das Badezimmer verließ. "Ich wollte Dich um einen kleinen Gefallen bitten, April!" Der Rennfahrer blieb in sicherer Entfernung stehen, damit der Commander ihn nicht sehen, er aber mithören konnte, was sein Vorgesetzter zu sagen hatte. "Schieß los, Daddy, was kann ich für Dich tun." "Du weißt ja, daß König Jared und sein Sohn heute hier eingetroffen sind, nicht wahr, April?" der weibliche Star Sheriff nickte und hörte ein leises Schnauben aus Fireballs Richtung. Anscheinend war er immer noch sauer, daß sie ihm nichts davon erzählt hatte. "Nun", der Commander fuhr unbeirrt fort, "Prinz Roland hat darum gebeten, sich ein bißchen das Nachtleben von Yuma anzusehen, um ein wenig von unserer Lebensart kennenzulernen. Und ich dachte, Ihr könntet vielleicht..." "Aber gerne doch Daddy", April klatschte erfreut in die Hände, während der Rennfahrer dachte, er sei im falschen Film. Während April ihrem Vater von den Plänen des Abends erzählte, versuchte er ihr klare Anzeichen zu machen, daß er nicht die geringste Lust verspürte, sich mit Prinz Roland ins nächtliche Getümmel von Yuma zu stürzen. Aber es half nichts. Entweder konnte oder wollte sie seine Anstrengungen nicht sehen, und somit wurde vereinbart, daß eine Eskorte den Prinzen bis zum Mexican geleiten sollte, wo die Star Sheriffs sich dann seiner annehmen würden. Als das Gespräch beendet war, drehte sich April zu einem resigniert dreinblickenden Fireball um: "War das wirklich nötig? Seit Wochen haben wir mal wieder etwas vor und müssen ausgerechnet für den den Babysitter spielen..." "Ich weiß gar nicht, was Du gegen Roland hast. Er ist doch ein netter Kerl!" "Oh ja", Fireball winkte müde ab, "und eingebildet und versnobt und so verdammt... französisch!" "Nun hör mir mal gut zu, Freundchen", April baute sich drohend vor ihm auf und bohrte ihm den rechten Zeigefinger in die Brust, "zufällig stammen meine Vorfahren auch aus Frankreich, damit Du es nur weißt!" "Ja, ja", beschwichtigend legte Fireball ihr die Arme auf die Schultern, "und meine Vorfahren sind irgendwann mal japanisch gewesen und trotzdem kann ich mich wie ein zivilisierter Mensch artikulieren! Wenn ich allerdings unser Prinzchen reden höre, kräuseln sich mir die Zehennägel!" er schüttelte sich angewidert und April konnte nicht anders als zu grinsen: "Dann wirst Du das eben heute abend mal über Dich ergehen lassen müssen." "Werde ich wohl. Da kann ich ja im Prinzip nur hoffen, daß Colt einen guten Tag hat." "Damit, mein Schatz", April erinnerte sich an den kleinen Disput zwischen dem Cowboy und Robin, "würde ich an Deiner Stelle lieber nicht rechnen!" "Ihr habt was?" Colt starrte wild zwischen April und Fireball hin und her, so als könnte er sich nicht entscheiden, wem er zuerst an die Gurgel springen wollte. "Halt mich bitte da raus, Kumpel, meine Idee ist das nicht gewesen!" der Rennfahrer kickte mißmutig einen Kiesel auf die Straße vor dem Mexican, einer, wie der Name schon sagte, mexikanisch angehauchten Bar, in der sich die Star Sheriffs häufiger mal zu einem gemütlichen Drink einfanden. Es war kurz vor acht und Robin und Colt waren gerade eingetroffen. Und natürlich war das erste, was Fireball seinem Freund hatte erzählen müssen gewesen, daß April den Sohn von König Jared mit zu der kleinen Gesellschaft gebeten hatte. "Und was hat sich Miss Eagle dabei gedacht?" der Cowboy hatte die Nachricht beinahe noch schlimmer aufgenommen, als Fireball: "Unsere werte Gesellschaft ist Dir wohl nicht mehr fein genug wie? Jetzt mußt Du schon dieses Aristokratensöhnchen einladen. Wenn Du mich fragst, ist das ein ganz mieser Scherz, ist es!" "Jungs, nun kriegt Euch mal wieder ein!" April hob beschwichtigend die Hände um den beiden Streithähnen Einhalt zu gebieten: "König Jared und Prinz Roland sind nun einmal unsere Gäste und es ist ja wohl das mindeste, daß wir uns ein wenig um sie kümmern!" "Dann mach Du das doch, holde April", Colt war stur wie ein alter Maulesel, "ich werde diesen Kerl auf jeden Fall nicht den ganzen Abend ertragen können. Da gehe ich ja lieber ins Kino und gucke mir so eine blöde Liebesschnulze an!" "Nimmst Du mich mit, hombre? Dann brauche ich mir dieses dumme Gesülze von dem Fuzzi auch nicht anzutun!" "Also, ganz ehrlich, Ihr zwei spottet ja jeder Beschreibung!" Robin, die sich bis dahin noch vornehm zurück gehalten hatte, stemmte jetzt die Arme in die Hüften und bedachte die Männer mit einem tadelnden Blick: "Wie kann man nur so engstirnig sein, wie Ihr?" "Liebste Robin", versuchte Colt seine Frau zu beschwichtigen, "Du kennst diesen Schnösel eben nicht. Wenn Du wüßtest, wie aufgeblasen und..." "Vielen Dank, aber wenn du gestattest, bilde ich mir mein Urteil über einen Menschen doch noch gerne selber!" sie schien wirklich verärgert. "Ganz genau, hör nicht auf die beiden Blödis, Robin", April versetzte Fireball einen Knuff in die Seite, "die haben beide immer noch mächtig an ihrem verletzten Stolz zu knabbern." Die beiden Star Sheriffs blickten sich an, als habe April gerade verkündet, Ostern und Weihnachten falle nächstes Jahr auf ein und denselben Tag. "So ein ausgemachter, Schwachsinn, welches kranke Vögelchen hat Dir denn das ins Ohr gekrächzt", Colt tippte sich kurz an seinen Hut, so wie er es immer tat, wenn ihn die Verlegenheit packte, "ich finde es nur unmöglich, daß die hier einfach auftauchen, wir bekommen nichts weiter als diesen flüchtigen Brief von heute morgen und müssen dann auch noch die Pausenclowns für das Prinzesschen spielen..." "Entschuldige, wenn ich Deinen wortgewandten Redeschwall so einfach unterbreche, edler Kuhtreiber", Fireball legte ihm einen Arm um die Schulter und wies mit dem anderen auf April, "aber dieses so unschuldig anmutende Wesen dort hat bereits vor dem Brieflein heute morgen gewußt, was Sache ist!" April funkelte ihn wütend an: "Ach, immer noch beleidigt, weil ich informiert war und Du nicht?" "Nein, ich finde es nur nicht in Ordnung, wenn Du Geheimnisse vor mir hast!" "Matchbox, sieh es ein, unsere Gesellschaft ist langsam dem Untergang geweiht. Wenn die Frauen erstmal die heimliche Macht übernehmen..." theatralisch nahm der Cowboy seinen Hut ab und hielt in vor seine Brust. Robin konnte darüber nur den Kopf schütteln: "Darf ich Euch mal sagen, wie ausgesprochen kindisch Ihr Euch aufführt? Ihr solltet Euch mal hören!" "Wer benimmt sich hier schon wieder kindisch?" mischte sich plötzlich eine weitere Stimme in die muntere Unterhaltung ein. "Oh, Saber..." strahlend umarmte April den Neuankömmling und verdrehte dann genervt die Augen, "ich glaube, Du willst die Antwort auf die Frage nicht wirklich wissen!" Sabers Blick wanderte amüsiert zu Colt und Fireball hinüber: "Nein, ich denke, ich kann sie mir auch denken." "Hey, hombre", echauffierte sich der Cowboy, der es gar nicht leiden konnte, wenn sich auch noch ein Mann auf die Seite der Frauen schlug, "wer hat Dich denn überhaupt hinter Deinem PC vorgelockt. Eigentlich sollte das hier eine Privatparty werden!" "Ich freue mich auch, Dich zu sehen, Colt!" grinste der Anführer der Star Sheriffs munter zurück und sah sich suchend um: "Ist denn unser hoher Besuch noch nicht eingetroffen?" Fireball verdrehte die Augen: "Wieso wundert es mich gar nicht, daß Du mal wieder voll im Bilde bist, edler Säbelschwinger, während wir zwei wieder wie Deppen aus der Wäsche gucken!" "Jedem das, was ihm zusteht!" April streckte Colt die Zunge heraus und unwillkürlich mußten alle bis auf den Cowboy anfangen zu lachen: "Tja, Kumpel, seiht ganz so aus, als hätten wir hier nichts mehr zu melden." Auf der gegenüber liegenden Straßenseite hielt eine schwarze Limousine. Die fünf blickten gebannt hinüber und warteten darauf, daß sich eine der Türen des Fahrzeuges öffnete. Ob das wohl Prinz Roland war? Eine Weile geschah nichts, doch dann stieg eine junge, rothaarige Frau auf der Beifahrerseite aus und lächelte zu ihnen hinüber. Sie trug ein kurzes rotes Kleid mit gerafften Ärmeln, das ihre durchtrainierte Figur zur Geltung brachte. "Caramba..." entfuhr es dem Cowboy, denn auch durch seine Hochzeit mit Robin war sein Blick für das schöne Geschlecht nicht getrübt worden. "Colt", raunzte ihm Fireball zu und warf schnell einen Blick zu Robin hinüber, "darf ich Dich daran erinnern, daß Du verheiratet bist?" Wie, als wenn ihm gerade etwas wichtiges eingefallen war, kniff Colt die Augen zusammen: "Hach, ja, manchmal bin ich echt vergeßlich..." "Seht mal, da ist ja unser Ehrengast." Saber Rider wies auf den jungen Mann, der nach der Rothaarigen das Auto verlassen hatte. Er trug ein weißes Hemd mit grauen Streifen, dessen obere zwei Knöpfe lässig offen standen. Er hatte nicht viel gemein mit dem Prinzen Roland, den sie damals in Jare kennengelernt hatten. Freundlich winkte er ihnen zu. "Ich glaub, mich laust der Affe..." Fireball kratzte sich am Kopf und war kurz davor Colt darum zu bitten, ihn in den Arm zu kneifen. Das konnte nicht Prinz Roland sein. Der junge Mann bot dem Mädchen galant seinen Arm an und führte sie zu der kleinen Gruppe hinüber. "Prinz Roland..." April trat mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, "es freut mich, daß Ihr unserer Einladung nachgekommen seid. Es ist lange her, daß wir uns gesehen haben!" Ganz Gentleman ergriff Roland ihre Hand und senkte seine Lippen darauf nieder, was April die Röte ins Gesicht trieb: "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, meine Liebe!" Der Rennfahrer spürte einen Würgreiz in sich aufsteigen; wie sehr er diesen französischen Akzent hasste! Und dann erdreistete sich dieser Casanova auch noch, seiner Verlobten die Hand zu küssen! "Isch möschte misch ganz erzlisch für die Einladung bedanken. Es ist sehr freundlisch, daß Sie uns ein wenig dursch ihre Stadt führen wollen." Saber Rider ergriff das Wort: "Es ist uns eine Ehre Hoheit, aber darf ich fragen, wer diese reizende Dame in Eurer Gesellschaft ist?" "Oh, wie unöflisch von mir..." der Prinz vollführte eine knappe Verbeugung und schob dann die junge Frau weiter in den Kreis der Umstehenden: "Darf isch vorstellen, Lieutenant Christa McRae, Navigationsexpertin der Monarch Supreme!" Verlegen schaute sie in die fremden Gesichter: "Bitte, nennen Sie mich Chris, alles andere klingt so förmlich..." "Avec plaisire", flötete Colt in seinem schlechtesten Französisch, "mein Name ist Colt und das hier ist meine Frau Robin!" Die beiden Frauen schüttelten sich die Hände: "Es ist erstaunlich, daß er mich nicht vergessen hat, denn beim Anblick einer so schönen Frau wie Ihnen läßt sein Gedächtnis in Bezug auf seine Ehe schon manches Mal zu wünschen übrig." Christa lachte hinter vorgehaltener Hand und Fireball ergriff die Gelegenheit, daß es Colt die Sprache verschlagen hatte: "Mein Name ist Fireball und das ist April Eagle, Navigator von Ramrod." "Oh, ja", interessiert musterte Christa ihr Gegenüber, "ich habe schon so vieles von Ihnen gehört April. Ich finde es bewundernswert, daß Sie mit so einem gigantischen Schiff wie Ramrod arbeiten können." April winkte müde ab: "Ach was, Ramrod ist auch nicht viel größer als die Monarch Supreme. Und die Systeme machen ja doch die meiste Arbeit!" "Aber Ladies, um Euch über die Arbeit zu unterhalten habt Ihr nachher noch Zeit genug!" Saber nahm Christa am Arm und führte sie ohne weitere Kommentare abzuwarten in die Bar. Roland tat das gleiche bei April und Robin ließ sich von Fireball und Colt in das Etablissement eskortieren. Entgegen Colts und Fireballs schlimmsten Erwartungen wurde der Abend für alle sehr nett und die Star Sheriffs fanden bald heraus, daß sie Prinz Roland vielleicht doch falsch eingeschätzt hatten. Er war wie ausgewechselt, so als hätte sein wahres Ich nur darauf gewartet, der Rolle als Prinz endlich einmal entfliehen zu können. Nach dem dritten oder vierten Cocktail schaffte Colt es sogar, ihm das Du aufzudrücken. Zuerst hatte er sich ja noch ein wenig dagegen gewehrt, aber gegen die Waffen einer schönen Frau war auch ein Monarch machtlos. "Komm schon Lando, hab Dich nicht so", Christa McRae verpaßte dem Prinzen einen kameradschaftlichen Knuff in die Seite, nachdem er Colts nett gemeintes Angebot hatte ablehnen wollen, "versuch doch einmal, Dich wie ein normaler Mensch aufzuführen!" Christa war einfach eine klasse Frau, das mußten selbst Robin und April neidlos zugeben. Sie sah nicht nur blendend aus, sondern hatte auch einen klugen Kopf auf ihren Schultern, besaß Witz und Charme. Es waren nur Minuten vergangen, als die Star Sheriffs sie bereits als eine der ihren akzeptiert hatten. "Isch abe Dir schon so oft gesagt, daß Du misch nischt in aller Öffentlischkeit so nennen sollst!" zischte Roland unwirsch und zog natürlich unweigerlich die Aufmerksamkeit der ganzen Runde auf sich. Da hatte er sich wohl in eine Art Erklärungsnot manövriert, aus der er nicht einfach so herauskommen würde. Unbewußt nahm er das Angebot des Cowboys nun doch an: "Ihr müßt wissen, Christa ist eine Fanatikerin wenn es um diese alten terranischen Science-Fiction Filme geht. Diesen komischen Namen muß sie irgendwo in so einem Film aufgeschnappt aben und seiter läßt sie sisch nischt mehr davon abbringen, misch so zu nennen!" Colt gluckste vergnügt und Schlug seinem neu gewonnenen Freund kräftig auf die Schulter: "Weißt Du, Prinzessin, ich finde, der Name steht Dir gar nicht schlecht!" April versetzte Colt unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein und der Cowboy heulte vor Schmerz auf: "Gott, April, bist Du übergeschnappt, ich glaube, Du hast mir das Bein gebrochen!" "Das kommt davon, daß Du immer so unsensibel sein mußt..." versöhnlich warf die junge Frau Roland ein Lächeln zu. "Ach was, April, das ist schon in Ordnung. Wenn isch ehrlisch sein soll, habe isch misch mehr oder weniger schon daran gewöhnt." Dankbar nickte Colt ihm zu: "Da kannst Du mal sehen, was ich alles zu ertragen habe, Kumpel", herausfordernd blickte er zwischen April und Robin hin und her, "da hat man es schon zu Hause nicht leicht und muß sich ständig der zeternden Ehefrau fügen, und dann muß man sowas auch noch ständig bei der Arbeit ertragen..." "Colt, ich glaube, Du hast langsam genug getrunken!" die mahnenden Worte seiner Frau gingen im allgemeinen Lärm unter. "Aber mein Kumpel Fireball hier, der ist ja noch viel schlimmer dran", er machte eine kurze Pause, so als wollte er dem Prinzen eine Gelegenheit für ein wenig Mitleid geben, "der wohnt auch noch mit dieser Furie zusammen und beabsichtigt sogar noch, sie demnächst zu heiraten. Wenn Du mich fragst, hält sie ihn irgendwie mit Drogen unter Kontrolle!" Christa brach in schallendes Gelächter aus: "Also ehrlich Leute, seid Ihr immer so? Wie hältst Du das bloß aus, Saber?" Ihr Lachen war so herzerfrischend, daß die anderen nicht umhin konnten miteinzustimmen. "Das frage ich mich auch jeden Tag aufs neue." So verliefen beinahe zwei Stunden des abends mit nettem Geplänkel und kleinen Neckereien zwischen Colt, Fireball und den Damen ihres Herzens. Christa und Lando, wie den Prinzen mittlerweile alle nannten, wenn auch der eine oder andere nur, um ihn damit zu ärgern, fühlten sich in der Gegenwart der Star Sheriffs ausgesprochen wohl. April hatte sich irgendwann in eine Unterhaltung mit ihm vertieft, was dem wachsamen Auge von Fireball selbstverständlich nicht entging, und Christa versuchte Saber zu erklären, warum sie sich für den Dienst an der Front entschieden hatte. "Sag mal, Lando", April rückte näher an ihren Gesprächspartner heran und legte ihm eine Hand auf den rechten Arm, "weshalb seid Ihr wirklich hier? Ich kann mir nicht vorstellen, daß König Jared den weiten Weg unternimmt, nur weil sein Sohn Interesse am Sozialleben von Yuma hat..." ihre Augen sondierten ihre Umgebung, so als fürchtete sie einen Spion direkt am Tisch nebenan. "Glaub mir, meine Liebe", Roland berührte kurz ihre Hand, "isch würde es Dir wirklisch gern erzählen." "Darauf wette ich..." knurrte Fireball zwischen zusammengebissenen Zähnen. Es war leise genug, daß April und der Prinz ihn nicht hatten verstehen können, aber ein dumpfer Schmerz in seinem linken Fuß ließ ihn zur Seite blicken. "Ganz ruhig, Brauner, keiner bedroht Dein Terretorium, klar!" Colt starrte ihn eindringlich unter seinem Hut hinweg an. "Und warum kümmerst Du Dich nicht um Deine eigenen Angelegenheiten?" "Tue ich doch, Kumpel", der Cowboy lehnte sich ein wenig vor, so als wollte er seinem Freund ein Geheimnis verraten, "hast Du vergessen, daß ich auf der Welt bin, um Dich vor dummen Fehlern zu bewahren?" Fireball erinnerte sich nur zu gut daran, daß es Colt gewesen war, der ihm in den schlimmsten Stunden seines Lebens zur Seite gestanden hatte. Er hatte ihn damals abgehalten, eine Affaire mit Mandarin Yamato einzugehen, mit der er vielleicht die letzte Hoffnung auf April zunichte gemacht hätte. Colt war es gewesen, der einen Blaster ins Gefängnis geschmuggelt hatte, als er wegen Mordes an Mandarin unter Arrest gestellt worden war. Ohne seine Hilfe wäre der fatale Plan von Jesse Blue damals wahrscheinlich aufgegangen. Der Rennfahrer entschied sich, die Bemerkung seines Freundes zu ignorieren und seine Verlobte statt dessen im Auge zu behalten. "Die Angelegenheit ist einfach viel zu wischtig, als daß wir sie in einer solschen Umgebung bespreschen könnten." "Mit Verlaub..." Fireball räusperte sich höflich, "wenn die Sache so ausgesprochen wichtig ist, weshalb sitzen wir dann in einer Bar und tauschen Komplimente aus, anstatt im Hauptquartier zu sein?" er tat alles, um die mißbilligenden Blicke seiner Freunde zu übersehen. Doch Roland empfand seine Bemerkung nicht als Beleidigung, Fireball hatte beinahe den Eindruck, so etwas wie Mitleid in seinen Augen zu erkennen: "Du ast vollkommen rescht, mein Freund. Isch selbst war der gleischen Ansicht. Aber Vater ielt es für wischtig, erst allein mit Commander Eagle über die Angelegenheit zu beraten..." Und damit war das Thema für den Abend erledigt. Die Star Sheriffs sahen ein, daß es nicht in Rolands Ermessen lag, darüber zu entscheiden, wann sie in die Angelegenheit eingeweiht wurden und gaben sich mit seiner Antwort zufrieden. Und da das Meeting mit König Jared und Commander Eagle am nächsten Tag bereits für neun Uhr angesetzt war, entschied man sich kurz nach Mitternacht, die gemütliche Runde aufzulösen. Robin und Colt waren sofort dazu bereit gewesen, die ausländischen Gäste in ihr Quartier zurück zu bringen, also traten Fireball und April alleine ihren Nachhauseweg an. Zum Glück lag das Mexican nur einige Blocks von ihrer Wohnung entfernt, und da keiner der beiden hatte auf die leckeren Cocktails verzichten wollen, machten Sie sich jetzt zu Fuß auf. Einige Minuten lang gingen sie schweigend die schwach erleuchteten Straßen nebeneinander her, bis Fireball irgendwann seinen Arm um April legte. "Na", zärtlich umschlang sie ihrerseits seine Taille, "haben wir aufgehört zu schmollen, ja?" "Ich habe keineswegs geschmollt!" "Oh, nein, natürlich nicht... Glaubst Du, ich hatte Tomaten auf den Augen? Du hast Dich mal wieder benommen, wie ein liebeskranker Affe." Fireball blieb entrüstet stehen: "Na, vielen Dank auch. Ich kann ja nichts dafür, daß Du Dich die ganze Zeit so von unserem schmucken Prinzen anhimmeln lassen mußtest." anscheinend schmollte er wohl doch noch. "Zu schade aber auch, daß Du immer nur die Sachen um Dich herum siehst, die Du auch sehen willst." "Und was bitte soll das jetzt schon wieder heißen?" "Ganz einfach..." verschmitzt gab April ihm einen Kuß auf die Wange, "Du bist so besessen von der Vorstellung irgend jemand könnte daher kommen und mich Dir ausspannen, daß Dir völlig entgangen ist, daß unser Prinz schon eine ganz andere Prinzessin ausgewählt hat?" Diese Tatsache war dem Star Sheriff wohl wirklich entgangen: "Ach, ja?" April schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn: "Oh, man, Dir könnte man wahrscheinlich selbst einen Outrider vor die Nase binden und Du würdest ihn nicht erkennen. Hast Du nicht gemerkt, daß Roland und Christa ständig Händchen gehalten haben, wenn sie dachten, wir würden es nicht merken?" "Hm..." "Herrgott, Männer, für sowas habt Ihr ehrlich keinen Sinn. Was glaubst Du wohl, warum König Jared plötzlich seinen Navigator mit auf Dienstreise nimmt? Der Spesen wegen?" Ein diabolisches Lächeln zuckte um Fireballs Mundwinkel: "Ich weiß nicht... warum nehmen wir Dich doch gleich immer mit?" "Du bist wirklich ein Blödmann sondergleichen." April wollte sich beleidigt von ihm abwenden, doch schnell hatten seine Arme sie umschlungen: "Auf jeden Fall hat er da ja gerade noch einmal Glück gehabt. Wenn er versucht hätte, Dich anzugraben, hätte er es mit mir zu tun bekommen!" Ohne ein Wort des Widerspruchs abzuwarten zog Fireball sie fest an sich und küßte sie. Kapitel 7: Unverhofft kommt oft ------------------------------- Am nächsten Morgen fiel es den vier Star Sheriffs nicht gerade leicht, sich pünktlich aus den Federn zu erheben, um der geplanten Sitzung bei Commander Eagle beizuwohnen. Der übermäßige Alkoholgenuß vom Vorabend rächte sich besonders bei Colt und Fireball mit immensen Kopfschmerzen und einer leichten Abneigung gegen alles was wie feste Nahrung aussah. Doch trotzdem schafften sie es alle, mit einem munteren Lächeln im Gesicht um Schlag neun bei ihrem Vorgesetzten im Büro zu erscheinen. König Jared, sein Sohn Roland und Christa waren bereits anwesend und Fireball bemerkte sofort, daß der Prinz einen äußerst unglücklichen Eindruck machte. Er klammerte sich krampfhaft an eine Tasse heißen Kaffees, während er versuchte, die verschwollenen Augen offen zu halten. So sonderlich trinkfest, wie man immer behauptete, waren diese Franzosen also gar nicht! "Guten Morgen, Euer Majestät", Saber machte eine tiefe Verbeugung in Richtung des Monarchen, "Prinz Roland, Miss McRae, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht!" in Anwesenheit des Königs und des Commanders war es wohl angebrachter, die neu gewonnenen Umgangsformen mit dem Prinzen und seiner Begleitung wieder gegen die alten einzutauschen. "Oh, ja, zumindest kann ich das für meinen Teil behaupten", Jared warf seinem Sohn ein amüsiertes Lächeln zu, "wenn ich mir die dunklen Ringe unter den Augen einiger Anwesender hier so betrachte, könnte jedoch der Eindruck entstehen, für manchen war sie etwas kürzer als für mich!" Christa warf Roland einen flüchtigen Blick zu und senkte dann leicht verschämt den Kopf. Das brachte auch April auf eine kleine Theorie, weshalb der Prinz so überaus verschlafen wirkte, doch ihre Gedanken beruhten nicht auf Alkohol, sondern auf ganz anderen Dingen. Roland räusperte sich verlegen woraufhin Colt ihm ungezwungen auf den Rücken schlug: "Ach, Euer Dings, äh, Hoheit, das müßt Ihr dem Prinzen schon nachsehen. Sagen wir einfach, wir hatten einen recht fröhlichen Abend." Auch Commander Eagle konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen, als er die Röte im Gesicht des Prinzen sah: "Wie ich Euch kenne, Colt, kann man wahrscheinlich eher von feuchtfröhlicher Nacht sprechen..." "Hey, Commander, wir sind lediglich dem Wunsch unseres hohen Besuches nachgekommen und haben ihn und seine reizende Begleitung ein bißchen ins Nachtleben von Yuma eingeweiht." "Und ich bin sicher, daß Ihr Eure Rolle als Gastgeber ganz hervorragend gemeistert habt, Colt." Schalk spielte um die Augen des Königs und der Cowboy wußte gar nicht so recht, was er auf diesen Satz erwidern sollte. Fireball sprang ihm hilfreich zur Seite: "Es war uns eine Ehre, Euer Majestät. Wie wäre es, wenn Sie uns auf unserem nächsten Streifzug ebenfalls begleiten würden?" "Gott bewahre", Jared lachte herzlich und legte dem jungen Mann fest die rechte Hand auf die Schulter, "ich fürchte, für derlei Dinge bin ich schon ein wenig zu alt, Fireball." "Aber König Jared", April schenkte ihm ihren verführerischsten Augenaufschlag, "Ihr und zu alt, das soll doch wohl ein schlechter Witz sein, nicht wahr!" Kapitulierend hob Jared die Arme: "Ich gebe mich geschlagen, Ihr vier versteht es ja beinahe noch besser, einen wehrlosen Mann zu umgarnen, als es mein Navigator hier es vermag!" Wenn das kein eindeutiger Beweis für Aprils These über die Beziehung zwischen Roland und Christa gewesen war! Insgeheim betrachtete Jared seinen Navigator sicherlich schon als Schwiegertochter. "Da könnt Ihr Euch aber überaus glücklich Schätzen, Majestät", Commander Eagle warf seiner Tochter einen beinahe vorwurfsvollen Blick zu, "mich hat diese Rasselbande noch nicht ein einziges Mal dazu eingeladen, abends mit ihnen um die Häuser zu ziehen." "Rasselbande? Ich glaube ich muß den Commander daran erinnern, daß diese sogenannte Rasselbande vor nicht allzu langer Zeit mit den Outridern kurzen Prozeß gemacht hat!" das war ja wohl ein starkes Stück. Ihr Vater konnte April im Beisein von Staatsgästen doch nicht einfach wie ein kleines Kind behandeln. Aber wenn sie auf eine weitere schlagfertige Antwort gewartet oder gehofft hatte, so wurde sie enttäuscht, denn bei der Erwähnung der Outrider war der Ernst zurück auf die Gesichter des Commanders und des Königs gekehrt. "Ich schlage vor, daß wir uns jetzt dem eigentlichen Grund des Besuchs von König Jared zuwenden!" Eagle wies die Umstehenden an, es sich an dem großen Mahagonitisch bequem zu machen, der eigens für Besprechungszwecke in seinem Büro aufgestellt worden war. Er selber ging hinüber an seinen Schreibtisch und ließ sich in den Ledersessel sinken. Gut gelaunt und ziemlich neugierig auf das, was kommen mochte, scharten sich die Star Sheriffs um den großen Tisch, gefolgt von König Jared und Prinz Roland. "Ich werde Euch jetzt eine Aufzeichnung vorspielen und ich möchte, daß Ihr sie Euch ganz genau anhört. Die Qualität ist sehr schlecht und es ist ziemlich schwierig, überhaupt etwas zu verstehen, spitzt also die Ohren!" Der Commander betätigte einige Tasten an der Konsole seines Computers, um die Aufzeichnung zu starten, da spürte April, daß das Comgerät an ihrem rechten Handgelenk vibrierte. Erschrocken riskierte sie einen unauffälligen Blick auf das Display, ihr Vater würde ihr den Hals umdrehen, wenn er mitbekam, daß sie das Gerät bei einer so wichtigen Sitzung nicht deaktiviert hatte. Die kleine Digitalanzeige leuchtete gelblich auf und April konnte den Namen der Person erkennen, die versuchte, sie zu erreichen: es war Dr. Petry. Sicherlich wollte er ihr die Ergebnisse der Tests vom Tag zuvor mitteilen, doch das konnte warten. Immerhin wußte April ja bereits, daß es sich bei ihrer Krankheit um nichts ernsthaftes handelte; sie würde einfach nachher in der Praxis vorbeischauen und sich die Resultate persönlich abholen! Entschieden drückte sie einen kleinen Knopf und das Display ihres Comgerätes wurde schwarz und das Vibrieren verstummte. Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment war das Büro von Commander Eagle erfüllt von statischem Rauschen, das aus unsichtbaren Boxen drang, die in den Seitenwänden des Raumes versteckt waren. Mehrere Sekunden lang änderte sich nichts an dem monotonen Geräusch und die Star Sheriffs fürchteten schon, ihr Vorgesetzter erwartete von ihnen, daß sie aus diesem wahllosen Chaos von Tönen etwas heraushören konnten. Doch dann mischte sich plötzlich eine Stimme zwischen das Rauschen. Es waren nicht mehr als Wortfetzen, die kaum zu verstehen waren, aber es handelte sich unverkennbar um eine männliche Stimme! "...day, may... .ann mich ...... ..ren hi.. ....... ...tain ...ari ...............gstes Regi.... der St.......fte ..n Yu.. Ich sen.. ...se .....icht au.. d.. .hant...one. ... wiede..... ..ier ...icht Cap.... ...ari von ... ......kräft.. ... ..ma, ich .... die.. Nachr.... ... der Phan......ne. D.. ...rider ...nen ein.. ...ßangr... auf Yu...ity ... ....eltungsschl... ..ür ... ..ieg üb.. Nem.... Hör.. mich ...and d.. drau... ..ie ...ride... pla... ..nen ....angel... ..griff ... ..ma ...and mu... ... ...ierun... ...nen..." Das Rauschen in den Lautsprechern gewann wieder die Oberhand und Commander Eagle schaltete die Wiedergabe ab. Betretenes Schweigen hatte sich unter den vier Star Sheriffs ausgebreitet. Sie hatten zwar kaum verstehen können, was die Stimme ihnen hatte sagen wollen, doch eines war ihnen allen klar; sie hatte verdammt ernst geklungen. Und die Tatsache, daß sie jetzt hier saßen, zusammen mit zwei der mächtigsten Männer des neuen Grenzlandes, zeugte eindeutig davon, daß auch die Regierungen von Yuma und Jare der Meinung waren, daß diese Bruchstücke von Worten Gehör verdienten. König Jared hatte mit einer ähnlichen Reaktion schon gerechnet und versuchte nun, ein bißchen Licht ins Dunkel der Gedanken seiner jungen Freunde zu bringen: "Vor einer Woche hat eines unserer Spähschiffe diesen Funkspruch aufgefangen, als es auf Patrouille an den äußeren Grenzen war..." der König legte die gefalteten Hände auf den Tisch und beugte sich leicht nach vorne um sicher zu gehen, daß er die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden hatte, "selbstverständlich haben wir sofort alle uns zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um ihn zu entschlüsseln, da wir weder wußten, woher er kam, noch was sein Inhalt war." Mit wachsendem Interesse rückten die Star Sheriffs noch ein wenig enger an den Gast heran. "Ich habe zwar eben nicht allzu viel mitbekommen, aber in einem bin ich mir ziemlich sicher. Nämlich daß es sich bei diesem Funkspruch nicht um den Wetterbericht von Yuma gehandelt hat, habe ich recht, Euer Hoheit?" Colt hatte ein gutes Gespür dafür zwischen den Zeilen zu lesen und versteckte Anspielungen zu deuten, merklich schlechter jedoch war er darin, seine Meinung im richtigen Moment für sich zu behalten. Daß dieses eben mal wieder einer der ungünstigen Momente im Leben des Cowboys gewesen war, wurde ihm schmerzlich bewußt, als sein Freund Fireball ihm unterm Tisch heftig gegens Schienbein trat. "Ganz richtig, Colt", Jared räusperte sich kurz und zeigte keinerlei Anzeichen dafür, daß Colts unangebrachte Unterbrechung ihn verärgert hatte, "doch was es tatsächlich war, was uns hier in die Hände gefallen ist, das haben wir erst vor drei Tagen herausbekommen!" sein Blick wanderte hinüber zu Commander Eagle, dem er mit einem stummen Nicken das Wort übergab. "Trotz der modernen Kommunikationseinrichtungen ist es dem Königreich Jare nicht gelungen, die empfangenen Daten zu entschlüsseln. Aus diesem Grund hat uns König Jared um Hilfe gebeten. Die Daten wurden uns per Hypertransponder übermittelt und ein Team von Experten hat sich sofort an die Arbeit gemacht..." "Ähm, Daddy, ich mein natürlich Commander, Sir", April räusperte sich und rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her, "wieso wurde ich von dieser Sache nicht in Kenntnis gesetzt? Ich hätte bei der Arbeit helfen können!" Fireball mußte innerlich schmunzeln. Er wußte genau, daß sich April in diesem Moment hintergangen fühlte, denn das Knacken von Codes war schon immer ihre Spezialität gewesen. Nachdem sie ihn gestern so sehr damit aufgezogen hatte, tat es ihr ganz gut, nun mal am eigenen Leib zu erfahren, wie es war, wenn andere ihre Informationen für sich behielten. Die Tochter von Commander Eagle zu sein war also nicht unbedingt mit Allwissen gleichzusetzen. "Ich habe damit gerechnet, daß Du das sagst, April", der Commander blickte beinahe entschuldigend zu der jungen Frau, "doch Ihr hattet in letzter Zeit schon genug um die Ohren. Ich wollte Euch erst damit behelligen, als wir sicher sein konnten, daß es sich um eine wichtige Angelegenheit handelt." Noch bevor April einen weiteren Einwand vorbringen konnte, der ihrem Unmut Luft gemacht hätte, griff Fireball in das Gespräch mit ein: "Offensichtlich handelt es sich um eine wichtige Angelegenheit, sonst wären wir jetzt nicht hier, aber wie haben Sie es geschafft, den Code zu knacken?" Dankbar nickte Eagle dem Rennfahrer zu, denn er wußte nur zu gut, was es heißen konnte, den Zorn seiner Tochter erleben zu müssen: "Anfangs stand auch unser Expertenteam vor dem gleichen Problem, wie schon die Wissenschaftler von Jare... egal welche Mittel sie auch einsetzten, es war schier unmöglich, das empfangene Material zu dekodieren..." "Ja, weil ich nicht dabei war..." murmelte April beleidigt vor sich hin, jedoch so leise, daß nur Colt sie hatte verstehen können, der ihr aufmunternd die rechte Hand tätschelte. "Wir waren schon kurz davor aufzugeben, doch dann hatte ein Mitglied des Teams eine völlig absurde, aber wie sich hinterher rausstellte, genau richtige Idee." "Kommen Sie schon, Commander, spannen Sie uns nicht so lange auf die Folter!" der Cowboy schien vor Neugier kurz vor dem Platzen zu sein. Saber warf ihm einen tadelnden Blick zu, der seinen Freund wohl warnen sollte, nicht noch ein weiteres Mal einen Vorgesetzten auf so respektlose Weise zu unterbrechen, aber Colt schien das völlig zu entgehen. Aber wie auch König Jared kannte der Commander die Mentalität des Cowboys und war ihm wegen der Unterbrechnung nicht böse: "Sicherlich erinnert Ihr Euch noch an das Outriderschiff, das wir letztes Jahr nach der Schlacht um Yuma kapern konnten..." April spürte, wie sich ihr Magen innerlich zusammenkrampfte, und dieses Mal war sie sich sicher, daß das nicht mit ihrer Krankheit zusammen hing. Ihr Blick wanderte zu Colt und Saber, die beide ihrerseits auf Fireball schauten. Der Rennfahrer war mit einem Mal kreidebleich geworden, so als wäre sämtliches Blut aus seinem Gesicht verschwunden. Seine Hände zitterten leicht und seine Augen waren ins Leere gerichtet. Seine Gedanken schienen in unergründliche Dimensionen abzuschweifen. April griff nach seiner rechten Hand und drückte sie so fest sie konnte, um ihn aus diesen Gedanken heraus zu reißen. Sie wußte genau, worum sie sich drehten. Um die schrecklichen Ereignisse, die vor einem Jahr genau mit dem Schiff begonnen hatten, das ihr Vater gerade erwähnt hatte. April hatte immer versucht, die furchtbare Explosion im Hanger, Fireballs Zeit im Gefängnis und die Wiederauferstehung Jesse Blues nicht zu erwähnen, um ihren Verlobten nicht mehr als nötig zu quälen. Sie glaubte, daß er sich insgeheim noch immer die Schuld an Mandarins Tod gab, auch wenn er das ihr gegenüber niemals offen ausgesprochen hätte. Auch der Commander mußte Fireballs Reaktion bemerkt haben, den er trat um den Tisch herum und legte ihm väterlich eine Hand auf die linke Schulter: "Ich weiß, daß Ihr alle schlimme Erinnerungen mit diesem Schiff verbindet..." Fireballs Hände ballten sich zu Fäusten, "aber es ist nicht Absicht dieser Sitzung, die alten Wunden wieder aufzureißen. Die Erwähnung des Schiffes ist nur aus einem Grund unabdingbar... es war der Schlüssel für die Dekodierung der Botschaft!" Es war, als hätte Eagle eine Bombe platzen lassen. "Das Schiff der Schlüssel, aber... wie kann das sein? Das Schiff wurde damals bei der Ex... es wurde doch zerstört, Daddy!" April vergaß vor lauter Überraschung einmal wieder die Etikette, machte sich aber auch nicht die Mühe, ihren kleinen Faux-Pas wieder auszugleichen. "Ja, Commander, das Schiff ist hin..." Colt war leider in seiner rauhbeinigen Art nicht ganz so taktvoll wie April es Fireball gegenüber versucht hatte zu sein, "das Ding hat es zerrissen, davon können nicht mehr als ein Paar Fetzen übrig geblieben sein." "Und selbst wenn das Schiff nicht völlig zerstört wurde..." sogar Saber konnte nicht umhin, seine Gedanken zu äußern, obwohl das in Gegenwart von Vorgesetzten sonst gar nicht seine Art war, "wollen Sie damit sagen, daß die Nachricht nur mit Outrider-Technologie entschlüsselt werden konnte?" Commander Eagle mußte schmunzeln, denn wie erwartet war Saber Rider der einzige des Quartetts, der die unheimliche Tragweite seiner Aussage erfaßt hatte. "Wie meinst Du das, nur mit Outrider-Technologie", verständnislos schnippte sich Colt den Hut aus der Stirn, den er selbst zu offiziellen Anlässen nur äußerst selten absetzte, "warum sollten wir die Nachricht nicht mit unseren eigenen Mitteln knacken können, mit Hilfe des Outrider-Schiffes aber schon? Aauu..." ein dumpfer Schmerz durchzuckte seine linke Schulter, nachdem sie nähere Bekanntschaft mit Aprils geballter Faust gemacht hatte: "Sag mal, Du kapierst doch wirklich gar nichts oder? Weil es eine Nachricht von den Outridern ist!" "Himmel, mußt Du deswegen gleich so hinlangen", eingeschnappt massierte der Cowboy sein geschundenes Körperteil, "ich dachte immer, Mädchen können nur kratzen und beißen!" "Tut mir leid, aber Deine Dummheit hat mich mal wieder so gereizt, daß ich nicht anders konnte!" Commander Eagle sah sich das Geplänkel zwischen seiner Tochter und Colt noch einige Momente lang mit an, dann entschied er, daß man doch wieder aufs Wesentliche zurückkommen sollte: "Darf ich die beiden Streithähne daran erinnern, weswegen wir hier sind?" Kleinlaut zogen die beiden die Köpfe ein und gaben keinen Mucks mehr von sich. "Stimmt es, Commander", alle Augen richteten sich auf Fireball, der zum ersten Mal seit Erwähnung des Outrider-Schiffes wieder ein Lebenszeichen von sich gab, "ist diese Nachricht tatsächlich von den Outridern?" Eisige Stille legte sich über das Büro, die einem beinahe die Luft abschnürte. Fast wünschte der Rennfahrer, er hätte den Mund gehalten, denn das Gezanke von April und Colt war wesentlich leichter zu ertragen gewesen als diese plötzliche Ruhe. Alle Augen waren nun auf Eagle gerichtet, der sich mit einem schweren Seufzen auf eine Kante seines Schreibtisches setzte: "Nun, die Nachricht wurde in der Nähe der äußeren Grenzen aufgefangen und es war der Technologie des neuen Grenzlandes nicht möglich, sie zu entschlüsseln. Das Resultat, welches Ihr eben gehört habt, ist allein durch den Einsatz des Kommunikationssystems des Outrider-Schiffes zustande gekommen. Ich habe es Euch gegenüber nie erwähnt, aber das Schiff hat die damalige Explosion tatsächlich so gut wie unbeschadet überstanden." "Warum sollte man uns auch überhaupt irgendwas erzählen?" grummelte April empört vor sich hin, was ihr Vater jedoch weitgehend ignorierte: "Als wir mit unserem Latein eigentlich schon am ende gewesen sind, hatte wie gesagt ein Mitglied des Untersuchungsausschusses die Idee, die Daten ins System des Schiffes einzuspielen. Niemals hätten wir damit gerechnet, daß dieser Plan Früchte tragen würde, doch wie Ihr selber hören konntet, haben wir die Botschaft so entschlüsseln können. Wir wissen also mit ziemlicher Sicherheit, daß sie in der Phantomzone abgesetzt wurde, doch nach dem Inhalt zu urteilen, stammt sie nicht von den Outridern selber." Saber räusperte sich kaum merklich: "Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Commander, aber der Inhalt... ich muß gestehen, daß ich aus den eben gehörten Wortfetzen nicht sonderlich viel entnehmen konnte." und damit sprach er ihnen wohl allen aus der Seele. "Uns ging es am Anfang ähnlich; wir hatten zwar die Daten entschlüsselt, doch konnten wir den Aufzeichnungen keinen Sinn abgewinnen. Erst ein weiteres Team, bestehend aus Sprachwissenschaftlern der Academy of Yuma, hat uns über den Inhalt des Funkspruchs Aufschluß geben können." "Kommen Sie schon, Commander", die heftige Drehung seines Kopfes bescherte Colt einen weiteren Anfall von Kopfschmerz und Schwindelgefühl, so daß er, den verdammten Alkohol verfluchend, kurz die Augen schließen mußte um wieder klar denken zu können, "spannen Sie uns nicht länger auf die Folter... sagen Sie uns endlich, was dieser ominöse Krach für eine Bedeutung hat." Eagle stand auf und drehte der Versammlung bedächtig den Rücken zu; was nun kam, würde schwer zu erklären sein und es war schon schlimm genug, die neugierigen Gesichter seiner Tochter und ihrer Freunde nur zu erahnen: "Es handelt sich um eine Warnung." "Eine Warnung", Fireball zog die Stirn in Falten, "wovor?" "Vor einem Vergeltungsschlag der Outrider gegen Yuma..." nun hatte sich auch König Jared erhoben, sich der Tatsache durchaus bewußt, daß vier weit aufgerissene Augenpaare von vier ungläubigen Star Sheriffs auf ihm ruhten, "leider ist es nicht möglich gewesen, den kompletten Text zu rekonstruieren, so zum Beispiel den Namen des Absenders der Nachricht." mit leicht getrübtem Blick starrte er unverwandt zu Fireball hinüber: "Aber wir können ziemlich sicher davon ausgehen, daß es sich um einen Captain der Yuma Streitkräfte handelte, zumindest behauptet er das..." Fireball spürte, wie das Blut in seinen Adern zu pulsieren begann. Konnte es denn sein... Ein Captain der Yuma Streitkräfte, der Funksprüche aus der Phantomzone schickte, um vor einem Angriff der Outrider zu warnen? Nein, das war völlig unmöglich! Er schaute unsicher zwischen April und seinen beiden Freunden hin und her, die anscheinend nicht die gleichen Gedanken hatten wie er. Noch immer hingen sie gebannt an den Lippen von König Jared und warteten auf weitere Einzelheiten. War es denn so abwegig zu glauben, dieser Funkspruch konnte... nein, wahrscheinlich war er nur einmal wieder dabei sich in ein dummes Hirngespinst zu verrennen. So wie im letzten Jahr, als Mandarin für seine wahnsinnige Idee hatte mit dem Leben bezahlen müssen. Und doch, wie groß war denn die Wahrscheinlichkeit, daß ein Sterncaptain von Yuma sich in der Phantomzone aufhielt und dann auch noch nichts besseres zu tun hatte, als Funksprüche ins neue Grenzland zu schicken? Und wenn sich nur jemand einen äußerst üblen Scherz mit ihnen erlaubte? Vielleicht, ja sogar höchstwahrscheinlich war die Nachricht nicht einmal wirklich aus der Phantomzone gekommen, weshalb sollte Fireball sein Herz also erneut an vage Hoffnungen hängen, die doch nur wieder enttäuscht wurden? Schließlich lag das alles nun schon über 20 Jahre zurück. "Wie sicher können wir sein, daß dieser Funkspruch echt ist und nicht von einem Spaßvogel abgeschickt wurde, der einen ganzen Planeten in Angst und Schrecken versetzen wollte, nur so zum Spaß?" Aha, also zweifelte auch Saber Rider an der Authentizität des Funkspruchs. "Oder vielleicht ist es auch eine Falle von diesen Schmutzfüßen, mit der sie uns in einen Hinterhalt locken wollen!" Auch der Gedanke war nicht schlecht, selbst wenn Colt meistens dazu neigte, hinter jeder Ecke einen Hinterhalt zu wittern. Aber andererseits, wieso sollten die Outrider versuchen, sie mit Hilfe so einer Nachricht in eine Falle zu locken? Sie hatten doch gar keine Möglichkeit... "Nein, Colt, das würde keinen Sinn ergeben" April schien da wohl in ähnliche Richtungen zu denken, "meinst Du wirklich, die Outrider würden uns so eine Nachricht schicken, wenn sie nicht einmal davon ausgehen können, daß wir es schaffen, sie zu entschlüsseln? Und in was für einen Hinterhalt sollten sie uns schon locken? Wir haben doch keine Möglichkeit, in die Phantomzone zu gelangen. Und unsere Aufmerksamkeit auf Yuma zu lenken und damit unsere Alarmbereitschaft zu riskieren, nur um an einem anderen Ort zuzuschlagen wäre nicht gerade schlau. Immerhin dachten wir bislang, wir wären diese Plage ein für allemal losgeworden..." "Ich habe ja nie behauptet, daß Outrider schlau sind, ich habe lediglich den Gedanken in Erwägung gezogen..." "Der nicht unbedingt auszuschließen ist, Colt", Eagle wandte ihnen nun endlich wieder sein Antlitz zu und sie konnten das kämpferische Funkeln in seinen Augen erkennen, "mögen Aprils Argumente auch noch so logisch erscheinen, in einem Punkt muß ich Dir widersprechen... wir haben durchaus die Möglichkeit, in die Phantomzone zu gelangen!" Die Verwirrung und das Chaos waren perfekt. Der Commander brauchte eine gute Viertelstunde, um seinen jungen Untergebenen zu erklären, daß das Kommunikationssystem des Outrider-Schiffes nicht das einzige gewesen war, was man in den letzten Monaten genau studiert hatte: " Wir haben viel Zeit darauf verwandt, daß Hypersprungaggregat zu analysieren, um in einem Fall wie diesem auf alles vorbereitet zu sein. Es ist uns tatsächlich gelungen, die Geheimnisse des Dimensionssprungs anhand des Schiffes und der eingegebenen Daten zu entschlüsseln. Und nicht nur das, wir haben die Technologie sogar zu unseren Gunsten und Bedingungen verbessern können..." "Willst Du damit sagen, daß es wir einfach so jederzeit in die Phantomzone springen können?" Aprils Gesichtsfarbe wechselte alle paar Sekunden zwischen tiefstem Rot und blassestem Weiß. Sie konnte einfach nicht glauben, wieviel in den letzten Monaten ohne ihr Wissen geschehen war. "Ganz genau das will ich damit sagen, April!" "Aber warum zum Geier hat man uns nicht über diese Möglichkeit in Kenntnis gesetzt? Ich denke wir hätten ein Recht gehabt, es zu erfahren..." daß sie mit wir vorzugsweise sich selber meinte, spielte in dem Zusammenhang nicht einmal eine große Rolle, denn auch die anderen Mitglieder des Star Sheriff Teams fühlten sich plötzlich ziemlich hintergangen. Was geschah noch alles hinter den Wänden des Kavallerieoberkommandos, wovon sie keinen Schimmer hatten? "Ich weiß, daß Ihr alle der Meinung seid, ich hätte Euch von den geheimen Experimenten erzählen sollen, doch wir haben uns das Wissen um den Dimensionssprung nicht angeeignet, um ihn es als Waffe zu gebrauchen. Ich habe immer gehofft, wir würden niemals in die Situation geraten, wo wir eine Entscheidung dieser Größenart fällen müssen. Ich war so naiv zu glauben, wir würden diese Technologie nie anwenden müssen und deshalb vertrat ich die Meinung, je weniger von unseren Tests erfuhren, desto besser." "Test, sie haben tatsächlich Tests mit dem Dimensionssprung durchgeführt?" der Cowboy war sichtlich beeindruckt. Was für eine Bandbreite von überraschenden Informationen sich doch in einem kleinen Gespräch offenbaren konnten. Als nächstes erzählte ihnen der Commander noch, sie hätten Nemesis wiederbeleben können und zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Doch er tat nichts dergleichen. Er schüttelte lediglich müde den Kopf und fuhr sich mit der rechten Hand über die Schläfen: "Wir haben noch keinen echten Sprung in die Phantomzone gewagt, wenn Du das meinst, Colt. Bislang haben wir diesen Vorgang nur per Computer simuliert, weil wir immer noch nicht abschätzen können, was bei einem tatsächlichen Sprung passieren wird." "Der Sprung in die Phantomzone ist also zwar rein theoretisch möglich, wir wissen aber nicht, ob uns der Versuch nicht in tausend Stücke sprengen kann." Fireball sagte das eher zu sich selbst als zu seinen Freunden. Seine Augen waren starr auf den Tisch gerichtet und König Jared konnte sich denken, was im Kopf des jungen Rennfahrers vorging. Er überlegte, ob er das große Risiko eingehen und den Sprung in die Phantomzone wagen sollte, oder nicht. Und trotz der vielen unbekannten Faktoren, trotz eines möglichen Hinterhalts und trotz der Möglichkeit, auf dieser Mission sein Leben zu verlieren, wußte Jared genau, wofür Fireball sich entscheiden würde. Denn eigentlich hatte seine Entscheidung schon in der Sekunde festgestanden, als er den Inhalt des Funkspruches vernommen hatte. "So ist es, Fireball", der Commander setzte eine beinahe schon entschuldigende Miene auf, "und genau aus diesem Grund kann ich Euch den Einsatz dieses Mal nicht befehlen." "Sollen wir die Warnung also einfach ignorieren und so tun, als wenn nichts gewesen wäre?" Colt wollte es nicht fassen; insgeheim hatte er sich schon auf ein neues Weltraumabenteuer eingestellt, in dem er eine Menge Outrider zum Teufel jagen konnte. Sein Vorgesetzter konnte die Enttäuschung deutlich auf dem Gesicht des Cowboys erkennen: "Nein, Colt, das habe ich nicht gesagt", er warf April einen merkwürdig besorgten Blick zu, "die Sache ist viel zu ernst, als daß wir sie ignorieren könnten. Der Impuls wurde eindeutig aus der Phantomzone gesendet, es ist unsere Pflicht, dieser Sache auf den Grund zu gehen, um den Frieden und die Sicherheit auf Yuma zu wahren." Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen spielte Eagle den Anwesenden ein weiteres Mal die Aufnahme des Funkspruchs vor: "Wir müssen herausfinden, was es mit der Warnung auf sich hat und den Feind zur Not unschädlich machen, bevor er ernsthaften Schaden anrichten kann. Wenn wir es tatsächlich in die Phantomzone schaffen sollten, erwartet uns entweder eine feindliche Streitmacht, die nur darauf wartet, daß wir auftauchen, damit sie uns vernichten kann, oder wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite..." er ließ den Blick über die erwartungsvollen Gesichter seiner Tochter und ihrer Teamkameraden wandern, "diese Mission birgt einfach zu viele Gefahren in sich, als daß man einem Soldaten oder Star Sheriff den Einsatz befehlen könnte. Die Entscheidung, ob Ihr dieses große Risiko wirklich auf Euch nehmen wollt, liegt dieses Mal ganz allein bei Euch!" "Aber Commander, was gibt es denn da groß zu überlegen..." "Colt", Eagle hatte den Glanz in den Augen des Cowboys gesehen und wußte, daß er sich sofort in seine Satteleinheit schwingen würde, wenn es sein mußte, aber dieses Mal war es anders als sonst, "ich weiß, daß jeder von Euch bereit ist, für den Frieden und die Gerechtigkeit alles zu geben..." wieder blickte er April mit diesen merkwürdig traurigen Augen an, "doch dieses Mal könnte es Euer Leben sein!" Colt ließ bedrückt den Kopf sinken und schien ins Grübeln zu verfallen. "Wir können weder dafür garantieren, daß Ihr unversehrt in die Phantomzone gelangen werdet, was Euch dort erwartet noch dafür, daß Ihr heil wieder zurück kommen werdet. Ich möchte, daß Ihr mindestens eine Nacht darüber schlaft und Euch der Konsequenzen bewußt werdet, die mit einer freiwilligen Meldung auf euch zukommen... Ich werde am Freitag einen Bericht abgeben müssen, wie die weitere Verfahrensweise in dieser Angelegenheit sein wird, ich benötige also bis Donnerstag Eure Entscheidungen!" Unsicher warfen sich die Star Sheriffs schüchterne Blicke zu. Noch bis vor zwei Minuten wäre jeder von ihnen Feuer und Flamme für das Unternehmen gewesen, doch nach diesen Worten von Commander Eagle hatte sich die Stimmung ins Gegenteil verkehrt. Natürlich hatte er ihnen auf jeder ihrer Missionen gesagt, wie gefährlich sie sein würde und daß sie gut auf sich Acht geben mußten. Doch noch nie hatte er offen mit ihnen darüber gesprochen, daß sie vielleicht ihr Leben lassen würden. Fireball spürte den Druck von Aprils Hand, die sich auf sein rechtes Knie gelegt hatte, er wagte es aber nicht sie anzusehen. Statt dessen musterte er seinen Freund Colt, der mit seinen Gedanken in andere Welten abzuschweifen schien. Sicherlich dachte er an seine Frau Robin und ihren kleinen Bruder Josh. Was würde aus den beiden werden, wenn der Cowboy auf dieser Mission starb? Sicherlich würde es für ihn am schwierigsten sein eine Entscheidung zu fällen, denn immerhin hatte er Robin gegenüber eine gewisse Verpflichtung einzuhalten seit sie verheiratet waren. Und dagegen stand die Verpflichtung eines Star Sheriffs, der geschworen hatte, seinen Planeten gegen den Feind zu verteidigen. In seiner Haut mochte Fireball nicht stecken. Saber hingegen ließ wie immer nicht die geringste Gefühlsregung erkennen, aber bestimmt tobten auch in seinem Kopf jetzt die wildesten Gedanken. Vielleicht dachte er an Cinthia, vielleicht an seine Eltern, wer konnte das schon sagen. Doch egal wie er sich im Moment fühlen mochte, der Rennfahrer war sich sicher, daß er auf jeden Fall das Leitung dieses Himmelfahrtskommandos übernehmen würde. Pflichterfüllung stand bei Saber nun einmal an erster Stelle. Und April? Was mochte in diesem Moment in ihr vorgehen? Er spürte das Zittern der kleinen, zarten Hand auf seinem Knie und er sah die blaßroten Flecken auf ihren Wangen, die sie immer dann bekam, wenn ihr eine Situation aus den Händen zu gleiten schien. Wie würde ihre Entscheidung wohl ausfallen? Oder hatte sie sich bereits entschieden? Fireball wußte es nicht, konnte es in ihrem Gesicht auch nicht erkennen, doch fest stand, daß er heute abend in Ruhe mit ihr darüber reden wollte. Betraf diese Angelegenheit doch schließlich ihre gemeinsame Zukunft! "Ich denke..." König Jared erhob sich in Anbetracht der Sprachlosigkeit der jungen Star Sheriffs, "wir sollten die Sitzung damit auch beenden. Ihr alle braucht Zeit zum Nachdenken und vielleicht wollt Ihr Euch auch gern untereinander besprechen!" hierbei blieb sein Blick an Fireball und April hängen und er warf ihnen ein aufmunterndes Lächeln zu. "Ich denke auch, daß das eine gute Idee ist. Nehmt Euch den Rest des Tages frei und denkt in Ruhe über alles nach. Überstürzt Eure Entscheidung nicht und versucht, das zu tun, was für Euch richtig ist", Eagle ging hinüber zur Bürotür und öffente sie, "Euer Hoheit, wenn Ihr gestattet, werde ich Euch, Euren Sohn und Miss McRae zurück zu den Unterkünften geleiten. Wir haben in einer Stunde eine Sitzung mit dem Verteidigungsrat und ich kann mir vorstellen, daß Ihr Euch noch ein wenig auf dieses Treffen vorbereiten möchtet." "Das ist sehr freundlich, Commander..." Jared und seine Begleiter erhoben sich und folgten Eagle hinaus in den sonnendurchströmten Flur. Unschlüssig taten es ihnen die Star Sheriffs nach, schlugen aber den Weg in Richtung Haupthalle ein. Es war ein merkwürdiges Gefhühl, keine Worte des Abschieds, nicht einmal einen letzten Blick vom Commander erhalten zu haben, aber alles wichtige war gesagt worden. Er hatte ihnen die Situation offen dargelegt und nun war es an ihnen, eine Entscheidung zu fällen; dabei konnte er ihnen nicht mehr helfen. Fireball versuchte, das Durcheinander, das in seinem Kopf herrschte zu bändigen, doch es gelang ihm nicht so richtig. Irgendetwas an der Aufzeichnung, die Commander Eagle ihnen vorgespielt hatte, ließ ihn nicht wieder los, er konnte aber nicht sagen, was es gewesen war. Beim ersten Mal hatte er es auch nicht wahrgenommen, doch als ihnen die Aufnahme ein zweites Mal vorgespielt worden war, hatte sich irgendetwas in seinem Unterbewußtsein geregt. Das Hallen Ihrer Schritte, die unangenehme Stille und Aprils Augen, die sich geradezu in seinen Rücken bohrten, verursachten nur noch mehr Turbulenzen in seinen Gehirnwindungen und er schüttelte gereizt den Kopf. Geradeso als glaubte er, so der Lösung auf die quälende Frage ein Stück näher kommen zu können. Als sie die Fahrstühle erreichten, hielten seine Nerven nicht länger Stand. Abrupt drehte er sich zu April um: "Ich komme später nach, ich habe noch etwas zu erledigen!" Er hatte mit Widerspruch oder zumindest einigen Fragen von seiner Verlobten gerechnet, doch zu Fireballs Überraschung nickte April mit dem Anflug eines Lächelns: "In Ordnung, wir sehen uns dann nachher zu Hause!" Sie fürchtete, man würden den schweren Felsbrocken hören können, der ihr gerade vom Herzen fiel, aber das war natürlich Blödsinn. Eine ganze Weile hatte sie sich zermartet, wie sie Fireball am geschicktesten loswerden konnte, um einen kleinen Abstecher zu Dr. Petry zu machen, ohne daß er von der Sache Wind bekam. Zwar wollte sie zu gerne wissen, was er jetzt vorhatte, doch eine günstigere Gelegenheit würde sich ihr für die kleine Heimlichtuerei nicht bieten. Also gab sie ihm einen Kuß auf die Wange, stieg mit den anderen in den Fahrstuhl und überließ ihn seinen eigenen kleinen Geheimnissen. Nicht minder überrascht als Fireball war Commander Eagle einige Zeit später, als er in sein Büro zurückkehrte und den Rennfahrer an seinem Schreibtisch sitzend vorfand. Der junge Mann war völlig in Gedanken versunken und bemerkte gar nicht, daß sein Vorgesetzter hinter ihn getreten war. Er ließ seine Finger über die Tastatur des PCs fliegen und spielte zum er wußte selber nicht mehr wievielten Mal die Aufzeichnung des Funkspruches ab, den das Erkundungsschiff aus Jare an den äußeren Grenzen aufgefangen hatte. "...day, may... .ann mich ...... ..ren hi.. ....... ...tain ...ari ...............gstes Regi.... der St.......fte ..n Yu.. Ich sen.. ...se .....icht au.. d.. .hant...one. ... wiede..... ..ier ...icht Cap.... ...ari von ... ......kräft.. ... ..ma, ich .... die.. Nachr.... ... der Phan......ne." wie auch schon die Male zuvor unterbrach Fireball die Wiedergabe hier und startete sie wieder von neuem. "...day, may... .ann mich ...... ..ren hi.. ....... ...tain ...ari ...............gstes Regi.... der St.......fte ..n Yu.. Ich sen.. ...se .....icht au.. d.. .hant...one." ein leises Knacken und der Funkspruch begann von vorn. Wieder und wieder hörte Eagle diese ersten beiden Sätze der fremden Stimme aus einer weit entfernten Galaxie, bis Fireball irgendwann mit einem Seufzen den Kopf auf die Hände stützte und die Wiedergabe endgültig beendete. Das statische Rauschen der Lautsprecher verschwand und zurück blieb nur das undeutliche Gemurmel des Star Sheriffs: "Das kann doch nicht... und wenn doch? Was wenn es tatsächlich..." er hatte Eagle noch immer den Rück zugewandt und fuhr erst zu Tode erschrocken herum, als dieser ihm eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. "Oh Gott, Commander..." stammelte er hektisch und sprang auf, "ich... ich wollte nicht... es tut mir leid, Sir, ich..." "Es ist schon in Ordnung, Fireball!" Eagle lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und musterte sein Gegenüber mit ruhigen Blicken. "Ich schwöre Ihnen, Sir, ich hatte nicht vor, hier einfach unbefugt einzudringen..." Fireballs Gesicht schickte sich an, seinem Spitznamen alle Ehre zu machen. "Ich sagte doch, es ist in Ordnung! Ich stehe schon etwas länger hier, ich weiß was Du getan hast!" "Ich, ähm..." dem Star Sheriff fehlten die Worte, um sein Verhalten zu erklären, denn einerseits schuldete er seinem Commander eine Antwort, aber andererseits wollte er den tatsächlichen Grund für seinen unerlaubten Aufenthalt in diesem Büro lieber für sich behalten. "Ich verstehe Dich, Fireball", Eagle hatte sein Lage offenbar erkannt, "Du glaubst, dieser Funkspruch könnte möglicherweise von Deinem Vater stammen, habe ich recht?" Beschämt starrte Fireball zu Boden. "Weißt Du, ich selber habe diese Möglichkeit auch in Betracht gezogen", Eagle verschränkte die Arme vor der Brust, "aber selbst wenn diese Nachricht tatsächlich von einem Mitglied der Yuma-Streitkräfte geschickt wurde, was wir nicht wissen..." "Ja, ich weiß" Fireball fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen und ließ sich müde auf die Schreibtischplatte sinken, "es hat im Laufe der letzten zwanzig Jahre wahrscheinlich dutzende Sterncaptains gegeben, deren Name mit ari endete!" "Es ist nur verständlich, daß Du Dich an jeden Hoffnungsschimmer klammerst, Fireball. Wir alle wünschen uns, daß Dein Vater noch am Leben ist, aber versuch bitte, Dich nicht zu sehr in diesen Gedanken zu verrennen! Wir brauchen einen kühlen Kopf für das, was uns erwartet und dürfen uns nicht von unseren Emotionen lenken lassen." Natürlich hatte der Commander mit diesem gut gemeinten Rat mehr als Recht gehabt. Es war nicht nur völlig verrückt, sich wegen falscher Hoffnungen oder Ängste auf dieses Abenteuer einzulassen, sondern auch unverantwortlich den anderen Mitgliedern der Operation gegenüber. Bei dem, was sie planten, mußte man sich hundertprozentig aufeinander verlassen können; da war für private Dinge einfach kein Platz! Und trotzdem, war es denn so unverständlich, Fireball immer noch hoffte, seinen Vater lebend wiederzusehen? Wer in seiner Situation würde nicht das gleiche gefühlt, das gleiche gehofft oder gedacht haben? Wenn nur der kleinste Schimmer einer Hoffnung bestand, so würde er alles tun, was nötig war, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und wenn es bedeutete, daß er in die Phantomzone fliegen mußte, so würde er das eben tun! Er warf einen kurzen Blick über die rechte Schulter und bog in die Straße ein, in der er und April seit einigen Monaten wohnten. April, was sie wohl von der ganzen Sache hielt. Würde sie das Risiko auf sich nehmen und an der Mission teilnehmen? Fireball mußte kurz schmunzeln: natürlich würde sie mitmachen, denn immerhin war Ramrod ihr Baby, ihr ein und alles. Niemals würde sie es zulassen, daß jemand anderes als sie selbst das gewaltige Schiff navigierte! Routinemäßig drückte er einen der Knöpfe an seiner Steuerkonsole und die rotweiße Schranke gab den Weg in die Tiefgarage ihres Wohnhauses frei. Mit quietschenden Reifen verschwand der Red Fury in den unterirdischen Tiefen von Yuma City. Aber was, wenn April doch nicht mitkam, weil ihr die Sache einfach zu riskant war? Immerhin hatte der Commander keinen Zweifel daran gelassen, daß es sich um den gefährlichsten Einsatz handeln würde, den die Star Sheriffs je erlebt hatten. Vielleicht würde das so sehr einschüchtern, daß sie lieber hier auf Yuma blieb... Er konnte schließlich nicht von ihr verlangen, daß sie ihn begleitete, denn seine Motive gingen weit über die der anderen hinaus. Vielleicht war es auch ziemlich vermessen von ihm zu erwarten, seine Verlobte würde ihr Leben riskieren, nur weil er einem Hirngespinst, einer Erinnerung hinterher rannte. Nein, er hatte kein Recht das von ihr zu fordern. Ein Wink mit seinem Com-Gerät am linken Arm genügte und das Verdeck seines Wagens schloß sich wie von Geisterhand. Gedankenverloren schlenderte der Star Sheriff hinüber zum Aufzug, der ihn in die vierte Etage bringen würde, wo er sich mit April das Apartment teilte. Auch wenn es unwahrscheinlich war, daß sie diesen Auftrag ablehnte, würde sie in diesem Fall nicht auch versuchen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen? Wenn sie es für gefährlich hielt bei dieser Sache mitzumachen, dann würde sich ganz bestimmt auch nicht wollen, daß er das tat! Nein, so sehr er April auch liebte, in diesem Fall ging es um mehr als die Sicherheit des Neuen Grenzlandes. Es ging darum, diese dunkle, ungewisse Angst, die schon so lange in ihm geschlummert hatte, endlich zu besiegen, was immer das Ergebnis auch sein mochte! Er mußte in die Phantomzone, egal was April dazu sagte oder wie unangenehm die Auseinandersetzung mit ihr werden konnte. Von diesem Vorhaben würde ihn nichts mehr abbringen können! Entschlossen und selbstsicher schob Fireball seine Schlüsselkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz am Terminal neben der Haustür und drückte seinen Daumen auf das kleine grünleuchtende Feld darunter. Der Computer brauchte einige Sekunden, bis er seinen Fingerabdruck gescannt und mit den gespeicherten Daten abgegelichen hatte, doch dann schwang die Tür zur Seite. "April, ich bin wieder da..." achtlos warf er die Chipkarte auf die kleine Kommode im Flur und schlenderte hinüber zum Wohnzimmer: "April?" suchend steckte er den Kopf zur Tür hinein und entdeckte seine Verlobte. Sie saß auf dem Sofa, die Knie angezogen bis zum Kinn und mit den Armen umschlungen. Ihre Wangen wiesen Spuren von Tränen auf und Ihre Augen waren rot unterlaufen, als hätte sie ziemlich doll geweint. Erschrocken eilte Fireball zu ihr: "Himmel, Süße, was ist denn los?" er wollte sie an sich ziehen und küssen, doch sie wandt sich aus seiner Umarmung und stand wortlos auf. "Was hast Du? Warum hast Du geweint?" durcheinander starrte der Rennfahrer auf die langen blonden Haare, die April beinahe bis zum Po reichten. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und starrte aus dem Fenster hinaus auf den kleinen Park. Offensichtlich versuchte sie ihm auszuweichen, aber Fireball konnte nicht verstehen weshalb. Er hatte ihr nichts getan, jedenfalls nichts, an das er sich erinnern konnte, und trotzdem wollte sie ihn nicht ansehen oder mit ihm reden. Ihre Schultern begannen leicht zu zittern, ein sicheres Anzeichen dafür, daß ein neuer Weinkrampf versuchte, die Oberhand über ihren Willen zu gewinnen. "Nun sag schon, was los ist", er trat hinter sie und strich ihr zärtlich durchs Haar, "habe ich irgendwas falsch gemacht?" April drehte sich so ruckartig um, daß er erschrocken die Hand zurückzog. Zwei dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter und in ihren Augen spiegelte sich etwas, das Fireball nicht einzuordnen wußte. Es war ein Ausdruck, den er vorher noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte, eine Art Mischung aus Verzweiflung, Angst und Unsicherheit. Was war nur in der kurzen Zeit passiert, die er nicht bei ihr gewesen war? Das Meeting im Büro ihres Vaters mochte für sie alle ein Schock gewesen sein, doch konnte er nicht glauben, daß April nur deswegen so aufgelöst war. Es mußte etwas vorgefallen sein, nachdem sie sich am Fahrstuhl getrennt hatten. "Ich..." eingeschüchtert, ja beinahe schützend verschränkte April die Arme vor ihrem Bauch als sie mit bebender Stimme um Worte rang. Fireball sah, wie sie allen Mut und alle Kraft zusammen nahm, um ihm in die Augen sehen zu können: "Ich werde nicht mitgehen in die Phantomzone..." "Mpf..." mit allem hatte er in diesem Moment gerechnet, aber nicht damit. Fireball fühlte sich, als hätte April ihm soeben einen Schlag mitten ins Gesicht verpasst. Verstört fuhr er sich mit der rechten Hand durchs Gesicht und setzte sich ohne einen weiteren Laut von sich zu geben zurück aufs Sofa. Er konnte es nicht fassen - sicherlich, er hatte dieses Szenario eben gerade noch vor seinem geistigen Auge durchgespielt, aber er hätte doch niemals ernsthaft damit gerechnet, dass April diese Mission ablehnen würde. Sie musste doch wissen, dass es hier nicht nur um die Sicherheit von Yuma ging, dass es ihm um viel mehr ging - um Dinge, die schon lange zurück in der Vergangenheit lagen. Was war vorgefallen? "Es tut mir leid..." April stand noch immer unsicher am Fenster und wusste nicht recht, wie sie mit Fireballs Schweigen umgehen sollte. Sie hatte erwartet, dass er toben würde, oder ähnliches, aber dieses Schweigen machte sie nahezu verrückt. Andererseits fragte er so wenigstens nicht nach dem Grund und sie würde nicht gezwungen sein, ihm irgendwelche erfundenen Lügen aufzutischen - denn die Wahrheit, soweit war April mit sicher selber einig, durfte sie ihm auf keinen Fall erzählen. Dafür war diese ganze Geschichte mit der Phantomzone zu wichtig für Fireball. Mit zusammen gekniffenen Augen, aus denen maßloses Unverständnis sprach, blickte Fireball zu ihr hoch: "Warum?" Ein Seufzer war alles, was April dazu einfiel. Anscheinend hatte sie sich zu früh gefreut, aber wenn sie ehrlich war, hätte es auch nicht mit rechten Dingen zugehen können, wenn Fireball ihre Entscheidung einfach so akzeptiert hätte, ohne sie zu hinterfragen. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr hoch. Fireball wartete noch ein paar Sekunden, doch April schien noch nicht bereit, ihm eine Erklärung für ihre Entscheidung liefern zu wollen. Wahrscheinlich brauchte sie Zeit, um sich zu fassen. Irgendetwas folgenschweres musste passiert sein, sonst wäre sie nicht so außer sich gewesen. Sie hatte geweint und war immer noch dabei, gegen ihre Tränen anzukämpfen, das war nicht zu übersehen. Da nagte etwas an ihr, was Fireball noch nicht einzuordnen wusste - offensichtlich konnte April es ja selber noch nicht einmal. Es hatte keinen Zweck, sie in dieser Situation zu bedrängen. Wortlos erhob sich der Star Sheriff und ging hinüber in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Seine Kehle war seit dem Meeting in Commander Eagles Büro wie ausgedörrt und April verschaffte er so einen kleinen Augenblick sich zu sammeln. Mit tiefen Zügen leerte er die Colaflasche beinahe bis zur Hälfte und lehnte sich dann gedankenverloren an den Kühlschrank. Er fuhr mit der kalten Flasche über seine Stirn, um etwas Klarheit in seine Gedanken zu bekommen. Was war nur seit dem Aufstehen gestern morgen passiert, dass sein Leben sich plötzlich von einer Sekunde auf die andere in einen Alptraum verwandelt hatte? "Fire..." April schob scheu den Kopf um die Küchenecke, "sag mir, was Du denkst..." eigentlich wollte sie das nicht hören, doch irgendwann würde die Konfrontation unvermeidlich werden und da war es das beste, das Thema so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Außerdem beunruhigte sie das geradezu gespenstisch Verhalten von Fireball immens. War das nur die Ruhe vor dem Sturm? Fireball stellte die Flasche auf die Arbeitsplatte und starrte mit den Händen in die Hüften gestemmt zur Decke: "Weiß ich selber nicht..." Keine sonderlich zufrieden stellende Antwort, in der Tat. Aber April hatte schon befürchtet, dass diese Unterredung alles andere als einfach werden würde. Wenn doch nicht alles so verwirrend und kompliziert gewesen wäre, sie konnte sich ja kaum auf ihre eigenen Gefühle konzentrieren. Wie sollte sie da auch noch Fireballs Gedanken erraten. Es war wohl dieser Zeitpunkt, an dem sie zu der gleichen Frage gelangte, wie ihr Verlobter kurz zuvor: war das alles einfach nur ein schlimmer Traum und würde sie jede Sekunde aufwachen, um festzustellen, dass die letzten zwei Tage einfach nur böse Auswüchse ihrer Phantasie gewesen waren? "Ich... was soll ich sagen?" ihr fehlten die Worte. Es war so schwierig, diese große Bürde mit sich herumzutragen, ohne dem Menschen, den man am meisten liebte, etwas davon erzählen zu können. Am liebsten hätte sie sich in Fireballs Arme geworfen und von ihm gehört, dass alles wieder gute werden würde und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. "Sag mir einfach nur, warum!" nun blickte er sie direkt an. Er erkannte ihren innerlichen Kampf, ihre Verzweiflung und ihre Unsicherheit, wusste aber nicht, was sie so schrecklich aus der Bahn geworfen hatte. Schließlich war April ein erfahrener Star Sheriff, der sich nicht so schnell einschüchtern ließ - konnte es denn sein, dass die kleine Ansprache ihres Vaters sie so dermaßen berührt hatte? Seine Hände verkrampften sich, als sie mit gesenktem Blick sanft den Kopf schüttelte: "Ich...ich kann das einfach nicht mehr, Fire..." "Ach bitte", Fireball stieß sich vom Kühlschrank ab und baute sich mit verschränkten Armen vor ihr auf, "Du bist die tapferste Frau, die ich kenne. Keine noch so gefährliche Mission konnte Dich bislang aufhalten - im Gegenteil - je aussichtsloser, desto besser!" er blickte gedankenverloren an ihr vorbei und konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen: "Man, selbst Colt hast Du so manches Mal den Schneid abgekauft. Du kannst mir nicht weismachen wollen, dass Du jetzt plötzlich kalte Füße bekommst. Und das, wo wir quasi vor dem größten Durchbruch seit der Entwicklung von Ramrod stehen..." ohne sie noch einmal anzuschauen schritt er an ihr vorbei zurück ins Wohnzimmer. Er wusste, dass April nicht offen zu ihm war, aber es hatte keinen Sinn, sie zu drängen. Es war für den ehemaligen Rennfahrer nur schwer zu akzeptieren, doch mit Druck würde er nichts bei ihr bewirken. "Die Zeiten ändern sich nun mal...", April stand noch immer im Rahmen des Küchendurchgangs und wagte es nicht, sich zu ihrem Freund umzudrehen, "das letzte Jahr... ich habe mich irgendwie an dieses Leben ohne die Outrider gewöhnt!" "Mach mir nichts vor, April! Das bist nicht Du, das weißt Du genauso gut wie ich!" täuschte April sich, oder nahm die Schärfe in Fireballs Stimme zu? "Wieso kannst Du meine Entscheidung denn nicht einfach akzeptieren?" sie sah keine andere Möglichkeit, als in die Offensive zu gehen. Sie würde die wahren Gründe niemals verraten können, vielleicht gab sich Fireball aber auch damit zufrieden, wenn sie ein wenig Wut und Entrüstung vortäuschte. Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los: "Ich würde sie wahrscheinlich akzeptieren, April, aber Du bist nicht ehrlich zu mir! Ich kenne Dich wirklich schon lange genug, um zu wissen, was in Dir vorgeht. Und andersrum weißt Du genauso, dass Du mir immer alles sagen kannst, was Dich bedrückt - jedenfalls dachte ich bislang, dass es so ist..." So ging das nicht weiter: "Ich kann Dir den wahren Grund nicht sagen, Fireball...", dass man die Wahrheit verschwieg, war immer noch besser, als zu lügen. Offenbar sah Fireball das genauso, denn er warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu: "Natürlich kannst Du das, April. Ich merke doch, wie sehr Du Dich mit irgendwas rumquälst - aber wenn Du mir nicht sagst, was es ist, dann kann ich Dir auch nicht dabei helfen..." "Das könntest Du auch nicht, wenn ich es Dir sagen würde!" "Na fein", Fireball atmete tief ein und stieß die Luft mit einem leisen Zischen wieder aus, "wenn Du nicht mit auf die Mission gehst, dann bleibe ich auch hier." "Oh, das ist so unfair von Dir!" jetzt keimte echte Wut in April auf. Wie konnte er es wagen, ihre Gefühel zu ihm so schamlos auszunutzen! "Du weißt ganz genau, dass ich niemals zulassen würde, dass Du meinetwegen auf diese einmalige Chance verzichtest! Herrgott, was glaubst Du wohl, warum ich Dir die Wahrheit nicht sagen kann?" "Keine Ahnung..." "Weil ich genau weiß, dass Du dann nicht mit in die Phantomzone gehen würdest und vielleicht die einzige Möglichkeit verspielen würdest, herauszufinden, was damals mit Deinem Vater geschehen ist!" Fireball horchte auf; anscheinend war ihr wohl doch aufgegangen, was für tiefgründige Aspekte für ihn mit dieser Sache zusammen hingen: "Ich möchte Dich dabei haben, April..." murmelte er kleinlaut und starrte zu Boden, "seit Jahren hoffe ich auf so eine Gelegenheit - aber jetzt, wo sie fast schon zum Greifen nahe ist, kriege ich Fracksausen...ohne Dich stehe ich das sonst vielleicht nicht durch... ich brauche Dich!" Von einer tiefen Welle der Zuneigung ergriffen eilte April zu ihm hinüber und klammerte sich energisch an ihn: "Das weiß ich, Fire", zärtlich küsste sie sein rechtes Ohr, "im Herzen werde ich bei Dir sein! Und wenn Du zurück bist, dann werde ich Dir auch sagen, was mich zu meiner Entscheidung bewogen hat, hier zu bleiben. Glaub mir, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit Dir zu gehen, aber es geht nicht. Vertrau mir bitte, Fire!" Behutsam, aber gleichzeitig doch bestimmt griff Fireball nach Aprils Händen und löste sich sacht aus ihrer Umarmung: "Wie kannst Du das von mir verlangen... Du vertraust mir doch auch nicht!" ohne sie noch einmal anzusehen ging er hinüber ins Schlafzimmer. Sie hörte, wie er sich an seinem Kleiderschrank zu schaffen machte und einige Minuten später schlurfte er tief in Gedanken mit einer gepackten Tasche über der Schulter zur Haustür. Angst breitete sich in Aprils Innerem aus und sie wagte kaum, die nächsten Worte über die Lippen zu bringen: "Wo... wo willst Du hin?" "Zum Sport", Fireballs Stimme klang belegt und enttäuscht, "ich brauche Zeit zum Nachdenken." Ungefähr zur gleichen Zeit, als Fireball verstört und durcheinander mit seinem Red Fury durch die Straßen von Yuma in Richtung des neuen Fitness-Studios flitzte, welches er seit einigen Wochen besuchte, saß ein anderes Mitglied der Star Sheriffs in ungefähr der gleichen Gemütsverfassung am Schreibtisch in seinem Quartier und starrte auf das Arbeitsergebnis der letzten Stunde. Verzweifelt raufte Saber sich die Haare und fegte unbeherrscht, wie man ihn sonst gar nicht kannte, sechs zusammengeknüllte Blätter Papier mit einer unwirschen Bewegung seines Armes zu Boden. Es war zum aus der Haut fahren, wieso gelang es ihm denn nicht, ein paar läppische Zeilen aufs Papier zu bringen, das konnte doch nicht so schwierig sein! Mürrisch stieß er sich mit den Füßen nach hinten ab und erhob sich mit einem leisen Stöhnen aus seinem Bürostuhl. Wieso war er überhaupt auf diese schwachsinnige Idee gekommen? Wahrscheinlich würde sich Cynthia nicht einmal mehr an ihn erinnern, geschweige denn äußerst erfreut über eine ziemlich verspätete Liebeserklärung sein. Sicherlich würde sie über seine albernen und gefühlsduseligen Worte lachen und seinen Brief dann in den Mülleimer befördern. War es nicht geradezu schwachsinnig, sich nach so langer Zeit aus einer dummen Vorahnung heraus zu so einer närrischen Handlung verleiten zu lassen? Was erwartete er sich denn von diesem Brief? Dass Cynthia bei seiner Rückkehr hier auf Yuma auf ihn warten würde? Dass sie sich in seine Arme schmeißen und ihm sagen würde, dass sie die ganze Zeit nur auf ein Zeichen von ihm gewartet hatte? Dass sie seit ihrer Begegnung damals nur noch an ihn hatte denken können? Wenn er ehrlich war, dann schrieb er diesen Breif doch nur in der Annahme, dass er von der Mission in die Phantomzone sowieso nicht zurückkehren würde. In dieser Hinsicht machte er sich nichts vor, mochte er im Kampf und in der Führung seines Teams noch so mutig sein, was Herzensangelegenheiten anging, war er ein absoluter Feigling! Sonst hätte er sich damals mit seinem Tagebuch nicht so heimlich aus der Affaire gezogen. Im Nachhinein hatte er sich immer und immer wieder dafür ohrfeigen können, dass er nicht den Mut aufgebracht hatte, Cynthia die Wahrheit zu sagen. So oft hatte er an sie gedacht, sich so oft sehnsüchtig zu ihr zurück gewünscht, aber hatte er darauf überhaupt ein Anrecht? Und was, wenn sie ihn tatsächlich liebte, seine Gefühle erwiderte? War es dann nicht mehr als unfair, ihr nun, da sie wohl keine Möglichkeit mehr haben würden, sich je wiederzusehen, reinen Wein einzuschenken? Vielleicht riss er damit alte Wunden wieder auf und würde es für sie noch viel schlimmer machen, als es sowieso schon war. Schließlich konnte man doch sehr viel besser mit der Wut auf einen Menschen leben, der sich einfach aus dem Staub gemacht und nie wieder hatte blicken lassen, als mit dem Verlust einer geliebten Person. Saber ballte seine Hände zu Fäusten: "Himmel, nun reiß Dich zusammen..." mit neuem Elan setzte er sich zurück an seinen Schreibtisch, "Du kannst Dich nicht aus dieser Welt verabschieden, ohne ihr gesagt zu haben, was sie Dir bedeutet. Die einzige Frau, die Dir je wichtig war und Du willst wieder kneifen! Jetzt ist endlich Schluss mit dem Versteckspiel!" beherzt griff er sich einen neuen Bogen Papier und setzte den Füller an: "Liebste Cynthia, ich weiß, es ist lange her, seit wir uns begegnet sind, und ich habe eigentlich kein recht, noch einmal in Dein Leben zu treten..." "Aber ich will mit Dir kommen, Colt!" Josh klammerte sich beharrlich um die Taille des ziemlich ratlosen Cowboys und versuchte, ihn mit seinem Gewicht zu Boden zu ziehen. Colt war gerührt von dieser aussichtslosen Anstrengung und hob den kleinen Mann auf den Arm, damit er ihm direkt in die Augen blicken konnte: "Ich weiß, dass Du das möchtest, Josh, und ich bin auch sicher, dass Du ein ganz toller Star Sheriff wärst, aber es ist einfach zu gefährlich, verstehst Du?" Er hatte versucht, den Jungen damit aufzuheitern, aber leider bezweckten seine Worte nur das Gegenteil. Joshs Augen wurden glasig und seine Lippen begannen zu zittern: "So gefährlich, dass Du sterben musst, Colt?" Reflexartig schaute Colt hinüber zu seiner Frau Robin, die mit dem Abwasch beschäftigt war. Zwar hatte er es nur aus den Augenwinkeln sehen können, doch Joshs Frage hatte sie unwillkürlich zusammenschrecken lassen. "Nein, natürlich werde ich nicht sterben..." "Aber dann kann es doch nicht so gefährlich sein!" beharrte der Junge und witterte eine neue Chance. Colt musste über diesen Dickkopf schmunzeln - lag es nun an seinem täglichen Einfluss, oder bildete er sich einfach nur ein, dass Josh immer mehr dem kleinen Colt von früher glich? Auch wenn er Robins kleiner Bruder war, so sah er in ihm doch mehr einen Sohn als alles andere. Denn genau so musste ein Sohn nach Meinung des Cowboys sein - stur, wagemutig und beherzt. "Hör zu Josh", er setzte ihn zurück auf den Boden und kniete nun zur Abwechslung in seiner Augenhöhe auf den Fliesen der Küche, "Du kannst doch Deine Schwester nicht ganz alleine lassen wollen. Schließlich kann ich nicht auf sie aufpassen, wenn ich dort oben herum fliege", er stieß seinen rechten Zeigefinger in die Luft, so als wolle er damit seinen Hut nach oben schnippen, den er aber im Moment gar nicht trug, "und ich kann mir einfach keinen besseren Mann für diesen Job vorstellen, als Dich, Partner!" Josh kniff abschätzend die Augen zusammen und zog die Nase hoch: "Na schön... aber dafür bist Du mir was schuldig, hombre!" mit diesen Worten drehte er sich zur Terrassentür und stürmte hinaus in den Garten. Auch wenn er es wohl nicht zugeben wollte, aber die Tatsache, dass Colt ihn für einen Mann hielt, machte jede noch so stumpfsinnige Arbeit zu einer lebenswichtigen Angelegenheit. Und war es auch nur, mal wieder auf die große Schwester aufzupassen. "Der Junge nimmt beängstigend viele von Deinen Zügen an, Colt!" Robin hantierte weiter mit den Händen im Waschwasser: "Noch ein paar Jahre, dann rennt er auch mit einem Blaster durch die Gegend und stürzt sich im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit von einer Waghalsigkeit in die nächste..." ein Teller rutschte ihr aus der Hand und fiel scheppernd zurück zu den übrigen: "Oh, verdammt..." Sie wollte gerade nach einem Handtuch greifen, da spürte sie Colts Arme, wie sie sich fest um ihren Oberkörper schlossen: "Alles in Ordnung mit dir?" Wütend stampfte Robin mit dem rechten Fuß auf und hätte dabei beinahe einen von Colts Füßen erwischt: "Natürlich geht es mir gut - mal abgesehen davon, dass ich in ein paar Wochen schon wieder Witwe sein werde. Ist man eigentlich verpflichtet, nach so kurzer Ehe die Hochzeitsgeschenke wieder zurückzugeben?" Colts Arme umschlossen sie noch fester und sein Kopf legte sich auf eine ihrer Schultern: "Hey, keine Sorge, Süße, dem guten alten Colt wird schon nichts passieren, okay! Wir fliegen nur schnell in die Phantomzone, überzeugen uns davon, dass sich da einer nur einen ganz miesen Scherz mit uns erlaubt hat, und ehe Du damit rechnest, sind wir auch schon wieder wohlbehalten zurück!" Die Worte des Cowboys klangen so ehrlich und aus tiefstem Herzen, dass Robin ihm beinahe Glauben schenken wollte - zumindest er selbst schien überzeugt von dem, was er da sagte. Sie drehte sich zu ihm herum und schmiegte sich mit ihren tropfenden Händen an seine Brust: "Versprich mir nur, dass Du auf Dich aufpasst und Dich nicht unnötig in irgendwelche Sachen reinmanövrierst, die Dich Kopf und Kragen kosten können", sie setzte ein etwas gequältes Lächeln auf und küsste ihren Mann auf die Wange, "sonst könnte es nämlich passieren, dass ich mir einen anderen Viehhirten zum Mann suche!" "Das können wir natürlich nicht zulassen." das Lächeln, das sich jetzt auf Colts Gesicht ausbreitete, war so echt, wie man es sich nur vorstellen konnte: "Wahrscheinlich muss ich Dich noch einmal von meinen Vorzügen überzeugen, damit du während meiner Abwesenheit nicht auf dumme Gedanken kommst!" Und noch ehe Robin protestieren konnte, wurde sie von einem leidenschaftlichen Kuss überrumpelt, der keinen Widerspruch duldete. Kapitel 8: Die Schatten werden länger ------------------------------------- Früh am nächsten Morgen erwachte April jäh mit einem stummen Schrei auf den Lippen aus ihren Träumen. Ihr Herz klopfte, als wollte es ihre Brust zum Bersten bringen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Keuchend stützte sie sich auf ihre Ellenbogen. Mit zitternden Fingern fuhr sie sich übers Gesicht, das von kaltem schweiß bedeckt war. Er war tot! Fireball war tot. Sie hatte geträumt, Jesse Blue wäre erneut aus der Hölle emporgestiegen, um sie zu holen. Er war plötzlich hier gewesen, in ihrem Schlafzimmer. Beinahe so wie damals. Überhaupt war der Traum ein ziemlich genaues Abbild dessen gewesen, was vor gut einem Jahr in ihrem damaligen Appartement geschehen war. Er war wieder über sie hergefallen, dieses Mal nicht auf dem Sofa, sondern hier, in ihrem Bett. Sie spürte beinahe noch seine groben Berührungen, seine Zunge, die über ihre Haut glitt und sie sah im Geiste den wahnsinnigen und gierigen Blick in seinen eiskalten Augen. Doch dann war Fireball plötzlich dort gewesen. Er und Jesse hatten miteinander gerungen und April hatte verzweifelt versucht, ihren Blaster zu finden, um ihren Erzfeind noch einmal mit einem gezielten Schuss ins Jenseits zu befördern. Doch bevor sie in der Lage gewesen war, den Abzug zu drücken, hatte der Traum eine skurrile Wendung genommen. Aus Jesses Augen waren Flamen geschossen, direkt auf den wehrlos am Boden liegenden Fireball. April war starr vor Schreck gewesen und musste tatenlos mit ansehen, wie ihr Verlobter bei lebendigem Leibe verbrannte… dieser Schock hatte sie zum Glück in die Realität zurück gerissen und sie war aufgewacht. Noch immer schwer atmend warf sie einen Blick auf das leere Bett neben sich. Bis weit nach Mitternacht hatte sie auf die Rückkehr von Fireball gewartet; dann hatte er ihr eine kurze Textnachricht geschickt: ‚Mach Dir keine Sorgen, bleibe heute bei Colt und Robin. Brauche Zeit zum Nachdenken.’ Kein Gruß, kein ‚ich liebe Dich’, nicht einmal sein Name am Ende der Nachricht. April zitterte am ganzen Körper. Sie setzte sich auf und schlang fröstelnd die Arme um die angezogenen Beine. Ihr T-Shirt war vom Schweiß ganz nass und klebte unangenehm kalt auf ihrer Haut. Unsicher berührte sie die Lampe auf ihrem Nachttisch und ein beruhigend warmes Licht vertrieb die angsteinflößenden Schatten der Dunkelheit. Ein kurzer reflexartiger Blick zum Fenster. ‚Du bist eine Närrin!’ schalt sie sich selbst. Sie konnte nicht mehr sagen, wie oft sie schon nachts aufgewacht war und sich vergewissert hatte, dass die Balkontür ihres Schlafzimmers geschlossen war. Nur um ein ums andere Mal zu erkennen, dass dieses Zimmer keinen Balkon hatte. Damals, als sie sich mit Fireball nach einer gemeinsamen Wohnung umgesehen hatte, war dies ein wichtiger Punkt auf ihrer Liste gewesen. Das Erlebnis mit Jesse Blue hatte sich einfach zu tief in ihre Seele gebrannt, als dass sie die Nachwirkungen hätte ignorieren können. Noch immer leicht benommen versuchte sie sich ein wenig zu beruhigen. Sie warf die Bettdecke zurück und schwang ihre schlanken Beine aus dem Bett. Ein paar Sekunden verweilte sie in dieser Position, weil ihr Körper ihr nicht weiter gehorchen wollte, doch dann erhob April sich schwerfällig und ging hinüber zum Kleiderschrank. Wenn sie weiterhin die durchgeschwitzten Sachen anbehielt, würde sie sich nur einen Schnupfen holen, und damit war in der momentanen Situation auch niemandem geholfen. Sie griff eines von Fireballs T-Shirts und vergrub ihr Gesicht darin. Er musste es nach dem Tragen zurück in den Schrank gelegt haben, um es an einem anderen Tag noch einmal anzuziehen. Es roch nach seinem Aftershave, nach Benzin und Maschinenöl, nach Schweiß und dem Ledersitz seines Red Fury Racers. Kurz entschlossen streifte April sich ihr eigenes Shirt über den Kopf und schlüpfte in das von Fireball. Es war ihr einige Nummern zu groß und reichte bis weit über ihren Po, aber der Geruch und der Gedanke, dass Fireballs Wärme noch immer darin steckte, waren irgendwie tröstlich. Wie gerne hätte sie sich jetzt schutzsuchend in seine Arme gekuschelt, tatsächlich die Wärme seiner Haut gespürt. ‚Brauche Zeit zum Nachdenken!’ Wie konnte sie ihm das verdenken? Die Tatsachen, die ihnen im Büro ihres Vaters eröffnet worden waren, hatten bei ihr solche Alpträume hervorgerufen. Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, welche Wunden sie bei Fireball aufgerissen haben mussten. Nicht nur die Erinnerung an Mandarins Tod und die tragischen Ereignisse, die sich darum rankten, sondern auch der Gedanke an die Dinge, die weit in der Vergangenheit lagen. Wahrscheinlich brauchte er sie im Moment mehr als je zuvor, und sie ließ ihn ohne den Ansatz einer Erklärung im Stich. Jedenfalls musste Fireball das so sehen. Er konnte ja nicht ahnen, welch schweres Geheimnis sie seit einigen Stunden zu hüten hatte. Und schließlich durfte er es auch nicht ahnen. Zu viel stand auf dem Spiel! Sie schlenderte hinüber zum Wohnzimmer, an Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken und bald würde der Morgen grauen. In der Tür blieb sie stehen, um den Lichtschalter zu betätigen. Erst als sie sich vergewissert hatte, dass das Zimmer ruhig und friedlich dalag, konnte sie es sich in einem Sessel bequem machen. Noch ein Erbe von Jesse Blue – sie hatte in ihrer eigenen Wohnung Angst vor der Dunkelheit und vermutete überall lauernde Schatten. Was sollte sie nur tun? Die Wahrheit konnte sie Fireball nicht sagen, denn dann würde er bestimmt darauf verzichten, an der Mission teilzunehmen. Und dadurch wahrscheinlich die einzige Möglichkeit in den Wind schlagen, etwas über das Schicksal seines Vaters herauszufinden. April wusste, wie viel es ihm bedeutete, endlich Gewissheit zu haben, was mit seinem Vater vor mehr als 20 Jahren geschehen war. Nicht umsonst hatte er im letzten Jahr sämtliche Befehle missachtet und zusammen mit Mandarin an dem Outrider-Schiff herum gefuhrwerkt. Sie schluckte, als sie sich an das Flammeninferno auf dem Raumhafen erinnerte, in dem Mandarin den Tod gefunden hatte. Und unwillkürlich drangen auch die schrecklichen Bilder aus ihrem Alptraum wieder in ihr Bewusstsein. Fireballs Körper, der ironischer Weise in einem Ball aus Feuer verbrannte. April gab ein leises Wimmern von sich und schüttelte energisch den Kopf. Vielleicht war dieser Traum ja eine Warnung gewesen. Eine Vision dessen, was passieren würde. Beinahe gefror ihr das Blut in den Adern. Wenn Fireball sich ihretwegen sorgen, sich zu viele Gedanken wegen ihres unerklärlichen Verhaltens machen würde! ‚Brauche Zeit zum Nachdenken!’ Er wäre abgelenkt und könnte sich nicht auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren; welche fatalen Konsequenzen das zur Folge haben konnte, brauchte sich April nicht erst auszumalen. Wieder loderten die Flammen vor ihrem inneren Auge auf. Sie musste etwas unternehmen. Soviel stand fest! Zwar konnte sie Fireball nicht die Wahrheit sagen, aber sie konnte zumindest eines tun. Entschlossen warf sie einen Blick auf die Digitaluhr des Plasmabildschirms: 3:48 Uhr, eine wahrhaft unchristliche Zeit. Aber besondere Situationen bedurften eben besonderer Maßnahmen, da spielte die Zeit keine Rolle! Eilig lief sie zurück ins Schlafzimmer, zerrte ihren Jogging-Anzug aus dem Kleiderschrank und zog ihn über T-Shirt und Boxershorts. Dann schnappte sie sich ihren Blaster und ihren Schlüsselbund mit den verschiedenen ID-Cards und verließ mit wehenden Haaren die Wohnung. Das monotone hohe Piepsen seines Communicators, den er wie immer für den Notfall auf dem Nachttisch postiert hatte, holte Saber unsanft aus seinem leichten und traumlosen Schlaf. Er brauchte einige Augenblicke um zu begreifen, was um ihn herum geschah. Blind vor Müdigkeit tastete er nach dem Wecker, aber alles drücken der Knöpfe half nichts, das Piepsen hörte nicht auf. Verwirrt fuhr er sich über die Augen und starrte auf die grün leuchtende LED-Anzeige, die bestätigte, dass es noch weit vor der Zeit zum Aufstehen war. Dann sah er das hektische Blinken seines Communicators und griff danach, ohne den Kopf vom Kissen zu heben. Seine Augen waren noch immer zu müde, um die kleine Anzeige entziffern zu können, deswegen öffnete er einfach den Sprachkanal und legte das Gerät dann wieder auf den Tisch: „Hm…?“ brummte er für seine Verhältnisse ziemlich ungehalten und schloss wieder die Augen. „Saber? Hier ist April…es tut mir leid, aber…“ „April“, ungläubig rappelte der Säbelschwinger sich auf, „hast Du in letzter Zeit mal auf die Uhr gesehen?“ „Sorry, ich würde nicht stören, wenn es nicht wichtig wäre!“ ihre Stimme klang verunsichert und Saber sah ein, dass es wohl tatsächlich wichtig sein musste, wenn sie ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf holte. „Dann schieß los…“ „Ich muss unbedingt mit Dir reden!“ Saber musste ein wütendes Schnauben unterdrücken: „Ich dachte, das tust Du bereits!“ konnte sie sich nicht einfach kurz fassen? „Was? Ja, klar…“ ihre Stimme geriet ins Wanken, „ich meinte nicht über Comline…“ „Sag jetzt bitte nicht, dass ich mitten in der Nacht aufstehen soll, um mich mit Dir zu treffen!“ das konnte einfach nicht ihr Ernst sein. Waren denn ein paar Stunden Schlaf nach einem so anstrengenden Tag wirklich zu viel verlangt? Wieso dachten denn bloß alle, dass sie ihn jederzeit mit ihren Problemen und Sorgen behelligen konnten? Hatte er eigentlich ein Recht darauf, sich über seine eigenen Probleme den Kopf zu zerbrechen, ohne dabei gestört zu werden? „Ich… tut mir leid, war eine blöde Idee… schlaf weiter, ja!“ Saber hörte die Enttäuschung in Aprils Stimme und bekam ein schlechtes Gewissen. Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass er stundenlang über dem Brief an Cynthia gebrütet hatte und noch immer nicht wusste, ob der Brief auch wirklich das wiedergab, was in seinem Herzen vor sich ging. „Wo ist Fireball?“ Eine kleine Pause setzte ein, in der er nur Aprils Atem hören konnte, dann antwortete sie mit belegter Stimme: „Bei Colt…“ „Na gut…“ wenn sein Freund die Nacht bei Colt und Robin verbrachte, schien es tatsächlich Probleme zu geben. Von diesen wäre er zwar lieber verschont geblieben, aber was half es schon. Nun war er wach und konnte sich genauso gut um April kümmern: „Ich komme bei Dir vorbei, gib mir ein paar Minuten Zeit, ja?“ „Nicht nötig!“ mit einem leisen Sirren wurde die Verbindung unterbrochen und das Display von Sabers Comgerät wurde dunkel. Verwirrt schwang er sich aus dem Bett. Hatte April die Verbindung absichtlich unterbrochen, oder waren sie getrennt worden? Gerade wollte er versuchen, erneut mit seiner Teamkollegin Kontakt aufzunehmen, als er ein sachtes Klopfen aus dem Wohnzimmer einen Stock tiefer vernahm. Stirnrunzelnd zog seine Shorts zurecht, dann verließ er das Schlafzimmer und tappte die kleine Wendeltreppe nach unten. Aprils Herz pochte heftig. Hoffentlich hatte Saber ihr Klopfen gehört. Ein wenig mulmig war ihr schon zumute, den Freund zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett gerissen zu haben, aber er war der einzige, der ihr im Moment helfen konnte. Die klamme Kälte des frühen Morgens drang schleichend durch ihren Jogging-Anzug. Zitternd verschränkte sie die Arme und warf einen Blick zu Nova, die ruhig und friedlich auf Sabers Terrasse stand: „Meinst Du, er ist sauer?“ Natürlich erhielt sie von ihrem elektronischen Streitross keine Antwort, doch das war auch nicht nötig. Die unerwartet heftige Reaktion von Sabers Seite hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er alles andere als erfreut über ihre Störung war. Sie konnte es ihm auch nicht verdenken, aber trotzdem versetzte seine unwirsche Art sie ins Grübeln. Es sah Saber nicht ähnlich, einen Freund in Not so schroff anzufahren, egal wie spät es auch sein mochte. Wahrscheinlich hatte auch er einen langen Abend voller schwerer Gedanken hinter sich. Die Entscheidung, die jeder einzelne von ihnen zu fällen hatte, setze eben auch einem Profi wie dem Säbelschwinger zu. Unruhig trat April von einem Bein aufs andere. Wenn Saber sie nun tatsächlich nicht gehört hatte! Sollte sie es vielleicht noch einmal versuchen? Plötzlich flammte im Inneren der Wohnung die Deckenbeleuchtung auf und April sah einen reichlich verwirrt und mürrisch dreinblickenden Saber die Treppe ins Wohnzimmer herunter kommen. Seine Haare standen wild zu Berge und er war mit nichts weiter als einer schwarzen, ziemlich engen Shorts bekleidet. Als er sie erblickte, blieb er für einen Moment auf der untersten Stufe der Treppe stehen. Seine Augen weiteten sich vor noch größerem Erstaunen und reflexartig fuhr er sich mit der rechten Hand durchs Haar, um seine widerspenstige Mähne ein wenig zu zähmen. April sah die tiefen Sorgenfalten in seinen Gesichtszügen, als er ihr wortlos die Balkontür öffnete und sie ins warme Wohnzimmer trat. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus, in der April sich peinlich bewusst wurde, dass sie Saber nie zuvor nur mit Shorts bekleidet gesehen hatte. Seine schlanken, langen Beine waren sehnig und muskulös, sein Oberkörper durchtrainiert und breitschultrig. Kein Wunder, schoss es ihr durch den Kopf, dass es einmal Zeiten gegeben hatte, in denen sie ihn äußerst anziehend gefunden hatte. Verschämt wandte sie den Blick von ihm ab: „Junge Saber, wenn ich gewusst hätte, was mich hier für ein Anblick erwartet, hätte ich Dich schon mal früher nachts überfallen. Willst Du Dir nicht vielleicht kurz was überziehen? Beim Anblick Deines Adoniskörpers kann ich mich sonst echt nicht konzentrieren!“ sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu, um ihre Unsicherheit zu überspielen und stellte erleichtert fest, dass sich auch auf seinem Gesicht ein amüsiertes Aufblitzen zeigte. „Zügle Deine Hormone, immerhin bist Du eine versprochene Frau!“ Die Erinnerung an Fireball ließ Aprils Miene wieder zu Stein erstarren, ein sicheres Anzeichen für Saber, dass es bei den beiden tatsächlich Ärger gegeben hatte. Und da der Rennfahrer bei ihrem Freund Colt Unterschlupf gefunden hatte, würde er an dessen Stelle dieses Mal den Ratgeber spielen dürfen. Unbeholfen berührte er April sanft an der Schulter und drückte sie sacht: „Ich bin gleich wieder da. Nimm Dir doch was zu trinken, wenn Du magst, ja!“ Sie sah ihm nach, wie er die Wendeltreppe wieder nach oben stieg und hörte die Schritte über sich, als er zurück in sein Schlafzimmer ging. Etwas zu trinken war vielleicht gar keine so schlechte Idee! Während Saber sich anzog konnte sie ebenso gut in die Küche gehen und sich nach etwas Flüssigem zur Beruhigung umsehen. Ein wenig unsicher schlich sie in den Flur hinaus und zur Küche hinüber. Sie war nicht sonderlich oft bei ihrem Boss zu Hause gewesen und fühlte sich befangen, einfach so in seiner Wohnung umher zu spazieren; besonders wenn dieser nur mit Unterhose bekleidet im Stockwerk über ihr war. Beim Betreten der Küche gingen automatisch zwei kleine Deckenfluter an, die in den beiden äußeren Ecken positioniert waren und den Raum in ein gemütlich warmes Licht tauchten. Aprils Blick fiel auf den kleinen Tisch rechts neben der Tür. Dort standen eine Glasflasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit und ein leeres, aber offensichtlich benutztes Glas. Sie Griff nach der Flasche und nahm das schwarze Etikett mit dem Goldrand genauer in Augenschein. „Single Malt Whisky?“ vor Erstaunen wären ihr beinahe die Gesichtszüge entgleist. Seit wann trank Saber denn hochprozentigen Alkohol? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich! Auf dem Tisch lag noch der Aluminiumverschluss, mit dem die Flasche versiegelt gewesen war. Offensichtlich hatte er sie erst vor kurzem geöffnet. Skeptisch betrachtete April den Inhalt – gut ein Drittel des Whiskys war verschwunden. Wenn Saber den am Abend alleine getrunken hatte, war es kein Wunder, dass er angespannt wirkte und über die nächtliche Ruhestörung nicht sehr erfreut gewesen war. Diese Dosis Alkohol hätte wohl selbst Colt außer Gefecht gesetzt. Unschlüssig zog April den Korken aus der Flasche und schnupperte vorsichtig am Inhalt: der Geruch von starkem Alkohol, gemischt mit Torf und Rauch verschlug ihr beinahe den Atem. Einerseits war sie schockiert darüber, dass Saber Rider da eine Seite an sich hatte, von der sie bislang offenbar nicht einmal etwas geahnt hatte, andererseits war ein Schluck guten Whiskys wahrscheinlich genau das, was sie im Moment brauchte. Vernunft und Verzweiflung trugen in ihrem Inneren einen heftigen Zweikampf aus, doch dann zuckte sie resigniert die Schultern: „Zum Teufel damit!“ Energisch griff sie nach dem Glas und füllte es gut zwei Zentimeter mit Whisky auf. Ein Schauer durchlief ihren Körper, als sie den Alkohol mit einem Zug ihre Kehle hinunter stürzte. Sie verschluckte sich ein wenig und begann zu husten. „Bist wohl das Wasser des Lebens nicht gewohnt, wie?“ Saber stand plötzlich hinter ihr und nahm ihr das Glas aus der Hand. April eilte hinüber zur Spüle und versuchte, mit einigen großen Schlucken aus dem Wasserhahn den Geschmack in ihrem Mund zu vertreiben: „Wie kannst Du so was nur freiwillig trinken?“ Ihr Gesicht hatte sich vor Ekel verzogen und Saber musste unwillkürlich lachen: „Du weißt eben einen guten Tropfen nicht zu schätzen, liebste April! Als echter Schotte saugst Du den Whisky quasi schon mit der Muttermilch ein!“ Der weibliche Star Sheriff schluckte einen letzten Schwall Wasser hinunter und drehte sich stöhnend um: „Ihr Schotten meint ja auch, dass es Musik ist, wenn Ihr ein paar aufgepusteten Stoffsäcken quietschende Töne entlockt…“ und außerdem meinten sie wohl auch, dass „sich etwas überziehen“ bedeutete, dass man zu seiner sowieso schon engen Shorts noch eine hautenges, ärmelloses Shirt überzog und damit der Etikette genüge getan war. Saber musste Aprils überraschtes Schlucken gehört haben, denn er warf ihr einen geradezu frechen Blick von der Seite zu: „Dachtest Du etwa, ich schmeiße mich in meinen Raumanzug?“ „Was? Nein…“ April wurde unangenehm heiß, „es ist nur, ich… habe Dich glaube ich noch nie…“ ihr blieben die Worte im Hals stecken, als ihre Blicke abermals über Sabers muskulöse Arme und Beine wanderten. Grinsend griff der Säbelschwinger nach der Flasche: „Vielleicht noch einen? Auf den Schock und die Erkenntnis, dass ich auch nur ein Mann bin?“ ‚Und was für einer…’ April schüttelte diesen unpassenden Gedanken ab: „Willst mich wohl umbringen, wie!“ „Banause!“ „Damit kann ich leben!“ Saber hob gleichmütig die Schultern und genehmigte sich selber noch einen kleinen Drink, bevor er es sich auf einem der Küchenstühle gemütlich machte. „Meinst Du nicht, dass Du heute schon genug von dem Zeug getrunken hast?“ April nahm ihm das Glas aus der Hand, bevor er es erneut füllen konnte und setzte sich zu ihm. Die eben noch heitere Miene des Star Sheriffs verfinsterte sich: „Und meinst Du nicht, dass hier und jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür ist?“ er schaute ihr forschend ins Gesicht. „Ich hätte nie gedacht, dass Dich mal etwas so aus der Bahn werfen würde!“ dieser neue Saber machte April in der Tat Angst. „Hätte ich ehrlich gesagt auch nicht“, der Säbelschwinger inspizierte eingehend den Boden des leeren Glases, „und glaube mir, das gefällt mir selber nicht!“ entschieden schob er Glas und Flasche mit dem rechten Arm beiseite: „Aber genug von mir, weshalb wolltest Du mit mir reden?“ April überlegte, wie sie anfangen sollte. Es hatte keinen Sinn, die Wahrheit unnötig hinauszuzögern, früher oder später, spätestens am Donnerstag, würde sie sowieso Farbe bekennen müssen. Wieso jetzt also noch Zeit schinden? Mit einem schweren Seufzer wiederholte sie also den Satz, der den Zwist mit Fireball eröffnet hatte: „Ich werde nicht mitgehen in die Phantomzone…“ „Wie bitte?“ Saber war wie vom Donner gerührt. Der Einsatz würde gefährlich werden und vielleicht mussten sie ihren Wagemut mit dem Leben bezahlen, aber nicht eine Sekunde lang hatte er daran gezweifelt, dass das Team sich dieser Herausforderung geschlossen stellen würde. „Hast schon richtig gehört…“ April rutschte kleinlaut in sich zusammen, „und frag bitte nicht, warum, okay! Nimm es einfach hin!“ „Na, Du bist gut“, mit einem Ruck erhob sich Saber und begann in der Küche hin und her zu tigern, „nimm es einfach hin. Wie stellst Du Dir das vor?“ „Dad hat jedem von uns freigestellt, sich zu entscheiden, ob er an dieser Mission teilnehmen will“, braust April unvermittelt auf, „und ich habe mich dagegen entschieden. Dafür habe ich meine Gründe und mehr ist zu diesem Thema nicht zu sagen!“ sie war vielleicht Fireball eine Erklärung schuldig, aber niemandem sonst. „Und was sagt Fireball dazu?“ die Arme vor der Brust verschränkt schaute Saber sie prüfend an. „Das ist eine Sache zwischen ihm und mir…“ „Also ich frage mich wirklich, warum Du hier bist“, seine Stimme klang eisig, „wenn Du mir nichts zu sagen hast, hätte ich wunderbar weiterschlafen können!“ „Oder Dich bei Deiner Entscheidungsfindung noch einmal vom Alkohol beraten lassen können…“ Totenstille trat ein; es hatte beinahe den Anschein, als hätte Saber sogar den Atem angehalten. April biss sich auf die Lippe und senkte betreten den Blick: „Das habe ich nicht so gemeint, tut mir leid…“ Ihr Gegenüber schnaubte missmutig: „Ist schon gut, wir sind alle ein wenig angespannt.“ Er riss sich zusammen und zwang sich, wieder am Tisch Platz zu nehmen: „Warum bist Du hier, April?“ „Ich wollte Dich um einen Gefallen bitten…“ Saber lehnte sich schweigend in seinem Stuhl zurück. Er würde nichts erreichen, wenn er April weiter bedrängte. Er musste ihr einfach Zeit geben, ihre Gedanken zu sammeln und das zu sagen, weswegen sie hergekommen war. „Diese Mission… für Fireball ist sie mehr als nur ein normaler Einsatz.“ „Es ist seine Chance herauszufinden, was damals mit seinem Vater geschehen ist…“ Nervös knetete April mit der rechten Hand den linken Daumen und nickte kaum merklich: „Diese Frage hat ihn schon immer beschäftigt, weißt Du? Ich meine, wer würde nicht wissen wollen, was aus seinem Vater geworden ist!“ die Luft in der Küche schien plötzlich stickig und verbraucht. Sie musste den Zwang niederkämpfen, aufzustehen und ein Fenster aufzureißen. „Aber es hängt noch soviel mehr daran…“ Sabers Nackenhaare stellten sich auf: „Mandarin…“ Der Name hing in der Luft wie ein unliebsam heraufbeschworener Geist. „Er hat immer noch schwer mit dieser Sache zu kämpfen. Ich habe einfach Angst, dass das alles irgendwie zu viel für ihn werden könnte…“ „Was genau meinst Du mit zu viel?“ April zog unschlüssig die Schultern hoch: „So genau weiß ich das auch nicht“, Bilder ihres Alptraumes tauchten wieder vor ihr auf, „ich habe irgendwie eine Art Vorahnung, dass ihm etwas passieren könnte. Er hat so vieles zu verarbeiten und ich werde nicht da sein, um ihm beizustehen…“ Saber ergriff ihre Hände: „Fire ist nicht sonderlich glücklich mit Deiner Entscheidung, hier bleiben zu wollen, oder?“ Tränen traten in Aprils Augen während sie langsam den Kopf schüttelte: „Wie sollte er auch? Ich schätze, er hat mich noch nie so sehr gebraucht, wie im Moment. Und ich kann ihm nicht einmal sagen, warum ich ihn im Stich lasse!“ „Habt Ihr Euch deswegen gestritten?“ „Nein, nicht wirklich“, flüchtig wischte sie sich die Tränen von den Wangen, „er ist enttäuscht und glaubt, dass ich ihm nicht vertraue. Weil ich ihm nicht die Wahrheit sagen kann.“ „Und? Hat er Recht?“ April hieb mit der rechten Hand auf den Tisch: „Natürlich nicht, verdammt. Die Sache hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun“, sie atmete schwer und Zorn blitzte in ihren Augen auf, „wie er so was überhaupt denken kann. Ich mache das doch nur seinetwegen. Wenn ich ihm sage, warum ich hier bleibe, würde er auch nicht mitgehen und somit die Chance in den Wind schlagen, endlich Gewissheit über das Schicksal seines Vaters zu bekommen…“ „Hm…“ Saber nickte geistesabwesend, auch wenn April nicht glaubte, dass er wirklich verstanden hatte, worum es hier ging: „Soll ich mal mit ihm reden?“ „Gott, nein“, was für eine überaus grandiose Idee, „das würde doch alles nur noch schlimmer machen. Du kennst seinen Stolz. Wenn er rausbekommt, dass ich mit Dir über die Sache geredet habe, wird er ausflippen!“ sie mochte sich die Konsequenzen gar nicht erst ausmalen. „Aber Du hast mir doch wahrscheinlich nicht mehr erzählt, als ihm auch!“ April musste ein ironisches Lachen unterdrücken: „Und Du meinst, dass würde er im Moment glauben, ja?“ Ein erneutes Nicken zeigte ihr, dass Saber verstand, was sie meinte: „Wahrscheinlich nicht. Aber was genau möchtest Du jetzt von mir?“ Zögernd und beinahe scheu ergriff sie seine Linke und drückte sie flehend: „Hab ein Auge auf ihn. Pass auf, dass er nicht irgendeinen Blödsinn anstellt und bring ihn mir heile zurück!“ sie wusste, dass sie das eigentlich nicht verlangen konnte, denn selbst Saber hatte nicht die Macht, im Kampf über Leben und Tod zu entscheiden. Trotzdem stand er auf und zog April fest in seine Arme: „Fireball wird zurück kommen, das schwöre ich Dir!“ Robin erwachte mitten in der Nacht, als sich Colt mit einem lauten Schnauben aufs Bett fallen ließ. Benommen rieb sie sich die Augen. Der Mond schien fahl durch das offene Fenster und erhellte die Silhouette des Cowboys. Er lag mitsamt Jeans, Hemd und Stiefeln neben ihr, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte grimmig an die Decke. Es fehlte eigentlich nur sein geliebter Hut, um das Bild abzurunden. „Kannst Du Dir nicht wenigstens die Schuhe ausziehen, wenn Du mich schon unbedingt wecken musst…“ Colt tat so, als habe er die tadelnden Worte seiner Frau gar nicht gehört: „Die beiden bringen mich noch mal um den Verstand, das kann ich Dir flüstern, Süße!“ Robin seufzte resigniert und schaltete ihre Nachttischlampe ein; an Schlaf würde sowieso nicht zu denken sein, solange ihr Mann so übellaunig war: „Wer wenn ich fragen darf, bringt Dich um den Verstand?“ Überrascht sah Colt sie an, so als habe er bislang gar nicht realisiert, dass sie tatsächlich neben ihm lag: „Der Turbofreak und die eiserne Jungfrau, wer denn sonst!“ seine Miene verfinsterte sich wieder. Robin stellte sich auf ein längeres Gespräch ein und schob ihr Kopfkissen so zurecht, dass sie Colt ansehen konnte, ohne sich den Hals verrenken zu müssen. „Die können doch nicht von mir erwarten, dass ich ständig den Babysitter für sie spiele. Ist es denn wirklich zuviel verlangt, dass sie sich mal zur Abwechslung selber um ihre Probleme kümmern? Aber nein, der gute alte Colt wird es schon richten, zum Henker!“ Schweigend lauschte Robin der Schimpftirade und fragte sich, ob sie nun endlich den Grund dafür erfahren würde, dass Fireball völlig überraschend zum Abendessen aufgetaucht war. Äußerst wortkarg und am Boden zerstört hatte er gefragt, ob er die Nacht über bleiben könne. Natürlich hatte das nur bedeuten können, dass er sich mit April gestritten hatte, aber was ein echter Mann war, der gab seine Gefühle und Gedanken natürlich nicht preis. Appetitlos hatte er in seinem Teller Chili con carne herumgestochert und sich in Schweigen gehüllt. Später hatten er und Colt sich mit zwei Sechserträgern draußen auf die Veranda getrollt und Robin hatte es ihrerseits vorgezogen, diese Männereintracht nicht zu stören. Die beruhigende Gegenwart des Cowboys und ein paar Flaschen Bier würden sicherlich bald ihr Übriges tun und die Zunge des Rennfahrers lockern. Weibliche Intuition, die wieder einmal voll ins Schwarze getroffen hatte. „Ich hatte ja echt gehofft, dass diese Streitereien endlich aufhören, jetzt wo sie endlich mal aus dem Quark gekommen sind, aber denkste Puppe…“ „Nun spuck schon aus, was los ist!“ wenn sie nicht einen Riegel vorschob, würde sich Colt noch stundenlang aufregen, ohne das eigentliche Thema auch nur angekratzt zu haben. „Dieses verdammte blonde Gift, was hat sie sich nur dabei gedacht?“ Colt wollte reflexartig seinen Hut nach oben schnippen, bemerkte aber schnell, dass er diesen auf der Veranda vergessen hatte, „irgendwann macht sie Matchbox noch zum seelischen Krüppel, macht sie…“ „Aha…“ natürlich war mal wieder frau die Wurzel allen Übels, „und was hat April sich dieses Mal zu Schulden kommen lassen?“ Colt antwortete nicht sofort und Robin dachte schon, er habe sie nicht gehört. Doch dann brummte er ungehalten vor sich hin: „Sie kommt nicht mit!“ eine tiefe Sorgenfalte zog sich über seine Stirn und man hatte beinahe das Gefühl, eine dunkle Wolke über seinem Kopf schweben zu sehen. „Du meinst in die Phantomzone?“ „Hm…“ Colt nickte, „und sie hält es nicht mal für nötig, Fire zu sagen, welcher wilde Coyote sie bei dieser Entscheidung geritten hat.“ Kraftvoll trat er gegen den rechten Pfosten des Bettes, welches bedenklich ächzte. „Ich wäre Dir wirklich sehr verbunden, wenn Du nicht die Einrichtung demolieren würdest.“ „Teufel auch, ist doch wahr…“ der Bettpfosten musste einen weiteren Tritt aushalten, „das kann sie doch nicht einfach machen.“ „Sie wird sicherlich ihre Gründe haben…“ auch wenn Robin sich nicht vorstellen konnte, welche das sein sollten. April war mit Leib und Seele Star Sheriff und Ramrod war nach wie vor ihr Baby. Sie hätte die Navigation des Schiffes niemals freiwillig jemand anderem überlassen. Was hatte April zu verbergen? „Und was für Gründe sollten das bitte sein? Sie ist ein Star Sheriff, verdammt. Es ist ihr Job, mit auf diese Mission zu gehen!“ Colts Stimme wurde immer lauter, je weiter er sich in Rage redete. „Aber ich denke, Commander Eagle hat Euch freigestellt, diesen Auftrag anzunehmen. Wäre es da nicht absurd, gegen den eigenen Willen zu fliegen, weil man es als seine Pflicht erachtet?“ Natürlich war Vernunft im Moment ein Punkt, mit dem man Colt überhaupt nicht kommen konnte. „Schnickschnack“, der Cowboy setzte sich im Bett auf, „fest steht doch wohl eines: Fireball kann auf dieser Mission vielleicht endlich herausfinden, was damals mit seinem Vater passiert ist…“ „Und nichts oder niemand wird ihn daran hindern, oder?“ „Meine Güte, Frauen! Unser Kleiner braucht nun mal seine Angebetete, Du weißt ja, wie das mit der jungen Liebe ist…“ Robin konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen: „Hm, kann mich schwach daran erinnern…“ „Das ist überhaupt nicht witzig, Weib“, blaffte Colt, „Fireball hat ein Anrecht darauf zu erfahren, warum April hier bleiben möchte. Bislang haben sie alle Gefechte gegen diese widerlichen Schmutzfüße gemeinsam ausgetragen. Fireball konnte sich immer darauf verlassen, dass sie mit Ramrod seinen Rücken gedeckt und zur Not auch mal seinen Allerwertesten aus der Schusslinie geholt hat. Und jetzt, wo es hart auf hart kommt, da lässt sie ihn einfach im Stich, lässt sie ihn, jawoll!“ Daher wehte also der Wind: „Meinst Du nicht viel eher Euch?“ der Cowboy zuckte kaum merklich zusammen und seine Augen verengten sich zu Schlitzen: „Ihn, uns, ist doch völlig egal!“ „Das ist es ganz und gar nicht“, Robin stemmte sich aus dem Bett hoch und zog die Knie an, „ich kann durchaus verstehen, wenn Fireball darüber enttäuscht ist, dass sie sich ihm nicht anvertrauen will. Auch wenn ich sicher bin, dass sie dafür triftige Gründe haben wird. Aber Du, Mister, hast absolut kein Recht, ihr wegen ihrer Entscheidung auch nur den kleinsten Vorwurf zu machen.“ Wütend stand Colt auf: „Ach nein, habe ich nicht?“ „Nein, hast Du nicht!“ „Hör mal zu, Süße“, theatralisch stemmte er die Arme in die Hüften, „wir sind ein Team, comprende? Da kann man nicht einfach aussteigen, nur weil Madame vielleicht eine Laus über die Leber gehumpelt ist!“ War es denn so schwer zu begreifen, dass sie April brauchten? Wie sollte ihre Einheit funktionieren, wenn sie nicht komplett war? Wer außer April war in der Lage, Ramrod zu navigieren. Sie waren im Laufe der Jahre zu einer Art Familie zusammen gewachsen. Jeder kannte den anderen in- und auswendig. Sie verstanden sich blind und konnten sich hundertprozentig aufeinander verlassen. Und nun kam Miss Eagle anmarschiert und wischte dieses Vertrauen aus einer schnöden Laune heraus so mir nichts Dir nichts vom Tisch. „Colt“, mitfühlend krabbelte Robin über das Bett und ergriff Colts Hände, „wenn es Dich so sehr beschäftigt, dass April nicht mit auf die Mission geht, dann solltest Du mit ihr darüber reden. Ich denke, Du bist ihr als Freund zumindest schuldig, Dir ihre Meinung anzuhören, bevor Du Dir ein vorschnelles Urteil bildest!“ „Pf, Freunde“, der Cowboy zog seine Hand zurück und schlüpfte behände aus seinen Stiefeln, „echte Freunde würden einander niemals nicht im Stich lassen!“ damit stieg er zurück ins Bett und vergrub sein Gesicht bis zur Nasenspitze unter der Decke – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass für ihn die Diskussion beendet war. ‚Ihr benehmt Euch allesamt wie kleine Kinder!’ schoss es Robin erbost durch den Kopf, aber sie hatte definitiv keine Lust, sich deswegen nun auch noch den Rest der Nacht um die Ohren zu schlagen. Morgen war schließlich auch noch ein Tag! Als Fireball am nächsten Morgen in ihre gemeinsame Wohnung zurückkehrte, war April nicht dort. Er hatte eigentlich angenommen, dass sie noch friedlich im Bett liegen und schlafen würde, schließlich war es erst kurz nach halb sieben. Doch das Bett war verlassen, wenn auch nicht unbenutzt. Das T-Shirt, welches April in der Nacht zuvor zum Schlafen angezogen hatte, lag achtlos hingeworfen auf dem Boden und der Kleiderschrank stand offen. Scheinbar hatte sie auch ihr Comgerät mitgenommen, das sonst immer auf ihrem Nachttisch lag. Aber es war nicht eingeschaltet, denn er bekam keine Verbindung zur ihr. Verwirrt ließ der Rennfahrer seine Sporttasche aufs Bett fallen und ging zurück ins Wohnzimmer. Wo mochte sie bloß stecken? Ob sie es sich sehr zu Herzen genommen hatte, dass er über nacht nicht nach Hause gekommen war? Im Nachhinein musste Fireball sich eingestehen, dass er sich damit auch nicht gerade eine Medaille verdient hatte. Schließlich wusste er nur zu gut, dass es keinen Zweck hatte, den Problemen aus dem Weg zu gehen. Irgendwann musste man sich ihnen so oder so stellen und meistens wurden sie durch künstliche Verzögerung auch nicht weniger kompliziert. Es war nicht fair gewesen, April in ihrem aufgewühlten Zustand erst alleine zu lassen und ihr dann mit einer knappen Nachricht auch noch zu verstehen zu geben, dass er sie im Moment nicht sehen wollte. Das war ihm bei Colt klar geworden. Der Cowboy war voll und ganz seiner Meinung gewesen und hatte sich beinahe noch mehr über Aprils merkwürdiges Verhalten aufgeregt als Fireball selber. Aber das war ihm auch kein Trost gewesen. Schließlich beantwortete es immer noch nicht die Frage, die ihn so immens quälte. Warum wollte April nicht mit auf diese für ihn so wichtige Mission kommen? Was konnte passiert sein, dass sie nicht bei ihm sein wollte und mehr noch, dass er selber auf diese Mission verzichten würde, wenn er den wahren Grund herausfände. Fragen über Fragen und keine Antworten. Als er Colt und Robin verlassen hatte, war er entschlossen gewesen, sich bei April für sein kindisches Verhalten zu entschuldigen und noch einmal vernünftig mit ihr über die Sache zu reden. Und nun war sie nicht da. Zu Robin konnte sie nicht gefahren sein, diesen Zufluchtsort hatte er ihr ungewollt verbaut. Vielleicht unternahm sie ja auch nur einen Spaziergang oder besorgte ein Paar Brötchen zum Frühstück. Andererseits, war ihr in der momentanen Lage tatsächlich nach so etwas nebensächlichem wie Essen? Unruhig rief Fireball beim Wachdienst an. Vielleicht hatte man ja April beim Verlassen des Hauses gesehen? „Tut mir leid, ich habe Miss Eagle leider nicht gesehen. Aber als ich um fünf Uhr den Dienst angetreten habe, war ihr Pferd bereits aus der Tiefgarage verschwunden.“ Mit einem knappen ‚Danke’ unterbrach Fireball die Verbindung. April hatte bereits vor mehr als anderthalb Stunden die Wohnung verlassen und sie hatte Nova mitgenommen. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Wie konnte sie sich einfach so davon machen, ohne ihm wenigstens einen Zettel da zu lassen, damit er sich keine Gedanken machte. So umsichtig war er immerhin gewesen. Wie von der Tarantel gestochen lief er in der Wohnung hin und her und ging die Möglichkeiten durch, wo April stecken konnte. Bei ihrem Vater vielleicht, aber selbst der Commander war nur ein Mensch aus Fleisch und Blut, der gelegentlich ein paar Stunden Schlaf benötigte. Sicherlich hätte April ihn nicht in aller Herrgottsfrüh mit ihren Problemen belästigt. Ramrod? War es möglich, dass sie sich zum Nachdenken an Bord von Ramrod geflüchtet hatte? Er selber hatte das damals getan, als Mandarin im Krankenhaus mit dem Tode gerungen hatte und er am liebsten der ganzen Welt den Rücken gekehrt hätte. Nein, wohl kaum. Um kurz nach sieben hielt Fireball die Spannung nicht mehr aus. Er musste etwas tun, April suchen gehen! Vielleicht war ihr etwas zugestoßen und sie brauchte Hilfe. Während er in seinen Raumanzug schlüpfte und überlegte, ob es sinnvoller war, die Suche aus der Luft oder vom Boden aus zu starten, hörte er die Haustür klappen. Sensibilisiert durch Aprils mysteriöses Verschwinden zog er seinen Blaster und war mit einem Satz im Flur, die Waffe entsichert und im Anschlag. April schrie erschrocken auf und starrte entsetzt in die Mündung des Blasters und dann in Fireballs ernstes Gesicht: „Bist Du wahnsinnig?“ Sofort ließ der Rennfahrer die Waffe sinken und entspannte sich ein wenig: „Wo bist Du gewesen?“ die Frage hatte nicht unfreundlich klingen sollen, aber die Sorgen, die er sich gemacht hatte, brachen sich in diesen wenigen Worten Bahn. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt!“ wütend schob April sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer, ohne auf seine Frage einzugehen. Er folgte ihr unwirsch: „Ich habe mir Sorgen um Dich gemacht…“ „Ist das ein Grund, mir gleich mit Deinem Ballermann vor der Nase herumzufuchteln?“ „Wenn Du mir bescheid gesagt hättest…“ „Darf ich Dich daran erinnern“, unterbrach sie ihn aufgebracht, „dass Du es ja vorgezogen hast, die Nacht bei Deinem Busenfreund Colt zu verbringen. Und da ich keine Ahnung hatte, wann ich Euer Hochwohlgeboren zurück erwarten durfte, sah ich es nicht als notwendig an, mich abzumelden.“ Fireball schluckte; es war mehr als nur ein Funken Wahrheit an dem, was April da sagte: „Wo hast Du gesteckt?“ versuchte er es deshalb noch einmal versöhnlicher. Er merkte jedoch sofort, dass sich der weibliche Star Sheriff unwohl in ihrer Haut fühlte. Sie ließ sich auf einen der Sessel fallen und zog sich die Schuhe aus, ohne ihn dabei anzusehen: „Bei Saber…“ Bei Saber? Fireball verschränkte die Arme und zog fragend eine Augenbraue nach oben: „Du treibst Dich nachts bei Saber herum?“ dieser Gedanke versetzte ihm einen kleinen Stich. Natürlich war ihm klar, dass diese Schwärmerei längst vorbei war, aber es hatte einmal Zeiten gegeben, in denen April sich mehr für den Säbelschwinger als für ihn interessiert hatte. Damals hatte die Eifersucht ihn schier wahnsinnig gemacht, besonders als sie ihm einmal sogar bis ins schottische Hochland gefolgt war. „Hast Du was dagegen? Du treibst Dich ja schließlich auch nachts bei Colt herum!“ war die schnippische aber unsichere Antwort. „Das ist was ganz anderes…“ „Ach ja“, jetzt funkelte sie ihn böse an, „und wieso, wenn ich fragen darf?“ Fireball kam ins Trudeln: „Na, ja, weil… Colt ist keine Frau, oder!“ „Oh bitte“, April sprang gereizt auf, „jetzt komm bloß nicht mit so einer lächerlichen Eifersuchtsnummer. Wir reden hier von Saber, okay?“ Der Rennfahrer musste sich eingestehen, dass er tatsächlich überreagierte. Er leckte sich über die trockenen Lippen: „Okay, tut mir leid. Das war ziemlich blöd. Aber Du kannst mir nicht verdenken, dass ich es merkwürdig finde, wenn Du mitten in der Nacht beim Säbelschwinger herumlungerst.“ „Was hast Du bei Colt gemacht?“ „Ich musste mit irgendwem reden…“ „Siehst Du…“ triumphierend hob April die Hände, „mir ging es nicht anders!“ Wieder erhob sich in Fireballs Innerem dieses brüllende Etwas, das sich Eifersucht schimpfte: „Ihm erzählst Du, warum Du nicht mitkommen willst und mich lässt Du im Dunkeln tappen?“ das war doch einfach nicht zu fassen. Und er hatte sich auch noch Vorwürfe wegen seines Verhaltens gemacht. „Nein, Du Blödmann, ich habe ihm nicht erzählt, warum ich hier bleiben werde“, Aprils Gesicht bekam hektische Flecken und ihre Hände zitterten, so dass sie sie zu Fäusten ballen musste, „wenn Du es genau wissen willst, hatte ich einen furchtbaren Alptraum, in dem unser guter alter Kumpel Jesse Blue Dir Hohlbirne die Lichter ausgeblasen hat. Und nachdem ich dann völlig schweißgebadet aufgewacht war, hatte ich irgendwie keine Lust mehr, allein in der Wohnung zu bleiben. Also bin ich zu Saber…“ „Ach Süße“, ohne auf ihre Gegenwehr zu achten zog Fireball sie unvermittelt an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar, „es tut mir leid. Ich hätte Dich nicht alleine lassen sollen…“ er spürte ihr Zittern und drückte sie noch fester an sich. „Es war so schrecklich…“ April schauderte beim erneuten Gedanken an den Traum, „aber Du musst mir glauben, ich habe Saber nicht mehr erzählt, als Dir auch!“ „Ist schon gut“, er drückte ihr zärtlich einen Kuss auf den Scheitel, „wir sollten uns noch ein wenig hinlegen und dann nachher in Ruhe noch einmal über die Sache reden!“ „Nein“, widerwillig wand April sich aus seinen Armen, „es gibt da nichts mehr zu reden, Fire. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich werde nicht mit auf diese Mission gehen und daran wird sich nichts mehr ändern. Wenn Du zurück bist, werde ich Dir meine Gründe nennen, aber bis dahin wirst Du meine Entscheidung akzeptieren müssen!“ Fireball schluckte. Er sah die Angst und Unsicherheit, gleichzeitig aber auch eine feste Entschlossenheit in ihren Augen. Und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er ihre Entscheidung tatsächlich würde akzeptieren müssen. Er hatte weder die Kraft noch die Lust, diesen Disput bis zum Äußersten zu treiben. Die nächste Zeit würde für sie alle schwer genug werden und wenn es so sein sollte, dass er sich in ein paar Tagen von April verabschieden musste, so wollte er wenigstens die Zeit, die ihnen noch zusammen blieb auskosten. Er sah ihr tief in die Augen und nickte langsam: „Ich verstehe es nicht, aber ich werde Dich nicht mehr danach fragen…“ sanft küsste er ihren Mund und strich eine Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr: „Ich liebe Dich!“ Die Zeit bis zum alles entscheidenden Donnerstag verging wie im Fluge und kam den Star Sheriffs doch beinahe wie eine halbe Ewigkeit vor. Als hätten sie eine schweigende Übereinkunft getroffen, ging jeder seinen eigenen Weg, um sich mit dem auseinander zu setzen, was vor ihnen lag. Selbst das Verhältnis zwischen Fireball und April war nicht mehr dasselbe wie zuvor. Der Rennfahrer verbrachte viel Zeit auf der Rennstrecke und April hatte sich in den Kopf gesetzt, die Umbauarbeiten an Ramrod zu überwachen. In dieser Arbeit sah sie die einzige Möglichkeit, die Jungs zu unterstützen und konnte somit ein wenig das Gefühl verdrängen, ihr Team im Stich gelassen zu haben. Außerdem konnte sie so viele Stunden im Hangar verbringen, wo sie nicht die bohrenden Blicke des Rennfahrers auf sich ruhen spürte. Fireball hatte Wort gehalten und kein einziges Mal mehr die kommende Mission erwähnt. Wenn sie zusammen waren, hatte man beinahe das Gefühl, dass das Gespräch im Büro ihres Vaters nie stattgefunden hatte. Und doch lastete die Entscheidung, die April getroffen hatte, schwer auf ihnen beiden. Fireball kam grundsätzlich erst weit nach Mitternacht nach Hause, so dass sie nicht gezwungen waren, eine krampfhafte Konversation über belanglose Dinge zu führen. Es tat weh, ihn nachts neben sich zu wissen, seine regelmäßigen Atemzüge zu hören und ihn doch nicht berühren zu können. Der Kuss an jenem frühen Morgen war der letzte zwischen ihnen gewesen und auch sonst hatten sie keine Zärtlichkeiten oder Intimitäten mehr ausgetauscht. Eine Tatsache, die beiden zu schaffen machte, aber auch gleichzeitig beiden half, die gespannte Situation irgendwie zu überstehen. Früh morgens verließ April die Wohnung in Richtung Raumhafen, und selbst wenn Fireball zu diesem Zeitpunkt schon wach war, stellte er sich doch so lange schlafend, bis die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Das enge Band zwischen ihnen war gerissen und keiner wusste, ob es sich je würde flicken lassen. Colt erging es nicht viel besser. Er hatte sich geschworen, die wenige Zeit, die ihm mit Robin noch blieb, voll und ganz auszukosten. Aber immer wieder gingen ihm Millionen von Gedanken durch den Kopf, die er nur mit einem seiner Teamkollegen hätte teilen können. Er wusste, dass seine Frau versuchte ihn zu verstehen, ihm zur Seite zu stehen, aber das war nicht dasselbe. Besonders schwer hatte er daran zu knabbern, dass April nicht mit ihnen kommen wollte. In seinen Augen hatte sie sie alle verraten und das schmerzte. Er konnte ihre Entscheidung nicht begreifen, auch wenn er sich die Mühe gemacht hätte. Und obwohl er es natürlich niemals zugegeben hätte, machte ihm die Vorstellung Angst, ohne April in die Phantomzone zu gehen. Die kleinen Kabbeleien mit ihr hatten schon in manch schwieriger Situation dazu beigetragen, dass er einen kühlen Kopf bewahrt hatte und er vermisste bereits jetzt ihr freches Mundwerk und das kokette Grinsen. Am einsamsten musste sich jedoch Saber gefühlt haben. Als Kopf der Mission war er immer wieder mögliche Szenarien ihres Auftrages durchgegangen, hatte aber nie einen wirklich klaren Gedanken fassen können. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, schien ihn förmlich zu erdrücken. Sie würden einen neuen Navigator finden müssen, der April an Fähigkeiten in nichts nachstand. Und selbst wenn man so eine Person auftun konnte, blieb sie ein unkalkulierbares Risiko, denn April war Teil eines eingespielten Teams und somit von unschätzbarem Wert. Eine weitere Unbekannte stellte Fireball dar. Der Turbofreak war normalerweise absolut zuverlässig, doch unter den gegebenen Umständen konnte niemand sagen, wie er sich im Weltall verhalten würde. Er hatte April sein Wort gegeben, auf Fireball Acht zu geben, aber war er damit nicht weit über das Ziel hinausgeschossen? Wie konnte er so sicher sein, dass ihm nichts passieren würde? Und zu guter Letzt war da noch diese nagende Ungewissheit: Cynthia! Ob sie mittlerweile seinen Brief erhalten hatte? So waren sie insgeheim alle froh, als man sich endlich zum alles entscheidenden Meeting in Commander Eagles Büro einfand, auch wenn die Stimmung versprach sehr frostig zu werden. April und Fireball trafen als erste der Truppe ein und nahmen gegenüber von König Jared, Roland und Christa Platz, nachdem sie ein knappes „Hallo“ in die Runde geworfen hatten. Eagle bedachte beide mit einem leichten Lächeln: „Ich weiß, dass die letzten Tage nicht einfach für Euch gewesen sind… Ihr hattet eine schwere Entscheidung zu treffen und ich fühle mich schuldig, weil ich derjenige war, der Euch diese Bürde auferlegt hat!“ seine Blicke blieben auf April ruhen, die mit blassem Gesicht ins Leere starrte. Sein Magen krampfte sich schmerzlich bei dem Gedanken zusammen, dass seine Tochter bald auf die gefährlichste Reise ihrer Karriere gehen würde. Denn dass sich alle vier Star Sheriffs dazu entschlossen hatten, dieser Herausforderung entgegen zu treten, stand für ihn völlig außer Frage. „Sie wissen doch Commander“, Fireball versuchte ein Grinsen aufzusetzen, „einer hat immer das Pech, die schlechten Nachrichten verkünden zu dürfen…“ „Ich wünschte, ich hätte Euch diese Entscheidung abnehmen können“, König Jared sprach mit ruhiger Stimme, auch wenn er innerlich genauso aufgewühlt war, wie der Rest der Anwesenden, „ich würde Euch sofort meine gesamte Flotte zur Unterstützung anbieten…“ „Aber dafür ist die Zeit viel zu knapp!“ Christa ballte die Hände zu Fäusten. Es machte ganz den Anschein, als wäre sie mit dieser Tatsache äußerst unzufrieden und Roland tätschelte beruhigend ihren Arm. Jared empfand ähnlich wie sein weiblicher Navigator. Fireballs Vater war nicht nur ein Mitglied seiner Streitmacht gewesen, und ein verdammt gutes dazu, sondern auch ein sehr geschätzter Freund, dessen Verlust ihn noch heute beschäftigte. Nun seinen Sohn auf eine ähnlich halsbrecherische Mission zu schicken kam ihm wie Verrat an dem einstigen Freund vor. „Isch weiß, dass Du Disch am liebsten mit ins Abenteuer stürrzen würrdest, aber Du darfst nischt vergessen, dass es genauso wischtig ist, die Grenzen hier im Grenzland zu sischern. Besonders wenn Ramrod nischt da ist, um diese Aufgabe zu überrnehmen…“ beschwichtigte Roland die rothaarige junge Frau neben ihm, aber Christa wehrte seine Versuche grob ab und rückte ihren Stuhl so zurecht, dass sie ihm nicht mehr ins Gesicht sehen musste. „Woher weißt Du denn, dass Ramrod nicht da sein wird“, Fireball blickte den Prinzen ernst, ja beinahe herausfordernd an, „noch haben wir den Job nicht angenommen, amigo!“ „Nun, isch…“ Roland war überrascht von dieser Reaktion, „natürrlisch nischt, aber isch glaube, wir alle gehen davon aus, dass Irr…“ der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken und Commander Eagle musste ihm helfend zur Seite springen: „Wir kennen die Entschlossenheit jedes einzelnen von Euch, Fireball. Ihr habt noch nie gezögert, Euer Leben für die Freiheit des Grenzlandes aufs Spiel zu setzen und auch ich hege keinen Zweifel daran, dass Ihr Eure Tapferkeit ein weiteres Mal unter Beweis stellen werdet!“ „Daddy, ich…“ setze April kläglich an, doch in dem Moment betrat Saber das Büro: „Guten Morgen, Commander, entschuldigen Sie bitte die kleine Verspätung“, er verbeugte sich in Richtung der Gäste, „Euer Majestät, Prinz Roland, Miss McRae…“ er blieb hinter Fireball und April stehen und legte beiden fest eine Hand auf die Schultern. In dieser kleinen Geste steckte mehr als tausend Worte auszudrücken vermocht hätten. In diesem flüchtigen Moment bildeten die drei eine unüberwindbare Einheit, aus der jeder von ihnen ein bisschen Kraft für das Kommende schöpfte. Es tat gut zu wissen, dass man nicht mehr alleine in diesem Gefühlschaos war – Saber hatte ihnen ein Stückchen ihres Kampfgeistes zurückgegeben. Wie in Trance fuhr Aprils Hand noch oben und legte sich hilfesuchend auf Sabers, dann war der Augenblick vorbei und der Säbelschwinger ließ sich am Kopf des Tisches nieder: „Wo steckt Colt?“ „Findet wahrscheinlich wieder keinen Parkplatz für seinen fliegenden Schrotthaufen!“ „Wähle Deine Worte mit Vorsicht, Matchbox“, Colt betrat selbstbewusst das Büro und warf seinen Cowboyhut mit Schwung in die Mitte des Konferenztisches, „sonst werde ich Dein kleines Spielzeugauto noch zum Duell fordern müssen!“ „Wo wir nun komplett sind, wärst Du bitte so freundlich, die Tür zu schließen, Colt?“ Eagle ging wie immer wohlweißlich über das respektlose Verhalten hinweg das Colt an den Tag legte. Jeder der Anwesenden kannte die Macken des Star Sheriffs und nahm schon lange keine Anstoß mehr daran. Der Cowboy salutierte halbherzig und zog die Tür des Büros hinter sich zu. Dann stemmte er sich auf den Tisch und lehnte sich zu Fireball hinab: „Alles klar, Kleiner?“ April zeigte er dabei absichtlich die kalte Schulter. „Könnte nicht besser sein, Nummer eins!“ der Rennfahrer reckte müde den Daumen in die Höhe, was Colt vorerst zufrieden stimmte. Er durchquerte den Raum, bedachte den König und sein Gefolge mit adäquat höflichen Worten und blinzelte dann Saber zu: „Top Sword…“ dann blieb er mit gekreuzten Armen an der Wand stehen und nahm April mit unverhohlener Wut ins Visier. Der Commander erhob sich; es hatte keinen Sinn, dieses Treffen unnötig in die Länge zu ziehen. Bis zum Abflug der Star Sheriffs waren noch eine Menge Dinge zu regeln und je früher er sich darum kümmern konnte, desto besser: „Colt, bitte setz Dich, damit wir anfangen können!“ Der Cowboy lehnte sich behaglich zurück: „Nichts für Ungut Commanderchen, aber ich stehe lieber, wenn es recht ist…“ dabei ließ er April nicht aus den Augen. „Colt!“ Sabers Stimme durchschnitt die Stille wie ein Blitz, aber Eagle winkte lächelnd ab: „Schon gut, Saber, lass ihn!“ April rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Die Blicke des Cowboys machten sie nervös und sie betete, dass der Boden sich auftun und sie verschlucken möge. „Wir wollen es kurz machen. Wir wissen alle, warum wir hier sind. Die Umrüstung von Ramrod ist abgeschlossen“, hier warf er seiner Tochter einen fragenden Blick zu, die ein unsicheres Nicken darauf erwiderte, „und nun fehlt lediglich ein Team, das die gefährliche Aufgabe übernimmt, ihn in die Phantomzone zu fliegen.“ Schweigen folgte, das von Colts ironischer Stimme unterbrochen wurde: „Tja Leute, Ihr habt den Commander gehört. Uns fehlt ein TEAM, mes amis!“ „Sieh an, der Kuhtreiber spricht plötzlich Französisch!“ Fireball wusste genau, worauf sein Freund aus war, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war nicht Colts Art, solche gemeinen Spielchen zu spielen und wenn er es verhindern konnte, würde er damit auch nicht weitermachen. „Muss der hochwohlgeborene Einfluss sein…“ Colt machte einen tiefen Kratzfuss in Rolands Richtung. Bedächtig erhob sich Saber, ohne den Blick von dem Cowboyhut in der Mitte des Tisches zu wenden: „Wenn Du etwas Konstruktives beizusteuern hast, Colt, dann spuck es aus, ja!“ auch ihm schwante Böses. „Oh, aber nur zu gerne, edler Säbelschwinger“, Colt stieß sich von der Wand ab und wanderte scheinbar völlig ziellos im Raum umher, alle Augen auf sich gerichtet, „nun, eigentlich ist es ja ganz offensichtlich. Wie Commander Eagle gerade so blitzgescheit festgestellt hat, fehlt uns ein Team, das Ramrod in die Phantomzone schippert. Womit wir auch schon beim eigentlichen Problem angelangt wären“, er blieb hinter Aprils Stuhl stehen und legte die Hände auf dessen Rückenlehne, „ein solches Team haben wir nicht, stimmts Prinzessin?“ seine Worte hingen anklagend über der Runde und April glaubte, von einer Übelkeitsattacke übermannt zu werden. So hatte sie es sich selbst in den schlimmsten Träumen nicht vorgestellt. Fireball war enttäuscht und verletzt gewesen, aber er hatte ihre Entscheidung zumindest akzeptiert. Colt hingegen ließ keinen Zweifel daran, dass er ihr Verhalten als Verrat ansah. Ihr Vater runzelte irritiert die Stirn: „Würdest Du bitte deutlicher werden, Colt? Für derlei Spielchen fehlt uns leider die Zeit!“ „Tja, ich denke, den Stiefel sollte sich wohl jemand anderes anziehen, si?“ ohne Vorwarnung zog er Aprils Stuhl zurück und ließ sie im Mittelpunkt des Geschehens alleine: „Sag es ihnen, Missi! Sag ihnen, warum wir kein Team mehr sind!“ Elend erhob April sich und sah zuerst König Jared und dann ihren Vater entschuldigend an. Warum konnte nicht alles bereits vorbei sein? Sie war sicher, dieses Schauspiel nicht länger durchstehen zu können, doch in dem Moment, als ihre Beine ihr den Dienst zu versagen drohten, griff Fireball nach ihrer Hand und drückte sie fest. Colt schnaubte verächtlich, denn er war der Meinung, dass der Rennfahrer mindestens ebenso sauer auf den weiblichen Star Sheriff hätte sein müssen, wie er selbst. April hingegen gab diese Bekundung von Fireballs ungebrochener Loyalität die Kraft, die sie brauchte: „Es mag für einige in dieser Runde überraschend sein, aber ich werde nicht an dieser Mission teilnehmen!“ und damit war die Katze aus dem Sack. Commander Eagle blieb vor Überraschung die Luft weg: „Wie meinst Du das, April?“ einerseits war er zutiefst erleichtert, dass sie nicht an dieser gefährlichen Aufgabe beteiligt sein würde, aber andererseits regte sich auch ein gewisser Unmut: war seine Tochter etwa ein Feigling? April straffte tapfer die Schultern und hielt den Blicken ihres Vaters stand: „So wie ich es gesagt habe, Commander. Ich werde nicht mit in die Phantomzone fliegen.“ Eagle beäugte die anderen Star Sheriffs, die zwar allesamt nicht sonderlich glücklich wirkten, besonders Colt erweckte den Anschein, als würde er jede Sekunde vor Wut überkochen, doch keiner von ihnen schien von Aprils Ankündigung überrascht zu sein: „Ich nehme mal an, Ihr drei habt das bereits gewusst?“ Entschuldigend hob Fireball die Hände: „Ließ sich nicht vermeiden Commander, Ihr Töchterchen kampiert zufällig in der gleichen Wohnung wie ich…“ April war überrascht, wie locker er nach außen hin wirkte. Colt wollte gerade seine eigene Interpretation der Lage zum Besten geben, aber Saber brachte ihn mit einem knappen Wink zum Schweigen: „Ja, Commander, wir haben es alle gewusst!“ Grummelnd ließ Eagle sich in seinen Bürostuhl zurückfallen: „Und dürfte ich vielleicht auch den Grund für Deine Entscheidung erfahren, April?“ „Ganz meine Meinung, verehrtester Commander“, konnte Colt sich nun doch nicht beherrschen, „ich denke, diese Frage brennt uns allen unter den Zehennägeln!“ seine Stimme troff vor Sarkasmus. Auch Jared hatte endlich seine Stimme wiedergefunden: „Ich denke, Du bist uns eine Erklärung schuldig, April!“ Der weibliche Star Sheriff räusperte sich und fuhr sich unsicher durch die Haare. Was sollte sie nun sagen? Sie hatte sich stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, wie sie in genau dieser Situation reagieren würde. Doch all die schönen Worte und Erklärungen, die sie sich fein säuberlich zurechtgelegt hatte, waren mit einem Mal wie ausradiert. Kein Ton kam über ihre bebenden Lippen. In Fireballs Innerem tobte bei ihrem Anblick ein erbitterter Kampf. Einerseits brannte er nach wie vor darauf, den Grund für Aprils Verhalten herauszufinden, andererseits sah er, wie sehr sie litt und wie sehr sie seine Unterstützung brauchte. Mission und Vertrauen hin oder her, er liebte diese Frau einfach zu sehr, als dass er diese Demütigung noch länger ertragen konnte. Entschieden stemmte er sich aus seinem Stuhl auf und legte schützend einen Arm um ihre Schultern: „Das denke ich nicht, Euer Hoheit…“ er biss sich kurz auf die Lippe, aber für die Einhaltung der Etikette war im Moment keine Zeit, „Commander, Sie haben uns die Wahl überlassen, ob wir diese Mission annehmen oder nicht. April hat ihre Entscheidung getroffen und ich glaube, dass niemand von uns ein Recht auf eine Erklärung hat!“ „Oh verdammt, Kleiner, das kann doch nicht Dein Ernst sein“, wütend stampfte Colt mit dem rechten Fuß auf, „wie kannst Du immer noch zu ihr halten, wo sie Dich doch genauso im Dunkeln tappen lässt, wie uns alle hier.“ „Das machen Freunde nun mal so, Cowboy“, Fireball lehnte sich mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen zu ihm hinüber, „so was hast Du in dem Stall, in dem man Dich gefunden hat wohl nie gelernt, wie?“ „Dafür kann ich Dir gerne in paar andere Sachen zeigen, die ich da gelernt habe, Du Greenhorn!“ knurrte der Cowboy angriffslustig zurück. „Ach ja?“ „Ja!“ „Schluss jetzt damit, verflucht noch mal“, Saber war aufgesprungen und hatte die Fäuste auf den Tisch krachen lassen, „Euer kindisches Verhalten bringt uns keinen Deut weiter!“ Gebannt beäugten Eagle und die anderen Anwesenden, wie sich der ganze aufgestaute Frust und die verzweifelte Wut der letzten Tage in diesem Streit der Star Sheriffs entluden. Keiner wagte es, sich in die Schusslinie des Gefechtes zu werfen. „Ach nein, und kannst Du mir auch mal verraten, oh großer Anführer, wie wir überhaupt ohne sie weiterkommen wollen?“ Colt schäumte über vor Entrüstung. „Jedenfalls bringt es überhaupt nichts, wenn wir uns gegenseitig anbrüllen!“ konterte Saber nur mit mäßigem Erfolg. „Das is doch alles nur ein ganz mieser Scherz, isses! Die wollen uns auf große Pfadfindertour schicken, aber leider is der Kompass im Eimer, so sieht es aus!“ „Himmel Kuhtreiber, jetzt komm mal wieder runter, ja!“ „Ach, Du sei doch ganz still, Du Seifenkistenpilot“, anprangernd stieß Colt dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs den Finger entgegen, „wer ist denn wieder heulend bei mir angekrochen gekommen, weil Madame hier neuerdings den Spielverderber gibt?“ Fireballs Blut rauschte in seinen Ohren: „Ich bin überhaupt nicht heulend angekrochen gekommen…“ „Hör schon auf, das tust Du doch ständig. Immer muss ich mir die Nächte um die Ohren schlagen, nur weil Du nicht Manns genug bist, der Prinzessin endlich mal zu zeigen, wie man dem Pferd die Sporen gibt!“ „Na, das sagt ja der Richtige. Robin hat Dir doch sicherlich die Hölle heiß gemacht, weil Du mal wieder auf Ballertour gehen willst und Du warst die ganze Zeit so klein mit Hut, Du Pantoffelheld!“ provozierend hielt Fireball Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in die Höhe und ließ zwischen den beiden Fingern gerade noch soviel Platz, dass ein Bierdeckel dazwischen gepasst hätte. „Sag das noch mal, gringo“, mit einem Satz schwang Colt sich über den Tisch und Christa schrie vor Überraschung auf, „willst ja wohl nicht allen Ernstes behaupten, dass Du mehr Mumm in den Knochen als ich hättest, Du, Du, Du…“ er hatte Fireball grob an dessen T-Shirt gepackt und zu sich herangezogen. „Hört auf mit dem Blödsinn, verdammt!“ April hatte sich die Seele aus dem Leib gebrüllt und damit offenbar einen Treffer gelandet. Die beiden Streithähne hielten einander zwar noch immer fest, sahen jetzt aber eher verdutzt zu ihr hinüber. „Ich habe sicherlich nicht stundenlang an Ramrod gearbeitet, nur damit Ihr zwei Dickschädel die ganze Mission mit Eurem affigen Verhalten in Gefahr bringt!“ Colt erwachte langsam aus seiner Trance: „Hey, jetzt schieb mal nicht uns die Schuld in die Schuhe, Mädel! Wenn Du einfach nur pflichtbewusst Deinen Job machen würdest, dann könnten wir uns dieses ganze Theater hier sparen!“ Plötzlich griff Saber den Cowboy fest am Arm und zog ihn ruckartig von Fireball weg: „Das können wir so oder so“, das Verhalten seiner Teamkollegen, besonders in Anwesenheit von so hochrangigen Staatsgästen, war ihm mehr als unangenehm und er erachtete es als seine Pflicht, die anderen endlich zur Raison zu bringen, „find Dich damit ab, Cowboy, April wird nicht mitkommen und damit basta!“ „Ist das wirklich Dein Ernst, April?“ Eagle warf seiner Tochter einen eindringlichen Blick zu, weil er immer noch nicht ganz fassen konnte, was er gerade von ihr gehört hatte: „Wenn Du Dich wirklich entschieden hast, kannst Du es nicht mehr rückgängig machen. Die Mission ist mit der höchsten Priorität eingestuft und der Rat hat entschieden, dass Ramrod morgen aufbrechen soll!“ „Schon morgen“, bei dem Gedanken, Fireball und ihre Freunde morgen schon in den Weltraum aufbrechen lassen zu müssen, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht; trotzdem konnte das nichts an ihrer Entscheidung ändern, „ja, Daddy, ich bleibe dabei…“ „Caramba, was für ein Mäusedreck“, Colt schien der Gedanke wohl auch nicht ganz zu behagen, schon am nächsten Tag auf großes Abenteuer zu gehen, „kann mir auch einer verraten, wer Ramrod navigieren soll?“ betretenes Schweigen war die einzige Antwort. „Hab ich mir doch gedacht“, triumphierte der Cowboy, „niemand sonst ist in der Lage, sich in so kurzer Zeit mit der Maverick-Navigation vertraut zu machen. Sieht wohl so aus, als würdest Du doch die ganze Aktion zum kentern bringen, Baby!“ „Es tut mir leid…“ kleinlaut nahm April wieder Platz und senkte betreten den Kopf. „Na, super, davon können wir uns auch nichts kaufen…“ „Colt jetzt halt endlich Deine verfluchte Klappe“, die Streiterei ging ihm zunehmend auf den Geist und eigentlich hatte Fireball nur noch den Wunsch, diese Runde so schnell wie möglich zu verlassen, „wir werden eine Lösung finden. Es bringt jedenfalls nichts, weiter auf ihr herum zu hacken!“ „Unser junger Freund hat recht“, zum ersten Mal seit Ausbruch des hitzigen Wortgefechtes schaltete sich nun auch wieder König Jared ein, „natürlich wird das Team ohne April empfindlich geschwächt sein, aber wir werden alles daran setzen, schnellstens einen würdigen Ersatz für sie zu finden. Nicht wahr, Commander?“ „Pf, würdiger Ersatz…“ der Cowboy konnte und wollte sich einfach noch nicht abregen. Ihm lagen noch so viele Beschimpfungen und Vorwürfe auf der Zunge, dass er bis zum nächsten Tag hätte durchquasseln können. Doch dieses Mal wurde er nicht von einem seiner Teamkollegen unterbrochen, sondern von Christa, die bislang gebannt und mit großen Augen der Auseinandersetzung gelauscht hatte. Nun räusperte sie sich bedächtig, während sie sich von ihrem Stuhl erhob: „Wenn der Einwurf gestattet ist, Euer Hoheit…“ sie holte tief Luft, um ihre Stimme zu beruhigen, „ich könnte diese Aufgabe übernehmen.“ „Non, auf garr keinen Fall“, Roland war aufgesprungen, „das erlaube isch nischt!“ Christa funkelte ihn böse an: „Ich glaube kaum, dass Du das zu entscheiden hast, Lando, n’est pas?“ flehend wandte sie sich an Commander Eagle: „Bitte Commander, denken Sie darüber nach. Als Navigator der Monarch Supreme habe ich Erfahrung mit Schiffen dieser Kategorie. Kein Kreuzer kommt sonst annähernd an die Technologie von Ramrod heran. Ich bin sicher, wenn April mir eine kurze Einweisung gibt, werden wir wie geplant morgen starten können…“ Eine unangenehme Stille entstand, während der sich der Commander und König Jared lange und intensiv ansahen. Dann, kaum merklich, schloss Jared die Augen und nickte leicht: „Wenn das tatsächlich ihr Wunsch ist…“ „Dann ist es entschieden“, Eagle streckte Christa zuversichtlich die Hand entgegen, „Lieutenant McRae, ab sofort unterstehen Sie der Befehlsgewalt des Kavallerie Oberkommandos… willkommen im Team.“ „Merde!“ mit einem wütenden Aufschrei stürmte Prinz Roland aus dem Zimmer und schmiss die Tür krachend hinter sich zu. König Jared konnte diese Reaktion nur zu gut verstehen, denn er wusste um das Verhältnis zwischen seinem Sohn und dem weiblichen Lieutenant. Aber allem voran war Christa Soldat, auch wenn Roland das nicht einsehen wollte. Entschuldigend hob Christa die Schultern: „Ich werde nachher mit ihm reden, der kriegt sich schon wieder ein!“ Saber versuchte sich in diesem ganzen Durcheinander zu sammeln. Die halsbrecherische Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge in den letzten Minuten entwickelten, drohten ihn zu überfordern. Ein kurzer Blick zu seinen Freunden bestätigte ihm, dass er mit seiner Verwirrung nicht alleine dastand. April war noch tiefer in ihren Sitz gesunken, die Augen starr vor Schreck ins Leere gerichtet. Fireballs Gesichtsfarbe machte seinem Spitznamen alle Ehre und Colt sah aus, als wäre er gerade aus einem bösen Traum erwacht und wüsste noch nicht so recht, wo er sich befand. „Tja, Christa, ich kann mich den Worten des Commanders nur anschließen, willkommen im Team. Es ist gut, Dich an Bord zu wissen…“ „Ja, willkommen im Wolkenkuckucksheim“, Colt griff quer über den Tisch, griff sich seinen Hut und setzte ihn mit Grabesmiene auf, „Ihr entschuldigt, amigos, aber ich muss an die frische Luft. Ist doch alles ein Haufen Bullshit!“ Rums, fiel die Tür erneut ins Schloss und alle Anwesenden zuckten kurz zusammen. „Tja, da waren es nur noch sieben!“ Saber warf Fireball einen warnenden Blick zu, den dieser sofort richtig einzuschätzen wusste: „Tschuldigung, Boss!“ „Ich möchte mich für das unmögliche Verhalten von Colt entschuldigen, Euer Majestät. Sie wissen ja, wie aufbrausend er sein kann, aber was er heute an den Tag gelegt hat, ist absolut nicht zu entschuldigen! Ich…“ „Lass gut sein, Junge“, König Jared warf Saber ein freundliches Lächeln zu, „ich muss mich genauso für das Verhalten meines liebeskranken Sohnes entschuldigen“, hierbei warf er Christa einen verschmitzen Blick zu, „aber ich denke, dass wir unter den gegebenen Umständen Milde mit den beiden Hitzköpfen walten lassen sollten.“ „Ach, das ist alles allein meine Schuld…“ April verbarg reumütig das Gesicht hinter den Händen und unterdrückte ein Schluchzen. Niemals hätte sie erwartet, dass es so schlimm werden würde. Ihr Vater war enttäuscht von ihr, das sah sie ihm an der Nasenspitze an, Colt war stocksauer und würde sicherlich kein Sterbenswörtchen mehr mit ihr reden und in Rolands Augen war sie dafür verantwortlich, dass dessen geliebte Christa sich auf einen waghalsigen Auftrag eingelassen hatte. Das Schicksal konnte so verdammt ungerecht sein. „Bevor Du Dich auch noch entschließen solltest, diesen beiden Heißspornen hinterher zu jagen, sollten wir vielleicht endlich wieder zum Wesentlichen zurückkehren, oder?“ Eagle räusperte sich vernehmlich und faltete die Hände: „Du hast Recht, Saber. Es gibt noch eine Menge zu besprechen. Der Start ist für morgen Abend 1900 angesetzt und bis dahin müssen alle Vorbereitungen abgeschlossen sein!“ Kapitel 9: Die Zeit ist gekommen -------------------------------- Der Tag war alles andere als ein Spaziergang gewesen und Saber stand der Sinn nach einer heißen Dusche und einem ausgedehnten Erholungsschlaf. Zusammen mit Commander Eagle und König Jared hatte er stundelang die einzelnen Punkte ihrer bevorstehenden Mission immer und immer wieder durchgesprochen, denn es war wichtig, dass sie von Vornherein so viele Fehlerquellen wie möglich eliminieren konnten. Punkt fünf Uhr am nächsten Abend würde die neu zusammengestellte Crew mit Ramrod den Raumhafen von Yuma City verlassen und in Richtung der äußeren Grenzen aufbrechen. Wenn alles gut verlief und keine Komplikationen auftraten, würden sie für diesen Teil der Reise fünf Tage brauchen – hoffentlich ausreichend Zeit für Christa, um sich mit den Maverick-Systemen von Ramrod zu arrangieren. Danach stand der vorerst heikelste Teil ihres Auftrages an: der Sprung in die Phantomzone. Niemand konnte sagen, ob die Umrüstung ihres Schiffes geglückt war und ob sie tatsächlich in der Lage sein würden, den Dimensionssprung durchzuführen. Es war also gut möglich, dass sie bereits an diesem frühen Punkt umkehren mussten, um mit leeren Händen nach Yuma zurück zu kehren. Gelang ihnen jedoch der Sprung, so begann erst die eigentliche Mission. Herausfinden, von wo der Funkspruch abgegeben worden war und was es damit auf sich hatte. Sollten tatsächlich neue Gruppierungen der Outrider versuchen, gegen das neue Grenzland mobil zu machen, so mussten sie diese aufspüren und dafür Sorge tragen, dass sie ihre finsteren Pläne nicht in die Tat umsetzen konnten. Der Plan war so gespickt mit unbekannten Komponenten und Risiken, dass Saber mittlerweile fest von ihrem Scheitern überzeugt war. Allein die Tatsache, dass April sie nicht begleiten würde, war seiner Meinung nach Grund genug, die ganze Aktion abzublasen. Mochte Christa auch ein noch so guter Navigator sein, sie kannte nicht Ramrods Systeme und Steuerprogramme. Zwar tat April im Moment ihr Möglichstes, um ihre Nachfolgerin in die wichtigsten Grundlagen einzuweisen, aber Saber wusste, dass Aprils Erfahrung unabdingbar war, würde es tatsächlich hart auf hart kommen. Zum aberhundersten Mal in den letzten Tagen fragte er sich, was den weiblichen Star Sheriff zu ihrer Entscheidung getrieben hatte. In der Nacht, als sie ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, waren sie noch lange zusammen in seinem Wohnzimmer geblieben und hatten über den Einsatz gesprochen. Wie ihre Augen bei dem Gedanken daran geleuchtet hatten, welche Möglichkeiten sich durch einen geglückten Dimensionssprung ergeben konnten. Saber wusste, dass sie im Moment sehr litt. Weil sie nicht mit ihnen kommen konnte und Fireball allein einem ungewissen Schicksal überlassen musste. Nur wenn sie sich so sehr damit quälte, warum hatte sie sich dann zu diesem Schritt entschlossen? Mit April war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, soviel stand fest. Vor ihrem Start würde er dieses Geheimnis nicht mehr lüften können, aber er hatte sich geschworen, dieser Sache nach ihrer Rückkehr auf den Grund zu gehen. Sie war nicht nur ein Mitglied seines Teams, sondern die beste Freundin, die er hatte; das war er ihr schuldig! Müde und zerstreut lenkte er Steed in den östlichen Teil der Stadt, wo ihn für heute seine letzte und gleichzeitig wohl schwierigste Aufgabe erwartete. Commander Eagle hatte jemanden vom KavCom damit betrauen wollen, aber Saber hatte darauf bestanden, sie persönlich zu übernehmen. Auch das gehörte zu seinen Aufgaben als Teamchef der Star Sheriffs, wie unangenehm es auch werden mochte. Die Sonne stand schon tief am Himmel, als er sein Ziel, eine hübsche kleine Wohnsiedlung im neuenglischen Stil erreichte. Er brachte Steed vor einem weißen Holzhaus mit braunen Giebeln, einem frisch gestrichenen Lattenzaun und einer kunstvoll geschreinerten Veranda zum Stehen. In der großen Eiche, die einen langen Schatten über den üppig blühenden Garten warf, zwitscherten ein paar Spatzen munter vor sich hin. Weit hinter dem Haus erhoben sich die eindrucksvollen Monument Hills. Saber genoss den Anblick der dunkelrot glühenden Scheibe, die Millimeter für Millimeter hinter der gewaltigen Gebirgskette verschwand und den orangefarbenen Sandstein in ein schieres Flammenmeer verwandelte. Eine leichte Briese wehte ihm lau um die Nase und zerzauste sein blondes Haar. Hier draußen, fern ab vom Verkehr und den Lichtern der großen Stadt, hatte er beinahe das Gefühl zu Hause zu sein. Sicherlich waren die schroffen Canyons hier nicht mit den sanften, grünen Hügeln der Highlands zu vergleichen, aber die frische Luft und der blaue Himmel erfüllten ihn ebenso sehr mit Frieden und Ruhe wie die Schluchten von Glencoe. Wenn Cynthia jetzt nur bei ihm sein könnte. Er würde sie fest in die Arme schließen und ihr all die Dinge sagen, die ihm schon so lange auf der Seele lasteten, die auszusprechen er sich aber nie getraut hatte. Steed scharrte unruhig mit einem Vorderhuf, aber Saber ignorierte ihn. Er wollte diesen Moment voll und ganz auskosten; wer konnte schon sagen, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit haben würden, einen solchen Sonnenuntergang zu bewundern. Vielleicht nie mehr, aber diesen Gedanken schob er abwehrend beiseite. „Saber?“ Erschrocken kehrte der Star Sheriff in die Wirklichkeit zurück und schirmte seine Augen gegen die letzten Strahlen der Sonne ab: „Hallo Robin“, behände schwang er sich von Steeds Rücken und schenkte der jungen Frau, die mit grüner Schürze und Heckenschere bewaffnet plötzlich am Zaun des Holzhauses aufgetaucht war, ein freundliches Lächeln, „ich war gerade etwas in Gedanken…“ Robin steckte die Schere in eine extra dafür vorgesehene Halterung an der Schürze und wischte sich die erdigen Hände am Hosenboden ab, um den Freund anschließend herzlich zu umarmen: „Es ist schön, Dich zu sehen, willst Du nicht mit reinkommen?“ Wortlos folgte Saber dieser Einladung und schritt bedächtig hinter Robin den weißen Kiesweg in Richtung Haus entlang: „Ihr habt Euch hier wirklich ein kleines Paradies erschaffen…“ bewundernd ließ er seinen Blick über den saftig grünen Rasen und die Vielzahl an einheimischen und exotischen Blumen wandern. Es war erstaunlich, was Robins grüner Daumen und Colts völlig überraschendes Geschick im Umgang mit Hammer und Nagel in nicht einmal einem Jahr aus dem baufälligen Haus und dem verwilderten Garten gezaubert hatten. „Es ist immer noch eine Menge Arbeit und manchmal frage ich mich wirklich, ob wir je damit fertig werden“, Robins Stimme klang zärtlich und verträumt, „aber es ist unser Heim…“ Der Star Sheriff wollte die Stimmung ungern zerstören, aber er hatte an diesem Tag noch vieles zu erledigen und würde nicht ewig bleiben können: „Wo steckt Colt?“ Düstere Wolken zogen über Robins Miene und sie seufzte schwer: „Hockt schon seit Stunden hinten auf der Veranda und brütet mürrisch vor sich hin“, sie fasste Saber am Arm und flüsterte beschwörend, „was ist heute morgen vorgefallen?“ Nun war es am Säbelschwinger, einen schweren Seufzer zu unterdrücken: „Du weißt, dass April nicht an unserer nächsten Mission teilnehmen wird?“ „Hm“, die junge Frau nickte betrübt, „Colt hat es mir erzählt, nachdem Fireball wie ein getretener Hund vor unserer Tür aufgetaucht war und um Asyl gebettelt hat. Er hat sich furchtbar aufgeregt, weil er meinte, April würde Euch völlig grundlos im Stich lassen…“ Saber fiel Aprils Gesicht ein, das ihn bekümmert durch seine Balkontür angestarrt hatte: „Das kann man ihm nicht einmal verdenken, oder? Es muss schlimm sein zu erkennen, dass der eigenen Partner Geheimnisse vor einem hat.“ Robin schnaubte: „Ich rede nicht von Fireball, sondern von dem alten Dickschädel!“ „Oh…“ „Aber lass Dich nicht von mir unterbrechen. Was ist beim Oberkommando passiert?“ „April hat offiziell ihren Rücktritt von der kommenden Mission erklärt und Colt…“ er stockte, denn er wollte den Freund nicht vor der eigenen Frau in ein schlechtes Licht rücken, aber ihm fielen keine rechten Worte ein, um das Verhalten des Cowboys zu beschönigen. Was auch nicht nötig war, denn Robin kannte ihren Mann mittlerweile gut genug: „Hat mal wieder sein Temperament nicht unter Kontrolle halten können?“ „Nun, gelinde gesagt hat er sich benommen wie ein bockiges Kleinkind, dem man den Schnuller weggenommen hat!“ „Oh nein“, Robin verzog unangenehm berührt das Gesicht, „war es wirklich so schlimm?“ Saber schüttelte den Kopf: „Schlimmer! Unter normalen Umständen hätte Commander Eagle ihn wegen seines respektlosen Verhaltens eigentlich suspendieren müssen. Aber er ist nun mal der verdammt beste Schütze des gesamten Corps!“ Müde ließ Robin sich auf die Stufen der Veranda nieder, die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn auf die Hände gestützt: „Du darfst ihm das nicht übel nehmen, Saber. Er gibt es zwar nicht zu, aber im Grunde hat er einfach nur Angst…“ „Wer hat hier Angst?“ Colt war mucksmäuschenstill von hinten an die beiden herangetreten und an der erschrockenen Miene seiner Frau konnte er ablesen, dass sie über ihn gesprochen hatten. Mit abweisender Haltung wandte er sich Saber zu: „Habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis Du hier auftauchst, Säbelschwinger!“ Hastig stand Robin auf: „Ich schätze, ich lasse Euch Jungs wohl besser allein!“ ohne sich noch einmal umzudrehen verschwand sie im Haus, ließ aber die Haustür leicht angelehnt. Colt wartete keine Antwort seines Freundes ab und nahm an genau der Stelle Platz, die seine Frau eben noch eingenommen hatte. „Hier.“ Saber streckte ihm mit unbeteiligter Miene ein Stück Papier entgegen. Der Cowboy riss es ihm unwirsch aus der Hand, machte aber keine Anstalten, es auseinander zu falten und zu lesen: „Was ist das, mein Entlassungsschreiben?“ „Dein Marschbefehl. Du hast es ja vorgezogen, Dich aus dem Staub zu machen, bevor Eagle uns klare Instruktionen geben konnte!“ „Ist doch zum Kotzen“, Colt zerknüllte das Papier und schleuderte es frustriert über den Rasen, „was muss man denn bei diesem Idiotenhaufen noch tun, um rausgeschmissen zu werden?“ Wütend baute sich Saber vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften: „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man Dich für Dein unmögliches Verhalten sofort suspendiert. Dummer Weise brauchen wir Dich aber für diese Mission, Du verdammter Idiot – und das weißt Du ganz genau!“ „Warum verschwindest Du nicht einfach wieder und machst für seine Durchlaucht und Konsorten schön brav Männchen?“ die gebrochene, wehleidige Stimme passte bei weitem nicht zu den Worten, die Colt seinem Gegenüber entgegen gebracht hatte. Er hatte einfach keine Lust mehr auf diese schwachsinnigen Streitereien, die an der Tatsache ja doch nichts mehr ändern würden, dass April nicht mit ihnen kam. Den ganzen Tag hatte er mit sich und der Welt gehadert, war erst auf April, dann auf Fireball und Commander Eagle, auf Saber und schließlich auf sich selbst sauer gewesen. Mit der einzigen Erkenntnis, dass er sich noch so aufregen konnte; die Entscheidung war gefallen. Saber erkannte den Sinneswandel und auch den Zwiespalt, der in Colts Innerem tobte, aber er konnte dessen Verhalten vom Morgen nicht einfach unter den Teppich kehren: „Du hast Dich aufgeführt wie ein wildgewordener Pavian!“ Ein gleichgültiges Schulterzucken war die einzige Antwort auf diese Feststellung. „Was zum Teufel hast Du Dir nur dabei gedacht? Weißt Du, wie der Commander jetzt vor Jared und Roland dasteht? Wie ein absoluter Volltrottel, weil er sich von Dir auf der Nase rumtanzen lassen musste. Jeder andere Vorgesetzte hätte Dich wegen Respektlosigkeit vors Militärgericht gebracht.“ „Mir doch egal…“ „Dir ist doch wirklich nicht zu helfen, Mann!“ der Säbelschwinger schlug seinem lethargisch dasitzenden Freund empört den Hut vom Kopf und stapfte wütend durch den Garten davon. Kurz bevor er die Pforte des Zaunes erreicht hatte, wurden seine Schritte langsamer, bis er schließlich stehen blieb. Sein Puls raste und sein gesunder Menschenverstand schrie ihm förmlich zu, dass Colt einfach nicht zu helfen sei. Er hatte ihm seinen Einsatzbefehl gebracht, so wie Commander Eagle es erwartet hatte. Niemand verlangte von ihm, nun auch noch den Seelsorger zu spielen. Seine Zeit war eh schon alles andere als großzügig bemessen. Und trotzdem war Colt nicht nur ein Mitglied seines Teams, sondern sein Freund! Schweren Herzens straffte Saber die Schultern. Er kehrte resigniert zur Veranda zurück und ließ sich schwerfällig neben dem Cowboy nieder. Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden und jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Die Vögel hatten ihr Gezwitscher eingestellt und der warme Wind brachte die Blätter der Eiche zum Rascheln. Die Verandatür knarrte leise vor sich hin und im Inneren des Hauses hörte man Robin, die mit dem Abwasch beschäftigt war. „Mir schmeckt diese ganze Sache auch nicht, aye?“ Saber sah seinen Freund fragend von der Seite an und war beruhigt, als Colt endlich reagierte und den Blick erwiderte: „Mit Verlaub, Boss, den Eindruck hast Du heute morgen nicht gemacht!“ seine Stimme hatte sich ein wenig beruhigt, auch wenn seine Augen noch immer gefährlich glänzten. „Nur weil ich nicht gleich den Kopf verliere, heißt das noch lange nicht, dass ich vor Freude Purzelbäume schlage!“ „Du hättest den Kleinen sehen sollen, als er hier war“, Colt setzte seine leidvollste Miene auf, „auch wenn er jetzt den Coolen spielt. Kannst Gift drauf nehmen, dass er das nicht so einfach wegsteckt!“ „Himmel, Colt, Fireball ist erwachsen. Er wird schon damit klar kommen, dass sie nicht dabei ist.“ „Ach, darum geht’s doch gar nicht“, missmutig rupfte der Cowboy einen Grashalm aus und schob ihn sich in den linken Mundwinkel, „unsere Miss Oberschlau lässt ihn ohne Grund im Stich – das kommt doch schon fast einem Verrat gleich!“ Saber fielen die Worte von Robin wieder ein: „Sprichst Du jetzt von Fireball oder von Dir?“ er wusste, dass er den wunden Punkt erwischt hatte und machte sich auf einen erneuten Vulkanausbruch gefasst, aber nichts dergleichen geschah. Zu seiner Überraschung nickte Colt sogar langsam: „Ich hätte nie gedacht, dass Sie uns so hängen lässt!“ kaum zu überhörende Bitterkeit schwang in diesem Geständnis mit: „Sie weiß doch ganz genau, dass wir sie brauchen…“ „Hey“, eine Welle der Sympathie spülte auch den letzten Funken von Sabers Wut fort, „wir werden das schon schaffen! Christa ist wirklich ein verdammt guter Navigator.“ „Aber sie ist nicht April!“ Saber knuffte Colt leicht gegen die rechte Schulter: „Ich hätte sie auch lieber dabei. Wenn ich ehrlich sein soll, ist mir ziemlich mulmig bei dem Gedanken, ohne sie ins Ungewisse aufzubrechen.“ „Ich sage doch, sie lässt uns hängen!“ Colt schlug seine geballte Rechte in die linke Handfläche. Die pulsierenden Adern an seinen Schläfen traten deutlich hervor, als er diese Geste immer und immer wiederholte. Er konnte diese Ungerechtigkeit einfach nicht mehr ertragen. War denn ein wenig Ehrlichkeit unter Freunden schon zuviel verlangt? „Du tust April Unrecht, Colt“, Saber legte ihm etwas unbeholfen den Arm um die Schultern, „ich glaube, dass sie mehr leidet als wir alle zusammen!“ schnell zog er den Arm zurück, denn diese neue Vertrautheit zwischen ihm und dem Cowboy verunsicherte ihn. Er war es gewohnt, mit Colt zu streiten oder Schlagfertigkeiten mit ihm auszutauschen, aber ihre Freundschaft war bislang nie sehr innig gewesen. Eine Empfindung, mit der er nicht alleine dastand. Colt schielte ihn irritiert an und unterdrückte den Reflex, ein Stück von seinem Freund abzurücken: „Komm jetzt aber nicht auf die Idee, mich auch noch knutschen zu wollen, hombre!“ „Das hättest Du heute auch nicht wirklich verdient“, verschämt erhob Saber sich um etwas Abstand zwischen sich und Colt zu bringen, „aber mal ehrlich, Colt. Du bist zu hart zu April! Ich weiß nicht, was hinter diesem ganzen Theater steckt. Aber eigentlich kennen wir sie doch alle gut genug, um zu wissen, dass es etwas Ernstes ist. Und wenn sie es nicht erzählen will, wird sie dafür einen Grund haben.“ Colt erhob sich ebenfalls und steckte die Hände in die Hosentaschen seiner Bluejeans: „Bist Du fertig mit Deiner Predigt“, er wollte nicht länger über April reden. Für ihn stand fest, dass sie ihre Freunde schändlich im Stich ließ und er war nicht gewillt, an dieser Einstellung noch etwas zu ändern. Dafür war sein Stolz zu sehr verletzt. „Ich will nur eines wissen, alter Viehtreiber“, Saber streckte ihm erwartungsvoll die Hand entgegen, „unser Plan wird nur funktionieren, wenn wir alle hundertprozentig bei der Sache sind: können wir auf Dich zählen?“ Ein leichtes Lächeln huschte über Colts Gesicht, als er fest in die Hand einschlug: „Einer muss Euch ja raushauen, wenn Ihr Euch mal wieder knietief in Schwierigkeiten gebracht habt, oder?“ er revanchierte sich für den kleinen Schulterknuff und steckte die Hände wieder in die Taschen. „Dein Glück, alter Kuhhirte, ohne Dich wäre ich nämlich nicht geflogen!“ Saber meinte, den Stein hören zu können, der ihm eben in diesem Moment vom Herzen gefallen war. „Weißt halt, was gut für Dich ist, Boss!“ Darauf schenkte Saber ihm nur ein vielsagendes Lächeln und ging in Richtung Gartenpforte davon: „Sieh einfach zu, dass Du pünktlich bist, sonst komm ich Dich persönlich abholen!“ Colt war mit einem Satz auf der Veranda und klaubte seinen Hut vom Boden auf: „Ich freu mich drauf!“ er öffnete die Tür und wollte gerade ins Haus gehen, als er sich doch noch einmal umdrehte: „Saber…“ der Säbelschwinger hatte mittlerweile sein Pferd erreicht und schwang sich gerade in den Sattel, „danke…“ Saber zog seinen Säbel und deutete mit der gleichen verschlossenen Miene, die Colt von ihm gewohnt war in seine Richtung: „Ich verlass mich auf Dich!“ damit gab er Steed die Sporen und galoppierte davon. Saber sollte mit seiner Prognose den Sonnenuntergang betreffend Recht behalten. Der nächste Tag begann grau, nass und unfreundlich. Übermächtige Regenwolken verdunkelten den Himmel über Yuma City und ein kalter Wind peitschte heftige Schauer vor sich her. Wer nicht unbedingt raus auf die Straße musste, sah zu, dass er Heim oder Büro nicht verließ und hübsch im mollig Trocknen blieb, während vor der Haustür der jüngste Tag angebrochen war. April saß auf dem Sofa und beäugte skeptisch die dicken Regentropfen, die an die Wohnzimmerfenster prasselten, um dann in Sturzbächen daran herunter zu laufen. Eine Sturmböe jagte heulend um die Hausecken und versetzte ihr eine Gänsehaut. Einen schlechteren Tag für den Aufbruch der Star Sheriffs hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können, aber er passte perfekt zu ihrer gedrückten Stimmung. Sie hatte den Kopf auf die angezogenen Knie gestützt und verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie Fireball seine Vorbereitungen für den Abflug traf. Schon am Abend zuvor hatte er die Dinge im Wohnzimmer zusammengetragen, die ihm für die Mission sinnvoll oder nützlich erschienen waren, während April noch damit beschäftigt gewesen war, Christa mit Ramrods Navigation vertraut zu machen. Mal wieder hatte sich eine widerspenstige Strähne ihrer blonden Haare gelöst und kitzelte sie nun an der Nase. Geistesabwesend schob sie sie hinter ihr Ohr zurück. Christa war gut auf ihrem Gebiet, das musste sie neidlos zugeben. Vielleicht würde sie sogar irgendwann besser sein, als April selber, aber noch fehlte ihr die Erfahrung. Und das bereitete dem Star Sheriff die größten Kopfzerbrechen. Christa war ein Ass, wenn es um die Theorie ging, doch in den Szenarien, die vom Handbuch abwichen, war sie grundsätzlich ins Straucheln geraten und hatte wertvolle Zeit eingebüßt. Zeit, die sie im Ernstfall nicht haben würde. Sie war noch nicht soweit, eine Situation vom Impuls her sofort richtig einschätzen zu können, und sie hatte die Monarch Supreme nie in einem reellen Gefecht navigiert. April biss sich nervös auf die Unterlippe: natürlich war sie am Anfang selber unerfahren und wenig kampferprobt gewesen, doch immerhin hatte sie Ramrod mit entwickelt. Sie hatte die Tricks und Kniffe gekannt, die in keinem Nachschlagewerk zu finden waren, was ihr einen immensen Vorteil gegenüber den erfahrenen Männern und Frauen des Kavallerie Oberkommandos verschafft hatte. Ihre Jungs jetzt wissentlich mit einem Frischling wie Christa ins Rennen zu schicken kam ihr beinahe so vor, als würde sie sie geradewegs wie Lämmer zur Schlachtbank führen. Energisch versuchte sie, diesen Gedanken abzuschütteln. Christa war gut und sie war intelligent, sie würde schon wissen, was zu tun war, wenn es erst einmal darauf ankam. „Hast Du irgendwo mein Buch gesehen?“ Fireball kniete am Boden neben seiner großen Sporttasche und verstaute gerade einen Stapel T-Shirts. Erwartungsvoll blickte er zu ihr hoch. „Was?“ April war verwirrt. „Mein Buch…“ der Rennfahrer tat so, als müsste sie genau wissen, wovon er sprach. „Ach so, ja klar, DAS Buch“, April schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, „Du hast ja nur eins!“ sie legte den Kopf verträumt auf die Rücklehne des Sofas: „Meinst Du denn, Du wirst viel Zeit zum Lesen haben?“ Fireball wandte sich wieder seiner Tasche zu: „Man weiß doch nie“, er machte ein unbekümmertes, ja beinahe abenteuerlustiges Gesicht, „immerhin machen wir den Sprung erst in fünf Tagen. Bis dahin muss ich mir doch irgendwie die Langeweile vertreiben. Es sei denn natürlich, Du willst, dass ich mich ein wenig um Christa kümmere…“ Das ging für Aprils Geschmack ein wenig zu weit: „Pass auf, was Du sagst, Freundchen, sonst sorge ich persönlich dafür, dass Du in die Phantomzone katapultiert wirst – aber ohne Rückfahrschein!“ Fireball musste lachen: „Na, dann überlasse ich das Feld wohl besser Colt, dem alten Schürzenjäger. Der hat doch eh ein Äuglein auf den kleinen Rotschopf geworfen!“ sein Lächeln wurde noch breiter als er sich an das kleine Geplänkel zwischen Colt und Robin vor ein paar Abenden erinnerte. Aprils Mund zog sich bei der Erwähnung ihres Freundes zu einem schmalen Strich zusammen. Die offene Feindseeligkeit und Abneigung, die er ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte, war ihr tief in die Glieder gefahren und hatte sie bis ins Mark erschüttert. Sie hatte sich immer und in jeder Situation auf den Cowboy verlassen können. Besonders in der Zeit, als es zwischen ihr und Fireball nicht zum Besten gestanden hatte. Stets war er da gewesen, um ihr den Rücken zu stärken, oder sie mit ein paar neckenden Sprüchen bei Laune zu halten. Ihn nun so eindeutig gegen sich zu wissen tat weh – mehr als sie sich eingestehen wollte. Der Rennfahrer stand auf und schlenderte hinüber ins Bad, um die notwendigen Utensilien von dort zusammen zu klauben. Auch sein Verhalten verwirrte April. Sicherlich war sie froh darüber, dass er sich offenbar mit ihrer Entscheidung abgefunden hatte, aber für ihren Geschmack war er nun beinahe ein wenig zu gleichgültig. Gut gelaunt war er am Morgen aufgestanden und hatte den ganzen Tag über so getan, als würden er und die anderen auf einen Camping-Ausflug gehen und nicht einen Abstecher in die Phantomzone machen. Es schien ihm nichts mehr auszumachen, April hier auf Yuma zurück zu lassen, wo er sich anfänglich gar nicht mit diesem Gedanken hatte abfinden können. „Ich hoffe nur, Dein Daddy hat diese Mal dafür gesorgt, dass wir bessere Verpflegung an Bord haben“, in seinem Kultur-Bag wühlend stand Fireball in der Badezimmertür, „letztes Mal wäre ich ja fast zum Vegetarier geworden!“ „Du hast ja echte Sorgen!“ sie verkniff sich zu erwähnen, dass sie dieses Mal nicht an Bord sein würde, um in Ramrods kleiner Küche die Kochlöffel zu schwingen. „Du weißt doch, ohne Mampf kein Kampf!“ „Pass lieber auf, dass Euch die Schmutzfüße nicht mein Schiff unter dem Hintern wegschießen, ja.“ Aprils Stimme nahm einen bitteren Zug an. Was bezweckte Fireball mit diesem aufgesetzten Verhalten? Wollte er sich etwa an ihr rächen? Ihr ein schlechtes Gewissen einreden oder sie einfach nur wütend machen? Was immer auch die Beweggründe waren, es funktionierte fantastisch! „Keine Angst, bekommst Dein Schätzchen schon unversehrt zurück. Wir fliegen da hin, hauen den Stinkern ordentlich eins auf die Mütze und zischen wieder ab. Das ist der Plan…“ er verschwand achselzuckend wieder im Bad, „welches ist Deine Zahnbürste? Nicht, dass ich die falsche mitnehme…“ Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zornig sprang April von der Couch und stürmte durchs Wohnzimmer: „Kannst Du mir mal verraten, was für eine Show das ist, die Du hier abziehst?“ sie baute sich im Türrahmen gegenüber von Fireball auf, der auf dem Rand der Badewanne Platz genommen hatte. Ohne eine Reaktion auf ihren Wutausbruch erkennen zu lassen verstaute er Duschgel und Rasierschaum; er hatte nicht einmal aufgeblickt: „Ich weiß nicht, was Du meinst.“ Sein ruhige Stimme brachte Aprils Blut noch mehr zum Kochen: „Tu doch nicht so scheinheilig, Du Armleuchter. Ich weiß genau, dass Du mir nur was vormachst!“ Bedächtig stellte der Rennfahrer die kleine schwarze Tasche auf den heruntergeklappten Toilettendeckel. Versonnen starrte er auf seine Hände, die er ineinander verschränkt hatte: „Vielleicht solltest Du Dich ein wenig klarer ausdrücken…“ „Nur zu gerne“, rastlos griff sie nach der Haarbürste, die Fireball bereits aufs Waschbecken gelegt hatte, um sie später einzupacken, „Du läufst hier rum und tust so, als würdest Du mit den Jungs lediglich einen Ausschießen gehen? Ist ja fast so, als könntest Du es gar nicht erwarten, endlich wegzukommen…“ „Was willst Du eigentlich, April“, der Star Sheriff war überraschend aufgestanden, die Stimme mit einem Mal laut und unkontrolliert, „wäre es Dir lieber, wenn ich mit einer Miene wie sieben Tage Regenwetter rumlaufen würde?“ grob nahm er ihr die Bürste aus der Hand und warf sie in die Tasche. „Du willst mir ein schlechtes Gewissen einreden“, sie trat vor und riss die Bürste wieder an sich. Dabei fiel die Tasche zu Boden und der gesamte Inhalt ergoss sich über die Terrakottafliesen, „und das finde ich einfach mies von Dir!“ „Na großartig, das hebst Du jetzt sofort auf!“ „Das hebst Du jetzt sofort auf!“ April zog eine lächerliche Grimasse und äffte Fireballs Befehlston nach, „Du bist nicht meine Mutter.“ „Nee, leider…“ rot vor Wut entriss er ihr die Bürste ein weiteres Mal, „sonst würde ich Dich nämlich übers Knie legen und Dir eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. Die hättest Du dringend nötig!“ „Und Du könntest eine kleine Gehirn-OP vertragen“, die Bürste wechselte zum vierten Mal den Besitzer, „ich glaube, Dir haben sie ins Oberstübchen gespuckt.“ Fireball packte ihr Handgelenk und versuchte ihr gewaltsam den zentralen Angelpunkt ihres Streits zu entwenden, doch sie wehrte sich sprichwörtlich mit Händen und Füßen: „Die bleibt hier, kapiert!“ „Nein, tut sie nicht!“ zischte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen zurück. Panik ergriff April. Sie hatte keine Chance gegen die kräftig zupackenden Arme ihres Verlobten und fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Ohne wirklich darüber nachzudenken was sie tat, senkte sie instinktiv ihre Zähne in die Hand, die sie festhielt und biss mit voller Kraft zu. Jaulend ließ Fireball sie augenblicklich los: „Verdammt, bist Du wahnsinnig geworden!“ entsetzt starrte er auf die blutige Bissspur, die sich wie ein Mahnmal in seine Haut gegraben hatte. Erschrocken wich April einen Schritt zurück: „Hier hast Du das blöde Ding!“ sie pfefferte die Bürste schwungvoll in die Badewanne und flüchtete ins Schlafzimmer, wo sie sich keuchend aufs Bett fallen ließ. Sie hatte Fireball natürlich nicht wehtun wollen, aber irgendwie war ihr die Situation völlig aus den Händen geglitten. Er hatte sie gereizt, vielleicht nicht einmal absichtlich, und ihre aufs Äußerste gespannten Nerven waren mit ihr durchgegangen. Wenn das so weiterging, würde keiner der Star Sheriffs den Start von Ramrod erleben, ob nun an Bord oder vom Boden aus. Vorher würden sie sich gegenseitig umbringen. Colt zumindest, so war sie sicher, dachte sich im Moment garantiert die hundert schrecklichsten Foltermethoden aus, um sie für ihren Verrat zur Rechenschaft zu ziehen. Vom Zutodequasseln bis hin zur standesrechtlichen Exekution. Was für ein Dilemma war das nur, in das sie alle reingeschlittert waren und aus dem es keinen Ausweg gab, nicht einmal ein winzig kleines Mauseloch. Könnte sie nur die Uhr um ein paar Tage zurückdrehen, vielleicht eine Woche. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihrer aller Welt aus den Angeln geraten war. Denn da wollte sie sich nichts vormachen, auch Colt und Robin hatten unbezweifelbar das eine oder andere hitzige Gefecht wegen ihres Einsatzes ausgetragen. Robin war friedliebend, konnte den Cowboy aber locker in die Tasche stecken, wenn sie richtig in Fahrt kam. Und wie sah es mit Saber aus? Niemand machte sich wirklich Sorgen um ihn. Stets Soldat, immer bemüht, seine Pflichten zu erfüllen, aber sie hatte gesehen, was hinter seiner glorreichen Fassade vorging. Der Vorrat an Single Malt war an jenem Morgen noch beträchtlich geschrumpft, obwohl sie selber keinen Tropfen mehr angerührt hatte. Sie hatte die müden Augen und die tiefen Sorgenfalten gesehen, die sein so junges Gesicht um Jahre hatten altern lassen. Ja, sie hatten alle mit dieser Situation zu kämpfen, welches Recht hatte sie da, so die Beherrschung zu verlieren. Noch immer peitschte der schwere Regen gegen die Fensterscheiben und sorgte mit seinem monotonen Prasseln dafür, dass der Adrenalinschub, der durch ihren Körper geschossen war, langsam wieder auf das normale Niveau absank. Als sie leise Schritte hinter sich hörte, setzte sie sich beschämt auf. Fireball stand in der Tür, einige Lagen Toilettenpapier um seine linke Hand gewickelt und schaute sie forschend an: „Gibt es noch irgendwas, das ist nicht mitnehmen darf? Ich meine, bevor Du meine ganze Tasche umstülpst und ich noch mal packen kann…“ „Ist mir doch Wurscht, was Du einpackst!“ warum sagte sie das? War sie nicht eben zu der Erkenntnis gelangt, dass es besser war, sich langsam ein bisschen am Riemen zu reißen? Tja, offenbar war der Geist willig, aber ihr loses Mundwerk tat, was es wollte. „Na prima“, genervt wandte Fireball sich von ihr ab und dem Kleiderschrank zu, aus dem er noch einen Stoß Shorts hervorholte, „bleib am besten, wo Du bist, da stehst Du mir wenigstens nicht im Weg!“ und weg war er. Er war enttäuscht und wütend. Keine Frage, natürlich war er das. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn sie sich im Moment nicht in die Quere kamen. Mürrisch beäugte April das unwirtliche Wetter. Es half nichts, solange eine solche Spannung zwischen ihnen herrschte, würde keine vernünftige Konversation mehr zustande kommen. Unwillig zog sie die roten Stiefel unter dem Bett hervor und schnappte sich ihren gelben Regenmantel aus dem Schrank. „Ist vielleicht besser, wenn ich ein wenig spazieren gehe…“ sie hatte den leisen Hoffnungsschimmer, dass Fireball sie aufhalten würde. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, vielleicht würde er sich eines Besseren besinnen, und diese letzten kostbaren Augenblicke mit ihr zusammen verbringen wollen. Auf seinem Gesicht zeichneten sich die eindeutigen Spuren eines Kampfes ab. Tatsächlich schien er einen Moment mit sich zu hadern, ob er sie nicht aufhalten sollte, doch dann nahmen seine Augen einen leidvollen Zug an: „Schätze, Du hast recht!“ Verletzt zog April den Reißverschluss bis zu ihrer Nasenspitze hoch: „Na dann…“ wie in Zeitlupe durchquerte sie den Flur. In stummer Verzweiflung rief sie ihm zu, dass er sie doch zurückrufen möge. Sie wollte nicht gehen. Vielmehr wollte sie sich in seine Arme stürzen, ihn anflehen, heute Abend nicht zu fliegen. Aber das durfte sie nicht. Fireball hatte sich aus bestimmten Gründen entschieden, den Auftrag anzunehmen, genauso wie sie sich aus bestimmten Gründen dagegen entschieden hatte. „April…“ Ihr Herz machte einen Satz und mit vor Erleichterung strahlenden Augen drehte sie sich um. Doch Fireballs Miene hatte sich nicht verändert: „Ich fahre um halb fünf.“ Als sich die Wohnungstür hinter ihr schloss, meinte April, der Schmerz würde sie innerlich zerreißen. Wie sich wenig später herausstellte, nahm Fireball es sehr genau, was die Abfahrt um halb fünf betraf. April war trotz des schlechten Wetters gut zwei Stunden durch die Straßen von Yuma geirrt. Sie hatte gehofft, der Wind würde einen Teil ihrer trüben Gedanken mit sich fortpusten und hatte deswegen um jedes ihr bekannte gute Café einen riesigen Bogen geschlagen. Die wohlige Wärme, der Duft nach frisch Gebackenem und ein aufgeschäumter Latte Macchiato hätten wahrscheinlich sämtlich Dämme und Schleusen geöffnet und sie wäre einfach in Tränen ausgebrochen, ungeachtet des Umfeldes und der anderen Gäste, die sich mit ihr im Café befunden hätten. Vielleicht war es auch ein gewisser Anteil an Selbstgeißelung gewesen, der sie so lange frierend und klitschnass hatte herumlaufen lassen. Sie fühlte sich schuldig an dem ganzen Schlamassel, obwohl sie sich immer wieder einredete, dass sie dabei war, das einzig richtige zu tun. Colt verachtete sie und hatte sich mit Fireball und Saber ihretwegen zerstritten, ihr eigenes Verhältnis zu Fireball stand auch nicht zum Besten und was Saber anging… Er verfluchte sich sicherlich selber dafür, dass er sie an jenem Morgen in sein Wohnzimmer gelassen und unter dem Einfluss von zuviel Whisky ein irrsinniges Versprechen gegeben hatte. Liebend gern wäre sie bei Robin vorbeigeschneit, der einzigen Person, mit der sie im Moment noch normal reden konnte. Aber sie wollte und durfte ihrer Freundin nicht die letzten gemeinsamen Stunden mit ihrem Mann verderben. Schließlich wusste doch niemand, wann die Star Sheriffs nach Yuma zurückkehren würden. Oder ob sie überhaupt zurückkehren würden. Dieser Gedanke hatte sich immer wieder wie ein giftiger Pfeil tief in ihr Herz gebohrt und jedes Mal war ihr der schreckliche Alptraum eingefallen. Fireball, wie er in einem Flammenmeer mit dem Tode rang. Und wenn es doch falsch war? Wenn all das, was in den letzten Tagen passiert war, ein einzig großer Wink mit dem Zaunpfahl gewesen war, damit sie verhinderte, dass die Star Sheriffs, oder zumindest Fireball auf diese waghalsige Reise ging? Wenn ihr Traum einen Funken Wahrheit enthielt, eine wirre Mischung aus Vorahnung und Bewältigung der Vergangenheit darstellte? Nein, Sie würden wiederkommen. Natürlich würden sie das, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Saber hatte es ihr versprochen! Über ihre finsteren Grübeleien und zweigespaltenen Selbstgespräche hatte sie die Zeit vergessen und wäre beinahe zu spät nach Hause zurückgekehrt. Da sie nicht einschätzen konnte, ob Fireball in der augenblicklichen Situation tatsächlich ohne sie zum Raumhafen fahren würde, war sie die letzten Blocks gerannt, um kein Risiko einzugehen. Sie keuchte noch immer, als sie schwitzend vor Anstrengung den Sicherungscode an der Haustür eingab und schließlich ihre Wohnung betrat. „Du bist spät“, rief Fireball ihr vom Wohnzimmer aus zu, „ich habe Dir doch gesagt, dass ich um halb los will. Und jetzt ist es schon zwei Minuten nach!“ Japsend betrat April das Zimmer: „Tut mir leid… ich hab mich schon so beeilt…“ ihr Regenmantel hatte den Wassermassen auf der Straße wohl nur bis zu einem bestimmten Grad trotzen können, denn ihre Jeans und das T-Shirt, die sie unter der Jacke getragen hatte, waren völlig durchnässt. Ihre Schuhe verursachten beim Gehen leise schmatzende Geräusche, weil sie sich völlig voller Wasser gesaugt hatten und ihre hübschen blonden Haare klebten ihr in dunklen, triefenden Strähnen am Kopf. Kleine Tropfen fielen von den Spitzen auf ihre Gesicht, die Schultern und gelegentlich auch auf den Teppichboden. Fireball war entsetzt: „Du bist ja verrückt, willst Du Dir vielleicht den Tod holen?“ er eilte ins Badezimmer, um ein großes, flauschiges Handtuch zu holen. Wortlos reichte er es ihr und warf dann einen gehetzten Blick auf seinen Chronometer. „Wir können los, es geht schon!“ April versuchte das Zittern ihrer blauen Lippen zu unterdrücken; mittlerweile hatte die Kälte wieder die Oberhand über ihren Körper gewonnen. „Ja, klar, Dein Vater macht mich zur Schnecke, wenn er sieht, dass ich Dich so rumlaufen lasse“, er deutete stirnrunzelnd auf ihr T-Shirt, „mach schon, Du musst aus diesen Klamotten raus!“ April wollte Protest einlegen, aber da hatte Fireball auch schon selber Hand angelegt und ihr das nasse Kleidungsstück über den Kopf gezerrt: „Aber wir müssen doch los, sonst kommst Du zu spät.“ „Keine Sorge, die fliegen schon nicht ohne mich.“ „Nein, leider nicht!“ schoss es April durch den Kopf, aber sie wusste natürlich, dass er Recht hatte. Also nahm sie ihm das Shirt ab und eilte, das Handtuch geübt um die Haare wickelnd, hinüber ins Schlafzimmer: „Bin in einer Sekunde fertig!“ Die Fahrt zum Kavallerie Oberkommando verlief schweigend. April wagte es nicht, Fireball anzusehen und hatte den Kopf deswegen nach rechts gewandt, um geistesabwesend die Gebäude und Straßenzüge zu beobachten, die an ihnen vorbei flogen. Die Atmosphäre war erdrückend, ja geradezu nervenaufreibend. So war es kaum verwunderlich, dass beiden der sprichwörtliche Stein vom Herzen fiel, als sie die Sicherheitskontrolle des Sperrsektors vom Yuma City Raumhafen passiert hatten. Fireball manövrierte seinen Red Fury geschickt durch das verwirrende Labyrinth von Hangars, Verwaltungsgebäuden, Raumaufsichtstürmen und Mannschaftsbaracken, so als hätte er sein ganzes bisheriges Leben auf diesem Stützpunkt verbracht. Rechts vorbei am Bodenkontrollzentrum und dort war er endlich: Ramrod. Ihr Schiff, ihre Kampfeinheit, an vielen Tagen im Jahr ihr Zuhause und letztendlich das, was die Star Sheriffs erst zu dem gemacht hatte, was sie heute waren. Aprils Brust schwoll an vor Stolz, als der Stahlkoloss in der Entfernung zusehends größer wurde und klare Gestalt annahm. Sie flogen ihn nun schon so lange und trotzdem war sie jedes Mal wieder überwältigt von diesem imposanten Anblick. Das Design trug ihre Handschrift, die Challenge-Phase war ihre Erfindung gewesen und sie hatte das Herz von Ramrod erschaffen. Viele der Systeme waren auf ihre und Sabers Fähigkeiten zugeschnitten worden, zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Schiffes die einzig bekannten Mitglieder der kommenden Crew. „Hoffentlich schafft Christa es…“ ihre Gedanken begannen sich zu überschlagen. Noch nie hatte sie Ramrod einem Fremden überlassen. Sicher hatte es immer wieder Situationen gegeben, in denen Saber für sie eingesprungen war, aber das war etwas völlig anderes gewesen. Saber war ihr Freund, einer von ihnen. Einer von ihnen. Würde Christa es schaffen, auch eine von ihnen zu werden? Oder lag vielleicht genau darin ihre Angst begründet? Dass sie ersetzbar war? Die Star Sheriffs ohne sie auskommen würden? „Halt bitte an…“ sie griff nach Fireballs rechter Hand, die verkrampft das Lenkrad umfasste, wandte den Blick aber nicht von Ramrod, um dessen Rampe sich eine beträchtliche Anzahl von Menschen versammelt hatte. Soweit sie es erkennen konnte, waren auch Colt und seine Frau Robin unter ihnen. Verwirrt brachte der Rennfahrer den Fury Racer zum Stehen. Sie waren noch gut zweihundert Meter von Ramrod entfernt: „Was ist los?“ April zwang sich energisch zur Ruhe, was ihr nur sehr kläglich gelang: „Ich kann das nicht, Fire…“ sie zitterte am ganzen Körper und Tränen traten ihr in die Augen, „ich bin im Moment sicherlich der letzte Mensch in diesem Sonnensystem, den Colt sehen möchte…“ „Aber Du…“ wollte Fireball einen Einwand formulieren, fand aber keine rechten Worte dafür. Natürlich hatte April Recht mit ihrer Vermutung, aber war das ein Grund, sich ins Bockshorn jagen zu lassen? Verzweifelt versteckte sie ihr Gesicht hinter den Händen: „Es ist schon so schlimm genug. Ich kann mich da nicht zusammen mit den ganzen hochrangigen Offizieren hinstellen und seelenruhig zusehen, wie Ihr ohne mich verschwindet. Das bringe ich nicht über mich!“ ihr Schluchzen schnürte ihm die Kehle zu: „Du wolltest es doch so…“ krächzte er heiser. In dieser Sekunde hatte er eingesehen, dass der Abschied von April viel früher gekommen war, als er es erwartet hatte. Darauf war er nicht vorbereitet und versuchte deswegen, soviel Zeit wie möglich zu schinden. „Ich habe das nie gewollt“, schrie April hysterisch, „mich hat nie wirklich jemand gefragt, was ich will, okay?“ ihre Tränen flossen ungehemmt und der Rennfahrer bekam es mit der Angst zu tun. So aufgelöst hatte er April noch nie gesehen – und sie hatten schon so ziemlich alles miteinander durchgestanden, was man sich vorstellen konnte. Plötzlich erkannte er, wie sehr April litt. Nicht, weil sie sich schuldig fühlte, ihre Freunde im Stich gelassen zu haben, oder weil sie ihn enttäuscht hatte. Sie wollte tatsächlich mit auf diese Mission! Und trotzdem gab es etwas, das sie davon abhielt. Ohne nachzudenken betätigte er sein Gurtsystem und beugte sich zu ihr hinüber: „Ist schon okay, Süße! Du musst nicht, wenn Du nicht magst“, er zog sie fest an sich und gab ihr einen beruhigenden Kuss auf den noch feuchten Scheitel, „sie werden es schon verstehen!“ Eng schmiegte April sich an Fireballs warmen, starken Körper und wünschte, die Zeit würde stehen bleiben und sie könnte für immer so mit ihm hier sitzen. Doch die Zeit verstrich erbarmungslos, hatte keinen Sinn und kein Verständnis für ihre Wünsche und ihr Schicksal. So tapfer sie nur sein konnte, schluckte sie ein erneutes Schluchzen herunter und wischte ihre Tränen fort: „Sag Ihnen, dass es mir leid tut“, sie sah tief in seine braunen Augen, „es tut mir leid, Fire!“ Fireball legte zärtlich einen Finger unter ihr Kinn und küsste eine Träne von ihrer Nasenspitze: „Das weiß ich jetzt, Süße“, seine Hand strich zurückhaltend, fast schüchtern über ihre Wange, „ich kann zwar immer noch nicht verstehen, warum, aber ich vertraue Dir!“ energisch zog er ihren Kopf zu sich heran und küsste sie hart und leidenschaftlich. Dann betätigte er den Kanzelmechanismus und das Verdeck des Red Fury öffnete sich. April wusste, dass sie Fireball zuliebe stark sein musste. Er war es auch für sie. Sie drückte kurz seine Hand und hauchte ihm ein letztes: „Ich liebe Dich!“ zu, dann verließ sie schnell den Boliden, bevor sie es sich doch noch anders überlegte. Fireball zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann schloss er das Verdeck und fuhr mit quietschenden Reifen davon: „Enttäusche mein Vertrauen nicht!“ grimmig wischte er seine Tränen fort und zwang sich, nicht noch einmal zurück zu schauen. Schnell hatte er die kurze Strecke zu Ramrod zurückgelegt, verspürte aber kein Verlangen danach, sich von hochdekorierten Militärattaches oder wichtigen Leuten der Politik anerkennend auf die Schulter klopfen zu lassen. Er wollte jetzt noch ein wenig allein sein, bevor seine volle Konzentration dem Manövrieren ihres Schiffes gelten würde. Schnell entschlossen öffnete er eine Comline-Verbindung zu seinem Vorgesetzten, den er in der Menge ausgemacht hatte: „Melde mich zur Stelle, Commander. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mein Baby gleich parken. Ist mir ein bisschen zuviel Trubel hier unten!“ Ohne eine Bestätigung abzuwarten trat er das Gaspedal durch und jagte die Laderampe von Ramrod hinauf, während viele verdutzte Augenpaare hinter ihm herstarrten. Es war ihm egal, was sie von ihm dachten. Er brachte seinen Wagen im Zwischendeck unter, wo auch der Bronco Buster, Steed und Nova während ihrer Einsätze darauf warteten, ins Kampfgeschehen eingreifen zu dürfen. Bislang waren noch alle Stellplätze leer, und zumindest bei einem würde sich an diesem Zustand auch nichts mehr ändern. Nova blieb natürlich zusammen mit April auf Yuma. Mochte dieser kleine rosafarbene Haufen aus Stahl und Kabeln auch nur durch künstliche Intelligenz bestechen, so hatte das Pferd doch einen eigenen Kopf entwickelt. Sie hätte nur unnötig Ballast bedeutet, da lediglich April in der Lage war, sie zu bändigen. Einen anderen Reiter hatte Nova nie akzeptiert. Fireball aktivierte die Schutzbügel, die während des Fluges und auch bei Kampfeinsätzen dafür sorgten, dass sein Rennwagen auch dort blieb, wo er ihn eben abgestellt hatte, ohne dabei Schaden zu nehmen. Dann begab er sich mit einer Mischung aus erwartungsvoller Vorfreude und beklemmender Angst ins Cockpit. Von hier hatte er einen guten Überblick über den gesamten Raumhafen, lediglich was an Ramrods Fahrgestell vor sich ging, konnte er nicht verfolgen. Er ließ den Blick über das Startfeld schweifen und fixierte die junge Frau in dem roten Overall, die reglos dort hinten im Regen stand und unverwandt zu ihm herüber sah. April hatte schreien wollen. In der Sekunde, als Fireball ohne sie davon gebraust war, brachen alle Ängste über ihr zusammen, wie ein Tsunami, der keine Überlebenden zulassen würde. Die Flammen, überall waren Flammen. Fireball würde sterben. Sie hatte es vorhergesehen und trotzdem nicht verhindert. Er würde nicht von dieser Mission zurückkehren. Sie war allein! Vage beobachtete sie, dass Fireball den Red Fury direkt ins Innere von Ramrod steuerte und sich auch in den folgenden Minuten nicht mehr am Boden blicken ließ. Sie glaubte zu ahnen, was in ihm vorging und konnte verstehen, dass er die Stille des Kampfkolosses dem aufgeregten Schnattern des Abschiedskomitees vorzog. Vielleicht stand er bereits oben im Cockpit und beobachtete sie. Gerade jetzt in dieser Sekunde. Sie meinte förmlich, seinen Blick zu spüren. Der Regen drang durch ihren Overall und rann kalt über ihre Kopfhaut. Wenn sie Fireball jetzt per Kommunikator anfunkte, konnte sie ihm doch noch alles erzählen. Er würde bei ihr bleiben und alles würde gut werden. Nur dummer Weise hatte sie ihren Kommunikator nicht dabei. Er war liegengeblieben, als sie sich vorhin in aller Eile hatte umziehen müssen. Panik keimte in ihr auf. Was sollte sie bloß tun? „Wirst Dir einen ordentlichen Schnupfen holen, wenn Du hier weiter so rumstehst!“ Erschrocken schrie April auf, als Steed plötzlich direkt neben ihr landete. Saber erkannte sofort, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er schwang sich aus dem Sattel und packte die Frau fest bei den Schultern: „April, geht es Dir nicht gut?“ besorgt legte er ihr eine Hand auf die Stirn: „Himmel, Du hast Fieber! Du musst sofort hier weg!“ Er wollte sie auf Steeds Rücken bugsieren, doch April wehrte sich, plötzlich aus ihrer Starre erwacht: „Nein, lass mich, ich muss zu Fire!“ sie zappelte wie ein Fisch auf dem Trocknen und versuchte sich aus Sabers Griff zu befreien, hatte aber gegen den durchtrainierten Schotten keine Chance. Resolut zog Saber sie an sich und hielt sie ganz fest an sich gedrückt: „Hey, ich weiß, was Du jetzt durchmachst…“ „Nichts weißt Du“, winselte April verzweifelt, ließ aber den Kopf erschöpft an seine Brust sinken, „er wird…ich habe es gesehen…Fireball stirbt, wenn er…“ Wie bei einem Pferd strich Saber ihr beruhigend übers nasse Haar, während er ihr gälische Koseworte zuflüsterte, die sie nicht verstand: „Sprichst Du von Deinem Traum?“ „Und wenn es mehr war als das?“ sie schlang schutzsuchend die Arme um Sabers Körper und war froh, dass er nicht schon seinen Raumanzug trug. „Habe ich Dir nicht versprochen, dass ich auf ihn aufpassen werde?“ „Du kannst nichts versprechen, was Du nicht halten kannst!“ Er schob sie auf Armeslänge von sich weg, um ihr ins Gesicht sehen zu können: „April, es war ein Traum, okay? Ein Traum, der nichts zu bedeuten hat. Du hast in der letzten Zeit viel durchgemacht, da ist es normal, dass die Nerven blank liegen“, zärtlich strich er über ihre Schultern, „ich verspreche Dir, Fireball wird nichts passieren. Und auch keinem anderen. Spätestens in drei Wochen werden wir alle wieder gesund und munter zurück sein, ja!“ Seine Worte waren so ruhig und klar, dass April nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Natürlich hatte er Recht. Es war ein dummer Traum gewesen, hervorgerufen durch die Auseinandersetzung mit Fireball. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht und damit unterbewusst die Bilder von dessen Tod heraufbeschworen. Ein sogar wissenschaftlich dokumentiertes Phänomen. Beschämt wich sie seinem Blick aus, als ihr bewusst wurde, wie lächerlich und kindisch sie sich gerade verhalten hatte: „Tschuldige, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist“, sie versuchte ein klägliches Lächeln aufzusetzen, „Du hast recht, es wird schon alles gut gehen. Solange Du dabei bist, können die Jungs ja eigentlich nicht all zu viel Blödsinn anstellen.“ „Das will ich doch wohl meinen!“ grinsend küsste Saber Aprils Stirn: „Bist Du auch wirklich okay?“ „Ja, ja, alles klar, hab mich schon wieder im Griff, danke!“ abwehrend hoben sie ihre Arme um die Aussage zu unterstreichen. „Na, dann“, unsicher schaute der Anführer der Star Sheriffs zu ihrem Schiff hinüber, „ich schätze, es wird Zeit…“ „Hm.“ Saber griff nach Steeds Zügeln und zog sich auf den Rücken seines Mecha-Pferdes: „Kannst Du die Stellung auch wirklich alleine halten?“ der Satz wurde begleitet von einem verschwörerischen Zwinkern. „Denke schon!“ April zwinkerte zurück. „Sieh zu, dass Du aus dem Regen rauskommst!“ „Aye Boss“, sie schaute zu Ramrod hinüber, „ich wollte nur noch sehen, wie ihr startet…“ Der junge Mann nickte und gab seinem Pferd dann das Zeichen zum Aufbruch: „Bis bald, April. Wir werden Dich vermissen!“ Viel ruhiger als eben noch bei Fireball blickte sie dem Freund nach: „Und wenn Du noch etwas Zeit über haben solltest, dann pass gelegentlich auch auf, dass Dir selber nichts passiert, alter Säbelschwinger!“ Zur Bestätigung, dass er diesen weisen Hinweis noch vernommen hatte, hob Saber den linken Arm. Zwar war es nur ein Satz gewesen, aber diese vier Worte hatten April auf Schlag einen großen Teil ihres Selbstbewusstseins zurückgegeben: „Wir werden Dich vermissen!“ das hatte bislang noch niemand zu ihr gesagt. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Vielleicht würde tatsächlich alles gut werden. Fireball, der die ganze Szene von Ramrods Cockpit aus verfolgt hatte, fragte sich argwöhnisch, was er davon halten sollte, dass Saber April umarmt und geküsst hatte. Zum Glück würden sie bald viel Zeit haben, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. „Saber, da bist Du ja“, Commander Eagle streckte dem Blondschopf freudestrahlend die Hand entgegen, nachdem dieser von Steeds Rücken gesprungen war, „pünktlich auf die Minute. Ich denke, damit ist die Mannschaft komplett!“ Saber begrüßte die Umstehenden mit einem höflichen Nicken und wandte sich dann Colt, Robin, König Jared und Christa zu, die etwas abseits standen und sich gedämpft unterhielten. „Euer Hoheit, Ladies“, galant verbeugte er sich, während er Colt mit fester Hand auf die Schulter hieb, „wie ich sehe, hast Du hier alles im Griff, Colt!“ „Na selbstrended, Schwertschwinger“, sein Blick schweifte zu Ramrods Laderampe hinauf, „gilt aber wohl nicht für alle hier, wie?“ Seine Frau knuffte ihm vorwurfsvoll gegen die Brust: „Du bist unsensibel wie ein Stück Holz, Cowboy!“ mitfühlend tätschelte sie Christa, die gedankenverloren in den grauen Himmel starrte den Arm. Erst jetzt bemerkte Saber, dass Roland nirgends zu sehen war. „Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“ Colt setzte eine bedröppelte Miene auf, was Robin dieses Mal leider nicht milder stimmen konnte. Sie war aufgewühlt, weil die Star Sheriffs jede Minute aufbrechen und sie alleine, ohne Colt, auf Yuma zurückbleiben würde. Allein mit Josh und der Angst, wann sie ihren Mann wohl wiedersehen würde und was ihm alles während der gefährlichen Reise passieren konnte: „Kannst Du nicht einfach mal die Klappe halten, wenn Dir nichts Konstruktives einfällt?“ das saß. Beleidigt zog Colt seinen Hut tief in die Stirn und verschränkte die Arme: „Bitte, wie Madame meint!“ „Lass nur, Robin“, Christa versuchte kläglich lächelnd die Wogen zu glätten, „er kann schließlich nichts dafür, dass Lando sich wie ein kleines Kind aufführen muss!“ es war ihr sichtlich unangenehm, dass Roland sich tatsächlich geweigert hatte, die Truppe bei ihrem Aufbruch zu verabschieden. Auch das Gesicht von König Jared ließ erahnen, dass er im Moment alles andere als stolz auf seinen einzigen Sohn war: „Für dieses Verhalten wird er die Konsequenzen zu tragen haben, das kann ich Euch garantieren. Er wird eines Tages das Oberhaupt von Jarre sein und kann es sich nicht erlauben, sich so sehr von seinen Gefühlen leiten zu lassen.“ Christas Gesicht nahm bei seinen Worten einen dunkelroten Zug an und sie fuhr sich angespannt durch die Haare. „Ich schätze“, versuchte Saber die Situation ein wenig zu entspannen, „unser Freund hat gar nicht an Prinz Roland gedacht, sondern an Fireball…“ Colt grunzte zustimmend, hielt aber weiterhin den Mund. „Wie geht es denn April“, ein noch lauteres Grunzen unterbrach Robins besorgte Frage, „wir haben gesehen, dass sie dort hinten ausgestiegen ist.“ Natürlich hatte die Gruppe auch gesehen, dass Saber sich kurz danach noch mit ihr unterhalten hatte. „Ich denke, es geht ihr ziemlich schlecht“, er warf Colt einen mahnenden Blick zu, „sie hat schreckliche Angst um Fireball und kann es glaube ich nicht ertragen, ihn alleine gehen lassen zu müssen.“ „Ach ja“, der Cowboy stieß gereizt seinen Hut zurück und starrte erbost zu April hinüber, „und warum tut sie es dann?“ „Habe ich nicht gerade gesagt, dass Du Deine unsinnigen Kommentare für Dich behalten sollst?“ Colt starrte seine Frau gereizt an: „Also wisst Ihr Leute, ich kann ehrlich gesagt gut nachvollziehen, wie mies sich Fireball gerade fühlen muss. Ich weiß gar nicht, wer von uns beiden das boshaftere Weibsbild abbekommen hat!“ „Du kannst froh sein, dass so einen dummen Macho wie Dich überhaupt jemand haben wollte!“ Robin streckte ihm leidenschaftlich die Zunge heraus, was bei einer gestandenen Lehrerin ihres Kalibers alles andere als erwachsen wirkte. Saber fiel das alte Sprichwort „Was sich neckt, das liebt sich“ ein und er fand, dass es auf niemanden so gut passte, wie auf Colt und Robin: „Nun begrabt mal das Kriegsbeil, Ihr zwei. Ihr habt nach unserer Rückkehr noch alle Zeit der Welt, Euch das Leben gegenseitig schwer zu machen“, er stieß den Cowboy leicht mit der Fußspitze an, „und Du solltest endlich über Deinen Schatten springen, wir haben nicht mehr viel Zeit!“ In der folgenden Stille richteten sich alle Augenpaare auf Colt: „Ich weiß nicht, was Du meinst!“ er schaute absichtlich desinteressiert zu Ramrods Fahrwerk hinüber, hatte sich aber etwas vorgemacht, wenn er wirklich gedacht hatte, so einfach davon zu kommen. „Du weißt sehr wohl was ich meine“, Sabers Stimme nahm einen scharfen Zug an, „und ich finde, dass Du Dich wirklich wie ein absoluter Sturkopf verhältst. Und das alles aus gekränktem Stolz!“ Colt blieb stur. „Er hat recht, Schatz“, nun wieder ganz die liebende Ehefrau legte Robin ihm eine Hand auf den muskulösen Arm, „wenn Fireball ihr verziehen hat, dann wirst Du das doch auch können, oder?“ Keine Reaktion. „Sie leidet wirklich, Colt“, sprang nun sogar Christa für April in die Bresche, „ich habe doch gesehen, wie schwer es ihr fiel, mich auf Ramrod einzuweisen. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen, dass ich ihren Platz einnehmen werde und sie nicht dabei sein wird, um Euch zu unterstützen! Was auch immer sie zu ihrer Entscheidung bewogen hat, freiwillig bleibt sie nicht hier!“ „Hm…“ Colts Schmollmund entspannte sich ein kleines Bisschen, doch bevor er etwas erwidern konnte, durchschnitt die tiefe Stimme des Commanders die regenschwangere Luft: „Saber, ich denke es ist an der Zeit, dass Ihr aufbrecht. Der Abschied wird uns nicht leichter fallen, je länger wir herumstehen und auf besseres Wetter warten!“ Saber nickte Colt und Christa zum Zeichen zu, dass Eagle Recht hatte. „Pass auf den Kleinen auf, okay“, zärtlich schloss Colt Robin in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, „sonst könnte er noch jemanden bei dem Versuch Dich zu beschützen erschießen!“ Der Abschied verlief kurz und ohne Tränen, auch wenn Saber meinte, einen feuchten Schimmer in Robins Augen gesehen zu haben. Doch sie hielt sich tapfer und stand aufrecht zwischen König Jared und Commander Eagle, während die drei eben so aufrecht die Rampe bestiegen, die sie ins Innere von Ramrod beförderte. Sie sprachen kein Wort, denn jeder hing in diesen Sekunden seinen eigenen Gedanken nach, dachte an die Menschen, die man zurück ließ und von denen man sich vielleicht nicht hatte verabschieden können. Saber hätte alles dafür gegeben, Cynthia Lebewohl sagen zu können, sie wenigstens ein letztes Mal vor dem Start leibhaftig zu sehen. Und Christa ging hart mit Roland ins Gericht, mit dem sie seit dem gestrigen Tag kein Wort mehr gewechselt hatte. Er wollte ihre Entscheidung einfach nicht akzeptieren und hatte sie halbherzig vor die Entscheidung zwischen ihm und der Mission gestellt. Ihre Antwort war gewesen, dass es ihre Pflicht als Soldat sei, ihre Heimat zu verteidigen und er war gegangen. So einfach und gleichzeitig doch so kompliziert konnte es manchmal sein. Und Colt? Er hatte Josh zu Hause Goodbye gesagt und Robin war entgegen allen Erwartungen sogar mit zum Raumhafen gekommen, um bis zum Start bei ihm zu bleiben. Wieso war da trotzdem dieses quälende Gefühl, etwas Wichtiges noch nicht erledigt zu haben? Je näher die Einstiegsöffnung von Ramrod kam, desto drängender und unbeherrschbarer nagte es an ihm, bis er es schließlich nicht mehr aushielt. Gerade als sie von der Rampe in den offenen Hangar getreten waren, griff er völlig ohne Vorwarnung die Zügel von Steed und hievte sich etwas schwerfällig auf dessen Rücken: „Junge, ist schon ganz schön lange her, dass ich das letzte Mal im Sattel gesessen habe“, er wandte sich kurz den anderen zu, während er dem Pferd bereits die Sporen gab, „bin in einer Minute zurück!“ und damit galoppierte er zurück dem festen Boden entgegen. April stutze verblüfft, als sie sah, dass Steed kurz nach dem Aufbruch der Star Sheriffs noch einmal aus dem Inneren des Kampfschiffes auftauchte und mit einem wahnsinnigen Tempo auf sie zugetrabt kam. War Saber noch etwas Wichtiges eingefallen, das er ihr sagen wollte? War noch eine Frage zu Ramrods Navigation aufgetreten, die unbedingt vor dem Abflug geklärt werden musste? Als das Pferd näher kam, erkannte sie verblüfft, dass es gar nicht Saber war, der dort auf dem Rücken des Mecha-Tieres saß, sondern Colt. Ihr Herz krampfte sich schmerzlich zusammen und augenblicklich war der Streit im Büro ihres Vaters wieder präsent. Colts verletzende Worte, sein Gesichtsausdruck, sein ganzes Verhalten am gestrigen Tag. Unsicher schaute sie ihm entgegen, fest entschlossen, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Der Cowboy hatte dem Pferd die Zügel schießen lassen und brachte es nur gut zwei Meter vor der verdutzt blickenden April zum Stehen. Unsicher ließ er sich zu Boden gleiten und baute sich mit genauso finsterer Miene vor ihr auf, wie er sie auch bei ihrem letzten Aufeinandertreffen zur Schau getragen hatte. Doch dann tat er etwas, womit April in diesem Moment niemals gerechnet hätte. Er griff nach ihren Schultern und zog sie an sich. Eine Woge der Erleichterung spülte über April hinweg und glücklich darüber, dass ihr Freund ihr endlich verziehen zu haben schien, erwiderte sie seine herzliche Umarmung. Sie standen mehrere Sekunden in dieser zurückgewonnenen Eintracht und genossen es einfach, den anderen bei sich zu haben. Dann schob Colt sie von sich weg und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, genau wie Saber zuvor. Sein Gesicht war noch genauso steinern wie zuvor, als er mit brummiger Stimme murmelte: „Glaub ja nicht, dass Du mir so einfach davon kommst. Wenn wir zurück sind, dann habe ich einen ganzen Hühnerstall mit Dir zu rupfen und versohle Dir Deinen Allerwertesten!“ damit ließ er sie stehen, sprang mit plötzlich neuer Energie geladen von hinten auf Steeds Rücken und treib das Pferd zum Galopp an. April wischte sich die Freudentränen fort, als sie den Cowboy davonpreschen sah: „Kannst Du gerne tun, Cowboy!“ murmelte sie ergeben. Nun würde alles gut werden, da war sie sicher! Als Colt sich enthusiastisch in seine Satteleinheit schwang, lag ein breites und zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht: „Hach, so schön wie in Mamis Schoß!“ er warf seinem Freund Fireball einen herausfordernden Blick zu: „Dann gib dem Baby mal die Sporen!“ „Boss“, empörte sich dieser in Sabers Richtung, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen, „der alte Kuhtreiber will schon wieder bestimmen, wo es langgeht!“ „Na, einer muss das ja schließlich in die Hand nehmen, Matchbox, sonst stehen wir hier morgen noch rum und halten Kaffeeklatsch!“ Saber räusperte sich unwirsch: „Ich schätze, ausnahmsweise hat Colt Recht, es wird Zeit, dass wir den guten alten Ramrod in die Luft befördern. Gib Schub, Fireball.“ Der Rennfahrer hob zum Zeichen, dass er den Befehl verstanden hatte den linken Daumen: „Du willst Schub? Schub kannst Du haben“, er drehte sich zu der Satteleinheit hinter ihnen um, „April…“ er blickte in das betroffen und gleichzeitig entschuldigend blickende Gesicht von Christa, „tut mir leid, Christa, Macht der Gewohnheit!“ schnell schaute er wieder nach vorne. „Keine Ursache, ich fühle mich geehrt…“ unbeholfen nahm die rothaarige Frau einige Einstellungen an ihrem Computer vor, um die peinliche Situation zu überspielen. „Solltest Liste führen“, Colt war offensichtlich endlich wieder ganz der Alte, „für jedes fünfte Mal übernimmt unser Kleiner den Abwasch für Dich!“ Christa runzelte die Stirn: „Wie oft muss ich denn abwaschen?“ „Ach Saber, hast Ihr wieder das Kleingedruckte nicht zu lesen gegeben, was?“ Fireball stieg wie selbstverständlich auf die kleine Balgerei ein. „Muss mir wohl entfallen sein…“ gab Saber in seiner typisch trockenen Art zurück und konzentrierte sich seinerseits auf die Daten auf dem Bildschirm vor ihm. Es konnte nicht schaden, wenn die Jungs sich ein wenig austobten. „Immer!“ frotzelte Colt genießerisch und machte es sich in seiner Satteleinheit bequem, als wollte er ein Nickerchen halten. „Wie, immer?“ Christa glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. „Alte Star Sheriff Weisheit“, amüsierte sich Fireball, „besteige nie ein Schiff…“ „…wenn Du nicht sicher bist, dass mindestens eine Frau für die Kombüse an Bord ist!“ vollendete Colt den Satz ehrerbietig. „Ihr wollt mich doch verarschen, oder? Saber…“ flehend schaute das einzig weibliche Mitglied von Ramrod zu ihrem neuen Boss hinüber. „Das diskutieren wir aus, wenn wir im All sind. Ich will nicht riskieren, dass Du vorher doch noch einen Rückzieher machst“, seine Stimme wurde ernster, „und nun schaff unseren Hintern endlich in die Luft, Fire!“ zufrieden lehnte er sich in seiner eigenen Satteleinheit zurück, als der Kampfkoloss sich mit seiner neuen Crew vom Raumhafen erhob und seinem Schicksal entgegen flog. Sie alle ließen die Menschen zurück, die sie liebten. Doch ihre Freundschaft würde ihnen dabei helfen, diese Probe, die das Leben Ihnen erneut auferlegt hatte, zu meistern und stärker als je daraus hervor zu gehen. Sie waren zwar noch nicht wieder ganz die Alten, aber immerhin hatten die Star Sheriffs soeben bewiesen, dass sie auf dem besten Wege dahin waren. Kapitel 10: Lagerkoller ----------------------- Nachdem er die letzte Seite seines Buches „Kampf der Giganten“ durchgelesen hatte, ließ Fireball enttäuscht den Rückendeckel zuklappen und verstaute den dicken Wälzer auf der Konsole neben seiner Pritsche. Ihre Reise war bislang so reibungslos, ja, geradezu lehrbuchartig ohne den geringsten Zwischenfall verlaufen, dass sie ihrem Zeitplan bereits um einen halben Tag voraus waren. Saber hatte zusammen mit Christa eine Route festgelegt, die sie die meiste Zeit durch unbesiedeltes Gebiet führte; deshalb konnten sie es fast immer dem Autopiloten überlassen, sie sicher auf Kurs zu halten und dem Ziel näher zu bringen. Lediglich dreimal hatte Fireball selber die Kontrollen übernehmen müssen, um das gewaltige Schlachtschiff durch Asteroidenschwärme zu manövrieren. Ansonsten war er seit dem Start von keinem großen Nutzen gewesen. Kein Wunder, dass er das Buch bei soviel Freizeit und so wenigen Möglichkeiten des Zeitvertreibs bereits nach zwei Tagen verschlungen hatte. Leider war dieses Exemplar der geistigen Kurzweil das einzige seiner Gattung an Bord von Ramrod. Weder Christa noch eines der männlichen Besatzungsmitglieder hatte es offenbar für wichtig erachtet, vor dem Abflug über so etwas Banales wie das Vertreiben von Eintönigkeit nachzudenken. Wie sollte Fireball bloß die nächsten Tage überstehen, die ihnen noch bis zum Ausgangspunkt für ihren Sprung in die Phantomzone blieben? Er erlebte einen der seltenen Momente, in denen er Colt um dessen Bronco Buster beneidete. Denn wann immer es dem Cowboy an Bord zu öde wurde, schwang er sich in seinen kleinen Kampfjet und dreht ein paar Übungsrunden in den Weiten des Alls. Für seinen Red Fury Racer bedauerlicher Weise ein Ding der Unmöglichkeit. Fireball warf einen raschen Blick auf seinen Chronometer. Es war noch keine 48 Stunden her, dass sie den Raumhafen von Yuma verlassen hatten und ihn packte bereits eine bohrende Rastlosigkeit. Glänzende Aussichten! Soweit er es beurteilen konnte, war er aber der einzige, der nicht so recht wusste, was er mit seiner Zeit anstellen sollte. Colt hatte seine neue Berufung darin gefunden, Christa bei jeder sich bietenden Gelegenheit eins auszuwischen oder sie in frotzelnde Wortgefechte zu verstricken, so wie er es sonst mit April getan hätte. Allerdings waren ihre navigatorischen Fähigkeiten das einzige, was Christa mit April verband. Den Sinn für grobe Scherze und schlagfertige Auseinandersetzungen teilte die rothaarige Frau jedenfalls nicht mit ihrer alten Teamkollegin, was den Cowboy gehörig wurmte. Erst am Abend zuvor hatte er seinem Freund leicht verdrossen gestanden, dass Christa wohl zum Lachen in den Keller ginge und es noch einiger Anstrengungen bedürfe, um sie ein wenig ‚lockerer’ zu machen. Aber Fireball wusste, dass das Verhalten des weiblichen Lieutenants Colt insgeheim noch mehr anspornte, sich kleine Neckereien für sie auszudenken. Und auch wenn Christa sich ziemlich genervt von Colts Spielchen zeigte, hatte Fireball das Gefühl, dass sie seine Aufmerksamkeit letztendlich doch sehr genoss. Er konnte sich gut vorstellen, dass ihr ein wenig Abwechslung von der steifen und adretten Etikette des höfischen Lebens gut tat. Zwar flüchtete sie sich oft in Aprils Satteleinheit, um Ramrod weiter zu studieren, aber wenn Colt sie länger als eine Stunde in Ruhe ließ, hielt sie schon wie von selbst nach dem Cowboy Ausschau, weil sie seine Gesellschaft vermisste. Der Rennfahrer hoffte nur, dass aufgrund der besonderen Situation nicht mehr aus diesen freundschaftlichen Gefühlen wurde. Colt war und blieb ein Schürzenjäger, der sich dem schönen Geschlecht nicht verschließen konnte und Christa war im Streit mit Roland auseinander gegangen. Er würde diese Sache vorsichtshalber im Auge behalten müssen, denn schließlich war er der einzige, dem diese Entwicklung aufgefallen war. Saber verließ den Kommandostand nur sehr selten, was man ihm wohl schlecht verübeln konnte. Er war der Leiter einer heiklen Mission und fühlte sich für sein Team, das Schiff und das Gelingen ihrer Aufgabe verantwortlich. Ständig stellte er neue Berechnungen und Szenarien auf, um bei dem kleinsten auftretenden Problem schon im Vorfeld eine passende Lösung parat zu haben. Eigentlich war Fireball ihm dafür sogar dankbar, denn so fiel es ihm wesentlich leichter, Saber aus dem Weg zu gehen, ohne sich ständig in seinem Quartier verbarrikadieren zu müssen. Ungewollt hatte sich das Bild von Saber, der April auf dem Raumhafen umarmt und geküsst hatte, in sein Gedächtnis gebrannt und beeinflusste nun maßgeblich sein Verhalten gegenüber dem Säbelschwinger. Sicher wusste Fireball, dass zwischen seiner Verlobten und seinem Boss nichts „lief“, wie man es so schön sagte, aber die Tatsache für sich, dass die beiden ein Geheimnis miteinander haben könnten, reichte aus, um ein Gefühl von Argwohn und Eifersucht heraufzubeschwören. Und das ließ sich auch mit gesundem Menschenverstand nicht wegdiskutieren. Unzufrieden stieß Fireball den angehaltenen Atem zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Es geschah genau das, was er befürchtet hatte: er kam ins Grübeln. Solange er noch das Buch gehabt hatte, um seine Gedanken in andere, weniger belastende Bahnen zu lenken, war ihm wesentlich wohler in seiner Haut gewesen. Jetzt kehrten die vielen wirren Ideen, die unkontrollierbaren Empfindungen und die damit einhergehenden Magenschmerzen zurück. Bilder und Ängste kreisten heillos in seinem Kopf durcheinander, dass ihm schwindelig davon wurde. Die Sorgen, die er sich um April machte, gepaart mit der unauslöschlichen Momentaufnahme von ihr und Saber, das Gemälde seines Vaters, das in König Jareds Privatgemächern hing und das die einzige Erinnerung überhaupt an einen völlig Fremden darstellte, Fiktionen von eben diesem Fremden, wie er mit einem kleinen Gleiter das Flaggschiff von Nemesis angriff und zusammen mit diesem in die Phantomzone katapultiert wurde, die vergrämten Gesichter von König Jared und Commander Eagle, die Furcht vor dem, was sie in der Phantomzone erwarten würde, wenn sie es tatsächlich schaffen sollten, dorthin zu gelangen. War sein Vater nach all den Jahren noch am Leben und war er es wirklich gewesen, der ihnen diesen Notruf gesendet hatte? Was für ein Gefühl mochte es sein, mit einem Mal einen Vater zu haben, nachdem man zwanzig Jahre seines Lebens als Waise zugebracht hatte. Ob ihn das Leben in der Phantomzone verändert hatte? Würde er seinen Sohn nach der langen Trennung wiedererkennen? Und wie würde er die Nachricht aufnehmen, dass seine geliebte Frau vor vielen Jahren aus Kummer über sein Verschwinden gestorben war? Das zärtlich lächelnde Gesicht seiner Mutter blitzte zwischen all den anderen Bildern auf – mehr ein Schatten als alles andere. Sie war von ihnen gegangen, als Fireball gerade einmal drei Jahre alt gewesen war und er konnte sich deshalb nur sehr schemenhaft an ihr Äußeres erinnern. Aber manchmal hörte er sie in seinen Träumen zu ihm sprechen, mit ihrer warmen und liebevollen Stimme, mit der sie ihn so oft in den Schlaf gesungen hatte. „Fireball“, Sabers krachende Stimme schallte durch den Lautsprecher, der oberhalb der Tür seines Zimmers in die Wand eingelassen war, „könntest Du bitte kurz auf die Brücke kommen?“ das monotone Rauschen erstarb und zeigte an, dass der Säbelschwinger keinen Wiederspruch duldete. Hin- und hergerissen schwang Fireball die Beine über die Pritsche und zerwühlte sich das eh schon krause Haar. Einerseits war er dankbar dafür, dass Saber ihn aus seinen trüben Gedanken gerissen hatte, aber andererseits wusste er nicht, ob auch Christa und Colt im Kommandostand waren, oder ob er alleine mit ihrem Anführer sein würde. Diese Vorstellung behagte ihm wenig. Er wusste einfach nicht, wie er sich Saber gegenüber im Moment verhalten sollte und fürchtete, aus Unbesonnenheit eher das Falsche als das Richtige zu tun. Aber wenn der Boss gerufen hatte, dann hieß das, die Beinchen in die Hand nehmen und lostippeln! Die hydraulisch gesteuerte Tür zu seiner Unterkunft schwang geräuschlos zur Seite und er trat hinaus in den von Neonlicht durchfluteten Korridor. In diesem Flügel Ramrods lagen nicht nur die „Baracken“, wie Colt liebevoll die einzelnen Quartiere der Besatzungsmitglieder nannte, sondern auch der Fitnessraum, die Küche, der Aufenthaltsraum, das Wort Wohnzimmer wäre hierfür wohl doch etwas zu ehrenhaft gewesen, und das großzügig angelegte Badezimmer. Fireball wandte sich nach rechts in Richtung der Treppe, die ihn ins Cockpit des Kampfroboters führen würde. Was konnte Saber wohl von ihm wollen? Er hatte sich am Morgen die Sternenkarte des Abschnitts angesehen, den sie heute durchqueren würden. Ein recht ödes Gefilde! Keine größeren Planeten, keine Raumstationen, nur gelegentlich ein kleiner Mond, den es zu umfliegen galt. Nicht einmal Asteroiden oder Kometen hatte die Maverick-Ortung angezeigt. Eigentlich konnte Ramrods Autopilot prima ohne seine Hilfe mit diesem Kurs fertig werden. Als er an der Küche vorbei kam, stieg ihm der Duft von gebratenen Nudeln in die Nase und er hörte, dass jemand geschäftig mit Tellern und Besteck hantierte. Neugierig schob er den Kopf durch die offene Tür herein und lugte um die Ecke: „Hey, Oberköchin, das duftet aber leckerlich!“ „Meine Güte, Fireball“, erschrocken war Christa zusammen gezuckt und hätte beinahe den Teller Spaghetti fallen gelassen, den sie soeben aus der Mikrowelle geholt hatte, „ich wär Dir echt dankbar, wenn Du Dich nicht so anschleichen würdest!“ ein wenig angesäuert ging sie hinüber zur Essecke, stellte den Teller scheppernd hin und nahm dann vor ihrer kleinen Zwischenmahlzeit Platz. „Warum so schreckhaft, Lieutenant“, dieser Spitzname hatte sich in den letzten zwei Tagen eingebürgert, da es für die Star Sheriffs das erste Mal war, dass in ihrem Team ein echter militärischer Rang bekleidet wurde, „man könnte ja fast meinen, Du hast was zu verheimlichen…“ der Rennfahrer trat näher an den Tisch heran, um Christas leckeren Snack genauer in Augenschein zu nehmen. Diese zog den Teller reflexartig näher zu sich heran und stierte Fireball herausfordernd an: „Und was sollte das Deiner Meinung nach sein?“ „Tja, mich dünkt“, er nahm die Nudeln noch ein bisschen genauer unter die Lupe, „und meine entzündeten Äuglein müssten mich schon gewaltig täuschen, wenn es nicht so wäre“, er wanderte verschmitzt lächelnd zum Kühlschrank hinüber und warf einen kurzen Blick hinein, „dass Du da gerade die Reste von gestern Abend verputzt!“ Die junge Frau schaufelte sich gerade einen ziemlich großen Berg mit Hilfe von Gabel und Löffel in den Mund: „Wasch bagegen?“ die Worte gingen in den mampfenden Schmatzgeräuschen beinahe unter. Fireball fand es erstaunlich, wie viel Christa verdrücken konnte und dabei eine so makellose Figur behielt: „Irre ich mich, oder hatte Colt seine Besitzansprüche für dieses Dinner nicht heute morgen ziemlich klar geltend gemacht?“ Christa tat überrascht und riss ungläubig die Augen auf: „Taschäschlisch?“ Feixend griff der Star Sheriff nach dem kleinen abgerissenen Stück Papier, das jemand achtlos auf die Mikrowelle gelegt hatte. Es trug eindeutig die krakelige Handschrift des Cowboys und drohte mit klarer, wenn auch schlichter Präzision: „Pfoten weg – meins!“ „Und was ist hiermit?“ Fireball schlenderte zurück zum Tisch und ließ den Zettel vor Christas Nase zu Boden flattern. Die konnte sich das Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen: „Hoppla, muss ich übersehen haben!“ sie legte Gabel und Löffel weg und stand auf. „Vernünftige Entscheidung…“ „Was?“ der Lieutenant schlenderte mit dem Teller in der Hand an Fireball vorbei. „Na, dass Du die Nudeln zurück in den Kühlschrank stellst…“ der Rennfahrer bückte sich nach dem Zettel und reichte ihn Christa über die Theke, „hier, leg ihn wieder drauf, dann merkt er es nicht!“ „Ich stelle sie nicht zurück in den Kühlschrank“, sie fischte nach dem Zettel und zerknüllte ihn genüsslich in der rechten Hand, „sie sind noch nicht richtig warm!“ damit verfrachtete sie den Teller zurück in die Mikrowelle und stellte den Timer auf anderthalb Minuten. „Hm, wie Du meinst“, Fireball besann sich darauf, dass Saber im Cockpit auf ihn wartete, „sag aber hinterher nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt!“ damit verschwand er wieder im Flur und setzte seinen Weg fort. „Mit dem Viehtreiber werde ich schon noch alleine fertig!“ hallten ihm leicht beleidigt klingenden Worte hinterher, aber er hatte keine Lust, sich auf eine so alberne Diskussion einzulassen. Er war sicher, dass Colt die Nudeln extra so im Kühlschrank platzierte hatte, damit Christa sich darüber hermachen würde, genauso wie er sicher war, dass Christa sie letztendlich nur in sich hineinstopfte, damit Colt sich ärgerte. Eine wirklich merkwürdige Beziehung, die sich da zu entfalten begann. Die letzten Meter des Weges legte Fireball im Laufschritt zurück, um Saber nicht unnötig zu verärgern. Leicht schnaubend kam er oben im Cockpit an: „Du hast geschellt, Boss?“ Saber saß, wie eigentlich immer, wenn man ihn außerhalb des Wohnbereiches zu sehen bekam, in seiner Satteleinheit und ließ seine flinken Finger über die Tastatur seines Bordcomputers fliegen. Er schaute kurz auf, als das jüngste Mitglied der Star Sheriffs sich lässig auf das gelbe Metallgestänge über ihm lehnte und den Blick in die dunklen Weiten des Alls vor ihnen schweifen ließ: „Hast Dir Zeit gelassen, Fireball!“ „Ich wusste nicht, dass es um Leben und Tod geht!“ Fireball machte sofort dicht und Saber musste einsehen, dass er den falschen Anfang für ihre Unterhaltung gewählt hatte: „Nicht so wichtig…“ „Was gibt’s denn?“ stieg der Rennfahrer auf das Friedensangebot ein und schlenderte hinüber zu seiner eigenen Satteleinheit. Lässig nahm er darin Platz, beide Beine über die linke Seite nach draußen gestreckt. Saber ließ von seinem Computer ab und nahm eine ähnliche Position ein, nur dass er die Beine zur rechten Seite hinausstreckte, um sein Gegenüber anschauen zu können: „Ich wollte mit Dir die neuen Koordinaten durchgehen, die ich vor einer Stunde vom Oberkommando erhalten habe.“ Mit gerunzelter Stirn lehnte Fireball sich nach vorne und faltete die Hände: „Wieso mit mir? Ist das nicht eher Christas Part?“ Saber nickte kaum merklich: „Ich dachte, Du könntest die Dinge nachher zusammen mit ihr bearbeiten.“ Die Falten auf der Stirn des Rennfahrers wurden noch tiefer: „Hilf mir auf die Sprünge, Boss, ich versteh nicht, worauf Du hinaus willst!“ Fireball war nie ein besonders guter Navigator gewesen. Er besaß zwar einen ausgeprägten Orientierungssinn, doch der half bei den verwirrenden Zahlen- und Formelabfolgen ihres komplexen Maverick-Systems kein Stückchen weiter. Wieso also wollte Saber, der auf diesem Gebiet doch bestens ausgebildet war, dass er dessen Aufgabe übernahm? Der Säbelschwinger antwortete nicht sofort, sondern legte sich seine Worte mit Bedacht zurecht: „Am Tag vor unserem Abflug habe ich zu Colt gesagt, dass diese Sache nur funktionieren kann, wenn wir alle hundertprozentig bei der Sache sind“, er konnte Fireball nicht länger in die Augen sehen und starrte deswegen auf dessen Hände, „wenn wir wie ein Mann agieren, verstehst Du?“ Das Gespräch nahm eine Wendung, die Fireball nicht recht zu deuten wusste, aber sie gefiel ihm nicht. Unruhig drehte er den silbernen Verlobungsring an seiner rechten Hand: „Komm zur Sache, Saber!“ „Wir waren immer ein eingespieltes Team, mein Freund“, Saber hatte sich jetzt erhoben und tigerte unruhig neben seiner Satteleinheit auf und ab, „aber im Moment habe ich das Gefühl, dass Du nicht mehr dazu gehörst.“ Dieser Schlag hatte gesessen. Fireball schlug das Herz bis zum Hals. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, den man beim Ladendiebstahl erwischt hatte, reagierte aber wie ein in die Ecke gedrängtes Wildtier: „Und wie bitte darf ich das verstehen?“ fauchte er gereizt und warf seinem Boss giftige Blicke zu. Natürlich wusste er ganz genau, was dieser meinte, aber sich gerade von Saber vorwerfen zu lassen, dass seine Teamfähigkeit zu wünschen übrig ließ, hatte seinen Stolz verletzt. Immerhin war er es doch, der augenscheinlich direkt vor seiner Nase Geheimnisse mit April hatte! „Du ziehst Dich immer mehr von uns anderen zurück, sprichst kaum noch ein Wort und wenn, dann bist Du kurz angebunden. Wir machen uns Sorgen um Dich, Fireball“, er war zu seinem Freund herüber gekommen und legte ihm jetzt kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter, „kann es sein, dass die Situation schwieriger für Dich ist, als Du zugeben willst?“ Grob wischte Fireball die Hand fort und erhob sich ebenfalls. Es ärgerte ihn, dass Saber einen ganzen Kopf größer war als er selbst, und er zu ihm aufschauen musste: „Welche Situation meinst Du denn genau?“ Saber entging der unterschwellig aggressive Ton nicht: „Dass Christa Aprils Platz eingenommen hat.“ Der junge Star Sheriff schnaubte verächtlich: „Ach, und Du meinst, die liebe Christa würde mir ein wenig mehr ans Herz wachsen, wenn ich mit ihr ein bisschen die Schulbank drücke, ja?“ Saber wollte zu einer erklärenden Antwort ansetzen, aber Fireball ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen: „Kannst Dich aber beruhigen, ich habe nicht das Geringste gegen das gute Kind. Im Gegenteil, ich ziehe den Hut vor ihrem Schneid.“ Damit war diese überflüssige Diskussion für ihn erledigt. Saber aber musste schmerzhaft einsehen, dass sie eigentlich gerade erst begonnen hatte: „Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet“, er verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie Fireball in seiner Bewegung innehielt und sich mit wütender Miene wieder zu ihm umdrehte, „ich hatte schon befürchtet, dass es nicht an Christa liegt.“ Abgespannt fuhr er sich über die Augen, so als könnte er damit alle Probleme beiseite fegen. „Und was sollte dann dieser ganze Schwachsinn, wenn die Frage gestattet ist?“ Saber entging nicht, dass sein Freund innerlich brodelte wie ein Vulkan, was seine ursprüngliche Meinung leider noch erhärtete: „Ich wollte ganz sicher sein, bevor ich vielleicht völlig umsonst ein heikles Thema anschneide.“ „Mann oh Mann, dann lass endlich hören, was Dir den Schlaf raubt“, Fireballs Atem ging stoßweise, so als wäre er vom Laufen noch immer außer Puste, „das wird mir hier langsam echt zu blöde!“ Saber nahm allen Mut zusammen und sprach endlich aus, was ihn seit ihrem Start beschäftigt hatte: „Ich denke, dass Du ein Problem mit mir hast!“ Der junge Rennfahrer war wie vom Donner gerührt, bekam aber kein Wort heraus. Er konnte seinen Freund einfach nur geschockt anstarren. War seine ablehnende Haltung so offensichtlich gewesen, dass man sie bemerkt hatte? „Hast Du mir vielleicht irgendetwas zu sagen, Fireball?“ die Stimme klang ruhig und sachlich, ja beinahe väterlich, was Fireball in Rage versetzte. Was bildete sich dieser verfluchte Besserwisser eigentlich ein? Er war kurz davor, ihm all seine Wut und seinen Frust entgegen zu brüllen, ihm klarzumachen, dass er sich gefälligst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und verdammt noch mal die Pfoten von April lassen sollte, aber dazu fehlte ihm der Mut. Er wusste ganz genau, dass er in einer verbalen Auseinandersetzung mit Saber den Kürzeren ziehen würde, und nach noch mehr Demütigung stand ihm im Moment nicht der Sinn: „Ich weiß nicht, was Du meinst…“ „Fireball…“ Ein markerschütternder Schrei zerriss die Luft und beendete ihren Disput schlagartig. „Das war Christa!“ ohne auf eine Aufforderung des anderen warten zu müssen, hasteten beide Star Sheriffs los. Christa stand mit ekelverzerrtem Gesicht über ihren fast leeren Teller Spaghetti gebeugt und starrte angewidert auf ein zwei Zentimeter langes, braunes Etwas, das leblos zwischen den letzten Nudeln in der Soße schwamm: „Colt, Du verdammter Mistkerl, wenn ich Dich in die Finge bekomme!“ Aus dem Gang hörte sie polternden Lärm und schon im nächsten Augenblick stolperten Fireball und Saber mit besorgten Mienen in die Küche: „Was ist passiert?“ hektisch sah sich der Säbelschwinger nach möglichen Angreifern um, während der Rennfahrer unsicher seinen Blaster hin und her schwenkte. „Kannst Deine Wumme wieder einstecken, Turbo, der kleine Drecksack ist schon tot!“ pathetisch wies Christa mit ihrem Löffel auf den Corpus delicti und konnte sich dabei ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Die Jungs traten näher und beäugten skeptisch den vermeintlichen Angreifer: „Eine Kakerlake“, Fireball sah Christa geringschätzig an, „und deswegen schreist Du hier die ganze Bude zusammen?“ Die junge Frau schnaubte verächtlich: „Hättest Du auch getan, wenn Du beinahe in das Vieh reingebissen hättest!“ würdevoll griff sie nach dem Teller und brachte ihn hinüber zur Spüle, wo sie die Kakerlake samt der Essensreste den malmenden Zähnen des Müllzerkleinerers überließ. „Na, immerhin hast Du es ja geschafft, sie zu überwältigen“, Saber entspannte sich merklich und begann neugierig die Ecken der Küche zu inspizieren, „möchte nur wissen, wo das Biest hergekommen ist!“ „War nicht nötig, ihm den Garaus zu machen, das Vieh war schon tot!“ sie stellte den Teller in die Geschirrspüle und nahm dann einen großen Schluck Wasser aus dem Hahn. Allein die Vorstellung, dass sie etwas gegessen haben könnte, das mit diesem Ungeziefer in Berührung gekommen war, verursachte bei ihr einen Brechreiz. Fireball brach in schallendes Gelächter aus: „Ich will ja nicht sagen, ich hätte es Dir nicht gesagt…“ „Dann tu es auch nicht“, Christa warf mit einem nassen Handtuch nach ihm, „kann ja keiner ahnen, dass Colt so ein krankes Hirn hat und mich mit Kakerlaken vergiften will!“ „Habe ich hier gerade meinen wohlklingenden Namen vernommen?“ mit einem frechen Grinsen steckte der Cowboy den Kopf zur Tür herein. Zwei ziemlich wütende Augenpaare richteten sich auf ihn: „Na, was macht Ihr denn für Gesichter? Ist Euch etwa die Petersilie verhagelt?“ lediglich Fireball hielt sich vor Lachen die Seite und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ich verhagle Dir gleich noch was ganz anderes, Gringo!“ Christa drohte ihm mit Löffel und Gabel und dem Cowboy dämmerte, warum die anderen so aufgebracht waren. Zufrieden lächelnd tippte er sich an den Hut: „Tja, Mam, wer nicht lesen kann, muss eben damit rechnen, eine unliebsame Überraschung zu erleben. Kommt davon, wenn man sich an meinem Happa-Happa zu schaffen macht.“ „Colt, der Scherz ging echt ein bisschen zu weit.“ Tadelte Saber, konnte sich aber selber ein amüsiertes Zwinkern nicht verkneifen. „Was denn“, abwehrend hob der angesprochene die Hände, so als wollte er sich einem wütenden Trupp Outrider ergeben, „hast Du Dich etwa mit dem kleinen Oggie nicht gut verstanden?“ „Man, Colt, Du hast doch echt nicht mehr alle Flöhe unterm Mützchen“, Fireball wollte sich gar nicht mehr einkriegen, „Du hast diesem Vieh sogar einen Namen gegeben?“ „Nein, natürlich nicht“, der Cowboy tat überrascht, „den hat er natürlich von seiner Mutti bekommen!“ „Dir ist doch nicht zu helfen, Colt“, Saber schüttelte stoisch den Kopf, „aber wo hattest Du das Tierchen denn überhaupt her?“ „Na, von zu Hause mitgebracht natürlich!“ Die anderen waren fassungslos: „Du bringst tatsächlich Kakerlaken an Bord von Ramrod? Bist Du noch zu retten?“ der Säbelschwinger machte Anstalten, ihn mit seinen Blicken töten zu wollen. „Man, wo denkst Du hin, alter Highlander, hältst Du mich für beschränkt“, Colt zog beleidigt einen Schmollmund und ignorierte Fireballs und Christas zustimmendes Gemurmel, „der kleine Freund ist natürlich nicht echt. Habe ihn in einem Halloween-Laden gekauft. Und jetzt her damit! Kann es gar nicht erwarten, diesen kleinen Trick bei meinem Frauchen auszuprobieren.“ Entschuldigend hob Christa die Arme und fuhr sich dann dramatisch mit dem rechten Finger über die Kehle: „Oggie hat leider seinen Meister im Müllschlucker gefunden…“ „WAS“, Colt konnte es nicht glauben, „Du hast meine wertvolle kleine Kakerlake in den Müllschlucker geworfen?“ sein Gesicht wurde bleich und seine Augen verengten sich zu gefährlich schmalen Schlitzen. „Das kommt davon, wenn man es mit seinen Scherzen all zu bunt treibt, hombre!“ Fireball rammte ihm scherzhaft die geballte Faust in den Magen und trottete in Richtung Zwischendeck davon. „Fireball, warte…“ Saber eilte ihm nach. „Hab jetzt keine Zeit, Boss, muss mich ein wenig um mein Schätzchen kümmern.“ Damit ließ der Rennfahrer ihren Anführer stehen, der sich zerknirscht zurück auf die Kommandobrücke begab. Christ unterdrückte ein leises Kichern und steckte nun auch endlich ihr Besteck in den extra dafür vorgesehenen Korb des Geschirrspülers. Sie hatte nicht bemerkt, dass Colt sie noch immer mit hasserfülltem Blick musterte: „So, Du findest das also witzig, Lieutenant, ja!“ „Ach Colt, komm schon“, versöhnlich schenkte sie ihm ein demütiges Lächeln, „es tut mir leid, okay. Wenn ich gewusst hätte, dass das Ding nicht echt ist…“, „Du, Du, Du…“, der Cowboy riss sich vollkommen in Rage den Hut vom Kopf, „Du… miese… kaltherzige… Plastiktiertöterin!“ damit stob er erhobenen Hauptes aus der Küche und ließ eine brodelnde Christa zurück: „Na warte Freundchen, das wirst Du mir noch büßen!“ Colt war mit sich und der Welt äußerst zufrieden. Er hatte sich gemütlich auf eines der Sofas im Aufenthaltsraum gelümmelt, den Hut tief in die Stirn gezogen und genoss seinen großartigen Triumph über Christa, die Spaßbremse. Er hatte es endlich geschafft, sie richtig in Rage zu bringen und ihr gleichzeitig auch noch ein schlechtes Gewissen wegen dieser lächerlichen Spielzeugkakerlake aufgehalst. Was konnte es schöneres geben? Er mochte dieses Mädchen, da machte er sich nichts vor. Wahrscheinlich sogar zu sehr! Christa war hübsch, sexy, klug und auf eine ihr ganz eigene Art sogar irgendwie sogar witzig. Es bereitete ihm ein kindliches Vergnügen, sie zu piesacken, zumal er sie durch sein vorpubertäres Verhalten ein wenig auf Distanz halten konnte. Solange sie genervt die Augenbrauen verzog, wenn sie ihn zu Gesicht bekam, würde keine Gefahr bestehen, dass sie sich besonders lange in seiner Nähe aufhielt. Meistens suchte sie bereits nach wenigen Minuten wieder das Weite, um seinen flapsigen Sprüchen und seinem trockenen Sinn für Humor zu entkommen. Das war gut so, denn sonst würde eine ernsthafte Gefahr bestehen, dass er sich zu sehr in den Lieutenant verguckte. Der Cowboy hatte nie viel darauf gegeben, sich aus Selbstschutz etwas in die Tasche zu lügen: er war nun einmal angetan vom weiblichen Geschlecht und auch wenn er glücklich mit Robin verheiratet war, so konnte er seinen Jagdtrieb doch nicht völlig im Zaum halten. Christa entsprach genau seinem Beuteschema und seine Frau war ziemlich weit entfernt, da konnte die Hemmschwelle um ein beängstigendes Stückchen nach unten fallen. Ein verträumtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er versuchte sich vorzustellen, wie Christa wohl im Bikini aussah; wenn es der guten Sitte mehr entsprach, konnte sie dabei auch gerne eine Plastikkakerlake in der Hand halten. Oder vielleicht eine Sahnetorte, mit der sie sich an ihm rächen wollte? Eine ausgelassene Tortenschlacht mit der leichtbekleideten Christa, was für eine Idee! „Hey, Kuhhirte“, Fireball kam müde ins Zimmer geschlendert und warf sich in den einzigen Sessel, der ihnen zur Verfügung stand, „was grinst Du denn so dämlich?“ Colt schielte seinen Freund unter dem Hut hinweg gleichgültig an: „Es geht Dich zwar nichts an, compadre, aber ich denke an mein holdes Weib daheim“, Fireball war durchgeschwitzt und von oben bis unten mit Öl und anderen Schmierfetten besudelt, „hast Du bis eben an Deinem Gokart gebastelt?“ es war doch faszinierend, dass diese Kiste einer ständigen Überholung bedurfte. Erst gestern nach dem Abendessen war der Rennfahrer über drei Stunden im Hangar gewesen, um an dem Blechhaufen herumzuhantieren. „Ach, und ich dachte schon, Du würdest von der hübschen Christa träumen…“ Fireball war auf die kleine Neckerei bezüglich seines Turbos gar nicht eingegangen und taxierte Colt mit provokativem Blick. Dieser merkte verärgert, dass ihm das Blut in die Wangen schoss: „Pass auf, was Du sagst, Partner, sonst verpass ich Dir einen Satz heiße Ohren!“ schnell schob er sich den Hut noch tiefer ins Gesicht. „Meinst wohl so heiß wie Deine Ohren gerade, wie“, gluckste Fireball amüsiert, „die Wahrheit kann schon echt wehtun, nicht Colt!“ „Und Dir tut gleich was ganz anderes weh, wenn Du nicht Deinen vorlauten, grünen Schnabel hältst, klar!“ kampflustig setzte der Cowboy sich auf, was sein Gegenüber davon überzeugte, nun die Kapitulation einzuläuten: „Bloß keinen Streit vermeiden, hab ja gar nichts gesagt.“ Er hob abwehrend die Hände und versuchte, das Grienen zu unterdrücken. Anscheinend hatte er mal wieder voll ins Schwarze getroffen. Colt stellte die Beine auf den Boden und streckte sich genüsslich; da hatte er doch mal wieder ganze Überzeugungsarbeit geleistet, ohne auch nur den kleinen Finger krumm gemacht zu haben. Wenn das so weiterging, würde er noch eine neue Karriere als Friedensbotschafter beginnen können. Fireball fuhr sich über die verschwitzte Stirn und schnupperte leicht angewidert an seinem dreckigen Shirt: „Schätze, ich sollte mal unter die Dusche hüpfen.“ „Wie’ n schmucker Prinz siehst Du in der Tat nicht aus“, Colt krabbelte auf allen Vieren über das Sofa zu Fireball hin und rümpfte empfindlich die Nase, „und stinken tust Du wie eine mindestens seit zwei Wochen tote Oma!“ Der junge Star Sheriff hieb Colt den Hut vom Kopf und sprang auf: „Dann will ich Dich mit meinen Ausdünstungen mal nicht weiter belästigen“, er griff nach der Schale Schokolade, die auf dem Couchtisch stand und salutierte förmlich, „wünsch Dir noch einen schönen Abend und angenehme Träume!“ mit einem frechen Zwinkern machte er sich davon. „Hey, das war mein Mitternachtssnack…“, da fiel dem Cowboy plötzlich etwas ein, „wollte Saber nicht noch mit Dir reden?“ Aber Fireball winkte entschieden und übertrieben müde ab: „Hat Zeit bis morgen, ich muss in die Koje.“ Und weg war er. Colt stützte grübelnd das Kinn auf die Hände: „Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja sagen, dass die zwei in einer Ehekrise stecken!“ jetzt hätte er hervorragend ein Stück von der Schokolade gebrauchen können, die sein Teamkollege gerade so frech entwendet hatte. Ihm war schon am vorigen Tag aufgefallen, dass Fireball ihrem Boss aus dem Weg ging, konnte sich aber dieses Verhalten nicht so richtig erklären. „Ach, Colt“, Saber stand draußen auf dem Gang und blickte zu ihm herein, „hast Du Fireball gesehen?“ „Hast ihn gerade verpasst, wollte duschen gehen und dann an der Matratze lauschen.“ „Hm…“ das war wohl nicht ganz die Antwort, die der Säbelschwinger erwartet hatte. „Sag mal Boss“, Colt kam einige Schritte näher und lehnte sich lässig in den Türrahmen, „kann es sein, dass Ihr zwei irgendwie…“ er fand nicht die rechten Worte, um seine Frage zu formulieren. „Lass gut sein Colt, ich werde mich auch in die Falle hauen, morgen ist auch noch ein Tag!“ er lächelte gequält, ließ den Cowboy stehen und schlich sich erledigt in sein Zimmer. „Ja klar, geh doch, mit mir muss ja keiner reden!“ beleidigt zog Colt ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Entweder war er der einzige, der bemerkt hatte, dass an Bord dieses Schiffes etwas Merkwürdiges vor sich ging, oder aber er war der einzige, der nicht längst wusste, um was es sich dabei handelte. Wieso war auch April nicht hier? Sie hatte ein Gespür dafür, sowohl die Gedanken von Fireball als auch von Saber zu erraten und hätte ihm in der momentanen Situation eine große Hilfe sein können. Überhaupt vermisste er die Freundin sehr. Mit ihr an Bord wären ihm zumindest nicht so schrecklich unzüchtige Gedanken in den Sinn gekommen und er hätte trotzdem viel mehr Spaß gehabt. Mit ihr hätte er jetzt ein nettes Schwätzchen gehalten und ein Fläschchen Bier oder zwei geleert, bevor er sich selber zum Schlafen zurückzog. Aber die Realität sah so aus, dass er sein Bier wohl oder übel alleine genießen musste und mehr als ein netter Plausch mit seinem Schatten nicht drin war. „Ach Colt, das hast Du echt nicht verdient!“ missmutig nahm er eine Flasche aus dem Sechserpack, den er vorsorglich schon aus der Küche mitgebracht hatte, schraubte den Verschluss ab und ließ sich das bittere, kühle Getränk die Kehle hinunterrinnen. „Was hast Du nicht verdient?“ Christa stand plötzlich im Zimmer und lächelte ihn foppend an. „Geht ja zu wie im Taubenschlag hier“, Colt prostete ihr halbherzig zu, „auf der Suche nach neuen Opfern, Godzilla?“ „Komm schon, Du wirst doch nicht immer noch sauer wegen diesem Stück Plastik sein“, Christa schloss die Tür hinter sich. Gemächlich steuerte sie auf die Bierflaschen zu, die der Cowboy auf den Tisch gestellte hatte, nahm sich eine davon und leerte sie ohne abzusetzen in einem Zug. Colt blieb vor Bewunderung der Mund offen stehen: „Na, Du hast aber einen ganz schönen Zug am Leib, Baby.“ Christa nahm diesen Satz als Kompliment auf: „War ein langer Tag“, sie griff in ihre Hosentasche und zog einen Stapel abgenutzter Spielkarten heraus, die mit einem spröden Gummiband zusammengehalten wurden, „Lust auf eine Runde Poker?“ Dem Cowboy kam es vor, als sei er gestorben und im siebten Himmel gelandet. Er schickte ein kurzes Dankgebet zur Decke: „Jetzt sprichst Du Papas Sprache, Darling!“ er griff nach den Karten, machte es sich auf der Couch bequem und begann mit geübter Hand das Blatt zu mischen: „Muss Dich aber warnen, beim Pokern kenne ich keine Gnade!“ „Nimm den Mund mal nicht zu voll, Greenhorn“, Christa nahm ihm gegenüber Platz und lockerte mit knackenden Geräuschen ihre Hände, „der Mann, der mir beim Kartenspielen was vormachen kann, muss erst noch gebacken werden!“ „Soll ich Dir Mehl und Zucker leihen?“ schäkerte Colt spitzbübisch, während er sich und Christa jeweils fünf Karten zuteilte. Sie griff nach ihrem Blatt, schaute aber nicht, was sie auf der Hand hatte: „Schwing keine langen Reden, Cowboy, sag mir lieber, worum wir spielen!“ Das war eine gute Frage. Fireball hatte sich der Schokolade bemächtigt und sonst sah er auf Anhieb nichts, was als Einsatz geeignet gewesen wäre: „Tja, normal spielen wir ja um Kekse…“ Das hübsche Gesicht der Frau verzog sich zu einem mitleidigen Lächeln: „Um Kekse“, sie sah Colt tief in die Augen, „seid ja eine ganz harte Truppe, wie?“ Oh, war das peinlich. Da hatte er vor ihr den coolen Typen rauskehren wollen und war damit mal wieder voll im Fettnäpfchen gelandet: „Tja, wenn die Senora meint, dass sie für Kekse schon zu alt ist, können wir natürlich auch mit echtem Einsatz spielen“, er gewann einen Teil seiner Selbstsicherheit zurück, „aber ich ziehe den Damen ungern ihre Continentals aus der Tasche.“ „Wir müssen ja nicht um Continentals spielen“, Christa stützte sich verschwörerisch auf den Tisch und reckte Colt ihren Ausschnitt entgegen, „wie wäre es, wenn wir wie richtige Erwachsene spielen, hm?“ Colt schluckte. Ihm wurde mit einem Mal ziemlich warm unter seinem Hemd und er hatte das Gefühl, sein Kragen würde ihm die Luft abschnüren. Der Ausblick auf Christas Dekolleté brachte sein Blut in Wallung: „Rhm, und was genau meinst Du… mit erwachsen?“ in was für eine verzwickte Situation hatte er sich da nur wieder manövriert? Ihr Lächeln wurde geheimnisvoll und ihre Augen blitzten herausfordernd: „Schon mal… Strippoker gespielt?“ Das war zuviel für den Cowboy. Vor Schreck fielen ihm die Spielkarten aus der Hand und ohne es zu registrieren starrte er Christa an, als hätte sie ihn gerade gefragt, ob er sie nicht heiraten wolle: „D…d… also…ich…“ Sie brach in schallendes Gelächter aus: „Das war für die Kakerlake, alter Viehtreiber“, sie schmiss sich in den Sessel und trampelte amüsiert mit den Füßen auf dem Boden herum, „Du müsstest mal Dein dämliches Gesicht sehen, Colt!“ „Ach ja“, Colt fühlte sich völlig überrumpelt und sein Stolz bäumte sich angesichts dieser Schmach wie ein wildes Tier in ihm auf, „hab doch gleich gewusst, dass Du niemals den Mut hättest, mit einem Mann Strippoker zu spielen“, feixend starrte er Christa über den Rand seiner Bierflasche hinweg an, „wahrscheinlich kannst Du nicht mal ein Ass von ner Sieben unterscheiden.“ „So“, nun war auch ihr Stolz gepackt, „wollen wir doch mal sehen, wie viel Mut Du so hast!“ sie raffte die Karten zusammen und mischte sie erneut durch. „Und was wird das, wenn es fertig ist?“ „Strippoker“, Christa teilte mit steinerner Miene zwei verdeckte Karten an Colt und sich selbst und legte den restlichen Stapel auf den Tisch, „oder hast Du etwa Schiss?“ Dieser Satz brachte das Fass zum Überlaufen. Wenn sie es nun einmal so haben wollte, dann würde Colt ihr eben eine Lektion erteilen müssen, die sich gewaschen hatte: „Baby, ich habe vor nichts und niemandem Schiss“, er schnappte sich seine Karten und linste vorsichtig darunter, „schon gar nicht vor so einer frechen Göre, wie Dir!“ „Na, dann ist ja gut“, lächelnd betrachtete Christa das Pärchen Buben, das sie sich zugeteilt hatte, „klassisch Texas Hold’em?“ Colt dachte kurz über die Dame und das Ass in seiner Hand nach: „Mach schon, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.“ Christa wollte gerade nach dem Kartenstapel greifen, als ihr einfiel, dass sie etwas Grundlegendes vergessen hatten: „Und, was ist Dein Einsatz?“ Der Cowboy brachte sich leicht nervös in eine etwas bessere Sitzposition: „Ich denke, bei der besonderen Brisanz des Spiels checke ich erst mal.“ „Feigling“, Christa führte eine kurze Bestandsaufnahme ihrer Kleidung durch, nur um anschließend verärgert feststellen zu müssen, dass sie höchstwahrscheinlich mit wesentlich weniger Einsatz ins Rennen gegangen war, „ich setze meinen linken Schuh.“ Sie hatte sich ja nicht wirklich auf dieses Spiel einlassen wollen, denn in dem Fall wäre sie mit drei Lagen T-Shirts und vier Paar Socken angetreten. „Hm“, Colt kratzte sich am Kinn, „dann setze ich meinen Hut.“ Ohne ein weiteres Wort legte Christa drei weitere Karten offen auf den Tisch, eine Sieben, den dritten Buben und eine drei. „Ich höre?“ „Was?“ völlig gefesselt vom Anblick des Buben fuhr der Cowboy auf. „Willst Du etwa wieder checken?“ Dieser Vorschlag klang doch in Anbetracht der Tatsache, dass er nichts weiter auf der Hand hatte, gar nicht so schlecht: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ Christ gähnte: „Da riskiert ja meine alte Nanny mehr als Du“, sie fuhr sich lässig durch die rote Haarpracht, „ich setzte noch meinen zweiten Schuh.“ „Snirk…“ entfuhr es ihrem Teamkollegen. „Wie wäre es mit einem netten Fold? Würde Dich bislang nur Deinen Hut kosten, muchacho.“ Sie versuchte so herablassend wie möglich zu klingen, um den Kontrahenten aus der Reserve zu locken. Was glänzend funktionierte! „Okay, ein Stiefel – deck schon die verfluchte nächste Karte auf!“ Es war ein König. Nun wurde Colt doch mutiger: „Und leg den anderen Stiefel gleich noch oben drauf.“ „Hör auf, Du bluffst doch“, Christa überlegte kurz, „ich gehe mit einer Socke mit und erhöhe um eine zweite.“ „Na, so ein Stinkesöckchen kann ich auch noch entbehren.“ Colts Lächeln wurde breiter, als er sah, dass er die junge Frau verunsichert hatte. Eigentlich wusste er gar nicht, warum er so siegessicher war. Er hatte noch immer null Komma nichts auf der Hand und fühlte sich schon wie der große Abräumer. Die letzte Karte, die Christa offen auf den Tisch legte, war eine zehn. Der Cowboy jubilierte still: „Ich mache mein Paar Socken voll und steure noch meinen Gürtel bei.“ Er musste bluffen. Zumindest konnte er keinen Drilling wie Christa auf der Hand haben, sonst hätte er die ersten beiden Male gesetzt und nicht erst abgewartet, was sie tun würde: „Na gut, mein Halstuch und ähm…“ verärgert stellte Christa fest, dass sie nun in erste Bedrängnis geriet, „mein Shirt.“ Colts Augen funkelten gierig: „Na, dann lass mal sehen, was Du hast!“ die Zweideutigkeit dieser Worte war beiden nur allzu bewusst. Triumphierend legte Christa ihre beiden Buben zu dem anderen auf den Tisch, erntete aber leider nicht die erhoffte Enttäuschung, sondern einen kleinen Freudenschrei. „Ich würde sagen, Baby, fang an zu strippen“, genießerisch deckte Colt sein Blatt auf, „eine Straße, Schatz.“ „Verdammt…“ schlecht gestimmt zog Christa ihre Stiefel, Socken und das Halstuch aus. Zum Glück trug sie unter dem T-Shirt noch ein Spaghettitop, das sie vorerst vor weiteren Peinlichkeiten bewahrt hatte. Colt schien darüber beinahe etwas enttäuscht zu sein. Mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen reichte er ihr ein weiteres Bier: „Das könnte durchaus ein äußerst interessanter Abend werden…“ Allerdings wendete sich bei der nächsten Runde das Glück des Cowboys und Christa bekam nicht nur ihre Sachen zurück, sondern auch noch sein Paar Stiefel und den Hut dazu. Irritiert über den Rückfall und über die Tatsache, dass eine Frau es wirklich geschafft hatte, sein grandioses FullHouse zu schlagen, brachte er die letzten beiden Flaschen Bier in Umlauf und machte sich auf Socken in die Küche auf, um für Nachschub zu sorgen. So ging es länger als eine gute Stunde zwischen den beiden hin und her. Die leeren Bierflaschen sammelten sich auf dem Tisch und neben jedem Spieler lag ein Berg aus Strümpfen, Socken, Shirts und anderen Dingen, da keiner nach Abschluss einer Runde Lust hatte, sich seine Sachen jedes Mal wieder anzuziehen. Christa war mittlerweile mit aufs Sofa gerutscht und hatte es sich dort bequem gemacht. Der Alkohol hatte beiden nicht nur die Hemmungen genommen, sondern auch ihre Zungen gelockert. Fröhlich lachend und mit rauen Sprüchen um sich werfend spielten sie eine Partie nach der anderen. Dabei schienen sie gar nicht zu bemerken, dass sie immer näher zueinander rückten und sich immer häufiger in kleinen, an sich belanglosen Gesten berührten. Mal kniff Christa Colt in den nackten Oberarm oder gab ihm einen kleinen Stups gegen die Brust, mal legte er ganz beiläufig eine Hand auf ihre Schulter oder ihren Oberschenkel. „Also wenn meine… Frau mich so sehen würde“, kichernd hob Colt die sechste Flasche Bier an den Mund, „würde sie mir eiskalt eine Bratpfanne über die Rübe ziehen.“ Aufmunternd hielt er Christa die Flasche hin, die mittlerweile nur noch mit einem BH und einem Slip bekleidet mit gekreuzten Beinen neben ihm hockte: „Kann ich gar nich verschtehn“, es fiel ihr nun schon ziemlich schwer, ihre Zunge unter Kontrolle zu halten, „Du sitzt doch hier ganz brav und…“ ihr Blick wanderte zu den Spielkarten, die seit mindestens zwanzig Minuten unbenutzt zwischen den Bierflaschen auf dem Tisch herumlagen. Colt nickte zustimmend: „Was glaubst Du wohl, was wir hier für ein Bild abgeben“, er schaute auf seine Jeans, die er mannhaft bis zum Schluss verteidigen hatte verteidigen können und nie hatte ausziehen müssen und dann mit unverhohlener Begierde auf Christas BH, „ich sitze hier nur in Jeans neben einem heißen Feger, der nichts weiter am Leib hat, als sexy Unterwäsche… ich würde sagen, auf frischer Tat ertappt, Euer Ehren!“ „Wir haben aber doch nischts Böses gemacht“, Christa nahm ihm die Bierflasche ab und nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche, „das werde ich für Disch bezscheugen…“ „Denke nicht, dass uns das jemand abkaufen würde“, Colt tätschelte ihr dankbar den Oberschenkel, „is aber trotzdem nett von Dir!“ so als würde sie genau dort hingehören, ließ er seine Hand sanft auf ihrem Bein liegen. „Bin ich echt ein heißer Feger?“ zufällig landete auch Christas Hand auf ihrem Bein und berührte die des Cowboys am Handballen. Colts schluckte schwer und versuchte, seinen rasenden Puls ein wenig zu beruhigen: „ Klar, aber das weißt Du doch selber“, er strich ihr zärtlich durch die feuerroten Haare und berührte flüchtig ihre glühende Wange, „wenn ich nicht verheiratet wäre, dann…“ sein Verstand versuchte ihm, eine Warnung zuzuschreien, kam aber nicht durch die dicke Nebelwand, die der Alkohol rund um sein Gehirn errichtet hatte. „Dann…“ die junge Frau beugte sich vor, womit Colts Hand auf die Innenseite ihres Schenkels abrutschte. Er sah ihr tief in die Augen und erkannte verschwommen die gleiche glühende Leidenschaft, die sich in seinem Körper ausbreitete. Sein Zeigefinger wanderte langsam von ihrer Stirn über ihren Nasenrücken, zeichnete ihre vollen, geschwungenen Lippen nach, setzte seinen Weg über ihr Kinn und ihren Hals fort, bis er schließlich zwischen ihren Brüsten im BH hängen blieb: „Du bist so schön, weißt Du…“, ungeschickt versuchte er den Verschluss zwischen den beiden Körbchen mit zwei Fingern zu öffnen, „aber wir sollten das nicht…“ er konnte Christas heißen Atem auf seiner Haut spüren und verlor völlig die Kontrolle. Da der Verschluss des BHs sich als widerstandsfähiger erwies, als er erwartet hatte, zog er sie mit einem ungeduldigen Ruck zu sich heran, „das war wirklich eine blöde Idee mit dem Strippoker…“ seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Er versank in ihren strahlenden Augen, während seine starken Arme ihren Oberkörper an seine nackte Brust drückten. „Saublöde…“ hauchte sie ergeben zurück. Es waren nur noch Millimeter, die ihren Mund von seinem trennten. Wie in Trance strebten die beiden unaufhaltsam aufeinander zu. „Und was wird das für eine Party, wenn’s fertig ist?“ die Deckenfluter erwachten mit einem metallischen Knacken zum Leben und schockiert starrten die beiden in das äußerst griesgrämig dreinblickende Gesicht ihres Anführers. „Ich glaube, Euch dreien ist nicht klar, auf was für einer wichtigen Mission wir uns hier befinden!“ wie ein aufgeschreckter Hühnerhund wanderte Saber im Aufenthaltsraum auf und ab. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte abwechselnd zwischen Colt, Fireball und Christa hin und her. Die Überreste des kleinen Gelages vom Vorabend waren verschwunden und lediglich die peinlich berührte Miene der jungen Frau ließ noch erahnen, was sich ohne Sabers Eingreifen beinahe hier ereignet hätte. „Kannst Du bitte nicht so brüllen, ja!“ Colt rieb sich schmerzverzerrt die Schläfen, traute sich aber nicht, seinem Boss direkt in die Augen zu schauen. Die ganze Situation war ihm auch so schon unangenehm genug. „Tut mir leid, wenn der Herr mit Kopfschmerzen zu kämpfen hat“, Saber baute sich wütend vor dem Cowboy auf, der daraufhin eingeschüchtert in seinem Sessel zusammen sank, „aber vielleicht erklärst Du mir endlich mal, was das für eine Orgie war, die Ihr zwei hier gestern veranstaltet habt.“ Fireball kuschelte sich gemütlich aufs Sofa und kicherte vor sich hin: „Man, das hätte ich ja wirklich zu gern gesehen!“ „Klappe, Matchbox!“ fauchte Colt ihn böse von der Seite an, aber der Rennfahrer sah gar nicht ein, warum er nicht seinen Spaß haben durfte: „Ich an Deiner Stelle wäre nicht so biestig, alter Kuhtreiber, immerhin wolltest Du ja den ganzen Spaß für Dich alleine haben! Böser Junge!“ er grinste Christa schelmisch von der Seite an, die puterrot anlief und sich hinter ihren Händen versteckte: „Oh man, das ist ja so was von peinlich!“ Saber schnaubte verächtlich: „Das hätte Ihnen vielleicht schon mal früher in den Sinn kommen können, Miss McRae. Sicherlich hätte ich niemals zugestimmt, Dich mit an Bord zu nehmen, wenn ich gewusst hätte…“ „Nun mach mal nen Punkt, Top Sword“, endlich hob Colt den Kopf, was ihm leider nicht gut bekam, „es ist schließlich nichts passiert, okay!“ „Was ja wohl kaum Deiner Standhaftigkeit zuzuschreiben ist“, die Stimme ihres Anführers wurde mit jedem Wort lauter, „ich will gar nicht wissen, was hier noch alles passiert wäre, wenn ich nicht dazwischen geplatzt wäre!“ „Es tut mir so leid, Saber“, Christa starrte betreten auf ihre Hände und warf dann Colt einen unsicheren Blick zu, „uns beiden! Wir… es war einfach nur…“ ihr versagte die Stimme und der Cowboy sprang helfend ein: „Wir haben uns gegenseitig aufgestachelt, okay… es sollte einfach nur ein kleines Spielchen werden, mehr nicht.“ „Sehr interessante Vorstellung von Spielchen habt Ihr.“ „Nein, Saber, ehrlich“, jammerte Christa verzweifelt, „ich wollte mich doch einfach nur wegen dieser blöden Kakerlakengeschichte an Colt rächen. Und dann haben wir zuviel getrunken und irgendwie hat sich alles verselbständigt…“ „Sollte man nicht meinen, dass Ihr beide alt genug seid, um zu wissen, wann man mit dem Trinken lieber aufhören sollte?“ jetzt schrie Saber fast. So wütend hatten sie ihn noch nie erlebt. „Mal ganz abgesehen davon, dass ich Euch beiden auch ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein zugetraut hätte. Man Colt, Du bist verheiratet…“ „Danke für die Erinnerung, das weiß ich selber…“ trotzig hob der Cowboy das Kinn, konnte aber in seiner Rolle nicht sehr überzeugen. „Ich dachte, nach der letzten Nacht wäre es ganz schön, wenn Dich mal jemand daran erinnert! Und Du Christa? Meinst Du nicht, dass Du Dich Roland gegenüber ziemlich rücksichtslos verhalten hast?“ Die junge Frau nickte langsam. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt und kullerten nun wie in Zeitlupe ihre Wangen hinunter und tropften auf ihren Raumanzug. „Am liebsten würde ich den ganzen Mist hinwerfen und zurück nach Yuma fliegen! Mit einer Mannschaft, die sich aufführt wie ein Haufen liebeskranker Teenager…“ „Ist ja jetzt gut, okay“, Colt hatte sich erhoben und den Hut vom Kopf genommen, „die Gardinenpredigt ist angekommen, Boss. Ich schätze mal, Christa und ich“, hierbei warf er der jungen Frau einen schnellen Blick zu, die es nicht wagte, diesen zu erwidern, „sind beide überaus dankbar, dass Du… schlimmeres verhindert hast. Aber Du kannst mir glauben, so was kommt nicht noch einmal vor!“ Christa stimmte heftig nickend zu. Colt mochte gar nicht darüber nachdenken, was ihm zu Hause blühen würde, wenn Robin jemals Wind von dieser unsäglichen Angelegenheit bekam. Tiefe Schuldgefühle breiteten sich in seiner Magengegend aus. Die Dankbarkeit gegenüber ihrem Anführer, dass er das Äußerste verhindert hatte, kam wirklich aus tiefstem Herzen. Saber stellte sich vor Colt und sah auf ihn hinunter: „Und Du meinst, damit ist es einfach so getan, ja? Glaubt Ihr vielleicht, ich bin hier Euer Babysitter und passe ständig auf, dass Ihr nicht irgendeinen Blödsinn anstellt?“ theatralisch breitete er die Arme aus, so als wollte er ganz Ramrod damit umfangen. „Hey“, empört muckte Fireball auf, „jetzt tu mal nicht so, als hätte ich was mit dieser Schweinerei zu tun!“ bei dem Wort „Schweinerei“ war Christa zusammen gezuckt und hatte leise aufgeschluchzt. „Zu Dir komme ich noch, klar“, Sabers bohrender Zeigefinger richtete sich auf den jüngsten Star Sheriffs und bohrte ihn auf seinem Sitz fest, „Du benimmst Dich auch nicht besser, als diese beiden hormongesteuerten Kindsköpfe hier.“ „Und was soll das jetzt wieder heißen?“ Fireball hatte das unbestimmte Gefühl, dass er nun sein Fett abbekommen würde. Dabei stand ihm der Sinn gar nicht danach, seine persönlichen Probleme mit Saber hier vor Colt und Christa zu diskutieren. „Du läufst seit drei Tagen wie ein angeschossener Eber durch die Gegend, bei dem man Angst haben muss, dass er jede Sekunde auf einen losgeht“, empört wollte Fireball sich erheben, „Du bleibst gefälligst sitzen, bis ich mit Dir fertig bin, kapiert!“ energisch drückte er den Heißsporn zurück aufs Sofa. „Glaubt Ihr wirklich, dass ich mich hier für Euch zum Affen mache? Das ist vorbei, okay“, wütend ließ Saber seine rechte Faust auf den Tisch krachen, „ich habe die Schnauze voll. Ich bin hier der Boss und ab sofort wird nur noch das gemacht, was ich sage, ist das klar!“ „Jetzt spiel Dich hier nicht so auf.“ Der Rennfahrer war so unvorsichtig, sich erneut von seinem Platz zu erheben. Mit einem Schritt packte Saber ihn am T-Shirt und zog ihn ganz nah zu sich heran: „Wenn Du Dich nicht sofort wieder auf Deinen kleinen Rennfahrerhintern setzt, wird es Dir leid tun, das schwör ich Dir!“ Atemlos beobachteten Christa und Colt die Szene und vergaßen sogar für einen kleinen Moment ihre eigene Misere. Beide rechneten damit, dass Fireball ausrasten würde und sahen schon förmlich, wie sich seine Faust in Saber Magen versenkte, aber nichts dergleichen geschah. Der Rennfahrer war offenbar so beeindruckt von der neu aufkeimenden Unbeherrschtheit, dass er sich mit knirschenden Zähnen gegen die Wand lehnte: „Wenn Du nichts dagegen hast, würde ich lieber stehen bleiben…“ Saber ließ seinen Teamkollegen los, starrte ihn aber weiterhin zornerfüllt an: „Was ist Dein Problem, Matchbox, he? Hab ich Dir irgendwas getan? Wenn ja, würde ich gerne wissen, was, ich bin mir nämlich keiner Schuld bewusst!“ Fire prustete abfällig: „Überrascht mich gar nicht…“ sonst war aber nichts aus ihm herauszubekommen. Sabers Faust traf krachend neben Fireballs Kopf auf die Wand: „Ihr wollt mich doch echt alle verarschen, oder“, er drehte sich aufgebracht um und wanderte wieder im Zimmer auf und ab, „bin ich hier eigentlich im Irrenhaus. Man, ich wünschte, April wäre hier, dann könnte sie Euch allen einen gewaltigen Tritt in den Hintern versetzen!“ Colt war völlig geschockt von der Ausdrucksweise, die ihr Anführer an den Tag legte. Er hatte noch die die Worte „Scheiße“, „verarschen“, ja nicht einmal „Hintern“ aus dem adligen Mund des blonden Schotten entfleuchen hören. Diese geballte Menge an Kraftausdrücken verschlug ihm glatt die Sprache. Auch Christa war bestürzt darüber, wie sich Saber aufführte. Sie hatte ihn als kühlen, rational denkenden und handelnden Menschen kennen gelernt. Von diesem war im Moment nicht viel übrig. „Das glaub ich Dir aufs Wort!“ bei der Erwähnung von Aprils Namen war Fireballs Unmut zu neuem Leben erwacht. Kämpferisch starrte er zu Saber hinauf und wartete förmlich darauf, dass dieser den Spielball aufnahm. Ungeachtet des unangenehm verdrießlichen Erlebnisses am Vorabend schob Christa sich vorsichtig an Colts Sessel heran und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Vielleicht sollten wir…“ sie wies mit dem Kopf in Richtung Tür und der Cowboy verstand. Vorsichtig erhoben sich die beiden Missetäter, aber bevor sie auch nur einen Schritt getan hatten, schnitt Sabers Stimme ihnen den Fluchweg ab: „Ich wüsste nicht, dass ich Euch erlaubt habe, Euch zu entfernen.“ Kleinlaut ließen sie sich auf den Kanten des Sessels nieder. Ihnen blieb wohl nichts anderes übrig, als mit einem unbehaglichen Gefühl weiter dem Strafgericht zu lauschen und auf die Verkündung ihres Urteils zu warten. „Wenn Du mir irgendwas zu sagen hast, dann spuck es aus!“ Saber hatte keine Sekunde den Blick von Fireball gelassen. Der Rennfahrer kämpfte einige Sekunden mit sich selbst, doch dann platzten die Worte endlich aus ihm heraus, wie der Inhalt aus einer gut geschüttelten Cola-Flasche: „Kannst Du mir verraten, warum April sich mitten in der Nacht in Deiner Wohnung rumtreibt?“ „WAS?“ völlig verblüfft ließ Saber die Arme sinken und starrte Fireball ungläubig an. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Seine Wut war mit einem Mal wie weggeblasen. „Wann war denn April nachts bei Dir zu Hause?“ auch Colt war völlig perplex. Das war ja mal wirklich eine äußerst ereignisreiche Tour, die sie da im Moment unternahmen. Was mochten da wohl noch für Enthüllungen auf ihren großen Auftritt warten. „Vor ein paar Tagen, als Fireball bei Euch war.“ Saber fuhr sich verwirrt durch die Haare, weil er einfach nicht verstand, was hier gerade vor sich ging. „Du streitest es also gar nicht ab?“ Fireballs Stimme beruhigte sich wieder, aber sein dämonischer Gesichtsausdruck sprach Bände. „Und uns ein schlechtes Gewissen machen wollen!“ Christa stieß Colt vielsagend in die Seite. Sie war froh, dass sie dem Cowboy durch die unerwartete Enthüllung des Rennfahrers wieder in die Augen schauen konnte. Er zwinkerte ihr belustigt zu: „Und dabei haben wir doch gar nichts gemacht!“ „Warum sollte ich das abstreiten? Es entspricht doch der Wahrheit?“ „Du hast die erste Frage nicht beantwortet!“ Fireball stemmte den rechten Fuß gegen die Wand und ließ Saber nicht aus den Augen. Dieser geriet ins Strudeln und hätte beinahe angefangen zu lachen: „Weißt Du eigentlich, was Du da redest, Fire?“ „Was hatte sie bei Dir zu suchen?“ Saber gewann langsam seine Fassung zurück: „Warum hast Du sie das nicht selber gefragt?“ „Hab ich, aber ich will es von Dir hören!“ Fireball atmete schwer, er hatte wieder das Bild vor Augen, wie April in Sabers Armen lag und konnte es einfach nicht beiseite schieben. „Das ist echt lächerlich, Fireball“, die linke Hand des Säbelschwingers fuhr nach oben und zeigte seinem Teamkollegen einen Vogel, „Du willst mir nicht wirklich weismachen, dass Du eifersüchtig auf mich bist, oder?“ Der Schutzwall des Rennfahrers kam ins Wanken: „Eigentlich nicht, aber…“ Saber schüttelte ungläubig den Kopf: „Also wenn Ihr Euch vorgenommen habt, mich mal so richtig auf die Schippe zu nehmen, ist Euch das wunderbar gelungen“, erschöpft ließ er sich auf den Couchtisch sinken, „Himmel, wir sind gerade mal seit drei Tagen unterwegs und Ihr dreht vor lauter Langeweile völlig durch…“ „Aber Du hast Sie am Raumhafen umarmt“, Fireball traute sich gar nicht mehr, den Kopf zu heben, weil er sich plötzlich so lächerlich vorkam, „und sie geküsst.“ schob er flüsternd nach. „Herrje“, nun lachte Saber wirklich, „das hat Colt auch getan, gehst Du ihm deswegen auch an die Gurgel?“ das war doch wirklich alles nicht zu fassen. „Ich kann ja verstehen, dass Du im Moment ein bisschen durcheinander bist, Fireball, das war wahrscheinlich alles zuviel für Dich, aber deswegen gleich zu glauben, dass ich mit April…“, er mochte die Worte gar nicht aussprechen, „sie hat mich in dieser Nacht besucht, weil sie sich schreckliche Sorgen um Dich gemacht hat, Du Esel. Sie hat mich gebeten, auf Dich aufzupassen, damit Du während der Mission keine Dummheiten anstellst oder unnötig Deinen Hals riskierst!“ Erleichterung zeichnete sich auf Fireballs Gesicht ab, gemischt mit Scham und Unbehagen: „Oh…“, war zunächst alles, was er herausbrachte, „ich ähm…“ „Spar Dir Deine Entschuldigungen, ja, davon habe ich vorerst genug“, Sabers Blick wanderte zu Christa und Colt, die betroffen die Köpfe senkten, „Ihr seid mir echt ein feiner Haufen von Star Sheriffs.“ „Saber…“ Fireball war elend zumute. Er hatte sich so sehr in seine törichte Eifersucht verrannt, dass er damit beinahe die ganze Mission in Gefahr gebracht hätte. Und, was noch viel schlimmer war, er hatte April und Saber misstraut, den beiden Menschen, die ihn noch nie im Leben enttäuscht hatten und denen er ohne weiteres sein Leben anvertrauen konnte. Mit einer lahmen Handbewegung brachte sein Freund ihm zum Schweigen: „Das war eben mein Ernst. Schwamm drüber…“ Colt räusperte sich, aber auch dieser Ansatz wurde im Keim erstickt: „Von Dir will ich auch kein Wort mehr hören. Ich will überhaupt nichts mehr hören, verstanden“, Saber stand auf und stemmte die Hände in die Hüften, „ich erwarte, dass Ihr ab sofort Euren Job macht und sonst gar nichts. Keine Extratouren, keine Eskapaden mehr, klar!“ hierbei nahm er den Cowboy und Christa wieder ins Visier. „Und wenn Euch was nicht passt, dann raus damit“, Fireball nickte ihm kleinlaut zu, „so ein Gespräch wie heute Morgen will ich nie wieder führen müssen, ist das angekommen?“ Zustimmendes Gemurmel. „Und mit dem Faulenzen ist jetzt auch Schluss. Ich erwarte von Euch, dass Ihr jede freie Minute in Euren Satteleinheiten verbringt und Euch mit den möglichen Szenarien vertraut macht, die uns erwarten könnten!“ „Geht er jetzt nicht ein bisschen zu weit?“ raunte Colt Christa hinter vorgehaltener Hand zu. „Hast Du noch irgendwas zu sagen, Colt?“ Der Cowboy sprang auf und salutierte schnittig: „Nein, Boss, alles bestens!“ Der Säbelschwinger grinste zufrieden, das erste Mal an diesem Tag: „Dann an die Arbeit, Ihr Helden!“ Kapitel 11: Die Wahrheit kommt ans Licht ---------------------------------------- Die nächsten zwei Tage an Bord von Ramrod verliefen reibungslos und ohne die Notwendigkeit eines weiteren beherzten Eingriffs durch den Anführer der Star Sheriffs. Eine Tatsache, die Saber mit Erleichterung, aber auch einem bitteren Beigeschmack zur Kenntnis nahm. Seine Gardinenpredigt mochte effektiv und wirkungsvoll gewesen sein, doch im Nachhinein grämte er sich, weil er sich vor den anderen so hatte gehen lassen. Die Beherrschung zu verlieren war ein deutliches Anzeichen dafür, dass man mit einer Situation überfordert war. Sich keinen anderen Rat mehr wusste und seinem Frust nur noch durch verbale Attacken Luft machen konnte. Es war ein Zeichen von der Art Schwäche, mit der Saber sich bislang hatte rühmen können, sie nicht zu besitzen. Doch kaum bedurfte es unter erschwerten Bedingungen seines klaren und ruhigen Kopfes, hatte er selbigen schneller verloren, als Colt seinen Blaster ziehen konnte. Immer häufiger stellte sich der selbstkritische Schotte die anklagende Frage, ob er tatsächlich der Anführer war, für den er sich bislang immer gehalten hatte. Stand es einem Commander zu, so die Selbstbeherrschung zu verlieren, wie es ihm an jenem Morgen passiert war? Hatte er gegenüber seiner Mannschaft nicht eine Vorbildfunktion zu erfüllen, in der er dazu verpflichtet war, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten? Andererseits musste auch ein so disziplinierter Soldat wie Saber zugeben, dass Emotionen letztendlich genau das waren, was einen Menschen von einem Outrider unterschied. Menschlichkeit zu zeigen konnte demnach so verwerflich nicht sein. Zumindest der Erfolg bezog in diesem Punkt klare Position für den Säbelschwinger. Fireball war gute zwei Stunden nach seiner Morgenandacht zu ihm gekommen, um sich ziemlich zerknirscht noch einmal offiziell für sein Misstrauen und das mehr als unangebrachte Verhalten zu entschuldigen. Christa war seinem Beispiel am Abend desselben Tages gefolgt, nicht minder verlegen und genauso erleichtert, diese schwere Bürde abgeschüttelt zu haben. Lediglich Colt verlor kein Sterbenswörtchen mehr über die unsägliche Entwicklung ihres kleinen Pokerabends. Stattdessen stürzte er sich mit Feuereifer in die Arbeit und legte soviel Enthusiasmus an den Tag, dass es Saber schon beinahe unheimlich wurde. Aber er wusste, dass dies die ganz eigene Art des Cowboys war, seine Reue einzugestehen, ohne dabei zu sehr zu Kreuze kriechen zu müssen. Glücklicherweise hatte die kleine Flirterei das Verhältnis zwischen Colt und dem weiblichen Lieutenant nicht nachhaltig beeinträchtigt. Christa war und blieb das bevorzugte Ziel von Colts kleinen Scherzattacken, steckte diese aber mit einer neugewonnen Kaltschnäuzigkeit weg, die Saber sehr beeindruckte. Sie war ohne Zweifel fest entschlossen zu beweisen, dass ihr ein solcher Fauxpas kein zweites Mal widerfahren würde. Unberufen hatte Fireball seine Funktion im Team so selbstverständlich wieder übernommen, wie er die Herausforderung zu einem kleinen Wettrennen angenommen hätte. Er verschanzte sich nicht länger in seinem Quartier, hatte seine verbohrte Schweigsamkeit abgelegt und machte nicht einmal den Eindruck, als würde April ihm sonderlich fehlen. Saber wusste natürlich, dass er sich von diesem Verhalten nicht an der Nase herumführen lassen durfte. Der Rennfahrer mochte zwar genauso gerne wie Colt den harten Kerl herauskehren, war aber im Grunde seines Herzen äußerst sensibel und litt gewiss unter der vorherrschenden Situation. Aprils rätselhaftes Verhalten wäre selbst unter normalen Umständen Grund genug für den Anführer der Star Sheriffs gewesen, sich berechtigte Sorgen um das jüngste Mitglied seines Teams zu machen. Zu wissen, welche zusätzlichen Hoffnungen und Ängste die geheimnisvolle Nachricht aus der Phantomzone in ihm ausgelöst haben musste, bereitete Saber schier schlaflose Nächte. Würde Fireball dem Druck, dem er im Moment ausgesetzt war standhalten? Konnte er es verantworten, den jungen Mann im Ernstfall in den Kampf zu schicken, obwohl er ahnte, welches Gefühlschaos in ihm tobte? Fireball war ein Star Sheriff und hatte wie sie alle seine Fähigkeiten dem Schutz des neuen Grenzlandes verschrieben, aber inwieweit waren diese Fähigkeiten gegenwärtig einsetzbar? Auch wenn er vorgab, alles im Griff zu haben, so war er doch abgelenkt und unkonzentriert und Saber hatte ihn mehrmals auf Flüchtigkeitsfehler hinweisen müssen. Fehler, die ihm in solch einer Tragweite nie zuvor untergekommen waren. Vielleicht machte er sich aber auch völlig grundlos Sorgen. Vielleicht – und dieser Gedanke war weitaus alarmierender, als jeder Fehler, den Fireball machen konnte – beschäftigte er sich ja so eingehend mit der Situation seines Freundes, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, über die eigene nachdenken zu müssen! Er hatte nicht versucht, sich diesbezüglich etwas vorzumachen, dafür war er viel zu sehr Realist. Aber jede Ablenkung, die ihm half, nicht an Cynthia denken zu müssen, hatte er freundlich willkommen geheißen. Sie hatte ihm nicht geantwortet. Er hatte ihr in diesem verfluchten Brief sein Herz ausgeschüttet, war so offen mit seinen Gefühlen gewesen wie noch nie zuvor in seinem Leben und Cynthia hatte keine Reaktion darauf gezeigt. Er wusste ja nicht einmal, ob sie den Brief erhalten hatte. Letztendlich hatte er nichts anderes erwartet, denn schließlich stand es ihm nicht zu, nach so langer Zeit des Schweigens Forderungen an sie zu stellen. Aber zumindest die Hoffnung hatte Saber nicht aufgeben wollen. Dass Cynthia seine Gefühle nach wie vor teilte und ihm seine Torheiten verzeihen würde. Wie dumm er gewesen war, diese Frau hinter seine Pflichten zu stellen! Wer das unheimliche Glück besaß, tatsächlich die Liebe seines Lebens zu finden, sie aber dann nicht festhalten wollte, war ein armer Narr. Eine Erkenntnis, die ihm offenbar zu spät gekommen war. Immer wieder hatte er dieses wunderbare Wesen vertröstet, sie gebeten auf ihn zu warten. Selbst in der Zeit, nachdem die Outrider von der Bildfläche verschwunden waren, hatte er immer neue Ausflüchte gefunden, um Cynthia und ihre Zuneigung auf Distanz zu halten. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem sie ihm erklärt hatte, er müsse sich entscheiden, ob er nun ein Leben mit oder ohne sie führen wolle. Seit jenem Tag hatte er sie nie wieder gesehen und auch kein Wort mehr von ihr gehört. Wieso hatte er angenommen, mit diesem lächerlichen Brief alles wieder in Reine bringen zu können. Er hatte ihre Beziehung mit einem einzigen Schlag in einen Scherbenhaufen verwandelt und erwartete jetzt von Cynthia, dass sie mit Handfeger und Schaufel daher kam und die einzelnen Stücke wieder zusammenkehrte. Ohne den geringsten Zweifel war er nicht nur als Anführer ein jämmerlicher Versager, sondern auch auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen! „Hey, Boss ich hab Dich was gefragt!“ Verwirrt kehrte Saber in die Gegenwart zurück und starrte zu Colt hinüber, der ihn vom Laufband aus angrinste. Zusammen mit Fireball waren sie seit gut einer Stunde im Fitnessraum ihres Schiffes, um die müden Gelenke am völligen Einrosten zu hindern. Es war äußerst wichtig, dass sie in Form blieben, denn keiner konnte sagen, was sie in der Phantomzone tatsächlich erwartete. Und um jedes Risiko einer erneuten Eskapade zu unterbinden, hatte er Christa den Auftrag gegeben, auf der Brücke zu bleiben, bis sie mit dem Training fertig waren. Erschöpft ließ er die Griffe des Butterfly los, den er bis zur völligen Selbstaufgabe bearbeitet hatte und wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht: „Wärst Du auch so gütig, die Frage noch einmal zu wiederholen?“ „Wirst wohl langsam taub auf Deine alten Tage, wie?“ Fireball, der es sich auf der Beinpresse gemütlich gemacht hatte und gerade eine kleine Verschnaufpause genoss, warf ihm eine Flasche Mineralwasser zu. „Ein bisschen mehr Respekt vor der betagten Weisheit, Matchbox“, Colt drückte den Cooldown-Knopf seines Trainingsgerätes und verfiel in einen gemütlichen Trott, „sonst verfrachten wir Dich in Deine Streichholzschachtel auf Rädern und setzen Dich wieder in der Wüste aus, wo wir Dich aufgegabelt haben…“ Der Rennfahrer löste lässig den Hebel neben seinem rechten Bein und stemmte sich wieder mit aller Kraft nach oben. Leises Surren ertönte, als die schweren Gegengewichte sich in Bewegung setzten: „Wenn ich damals geahnt hätte… dass ich Dich Nervensäge heiraten muss… um dem neuen Grenzland meine Treue zu beweisen…“, vor Anstrengung gelang es ihm kaum, die Worte herauszubringen, „wäre ich ehrlich lieber… Vaterlandsverräter geworden!“ „Nicht so undankbar mein Schatz“, theatralisch fasste der Cowboy sich ans Herz und setzte seinen treuesten Welpenblick auf, „hat es Dir denn je an etwas gefehlt?“ Die Worte seiner Teamkameraden schwirrten zusammenhanglos in Sabers Kopf umher und bescherten ihm ein merkwürdiges Schwindelgefühl: „Jungs, ich gehe duschen…“ sicherlich hatte er sich beim Trainieren zu sehr verausgabt und brauchte eine kleine Pause, um wieder auf Trab zu kommen. Verdutzt schauten die anderem beiden ihm nach, als er mit dem Handtuch um die Schultern den Raum verließ. „Aber ich…“ Colt war so verdattert, dass er das Laufen vergaß und mit ohrenbetäubendem Poltern hintenüber vom Band purzelte. Die Tür hinter Saber war aber bereits wieder zugeglitten, als der Cowboy sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrappelte. Benommen rieb er sich den angeschlagenen linken Ellenbogen: „Was war das denn, wenn ich fragen darf?“ Fireball rastete die Gewichte der Beinpresse ein und ließ nonchalant die Beine zu beiden Seiten der Liege herunterbaumeln: „Also wie ein perfekter Flickflak sah es jedenfalls nicht aus.“ „Heute wohl unheimlich zu Scherzen aufgelegt, wie“, Colts Handtuch flog quer durch den Raum und landete zielsicher mitten in Fireballs Gesicht, der angeekelt um sich schlug: „Äh, behalt Deinen vollgeschwitzten Lappen für Dich, ja! Ist ja widerwärtig…“ „Dann halt den Mund, wenn Erwachsene reden!“ Dieser Kommentar sorgte dafür, dass Fireball übertrieben weit aufgerissenen Augen seinen Freund anstarrte und dann den ganzen Raum sondierte: „Seh zum Glück keinen…“ „Jetzt mal ernsthaft, Fire“, Colt lehnte sich mit besorgter Miene gegen die Latzug-Maschine, „findest Du nicht, dass der Säbelschwinger sich ziemlich komisch verhält in der letzten Zeit?“ „Hast Du etwa ein Seminar bei Sigmund besucht, Herr Freud?“ „Wie bidde?“ Fireball winkte müde ab: „Nicht so wichtig, Wunderknabe, flüster mir mal lieber, was genau Du mit komisch meinst…“ Colt zuckte unsicher mit den Schultern: „Na, ja, komisch eben…“ „Ach…“ der Rennfahrer konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, das aber sofort wieder verschwand, als er den warnenden Blick seines Freundes auffing. „Ich finde, er ist irgendwie schräg drauf. Das eben zum Beispiel! Der hat doch gar nicht realisiert, dass ich mit ihm geredet habe.“ Fireball stütze das Kinn auf die Hände und starrte Colt fasziniert an: „Manchmal bin ich wirklich von Deinem ausgeprägten Wortschatz überrascht, Kuhhüter!“ „Danke für die Blumen, aber ohne Flachs“, der Cowboy fuhr sich durch die verschwitzten Haare, „der gute Mr. Rider rennt im Moment rum, wie ein Zombie, der zuviel am Auspuff geschnüffelt hat.“ Nun wurde der Rennfahrer doch ein wenig nachdenklich: „Hmm, stimmt schon“, er ließ die letzten Tage im Geiste Revue passieren, „aber glaubst Du nicht, dass das einfach die ganze Verantwortung ist, die ihm zuschaffen macht? Ich meine, bei so’ner Crew wäre es ja im Prinzip einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten…“ „Stimmt, mit Dir würde ich auch nicht in die Phantomzone hüpfen wollen!“ nun war es an Colt, ein süffisantes Lächeln zu zeigen und dabei die Zähne zu blecken. „Und was soll das wieder heißen?“ „Na, als wenn Du das nicht selber wüsstest!“ Fireballs Blut begann sich gemächlich zu erwärmen: „Und Du meinst, Du warst die Unschuld in Person, wie!“ „Also ich habe ihm nicht vorgeworfen, dass er meiner Frau an die Wäsche wollte.“ Colt genoss es, seinen Freund mit dieser kleinen Geschichte aufzuziehen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, ließ er eine spitze Bemerkung fallen, weil Fireball sich bislang nicht zur Wehr gesetzt hatte. Leider sollte sich das Blatt nun wenden: „Würde ja auch schon reichen, wenn DU DEINER Frau an die Wäsche wollen würdest, aber eine Kollektion scheint Dir ja nicht zu reichen…“ Die beiden Streithähne sahen sich einen Moment lang abschätzend an. Sie hatten sich in eine Sackgasse manövriert, aus der es nur einen Ausweg gab. Beide wussten, dass der andere genauso schlagfertige Argumente auf Lager hatte, wie er selber und dass es zu nichts als einer handfesten Auseinandersetzung führen würde, wenn sie tatsächlich versuchten, diesen Kampf bis zum Letzten auszutragen. Also hieß es nun, sich so geschickt wie möglich zurückzuziehen, ohne es wie eine Kapitulation aussehen zu lassen. Schließlich räusperte Colt sich ausgiebig und starrte dann zur Neonleuchte hinauf: „Jedenfalls denke ich, dass Saber mehr als nur die Verantwortung für diese Mission im Nacken sitzt.“ Fireball nahm das Friedensangebot dankbar an und appellierte an seinen Blutkreislauf, wieder auf Sparflamme abzusinken: „Hast Du auch einen Schimmer, was das sein könnte?“ Der Cowboy schüttelte unsicher den Kopf: „Nicht wirklich, aber ich denke, er brütet irgendwas aus…“ „Eine Grippe?“ Colt war drauf und dran, seinem Freund eine Kopfnuss zu verpassen: „Oh man, und mich wegen meiner bemitleidenswerten Intelligenz auslachen, das hab ich gerne“, er verdrehte die Augen und zeigte Fireball einen Vogel, „nein, ich denke, dass eine Frau dahinter steckt. Und bevor Du gleich wieder losgehst, wie eine Alarmglocke“, er hatte das Blitzen in den Augen des Rennfahrer wohl bemerkt, „ich rede natürlich nicht von Deinem holden Blondschopf!“ „Lehrersyndrom also.“ „Hä?“ verwirrt zog Colt eine Augenbraue hoch. Fireball schüttelte in Anbetracht von soviel Beschränktheit lahm den Kopf: „Ach Colt, streng doch mal Deine grauen Zellen. Welches weibliche Wesen, das wir kennen, ist denn Lehrerin?“ er hatte eine Antwort erwarte, die wie aus dem Blaster gefeuert kam, aber anscheinend überforderten kleine Denksportaufgaben den Geist des Cowboys, nachdem er sich gerade körperlich verausgabt hatte. Nach einigen Sekunden stahl sich dann aber doch ein triumphierendes Grinsen auf sein Gesicht: „Robin!“ „Gut gemacht“, anerkennend reckte Fireball den Daumen in die Höhe, „Dein Stückchen Zucker bekommst Du später!“ „Aber was hat denn Robin damit zu tun?“ auf dieses Rätsel konnte Colt sich einfach keinen Reim machen. „Gar nichts Colt, jetzt stell Dich nicht so blöde an. Welche Lehrerinnen kennen wir sonst noch?“ „Ich passe…“ „Herr lass Hirn fallen“, Fireballs Hände reckten sich flehend zur Decke, „Cynthia natürlich!“ Schlagartig hellte sich Colts Miene auf: „Wieso sagst Du das denn nicht gleich?“ „Hoffnungslos…“ schüttelte der Rennfahrer fassungslos den Kopf, was den Cowboy aber nicht weiter zu stören schien. Er war im Gegenteil hoch erfreut, dass er und sein Gegenüber endlich in den gleichen Bahnen dachten: „Du meinst also auch, dass es an Cynthia liegt?“ „Nein, meine ich nicht. Ich habe lediglich versucht zu erraten, was in Deinem Vakuum da oben vor sich geht. Oder weißt Du etwa Näheres?“ Dieses schien die alles entscheidende Frage gewesen zu sein, auf die Colt von Anfang an hingearbeitet hatte. Ohne Hast spazierte er zu seinem Handtuch hinüber, das noch immer am Boden lag und hob es gemächlich auf: „Also wirklich, wie Du mit dem Eigentum anderer Leute umgehst…“ Angestachelt durch dieses Verhalten sprang Fireball auf und versetzte ihm einen groben Tritt in den Allerwertesten: „Spuck schon aus!“ Es bereitete dem Cowboy ein diebisches Vergnügen, seinen Freund wie einen Fisch an der Angel zappeln zu lassen und hätte dieses Spiel wahrscheinlich auch noch weitergetrieben, wenn er nicht so erpicht darauf gewesen wäre, sein geheimes Wissen endlich zu teilen. Beschwörend legte er einen Arm um Fireballs Schulter und vergewisserte sich, dass ihnen niemand zuhörte, ganz so, als befänden Sie sich mitten auf einem Marktplatz in Yuma-City: „Also aus zuverlässiger Quelle wurde mir zugetragen, dass sich unser werter Anführer im letzten Jahr des öfteren mit besagter Lehrerin getroffen hat!“ das verschlug Fireball beinahe die Sprache. Verblüfft schüttelte er Colts Arm ab: „Bist Du sicher?“ das war ja wirklich mal eine Nachricht. Saber, der Vorzeigkommandant des Kavallerieoberkommandos, der Mann mit der blütenweißen Weste hatte ein Techtelmechtel am Laufen? Da schrumpfte das schlechte Gewissen wegen seines ungebührlichen Verhaltens ihrem Anführer gegenüber doch gleich um einen erheblichen Teil. Der großartige Mr. Rider war wahrhaftig auch nur ein Mensch. Diese Erkenntnis kam für Fireball mit der Entdeckung der Elektrizität gleich. „Würd ich es Dir sonst erzählen“, ein diabolisches Grinsen zeigte sich auf Colts Gesicht, als er im Flüsterton fortfuhr, „Robin hat die beiden ein paar Mal zusammen in der Stadt gesehen!“ „Merkwürdig ist das natürlich schon“, Fireball konnte andererseits nichts Verwerfliches daran finden, sich mit einem Bekannten in der Öffentlichkeit zu treffen, „aber das heißt doch nicht besonders viel, oder?“ „Und was würdest Du sagen, Matchbox, wenn ich Dir erzähle, dass unser Boss sogar ein Foto von der lieben Cynthia mit sich herumträgt?“ Das rückte die Sache natürlich in ein etwas anderes Licht, aber der Rennfahrer blieb trotzdem skeptisch: „Woher weißt Du das? Er wird Dir das ja nicht gerade auf die Nase gebunden haben, oder?“ Colts Grinsen verschwand mit einem Schlag und mit verlegener Unschuldsmiene gab er kleinlaut zu: „Ich habs zufällig gefunden…“ Die Art und Weise wie er das sagte, weckte Fireballs Neugier: „Wie meinst Du das, zufällig gefunden?“ für seinen Geschmack klang das nicht koscher. Und das nervöse Rumgedruckse des Cowboys bestätigte seine Vermutung ziemlich schnell. „Na, ja, ich…“, Colt hantierte nervös mit dem Handtuch herum, „ich habe ihn heute Morgen gesucht und dachte, er wäre in seinem Zimmer…aber da war er nicht und…“ Das schockierte Fireball ein wenig: „Du hast in seinen Sachen gewühlt?“ in Gedanken gab er sich selbst die kurze Anweisung, sein Quartier ab sofort gegen unbefugtes Betreten zu sichern. Das war ja ungeheuerlich! „Man, wo denkst Du hin“, abwehrend hob der Cowboy die Hände und versuchte eine beleidigte Miene aufzusetzen, „ich habe mir nur das Buch angeschaut, dass auf seinem Bett lag…“ Fireball schnappte entrüstet nach Luft. Das wurde ja immer schöner. Schon schlimm genug, dass Colt sich gerade als eine Art Spanner entlarvt hatte, Saber war es auch noch gelungen, ein Buch an Bord von Ramrod zu schmuggeln, ohne den anderen etwas davon zu erzählen. Und er hatte gedacht, dass sein eigenes Exemplar das einzige im Umkreis von ein paar Millionen Meilen war. Was hätte er die letzten Tage nicht dafür gegeben, ein bisschen Nahrung für den Geist in die Finger zu bekommen. Er fügte seinem Gedächtnis eine weitere Randbemerkung hinzu: „Saber auf keinen Fall „Kampf der Giganten“ ausleihen!“ „Und als ich es aufgehoben habe, ist ihr Bild rausgeflattert“, Colts Stimme mischte sich in Fireballs finstere Gedankengänge und brachte ihn zurück zum eigentlichen Thema, „schätze, er benutzt es als Lesezeichen.“ Zufrieden verschränkte er die Arme und blickte den Rennfahrer erwartungsvoll an. „Und Du glaubst, er benimmt sich wegen Cynthia so merkwürdig?“ „Aber klarikowski“, Colt konnte nicht glauben, dass es jemanden gab, der nach seinen bahnbrechenden Enthüllungen noch irgendeinen Zweifel an seiner Theorie hegen konnte, „offensichtlich friste ich mein Leben mit zwei absoluten Amateuren!“ „Und was bitteschön meinst Du damit schon wieder?“ fragte der Zweifler ein wenig gereizt, weil er sich die Antwort im Prinzip schon denken konnte. Aber der Cowboy ließ es sich trotzdem nicht nehmen, eine passende Erklärung darauf zu formulieren: „Na, ja, machen wir uns doch nichts vor, Turbofreak, wenn der gute Colt nicht gewesen wäre, dann dürftest Du unsere eiserne Jungfrau jetzt Mrs. Scott nennen!“ „Einbildung ist ja bekanntlich auch ne Bildung…“ war alles, was Fireball zu diesem Thema erwidern wollte. Ihm stand nicht der Sinn danach, sich zum aberhundertsten Mal die glorreiche Geschichte des beherzten Star Sheriffs anzuhören, der durch seinen selbstlosen Einsatz dafür gesorgt hatte, dass seine zwei Freunde endlich zueinander gefunden hatten, „und was gedenkt der Herr Wedding Planer nun zu unternehmen?“ er wusste doch ganz genau, dass sein Freund etwas im Schilde führte. Colt aber tat völlig überrascht: „Zu unternehmen?“ seine Augen weiteten sich vor Verwirrung, doch sein dümmliches Lächeln konnte er nicht ganz unterdrücken. „Ach komm schon, Gringo“, Fireball wurde dieses Spielchens allmählich müde, „Du hast mir das doch nicht alles erzählt, weil es so eine unheimlich romantische Geschichte ist.“ „Ja, okay, zugegeben, dann verhafte mich doch“, Colt schwang sich das verschwitzte Handtuch um die Schultern, als sei das Thema für ihn bereits erledigt, „ich hatte ja nur gedacht, dass es nett wäre, wenn wir zwei hübschen unserem Boss ein bisschen unter die Flügelchen greifen.“ „Lass lieber die Finger davon, Nummer eins“, beschwörend, wenn auch ein wenig widerstrebend legte Fireball seinem Freund eine Hand auf die Schulter, wobei er unweigerlich das Handtuch berühren musste, „der Säbelschwinger wird auch ohne unser Zutun flügge. Die Sache geht uns nichts an, comprende?“ Bevor Colt zu seiner Erwiderung ansetzen konnte, dass es ja ziemlich schlimm gewesen wäre, wenn damals bei ihm und April alle genauso selbstsüchtig gedacht hätten, da schallte Christas Stimme durch den Raum: „Männer, seid Ihr hier?“ Verdutzt sahen sich die zwei Star Sheriffs an: „Männer?“ Colt kratzte sich irritiert am Kinn und Fireball hob verdattert eine Augenbraue: „Meint die etwa uns?“ „Wären die Ladies vielleicht so nett, ihre Hintern hier herauf zu bewegen? Da will Euch jemand sprechen!“ „Sag dem Commander, dass wir uns erst noch in unseren Sonntagstaat schmeißen müssen, Lieutenant.“ Colt verdrehte genervt die Augen bei der Vorstellung, sich schon wieder einen Vortrag von Eagle darüber anhören zu müssen, welche Bedeutung diese Mission doch für das neue Grenzland hatte und wie stolz doch alle auf sie wären und so weiter und so fort. „Ich schätze, das wird nicht nötig sein. Jetzt setzt Euch in Bewegung!“ Christas Stimme ließ ein leichtes Schmunzeln vermuten, aber sie wartete keine weitere Erwiderung ab und schloss den Funkkanal wieder. Mit wenig Enthusiasmus machten sich die beiden also auf den Weg zur Kommandobrücke. Was mochte ihr Vorgesetzter nun schon wieder von ihnen wollen? Wie erwartet war der große Plasmabildschirm neben Fireballs Satteleinheit aktiviert und schickte ihnen gestochen scharfe Bilder aus dem Inneren des Kavallerieoberkommandos. Beinahe so, als befände es sich direkt um die nächste Ecke und nicht Lichtstunden entfernt. Allerdings wurde das Zentrum des Bildschirms nicht von Commander Eagles imposanter Gestalt ausgefüllt, sondern von den zierlicheren Silhouetten zweier Frauen. Vor Verblüffung fiel Colt die Kinnlade herunter: „Ich glaub, mich laust der Affe!“ Fröhlich winkte ihm seine Frau Robin zu und kniff amüsiert die Augen zusammen: „Na, überrascht, uns so schnell wiederzusehen, Cowboy?“ April, die neben ihr stand, hob etwas schüchtern die rechte Hand und machte das Victory-Zeichen: „Hi Jungs!“ Colt und Fireball grinsten sich zwinkernd zu: „DIE meint uns!“ Unsicher trat Christa von einem Fuß auf den anderen. Obwohl zwischen ihr und Colt ja zum Glück nichts passiert war, hatte sie Robin gegenüber, die sie so herzlich in ihren Kreis aufgenommen hatte, ein schlechtes Gewissen: „Ihr wollt wahrscheinlich einen Moment alleine sein…“ und schwups war sie in den Gang hinaus und die Treppe hinunter geflüchtet. „Hoppla, na die hat’s aber eilig!“ April stieß einen kleinen Pfiff aus, der dröhnend und verzerrt von Ramrods Boxen wiedergegeben wurde und die beiden Männer empfindlich zusammenzucken ließ: „Wäre toll, wenn Du das Trällern unterbinden könntest, Prinzessin, sonst fliegen uns hier noch die Trommelfelle weg“, Colt steckte sich den rechten Zeigefinger ins Ohr und bewegte ihn schnell auf und ab, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, „dabei fällt mir ja dringend ein, dass ich gar nicht mit Dir rede, Du Judas!“ Die Wangen der blonden Frau röteten sich leicht: „Habe ich denn behauptet, dass ich Deinetwegen hier bin, blöder Viehdieb?“ eifrig streckte sie ihm die Zunge heraus. Eine Geste, die wie selbstverständlich eine weitere Frotzelei des Cowboys nach sich zog: „Ach komm schon, Baby, Du hast doch wahrscheinlich schon schlaflose Nächte hinter Dir, weil Du mich so vermisst hast.“ „Ja, wie wild, kann quasi gar nicht leben ohne Dich!“ Über den Bildschirm warf Fireball der anderen Frau ein amüsiertes Zwinkern zu: „Was meinst Du, Robin, wollen wir die beiden Turteltauben alleine lassen?“ Robin schüttelte darauf nur grienend den Kopf: „Ach weißt Du, Fireball, ich bin ja froh, dass mein Mann wieder zu Scherzen aufgelegt ist“, ihr liebevoller Blick wanderte zu Colt, „obwohl ich mich ja doch langsam frage, ob er nicht die falsche Frau geheiratet hat.“ „Was, wieso, nein…“ Colt glaubte, sein Herzschlag würde aussetzen. Gehetzt sah er sich in die Richtung um, in die Christa verschwunden war und plötzlich sprudelte das schlechte Gewissen nur so aus ihm heraus: „Da… da war gar nichts, ehrlich, Süße! Ich meine hey, Rothaarige waren doch noch nie mein Fall…“ mit einem hervorgepressten „Uff“ entwich die Luft aus seinen Lungen, als Fireballs Ellenbogen sich heftig in seinen Magen rammte: „Die redet nicht von Christa, sondern von April, Du Blödmann“, zischte sein Freund ihm entsetzt zu, bevor er sich mit einem breiten Grinsen wieder den Damen zuwandte, „und Mädels, was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs?“ noch während er sprach, erkannte er, dass das Rettungsmanöver zu spät für den Cowboy kam. Robins Augen verengten sich und ihr Mund kräuselte sich zu einer dünnen Linie. Noch schien sie aber zu überlegen, welche Worte sie ihrem Mann an den Kopf zu schmeißen gedachte. April schaute verwundert zwischen ihrer Freundin neben sich und Colt auf der anderen Seite der Comverbindung hin und her, erfasste aber beinahe so schnell wie Fireball, dass Eile zur Ablenkung geboten war: „Oh, ähm…“ hastig versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren, „Daddy hat uns gesagt, dass Ihr heute Abend schon den Sprungpunkt erreichen werdet und wir dachten, wir wünschen Euch noch schnell viel Glück, bevor Ihr Euch in die Phantomzone verdünnisiert.“ Es war ihre Idee gewesen, den Jungs vor dem Sprung in die andere Dimension noch einen kurzen Gruß zukommen zu lassen, nachdem sie von ihrem Vater gehört hatte, dass sie weit vor der geplanten Zeit lagen. Ihr war in den letzten Tagen nicht entgangen, wie sehr sich ihre Freundin um Colt sorgte, und wenn sie ehrlich war, keimten auch ihre Ängste und Befürchtungen mit jeder Stunde, die die Star Sheriffs unterwegs waren, mehr in ihr auf. Mit viel Überredungskunst und sehr demütigen Augenaufschlägen war es den Frauen letztendlich gelungen, Commander Eagle davon zu überzeugen, ihnen ein paar Minuten mit der Hochsicherheitscomline zu gewähren. Denn eigentlich durfte diese ausschließlich zu militärischen Zwecken verwendet werden, da sie über besondere Ortungs- und Abhörsicherheitssysteme verfügte. Man wollte die geheime Mission schließlich nicht unnötig in Gefahr bringen. Mittlerweile begann April allerdings daran zu zweifeln, dass diese eine von ihren besseren Ideen gewesen war. Auch wenn sie sich über alle Maßen freute, Fireball gesund und munter und vor allem bei guter Laune angetroffen zu haben. „Das ist ja mal ein echt netter Zug von Euch!“ der Rennfahrer lächelte April ein bisschen unsicher zu. Ihr unerwartetes Auftauchen hatte seine Gefühle mit einem Schlag durcheinander gewirbelt. In den letzten beiden Tagen hatte er sich ein wenig an die Situation gewöhnt, dass Aprils Platz durch Christa eingenommen wurde, was wohl nicht zuletzt der hohen Integrationsfähigkeit des Lieutenants zu verdanken war. Er hatte nicht ständig darüber nachdenken müssen, welche Motive hinter Aprils eigenartigem Verhalten stecken mochten und hatte sogar zeitweilig verdrängt, dass er mit dieser Mission vielleicht dem Geheimnis um das Verschwinden seines Vaters auf die Spur kommen würde. Nun war alles wieder gegenwärtig. Und auch wenn April und er nicht im Streit auseinander gegangen waren, stand immer noch das Geheimnis um ihre Entscheidung wie eine unüberwindbare Barriere zwischen ihnen. Trotzdem freute er sich sehr, sie vor dem Sprung in die Phantomzone noch einmal sehen zu können: „Ja, stimmt“, etwas verschämt zupfte er an seinem verschwitzten T-Shirt herum, um seine Unsicherheit zu überspielen, „der Säbelschwinger meint allerdings, dass es klüger wäre, wenn wir erst morgen früh zu den Schmutzfüßen rüberhüpfen. Glaubt wohl, ausgeschlafen kämpft es sich besser.“ „Vernünftige Entscheidung“, April konnte den Blickkontakt augenscheinlich auch nicht besonders lange aufrechterhalten, „obwohl Ihr ja noch gar nicht wisst, ob Ihr tatsächlich kämpfen müsst.“ „Na hör mal“, war es nicht wieder typisch, dass sie mit Sabers Plänen sympathisierte, „wir sind extra den weiten Weg gekommen, um in ein paar Phantomhintern zu treten.“ Bei der Erwähnung des Wortes „Hintern“ räusperte sich Robin würdevoll und verschränkte abweisend die Arme: „Und was habt Ihr die letzten Tage so getrieben? Es war ja anscheinend bislang sehr ruhig da draußen.“ Ihre Stimme war schneidend wie eine Vibroklinge und ließ Colt noch ein Stückchen mehr in sich zusammen sinken: „Na, ja“, eine Schweißperle lief von seiner Stirn über den Nasenrücken in sein rechtes Auge, „was soll man hier schon großartig machen, Süße. Asteroiden zählen, über den Sinn des Lebens philosophieren und an den Memoiren arbeiten!“ er wagte es nicht, über das Auge zu fahren, um den brennenden Reiz zu beenden. „Aha…“ Robins Antwort klang auffordernd, so als sei sie mit dieser flapsigen Ausführung bei Weitem noch nicht zufrieden. Die Spannung, die von ihrer Freundin ausging, trug nicht gerade zur Verbesserung von Aprils unangenehmem Befinden bei. Die Situation war schon skurril genug, auch ohne eine ausgewachsene Ehekrise: „Tja, ähm, wir haben auch leider nicht soviel Zeit, Daddy hat uns nur ein paar Minuten zugestanden“, betrübt schaute sie wieder in die Kamera, „ich denke, wir lassen dem Ehepaar noch ein paar Minuten Zeit für sich, oder?“ Fireball nickte bereits ernüchtert, als sich Robin überrascht zu April drehte und ihr im Flüsterton etwas zuraunte, was die Männer nicht verstehen konnten. April schüttelte darauf traurig den Kopf, lächelte Fireball dann aber doch schnell noch einmal tapfer zu: „Stellt keinen Blödsinn an, ja! Und passt auf Euch auf.“ „Ich…“ die blonde Frau hatte zum Abschied kurz die Hand gehoben und war aus dem Aufnahmewinkel der Kamera herausgetreten, bevor der Rennfahrer seinen Satz hatte beenden können. Vielleicht war es auch besser so, eine rasch dahingemurmelte Bekundung seiner Gefühle hätte die Situation und den Abschied sicherlich nur schwerer gemacht. Niedergeschlagen drehte er sich um: „War schön, Dich kennen gelernt zu haben, Kumpel!“ aufmunternd zwinkerte er Colt zu und überließ den Cowboy dann der drohenden und hoffentlich nicht zu unbarmherzigen Gerichtsbarkeit seiner Frau. „Hey“, Fireball hatte Christa im Aufenthaltsraum entdeckt, die es sich dort mit einer Tasse Kaffe gemütlich gemacht hatte, „hast Du den Rest getilgt, oder ist noch ein Tässchen für mich drin?“ er fand es eine nette Geste, dass sie die beiden Star Sheriffs mit Robin und April allein gelassen hatte und wollte sich durch einen kleinen Plausch ein wenig erkenntlich zeigen. Der Lieutenant zog entschuldigend die Schultern nach oben: „Sorry, Turbo, das hier ist alles, was noch übrig ist“, sie hielt ihm großzügig ihren eigenen Becher entgegen, „würde Dir ja gern was davon anbieten, aber ich fürchte, das könnte wieder als billiger Versuch aufgefasst werden, mich an ein ehrenwertes Mitglied des KavCom heranzumachen…“ ein bitterer Unteron schwang in ihrer Stimme mit. Fireball wusste, dass Christa sich von Saber ein wenig ungerecht behandelt fühlte; die Verbannung aus dem Fitness-Raum war selbst in seinen Augen eine drastische Maßnahme gewesen. Aber so, wie der Säbelschwinger sie formuliert hatte, musste Christa glauben, dass er ihr die Hauptschuld an dem Poker-Exzess gab. Colt wäre für seine Schwache für hübsche Frauen hinreichend bekannt und man müsste ihn nicht noch zusätzlich in Versuchung führen, indem sie im engen Sportdress vor seiner Nase herumtanzte. Völlig ungeniert griff Fireball nach der Tasse: „Kratzt mich nicht im Mindesten, Süße“, er nahm einen großen Schluck und ließ sich dann neben Christa auf das Sofa fallen, „werde mich gegen Deine Reize schon zur Wehr zu setzen wissen!“ aufmunternd zwinkerte er ihr zu, aber der Lieutenant konnte daran nichts Amüsantes finden: „Aber Colt hat anscheinend neuerdings die Anweisung, mir nicht zu nahe zu kommen, oder wie?“ Nun musste Fireball tatsächlich herzlich lachen: „Baby, selbst wenn wir Colt für den Rest des Flugs vorne auf Ramrods Nase binden würden, könnte das seine Hormone nicht bändigen. Er ist und bleibt nun mal ein waschechter Cowboy!“ „Wie blöd von mir, das zu vergessen“, missmutig schnippte sie einen Fussel von ihrer Hose und versuchte, ihre Stimme nicht allzu grimmig klingen zu lassen, „der arme Colt konnte sich ja quasi gar nicht gegen meine plumpen Annäherungsversuche wehren. Wieso wird es den Männern eigentlich immer so einfach gemacht?“ anklagend durchbohrte ihr Blick Fireballs Brust. „Uff“, der Rennfahrer kratzte sich nachdenklich am Kopf, „ist wohl so eine genetische Sache, denke ich. Wir können halt nichts dafür, dass wir dem schönen Geschlecht verfallen sind.“ „Pf“, was für eine lächerliche und unbefriedigende Ausrede, „das ich nicht lache. Und wir Frauen dürfen immer schön den kühlen Kopf bewahren und sind die Wurzel allen Übels, wenn wir zur Abwechslung auch mal mit einem anderen Körperteil denken!“ „Klar“, zustimmend klopfte Fireball ihr auf den linken Oberschenkel, „vergiss das Märchen mit der Schlange und dem Apfel nicht.“ dabei setzte er einen verklärten Oberschullehrerblick auf, was Christa keineswegs beeindruckte: „Das war die Bibel, Du Hirni!“ seine kleinen Aufmunterungsversuche verfehlten ganz offensichtlich ihren Zweck. „Nun lass mal das hübsche Köpfchen nicht hängen Prinzessin“, Sabers Verhalten schien sie wirklich tiefer getroffen zu haben, als er ursprünglich angenommen hatte, „der einzige, dem Saber hier irgendeine Schuld gibt, ist Colt. Er hat nur eine etwas merkwürdige Art, das zu zeigen.“ „Äußerst merkwürdig, allerdings.“ Christas Worte troffen vor Hohn. „Der beruhigt sich bald wieder“, verschmitzt stieß der Star Sheriff seiner Kollegin den Ellenbogen in die Seite, „und Du willst ja wohl nicht wirklich behaupten, dass Dich gar keine Schuld trifft, oder?“ zufrieden stellte er fest, dass Christa bei diesen Worten errötete: „Das habe ich auch gar nicht gesagt!“ fauchte sie angriffslustig zurück. Ihr war die ganze Geschichte noch immer schrecklich peinlich. „Wärst Du denn…na, ja, ich meine, hättest Du…“ verkrampft suchte Fireball nach den richtigen Worten, „also wenn Saber Euch nicht…unterbrochen hätte, wäre dann…tatsächlich was passiert?“ es war eine interessante Selbsterkenntnis, dass er sich nicht getraut hatte, diese Frage an seinen besten Freund zu richten, sie einer beinahe fremden Frau aber durchaus zu stellen vermochte. Christas Mine war mit einem Schlag wie versteinert: „Das geht glaube ich nur Colt und mich etwas an!“ diese heftige Reaktion überraschte den Rennfahrer: „Tja, Du hast wohl vermutlich Recht“, er streckte die Beine aus und verschränkte versonnen die Hände hinter dem Kopf, „andererseits ist Colt mein bester Freund, der zufällig mit meiner ebenfalls sehr guten Freundin Robin verheiratet ist. Und ich würde es ungern sehen, wenn die beiden…“ „Ist ja schon gut“, genervt gab die junge Frau auf, „okay, ich gebe zu, dass ich Colt durchaus anziehend finde…“ „Was finden die Weiber nur alle an diesem Viehtreiber?“ Fireball empfand dieses Geständnis als bodenlose Ungerechtigkeit. „Kann ich Dir auch nicht wirklich sagen“, fuhr Christa unbeirrt fort, als hätte sie den Einwand nicht gehört, „ich meine, er sieht irgendwie gut aus, und sein Charme lässt sich nicht verleugnen.“ Verträumt wanderten ihre Gedanken zu dem Moment zurück, als sich Colts Hand auf ihren Schenkel gelegt und sie seinen erregten Atem auf der Haut gespürt hatte. Sie konnte dieses Bild und die damit verbundenen Emotionen nicht so einfach verdrängen und wünschte sich so manches Mal, dass Saber nicht in ihre kleine Privatparty geplatzt wäre. Einfach weil sie gerne erfahren hätte, ob Colt genauso gut küssen konnte, wie er flirtete. Ein leichter Schauer wanderte ihren Rücken hinunter und ließ ihre Haut angenehm prickeln. Mit zunehmender Beunruhigung beobachtete Fireball, welche Veränderung beim Gedanken an den Cowboy sich bei Christa vollzog: „Ich glaube, dass ich das schon erwähnte“, er räusperte sich verlegen, „aber der Mann ist verheiratet, Julia!“ „Du hast gefragt und ich antworte, okay“, der Lieutenant seufzte enttäuscht, weil Fireball ihre kleine Träumerei zerstört hatte, „ich bin wirklich die Letzte, die seine Ehe gefährden will, aber wenn die Dinge anders lägen, dann könnte mir der Cowboy tatsächlich gefährlich werden!“ wie hätte sie offen zugeben können, dass aufgrund der drohenden Gefahr bereits sämtliche Alarmglocken in ihrem Kopf Sturm läuteten? Sie würde sich zusammenreißen und ihre Gefühle wieder in den Griff bekommen müssen. Aber das war leider einfacher gesagt, als getan. „Puh, da bin ich wirklich erleichtert“, mit einem spitzbübischen Grinsen betrat Colt das Zimmer und ließ sich gegenüber der entsetzt dreinblickenden Christa auf dem Sessel fallen, „ich lege nämlich keinen gesteigerten Wert darauf, noch mal so ein Gespräch mit Robin führen zu müssen, wie eben!“ geschafft nahm er seinen Hut ab und fächerte sich damit ein wenig Luft zu. Christa wagte es nicht, den Kopf zu heben: „Wie lange hast Du schon zugehört?“ blieb ihr denn überhaupt keine Peinlichkeit erspart? „Keine Sorge, ich konnte mich gerade erst aus den Klauen meines Eheweibes befreien“, Colts Grinsen wurde noch breiter, „soll Dir auch einen schönen Gruß von ihr bestellen. Wenn uns nicht die Outrider dahinraffen, wird sie diesen Job nach unserer Rückkehr gern persönlich übernehmen.“ „Oh man, mir wird schlecht!“ das Herz sank dem jungen Lieutenant in die Hose, auch wenn sie nicht glauben konnte, dass die friedliebende Robin sich tatsächlich solch einer Ausdrucksweise bedient hatte. Doch allein die Tatsache, dass sie nun über ihren Beinahefehltritt Bescheid wusste, verursachte in ihr das Gefühl, sich übergeben zu müssen. „Ich finde es sowieso ziemlich erstaunlich, dass Du noch so guter Laune bist, Nummer eins“, Fireball musterte seinen Freund interessiert, „Robin schien doch ein wenig säuerlich zu sein. Wie kann man aber auch so dämlich sein und sich bei der erstbesten Gelegenheit verplappern?“ Ein wenig zerknirscht gab Colt zu, dass das in der Tat selten dämlich von ihm gewesen war: „Allerdings habe ich jetzt wieder ein reines Gewissen, das ist auch was wert!“ „Und was hat Dich das gekostet?“ der Rennfahrer fragte sich, ob April nach so einer Entgleisung wohl auch so einfach zu besänftigen gewesen wäre, oder wie schwer er seine Kreditkarte zur Wiederherstellung des häuslichen Friedens hätte belasten müssen. „Nichts außer etwas ernst gemeinter Reue“, das Ego des Cowboys konnte nicht sehr schwer gelitten haben, denn sein Auftreten war bereits zur alten Großspurigkeit zurückgekehrt, „Du weißt doch, Robin liebt mich!“ er warf Christa ein keckes Lächeln zu, das diese endgültig aus der Bahn warf. Mit hochrotem Kopf erhob sie sich: „Na, da können wir ja froh sein, dass Frauchen so geduldig mit Dir ist!“ hastig stürmte sie aus dem Zimmer. Es verletzte sie, dass Colt so offenkundig über ihren gemeinsamen Abend sprach, als hätte dieser rein gar nichts bedeutet. Der Cowboy hatte eine verdammt große Klappe, aber sie wusste genau, dass auch er nur mit Wasser kochte. Sie hatte das Glänzen in seinen Augen gesehen, seinen schnellen Herzschlag und sein Verlangen in jener Nacht gespürt, wie konnte er es wagen, sich jetzt darüber lustig zu machen? „Sie weiß eben, wie gutaussehend und charmant ich bin!“ Fireball hatte das Gefühl, dass sein Freund, beflügelt durch sein frisch reingewaschenes Gewissen, es nun mit seiner Neckerei auf die Spitze treiben wollte. Christa drehte sich nicht mehr um, aber vom Gang schallte ein aus tiefstem Herzen kommendes „Mistkerl“ zurück. „Findest Du nicht, dass Du ein bisschen zu weit gegangen bist, Cowboy?“ dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs gefiel diese Entwicklung keineswegs. „Warum“, mit Unschuldsmiene schaute Colt zu Fireball hinüber, „es bringt doch nichts, wenn wir den Rest des Fluges rumlaufen und uns nicht in die Augen gucken können. Über Fehler lachen hat schließlich noch keinem geschadet.“ Der Rennfahrer hegte in dieser Hinsicht berechtigte Zweifel und erhob sich, um zurück auf die Kommandobrücke zu gehen: „Hauptsache ist nur, Du teilst Christas Auffassung darüber, was an diesem Abend der Fehler gewesen ist!“ damit war für ihn dieses Thema vorläufig beendet. Etwas zur gleichen Zeit hatte es sich April in einer der kleinen ausgebauten Nischen von Luigis Café gemütlich gemacht und schlürfte genussvoll an einem Cappuccino mit Macadamianuss Sirup. Sie hatte Robin im Hauptquartier eine Nachricht hinterlassen, dass sie nach dem Gespräch mit Colt hier auf sie warten würde und rechnete jede Minute damit, dass die Freundin zur Tür hereinspazierte. Leider musste sich Yuma-City noch immer den Auswirkungen eines Schlechtwettertiefs ergeben, die es im Moment unmöglich machten, einen Café oder ähnliches draußen im Freien zu sich zu nehmen. Andererseits gefiel es April auch, das leckere Getränk Schluck für Schluck ihre Kehle hinunterrinnen zu lassen, während ein unbarmherziger Wind heftige Regenschauer über die Straßen trieb. Es war eine dämliche Idee gewesen, mit Ramrod Kontakt aufzunehmen, soviel stand mittlerweile fest. Sie hatte gehofft, ihre Ängste bei Fireballs Anblick ein wenig beruhigen zu können, aber im Grunde fühlte sie sich nun noch schlechter als zuvor. Und zu allem Überfluss hatte sie Robin und Colt unbeabsichtigt einen Streit oktroyiert, der zwar mit Sicherheit Robins Sorgen um ihren Mann vertrieben, aber wohl kaum zum Wohlbefinden ihrer Freundin beigetragen hatte. April musste zugeben, dass Christa durchaus eine sehr anziehende und attraktive Frau war, aber dass Colt schon nach wenigen Tagen nicht mehr in der Lage gewesen sein sollte, seiner Frau treu zu bleiben, war ein starkes Stück. Sicher, Colt war ein ausgemachter Schürzenjäger, an dieser Tatsache gab es nicht viel zu rütteln. Aber vielleicht waren ihre Befürchtungen ja auch ganz umsonst und sein Vergehen war nicht so schlimm, wie es vorhin beim KavCom den ersten Eindruck erweckt hatte. Gedankenverloren rührte April mit einem Keks in ihrer Tasse herum und fragte sich, wie sie wohl reagiert hätte, wenn Fireball an Colts Stelle gewesen wäre und seine Finger nicht hätte bei sich behalten können. Unter den vorherrschenden Umständen hätte sie ihm ein solches Verhalten wahrscheinlich nicht einmal übel genommen. Der durchweichte Keks brach in der Mitte entzwei und versank in den cremefarbenen Fluten des Cappuccino. Fluchend griff April nach dem kleinen Löffel, der neben der Tasse lag und versuchte, das matschige Stück Gebäck herauszufischen. Diese Vorstellung war doch wirklich absurd. Fireball würde niemals auch nur daran denken, sie mit einer anderen Frau zu hintergehen. Schmerzlich erinnerte sie sich daran, dass der Rennfahrer vor gut einem Jahr nach einem hässlichen Streit mit ihr in den Armen von Captain Mandarin Yamato Trost gesucht hatte. Aber das war eine ganz andere Situation gewesen. Die arme Robin konnte einem einfach nur Leid tun! Als hätte sie die Freundin mit ihren Gedanken herbeigerufen, öffnete sich im nächsten Moment die Tür des Cafés und Robin wurde förmlich von einer Böe hereingepustet. Zielstrebig streifte sie den triefenden Regenmantel ab und hängte ihn an dem kleinen Kleiderständer neben der Tür zum Trocknen auf. Dann sah sie sich nach ihrer Freundin um. April bemerkte sofort die geröteten Wangen und die hektischen Flecken an ihrem Hals. Das Gespräch mit Colt musste recht emotionsgeladen verlaufen sein. Sie hob die Hand und winkte Robin zu, als diese in ihre Richtung sah. „Dieses Wetter kann einen wirklich wahnsinnig machen, oder?“ seufzend ließ die junge Frau sich auf dem Stuhl neben April nieder und begann notdürftig mit Hilfe eines kleinen Handspiegels an ihrer zerzausten Frisur herumzuzupfen. „Darf ich Ihnen schon etwas bringen, oder möchten sie erst einen Blick in die Karte werfen?“ wie aus dem Nichts war ein Kellner neben ihrem Tisch aufgetaucht und beäugte lächelnd den neuangekommenen Gast. Robin fuhr unbeirrt mit dem Richten ihrer Haare fort: „Eine heiße Schokolade mit Sahne und einen Brownie bitte!“ April war überrascht. Ihre Freundin, die sonst sehr viel Wert auf gesunde und vor allem kalorienbewusste Ernährung legte, bestellte die beiden gehaltvollsten Dinge, die die kleine aber feine Karte des Cafés zu bieten hatte. Dem Kellner war das selbstverständlich egal. Er tippte mit einem Stift ein paar Tasten an seinem Handheld und schickte die Bestellung direkt weiter in die Küche, um sich dem nächsten Tisch zuwenden zu können. „Schokolade und Brownie, hm?“ den Kopf auf die Hände gestützt musterte April ihr Gegenüber interessiert, was Robin etwas verlegen machte: „Und?“ „Müssen ja erschreckende Erkenntnisse gewesen sein!“ Diskretion war noch nie eines der Steckenpferde des weiblichen Star Sheriffs gewesen, aber diese direkte Art führte nicht immer auch zwangsläufig zum angestrebten Ziel. Robin war ganz und gar nicht gewillt, es ihrer Freundin so leicht zu machen: „Ich weiß nicht, wovon Du sprichst. Mir ist einfach nach etwas Süßem, das ist alles!“ Eine Antwort, die April überraschender Weise nicht zufrieden stellen konnte. Sie schöpfte etwas Milchschaum von ihrem Cappuccino und steckte sich den Löffel unwirsch in den Mund: „Komm schon Robin, lass Dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Du weißt, dass ich weiß, dass Du niemals soviel Schokolade auf einmal in Dich reinstopfen würdest. Es sei denn, Du hast Dich fürchterlich geärgert und versuchst so, Dich wieder zu beruhigen!“ Ergeben hob Robin die Hände: „Ich finde es erschreckend, dass Du mich besser kennst, als ich mich selbst.“ „Du bist ein offenes Buch für mich, meine Liebe“, jetzt hatte sie die gute Mrs. Wilcox genau dort, wo sie sie haben wollte, „und jetzt erzähl endlich, was sich unser John Wayne geleistet hat.“ Robin atmete tief durch und verschränkte die Hände ineinander, weil sie nicht verhindern konnte, dass sie vor Wut zitterten: „Na, was denkst Du wohl?“ „Soll ich einen Scheidungsanwalt kontaktieren und Roland mitteilen, dass er sich seine Hochzeitspläne abschminken kann?“ ob ein wenig Spaß die hochschlagenden Wogen glätten konnten? „Ach, red keinen Unsinn!“ offensichtlich konnte er nicht. Übellaunig nahm Robin ihre heiße Schokolade und das sündige Stück Schokoladengebäck entgegen. Mit Wucht stieß sie ihre Gabel in den unschuldigen Kuchen, als hätte sie ihren Mann persönlich auf dem Teller liegen: „Es ist doch immer dasselbe mit diesem Kerl. Kaum sieht er eine schöne Frau, verliert er den Kopf.“ Wissensdurstig zog April ihren Stuhl ein wenig näher an den Tisch heran, um auch ja kein Wort der wohl folgenden Tirade zu verpassen: „Er hat also richtig aus dem Vollen geschöpft, ja?“ Eine äußerst geschmacklose Umschreibung, wie Robin fand, aber präzise auf den Punkt gebracht: „Er hat sich aus Langeweile mit Christa betrunken und dann Strip-Poker mit ihr gespielt. Kannst Du Dir das vorstellen!“ ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Entrüstung, während April sich zusammenreißen musste, um nicht laut loszulachen: „Waren etwa die Kekse alle?“ „Freut mich, dass wenigstens Dich das Verhalten meines Mannes so amüsiert!“ wendete sich Robins Wut nun gegen ihre Freundin, die schuldbewusst den Kopf senkte: „Tut mir leid, Süße, war nicht so gemeint…“ „Ach, ist schon gut, Du kannst ja nichts dafür, dass ich Casanova persönlich heiraten musste!“ „Hat er denn“, April wurde die eigentliche Tragweite dessen, was Colt angestellt haben konnte, erst jetzt allmählich bewusst und sie sah ein, dass Robin zu Recht nicht zum Lachen zumute war, „na, ja, Du weißt schon…“ vielsagend hob sie eine Augenbraue. Der Gedanke, dass der Cowboy seine Frau tatsächlich nach gerade mal zwei Tagen mit einer beinahe Fremden betrogen hatte, erschütterte sie in ihren Grundfesten und passte nicht zu dem Bild, das sie bislang von Colt gehabt hatte. Sicherlich war er ein Weiberheld und auch die Bezeichnung Casanova stimmte irgendwie, aber seine Devise war grundsätzlich gewesen: „Appetit holen ist erlaubt, aber gegessen wird zu Hause!“ Unter seiner rauen Machoschale war Colt ein liebender und treuer Ehemann; zumindest hatte sie das immer angenommen. Glücklicher Weise schüttelte Robin den Kopf, während sie sich ein großes Stück des Brownies in den Mund schob: „Nein, hat er nicht. Er hat mir hoch und heilig geschworen, dass zwischen ihm und Christa nichts gelaufen ist…“ ob sie dieser Bezeugung allerdings Glauben schenkte, war aus diesen Worten nicht zu entnehmen. „Aber wenn nichts passiert ist“, grübelte April laut vor sich hin, „wieso hat er sich dann aufgeführt, als hättest Du ihn mitten bei einem Kapitalverbrechen erwischt?“ sein gehetzter Blick über die Schulter, nachdem Robin diesen sorglosen Kommentar bezüglich der falschen Ehefrau hatte fallen lassen, war ihr natürlich nicht entgangen. „Saber ist dazwischen gegangen. Hat die beiden quasi in flagranti ertappt, bevor es zu Schlimmerem kommen konnte.“ Mit einem Happen war das letzte Stück Brownie vertilgt und wurde mit einem kräftigen Schluck heißer Schokolade hinunter gespült. April verstand ihre Freundin nur zu gut: „Liegt natürlich immer im Auge des Betrachters, was man als Schlimmeres ansieht, oder?“ Robin nickte mürrisch: „Er hat mir versichert, er hätte sie weder angerührt noch geküsst!“ Mitfühlend legten sich Aprils Hände auf Robins und drückten sie leicht: „Und, glaubst Du ihm?“ eine Frage, die sie im Moment nicht hätte beantworten können. „Ja, das tue ich“, dankbar für die Unterstützung lächelte Robin flüchtig, „weißt Du, er ist eigentlich kein schlechter Kerl und würde wohl nie absichtlich etwas tun, das mich verletzen könnte“, diese Worte klangen schon fast entschuldigend, „es ist nur einfach so, dass er den Hals manchmal nicht voll bekommt und nicht weiß, wann es Zeit ist aufzuhören!“ „Auf jeden Fall scheint ihn ja ein mächtiges Gewissen geplagt zu haben.“ anders konnte sich April jedenfalls keinen Reim darauf machen, dass Colt ein Geständnis für eine Sache abgelegt hatte, die nie wirklich geschehen war. Ob nun durch Sabers Eingreifen oder aus anderen Gründen vereitelt. „Ich schätze, das wird ihm eine Lehre sein. Vorerst wird er sich wohl nichts mehr zu Schulden kommen lassen“, nun zeigte sich sogar ein leichtes Schmunzeln auf Robins Gesicht und in ihren Augen blitzte der Schalk, „aber sei gewiss, dass ich mir diese Sache einiges kosten lassen werde.“ akribisch pickte sie die letzten Krümel mit dem Zeigefinger von ihrem Teller und schob sie sich genießerisch in den Mund. „Na, wenn das so ist“, April hob ihre Tasse, „auf den Triumph über das männliche Geschlecht!“ belustigt stieß sie mit ihrer Freundin an, die bei ihren Worten ein wenig die Stirn runzelte: „Ich war übrigens überrascht, dass Du so schnell das Feld geräumt hast, vorhin!“ Ein kleiner Adrenalinstoß zuckte durch Aprils Körper und ließ ihr Herz schneller schlagen. Nun kam wieder das unliebsame Thema, vor dem sie sich seit Tagen so fürchtete, dem sie aber anscheinend nicht entkommen konnte: „Ich dachte, bei Eurem Ehekrach wolltet Ihr keine Zuschauer…“ lächelte sie leichthin, ohne auf Robins bohrenden Blick zu reagieren. So einfach wollte sie die Flinte nicht ins Korn werfen. Ein Grundsatz, dem auch Colts Frau sich offenbar verschrieben hatte: „Ich dachte, Du hattest die Absicht, Fireball vor dem Sprung in die Phantomzone doch noch reinen Wein einzuschenken.“ Qualvoll krampfte sich Aprils Magen zusammen, als ihr klar wurde, dass sie dem Thema wohl nicht mehr würde ausweichen können. Und Robin jetzt noch weismachen zu wollen, dass sie das Gespräch nur ihr Zuliebe anberaumt hatte, wäre ein allzu kläglicher Rückzug gewesen: „Wenn das meine Absicht gewesen wäre, hätte ich es ihm auch schon vor dem Abflug erzählen können“, nervös drehte sie ihre Tasse auf dem kleinen Unterteller hin und her, „ich wollte einfach nur wissen, wie es ihm geht. Die ganze Situation hat ihn so durcheinander gebracht und ich…“ ihre Stimme erstarb. Sie hatte keine Lust schon wieder ihre Schuldgefühle breit zu treten, besonders nicht vor Robin, der Vorzeigeehefrau. „Meinst Du nicht, er hat ein Recht darauf, es zu wissen?“ Scheppernd glitt die Tasse vom Teller und ein Schwall Cappuccino ergoss sich über den Tisch: „Habe ich denn ein Recht darauf, ihm die Möglichkeit zu nehmen, nach seinem Vater zu suchen?“ mechanisch griff April nach ihrer Handtasche, holte ein Papiertaschentuch heraus. Energisch wischte sie über den Fleck, so als wäre es nicht Cappuccino, sondern eingebrannte Milch auf einer Herdplatte. Immer heftiger presste sie das Stück Papier auf den Tisch und rubbelte so doll damit über die Platte, dass es bereits begann, sich in Fetzen aufzulösen. Aber April bemerkte das nicht. Tränen stiegen ihr bei dem Gedanken in die Augen, dass Robin wohlmöglich Recht haben konnte. War es richtig gewesen, Fireball im Unklaren zu lassen und ihm damit die eigene Wahl zu nehmen. Woher wollte sie so genau wissen, dass er sich zum Bleiben entschieden hätte? Vielleicht wäre er trotzdem ohne sie geflogen, auch wenn er die Wahrheit gekannt hätte. Wenn sie ehrlich war, lag genau darin ihre größte Angst verborgen. Dass Fireball wissentlich auf diese gefährliche Mission gegangen wäre und sie allein zurück auf Yuma gelassen hätte. Robins Hand legte sich beruhigend auf die ihre und brachte sie dazu, das Taschentuch endlich Taschentuch sein zu lassen: „Du hast Angst, dass sich die Geschichte wiederholt, nicht wahr?“ April keuchte erschrocken auf: „Du…Du…weißt es?“ ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und starrten um Erklärung flehend zu ihrer Freundin hinüber. Robin verstärkte daraufhin den Druck auf Aprils Hand: „Denkst Du denn wirklich, ich hätte nicht bemerkt, was los ist“, unbeholfen wischte sie dem Star Sheriff eine Träne von der Wange, „Du bist meine beste Freundin, April, vergiss das nicht!“ „Ja aber…“, der Schock darüber, dass ihr Geheimnis entdeckt war, wich langsam einem unheimlichen Gefühl der Erleichterung, „ach Robin…“ schluchzend warf sie sich in ihre Arme und vergrub das Gesicht an ihrer Schulter. Robin tat das einzig wahre in diesem Moment, sie gab ihrer Freundin Halt und Wärme. Sie sagte kein Wort und ließ April die Zeit, die sie brauchte, um sich zu beruhigen. Sicherlich waren die letzten Tage sehr schwer für sie gewesen, ganz allein mit einer unüberwindbar erscheinenden Situation fertig werden zu müssen, während alle Welt sich von ihr abgewandt hat. Leise verfluchte sie ihren Mann dafür, dass er April mit seinem verletzten Stolz besonders zugesetzt und die Lage nur noch verschlimmert hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm von Anfang etwas von ihren Vermutungen zu erzählen, aber sie hatte verhindern wollen, dass Fireball die Wahrheit aus dem Mund des Cowboys hörte. Das Zittern, welches Aprils Körper mit sich gerissen hatte, ebbte allmählich ab, aber anscheinend war sie noch nicht bereit, die schützende Umarmung zu verlassen: „Ich habe solche Angst, Robin.“ wisperte sie mit brüchiger Stimme, während sie den Kopf hilfesuchend auf deren Schulter bettete. „Ich weiß“, Robin küsste zärtlich den blonden Scheitel der Freundin, genauso wie Colt es bei ihr immer tat, wenn sie traurig oder niedergeschlagen war, „aber es wird alles gut gehen, Du wirst schon sehen.“ Es tat ihr beinahe leid, nichts Besseres als diese hohlen Phrasen bieten zu können, aber es war nun einmal das einzige, was ihr einfallen wollte. „Weißt Du, ich war zwar noch sehr klein, als meine Mum gestorben ist“, Aprils heisere Stimme verwandelte sich in ein ängstliches Flüstern, „aber ich weiß noch genau, wie schrecklich ich gelitten habe. Sie war so tapfer und hat bis zum Schluss gekämpft, und am Ende hat doch der Krebs gewonnen.“ Ein schemenhaftes Bild flackerte in ihrem Gedächtnis auf. Ihre Mutter, die blass und erschöpft in ihrem Bett gelegen und einem keinen blonden Mädchen versprochen hatte, dass sie es niemals alleine lassen würde. Aber sie hatte nicht Wort gehalten: „Ich habe Mum so furchtbar vermisst, dass ich am liebsten auch gestorben wäre!“ Ergriffen schloss Robin sie noch fester in die Arme: „Glaub mir, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Alles wird gut, ganz sicher“, sie griff nach einem sauberen Stück des zerfledderten Taschentuchs und tupfte damit sanft Aprils Tränen fort, „und egal was auch passiert, ich bin für Dich da!“ Und das war im Moment das Einzige, was für April wirklich zählte. Welches Schicksal die Zukunft auch für sie bereithielt, sie war nun nicht mehr allein. Kapitel 12: Im Herzen des Chaos ------------------------------- Unsanft wurde Colt am nächsten Morgen durch das monotone Piepen seines Weckers aus dem Schlaf gerissen. Sie hatten bis tief in die vergangene Nacht an den Plänen für ihren Sprung in die Phantomzone gearbeitet, auch wenn sie dieses Szenario mindestens schon dreißig Mal durchexerziert hatten. Und zu allem Überfluss hatte Saber den Appell für den heutigen Tag unnötiger Weise auf sieben Uhr gelegt. Der Cowboy fand dieses Verhalten absolut übertrieben und vertrat zusammen mit Fireball einhellig die Meinung, dass es sich viel besser kämpfen ließ, wenn man ausgeruht aufs Schlachtfeld zog und einem nicht vor Müdigkeit die Augen zufielen. Wie zu erwarten gewesen war, hatte sich der Säbelschwinger nur unmerklich von dieser doch durchaus einleuchtenden Theorie beeindrucken lassen. Schlaftrunken stemmte Colt sich in seinem Bett auf und warf einen verkniffenen Blick auf die blinkende Digitalanzeige: „Zwanzig vor sieben, das ist die reinste Sklaverei!“ brummte er undeutlich vor sich hin, während er mit der linken Hand unkoordiniert vor dem Wecker herumfuchtelte, um endlich dieses lästige Piepen abzustellen. Seine müden Glieder ächzten, als er sich langsam aus dem Bett schälte und schrieen förmlich nach einem Koffeinschock. Was er jetzt brauchte, war eindeutig eine Tasse Kaffee! Wie er die anderen kannte, saßen sie bestimmt schon geschniegelt und gebügelt bei einem üppigen Frühstück beisammen und lauschten den Anweisungen ihres Bosses, die Colt mittlerweile schon so oft gehört hatte, dass er sie auswendig kannte. Zum Glück war er ein Mensch, der zu so früher Stunde noch keinen Bissen herunter bekam. Sein Magen gehorchte einem ganz eigenen Biorhythmus und meldete sich nie vor zehn Uhr zu Wort, eine Begebenheit, die ihm heute immerhin zu einer Viertelstunde mehr Schlaf verholfen hatte. Mit einem herzhaften Gähnen kratzte er sich den durchtrainierten Bauch, bevor er sich ein T-Shirt überzog und hinaus auf den Gang trat. Aus der Küche waren keine Geräusche zu hören. Dieses Strebergesindel war doch nicht etwa schon in den Startlöchern und würde den Dimensionssprung wagen, während er noch in Boxershorts durch die Gegend turnte? Wohl kaum, aber um Sabers Zorn nicht schon wieder auf sich zu ziehen, war wohl ein wenig Eile geboten. Er wandte sich nach links, weg von der Kommandobrücke, und schlurfte gemütlich an den Quartieren der anderen vorbei zum Waschraum. Der Kaffee würde warten müssen, zuerst war notdürftige Katzenwäsche angesagt. „Guten Morgen, Billy-Boy“, Fireball stand an einem der Waschbecken und fuhr sich mit einem Handtuch über das tropfnasse Gesicht, welches er den verstreuten Utensilien auf der Spiegelablage zufolge gerade rasiert hatte, „dachte schon, Du würdest Dich heute gar nicht mehr aus den Federn schwingen.“ Angewidert verzog der Cowboy das Gesicht: „Billy-Boy? Ich glaub, Deine Cornflakes waren schlecht!“ er hasste es, mit seinem richtigen Namen angesprochen zu werden und der Rennfahrer wusste das ganz genau. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken belegte er das zweite Waschbecken mit Beschlag und drehte den Hahn auf. Eiskaltes Wasser strömte über seine Handgelenke und erweckte die abgekämpften Lebensgeister aus ihrem Schlummer. Ein paar Sekunden verharrte er in dieser reglosen Position, dann fing er etwas Wasser mit den Händen auf und spritzte es sich ins stoppelige Gesicht. „Mylady haben wohl einen unruhigen Schlaf gehabt!“ Fireball schleuderte sein Handtuch achtlos in Richtung Wäschekorb, verfehlte diesen aber um gute anderthalb Meter, was Colt aus dem Augenwinkel mit Genugtuung zur Kenntnis nahm: „Und genau deswegen bist Du nur ein mieser kleiner Seifekistenkutscher!“ Als der Rennfahrer zu einer Antwort ansetzen wollte, kündigte ein wohlbekanntes metallisches Knacken gefolgt von statischem Rauschen an, dass mal wieder jemand seine Finger an der Sprechanlage hatte. „Man, wer diesen Mist eingebaut hat, sollte kielgeholt werden. Nicht mal beim Pinkeln hat man seine Ruhe…“ die letzten Worte des Cowboys gingen in Christas glockenheller Stimme unter, die im Jargon einer Stewardess trällerte: „Verehrte Fluggäste, ich begrüße Sie zu unserer Reise in die Phantomzone an Bord unseres vielgerühmten Kampfschiffes Ramrod. Es ist ein strahlender Morgen und die Konditionen für einen Dimensionssprung stehen günstig. Daher werden alle Star Sheriffs gebeten, sich um 0700 auf der Brücke einzufinden, um weitere Instruktionen entgegen zu nehmen. Allen anderen Passagieren wünschen wir noch einen angenehmen Aufenthalt. Bei Wünschen oder Fragen wenden Sie sich bitte an unser freundliches Bordpersonal“, der Redeschwall kam kurzfristig zum Erliegen und man hörte deutlich, wie die junge Frau sich räusperte, „Saber sagt, Ihr sollt zusehen, dass Ihr Euch auf Eure Plätze bewegt – pronto di flotto!“ „Wir haben noch ganze fünfzehn Minuten Zeit, sag das dem Drill Seargent“, raunzte Fireball in Richtung Lautsprecher zurück, „und jetzt mach, dass Du wegkommst, das hier ist ein Privatgespräch.“ ohne weiteren Kommentar schloss Christa den Funkkanal und das Rauschen erstarb. „Sieht ganz so aus, als hätte sich unser wackerer Anführer ein neues Haustier zugelegt.“ Ungehalten griff Colt nach seiner Zahnbürste und der Zahnpasta. Wieso konnte man nicht wenigstens morgens fünf Minuten lang seine Ruhe haben. Sieben Uhr hieß für ihn sieben Uhr und nicht eine Viertelstunde vorher. Und diese Viertelstunde würde er sich auch nicht nehmen lassen. Fireball schluckte die anzügliche Bemerkung, die ihm zu diesem Spruch eingefallen war herunter, fuhr sich prüfend durch das widerspenstige schwarze Haar und befand dann, dass der Einsatz einer Bürste sowieso keinen Zweck haben würde: „Ich genehmige mir noch einen Kaffee, wer weiß, wann wir das nächste Mal dazu kommen.“ „Grüsch den Bosch, wenn Du ihn siehscht“, Colt verfolgte im Spiegel skeptisch die Zahnbürste, die er in seinem Mund auf und ab bewegte, „er scholl gefälligscht auf die Uhr schauen, bevor er unsch die Militärpolischei auf den Halsch jagt.“ Die Tür glitt lautlos zur Seit und Fireball überließ den Cowboy kopfschüttelnd seiner Morgentoilette. „Und lasch mir wasch vom Kaffee übrig“, eine dicke Ladung Schaum landete im Waschbecken und verschwand zusammen mit dem laufenden Wasser im Abfluss, „sonst kannst Du gleich Dein Ticket zu Manitu lösen.“ Colt spülte seine Zahnbürste ab und nahm noch einen großen Schluck Wasser, den er gurgelnd in alle Richtungen verspritzte und dann ebenfalls wieder ausspuckte. Er konnte die ganze künstlich erzeugte Hektik überhaupt nicht verstehen. Die Phantomzone lief ihnen schließlich nicht davon und sie würden schon noch früh genug herausfinden, ob Ramrods neu eingebautes Spielzeug funktionierte. Prüfend ließ er seine Hände über die Bartstoppeln an seinen Wangen gleiten. Er fühlte sich nach einer Rasur grundsätzlich frischer, aber eigentlich hatte er keine Lust, mit dieser Prozedur weitere wertvolle Minuten zu verlieren. Zumal es den Outridern sicherlich ziemlich schnuppe war, ob er mit einem Gesicht wie ein rosaroter Babypopo oder einem Backenurwald wie Robinson Crusoe auftauchte. Mit zusammengekniffenen Augen taxierte er sein Spiegelbild: „Diesen Schmutzfüßen werden wir schon zeigen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, der Colt im Spiegel starrte ziemlich argwöhnisch zurück, „wenn wir in einem Stück bei denen ankommen!“ Der Cowboy entschied, dass eine Dusche wohl die beste Wahl war, um den Schlaf und damit auch alle dunklen Gedanken vorläufig abzuschütteln. Rasch zog er sich das T-Shirt über den Kopf und hängte es auf den Handtuchständer. Die Tür öffnete sich erneut, als er gerade an den Bändern seiner Boxershorts nestelte und Christa betrat mit verschlossener Miene den Raum: „Saber sagt, Du sollst’n Zahn zulegen!“ ihr war offenkundig eine Laus über die Leber gelaufen, denn ihr Mund kräuselte sich, als hätte sie gerade eben in eine Zitrone gebissen. „Na, na, Cinderella, was machst Du denn für ein Gesicht“, Colt machte einen Schritt auf sie zu und legte einen Zeigefinger unter ihr Kinn, „drückt etwa da Schühchen?“ Angriffslustig schlug Christa seine Hand fort und funkelte ihn blindwütig an: „Wenn Du es genau wissen willst, Cowboy, ja tut es!“ sie verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Colt abschätzend von oben bis unten. Kleine Wassertropfen hatten sich in den braunen Locken verfangen, die sich wirr in seine Stirn kräuselten und tropften angelegentlich auf sein sowieso schon nasses Gesicht. Von dort liefen sie in kleinen Rinnsalen über den Hals, seine breite Brust und die gut trainierten Bauchmuskeln hinab, bis sie vom Bund der Shorts aufgesaugt wurden. Der jungen Frau wurde einmal mehr bewusst, welche Anziehungskraft der Star Sheriff auf sie ausübte und versuchte angestrengt, sich nicht von seiner überwältigenden Erscheinung aus dem Konzept bringen zu lassen. Colt hob bei soviel offenkundiger Feindseeligkeit überrascht die Augenbrauen: „Sag mal, habe ich Dir irgendwas getan, Prinzessin?“ er legte leicht den Kopf schräg und beäugte sie voller Interesse. Oh bitte, flehte Christa bebend, tu das nicht! Wenn Du mich so ansiehst… Sie schloss energisch die Augen und atmete tief durch: „Du bist ein mieser Heuchler Colt, das wollte ich Dir nur sagen!“ „Was“, der Cowboy glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können, „Du hast wohl auch von den verdorbenen Cornflakes genascht, was?“ Der Puls der jungen Frau raste und sie war kurz davor, fluchtartig den Raum zu verlassen. Aber sie hatte sich nun einmal vorgenommen, Colt noch vor dem Dimensionssprung die Meinung zu sagen und das würde sie verdammt noch mal auch tun: „Du kannst Deine blöden Witze auch nicht mal für fünf Minuten in der Kiste lassen, oder?“ Colt hob gleichmütig die Hände: „Kommt aufs Publikum an. Aber mich dünkt, Du bist nicht an einer kleinen Spaßeinlage interessiert.“ „Kommst Du Dir eigentlich nicht ziemlich schäbig vor?“ Christas Worte senkten sich wie die Krallen eines Raubtieres, das seine Beute zerfleischen wollte in seine Brust. „Sag mal, wovon Du redest?“ verwirrt stemmte er die Arme in die Hüften. Dieser Morgen entwickelte sich zu einem äußerst bizarren Alptraum. „Davon, dass Du Dir selber ganz schön etwas vormachst und Deiner holden Robin noch dazu!“ das Glitzern in Christas Augen unterstrich die schwerwiegende Bedeutung ihrer Worte, auf deren weitere Ausführung Colt nicht die geringste Lust verspürte: „Hör zu, Süße, das Thema ist doch längst abgehakt“, er versuchte sie mit einem verschmitzten Lächeln milde zu stimmen, „schließlich ist ja wirklich nichts passiert und Robin weiß das. Himmel, wir waren beide ziemlich angesäuselt, daraus solltest Du kein Drama machen!“ Anklagend richtete sich der Zeigefinger des Lieutenants auf Colts ungeschützte Brust, der unwillkürlich einen Schritt zurück wich: „Hör auf, allen was vorzumachen. So betrunken, wie Du vorgibst, bist Du gar nicht gewesen!“ Der Cowboy musterte sein Gegenüber mit aufkeimender Skepsis. Worauf zum Teufel wollte sie hinaus. Sie war sichtlich erregt und konnte ihre Anspannung nur schwer verstecken. Das rote Haar fiel wie ein Wasserfall aus Feuer auf ihre Schultern, die sich mit jedem Atemzug heftig hoben und senkten. Ihr Gesicht glühte vor wilder Entschlossenheit und ihre wunderschönen Augen funkelten wie schwarze Opale. Ihr gertenschlanker Körper war mit einem dunkelgrünen, hautengen Overall bekleidet, der ihre Kurven und Rundungen besonders gut zur Geltung brachte. Sicherlich war das ihr Outfit, welches sie für gewöhnlich unter dem Kampfanzug trug. „Na und wenn schon“, was tat es zur Sache, wie viel er an diesem Abend tatsächlich im Kahn gehabt hatte, „Tatsache ist doch nun mal, dass nichts zwischen uns gelaufen ist.“ „Nein, Tatsache ist, dass etwas gelaufen wäre, wenn Saber nicht dazwischen geplatzt wäre. Du hast genau gewusst, was Du tust und warst bereit, aufs Ganze zu gehen. Und Deiner Frau erzählst Du, dass Du doch eigentlich gar nicht auf Rothaarige stehst und dass nur das böse Bier an allem Schuld war“, schnaubend holte Christa Luft, gab Colt aber keine Gelegenheit, sich zu verteidigen, „und den anderen beiden gegenüber machst Du ständig Deine Witzchen, so als wenn das alles nur ein dummer Scherz gewesen wäre. Und ich stehe als blöde Gans daneben, die sich bei dem Versuch, Dich zu verführen die Finger verbrannt hat! Weißt Du, wie sehr Du mich damit demütigst?“ Colt fehlten die Worte. Verzweifelt rang er die Hände und suchte nach einer Erklärung, nach einer guten Ausrede, um dieses Gespräch zu beenden. Das führte doch zu nichts: „Du übertreibst maßlos…“ sein Blick fiel ungewollt wieder auf ihren wohlgeformten Körper und er bekam das Gefühl, vor Hitze verglühen zu müssen. „Nein, tue ich nicht!“ für einen Moment starrten sich die Kontrahenten wild an, aber Christa konnte dem Blick nicht standhalten und sah schließlich zu Boden. „Was genau willst Du eigentlich?“ erst jetzt bemerkte Colt, dass der Lieutenant keine Schuhe trug. Ihre nackten schmalen Füße waren perfekt geformt und gekrönt mit scharlachrot lackierten Nägeln. „Dass Du endlich ehrlich bist!“ Colt riss sich von Christas Füßen los und konzentrierte sich wieder auf ihr attraktives Gesicht: „Ich bin froh, dass an diesem Abend nichts passiert ist, okay! Ist es das? Bist Du nun zufrieden?“ „Du kapierst es immer noch nicht, oder“, die junge Frau kam noch näher an ihn heran und bohrte ihm den Zeigefinger in die Magenkuhle, „gib endlich zu, dass Dir Deine Frau an dem Abend völlig egal war. Damit ich mich selber wieder im Spiegel anschauen kann und weiß, dass ich nicht allein Schuld an dieser blöden Geschichte war.“ Energisch langte Colt nach dem Finger, den Christa anklagend in seine Haut gegraben hatte: „Hör auf, ständig mit dem Finger auf mich zu zeigen, kapiert“, er umschloss ihre Hand mit eisernem Griff, „ich liebe meine Frau und würde sie niemals betrügen, ist das klar!“ ihr Oberkörper drängte sich hart an seinen und er konnte die Wärme ihrer Haut spüren. „Gib doch endlich zu, dass Du es wolltest“, Christa fühlte seinen erregten Atem auf ihrer Wange, „dass wir es beide wollten…“ die letzten Worte kamen nur noch als gehauchtes Flüstern über ihre Lippen. Ihr ganzer Körper pulsierte mit jedem Schlag ihres Herzens und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete sie, dass Colt sie vor Abscheu von sich stoßen würde. Doch plötzlich schoss seine rechte Hand nach oben, legte sich fest um ihren Nacken und zog ihren Kopf ganz nah zu sich heran: „Ja, ich will Dich…“ knurrte er unbeherrscht und im nächsten Moment spürte Christa, wie sich seine Lippen fordernd auf die ihren pressten. Er ließ ihre Hand los und wand den frei gewordenen Arm um ihre schlanke Taille. Willenlos ergab sich Christa ihrer aufbrodelnden Leidenschaft und drängte ihr Becken an den Oberschenkel des Cowboys. Sie spürte, wie sich seine Zunge verlangend zwischen ihre Lippen schob und wie berauscht ihren Mund erkundete, als sie ihm den Zugang gewährte. Die aufs Äußerste gereizten Sinne raubten ihr den Verstand. Alles um sie herum hatte mit einem Mal die Bedeutung verloren, es gab nur noch sie und Colt und diesen herrlichen Kuss. So leidenschaftlich hatte sie noch nie zuvor einen Mann erlebt. Völlig im Rausch der Ekstase schlang sie ihre Arme um seinen nackten Oberkörper und krallte die Fingernägel in seinen Rücken. Ihre Zunge fand die seine und elektrisierende Stromschläge zuckten durch ihren Magen. Alles in ihr schrie nach diesem Mann. Ihre Fingernägel hinterließen blutige Striemen auf seiner Haut und Colt stöhnte leise auf. Sie wollte ihm Schmerzen zufügen und bettelte gleichzeitig danach, er möge das gleiche mit ihr tun, weil sie fürchtete, diesem Wahnsinn sonst nicht länger standhalten zu können. Unruhig verlagerte der Cowboy das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und geriet dabei ins Trudeln. Er verlor das Gleichgewicht und stolperte unsanft nach vorne. Christa schlug hart gegen die Wand und Colt konnte sich gerade noch im letzten Moment mit der linken Hand daran abstützen, bevor er sie mit seinem Körper halb erdrückt hätte. Seine andere Hand hatte sie nach wie vor fest im Nacken gepackt. Schwer keuchend starrten sich die beiden an. Wogen der Erregung brandete durch ihre Körper und betäubten jeden klaren Gedanken. „Für den Fall, dass wir hierbei draufgehen sollten“, flüsterte Colt schwer atmend und streichelte sanft mit dem Daumen ihren Hals, „will ich das hier um nichts in der Welt verpasst haben!“ erneut küsste er sie heiß und hingebungsvoll. So ein unbändiges Verlangen nach dem Körper einer Frau hatte nie zuvor von ihm Besitz ergriffen. Natürlich liebte er Robin, fand sie sexy und aufregend, aber die Wirkung, die Christa auf ihn hatte, war nicht zu beschreiben. Er spürte ihren festen Busen, der sich an seine nackte Brust drückte und musste dem Begehren widerstehen, die dünnen Träger von ihren Schultern zu schieben um zu erkunden, was sie darunter trug. Doch plötzlich schoben sich Christas Hände zwischen ihre aufgeheizten Körper und drängte ihn sanft zurück. Er wollte protestieren und sie wieder an sich ziehen, da bemerkte er, dass ihre Augen feucht schimmerten: „Was ist?“ er zog sich erschrocken zurück und starrte in das todunglücklich dreinblickende Gesicht des hübschen Lieutenants. Ihre Hand schoss so schnell vor, dass er sie kaum kommen sah. Sie traf ihn mit der flachen Seite mitten ins Gesicht und riss ihn schmerzlich zurück auf den Boden der Tatsachen. Völlig perplex berührte er die anschwellenden Striemen, die ihre Finger hinterlassen hatten: „Wofür war das?“ Christa straffte tapfer ihren zitternden Körper: „Für den Fall, dass wir hierbei nicht draufgehen!“ so würdevoll wie es ging, wischte sie sich die Tränen fort und verließ fluchtartig den Raum, ohne Colt noch einmal anzusehen. Entgeistert starrte der Cowboy ihr hinterher. Das Blut rauschte noch immer in seinen Ohren und sein Körper bebte vom Adrenalinschub, den der leidenschaftliche Kuss in ihm ausgelöst hatte. Doch dann griff er nach seiner Dose Rasierschaum, das erstbeste, was ihm unter die Finger gekommen war, und schmiss sie mit einem unkontrollierten Wutschrei an die Wand. Was hatte er nur getan? Aufgebracht fuhr er sich durch die nassen Haare, krallte sich in den drahtigen Locken fest und zog daran, bis der Schmerz kleine Blitze durch seinen Schädel schickte. Ein weiterer Wutschrei entrang sich seiner Kehle: „Herrgott, ich bin der größte Hornochse, der rumläuft!“ wie von Sinnen drehte er sich um die eigene Achse, die Hände zu Fäusten geballt und suchte nach einer Möglichkeit, die aufkeimende Wut abzulassen, bevor sie ihn erstickte. Da er so schnell kein weiteres Wurfgeschoss finden konnte, schlug Colt seine Fäuste mit voller Wucht gegen die Stahlwand, an der eben noch Christa gelehnt hatte. Er hatte sie geküsst, hatte völlig die Kontrolle verloren. Was hatte er sich nur dabei gedacht. Verzweifelt presste er die heiße Stirn an das kühlende Metall: „Aarrr, ich bin so ein verdammter Idiot!“ selbstgeißelnd schlug er nun sogar seinen Kopf gegen die Wand, immer und immer wieder bis ihm schwindelig wurde. Dann drehte er sich erschöpft um und lehnte sich mit dem Rücken an. Die Kratzwunden auf seinem Rücken brannten, als seine Haut das Metall berührte: „Oh man, wieso? Wieso?“ jetzt stiegen auch ihm Tränen in die Augen. Tränen der Wut und Enttäuschung. Er hatte Robin betrogen, die Frau, die es eigentlich verdient hatte, dass man ihr jeden Stern einzeln vom Himmel holte. Wie konnte er ihr je wieder unter die Augen treten? Gestern erst hatte er ihr noch hoch und heilig geschworen, wie sehr er sie liebte und dass er keine andere Frau mehr auch nur ansehen würde. Und gerade eben war er wie ein läufiger Hund über Christa hergefallen. Er spürte noch immer die Berührung ihres Körpers auf seiner nackten Haut, schmeckte ihren Mund, wenn er sich die Lippen leckte. „Nein, nein, nein, nein…“ verzagt trat er rücklings gegen die Wand. Das durfte er nicht. Wenn er nicht alles noch schlimmer machen wollte, durfte er nicht einmal mehr an sie denken. Weder an ihre wohlgeformte Oberweite, noch an den Geschmack ihrer Haut und erst recht nicht an das Temperament, das sie beieinander hervorgerufen hatten. Aber er konnte nicht anders, die eben erlebten Gefühle waren zu mächtig und noch zu allgegenwärtig, als dass er sie jetzt einfach zu verdrängen vermochte. Christa hatte verlangt, dass er ehrlich zu sich selbst sein sollte, doch was hieß das? Colt wusste nur, dass er diese junge Frau mit jeder Faser seines Körpers begehrte, ja geradewegs vor Begierde verbrannte, andererseits aber den Gedanken kaum ertragen konnte, was er Robin soeben angetan hatte. Er erkannte sich selbst nicht wieder. Der Cowboy konnte sich nicht daran erinnern, dass er je eine Frau grob angefasst hatte, schon gar nicht die zarte und zerbrechliche Robin. Aber bei Christa hatte er das unauslöschliche Verlangen gehabt, seine Zähne in ihre Schultern zu senken, ihren Hals noch fester zu packen und sie noch härter und fordernder zu küssen, als er es sowieso schon getan hatte. Er war wirklich kurz davor gewesen, ihr absichtlich weh zu tun, um sein Verlangen zu bändigen. Und Christa war es ähnlich ergangen, die Spuren, die ihre Fingernägel auf seinem Rücken hinterlassen hatten, sprachen eine eindeutige Sprache. Es hatte sich so gut angefühlt, so vollkommen. Und trotzdem war es so falsch und so verboten gewesen. Colt war innerlich wie zerrissen. Wie konnte es sein, dass man die eine Frau so sehr liebte, dass man den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte, aber eine andere Frau, die sich im Charakter und im Wesen so sehr von der ersten unterschied, so begehrenswert fand? „Colt!“ Fireballs ungeduldige Stimme schallte draußen den Flur entlang und eilig nahende Schritte kündigten an, dass der Freund jede Sekunde hier hereinplatzen würde. Panik ergriff den Cowboy. Der Rennfahrer durfte auf keinen Fall die Kratzer auf seinem Rücken sehen. Hastig griff er nach seinem Shirt, das noch immer über den Handtüchern hing und schlüpfte hinein. Dann ließ er einen flüchtigen Blick durch den Raum wandern und befand, dass später noch genug Zeit bleiben würde, die Dose Rasierschaum wieder an ihren Platz zu stellen. Noch einmal tief durchgeatmet und auf in den Kampf! Mit einem gezwungenen Lächeln trat er hinaus auf den Gang und wäre beinahe mit Fireball zusammengeprallt, der eine äußerst säuerliche Miene zur Schau stellte: „Du bist zu spät. Wenn Du nicht willst, dass Saber wieder einen Tobsuchtsanfall bekommt, schwingst Du Dich jetzt schleunigst in Deinen Kampfanzug und kommst nach oben“, er musterte den Freund mit unverhohlener Neugier, „was hast Du überhaupt so lange im Bad getrieben?“ „Nur’n bisschen getrödelt“, Colt fühlte sich äußerst unbehaglich in seiner Haut und zwängte sich deswegen schnurstracks an Fierball vorbei, „bin in zwei Minuten da!“ „Na hoffentlich!“ der junge Star Sheriff verfolgte misstrauisch, wie sein Freund sich verlegen in sein Zimmer zurückzog: „Ach Colt“, der braune Lockenkopf reckte sich mit fragendem Blick noch einmal zur Tür hinaus, „solltest den Lippenstift abwischen, die Farbe steht Dir nicht!“ Christa hielt den Blick starr auf ihren Monitor gerichtet, als Colt endlich in voller Kampfmontur auf der Kommandobrücke erschien. Sie verspürte im Moment nicht das mindeste Verlangen, in diese so unschuldig anmutenden braunen Augen zu schauen. Nnicht nach dem, was im Waschraum vorgefallen war. Ihre Gefühle schlugen noch immer Purzelbäume und der Stich, den der Star Sheriff ihr mit seiner laxen Art versetzt hatte, hatte sich tief in ihr Herz gebohrt und verursachte unbeschreibliche Schmerzen. „Für den Fall, dass wir hier draufgehen…“ seine Worte hallten noch immer in ihrem Gedächtnis nach. Damit hatte er unmissverständlich klar gestellt, was für einen Stellenwert die ausgewachsene Flirterei zwischen ihnen für ihn einnahm. Natürlich wusste Christa, dass sie ihm gefiel, das hätte selbst ein Blinder mit Krückstock bemerkt. Sie war der Typ Frau, der den Cowboy provozierte, eine Herausforderung für seinen ausgeprägten Jagdtrieb darstellte. Und wenn sie dem Treiben vorhin kein Ende gesetzt hätte, wäre er mit Sicherheit bis zum Äußersten gegangen, um sein männliches Ego zu ergötzen. Aber anschließend wäre der Spaß für ihn vorbei gewesen. Er hatte kein weitreichenderes Interesse an ihr und würde sie nach dieser Mission sicherlich auch nicht wiedersehen wollen. Sie war nichts weiter als eine nette kleine Abwechslung vom wahrscheinlich recht tristen Ehealltag. Hatte sie sich denn tatsächlich eingebildet, Colt könnte mehr als nur freundschaftliche Empfindungen für sie hegen? Nur weil er auf ihren gut gebauten Körper so reagierte, wie es jeder andere normale Mann auch getan hätte? Genau da lag augenscheinlich der Hund begraben: der Star Sheriff war eben nicht der außergewöhnliche Mensch, den sie sich in schillernden Farben ausgemalt hatte, sondern schlicht ein Mann wie alle anderen auch. Und er würde Robin sicherlich nicht wegen irgendeiner dahergelaufenen Frau verlassen, nur weil diese vielleicht sein Blut in Wallung brachte und ihm schöne Augen machte. Sie war so dumm gewesen! Wenn sie doch nur von Anfang an auf ihren Verstand gehört hätte, der sie vor diesem smarten Cowboy gewarnt hatte. Nun hatte sie sich für nichts und wieder nichts zum Narren gemacht! „Wie schön, dass Du auch mal vorbei schaust!“ Sabers Stimme troff vor Sarkasmus, als er mit finsterem Blick verfolgte, wie Colt sich schnurstracks zu seiner Satteleinheit begab. Aus dem Augenwinkel konnte Christa erkennen, dass er bereits seinen Helm aufgesetzt hatte, der sein Mienenspiel vor den anderen verbarg. Vielleicht hatte ihre Ohrfeige einen vorerst bleibenden Eindruck hinterlassen und Colt wollte so versuchen, die roten Striemen auf seiner Wange zu vertuschen, um lästigen Fragen aus dem Weg zu gehen. Aus welchen Gründen auch immer, Christa war dankbar dafür, dass er den Helm trug, denn so musste sie wenigstens nicht den Anblick seines Antlitzes ertragen. „Ach Boss, was soll ich sagen…“ lässig hielt der Cowboy sich am Gestänge seiner Satteleinheit fest und schwang sich behände auf seinen Platz. „Lieber nichts“, Fireball betrat Ramrods Schaltzentrale, den eigenen rot-weißen Helm unter den Arm geklemmt, „kommt ja doch nur Stuss bei rum!“ im Vorbeigehen drehte er flüchtig den Kopf zu Christa und warf ihr aus anklagenden Augen vorwurfsvolle Blicke zu. Es traf die junge Frau wie ein Schlag in die Magenkuhle: der Rennfahrer wusste bereits über die Geschehnisse im Waschraum bescheid! „Wenn wir jetzt endlich vollzählig sind, können wir ja vielleicht unserem eigentlichen Job nachgehen.“ Der Säbelschwinger wartete ab, bis Fireball sich hinter der Steuerung niedergelassen hatte, bevor er seinen Helm aufsetzte und in seiner eigenen Satteleinheit Platz nahm. Durch Colts Trödelei hatten sie bereits eine Viertelstunde verloren, was den Anführer der Star Sheriffs maßlos ärgerte. Er drückte einige Tastenkombinationen an seinem Computer, um seinem Team eine kompliziert wirkende Grafik auf die Monitore zu spielen: „Was ihr hier seht“, mit einem raschen Blick versicherte er sich, dass alle drei ihren Bildschirm beobachteten und er nun ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, „ist das Koordinatensystem, dass wir anhand der Technik des gekaperten Outriderschiffes entwickeln konnten. Es ist mit Sicherheit fehlerhaft und wird nicht mit den tatsächlichen Begebenheiten, die uns in der Phantomzone erwarten übereinstimmen. Aber trotzdem haben wir so die Möglichkeit, den Ursprung des abgesetzten Funkspruches relativ genau zu lokalisieren.“ „Na prima, wir suchen also mal wieder die Nadel im Heuhaufen!“ Saber versuchte Colts unqualifizierten Kommentar zu ignorieren: „Sobald wir den Dimensionssprung hinter uns gebracht haben, wird es unser oberstes Ziel sein, eben diesen Ursprungspunkt auszumachen und zu überprüfen. Die Daten sind bereits in das Maverick-Navigationssystem eingespielt, und wenn die noch unbekannten atmosphärischen Zusammensetzungen keine Auswirkungen auf unsere Systeme haben…“ „Wenn?“, der Cowboy musste einen gequälten Lacher unterdrücken, „wenn mich nicht alles täuscht, spielen wir mal wieder russisches Roulette, oder wie?“ „Man, Colt“, Fireball wandte den Kopf nach rechts zu seinem Partner, „das sind alles Sachen, die Saber uns mittlerweile schon hundert Mal erzählt hat. Jetzt tu also nicht so, als würdest Du nur Bahnhof verstehen!“ in seiner Stimme schwang eine ungewöhnliche Schärfe mit. Saber wusste nicht, ob der junge Heißsporn aufgrund des bevorstehenden Sprungs in die Phantomzone angespannt war, oder ob er sich mal wieder einen kleinen Privatkampf mit dem Cowboy geleistet hatte, der nun seine Nachwirkungen zeigte. Auf jeden Fall war er dankbar für die unerwartete Unterstützung: „Danke, Fireball!“ „Streberischer Klugscheißer!“ grummelte Colt ungehalten vor sich hin, verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar und auch Fireball stieg nicht auf das Wortgefecht ein. „Also wenn unsere Systeme den Sprung unbeschadet überstehen“, nahm Saber den Faden unwirsch wieder auf, „und auch sonst durch keine Störfaktoren beeinträchtigt werden, sollte es uns innerhalb kürzester Zeit gelingen, das Ziel zu erreichen. Da wir nicht wissen, was uns dort drüben tatsächlich erwartet, ist äußerste Vorsicht angesagt. Vielleicht treffen wir auf einen verlassenen Planeten, aber wenn wir auf feindliche Einheiten treffen sollten…“ „Werden wir diese eliminieren, wie Commander Eagle befohlen hat!“ vollendete das jüngste Mitglied der Star Sheriffs den Satz. Die Worte waren ihm trotz ihrer schwerwiegenden Bedeutung spielend leicht über die Lippen gekommen. Wenn es nach Fireball gegangen wäre, hätten sie bereits am Abend zuvor den Sprung gewagt. Er konnte es nicht erwarten, endlich herauszufinden, was es mit diesem mysteriösen Funkspruch wirklich auf sich hatte. „Tut mir aber bitte den Gefallen, Jungs, und ballert nicht wie wild auf alles, was sich bewegt!“ „Aye, Boss!“ der Rennfahrer hob zum Zeichen des Verständnisses den linken Daumen. „Hast Du mich auch verstanden, Colt?“ die Ungeduld in Sabers Stimme wuchs langsam aber beharrlich an. Wenn der Cowboy so weitermachte, würde er ihm noch selbstpersönlich mit einem gezielten Schuss das Gehirn aus dem Schädel pusten. „Klar hab ich Dich verstanden, Partner“, Colt verschränkte maulend die Arme, weil er es unfair fand, dass Saber ihn natürlich wieder besonders auf dem Kieker hatte, „hab ja nichts mit den Lauschlappen nicht.“ Hätte der Säbelschwinger nicht bereits seinen Helm aufgehabt, wäre er sich mit Sicherheit mit den Fingerspitzen über die Nasenwurzel gefahren, um seinen Geist zur Ruhe zu rufen. Er atmete tief durch und hoffte, dass sein aufkeimender Zorn davon verrauchte. Sie hatten keine Zeit, um sich überflüssigen Diskussionen um Ordnung und Disziplin hinzugeben. Besonders da Saber genau wusste, dass seinen mahnenden Worte an dem Cowboy abprallen würden, wie Waffenprojektile an einer schusssicheren Weste. „Nun gut, Ihr wisst alle, was zu tun ist! Dann trödeln wir nicht weiter herum und machen uns bereit für den Sprung in die Phantomzone“, er ließ seine Finger über die Tastatur fliegen und auf den Bildschirmen der anderen erschienen wieder die üblichen Anzeigen ihrer jeweiligen Systeme: „Maverick-Navigationssysteme bereit?“ „Bereit!“ Christas Stimme zitterte vor Anspannung, als sie die Befehle an ihren Computer weitergab, die sie in den letzten Tagen wieder und wieder und wieder simuliert hatte. Sie betete, dass sie nun, da der Ernstfall eintrat, keinen Fehler begehen würde. „Maverick-Steuersysteme bereit?“ „Mehr als bereit, Boss!“ grimmige Entschlossenheit klang aus Fireballs Worten. Geübt zündete er die abgeschalteten Triebwerke, deren gewaltige Kraft den Kampfkoloss für einige Augenblicke erzittern ließ. Dann gab der Rennfahrer vollen Schub auf die Turbos und Ramrod schoss seinem ungewissen Schicksal entgegen. „Gut“, Saber aktivierte das neu integrierte Dimensionssprung-System, welches sie auf direktem Weg in die Phantomzone bringen sollte, „Maverick-Feuerleitstand bereit, Colt?“ Der Cowboy konnte es sich nicht verkneifen, seine Bereitschaft anhand einer kleinen Demonstration zu veranschaulichen. Sicher schloss er beide Hände um die Feuerkontrollen und zog den linken Zeigefinger schnell dreimal hintereinander durch. Eine Hitzewelle durchflutete das Cockpit, als drei Stafetten Langstreckenraketen aus den Hauptgeschützen des Kampfschiffes donnerten und in den weiten des Alls verschwanden: „Ist die Erde eine Scheibe, oder was?“ zufrieden bemerkte Colt, dass sich zwei der eingebauten Wärmeaustauscher automatisch aktivierten und für ausgleichend kühle Luftzufuhr sorgten. „Vielen Dank für dieses beeindruckende Schauspiel!“ Saber enthielt sich eines Kommentars hinsichtlich der mangelnden Notwendigkeit von Munitionsverschwendung. Fireball hingegen konnte mit seiner Meinung zu diesem idiotischen Gehabe nicht hinter dem Berg halten: „Wenn Du so weitermachst, Nummer eins, werden wir die Phantomnasen nur noch mit Kieselsteinen bombardieren können. Es sei denn natürlich, Du willst Ihnen ein paar von Deinen unheimlich komischen Witzen erzählen und sie lachen sich tot.“ „Ein bisschen Spaß wird ja wohl erlaubt sein, oder?“ „Meinst Du nicht, dass Du Deine Portion an Spaß bereits mehr als ausgeschöpft hast?“ sie war erschrocken, als diese Worte aus ihr herausplatzten, aber Christa hatte es einfach nicht mehr mit anhören können, wie selbstgefällig der Cowboy hier schon wieder den großen Mann markierte. „Schluss jetzt mit dem Unsinn“, fällte Saber ein Machtwort, bevor die Situation eskalierte, „ich werde jetzt den Sprungprozess einleiten. Hat noch jemand etwas Wichtiges zu sagen?“ Colt räusperte sich demütig: „Ob ich noch mal kurz für kleine Königstiger…?“ „Zehn, neun…“ ungerührt hatte Saber den Startknopf gedrückt und zählte nun den Countdown herunter. „Wohl eher nicht.“ Colt lehnte sich erwartungsvoll in seinem Sitz zurück. „…sieben, sechs…“ „War mir eine Ehre, mit Ihnen geflogen zu sein, Gentlemen!“ „Dito Lieutenant“, im Angesicht der Gefahr war Fireballs Wut auf Christa mit einem Schlag wie weggeblasen, „wir sehen uns auf der anderen Seite.“ „…zwei, eins…“ Sabers Stimme erstarb im ohrenbetäubenden Getöse des einsetzenden Chaos. Ein metallisches Kreischen, als hätte ein Riese den Stahlgiganten in die Finger bekommen und versuchte jetzt, ihn in der Mitte durchzureißen, schallte durch das Cockpit, begleitet von gigantischen Druckwellen, die den Star Sheriffs die Luft zum Atmen nahmen. Grelle Explosionen tauchten alles in ein stechend gleißendes Licht, gleich einem ganzen Raum voller Schwarzpulver, in den man unachtsam eine Zigarette geworfen hatte. Fireballs Kopf drohte vor unsagbaren Qualen jede Sekunde zu bersten. Er versuchte, schützend die Arme um den Helm zu legen, aber sein ganzer Körper verkrampfte sich bei den Höllenqualen, die er zu erleiden hatte. Er brüllte auf, aber sein Schrei verhallte in dem bestialischen Getöse. Und im nächsten Moment glaubte er, ein klaffendes Loch hätte sich in seinen Unterlaib gesprengt, das alles mit einer unglaublichen Kraft ansog und verschluckte. Seine Eingeweide, seine Muskeln, sein Gewebe, ja selbst sein Gehirn. Eine überwältigende Übelkeit ergriff ihn, während um ihn herum noch immer das tumultartige vermeintliche Ende der Welt tobte. Sein Kreislauf versagte augenblicklich den Dienst und Fireball wurde in einen tödlichen Strudel gerissen, der ihn an den Rand der Bewusstlosigkeit führte. Eine Detonation erfasste das Schiff und schleuderte es in einem hellgrünen Blitz nach vorne. Der Rennfahrer glaubte, das ganze Universum würde auf ihn einstürzen und ihn erdrücken, doch dann war mit einem heftigen Rucken plötzlich alles vorbei. Benommen reckte Fireball den Kopf um zu testen, ob er auch wirklich noch fest auf seinen Schultern saß. In seinen Ohren tönte ein durchdringender Pfeifton und das unbestimmte Gefühl ergriff ihn, dass sein Magen kurz davor war, das kürzlich eingenommene Frühstück wieder von sich zu geben. „Seid Ihr okay?“ Sabers Frage war mehr Stöhnen als alles andere gewesen. Der Rennfahrer wandte ihm vorsichtig den Kopf zu und nickte behutsam: „Ich glaub, ich wurde gerade von einer Dampfwalze platt gemacht…“ er griff nach seinem Helm und zog ihn mit Bedacht vom Kopf, um die stechenden Schmerzen hinter seinen Schläfen zu lindern. Erleichtert nahm er einen tiefen Atemzug, „man, was für ein Höllenritt.“ Neben sich nahm er ein undeutliches Ächzen wahr: „Ich glaub, ich muss gleich kotzen!“ Colt ließ seinen Helm achtlos zu Boden fallen. Sein Gesicht war kreidebleich und auf seiner Stirn hatten sich winzige Schweißtropfen gebildet. Flach keuchend war er tief in seinen Sitz gesunken, die Hände schützend über seinem Magen verschränkt. „Christa?“ Saber schaute sich besorgt um, weil die junge Frau sich bislang nicht gerührt hatte, aber sie schien unverletzt. Ihre Arme hingen schlaff an den Seiten ihrer Satteleinheit herunter, anscheinend hatte sie es noch nicht fertig gebracht, sich ihres dunkelgrünen Helms zu entledigen. Wie in Zeitlupe reckte sie aber den rechten Daumen in die Höhe, um ihrem Anführer zu signalisieren, dass sie soweit in Ordnung war. Langsam kamen Fireballs Lebensgeister wieder zu sich: „Ich hoffe nur, dass mich die Outrider erwischen“, er streckte probehalber ein Bein aus, um zu sehen, wie schmerzhaft diese Bewegung sein würde, „das Rückfahrticket kauf ich mir jedenfalls nicht!“ überraschender Weise waren die Schmerzen zu ertragen. Es war eher ein Gefühl, als hätte er am Tag zuvor exzessiven Sport betrieben und würde nun mit dem Muskelkater kämpfen müssen. „Wollen wir mal hoffen, dass sie sich damit noch ein wenig Zeit lassen“, angeschlagen zog Saber sich am Metallgehäuse seiner Satteleinheit nach oben und kam wackelig auf die Beine, „im Moment geben wir sicherlich ein sehr passables Ziel ab.“ „Scheiße…“ alle Blicke richteten sich auf Colt, der es plötzlich sehr eilig hatte, von seinem Sitz aufzustehen. Seine Gesichtsfarbe war von kalkweiß zu giftgrün gewechselt und mit den ungelenken Schritten eines neugeborenen Kalbs taumelte er so schnell es ging in Richtung der Treppe, beide Hände in wilder Verzweiflung vor den Mund gepresst. Unter normalen Umständen wäre Fireball in schallendes Gelächter ausgebrochen, konnte so aber nur ein amüsiertes Krächzen von sich geben: „Nicht vergessen, hinterher aufzuwischen!“ „Was machen Deine Systeme, Christa, alles noch intakt?“ Saber wankte zu der jungen Frau hinüber, die noch immer reglos auf ihrem Platz verharrte, jetzt aber endlich müde ihren Helm abnahm: „Tschuldige, Boss, aber die Systeme sind mir im Moment echt egal. Ich versuche gerade herauszufinden, ob ich noch am Leben oder schon in der Hölle angekommen bin!“ ihre Stimme klang müde aber trotzdem ein wenig schnippisch, was Fireball durchaus verstehen konnte. Dieser Dimensionssprung war wohl das übelste, was er je erlebt hatte und entsprechend stand ihm der Sinn nur nach seinem Bett und nicht nach der Funktionalität der Maverick-Systeme. Christa war eine zart gebaute Frau und hatte sicherlich noch mehr unter den Nachwirkungen des Sprungs zu leiden. „Mag sein, aber wir könnten hier mitten auf dem Präsentierteller liegen“, aufmunternd legte Saber ihr eine Hand auf die Schulter, „wir müssen uns so schnell wie möglich orientieren wo wir sind. Im Moment sind wir völlig schutzlos.“ Ein müdes Anzeichen von Verständnis zeichnete sich in den matten Zügen des Lieutenants ab, als sie ergeben nickte und dann einige Knöpfe auf der Konsole vor ihr drückte: „Scheint soweit alles in Ordnung zu sein, jedenfalls kann ich keine Unregelmäßigkeiten entdecken.“ Fireball wusste, dass die nächste Frage ihm gelten würde, also startete er einen kurzen Systemscheck: „Hier ist auch alles soweit okay, glaub ich“, gebannt beobachtete er die vielen Abfragen, die nach und nach erst orangefarben blinkten und dann zu grün umschlugen, „bislang keine Störungen.“ „Gut“, Saber nickte ihm dankbar zu, „behalt das aber weiter im Auge, wir wollen später keine bösen Überraschungen erleben.“ „Geht klar“, Fireball hörte hinter sich ein röchelndes Husten und drehte sich grienend um, „wo wir gerade bei den bösen Überraschungen sind… wer hat jetzt die schlechten Cornflakes gefuttert, Cowboy, hä?“ er warf seinem Partner, der sich erschöpft aufs Treppengeländer stützte, einen hämischen Blick zu. „Matchbox, wenn ich nicht gerade dem Teufel von der Schippe gesprungen wäre, könntest Du jetzt Dein blaues Wunder erleben.“ Colt legte sich wehleidig eine Hand auf den Bauch und schlich dann ziemlich kleinlaut zurück zu seiner Satteleinheit. „Hast Dir wohl noch mal den Sprung durch den Kopf gehen lassen, wie?“ der Rennfahrer fühlte sich zusehends besser und kostete den kleinen Triumph in vollen Zügen aus. Ein leises Prusten aus seinem Rücken verriet ihm, dass Christa sich ebenfalls auf dem Weg der Besserung befand. Colt lehnte sich ausgezehrt gegen seine Satteleinheit und warf Fire einen missgünstigen Blick zu: „Ja, mach Du nur Deine schäbigen Witze, Amigo, werde Dich dran erinnern, wenn ich Dich das nächste Mal aus der Patsche hauen muss.“ „Colt, wie lautet Dein Schadensbericht?“ Ungläubig starrte der Cowboy den blonden Schotten an, der sich augenscheinlich bereits von dem Sprung erholt hatte und seinen Blick mit stoischer Ruhe erwiderte: „Hey, ich habe gerade den weißen Gott aus Porzellan angebetet, woher soll ich wissen, wie der Schadensbericht lautet?“ das war doch wirklich nicht zu glauben. „Dann würde ich vorschlagen, Du gehst Deiner versäumten Pflicht nach und holst ein paar Erkundigungen ein.“ „Ist ja schon gut“, biestig ließ Colt sich seitlich auf seinen Platz sinken und überflog so konzentriert es ging die Statusanzeigen der einzelnen Waffensystem, „hättest Oberaufseher im Knast werden sollen!“ Saber überging diesen bissigen Kommentar und stellte sich mit verschränkten Armen vor die große Glasfront. Sie hatten es tatsächlich geschafft, vor ihnen erstreckten sich die düsteren Weiten der Phantomzone. Eine undurchdringliche Schwärze griff nach Ramrod und zog ihn samt Besatzung in seinen alles verschluckenden Schlund. Bei dieser Vorstellung kroch eine leichte Gänsehaut über den Körper des Säbelschwingers. Er konnte sich nur wage an seinen ersten und bis dato einzigen Trip in die Phantomzone erinnern. Damals war er bei der Verfolgung eines Outrider-Schiffes mit in diese Dimension katapultiert worden, aber seine Materialisierung hatte nahe einem großen Planeten stattgefunden. Eine kleine orangefarbene Sonne hatte ihre Strahlen gespendet und alles in ein beinahe warmes, wenn auch diffuses Licht getaucht. Von dieser abstrusen und leeren Dunkelheit hatte er damals nichts ahnen können. Wohin er jetzt auch blickte, er konnte keinen Stern, keinen Planeten, keine Sonne, ja nicht einmal einen kleinen Mond ausmachen. Es war, als würden sie mit Ramrod in schwarzer Tinte schwimmen. Christa erschien mit fahlhäutigem Gesicht und angstvollem Blick in den Augen neben ihm: „Das ist sie also?“ Saber bemerkte, dass auch sie versuchte, in diesem Dickicht aus Nichts ein Zeichen von Leben zu entdecken. Fröstelnd rieb sie sich die Oberarme, obwohl auf der Kommandobrücke weit mehr als 20° herrschten. Der Sprung hatte die Maverick-Systeme an ihre Grenzen gebracht und sie dabei enorm aufgeheizt. „Nicht besonders einladend, oder“, Fireball ließ für einen Moment seine Anzeigen außer Acht und gesellte sich zu den anderen beiden, „da kann man schon verstehen, dass es den Jungs hier nicht so sonderlich gut gefällt!“ „Es ist gespenstisch!“ instinktiv rückte Christa ein Stück näher an den Rennfahrer heran und lehnte sich zaghaft an dessen Schulter. Eine Handlung, die Colt nicht verborgen blieb. Etwas Unangenehmes begann sich in seinem Inneren zu regen, als er mit ansah, wie Fireball kameradschaftlich den Arm um die junge Frau legte und sie tröstend an sich zog. Und sicherlich hatte dieses Etwas nichts mit seinen vorangegangenen antiperistaltischen Magenbewegungen zu tun: „Papperlapapp, da muss doch nur mal einer die Taschenlampe anknipsen!“ in Erwartung einer Reaktion taxierte er Christa mit gerunzelter Stirn. Wenn sie unbedingt einen Beschützer brauchte, musste sie sich nun wirklich nicht den Grünschnabel aussuchen. Leider war dieser aber der einzige, der Colts Blick erwiderte: „Dann sag doch dem Mann im Mond bescheid, dass er mal den Schalter umlegen soll!“ Überrascht nahm Fireball den drohenden Ausdruck in den Augen des Cowboys wahr. Was um alles in der Welt hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Im Moment war wirklich kein leichtes Auskommen mit dem Scharfschützen. „Hast Du nicht noch irgendwelche grünen Lämpchen zu beobachten, Partner?“ sein Blick huschte für den Bruchteil einer Sekunde zu Christa hinüber und in diesem Moment ging Fireball ein Licht auf. Es gefiel Colt anscheinend nicht, dass er den Lieutenant im Arm hielt und er wollte mit dieser Drohgebärde seine Besitzansprüche an der jungen Frau geltend machen. Wenn er wegen einer harmlosen Umarmung bereits so heftig ansprang, steckte hinter der kleinen Knutscherei im Bad wohl doch mehr, als Fireball befürchtet hatte. Sicherlich war ihm äußerst unwohl bei der Vorstellung gewesen, dass der Cowboy und Christa trotz Sabers klarer Anweisung nicht die Finger voneinander gelassen hatten, aber jetzt festzustellen, dass wohl weitaus mehr im Spiel war, als nur ein paar fehlgeleitete Hormone, war ein Schlag unter die Gürtellinie. Konnte es sein, dass sein Freund dabei war, ernsthafte Gefühle für diese Frau zu entwickeln? Wo doch die Liebste von allen zu Hause in ihrem gemütlichen Heim auf seine Rückkehr wartete und sich die größten Sorgen um sein Wohlergehen machte? „Keine Sorge“, Fireball nahm den Arm von Christas Schulter und begab sich zurück zu seinem Platz, „pass Du lieber auf, dass bei Dir nichts anbrennt!“ eine Anspielung, die der Cowboy nur zu gut verstand: „Ich sage Dir rechzeitig bescheid, wenn ich Hilfe beim Löschen brauchen sollte, comprende?“ Mit einer Mischung aus wachsendem Unmut und aufkeimender Sorge verfolgte Saber das kleine Geplänkel zwischen den beiden männlichen Mitgliedern seiner Crew. Was auch immer kurz vor dem Sprung in die Phantomzone vorgefallen sein musste, ihm war es leider entgangen. Allerdings blieb auch keine Zeit, sich jetzt mit dieser Thematik zu befassen. Sie hatten das Primärziel ihres Auftrages erreicht, nun war es daran, sich mit der Erfüllung des nächsten auseinander zu setzen. „Christa“, aufmunternd lächelte er der jungen Frau zu, die angesichts der öden Leere um sie herum noch immer sehr verloren wirkte, „würdest Du bitte die Koordinaten für unseren Zielsektor anvisieren. Ich möchte uns so schnell wie möglich aus dieser Suppe heraus haben.“ Er selber machte sich daran, die Maverick-Ortungssysteme auf die neue Umgebung zu kalibrieren. Wenn es in der näheren Umgebung das kleinste Anzeichen auf die Existenz eines Himmelskörpers gab, so würde er dieses bald wissen. „Ziel ist erfasst, Saber“, Christas Stimme hatte ihre Zuversicht zurückgewonnen, „der Sprung war ziemlich gut kalkuliert. Wir werden den geplanten Sektor in weniger als einer Stunde erreichen – was auch immer wir dann dort finden werden!“ es mochte sein, dass die Wissenschaftler auf Yuma mit ihren Berechnungen völlig daneben gelegen hatten und die Star Sheriffs unter den angegebenen Koordinaten nichts anderes als noch mehr Öde vorfinden würden. Aber die kleine Hoffnung, dass sich dort tatsächlich ein Planet und vielleicht sogar Leben befanden, gab ihr Mut. „Na, dann mal nichts wie los“, voller Tatendrang griff Saber nach seinem Helm, „Fireball, würdest Du bitte…“ „Entschuldige, wenn ich Dich unterbreche, Boss, aber wir haben da eventuell ein kleines Problem.“ Besorgt schaute der Cowboy durch Fireballs Satteleinheit zu Saber hinüber. Dessen Herzschlag setzte für eine Sekunde aus. Er hätte es wissen müssen, bislang war einfach alles viel zu glatt verlaufen: „Welche Art von Problem?“ er versuchte, seine Stimme beherrscht klingen zu lassen, um die anderen nicht unnötig zu beunruhigen. Colt tippte sachlich auf seinen Monitor: „Sieht ganz so aus, als hätte unser Baby bei der Karussellfahrt doch was abbekommen“, seine Augen waren starr auf die Fehleranalysen gerichtet, „die Kurzstreckenlaser sind ausgefallen, genauso wie die oberen Raketenlafetten.“ Sabers Gedanken überschlugen sich bei dieser Nachricht: „Aber der Rest der Waffensysteme ist funktionstüchtig?“ Colt nickte lahm: „Ich denke schon.“ „Du denkst“, nun konnte der Schotte seine Anspannung nicht länger verbergen, „wäre es wirklich zuviel verlangt, wenn Du nicht nur denken sondern Dir ausnahmsweise auch sicher sein könntest?“ Wie unter einem Schlag zuckte der Cowboy merklich zusammen: „Wollte damit nur sagen, dass laut Systemscheck alle anderen Waffen funktionieren sollten, ich mich aber nach dieser Odyssee auf nichts mehr verlassen würde, Sir!“ das letzte Wort spuckte er ihrem Anführer buchstäblich vor die Füße. Er war für die Verteidigung und den Angriff von Ramrod zuständig und fühlte sich, als hätte man ihm soeben den rechten Arm auf den Rücken gebunden und ihn dann vor ein ganzes Rudel Wölfe gestellt. Widerwillig nahm der Säbelschwinger diese kleine Rüge hin. Vielleicht hatte er für einen Moment vergessen, dass seine Crew aus zwar hitzköpfigen, aber dennoch erstklassigen Piloten bestand, die sich ähnliche Sorgen um ihre Sicherheit machten, wie er selbst: „Das heißt im Falle eines Nahkampfes wären wir…“ „Am Arsch, jawohl!“ einer Raserei nahe hieb Colt mit aller Wucht gegen die linke Waffensteuerung. Ein Schiff, das nicht in der Lage war, seinem Gegner auf kurzer Distanz Schaden zuzufügen, war so gut wie verloren. Das musste ihnen allen klar sein. „Ganz so schwarz würde ich es nicht malen, Colt. Wir haben in der Challenge-Phase immer noch die Möglichkeit…“ ein lautes Räuspern von Fireball unterbrach erneut die Worte des Schotten: „Da haben wir fürchte ich auch ein kleines Problem“, der Rennfahrer hämmerte mit nervösen Fingern auf seine Tastatur ein und machte einen ausnehmend unglücklichen Eindruck, „mit der Kampfbereitschaftsphase hat es sich ausgechallenged.“ Entsetztes Schweigen legte sich über die Kommandobrücke, in der nur das leise Klicken der Tastatur zu hören war. Fireball wollte sich wohl noch nicht mit dieser niederschmetternden Gewissheit abfinden. Saber hatte einen schalen Geschmack im Mund. Sie waren immer davon ausgegangen, dass der Dimensionssprung nicht reibungslos vonstatten gehen und das eine oder andere Problem auftreten würde, aber diese Ausfälle kamen einer Katastrophe gleich: „Bist Du hundertprozentig sicher, Fire?“ Das jüngste Mitglied der Star Sheriffs nickte beklommen. Es kam so gut wie nie vor, dass ihr Anführer ihn mit der Koseform seines Namens ansprach. Ein eindeutiges Anzeichen dafür also, dass Saber dabei war, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Und leider konnte Fireball auch nichts tun, um ihm sein Selbstvertrauen wiederzugeben: „Tut mir leid, Boss“, frustriert ließ er von den Tasten seiner Konsole ab, „ich habe es jetzt dreimal geprüft, jedes Mal das gleiche Ergebnis. Die Initialisierung der Challenge-Phase kann nicht mehr gestartet werden. Außerdem sind drei unserer Wärmeaustauscher über den Jordan gegangen…“ „So ein verdammter Mist!“ unbeherrscht trat der Säbelschwinger gegen die Innenwand seines Sitzes, eine Reaktion, die Colt und Fireball dazu brachte, sich erschrocken anzustarren. Die Emotionen, die ihr Anführer in der letzten Zeit so an den Tag legte, hatten ihren Gipfel anscheinend noch nicht in der flammenden Gardinenpredigt gefunden. „Wessen bescheuerte Idee war dieser ganze Ausflug eigentlich?“ ereiferte Colt sich in dem kläglichen Versuch, die Situation durch einen kleinen Witz zu entschärfen. Leider erfolglos. „Was machen wir denn jetzt?“ besorgt drehte Christa sich zu den drei Männern um. In ihrer Verzweiflung konzentrierte sie sich automatisch auf das Gesicht des Cowboys, der ihr ermutigend zuzwinkerte: „Kein Sorge, Süße, unserem Genie wird schon ein Ausweg einfallen“, heimlich presste er seine Hände so fest er konnte zu Fäusten zusammen, um seine Unsicherheit zu überspielen, „stimmt’s, oder hab ich Recht, Top Sword?“ „Seid mal bitte alle ruhig, ich muss nachdenken!“ es hatte ein paar Sekunden gedauert, aber nun verbarg Saber sich wieder hinter seinem unerschütterlichen Antlitz. Die Nahkampfsysteme außer Gefecht, drei Wärmeaustauscher, die für den Kampf mit den Langstreckenwaffen unabdingbar waren defekt und die Challenge-Phase funktionsunfähig. Schlimmer konnte es nun wirklich nicht mehr kommen. Wenn sie so auf feindliche Einheiten trafen, waren sie in der Tat „am Arsch“, wie Colt es so ungeniert auf den Punkt gebracht hatte. Eigentlich blieb ihnen in der augenblicklichen Lage nur ein einziger Ausweg: „Wir werden einen Platz zum Landen finden müssen. Vielleicht haben wir am Boden die Chance, wenigstens einen Teil der Schäden zu beheben. Die Ortung zeigt mir zwei Planeten an, die beide nicht weit von hier sind. Bei einem könnten wir unser Glück versuchen.“ „Kannst Du mir die Koordinaten rüberschicken, Saber?“ Christa war froh, endlich etwas tun zu können und nahm die Daten, die auf ihren Computer transferiert wurden in genauen Augenschein. Dabei machte sie eine erstaunliche Entdeckung: „Der kleinere der beiden Planeten liegt genau in dem Sektor, in dem wir auch den Ursprung des Funkspruches vermuten.“ Das konnte doch nur heißen, dass die Daten auf Yuma wirklich richtig entschlüsselt worden waren! Zu diesem Ergebnis kam auch Fireball, der mit bebender Stimme murmelte: „Dann muss die Botschaft auf diesem Planeten abgesetzt worden sein!“ versonnen starrte er in die Dunkelheit hinaus. Konnte es sein, dass auf diesem Planeten, mitten im Nirgendwo der Phantomzone, sein Vater darauf wartete, das Streitkräfte des neuen Grenzlandes auf seinen Funkspruch reagierten? So viele Jahre war er nur eine blasse Erinnerung, der Held in einer abenteuerlichen Kriegsgeschichte gewesen, und nun war er vielleicht zum Greifen nahe. „Wir wissen nicht, ob die Botschaft tatsächlich von diesem Planeten gesendet wurde.“ versuchte Saber der Euphorie des Rennfahrers einen Dämpfer zu verpassen. Wenn sie jetzt auch noch wegen Hirngespinsten den Kopf verloren, würde keiner der Star Sheriffs lebend nach Yuma zurückkehren. Aber Fireball wollte nicht so recht auf die mahnenden Worte hören: „Aber wenn die Ortung in diesem Sektor nur einen Planeten anzeigt…“ „Muss das trotzdem noch nichts heißen. Hast Du schon mal darüber nachgedacht, dass der Funkspruch auch von einem Schiff übermittelt worden sein könnte?“ Kleinlaut schüttelte Fireball den Kopf, was Saber ein flüchtiges Lächeln abrang. Er konnte ja verstehen, was in seinem Freund gerade vorgehen musste, aber einen kühlen Kopf zu bewahren war jetzt das oberste Gebot. „Welchen Planeten steuern wir an, Saber?“ Eine Frage, die der Schotte Christa nicht so ohne weiteres beantworten konnte: „Wie weit sind die beiden von unserer jetzigen Position entfernt?“ er hoffte auf eine eindeutige Antwort, die ihm bei der Entscheidungsfindung behilflich sein würde, aber die junge Frau zuckte nur gleichgültig mit den Schultern: „Ist einerlei. Beide können wir innerhalb einer Stunde erreichen, aber sie liegen beinahe in entgegengesetzten Richtungen.“ Das passte perfekt in die Abfolge von unglücklichen Umständen, der die Besatzung von Ramrod bisher ausgesetzt gewesen war. Nun hieß es für Saber die Gefahren beider Möglichkeiten abzuwägen. Wie er selbst gesagt hatte, war nicht sicher, ob es sich bei dem einen der Planeten tatsächlich um ihr ursprünglich angestrebtes Ziel handelte. Sicher war nur, dass sie Zeit einbüßen würden, wenn sie sich so weit von ihrem Ursprungskurs entfernten. Und welche der beiden Strecken sicherer war, ließ sich sowieso nicht sagen. Gewiss, für den Fall, dass der Funkspruch von diesem einen Planeten gekommen war, bestand die Gefahr, dass sie mitten in eine Falle hineinflogen. War die Nachricht andererseits von jemandem gesendet worden, der dem neuen Grenzland wohlgesinnt gegenüber stand, würden sie dort vielleicht Unterstützung bei den Wartungsarbeiten an Ramrod erhalten. Riskant war sowohl der eine als auch der andere Weg, warum also nicht die Koordinaten anfliegen, die ohnehin auf dem Plan standen. „Wir werden den Kurs beibehalten, Christa. Visier den kleineren der beiden Planeten an!“ Begeistert riss Fireball den linken Hebel in seiner Satteleinheit nach hinten und gab damit vollen Schub: „Dann haltet Euch gut fest, noch sind wir nämlich nicht aus dem Rennen!“ seine Augen leuchteten vor Spannung und seine zitternden Finger schlossen sich noch fester um die Steuerung. „So ist es, Amigo“, bestätigend gab Colt zwei Laserschüsse ab, „noch kann die Schlange beißen!“ Nur zu gern hätte Saber diese Inbrunst seiner Kameraden geteilt, aber er konnte dieses ungute Gefühl in seiner Magengegend einfach nicht verdrängen. Etwas Unheilvolles lag vor ihnen und sein Instinkt sagte ihm, dass der angenehme Teil ihrer Reise endgültig vorbei war. Kapitel 13: Highland Farewell ----------------------------- „Mylady and Gentlemen“, Fireball schob den Hebel in der linken Armkonsole seiner Satteleinheit bis zum Anschlag nach vorn, „ich schätze, wir haben unser Ziel erreicht!“ beinahe augenblicklich verringerte sich die Energiezufuhr der Turbos auf ein Minimum und die Geschwindigkeit des Schiffes wurde rapide gedrosselt. Mit gemischten Gefühlen starrte der Rennfahrer aus dem Cockpit hinaus auf den kleinen Planeten, der, von zwei weit entfernten Sonnen erhellt, wie ein Stück orangefarbenen Marmors vor ihnen in den Weiten der Phantomzone kreiste. Dunkelrote Streifen zogen sich ringsherum über dessen Oberfläche, doch es war schwer zu sagen, ob es sich hierbei um Gasverwirbelungen in der Atmosphäre des Himmelkörpers oder tatsächlich um die Bodenstruktur handelte. Zumindest war auf den ersten Blick deutlich zu erkennen, dass sie es hier nicht gerade mit einem der wasserreichsten Planeten, wohl aber mit einem zu tun hatten, der reich an Wüsten und Canons war. Fireball atmete einige Male hintereinander tief und gleichmäßig ein und aus, um seine blank liegenden Nerven zu beruhigen. Die Gedanken schwirrten wie ein Schwarm Mücken in der Abendsonne in seinem Kopf umher und bereiteten ihm erneute Schwindelgefühle. Dieser leuchtende Klumpen aus Sand und Gestein barg wohlmöglich die langersehnte Antwort auf die Frage, die er sich sein ganzes Leben lang immer und immer wieder gestellt hatte. Was war mit seinem Vater geschehen, nachdem er sich und sein Schiff in dieser tief bewundernswerten Selbstaufopferung gegen den Feind geworfen hatte? War er wirklich in die Phantomzone katapultiert worden und hatte er all die Jahre in dieser Dimension überlebt, damit sein Sohn Shinji ihn nun endlich in den sicheren Schoß des neuen Grenzlandes zurückholen konnte? Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich von den Fingerspitzen bis hin zu Fireballs Unterarmen aus. Er ließ die Steuerelemente los und schlackerte geistesabwesend mit den Händen. Wahrscheinlich war er während des Fluges hierher so angespannt gewesen, dass er völlig verkrampft die Schalthebel umklammert gehalten hatte. Beschleunigt durch die kleinen Lockerungsübungen merkte er, wie das Blut jetzt langsam wieder durch seine Adern und Venen pulsierte. „Sieht aus wie eine überdimensionale Kaugummikugel, wenn Ihr mich fragt!“ Colt hatte sich bequem in seinen Sitz zurückfallen lassen. Wie aus dem Nichts hatte er wieder dieses kleine Tuch aus Merinowolle hervorgezaubert, mit dem er stets seinen Blaster zu putzen pflegte und begann auch jetzt, das Metall seiner sowieso schon blitzenden Waffe zu polieren. Saber beäugte dieses kleine Ritual skeptisch von seinem Platz aus: „Mit solchen Äußerungen wäre ich vorsichtig, Colt. Nur weil hier im Moment Ruhe herrscht, heißt das noch lange nicht, dass dort unten nicht eine Menge Ärger lauern kann.“ So oft wie der Cowboy seinen Blaster wienerte, musste dieser wohl das sauberste Schusseisen des ganzen neuen Grenzlandes sein. Persönlich vertrat der Anführer der Star Sheriffs in diesem Punkt ja die reißerische Theorie, dass Colt dieses reinlichkeitsfanatische Verhalten immer dann an den Tag legte, wenn er nicht wusste, wohin mit seiner aufgestauten Energie. Es war wohl eine Art Beruhigungstherapie für ihn, um nicht vor Tatendrang oder Übereifer zu explodieren. Vielleicht, so schoss es Saber unvermittelt durch den Kopf, als er seinen Blick zur mittleren Satteleinheit wandern ließ, sollte man Fireball zum nächsten Geburtstag einen ähnlichen Putzlappen spendieren. Dass die Nerven bei dem jungen Heißsporn kurz vor dem Zerreißen standen, war so sicher wie das Amen in der Kirche. „Na, dann wollen wir das Baby mal parken, nicht wahr?“ folgte die Bestätigung seiner Vermutung auf dem Fuße. Fireball konnte es augenscheinlich nicht erwarten, sich ins Abenteuer zu stürzen, ungesehen der Gefahren und Wagnisse, die damit einhergingen. „Warte noch, Fireball, wir sollten es besonnen angehen!“ Saber räusperte sich vernehmlich und machte sich auf heftige Gegenwehr gefasst. Einen Moment hatte er den Eindruck, Fireball wäre in seiner Bewegung zur Salzsäule erstarrt, doch dann fuhr er herum und starrte fassungslos zu ihrem Anführer hinüber: „Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, edler Säbelschwinger“, ausladend wies er mit der rechten Hand in Richtung Cockpitfenster, „wir sind doch wohl nicht extra hergeflogen, um nur mal kurz um das Schmuckstück herumzudüsen, oder?“ Diese Mission machte wirklich Anstalten, Saber und seine Geduld an die Grenzen der Belastbarkeit zu führen: „Das habe ich auch gar nicht gesagt“, wenn er nicht Acht gab und jedes Wort auf die Goldwaage legte, würde es noch zu einer Meuterei kommen, „nur unter den gegebenen Umständen wäre es ziemlich töricht, sich kopflos in die Arme des Feindes zu werfen.“ Saber fühlte sich ein wenig wie Captain Bligh, der kurz davor stand, die Befehlsgewalt über die Bounty an seine Mannschaft zu verlieren. Nur dass er sich im Gegensatz zu dieser historischen Persönlichkeit nicht für einen herrschsüchtigen und sadistischen Tyrannen hielt. Allerdings war er nicht sicher, welchen Standpunkt seine Crew im Moment zu diesem Thema vertrat. „Warum fragst Du nicht mal Deinen schlauen Scanner, ob er da unten ein paar Outrider-Schmeißfliegen finden kann, hm?“ Colt wirbelte seinen Blaster einige Male lässig um den rechten Zeigefinger, bevor er ihn im Hohlsten verschwinden ließ. Das Zögern des Schotten gefiel ihm ebenso wenig, wie Fireball. Sie waren schließlich hergekommen, um ein paar Phantomwesen gehörig in den Hintern zu treten und seine Füße juckten bereits in begieriger Vorfreude. Seit über einem Jahr hatte er schon keinen Outrider mehr vor der Nase gehabt und musste insgeheim zugeben, dass er sich beinahe einen baldigen Kontakt mit den Erzrivalen erhoffte. Nichts hielt so fit, wie ein kleiner Kampf zur Mittagszeit! „Wäre schon toll, wenn alles so reibungslos wie in diesen Scifi-Filmen ablaufen würde, was“, die Antwort kam nicht von Saber, sondern von Christa, die sich mit abschätziger Miene zum ihm umgedreht hatte und nun ein süffisantes Lächeln zur Schau stellte, „einfach ein bisschen tipptipp hier und tipptipp da und schon haben wir die Bösewichter!“ sie schnippte mit Daumen und Mittelfinger der linken Hand, gerade so wie ein kleines Kind, dem gerade eine geniale Idee gekommen war. Unruhig rutschte Colt auf seinem Sitz hin und her. Unter normalen Umständen hätte er diese freche Herausforderung mit einer passenden Retourkutsche kommentiert, aber Christas offen an den Tag gelegte Feindseeligkeit nahm ihm den Wind aus den Segeln. Das schlechte Gewissen, dass er seit dem Dimensionssprung so hervorragend zu verdrängen gewusst hatte, schob sich nun wieder an die Oberfläche seines Bewusstseins und wurde von den brennenden Schmerzen begleitet, die die Kratzspuren auf seinem Rücken verursachten. Er konnte nichts anderes tun, als den Blick des Lieutenants starr zu erwidern, und er sah das unglaublich zornige Funkeln und die Leidenschaft in ihren Augen. Die gleiche Leidenschaft, die auch im Waschraum kurzzeitig aufgeflackert war. Wie in der Abendsonne glühender Bernstein schlug das Farbenspiel ihrer Iris ihn erneut in seinen Bann. Colts Kehle fühlte sich mit einem Schlag wie ausgedorrt an. Wieso hatte sie nicht einfach ihren verdammten Helm auf ihrem hübschen Köpfchen behalten können? Er versuchte angestrengt zu Schlucken, um einen Ton über die Lippen zu bringen, aber seine Zunge klebte regelrecht an seinem Gaumen. Ehe der Cowboy es ahnen konnte, war es um ihn geschehen. Sein Verstand verabschiedete sich ins Land der rosaroten Wattewölkchen, genau wie es am frühen Morgen passiert war, während sein Körper ihm Signale schickte, die weit weniger harmlos waren, als ein Ausflug zu Wolke sieben. Gerade rechtzeitig, bevor ihm aus totalem Verlust der Beherrschung die Zunge aus dem Mund zu fallen drohte, rettete der Säbelschwinger ihn wie der Gong den halb tot geprügelten Boxer: „Was Christa damit sagen will ist, dass wir keine vernünftige Ortung reinbekommen, weil der Planet zu über 90% aus metallischen Substanzen besteht. Die bringen unsere Systeme gehörig durcheinander.“ seine Stimmlage ließ keinen Zweifel daran, dass er genau erfasst hatte, dass sich zwischen Colt und der rothaarigen Frau etwas äußerst Merkwürdiges abspielte, was er keinesfalls für gut hieß. „Wir wissen also absolut nicht, was uns da unten erwartet?“ mit geheucheltem Interesse versuchte der Cowboy sich aus dieser unerfreulichen Zwickmühle, Saber auf der einen und Christa auf der anderen Seite, zu befreien. Ein Scherz jedenfalls wäre ihm in seiner momentanen Lage nicht dienlich gewesen. Wenn man so überdeutlich wie er im Fokus stand, war die beste Methode noch immer tarnen, täuschen und verpissen. Und auf keinen Fall noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, soviel war mal sicher. Nach wie vor spürte er Christas bohrenden Blick im Nacken, der ihm schier die kleinen, feinen Härchen versengte, die geschützt unter seinem Helm verborgen lagen. Das konnte der Lieutenant ja beinahe besser als April, die Colt bislang immer für den absoluten Meister des psychischen Terrors gehalten hatte. Und wenn er so recht über seine missliche Situation nachdachte, kam ihm dabei der tröstliche Gedanke, dass doch überhaupt und allein April die Schuld an diesem ganzen Schlamassel trug. Wenn sie sich ein bisschen am Riemen gerissen und ganz normal ihren Platz eingenommen hätte, wäre es doch nie so weit zwischen ihm und Christa gekommen. Jawohl! Tapfer reckte der Cowboy das Kinn in die Höhe. Eigentlich war er doch nur ein Opfer widriger Umstände! „Du hast es ausnahmsweise mal richtig erfasst, Colt“, Saber war schon wieder über seine Computer gebeugt und schenkte dem Scharfschützen keinerlei weitere Beachtung, „egal, welche Scannung ich auch durchführe, die Ergebnisse sind in keiner Weise verwertbar.“ „Wenn wir hier oben versauern, werden wir aber nicht herausfinden, ob sich da unten nun die bösen Buben verschanzen, oder nicht.“ Mit Nachdruck griff Fireball wieder nach der Steuerung. Er konnte es nicht mehr erwarten, Ramrod endlich in die Atmosphäre des Planeten zu steuern, um sich dann eingehend auf dessen Oberfläche umzuschauen. Warum hatten sie sich überhaupt die Mühe gemacht hierher zu kommen, wenn sie sich nun doch nur wie verschüchtertes Rehwild versteckten. Gewiss war es ein äußerst unglücklicher Umstand, dass ihre Nahkampfwaffen nicht einsatzbereit waren, aber das hatten sie auch schon gewusst, als Saber den Befehl gegeben hatte, diesen Kurs einzuschlagen. Ungeduldig trommelten seine Finger auf die Hebel und verursachten durch die Raumhandschuhe, die Teil seines Kampfanzuges waren, ein lästiges metallisches Klackern. Sie verschwendeten hier oben doch nur kostbare Zeit! „Ja, das stimmt, Fireball. Ich will lediglich verhindern, dass wir zu Staub verarbeitet werden, bevor wir auch nur einen Fuß auf diesen Planeten gesetzt haben.“ „Und was sollen wir jetzt Deiner Meinung nach tun, Boss?“ gereizt erhöhte der Rennfahrer seine Trommelfrequenz und brachte Saber damit schier zur Weißglut: „Jedenfalls nicht ohne Plan losstürmen wie eine Horde Wilder!“ Ein leises Kichern hallte aus Christas Richtung: „Wo die Highlander ja für ihre gut durchdachte und disziplinierte Kriegsführung bekannt sind, nicht wahr?“ diesen neckenden Kommentar hatte sie sich nicht verkneifen können, auch wenn er vielleicht im Moment wenig hilfreich und unangebracht platziert gewesen war. Überraschender Weise zeichnete sich aber auf Sabers Gesicht ein leises Schmunzeln ab: „Vorbildliche Geschichtskenntnisse, Miss McRae. Die Highlander waren in der Tat eher dafür bekannt, dass sie ihre Feinde brüllend und unkontrolliert niederwalzten. Aber“, und hier verschwand der Anflug von Amüsiertheit auch schon wieder, „meistens waren sie ihren Gegnern an Stärke und Anzahl auch weit überlegen. An diesem Punkt weisen wir leider ein erhebliches Defizit auf!“ „Jetzt redet seine Durchlaucht wieder hochgestochen wie’ n echter Dings, äh“, Prinz hatte Colt eigentlich sagen wollen, aber gerade rechtzeitig war ihm eingefallen, dass das Wort Prinz anwesende Damen eventuell zu unangenehmen Assoziationen mit der Person Prinz Rolands führen konnte, also entschied er sich für einen etwas weitläufigeren Begriff, „na, Monarch halt.“ „Woher weißt Du Kuhtreiber denn, wie sich ein Monarch ausdrückt, hm?“ offenbar war sein Taktgefühl rein imaginärer Natur gewesen und auch der winzige Schein von Belustigung bezüglich schottischer Kampftaktik hatte bei dem Lieutenant nicht lange angehalten. Christa ging an die Decke wie ein von einer Hornisse gestochener Mustang und Fireball hätte am liebsten die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen: „Könnt Ihr zwei nicht endlich mal mit diesem Theater aufhören, das ist echt nicht mehr zum Aushalten“, flehend warf er Saber einen vielsagenden Blick zu, „entweder Du schmeißt die beiden über Bord, oder ich verabschiede mich freiwillig und schlage mich mit meinem Jet-Pack alleine durch!“ wenn sich nicht bald alle ein wenig mehr am Riemen rissen, würden sie niemals den besagten ersten Fuß auf diesen verfluchten Planeten setzen. Und der Rennfahrer war einfach nicht gewillt, sich die Chance nehmen zu lassen, seinen verschollenen Vater zu finden, nur weil sein Freund Colt einen gewaltigen Überschuss an Testosteron produzierte und Christa die passende Menge an Pheromonen dazu besteuerte. Die beiden benahmen sich schlimmer als Teenager und hatten nicht einmal mehr den Alkohol, auf den sie ihr vorpubertäres Verhalten schieben konnten. Fireball wusste nicht genau, was sich am Morgen im Waschraum zwischen dem Cowboy und dem Lieutenant abgespielt hatte, und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen, aber der verschmierte Lippenstift in Colts Gesicht und das Gift, das Christa seither pausenlos verspritzte, sprachen eine eindeutige Sprache. Entweder würde es zwischen ihnen bald mordsmäßig knallen, oder Robin würde eine unliebsame Überraschung erleben, wenn die Star Sheriffs nach Hause zurückkehrten. Welche Wendung die Geschichte auch nehmen würde, im Augenblick wollte Fireball nicht über Affären und Techtelmechtel nachdenken. Dafür war das alles hier viel zu wichtig! Sabers Gesicht blieb ausdruckslos: „Ich weiß, dass Du das am liebsten schon heute morgen getan hättest, weil Du es wahrscheinlich gar nicht mehr erwarten kannst, auf die Suche nach Deinem Vater zu gehen“, ein kurzes Nicken deutete an, dass er diesen Wunsch sogar gut nachvollziehen konnte, „aber unser Ziel lautet nicht, den vermissten Captain Hikari zu finden, sondern der Herkunft und dem Wahrheitsgehalt dieses Funkspruches auf den Grund zu gehen.“ „Mal abgesehen davon, dass Du da draußen keine zwei Minuten allein überleben würdest!“ murmelte Colt ketzerisch vor sich hin. Wenn dieser Grünschnabel meinte, ihn jetzt schon anstelle des Säbelschwingers maßregeln zu können, hatte er sich gewaltig geschnitten. „Ich hoffe natürlich auch, dass wir Deinen Vater finden, Fire“, Saber überging den gehässigen Einwurf ohne mit der Wimper zu zucken, „aber wir dürfen eben unseren Auftrag nicht aus den Augen verlieren.“ Verwundert hob sich eine Augenbraue des Rennfahrers. Nun hatte ihr Anführer ihn schon zum zweiten Mal mit seinem Kosenamen angesprochen. Wurde der gute Saber auf seine alten Tage etwa langsam sentimental? Eine etwas beunruhigende Vorstellung, wie Fireball fand: „Hey, Du brauchst mich nicht mit Samthandschuhen anzufassen. Ich werd schon nicht vergessen, warum wir hier sind, okay?“ insgeheim musste er natürlich schon bekennen, dass ihn ihre aktuelle Lage alles andere als kalt ließ, aber die Star Sheriffs hatten schon genug um die Ohren, auch ohne dass sie sich noch um sein Seelenheil sorgen mussten. Saber nickte misstrauisch ob dieses halbherzigen Ablenkungsversuchs, gab sich aber widerwillig damit zufrieden, dass Fireball nie im Leben freiwillig zugeben würde, wie aufgeregt er tatsächlich war. Er musste eben einfach ein besonders scharfes Auge auf ihr jüngstes Mitglied haben. Immerhin war das ja auch das Versprechen gewesen, dass er April auf Yuma gegeben hatte. Trotzdem, der Hauch eines unguten Gefühls blieb und nistete sich aufdringlich und belastend in den äußersten Windungen seines Schädels ein. „Ich gebe es ja ungern zu, großer, weiser Führer“, Colt hüstelte theatralisch um sich der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Teamkollegen gewiss zu sein, „aber unser Bürschchen hier hat ganz Recht…“ „Wen nennst Du hier Bürschchen, Gigolo?“ „...sollten wir diesen schnuckeligen kleinen Planeten nicht endlich mal aus der Nähe betrachten?“ der Cowboy hatte seinen Mut schneller wiedergefunden, als es Saber lieb gewesen wäre. Der zurückhaltende und eingeschüchterte Colt besaß unbezweifelbar einige Eigenschaften, die er der normalen Ausgabe weit voraushatte. „Rodeoclown!“ „Fireball, würdest Du vielleicht die Güte besitzen, endlich mal Deine Klappe zu halten!“ herrschte der Säbelschwinger den jungen Star Sheriff an, weil ihm dieses kindische Getue allmählich bis zum Hals stand. Eingeschnappt verschränkte Fireball daraufhin die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich beleidigt in seiner Satteleinheit zurück: „Bitte… macht doch was Ihr wollt!“ wieso wurde er zu recht gewiesen, während Colt alles so rausposaunen konnte, wie ihm gerade der Schnabel gewachsen war? Saber war diese schnippische Reaktion natürlich nicht entgangen und er wusste, dass er tatsächlich eine Entscheidung treffen musste, wenn er nicht riskieren wollte, dass die Gemüter innerhalb der nächsten Minuten gänzlich überkochten. Andererseits konnte er sich seine Befehle nicht von seinem Team in den Mund legen lassen: „Und Dir Colt bin ich zwar dankbar für Deinen sicherlich überaus gut gemeinten Rat. Aber noch bin ich hier der Boss und sage wo es lang geht, verstanden?“ Perplex zog sich der Cowboy den Helm vom Kopf und anstelle von stickiger Luft füllten sich seine Lungen mit vermeintlich frischem Sauerstoff. Kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, die er mit einer raschen Handbewegung fortwischte: „Du bist der Boss, Boss!“ er konnte sich nicht erinnern, dass Saber dieses Wort jemals zuvor in den Mund genommen, geschweige denn seine Rolle als Anführer so herausgekehrt hatte. Der Säbelschwinger mutierte vor ihrer aller Augen immer mehr vom Übersoldaten zu einem ganz normalen Menschen. Eine äußerst gruslige Entwicklung, wie Colt fand. Fireball war hingegen zufrieden, dass nun auch der Cowboy sein Fett abbekommen hatte. Es gab eben doch noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. „Also, Saber, was tun wir jetzt?“ Christa, die sich seit dem letzten Geplänkel mit dem Cowboy etwas zurück genommen hatte, wollte dem Schotten offenbar helfen, die Lage zu entspannen, indem sie einen klaren Befehl von ihm forderte. Allerdings setzte sie Saber damit noch mehr unter Zugzwang und erhöhte den Druck, der sowieso schon auf seinen Schultern lastete. Verkniffen warf er dem Lieutenant ein kleines Lächeln zu, um ihr zu signalisieren, dass er ihren guten Willen erkannt hatte, aber gleichzeitig begannen die kleinen Räder im Innern seines Kopfes heftig zu rotieren. Er musste jetzt eine Entscheidung treffen und war zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Kommandant nicht sicher, wie diese ausfallen sollte. Noch nie hatte er einen Befehl erteilt, hinter dem er nicht mit ganzer Überzeugung gestanden hatte. Jetzt lagen seine beschränkten Möglichkeiten lediglich darin, zwischen zwei Alternativen zu wählen, die sich Not und Elend schimpften. Der vernünftige und kluge Weg wäre sicherlich gewesen, die ganze Mission abzubrechen. Mit Ramrods eingeschränkter Kampfkraft hatten sie bei feindlichem Kontakt nicht viel entgegenzusetzen und würden sich nach dem ersten Schlagabtausch ohnehin kleinlaut zurückziehen müssen. Allerdings würden sie dann wenigstens wissen, ob eine erneute Gefahr durch die Outrider drohte oder nicht. Jetzt umzukehren, hieße mit leeren Händen nach Yuma zurück zu fliegen. Alle Mühen und Anstrengungen wären dann völlig umsonst gewesen. Sie waren es dem Kavallerieoberkommando zumindest schuldig, ihre Aufklärungsarbeit abzuschließen. Wenn sie sich danach aus Sicherheitsgründen zurückzogen, konnte ihnen diesbezüglich niemand mehr einen Vorwurf machen! „Gut“, Saber nahm sich wie zuvor schon Christa und Colt den Helm vom Kopf, um den anderen direkt von Angesicht zu Angesicht entgegenblicken zu können, „wir werden runtergehen. Aber keine halsbrecherischen Aktionen“, mahnte er gebieterisch, als er sah, mit welchem Übereifer Fireball bereits wieder nach der Steuerung griff, „wir werden zusehen, dass wir so schnell wie möglich ein Versteck finden und uns vorerst dort verschanzen. Vielleicht können wir ein paar notdürftige Reparaturen an Ramrod vornehmen. Danach entscheiden wir, wie es weitergeht. Und keine Extratouren!“ diese Warnung ging an den Cowboy, dessen Mundwinkel sich soweit nach oben gezogen hatten, als hätten seine Ohren dringend einen kleinen Besuch nötig gehabt: „Aye, Boss!“ Colt salutierte vor lauter Vorfreude darüber, dass es nun endlich etwas zu tun gab. Wenn sie erst einmal gelandet waren, würde er schon einen Weg finden, sich mit dem Bronco Buster unbemerkt ein bisschen in der Gegend umzusehen. Fireball hingegen ließ sich nicht zweimal bitten, nachdem er so sehnsüchtig auf diesen Befehl gewartet hatte: „Schön festhalten, Leute, ich beginne mit dem Landeanflug!“ er gab die blockierte Energiezufuhr zu den Turbinen frei und mit einem feurigen Ruck setzte sich das behäbig wirkende Kampfschiff in Bewegung. Innerhalb weniger Sekunden katapultierten die donnernden Antriebsdüsen Ramrod zu seiner Höchstgeschwindigkeit, während ein tiefes, grollendes Vibrieren die gesamte Kommandobrücke erfasste. Fireball schloss seine Hände noch fester um die Schubhebel und genoss die unglaubliche Kraft, die ihn fest in seinen Sitz presste und ihm beinahe die Luft zum Atmen raubte. Der kleine Planet rückte mit halsbrecherischem Tempo näher und füllte schon nach wenigen Sekunden mehr als die Hälfte Ihres Sichtkorridors aus. Die Warnung bezüglich halsbrecherischer Aktionen hatte er bereits verdrängt. „Meinst Du nicht, dass Du die Geschwindigkeit drosseln solltest, Fireball?“ Saber hatte seine Stimme beiläufig klingen lassen wollen, aber der leicht scharfe Unterton, in den sich ein Schuss Besorgnis gemischt hatte, war selbst Christa nicht entgangen. Da sie mit dem Rücken zu den Star Sheriffs saß, konnte sie das Tempo nicht so gut einschätzen, wie ihr Anführer und wurde durch die Bemerkung des Schotten ein wenig unruhig. „Keine Sorge, ich weiß, was ich tue“, der Rennfahrer machte nicht die geringsten Anstalten, das Tempo zu drosseln, sondern hielt weiter mit voller Kraft auf ihr Ziel zu, „Du bist fürs Denken zuständig und ich für die Pferdestärken. Also vertrau mir!“ ein gewaltiger Schub Adrenalin brachte sein Blut zum Kochen und sorgte dafür, dass sein ganzer Körper vor Begeisterung bebte. Es waren Momente wie diese, für die Fireball geboren worden war, die sein Leben erst lebenswert machten. Der Rausch der Geschwindigkeit und das Gefühl, eins mit der Maschine zu sein, die er steuerte. Er kostete die beispiellose Macht, die er in diesem Augenblick über ein so gigantisches Schiff wie Ramrod ausüben konnte voll aus und fixierte mit fiebrigem Blick den größer werdenden Himmelskörper. Die Empfindungen, die er durchlebte, waren einfach unbeschreiblich. Sein Puls pochte hart und donnernd in seinen Ohren, sein Herz trommelte in wildem, beinahe urzeitlichem Rhythmus mit den Maschinen und sein gesamter Körper war von Schweiß gebadet. Nur noch ein paar Sekunden, dann würden sie in die Planetenatmosphäre eindringen. Wenn er den geeigneten Zeitpunkt verpasste und ihre Geschwindigkeit nicht rechtzeitig drosselte, konnte dieses übermütige Manöver ziemlich ungemütlich für sie alle werden. Aber das war es doch, was den Reiz des Fliegens letztlich ausmachte. Die schmale Gratwanderung zwischen Perfektion und Desaster. Er warf einen raschen Blick auf seine Instrumente, die nach und nach vom grünen in den gelben Bereich überwechselten, aber noch war der kritische Punkt nicht erreicht. Die heftigen Stöße, die Ramrod in festem Griff hielten, nahmen stetig zu, ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Eintritt in die Atmosphäre des Planeten kurz bevor stand. Nur noch ein paar Herzschläge! Jetzt behielt Fireball die Anzeigen seines Computers genau im Auge, um keinen Fehler zu begehen, der sie alle wohlmöglich das Leben kosten würde. Die Erschütterung wurde so stark, dass es ihm einige Anstrengung bereitete, seine Kontrollen und damit den Kurs des Schiffes zu halten. In dem Moment, als die erste Instrumentenskala vom schrillen Aufkreischen einer Sirene begleitet in den roten Bereich umschlug, stieß der Rennfahrer den Schubregler mit Wucht nach vorne und schlug gleichzeitig mit der rechten Hand auf den Schalter, der das Manöver für den Eintritt in die Atmosphäre einleitete. Christa, sensibilisiert durch Sabers Anflug von Sorge und die noch immer kreischende Sirene, schrie entsetzt auf, als ein erneuter Ruck Ramrod erfasste und sie mit einem Schlag gut zwanzig Meter an Höhe verloren, geradeso wie ein Flugzeug, dass von einer Fallböe erfasst wurde. Einen Augenblick später stabilisierte sich ihre Flugbahn wie von Geisterhand. Die Sirene erstarb, das Vibrieren endete abrupt und unter ihnen breiteten sich endlose Prärien und Canons aus, die von hellem Ockergelb bis zu dunklem Zimtrot jede erdenkliche Farbnuance reflektierten. Colt konnte es gar nicht erwarten, sich seines Helmes wieder zu entledigen. Sein Atem ging stockend und seine Augen waren noch leicht geweitet vor Schreck, als er vorwurfsvoll zu seinem Freund hinüber blickte: „Vertrau mir, sagt der Kerl, ich weiß, was ich tue! Das ich nicht lache“, seine nächste Sorge galt Christa, „alles in Ordnung mit Dir, Süße?“ Der Lieutenant war vor Entsetzen leichenblass und nickte verschüchtert. Die Beklommenheit war ihr offenbar so tief in die Knochen gefahren, dass sie darüber völlig ihren Zorn auf den Cowboy vergessen hatte. Gegenwärtig war sie ihm lediglich dankbar für seine Fürsorge: „Ich denke schon“, benommen schüttelte sie den Kopf und wirbelte dabei ihr flammenrotes Haar auf, das vom Helm zuvor platt gedrückt worden war, „obwohl ich nicht weiß, was schlimmer war. Der Dimensionssprung, oder dieses äußerst unorthodoxe Landemanöver.“ „Kannst Du mir mal verraten, was dieses blödsinnig Aktion sollte?“ Sabers Wangen glühten feuerrot und seine Stimme überschlug sich beinahe vor Zorn. Fireball jedoch lächelte nur frech, als hätte er den mahnenden Blick und den beißenden Ton des Säbelschwingers gar nicht bemerkt: „Ich weiß nicht, was Ihr habt, war doch ein perfektes Manöver!“ er streckte die Arme aus, so als wäre er gerade eben nach einem erholsamen Schlaf aus dem Bett gepurzelt. Colt schnaubte verächtlich: „Perfekt ist ja wohl anders. Man, Du hättest uns beinahe umgebracht, Du Nase!“ seine Aufmerksamkeit galt noch immer der leuchtenden Mähne der jungen Frau, die sich wie Blutstropfen im Schnee von ihren fahlen Gesichtszügen abhoben. Selbst jetzt sah sie noch umwerfend aus! „Ach komm schon, stell Dich nicht so an“, amüsiert nahm der Rennfahrer zur Kenntnis, dass er es geschafft hatte, dem furchtlosen Cowboy ganz schön Respekt beizubringen, „bist doch sonst nicht so ein Angsthase.“ Aber er musste sich heimlich eingestehen, dass er es dieses Mal vielleicht doch ein wenig übertrieben hatte. Sein kleines Kunststück wäre beinahe nach hinten losgegangen. Als er darüber nachdachte, meldeten sich schwache Gewissensbisse zu Wort. Es war natürlich nicht seine Absicht gewesen, seine Freunde in irgendeiner Weise in Gefahr zu bringen. Der kleine Stunt hatte lediglich dazu dienen sollen, seine Konzentration auf einen Punkt zu bündeln, der zur Abwechslung nichts mit seinem Vater oder den Outridern zu tun hatte. „So was will ich nicht noch mal erleben, Fireball, verstanden“, Sabers Worte ließen absolut keinen Widerspruch zu und der junge Star Sheriff senkte schuldbewusst den Kopf, „das war absolut unnötig und vor allem leichtsinnig.“ Bevor Fireball kleinlaut Besserung geloben konnte, meldete sich Christa anklagend zu Wort: „Man, mit Dir fliege ich nie wieder“, sie hatte sich zum ersten Mal seit dem Sprung in diese Dimension von ihrem Platz erhoben und lehnte sich leicht schwankend gegen ihre Satteleinheit, „Ihr Star Sheriffs seid doch alle nicht ganz dicht!“ wenn sie vorher gewusst hätte, in was für einen Haufen von Wahnsinnigen sie geraten würde, wäre ihr wohl nie in den Sinn gekommen, sich freiwillig für diese Mission zu melden. „Wo sie Recht hat, hat sie Recht“, schmunzelnd kratzte sich Colt an der rechten Schläfe, ihm gefiel es offenbar, dass die junge Frau ihn für „nicht ganz dicht“ hielt, „aber für meinen Geschmack hatten wir heute entschieden genug Achterbahnfahrten.“ Ein herzhaftes Gähnen bahnte sich seinen Weg nach draußen und verlieh den Worten des Cowboys einen gewissen Nachdruck. Anscheinend war er soviel Aufregung und Action an einem einzigen Tag nicht mehr gewohnt. Man wurde ja schließlich nicht jünger. Leicht beleidigt durch diesen vehementen Protest von allen Seiten hob Fireball verteidigend die Hände: „Was wollt Ihr eigentlich? Ich habe Euch heile runtergebracht, oder nicht? Undankbares Pack.“ „Diese Diskussion können wir gerne später vertiefen“, wenn es Blicke gab, die töten konnten, dann sicherlich genau die, die der Säbelschwinger gegenwärtig zur Schau trug, „aber jetzt sollten wir sehen, dass wir ein Versteck finden.“ „Wieso finden“, mit verkniffenem Gesicht wies der Rennfahrer auf die vielen Schluchten und Canons, die sie im Flug pausenlos passierten, „Wir sind hier im verflucht größten Parkhaus gelandet, das ich je gesehen habe. Such Dir einfach einen Stellplatz für unser Schätzchen aus!“ Er empfand nicht gerade tiefe Freude bei dem Gedanken, sich später noch vor ihrem Anführer für sein waghalsiges Manöver rechtfertigen zu müssen. Er hatte sich in den letzten Tagen so viele Fehltritte und Dummheiten geleistet, dass diese Landung eben vielleicht der sprichwörtlich letzte Tropfen gewesen war, der das Fass zum Überlaufen bringen würde. Das hatte man eben davon, wenn man großspurig seine Flugkünste unter Beweis stellen wollte. Mal wieder einen Sack voll Ärger, der größer war, als der vom Weihnachtsmann. Äußerst rosige Aussichten! Saber folgte der ausgestreckten Hand und betrachtete skeptisch ihre Umgebung. Fireball hatte schon Recht. Soweit das Auge reichte wuchsen gigantische orangerote Felsformationen wie Pilze aus den kargen sandigen Ebenen, die mit winzigen grünen Tupfern gesprenkelt waren. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hierbei um kleine, widerstandsfähige Akazienbüsche oder Ähnliches, die den extremen Bedingungen in diesem Gebiet trotzen konnten. Wind und Wetter hatten im Laufe der Zeit tiefe Furchen und Klüften in die gewaltigen Berge aus Sandstein gerissen und verliehen der Umgebung ein gespenstisches und gleichzeitig mystisches Aussehen. Irgendwie fühlte Saber sich an Ayres Rock erinnert, den er schon auf vielen Bildern gesehen hatte. Wieder regte sich in dem blonden Schotten ein ungutes Gefühl. Diese Abgründe und Gräben stellten sicherlich perfekte Verstecke dar, aber ebenso konnten sie ganz schnell auch zur tödlichen Falle mutieren, wenn sie von einem feindlichen Angriff überrascht wurden. Die Vorstellung, in einer dieser Schluchten gefangen zu sein, während eine ganze Schwadron Outrider sie belauerte und mit ihrem hartnäckigen Dauerfeuer langsam zermürbte, schmeckte ihm überhaupt nicht. Andererseits hatte er sich für die Landung auf diesem Planeten entschieden. Was blieb ihm also anderes übrig, als auf ein wenig Glück zu vertrauen, nachdem der Dimensionssprung so denkbar ungünstig verlaufen war? Rein mathematisch betrachtet war es an der Zeit, dass Fortuna ihnen wieder etwas mehr Beachtung schenkte! „Na gut, dann bring uns irgendwo runter“, frustriert versetzte Saber seinem Monitor einen Schlag mit der Faust, „wir werden uns wohl auf unser eigenes Gespür verlassen müssen.“ Fireball nickte und nahm die Landschaft unter ihnen genauer in Augenschein: „Was haltet Ihr von dem Plätzchen dort hinten“, er wies mit dem Kopf kurz auf eine nahegelegene Schlucht, die am Boden seiner Meinung nach ausreichend Platz für ein Landemanöver bot, sich nach oben hin aber so stark verengte, dass man sie zumindest beim Überflug nicht entdecken würde, „ist doch wie für uns gemacht, oder?“ „Meinst Du wirklich, dass wir da reinpassen?“ Colt betrachtete skeptisch die Ausmaße ihres auserkorenen Verstecks und zog dann sehr zögerlich die rechte Augenbraue hoch, als er sich zu seinem Kameraden umdrehte. Auf dessen Lippen kräuselte sich ein leichtes Lächeln, aber bevor Fireball zu einer Antwort ansetzen konnte, winkte der Cowboy schicksalsergeben ab: „Ja, ja, ich weiß schon. Vertraut mir, ich weiß, was ich tue“, unweigerlich richtete er sich in seinem Sitz auf, „hab sowieso die besten Jahre meines Lebens hinter mir. Fang schon mit Deinem Trick an, Du Zauberkünstler.“ „Kann ich noch vorher aussteigen?“ Der verzweifelte Auflehnungsversuch des Lieutenants ging im Ächzen des Fahrwerks unter, denn Fireball hatte bereits mit dem Landemanöver begonnen. Ängstlich schloss Christa die Augen und schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel, in dem sie ewige Tugendhaftigkeit und Treue gelobte, wenn sie nur alle heile aus dieser Sache herauskämen. Jede Sekunde rechnete sie mit einer Kollision, aber nichts dergleichen geschah. Fireball manövrierte das gigantische Schiff mit geradliniger Präzision zwischen die rauen Felswände, gerade so, wie eine geübte Schneiderin den feinsten Faden auf Anhieb beim ersten Versuch durch das kleinste Nadelöhr brachte. Hoch konzentriert führte er sie durch die schmale Kluft, die an den engsten Stellen kaum noch einen Meter Luft zwischen sich und Ramrod ließ, bis sich die Klippen auf der anderen Seite wieder in eine weite Ebene öffneten. „Festhalten, könnte etwas holprig werden jetzt.“ Im nächsten Moment setzten die gigantischen Reifen auf dem steinigen Wüstenboden auf. Doch im Vergleich zu den Turbulenzen des Dimensionssprungs oder des Anflugs auf den Planeten, war dieses unwegsame Gelände eine wirklich willkommene Abwechslung für sie alle. Es dauerte nicht lange, bis Fireball den Kampfkoloss endgültig zum Stehen gebracht hatte und die Systeme auf Standby herunterfuhr: „Ich schätze, das hätten wir…“, zufrieden und überzeugt davon, dass er sich dieses Mal keine Klagen verdient hatte, zog er sich aus seiner Satteleinheit hoch und streckte sich ausgiebig, „und wie geht es jetzt weiter, Boss?“ Zu seinem Ärger blieben nicht nur die Beschwerden, sondern auch die kleinen Lobpreisungen aus, mit denen er eigentlich fest gerechnet hatte. Lediglich Christa nickte ihm anerkennend zu, nachdem sie sich aus ihren Gurten befreit hatte. „Ich denke, es könnte nicht schaden, sich ein wenig umzusehen!“ „Herrje Colt, spreche ich eigentlich chinesisch“, ungehalten schaltete Saber seine Ortungssysteme aus, die ihm sowieso keine großen Dienste würden erweisen können, „ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Wir sehen zu, dass wir Ramrod so gut wie möglich flott machen und verschwinden dann aus dieser Gegend!“ „Ich dachte ja nur…“ „Nein, das ist genau Dein Problem, Colt“ die Geduld des Schotten hing am sprichwörtlich seidenen Faden, „Du hast eben nicht gedacht!“ Dieser Vorwurf war nun eindeutig zuviel für den Cowboy, der durch die Strapazen des Tages ein wenig seiner guten Lauen eingebüßt hatte. Beleidigt zog er einen Schmollmund und gesellte sich zu Fireball hinüber, dem er verschwörerisch ins Ohr raunte: „Die neuen Allüren von unserem Superhelden machen mir echt zu schaffen. Ich persönlich mochte den alten Saber ja lieber!“ „Ich bin nicht taub, Colt!“ Fireball spürte dank der Hand, die auf seiner Schulter lag, wie der Cowboy leicht zusammen zuckte und schmunzelte amüsiert vor sich hin: „Auf jeden Fall hat sich an seinem scharfen Gehör nichts geändert.“ „Papperlapapp“, Colt richtete sich kampfeslustig zu seiner vollen Größe auf und erwiderte Sabers Blick so gelassen wie möglich, „ich finde trotzdem, dass es nicht schaden kann, sich hier umzusehen. Immerhin ist es ja möglich, dass wir…“ „Du wirst gefälligst tun, was ich Dir sage“, die Augenbrauen des Säbelschwingers zogen sich bedrohlich wie Gewitterwolken zusammen, „wir reparieren die Schäden so gut es eben geht und dann weg hier!“ er hatte keine Lust auf weitere Diskussionen und musste wohl auf seiner Stellung als Anführer beharren, wenn es gar nicht mehr anders ging. Klare Anweisungen waren manchmal das Einzige, was der sture Cowboy verstand. Dummer Weise hatte er in diesem Fall die Rechnung auch ohne Fireball gemacht, der offenbar ganz und gar nicht mit seinem Plan einverstanden war. Finster dreinblickend verschränkte er die Arme vor der Brust: „Was genau meinst Du mit ‚und dann weg hier’?“ sie waren doch nicht extra den weiten Weg bis hierher gekommen, um sich dann unverrichteter Dinge gleich wieder aus dem Staub zu machen. Wenn das wirklich der Zielsetzung ihres Anführers war, würde er sich eben auf eigene Faust durchschlagen müssen. Das kam zwar einer waschechten Befehlsverweigerung gleich, aber er musste sich zumindest vergewissern, ob er auf diesem Planeten irgendwelche Lebenszeichen seines Vaters finden konnte. Vorher würde er diesem Wüstenklumpen auf keinen Fall den Rücken kehren. „Ich sage ja nicht, dass wir den Planeten verlassen“, ungehalten registrierte Colt, dass Saber auf Fireballs Einwände mal wieder viel verständnisvoller reagierte, als auf die seinen, „ich habe lediglich ein ungutes Gefühl in dieser Gegend und würde gern eine geschütztere Stelle finden, an der wir unser Lage aufschlagen können.“ Der Cowboy fühlte sich zutiefst ungerecht behandelt und machte seinem Ärger lautstark Luft: „Man, Du hörst echt die Flöhe husten. Ein besseres Versteck als das hier können wir doch kaum…“ Eine ohrenbetäubende Explosion, die das Schiff erbeben ließ, schnitt Colt jäh das Wort ab. Grelle Blitze tauchten die Kommandobrücke in eine surreale Szenerie aus Licht und Schatten. „Was war das?“ hektisch tauchte Christas Kopf aus ihrer Satteleinheit auf, von der aus sie bislang schweigend die Auseinandersetzung zwischen den Männern verfolgt hatte. Mit Bestürzung suchte sie auf den schockierten Gesichtern der Star Sheriffs nach einer Antwort, als Ramrod bereits einer Batterie von vier weiteren Detonationen trotzen musste. Automatisch aktivierten sich die Systeme des Kampfschiffes und auf Sabers Monitor warnte eine beharrlich blinkende Meldung, dass die Einschläge zwei tiefe Krater in ihre Panzerung gerissen hatten. „Oh Mist“, Fireballs Körper spannte sich an, als er hinaus auf die Weiten der Steppe schaute, „ich schätze, wir kriegen Besuch!“ wieder rollte eine donnernde Erschütterung über sie hinweg. „Verflucht, es war doch eine verdammte Falle“, Saber schrie wutentbrannt gegen den tosenden Lärm an, der rings um sie herum losbrandete, „ich hätte es ahnen müssen!“ Christa wusste nicht, wie ihr geschah. Sie fühlte sich wie eine Flipperkugel, die wie wild hin und her geschleudert wurde. Ständig wurde das Schiff von neuen, immer heftigeren Explosionen geschüttelt und der brüllende Krach schmerzte in ihren Ohren. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Fireball und Colt eilig in ihre Satteleinheiten hasteten und hatte nun endlich einen freien Ausblick auf die Wüste vor ihnen. Ihr Magen krampfte sich ruckartig zusammen und ein säuerlicher Geschmack nach Galle breitete sich in ihrem Mund aus: Outrider! Das Licht im Cockpit flackerte gefährlich, als die nächste Angriffswelle über sie hinwegrollte. Christa musste die Augen zusammenkneifen, um die furchteinflößende Szene, die sich vor ihnen abspielte, in ihrer ganzen brutalen Realität erfassen zu können. Die ganze Ebene wimmelte von Hyper-Jumpern und Outrider-Jagdjets. Bei dem Durcheinander und den ständig einschlagenden Raketen war es unmöglich zu sagen, um wie viele Angreifer es sich handeln mochte. „Lästige Schmeißfliegen!“ hasserfüllt jagte Colt ihren Feinden als Antwort auf das fortwährende Bombardement eine ganze Reihe von Schüssen aus ihren Langstreckenlasern entgegen. Wie glühende Speere bahnten sie sich ihren zerstörerischen Weg durch die Reihen der Outrider und verwandelten den Sand dort, wo sie im Boden einschlugen, in flüssiges Glas. Augenblicklich wogte eine Hitzewelle über sie hinweg, die durch die Menge an freigesetzter Energie erzeugt worden war. Mit knirschenden Zähnen musste Saber einsehen, dass Colts Gegenwehr wie ein Tropfen auf einer heißen Herdplatte verpufft war, denn sie hatten lediglich eine Handvoll Jumper zur Strecke gebracht. Bei diesen kurzen Distanzen war es selbst für einen Ausnahmeschützen wie Colt unmöglich, die Langstreckenwaffen sicher auf ihre Ziele zu lenken: „Das müssen mindestens hundert von ihnen sein!“ Eine Kampfstaffel bestehend aus sieben Jets raste im Sturzflug auf sie nieder und hüllte sie in ein Inferno aus brennendem Napalm. Der zähflüssige Kampfstoff setzte sich auf ihrer Kanzel fest und verschleierte mit züngelnden orangeroten Flammen ihre Sicht. Den nächsten Angriff konnte man lediglich anhand der schemenhaften schwarzen Punkte erahnen, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten und einen förmlichen Granatenteppich über Ramrod entluden. „Von wegen, Ihr hinterhältigen Schmutzfüße“, Colt schlug hastig auf einen Knopf seiner Computerkonsole und aktivierte in letzter Sekunde ihren Raketenabfangschild. Die Granaten detonierten jedoch so nahe, dass die ernorme Druckwelle das Schiff gut einen Meter tief in den Boden rammte. So hatte der Cowboy sich sein freudiges Wiedersehen mit seinen Lieblingsschützenscheiben nicht ausgemalt. Wenn das so weiterging, würden die Outrider die Star Sheriffs samt Ramrod in ihre Atome zerlegen. „Fireball“, Saber konnte sein eigenes Wort kaum verstehen, „Du musst was gegen das Feuer unternehmen, sonst werden wir bei lebendigem Leibe gegrillt.“ Das war eine Tatsache, die auch dem Rennfahrer bereits schmerzlich bewusst geworden war. Die Temperatur im Cockpit musste durch Colts Gegenwehr und das brennende Napalm bereits auf 35° angestiegen sein. Man lernte die Wärmeaustauscher wirklich erst dann zu schätzen, wenn diese kleinen Wunderwerke der Technik ausgefallen waren. Verzweifelt suchte Fireball nach einer Lösung, wie er das Schiff von den Flammen befreien konnte, aber ihm wollte einfach nichts einfallen. Der einfachste Weg wäre sicherlich ein kleines Tauchmanöver in einem See oder Fluss gewesen. Doch selbst wenn sie es geschafft hätten, bei diesem nicht abreißenden Angriff zu starten, würden sie innerhalb der nächsten paar hundert Meilen sicherlich nicht einmal eine Pfütze, geschweige denn ein ausreichend großes Gewässer finden, um Ramrod darin zu versenken. Der nächste Angriff versetzte ihnen einen zutiefst empfindlichen Schlag. Ihre überladenen Systeme schlugen Funken und Blitze, die durch den Kampfanzug direkt in den Körper drangen und dort brannten, wie tausend Nadelstiche. In die Schmerzensschreie der Star Sheriffs mischte sich die Alarmsirene, die ernsthafte Schäden an mindestens einem wichtigen Bestandteil des Kampfschiffes zu melden hatte. Jedoch fand keiner die Zeit, sich mit der Fehlermeldung eingehender zu beschäftigen. „Arrr, snirk…“ Colt schaffte es trotz der Stromschläge, die durch seine Arme und Beine zuckten, die oberen Raketenlafetten abzufeuern und noch ein paar Laserschüsse abzugeben. Binnen Sekunden katapultierte er die Temperatur im Inneren dadurch auf über 40°. Gepeinigt schrie Fireball auf, als die nächste Detonation weitere Nadelspitzen mitten in sein Gehirn trieb. Noch immer brannte das Feuer auf ihrem Kanzeldach und verwandelte ihren Kampfgiganten in eine riesige Backröhre. Er musste irgendetwas tun, sonst würden sie binnen kürzester Zeit in ihren Raumanzügen ersticken. Plötzlich ging dem Rennfahrer ein Licht auf. Ersticken, das war überhaupt die Lösung! Er konzentrierte sich trotz der unerträglichen Schmerzen auf seine Konsole. Direkt über der Kanzel war die große Umwälzanlage eingebaut, die permanent Kohlenstoffdioxid aus der Luft filterte, um daraus Sauerstoff für das Innere des Kampfschiffes zu produzieren. Wenn es ihm gelang, die Ventile der Anlage zu öffnen, würde das komprimierte Kohlendioxid entweichen und dem brennenden Napalm mit etwas Glück den notwendigen Sauerstoff rauben. Das Problem war nur, dass er noch nie zuvor auch nur einen Gedanken an die Kohlendioxid-Tanks verschwendet hatte, geschweige denn wusste, wie man diese öffnete. Colt schickte unterdessen einen Granatenhagel nach dem anderen gegen ihre Feinde, die sich auf wundersame Weise ständig zu vermehren schienen. Für jeden erledigten Jumper waren zwei neue da und attackierten sie mit Laser- und Raketensalven. Der Overall, den der Cowboy unter seinem Raumanzug trug, war von seinem eigenen Schweiß völlig durchtränkt und langsam wurde die Luft zum Atmen knapp. Die Szene vor seinen Augen verschwamm zu einem wilden Chaos aus bunten Lichtblitzen und in seinem Kopf breitete sich ein überwältigendes Schwindelgefühl aus. Wieder drückte er in panischer Verzweiflung den Abzug der Langstreckenlaser durch. Konnte dies wirklich das Ende der legendären Star Sheriffs sein? Von den hinterhältigen Outridern in eine Falle gelockt und jämmerlich zu Fischfutter verarbeitet zu werden? „Das ist es…“ nahm er unbewusst Fireballs Ausruf wahr, fuhr aber im nächsten Moment plötzlich hellwach auf, als Schwaden weißen Gases von oben über ihr Cockpit fluteten und das lodernde Napalmfeuer erstickten: „Matchbox, ich weiß nicht, wie Du das geschafft hast, aber erinnere mich nachher daran, dass ich Dich dafür knutsche.“ „Lass die Drohungen, Viehtreiber, sonst ergebe ich mich der wilden Meute da draußen wohlmöglich noch“, keuchend wischte sich der Rennfahrer die Schweißperlen von der Stirn. Er hatte es tatsächlich geschafft, das gekühlte Kohlendioxid hatte die Flammen erstickt wie ein Teppich aus Löschschaum. Die Hitze im Cockpit ließ ein wenig nach, nicht aber der Angriff der Outrider, „allerdings wird das Feuer nicht lange ausbleiben, wenn die so weiterballern!“ Mehrere der Jeteinheiten nahmen sie jetzt mit ihren Kurzstreckenlasern unter Dauerbeschuss und schälten mit jeder abgefeuerten Salve ganze Panzerplatten von ihrem Kampfschiff. Mit äußerster Sorge sah Saber, dass ihm sein Computer keinen Bereich der Ummantelung mehr anzeigen konnte, der noch unversehrt geblieben war. Eher gegenteilig nahmen die stark beschädigten Bereiche von Sekunde zu Sekunde zu und bereits die Hälfte von Ramrods Silhouette leuchtete gefährlich rot auf seinem Bildschirm. Diese Schlacht würden sie keine fünf Minuten mehr überstehen: „Fireball hat Recht, außerdem ist unsere Panzerung so gut wie hinüber“, er sah nur einen einzigen Ausweg aus dieser Mausefalle, „wir müssen Ramrod in die Luft bringen!“ Der Rennfahrer starrte ihn entsetzt an: „Vergiss es, solange die Mistkerle uns so einkesseln, schaffen wir das nie!“ schrie er über das Getöse des Kampflärms hinweg. „Ich weiß“, brüllte ihr Anführer zurück und löste seine Anschnallgurte, „wir müssen sie ablenken, das Kräfteverhältnis ein bisschen zu unseren Gunsten abwandeln.“ Er nickte Colt knapp zu, der sofort verstanden hatte. Er schnappte sich seinen Helm und sprang aus seiner Satteleinheit. Fireball war völlig bestürzt: „Ihr wollt doch nicht etwa da rausgehen, oder? Das ist reiner Selbstmord!“ das musste doch selbst der Cowboy einsehen. Saber überging diesen Einwurf schlichtweg: „Wir versuchen sie auseinander zu treiben und Du und Christa bringt den Vogel wieder in die Luft“, er vergewisserte sich kurz, dass sein Säbel an seiner linken Seite hing, „sobald Ihr aus der Gefahrenzone seid, werden wir Euch folgen.“ „Das ist vollkommen irre“, trotz dieser Überzeugung zögerte der Rennfahrer nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann prüfte er kurz, ob sein Blaster im Hohlsten steckte und folgte seinen beiden Kameraden, die bereits den Weg zum Hangar angetreten hatten, „aber glaubt ja nicht, dass ich Euch da alleine rausgehen lasse.“ Abrupt hielt Saber im Laufen inne und streckte Fireball den rechten Arm entgegen: „Du musst Ramrod hier rausbringen, Fire!“ Herrje, da war es ja schon wieder. Der Säbelschwinger wurde wirklich zu weich: „Das kann Christa tun!“ der junge Star Sheriff wischte den Arm achtlos beiseite. „Nein, das kann ich nicht!“ die junge Frau dachte ihren Ohren nicht trauen zu können. Glaubte Fireball wirklich, dass sie diesen Stahlkoloss durch ein Meer von schießwütigen Outrider fliegen konnte, während die drei Kopf und Kragen bei einem wahnwitzigen Ablenkungsmanöver riskierten? Das war vollkommen absurd. „Natürlich kannst Du, Du hast mir selbst erzählt, dass Du die Monarch Supreme schon gesteuert hast.“ „Das ist doch was völlig anderes, Turbo“, Christa verließ das letzte Bisschen Mut und blanke Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, „das schaffe ich nie im Leben!“ Die neu entbrannte Diskussion ging Saber vollkommen gegen den Strich. War es denn so schwierig, seine Befehle zur Abwechslung einfach mal zu befolgen, wenigstens in einer so brenzligen Situation wie dieser: „Fireball, Du bleibst hier. Colt und ich können jederzeit, wenn es zu heikel wird, zurück an Bord kommen, aber ich glaube nicht, dass Deiner Karre in den letzten Tagen Flügel gewachsen sind.“ „Aber zu zweit habt ihr da draußen überhaupt keine Chance“, Fireball setzte sich seelenruhig den Helm auf, obwohl um sie herum die Apokalypse tobte, „ich werde jedenfalls nicht von hier aus zusehen, wie ihr Harakiri begeht.“ „Himmel, seid Ihr Japaner ein stures Volk“, Saber packte den Freund an der Schulter und schüttelte ihn heftig, „es ist für Deinen Red Fury zu gefährlich, kapierst Du das nicht?“ Nun reichte es auch dem Rennfahrer endgültig: „Hör endlich auf mit dieser verdammten Mutter-Theresa-Nummer“, er hatte es satt, dass der Säbelschwinger ihn seit Tagen nur noch wie ein rohes Ei behandelte, „Du weißt genauso gut wie ich, dass wir da draußen nur zu dritt eine Chance haben, also lass mich endlich meinen Job machen und kümmer Dich um Deinen eigenen Hintern. Ich kann schon selbst auf mich aufpassen!“ Das Schiff wurde von neuen Schlägen hin und her geschüttelt und drei weitere Alarmsirenen schrillten gellend auf. Saber schwirrte der Kopf. Er musste umgehend eine Entscheidung treffen, wusste aber einfach nicht welche. Natürlich hatte Fireball Recht, ihre Chancen standen wesentlich besser, wenn sie zu dritt gegen den Feind vorrückten. Aber das konnte nicht die Tatsache aus dem Weg räumen, dass der Rennfahrer gegenüber dem Bronco Buster und Steed klar im Nachteil war. Eine gut gezielte Raketensalve schlug knapp über dem Kanzeldach ein und Christa schrie verzagt auf: „Wir werden alle draufgehen!“ Colt, durch ihren Schrei aus seiner eigenen Starre gerissen, fuhr zu Saber herum: „Nun lass den Heißsporn schon mitkommen, herrje. Der kommt uns doch sowieso hinterher gedackelt, wenn wir erst draußen sind!“ „Na gut“, Saber gab seinen inneren Kampf resigniert auf und beugte sich der Mehrheit, „aber schön den Kopf unten halten.“ Bei diesen Worten setzte sich ein Kloß in Christas Hals fest und Tränen stiegen ihr in die brennenden Augen. Die drei machten wirklich ernst. Sie wollten sie hier in diesem fast zu Schrott zerschossenen Blechhaufen zurücklassen: „Lasst mich nicht allein…“ wimmerte sie erbarmungswürdig und blickte flehend zu Colt auf. Er musste doch erkennen, dass diese Aufgabe sie völlig überforderte. Er durfte sie nicht alleine zurück lassen! Ihr verzweifelter Blick traf den Cowboy direkt ins Herz. Kurz entschlossen drückte er Fireball seinen Helm in die Arme und eilte zu Christas Platz hinüber: „Hör zu, Süße, Du kannst das, hörst Du“, er kniete neben ihr nieder und legte seine Hände schützend und beruhigend um ihren Kopf, „Du gehst jetzt rüber und setzt Dich in Fireballs Satteleinheit. Sobald wir draußen sind, werden die Drecksäcke von Ramrod ablassen und uns nachstellen. Sie werden niemals damit rechnen, dass Du ohne uns abhebst. Sieh zu, dass Du so schnell wie möglich weg kommst und bleib weg. Wir finden Dich schon. Hast Du das verstanden?“ Christa wollte den Kopf schütteln, abwehrend protestieren, aber sie sah in Colts zuversichtliche braunen Augen und hatte mit einem Mal den sehnlichen Wunsch, den Cowboy nicht zu enttäuschen. Eine Träne kullerte ihre Nasenspitze hinunter, als sie zögernd nickte: „Ich denke schon…“ Ein Lächeln stahl sich auf Colts Gesicht: „Das ist mein Mädchen“, eilig zog er sie zu sich heran und küsste sie leidenschaftlich, „weil wir überleben werden!“ dann sprang er auf und rannte an Saber und Fireball vorbei zur Treppe. Die beiden standen völlig perplex ob der unglaublichen Szene da, die sich soeben vor ihren Augen abgespielt hatte, aber sie durften keine weitere Zeit verlieren. Dank seines kleinen Vorsprungs war Colt der erste, der Ramrod an Bord seines Bronco Busters verließ. Mit einem lauten „Yeaha“ zündete er die Stallion-Power und preschte mit aufflackerndem Laser mitten hinein in einen Pulk Hyper-Jumper. Fireball ließ den Motor seines Red Fury aufheulen und beobachtete mit Genugtuung, dass der Cowboy binnen Sekunden ein gutes Dutzend der Outrider pulverisierte. Er fuhr seine Granatgeschütze aus, legte den Gang ein und trat das Gaspedal förmlich durch den Boden des Wagens. Mit quietschenden Reifen fegte er die Rampe des Schiffes hinunter und schickte, noch bevor er den Boden erreichte, drei Jet-Einheiten ins Jenseits. Saber folgte ihm mit Steed dicht auf den Versen, seine Laser-Winschester im Anschlag und den Säbel jederzeit griffbereit an der linken Seite. „Bevor einer von Euch den Mund aufmacht“, Colt hatte die Helm-Comline geöffnet, während er zwei weitere Jumper abschoss, „ich kann das Mädel gut leiden und damit ist die Diskussion beendet!“ „Na, dann will ich mal hoffen, dass sie ihren Helm nicht wieder aufgesetzt hat“, klang Fireballs blecherne Stimme dicht an seinen Ohren, „sonst macht sie sich wohlmöglich noch Hoffnungen!“ Colt sah den Red Fury unter sich dahinrasen, die Laserkanone im Dauereinsatz gegen die übermächtigen Feinde. Eines musste man dem Greenhorn ja wirklich lassen, er hatte ein echtes Händchen dafür, die wesentlich wendigeren Jumper und Jets wie reife Äpfel vom Himmel zu pflücken. „Hört auf mit diesem albernen Geplänkel“, schaltete sich nun auch Saber kurz in die Unterhaltung ein, „dafür bleibt Euch später noch genug Zeit. Konzentriert Euch gefälligst!“ Die Comline-Verbindung erstarb und jeder war nun in diesem aussichtslosen Kampf auf sich allein gestellt, in dem es einzig darum ging, den Feind von Ramrod wegzulocken. Wenn sie Glück hatten, würden die Outrider tatsächlich auf diesen kleinen Trick hereinfallen und Christa somit ausreichend Zeit geben, sich in Sicherheit zu bringen. Mit wild pochendem Herzen saß die junge Frau in Fireballs Satteleinheit und beobachtete gebannt, wie die Star Sheriffs sich ins Getümmel der Outrider stürzten und ihre Anzahl mit gezielten Schüssen Stück für Stück dezimierten. Natürlich hatte sie ihren Helm wieder aufgesetzt, nachdem die Jungs sich zu ihren Gefährten begeben hatten und war deshalb auch ungewollt Zeuge der kleinen Unterhaltung zwischen Colt und Fireball geworden. Noch immer spürte sie den leidenschaftlichen Kuss des Cowboys auf ihren Lippen und vergaß darüber für einen kurzen Augenblick sogar das Inferno, in dessen Zentrum sie sich mit Ramrod befand. Die Worte, die er ihr nach dem Kuss zugeflüsterte hatte, hallten in ihren Ohren nach wie ein Echo in den Bergen. Sie bedeutete ihm etwas, daran bestand für Christa nun kein Zweifel mehr. Er hatte sie ungeachtet der Folgen vor den Augen der anderen geküsst und eben noch einmal betont, dass er sie „gut leiden“ konnte. Für einen Mann wie Colt kam das sicherlich einem Liebesgeständnis gleich. „Christa“, die Stimme des Cowboys hallte dröhnend durch das Cockpit, „sieh endlich zu, dass Du verschwindest, ewig werden wir die Drecksäcke nicht ablenken können!“ Verwirrt schüttelte die Frau den Kopf, um sich wieder auf das aktuelle Geschehen konzentrieren zu können. Tatsächlich hatte ein Großteil der Outrider-Einheiten von Ramrod abgelassen und jagte nun hinter Steed, dem Bronco Buster und dem Red Fury her. Saber hatte seine Winschester ziemlich schnell wieder in der Satteltasche verschwinden lassen und schlug sich mit gezücktem Säbel wie ein Berserker eine Bresche durch die Reihen von Hyper-Jumpern. Mit unmenschlichem Geschick lenkte er sein Mecha-Pferd zwischen dem Laser- und Raketenhagel hindurch, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen. Colt hatte es auf die Jet-Staffeln abgesehen, mit denen er am Himmel über der Wüste Katz und Maus spielte. Er ließ den Gegner immer wieder in nahezu perfekte Schussposition kommen, stieß dann wie ein Pfeil senkrecht in den Himmel, um mit Hilfe eines Loopings genau in den Rücken des Kontrahenten abzutauchen und ihm die Lebenslichter auszublasen. Wenn er sich erst einmal an die Fersen eines Jets geheftet hatte, war es nur eine Frage von Sekunden, bis er ihn zur Strecke brachte. Ganz besondere Bewunderung musste sie allerdings Fireball zollen. Wie ein Schwarm Wespen hingen Dutzende von Hyper-Jumpern über dem Red Fury Racer, dem es immer wieder gelang, den gezielten Laserschüssen und explodierenden Granatgeschossen in letzter Sekunde auszuweichen. Und das, obwohl er doch in seiner Bewegung essentiell eingeschränkter war, als Steed oder der Bronco Buster. Der Rennfahrer riss ein ums andere Mal in vollen Tempo das Lenkrad seines Sportwagens herum, um seine Angreifer in einen tödlichen Wirbel aus Laserschüssen zu hüllen. „Christa!“ drängelte Colt ungehalten über die Comline. Christa versuchte ihre momentane Lage einzuschätzen: mit den rund zwanzig Jumpern, die ihr Kampfschiff nach wie vor attackierten, würde sie nun sicherlich auch ohne Kurzstreckenwaffen fertig werden. Der Cowboy hatte Recht, es wurde tatsächlich Zeit, die Gunst der Stunde zu nutzen: „Bin schon auf dem Weg. Ich hoffe nur, dass ich die Mühle überhaupt noch in die Luft bekomme.“ „Mach Dir keine Sorgen“, Christa sah, wie Colts Bronco Buster einige Schleifen drehte, „der gute Ramrod kann einiges einstecken!“ der kleine blauweiße Gleiter drehte bei und kehrte zu ihrem Schiff zurück, stellte dabei aber für keinen Moment das Feuer ein. Als er knapp über der Kommandobrücke vorbeischoss, meinte Christa die Silhouette des Scharfschützen erkannt zu haben: „Dann will ich mich mal auf Deine Worte verlassen, Cowboy!“ der Lieutenant betätigte die Maverick-Flugkontrolle, genauso wie April es ihr auf Yuma noch flüchtig für den Notfall gezeigt hatte, und kurz darauf erhob sich der Koloss mit lautem Ächzen in die Luft. Konzentriert hatte Christa ihre Zunge in den linken Mundwinkel geschoben. Jetzt kam es darauf an, dass sie den richtigen Flugkorridor berechnete und Ramrod ohne Kollision aus seinem Felsengefängnis heraus manövrierte. Das erforderte echtes Fingerspitzengefühl und ein ruhiges Händchen, das Christa im Moment nicht ansatzweise besaß. Verzweifelt klammerte sie sich an die Steuerung wie ein Ertrinkender an den rettenden Ast und lenkte das Schiff mit äußerster Vorsicht hinaus auf die freie Ebene, ohne dabei auf die Angriffe zu achten, die unvermindert auf sie fortgesetzt wurden. Nur noch ein paar Meter, dann hatte sie es geschafft. Übereifrig korrigierte sie den Kurs einen Augenblick zu früh und Ramrod schabte mit knirschendem Donnern an der rechten Felswand entlang. Durch die Erschütterung lösten sich Gesteinsbrocken aus dem Vorsprung und regneten prasselnd auf das Kanzeldach nieder. Aber dann hatte Christa es endlich geschafft und sie schoss mit einem lauten Jubelschrei hinaus in die Freiheit. „Gut gemacht, Lieutenant“, der Bronco Buster tauchte auf der stark beschädigten rechten Flügelseite auf, „aber an Deinem Augenmaß sollten wir arbeiten!“ Voller Übermut, weil sie es geschafft hatte, Ramrod aus der Falle herauszubugsieren, gab Christa vollen Schub und schoss Colt blitzschnell davon: „Diesen Job kannst Du gerne persönlich übernehmen!“ sie wusste, wie anzüglich diese Aufforderung geklungen haben musste, aber das war ihr im Moment egal. Wenn Colt jetzt hier neben ihr gestanden hätte, wäre sie ihm wahrscheinlich überschwänglich vor Freude um den Hals gefallen. „Verlockende Aussichten“, der Stimme des Cowboys war deutlich anzumerken, dass dieses offensichtliche Angebot ihn eiskalt überrumpelt hatte, „ich denke bei Gelegenheit drüber nach!“ „Christa“, Sabers sachliche Stimme schaltete sich in ihre Flirterei mit ein, „gute Arbeit, aber ich fürchte es ist noch nicht ausgestanden!“ Der Lieutenant erkannte schnell, worauf ihr Anführer mit dieser kleinen Andeutung hinaus wollte. Ihr Fluchtversuch war den Outridern selbstverständlich nicht verborgen geblieben. In der Sekunde, in der sie mit Ramrod vom Boden abgehoben war, hatten beinahe alle Kampfeinheiten von ihren kleinen Zielen abgelassen und ihren Angriff wieder auf das Kampfschiff gerichtet. Von allen Seiten prasselten jetzt die Laserschüsse und Granaten auf sie ein, so dass Christa das dumpfe Gefühl beschlich, durch ihre Flucht vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. „Colt, wo bist Du?“ verzweifelt versuchte sie in dem schwarzen Punktegewimmel den Bronco Buster zu entdecken, der wie vom Erdboden verschluckt war. Fünf oder sechs Raketen schlugen direkt unterhalb des Cockpits ein und brachten Ramrod ins Trudeln. „COLT!“ von Panik gelähmt starrte Christa auf den Wüstenboden, der in trudelnder Geschwindigkeit auf sie zugerast kam. Glücklicherweise war Ramrod so konfiguriert, dass er in bestimmten Situationen automatisch die Kontrolle übernahm und so schalteten sich rechtzeitig die Stabilisatoren ein und brachten den Giganten wieder in eine stabile Flugbahn. „Ich bin hier, Süße“, der Bronco Buster tauchte wieder vor dem Schiff auf, „keine Sorge, ich bleibe bei Dir und halte Dir die Maden vom Hals!“ Tränen der Erleichterung verschleierten Christas Sicht, als sie die vertraute und in der kurzen Zeit doch recht lieb gewonnen Stimme vernahm: „Tu das nie wieder, hast Du verstanden“, sie drückte einen gelben Hebel an Fireballs Steuerungskonsole nach unten, um die Flugautomatik wieder auf manuell umzustellen, „ich dachte, Du wärst erledigt!“ Schallendes Gelächter donnerte über die Lautsprecher: „Mach Dir keine falschen Hoffnungen, so schnell wirst Du mich nicht los.“ Gerade wollte Christa erwidern, dass sie es darauf auch nicht unbedingt angelegt hatte, als ihr ein blinkender roter Knopf in der Mitte der Konsole ins Auge sprang: „Colt“, besorgt prüfte sie die Schadensanzeigen, konnte aber keinen neuen Warnhinweis entdecken, „ich glaube, Ramrod hat eben was abbekommen.“ „Warum, was ist los?“ „Ich weiß nicht so genau“, irritiert beäugte Christa weiterhin den leuchtenden Knopf, „eigentlich habe ich keine Fehlermeldung, also mal abgesehen von den vierunddreißig, die ihr vor Eurem Spaziergang noch mitbekommen habt.“ Sie hörte, wie Colt sich räusperte: „Kannst Du vielleicht auch ein wenig konkreter werden?“ „Hier ist so ein roter Knopf an Fireballs Konsole“, der Cowboy würde sie sicherlich für verrückt erklären, weil sie deswegen so einen Wirbel machte, „ich weiß nicht genau, wozu der gut ist. Aber er leuchtet die ganze Zeit.“ Nun konnte man über die Comline hören, dass Colt zischend die Luft durch die Zähne einzog: „Wo genau an Fireballs Konsole ist dieser Knopf?“ Christa überlegte kurz, fand aber keine bessere Beschreibung als: „Mitten in der Mitte, würde ich mal sagen. Ist auch nicht besonders groß, vielleicht so wie ein Fingernagel.“ „Das…“ der Cowboy brach seinen gemurmelten Satz ab und seine Stimme nahm einen aufgeregten, leicht angespannten Ton an, „mach die Luke auf, Kleines, ich komme rein zu Dir!“ „Aber die Outrider…“ „Tu einfach, was ich Dir sage, Christa!“ dieser Befehl war eindeutig. Von der Heftigkeit seiner Reaktion noch mehr als von Colts merkwürdiger Idee überrascht, betätigte der Lieutenant den Schalter für die Laderampe. Der Cowboy drehte mit seinem Bronco Buster ab und tauchte im Sturzflug unter Ramrods Schnauze durch. Christa hoffte inständig, dass ihm keiner ihrer Feinde bei seinem Rückzug folgen würde, denn das letzte, was sie jetzt brauchen konnten, waren ein paar dreckige Outrider im Inneren ihres Schiffes. Zum Glück dachten diese aber überhaupt nicht daran, den kleinen Kampfjet zu verfolgen. Sie nutzten vielmehr die Gelegenheit aus, Ramrod nun wieder völlig ungestört mit Dauerfeuer attackieren zu können. In einiger Entfernung konnte die junge Frau Saber ausmachen, der noch immer mit gezogenem Säbel einen Outrider nach dem anderen hinstreckte. Der Wüstenboden war mittlerweile übersäht von Trümmern und toten Körpern. Gut die Hälfte der Feinde waren von den Star Sheriffs erledigt worden und die ursprüngliche Wildheit des Überfalls hatte beträchtlich nachgelassen. Trotzdem würde weder Ramrod noch einer der Star Sheriffs so lange weiter durchhalten können, bis der letzte der Outrider eliminiert war. Sabers Bewegungen wirkten behäbiger, so als würde ihm langsam die Kraft schwinden, und von Fireballs Red Fury Racer war im Augenblick gar nichts zu sehen. Eilige Schritte, die über den Metallboden hallten, ließen den Lieutenant aufmerken. Mit zwei großen Sprüngen hatte Colt die Treppe zur Kommandobrücke überwunden und stand nun schwer atmend hinter ihr: „Zeig mir den Knopf!“ Er kam zu Fireballs Satteleinheit herüber gerannt und folgte Christa, die leicht verwirrt ihren Arm ausstreckte und auf die entsprechende Partie der Konsole deutete. Einige Sekunden lang stand der Cowboy völlig reglos da und sie fürchtete schon, dass das Leuchten des Knopfes ein ganz besonders schlechtes Zeichen war, das ihm die Sprache verschlagen hatte. Aber dann riss er sich urplötzlich den Helm vom Kopf und stieß einen lauten Jubelschrei aus: „Halleluja, es gibt einen Gott“, ungeschickt beugte er sich in die Satteleinheit hinunter, umarmte Christa, die überhaupt nicht wusste, wie ihr geschah und drückte ihr einen Kuss auf den roten Scheitel, „ich weiß zwar nicht, wie Du das angestellt hast, aber dafür verdienst Du echt einen Orden!“ „Aber was…?“ Colt hatte den armen Lieutenant vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie wusste seinen unvorhergesehenen Freudenausbruch nicht einzuordnen, als so prickelnd empfand sie ihre momentane Situation eigentlich nicht, und beobachtete skeptisch, wie sich der Cowboy erneut über sie beugte. Dieses Mal blieb sie jedoch von stürmischen Attacken verschont, denn Colt hatte lediglich die Com-Anlage im Sinn. Eilig betätigte er den Knopf für den offenen Funkkanal, der sowohl über die Helme, als auch im Red Fury und dem Bronco Buster zu hören war: „Jungs, hier Numero Uno. Hört auf, Euch mit den Nachbarsjungs zu balgen und bewegt Eure müden Knochen zurück an Bord!“ ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem vor Anstrengung geröteten Gesicht aus: „Jetzt machen wir den Amigos da draußen mal ordentlich Beine!“ Christas erneuter Versuch, nach einer Erklärung für die Situation zu verlangen, scheiterte kläglich an der Antwort des Säbelschwingers: „Ich denke, das ist eine ganz hervorragende Idee, Colt“, seine Stimme drückte auch über den Funkkanal noch tiefe Besorgnis aus, „wir bekommen hier draußen nämlich mächtige Probleme.“ „Keine Sorge“, offenbar empfand es der Cowboy als legitim, über den offenkundigen Verdruss ihres Anführers hinweg zu sehen, „wir haben hier eine kleine Überraschung parat, die Dir sicher gefallen wird, Boss.“ „Also die muss wirklich sehr gut sein“, eine gehörige Portion Zweifel mischte sich in Sabers Stimme, „macht die Luke auf, ich bin in ein paar Sekunden bei Euch.“ „Aye, mein Captain.“ Colt schloss die Funkverbindung und betätigte den Mechanismus der Einfuhrluke. Vor lauter Euphorie war ihm rundweg entgangen, dass Christa mit blassem Gesicht und vor Schreck geweiteten Augen in ihrem Sitz zusammen gesunken war und hinaus auf die Kampfszenerie starrte. Jetzt ergriff sie zitternd eine seiner Hände: „Sag mal Colt“, die Worte kamen als heiseres Krächzen über ihre Lippen, „wie genau sieht eigentlich so ein Renegade aus?“ ihre Hand klammerte sich noch fester um die des Cowboys. „Och, na, ja“, mit der freien Hand kratzte er sich grübelnd am Kinn, „ziemlich groß, ziemlich fies und vor allem ziemlich hässlich.“ er hatte Christas erschrockenes Gesicht noch immer nicht bemerkt. „Du meinst… so wie die da?“ der Lieutenant war vor Entsetzen wie versteinert und schaffte es nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen, doch das war auch nicht nötig. Alarmiert durch ihre ängstliche Frage folgte Colt ihrem Blick hinaus auf die Ebene: „Mpf…“, bei dem Anblick, der sich ihm bot, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, „ja, ich schätze, so wie die da!“ Fassungslos kniff er die Augen zusammen, aber an dem sich präsentierenden Bild änderte sich dadurch nichts: sie hielten direkt auf eine Gruppe von drei humanoiden, überdimensionalen Kampfrobotern zu. Der Anblick ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Alle drei Renegades waren vom selben Typ und mindestens genauso groß wie Ramrod im transformierten Zustand. Allerdings wirkten sie wesentlich gedrungener und schwerer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mechs dieser Art, die Colt bislang gesehen hatte, erschienen diese Titanen wesentlich menschlicher. Ein totenschädelartiger runder Kopf saß tief verankert zwischen den breiten, kugeligen Schultergelenken. Auf den Unterarmen, die in riesigen Metallfäusten endeten, waren zwei gigantische Langstreckenlaser angebracht und der Torso war zu beiden Seiten unterhalb des Kopfes mit jeweils zehn Raketenabschussvorrichtungen gespickt. Direkt über den beiden Hüften starrten zwei äußerst imposant und bedrohlich aussehende Geschütze hervor, die Colt nicht genau einzuordnen wusste. Er nahm aber an, dass es sich dabei entweder um weitere, noch stärkere Laserkanonen handelte, oder aber, was weitaus schlimmer gewesen wäre, um eine Art Energiewaffe, die mit einem einzigen gezielten Schuss ganze Schaltkreise und somit auch Kampfschiffe und Mechs lahm legen konnten. Die Hüften selber waren mit weiteren sechsfachen Raketenlafetten ausgestattet und den krönenden Abschluss des Waffenarsenals bildeten zwölf gewaltige Granatwerfer, ausgewogen auf die unteren Beinpartien verteilt. Zu allem Überfluss, wahrscheinlich, um das beeindruckende Bild noch zu untermalen, strahlten alle drei Renegades in einem aggressiven Feuerwehrrot und hatten einen schief grinsenden Jolly Roger auf der rechten Schulter prangen. „Donnerlittchen“, nervös drehte der Cowboy seinen Helm in den Händen, „das nenne ich mal einen gelungenen Auftritt!“ er konnte seine Augen nicht von den Gefahr drohenden Waffen lassen und beäugte besonders kritisch die nicht identifizierten Geschütze in den Hüftbereichen der Angreifer. „Hör mal!“ flüsterte Christa atemlos, die sich, ebenso gefesselt vom Anblick der eindrucksvollen Renegades, vorsichtig an die rechte Seite des Scharfschützen drängte. Colt spitzte angestrengt die Ohren. Die schweren, behäbigen Schritte der Renegades verursachten bei jedem Aufsetzen auf dem Wüstenboden ein tiefes Donnergrollen: „Hm, machen einen ganz schönen Radau, die schweren Jungs.“ Er fragte sich, worauf Christa wohl hinauswollte. „Das meine ich nicht“, aufgeregt zupfte der Lieutenant an Colts Arm, „sieh doch mal, die ganzen Desperados sind verschwunden!“ Verblüffte stellte der Cowboy fest, dass Christa Recht hatte. Von den Dutzenden von Angreifern war weit und breit nichts mehr zu sehen. Und da er sich nicht vorstellen konnte, dass Fireball und Saber diese in den letzten Minuten alle alleine zur Strecke gebracht hatten, konnte das nur eines heißen: „Sie haben sich zurückgezogen, um den Renegades freie Bahn zu geben!“ Kaum hatte Colt seine dunkle Vermutung geäußert, als auch schon zwei der drei Kampfroboter ihre heimtückischen Laserkanonen auf sie richteten und das Feuer eröffneten. Die Star Sheriffs konnten lediglich von Glück sagen, dass sie es offenbar mit lausigen Schützen zu tun hatten, denn keiner der Strahlen traf sein Ziel. „Renegades“, Saber kam brüllend die Treppe zum Cockpit hochgerannt, „drei Stück, genau auf zwölf Uhr.“ Er machte sich nicht die Mühe, sich erst zu Colt und Christa zu gesellen, sondern schwang sich eilends in seine Satteleinheit und aktivierte die Systeme. „Wissen wir schon“, winkte der Cowboy pathetisch ab, „haben gerade in kleines Blitzlichtgewitter veranstaltet, die Jungs.“ „Dürfte ich dann erfahren, wieso Du hier dumm rumstehst und ein Pläuschchen hältst, anstatt das Feuer zu erwidern?“ Colt sah gutmütig über den aggressiven Tonfall hinweg: „Weil ich den Herrn Hochadligen gerade darauf aufmerksam machen wollte, dass die Challenge-Phase wieder funktioniert.“ Diese Verkündung schlug ein, wie eine Bombe, und das nicht nur beim Anführer der Gruppe. „Wenn das ein schlechter Witz ist, Cowboy…“ „Hey“, entrüstet stemmte Colt die Hände in die Hüften, „selbst ich habe einen Funken von Feingefühl im Leib. Glaubst Du wirklich, ich wäre im Moment zu Scherzen aufgelegt?“ ein ganzer Raketenhagel ging dicht neben ihnen nieder und Christa riss die Steuerung herum, um die Distanz zwischen ihnen und den Renegades zu vergrößern. Solange sie die Kampfroboter auf Abstand halten konnten, würden sie es nur schwer schaffen, Ramrod ernsthaften Schaden zuzufügen. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren“, Saber legte seinen Gurt an, „wo bleibt Fireball?“ Erschrocken sahen Colt und Christa sich an. Erst jetzt fiel ihnen ein, dass der Rennfahrer sich auf ihren Funkspruch hin gar nicht gemeldet hatte: „Kann wieder nicht auf Mutti hören, der Rotzbengel“, versuchte der Cowboy seine Besorgnis um den Freund mit rüdem Humor zu übertünchen, „kannst Du seine Blechmühle nicht irgendwo orten?“ „Keine Chance“, Saber hieb auf den Knopf für die Comline-Verbindung, „Fireball, hier ist Saber, bitte kommen!“ Einige Sekunden vergingen, in denen nur statisches Rauschen aus den Lautsprechern der Kommandobrücke kam, gelegentlich unterbrochen von detonierenden Raketen oder zischenden Laserstrahlen, die Ramrod um Haaresbreite verfehlten. Doch dann erklang endlich die verbissene Stimme des jüngsten Star Sheriffs: „Die Würmer haben mich ziemlich weit nach Norden gedrängt und machen jetzt ganz schön Dampf.“ Im Hintergrund konnte man Explosionen und anderen Kampfeslärm vernehmen. „Von wie vielen Schmeißfliegen sprichst Du, Partner?“ nun zeichneten sich doch Sorgenfalten auf Colts Stirn ab. Es schmeckte ihm nicht, dass Fireball, abgeschirmt durch den metallhaltigen Boden dieses vermaledeiten Planeten, von ihnen getrennt war und alleine gegen eine Übermacht an Outridern kämpfen musste. Besonders nicht, wenn zwischen ihm und Ramrod auch noch eine Armada aus Renegades stand. „An die zwanzig dürften es wohl noch sein“, sie hörten Fireball kurz aber schmerzerfüllt aufstöhnen, „ich glaube nicht, dass ich mich zu Euch durchschlagen kann. Wie wäre es mit Shuttle-Service? Ich könnte langsam einen Boxenstop vertragen!“ Saber schloss gequält die Augen und hasste sich selbst für die Worte, die er nun aussprechen musste: „Sorry, Partner, das wird nicht funktionieren, wir haben hier Gesellschaft von drei bis an die Zähne bewaffneten Renegades bekommen.“ „Oh“, die Enttäuschung in Fireballs Stimme war mehr als eindeutig, aber er wollte sie sich offenbar nicht anmerken lassen, „dann werde ich wohl doch versuchen müssen, mich irgendwie zu Euch durchzubeißen. Melde mich wieder. Over and out!“ Ungehalten setzte Colt seinen Helm auf und tat so, als würde er einen imaginären Kieselstein vor sich hertreten: „Es war von Anfang an eine Schnapsidee, dass er mit rausgegangen ist“, dieser Vorwurf war klar an Saber gerichtet, obwohl der Cowboy ja wusste, dass Fireball nach dessen Willen niemals ihr Kampfschiff verlassen hätte, „ich hoffe nur, dass er es noch rechtzeitig schafft, sonst können wir nicht viel gegen die Quasimodos da draußen ausrichten.“ „Er wird es nicht schaffen, Colt.“ Saber versuchte, ruhig und sachlich zu klingen, merkte aber selbst, wie kläglich dieser Versuch missglückte. „Wie meinst Du das?“ „Wir können nicht warten, bis er hier ist, sonst machen uns die Renegades die Hölle heiß“, schweren Herzens traf der Highlander eine schwerwiegende Entscheidung, die seiner Meinung nach zum Besten der Mission war, „wir müssen die Challenge-Phase ohne Fireball einleiten.“ „Nein“, der unbeherrschte Schrei des Scharfschützen ließ Christa empfindlich zusammenzucken, „das werden wir nicht, klar. Denk nicht mal dran!“ Saber gefiel diese Alternative natürlich ebenso wenig wie Colt, aber es war nun einmal die einzige, die ihnen zur Verfügung stand: „Solange die Renegades da draußen rumlaufen, wird weder Fireball zu uns noch wir zu ihm durchkommen. Und ohne Ramrods Transformation haben wir nicht die geringste Chance gegen die Riesenbabys.“ „Aber damit verbauen wir Fire die Möglichkeit, zurück an Bord zu kommen. Wie Du vorhin doch selber so treffend bemerkt hast, seine Seifenkiste hat noch keine Flügel zum Abheben“, Colt stellte sich absolut stur. Er würde seinem besten Freund nicht in den Rücken fallen und ihn den Hyänen zum Fraß vorwerfen, „und Du kannst ihn nicht wirklich alleine mit drei Renegades dort draußen lassen wollen. Mal ganz abgesehen von den Jumpern, die ihn noch immer belagern!“ „Herrgott, Colt“, in diesem Augenblick riss Sabers Geduldsfaden endgültig, „habe ich etwa verlangt, dass wir Fireball hier seinem Schicksal überlassen“, fuhr er seinen Teamkameraden unbeherrscht an, „er muss doch nur zusehen, dass er seinen Hintern aus der Kampfzone raushält, bis wir die Renegades erledigt haben. Danach holen wir ihn sofort an Bord und sehen zu, dass wir diesen gottverdammten Ort verlassen.“ Colt schnaubte verächtlich, aber dennoch geschlagen: „Die Idee ist trotzdem beschissen.“ „Aber leider die einzige, die wir haben“, Saber verwies den Cowboy streng auf seinen Platz, „jetzt schieb Deinen Allerwertesten endlich in Deine Satteleinheit, wir können nicht länger warten.“ Ungeduldig sah er zu, wie Colt sich grummelnd zu seinem Sitz verzog: „Christa, starte die Challenge-Phase!“ Als der junge Lieutenant zögerte, schlug der Cowboy im Vorbeispurten frustriert auf den rot leuchtenden Knopf in Fireballs Mittelkonsole: „So geht das…“ und mit einem Satz war er auf seinem Platz. Auf dem Fuße folgte der Umwandlungsprozess, bei dem das Innerste von Ramrod nach Außen gestülpt wurde. Bevor die blecherne Stimme ihres Kampfgiganten seinen programmierten Satz von sich gab, konnte sich Colt aber trotz seiner miesen Laune einen kleinen Spaß zur Aufheiterung der Stimmung nicht verkneifen: „Ramrod wird ab sofort die Steuerung übernehmen!“ brummte er mit Grabesstimme vor sich hin und wartete dann gespannt darauf, als April tituliert zu werden: „Bestätige Colt“, rumpelte Ramrod los und verschlug dem Cowboy mit dieser überraschenden Ansage glattweg die Sprache, „übernehme Steuerung! Kampfbereitschaftsphase eins.“ „Dieses kleine Miststück“, entfuhr es Colt unwillkürlich mit dem Ansatz eines Grinsens, als ihm die Erkenntnis dämmerte, dass April die Ansage extra noch geändert haben musste, „woher hat sie das gewusst?“ „Tja“, konstatierte Christa leicht schnippisch, „scheint Dich ja wirklich äußerst gut zu kennen, die liebe April!“ schnell warf sie dem Cowboy einen böse funkelnden Blick zu, den dieser mit wohlwollender Genugtuung zur Kenntnis nahm. Dann wurden sie mächtig durchgeschüttelt, als die Metamorphose begann: „Hoch damit und raus mit ihnen.“ Vor den Augen des Lieutenants drehte sich alles und ihr wurde speiübel: „Himmel, hört das denn nie auf?“ geplagt krallte sie sich fest in ihren Sitz und flehte nach Erlösung von dieser ganzen furchtbaren Mission. Sich freiwillig dafür zu melden war eine blöde Idee gewesen, die ihr bislang nur Probleme und Scherereien eingebracht hatte. „Volle Energie – und fertig ist die Ramrod-Infantrie.“ Die metallene Kapuze stülpte sich automatisch nach hinten und gab endlich die Sicht aus dem neu formierten Kommandostand frei. Christa atmete erleichtert auf: „Na endlich!“ Saber hielt konzentriert nach ihren Angreifern Ausschau: „Sie haben sich verteilt. Wollen wahrscheinlich versuchen, uns in die Zange zu nehmen.“ Tatsächlich hatte nur einer der Renegades seine Position seit Einleiten der Kampfbereitschaftsphase gehalten. Die anderen beiden waren in östliche und westliche Richtung marschiert und näherten sich in weiten Bögen ihrem Standort. „Wie ein Rudel Hyänen“, Colt nahm den bewegungslosen Mech ins Fadenkreuz, „wollen wir doch mal sehen, was die Jungs so einstecken können!“ er drückte den Abzug der Bordkanonen durch und zwei dicke Laserbündel schossen auf den Feind zu. Doch bevor sie sich in dessen Torso bohren konnten, flammten plötzlich Düsenaggregate in den Füßen des Stahlkoloss auf und hoben ihn gut zehn Meter in die Höhe. Die Laserstrahlen trafen lediglich den Felsen, vor dem der Renegade gestanden hatte und sprengten große Gesteinsbrocken heraus. „Verflucht, die Kisten haben Sprungdüsen“, Colt schmiss einen Hebel um und wechselte auf die wärmesuchenden Langstreckenraketen, „das kann ja heiter werden!“ Der Renegade landete ziemlich unsanft wieder auf dem Wüstenboden und der Pilot schaffte es nur knapp, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, indem er den Roboter in die Hocke gehen ließ und sich mit dem linken Knie abstützte. Das war genau die Gelegenheit, auf die Colt gewartet hatte: „Blutiger Anfänger“, er schickte eine Salve von zehn wärmegesteuerten Sioux-Raketen direkt auf das angewinkelte, aber noch stehende Bein. Dieses Mal schaffte es der Pilot der anderen Maschine nicht, so schnell zu reagieren und die Geschosse fanden mit der für Colt bekannten Präzision ihr Ziel. „Friss Staub, Du Blechbüchse!“ der Cowboy triumphierte, als er seinen Kontrahenten in einer Explosionswolke verschwinden sah, „der dürfte nirgendwo mehr hingehen.“ Als sich der Staub langsam absenkte, wurde das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar. Die Raketen hatten das rechte Bein schwer in Mitleidenschaft gezogen und offensichtlich das Kniegelenk soweit beschädigt, dass es bewegungsunfähig war. Dem Piloten gelang es zwar, den Giganten wieder aufzurichten, aber er hatte keine Möglichkeit mehr, sich von der Stelle zu rühren. Leider blieb den Star Sheriffs keine Gelegenheit, diesen eindeutigen Vorteil für sich auszuschlachten. Einer der beiden anderen Renegades hatte endgültig Position bezogen und deckte nun seinerseits Ramrod mit einer Granatensalve nach der nächsten ein, immer wieder begleitet von Schüssen aus den beiden Laserkanonen. „Ich frage mich, worauf der dritte von ihnen wartet!“ Saber hatte den letzten Roboter im Bunde nicht aus den Augen gelassen, der ständig näher an sie heranrückte, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben. Scheinbar war der Pilot auf einen Nahkampf aus. „Wir können uns nicht um beide gleichzeitig kümmern“, Colt hatte einige Mühe damit, ihren zweiten Gegner ins Fadenkreuz zu bekommen, „Christa, kannst Du die Maschine nicht vielleicht ein bisschen ruhiger halten?“ „Wollen wir die Plätze tauschen“, fauchte sie angriffslustig zurück, „wenn Du meinst, dass Du es besser kannst!“ Der Cowboy verkniff sich eine ebenso giftige Bemerkung und konzentrierte sich wieder auf das Ziel vor ihm: „Wenn Du mir nur ein paar Sekunden gibst, dann habe ich den Schweinehund in null Komma nichts erledigt!“ mit verbissener Entschlossenheit legte er die Kontrolle ihrer vier verbliebenen Laser auf ein und denselben Auslöser, drei der sechs Raketenlafetten auf den anderen und zog letztlich den überdimensionalen Blaster, der an Ramrods rechter Hüfte angebracht war. Es war ein gewagtes Unterfangen, besonders da sie so viele Wärmeaustauscher verloren hatten und die Temperatur auf der Kommandobrücke immer noch bei 40° lag. Aber sie mussten zumindest einen der Renegades schnell zur Strecke bringen, um nicht zwischen den Fronten aufgerieben zu werden. „Wie Du willst“, Christa aktivierte die Beinsensoren und Ramrod stapfte mit festen Schritten vorwärts, „aber dadurch vernachlässigen wir die Deckung zur anderen Seite. Sieh also zu, dass Du nicht zu lange brauchst!“ zähneknirschend erhöhte sie das Tempo und ihr Kampfgigant verfiel in einen schwerfälligen Trab, der den Boden zum Zittern brachte. Mit einem geschickten Manöver warf sie das ganze Gewicht des Roboters nach vorne, rollte sich perfekt über die rechte Schulter ab und kam in idealer Schussposition wieder auf die Füße: „JETZT!“ Der Schrei der jungen Frau ging in dem ohrenbetäubenden Donnern der abgefeuerten Raketen unter. Colt hatte von der Attacke auf den ersten der Mechs gelernt, dass die Schwachstelle dieser monströsen Maschinen in den Beinen lag. Wenn man es schaffte, die dort eingebauten Granatwerfer zur Detonation zu bringen, setzte man damit den kompletten Renegade außer Gefecht. Wie auch der erste der Roboter, verfügte dieser hier über Sprungdüsen, die den Koloss in Sekundenbruchteilen in die Luft katapultieren konnten. Aber der Pilot war dem Anschein nach so verwirrt von Christas kleinem Ablenkungsmanöver gewesen, dass er die drohende Gefahr zu spät erkannt und die Sprungdüsen nicht rechtzeitig gezündet hatte. Die gebündelten Laser trafen das linke Kniegelenk in dem Moment, als der Riese in den Himmel emporstieg und trennten den unteren Teil des Beins mit einem sauberen Schnitt vom Rest des Körpers. Der Hälfte seiner Sprungdüsen beraubt, stürzte der Roboter wie ein Stein zurück zu Boden. Beim Aufprall verlagerte sich das ganze Kampfgewicht auf das ausgestreckte linke Bein, welches augenblicklich einknickte, wie ein Streichholz. Das war genau der Augenblick, in dem die Langstreckenraketen mitten ins Schwarze trafen. Die im Bein des Renegades gelagerten Granaten explodierten in einem gewaltigen Inferno, das binnen Sekunden den kompletten Torso in einen Feuerball verwandelte. „Da war es nur noch einer!“ knurrte Colt selbstzufrieden. Das war einfacher gewesen, als er erwartet hatte. „Nicht schlecht“, anerkennend nickte Christa in seine Richtung, „das muss Dir der Neid ja…“ Ein schwerer Schlag traf Ramrod direkt im Rücken und warf den Mech bäuchlings zu Boden. „Ausweichen!“ brüllte Saber atemlos und der weibliche Lieutenant reagierte keine Sekunde zu früh. Kaum hatte sie sich mit Schwung zur Seite gerollt, als ein strahlendblauer Peitschenhieb den Sand neben der Kommandobrücke mit lautem Zischen verdampfte. Der dritte der Renegades stand wie ein Henker über ihnen, in jeder eisernen Faust eine todbringende Energielanze. Colts Blick huschte unwillkürlich zum Hüftbereich ihres Gegners: die beiden Waffen, die er vorhin nicht genau hatte einordnen können, waren verschwunden. Er hegte keinerlei Zweifel bezüglich deren Verbleibs. Angsteinflößend ragten die neonartig glühenden Lanzen über ihnen auf, jederzeit bereit, Ramrod den endgültigen Todesstoß zu versetzen. „Habe ja schon immer gewusst, dass Ihr Hühnerdiebe mit unfairen Mitteln kämpft“, der Cowboy riss den Blaster hoch und zielte genau auf das Cockpitfenster des Kontrahenten. Zwar riss der Mech rechtzeitig die Ellenbogen hoch, um den Laserschuss abzuwehren, aber dessen Wucht zwang den Piloten, einen Schritt zurück zu weichen, um das Gleichgewicht zu behalten. Mehr Zeit braucht Christa nicht, um sich unter ihrem Feind hervorzuwinden und wieder auf die Beine zu kommen. Schnaufend wich sie einige Meter zurück, um aus dem Einzugsbereich der Energielanzen herauszukommen. Ramrods Panzerung war so vom Bombardement der Hyper-Jumper und Jets in Mitleidenschaft gezogen worden, dass der Renegade sie mit einem einzigen Hieb einer der Lanzen hätte durchbohren können. Schon hoben sich die gewaltigen stahlbepackten Arme ihres Gegenübers und holten zu einem vernichtenden Schlag aus, dem Christa nur mit letzter Mühe ausweichen konnte. Die Abdeckklappen der Brustlafetten öffneten sich und ein Schauer aus Raketen ging auf Ramrod nieder. Dieses Mal war es an Colt, die Arme ihres Kampfroboters schützend nach oben zu reißen. „Mit Distanzwaffen auf zehn Meter Entfernung rumballern, was ist denn das für eine abartige Masche?“ „Hör auf zu philosophieren, Colt und überleg Dir lieber, wie wir diese Nuss knacken können.“ Seiner sonst so hilfreichen Ortungs- und Navigationssysteme beraubt, musste Saber ungewollt tatenlos mit ansehen, wie Christa und der Cowboy darum kämpften, ihren Skalp zu retten. Eine nicht gerade zufriedenstellende Rolle für den Säbelschwinger. „Zu komisch, Boss“, Colt hatte alle Hände voll damit zu tun, die auf sie niederprasselnden Schläge mit den Energielanzen abzuwehren, während der Lieutenant alles in ihrer Macht stehende tat, um den heftigen Attacken des Renegades auszuweichen, „wie wäre es, wenn Du Dir selbst ein paar Gedanken machen würdest?“ „Mir ist es ehrlich gesagt egal, wem von Euch die zündende Idee kommt“, Christa riss die Steuerung hart nach hinten und Ramrod duckte sich unter einem rechten Schwinger ihres Angreifers hinweg, „solange sie nur schnell kommt. Lange halten wir dieses Spielchen nicht mehr durch, dafür sind wir viel zu stark beschädigt.“ Die nächste Raketensalve, dieses Mal aus der Torsomitte, löste sich vom Renegade. Aus lauter Verzweiflung feuerte Colt ebenfalls zwei Raketenlafetten ab und fing damit den Angriff auf fast halber Strecke mit einem gigantischen Feuerwerk ab. Das Ergebnis war eine neue Hitzewelle, die über den Star Sheriffs zusammen schlug. „Verdammt, Colt, wo bleibt Ihr denn“, Fireballs hektische Stimme hallte plötzlich durch den Helm des Cowboys, „mir geht hier langsam der Arsch auf Grundeis!“ aus welchen Gründen auch immer, wahrscheinlich, um nicht gleich das komplette Team in Sorge zu versetzen, hatte der Rennfahrer es vorgezogen, nicht den offenen Funkkanal zu benutzen. „Zieh den Kopf ein, Matchbox und bleib bloß wo Du bist“, Colt antwortete so leise, wie es bei dem herrschenden Kampfeslärm möglich war, damit Saber und Christa nichts von der Unterhaltung mitbekamen, „wir stecken hier in ganz schönen Schwierigkeiten.“ „Was Du nicht sagst“, das verbitterte Lachen des jungen Star Sheriffs brauste in seinen Ohren, „mir kleben noch immer elf Desperados am Heck und alles, was mir an Waffen geblieben ist, ist eine eingeschränkt funktionierende Laserkanone.“ Colt feuerte mehrere Schüsse aus Ramrods Blaster, um den Renegade auf Distanz zu halten: „Bist Du denn soweit in Ordnung?“ „Bis auf ein paar blaue Flecken schon, aber mein Fury ist kurz vor dem Auseinanderfallen“, krachende Interferenzen störten die Funkverbindung, „…Frage der Zeit. Länger als ein paar Minuten halte ich nicht mehr durch!“ der Cowboy erkannte die Verzweiflung in Fireballs Stimme, und in diesem Moment warf er alle Vorsicht über den Haufen: „Keine Sorge, Kleiner, ich hau Dich da schon raus.“ Fireball brauchte ihre Hilfe, da war es nicht nötig, ein zweites Mal über den nächsten Schritt nachzudenken. „Wenn es Dir nichts ausmacht, beeil Dich ein bisschen dabei, Partner“, die Comverbindung schwankte bedenklich, „…doch nicht schaffen sollte, kannst Du April bitte…“ „Hör auf, so einen gequirlten Mist zu faseln“, besorgt versetzte Colt seinem Helm einen leichten Schlag, „wir sind in fünf Minuten bei Dir, solange wirst Du gefälligst nicht den Heldentod sterben!“ mit einem verzerrten Pfeifton erstarb die Verbindung. Entweder hatte Fireball die Kommunikation von sich aus beendet, oder aber es stand tatsächlich mehr als schlimm um den Rennfahrer. Ihnen blieb keine Zeit mehr, sie mussten sofort handeln: „Christa, neuer Plan“, ein aggressives Grollen entrang sich der Kehle des Cowboys, „auf mein Kommando schmeißt Du Dich mit voller Wucht gegen diese Missgeburt aus Blech und Nieten, klar?“ Der Lieutenant glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können: „Was für ein bescheuerter Plan soll das denn bitte sein?“ „Colt, das ist glatter Selbstmord!“ ereiferte sich auch Saber, konnte den Scharfschützen damit aber nicht sonderlich beeindrucken: „Fireball steckt ziemlich in der Patsche. Wenn wir ihm nicht sofort helfen, dann können wir ihn wahrscheinlich in einer Zigarrenkiste mit zurück nach Yuma nehmen. Also tut gefälligst, was ich Euch sage!“ „Was hast Du vor?“ die Stimme ihres Anführers klang unentschlossen. Einerseits konnte er keinen Sinn hinter Colts wahnwitziger Idee erkennen, andererseits fühlte er sich aber auch für Fireball verantwortlich, der mehr oder minder seinetwegen irgendwo dort draußen fest saß. „Wenn die Gauner mit gezinkten Karten spielen können, dann können wir das schon lange“, krachend landete Colts rechte Faust in seiner flachen Linken. Christa drehte sich unsicher zu Saber um und erwartete offensichtlich eine Entscheidung von ihm, da sie selber nicht wusste, ob sie auf den Cowboy hören sollte, oder nicht. Der Schotte ging kurz die möglichen Alternativen durch, landete aber immer wieder bei dem eben angeschnittenen Horrorszenario, in dem sie Fireball in einem Sarg zurück ins neue Grenzland brachten: „Tu was er sagt, viel mehr bleibt uns sowieso nicht übrig!“ Colt starrte wie hypnotisiert auf den Renegade und vergewisserte sich, dass er die Steuerung der Armsensoren fest im Griff hatte. Er würde nur diesen einen Versuch bekommen. Sollte er den verpatzen, war nicht nur Fireball, sondern ihr komplettes Team dem Tode geweiht. Angespannt beobachtete er, wie der Kampfkoloss ihnen gegenüber mit erhobenen Energiespeeren auf sie zuhielt: „Warte ab, bis er auf Armeslänge heran ist.“ die Luft im Cockpit vibrierte vor Erregung, als der Renegade mit langen, zielstrebigen Schritten auf sie zugestürmt kam. Nur noch einen kleinen Augenblick, aber sie durften auf keinen Fall zu früh agieren. „LOS!“ mit letzter Willenskraft stürzte Christa sich dem Widersacher mit voller Wucht entgegen, ohne auf die niedersausenden Energiewaffen oder irgendetwas anderes zu achten. Im selben Moment holte Colt mit Ramrods rechter Faust zum Schlag aus und ließ sie mit voller Wucht auf das Kanzeldach ihres Rivalen niedersausen. Er spürte, wie das schwere Panzerglas unter der Wucht des Aufpralls barst und sich der Arm ihres Mechs tief in den runden Kopf des Gegenspielers grub. Augenblicklich erstarrte der Renegade mitten in seiner Bewegung, so als wären auf einen Schlag sämtliche Gelenke eingerostet, und Colt wusste, dass er den gegnerischen Piloten zerquetscht haben musste, wie ein kleines Insekt. Er stieß den starren Torso mit der linken Hand brüsk nach hinten und der tonnenschwere Roboter stürzte geräuschvoll zu Boden: „Wie Du mir, so ich Dir!“ der Cowboy fühlte sich nicht sonderlich wohl bei der Vorstellung, welch erbärmlichen Tod er seinem Feind soeben bereitet hatte, aber er war nicht derjenige gewesen, der als erster in die Kiste mit den miesen Tricks gegriffen hatte, „das wäre dann also Nummer drei!“ Ein leises Husten aus Saber Richtung verkündete neues Unheil: „Ich fürchte, da irrst Du Dich, Colt!“ niedergeschlagen wies der Säbelschwinger auf die Stelle, an der der erste Renegade seine Bruchlandung vollführt hatte. „Aber das gibt es doch gar nicht“, Colt schlug frustriert gegen das gelbe Gestänge seiner Satteleinheit, „wo ist der Schrotthaufen abgeblieben?“ „Colt?“ nicht mehr Herr seiner Selbst schrie Fireball unkontrolliert auf und trommelte auf das Armaturenbrett, doch er wartete vergebens auf eine Antwort, die Comverbindung zu Ramrod war tot. Höchstwahrscheinlich war die letzte Breitseite, die ihm einer der Hyper-Jumper verpasst hatte und der er nicht mehr rechtzeitig hatte ausweichen können, verheerender gewesen, als ursprünglich angenommen. Die Luft im Cockpit seines Red Fury flimmerte vor Hitze und der Rennfahrer hatte das Gefühl, jede Sekunde ersticken zu müssen. Panisch riss er sich den Helm vom Kopf, ohne tiefergehend darüber nachzudenken, dass Ramrod vielleicht versuchen würde, über diesen Weg erneut mit ihm Kontakt aufzunehmen, jetzt da das Funkgerät seines Rennwagens defekt war. Wenn er Colts Worte richtig verstanden hatte, waren die anderen mehr als nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und hatten gewiss keine Zeit, sich nun auch noch in eine wilde Rettungsaktion zu stürzen. Er musste eben weiter durchhalten. Nur fragte sich Fireball ernsthaft, wie lange er das wohl noch schaffen würde. Sein Bestand an Granaten und Raketen war schon seit geraumer Zeit aufgebraucht und der Laser, der auf dem Dach des Red Fury installiert war, hatte nach einem empfindlichen Treffer zwar nicht den Dienst quittiert, brauchte jedoch nach einem Schuss sehr lange, um sich neu aufzuladen. Das machte ihn quasi nutzlos. Zu allem Überfluss waren auch noch die beiden vorderen Reifen auf der rechten Seite einem gut platzierten Laserschuss zum Opfer gefallen. Das zerstörte Gummi war noch immer um die mittlerweile sehr in Mitleidenschaft gezogenen Felgen gewickelt, die dank des weichen Wüstensandes bislang den Strapazen seiner Wendemanöver gerade noch so Stand hielten. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis er aus Unachtsamkeit oder Erschöpfung einen Fehler beging und den Outridern damit eine Möglichkeit lieferte, ihm endgültig die Lichter auszupusten. Gegenwehr oder gar Gefahr hatten sie von dem völlig zerbeulten Boliden jedenfalls keine mehr zu erwarten. Fireball konnte lediglich zusehen, dass er das Rennen seines Lebens nicht am Ende mit selbigem bezahlte. Die Jumper hatten ihn frühzeitig von den anderen isoliert, fast wie ein Rudel Löwen, das kranke oder schwache Beutetiere vom Rest der Herde trennte, um diese dann in Ruhe zum Abendessen zu verspeisen. Der Star Sheriff konnte einfach immer noch nicht glauben, dass selbst die unterbelichteten Phantomnasen sehr schnell das erkannt hatten, was er selbst ihrem Anführer nicht hatte glauben wollen: nämlich dass er in seinem Red Fury einen entsetzlich leichten Fang darstellte. Warum nur hatte er nicht auf Saber gehört und war so furchtbar erpicht darauf gewesen, den Helden zu spielen? Wenn das Schicksal gnädig genug mit ihm sein würde, und ihn heute noch einmal von Teufels Schippe springen ließ, würde er nie wieder einen Befehl des Schotten in Zweifel ziehen oder missachten. Nie wieder! Die Hitze, die sich durch das Abfeuern seines gesamten Waffenarsenals im Inneren des Wagens aufgestaut hatte, war erdrückend. Schweißperlen rannen Fireball übers Gesicht und brannten in seinen Augen. Sein ganzer Körper schmerzte und er brachte es überhaupt nur mit höchster Selbstdisziplin zustande, seine Arme und Beine trotz der Qualen zu bewegen. Er musste durchhalten; das war er seinem Team einfach schuldig. Und April! Bittere Selbstvorwürfe keimten in ihm auf, als er an seine Verlobte zu Hause auf Yuma dachte. Allein schon ihretwegen durfte er seinen Lebenswillen nicht aufgeben. Sie hatten noch ihre ganze gemeinsame Zukunft vor sich und vor allem musste er ihr sagen, wie unendlich dämlich er sich wegen dieser ganzen blöden Mission ihr gegenüber verhalten hatte. Jetzt im Moment war er einfach nur dankbar, dass April in Sicherheit war und nicht wie der Rest der Star Sheriffs in höchster Lebensgefahr schwebte. Es gab so viele unwichtige Dinge im Leben, wegen derer man sich unnötig Gedanken machte und dabei das Wesentliche völlig aus den Augen verlor. Er selbst hatte sich heftig in die fixe Idee verrannt, er würde bei diesem Einsatz seinen Vater in der Phantomzone aufspüren können, ohne dabei ein einziges Mal Rücksicht auf April oder ihre Gefühle genommen zu haben. Eine ganze Batterie von Granaten detonierte nur knapp einen Meter neben ihm und warf den Red Fury gefährlich zur Seite, aber Fireball gelang es unter Aufbietung all seines Könnens, den Wagen unter Kontrolle zu halten. Wenn dieses Bombardement so weiterging, würde er wahrscheinlich eher vor Erschöpfung sterben, als an einem Volltreffer aus den Outrider-Geschützen. Aus den Augenwinkeln erhaschte er einen flüchtigen Blick auf einen weiteren Canon, wenn es hoch kam, vielleicht fünfzehn Meter breit. Sicherlich keine ernsthafte Herausforderung für seine Angreifer, aber zumindest besser, als sich hier draußen auf der freien Ebene als perfektes Übungsziel anzubieten. Energisch riss er die Steuerung seines Wagens herum und der Red Fury geriet schlingernd aus der Bahn. Mit durchdrehenden Reifen wirbelte er eine ganze LKW-Ladung Staub in die Höhe und hielt gehetzt auf den Eingang des Canons zu. Nicht eine Sekunde lang hatte er in Erwägung gezogen, dass es sich bei dieser Felsöffnung um eine Sackgasse handeln konnte. Erst als er nach guten zweihundert Metern feststellte, dass er von steil aufragenden Felsen eingekesselt war und der einzige Weg hinaus der Weg war, den die nachfolgenden Outrider hinter ihm verbaut hatten, verfluchte er sich selbst für seine unsagbar große Dummheit. „Na fein“, mit Grabesstimme fuhr er bis an den äußersten Rand der Schlucht heran und wendete den Red Fury durch ruckartiges Anziehen der Handbremse, „wollen wir doch mal sehen, aus was für Holz ihr geschnitzt seid!“ herausfordernd schickte er den Desperado-Einheiten einen Schuss mit der Laserkanone entgegen. Wenn die Schicksalsgöttinnen wirklich wollten, dass dieser Planet sein Grab wurde, konnten sie sich aber verdammt noch mal darauf verlassen, dass er seine Seele teuer verkaufen würde. Schon kamen die vier Jumper heran und nahmen ihn ins Fadenkreuz ihrer Lasergeschütze. Fireballs Finger begannen zu kribbeln, als sie nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt waren und sein Fuß zuckte unruhig über dem Gaspedal. Er würde sie so nah wie möglich herankommen lassen, um dann einen Ausfall zu versuchen. Vielleicht gelang es ihm ja doch, mit heiler Haut wieder aus diesem Canon herauszukommen. Die ersten Laserschüsse schlugen dicht neben ihm im Boden und in der Felswand hinter ihm ein: „Wie, mehr habt ihr nicht zu bieten?“ beinahe ärgerte Fireball sich, dass die Outrider seinen Hohn nicht hören konnten. Es wäre eine riesige Genugtuung gewesen, diesen Bleichgesichtern zu zeigen, was echter Star Sheriff Wagemut bedeutete. Aber sicherlich konnte er diesen auch durch Taten unter Beweis stellen. Ein Blick auf die Statusanzeige seines Lasers verriet ihm schnell, dass die Waffe noch nicht wieder einsatzbereit war. Also musste tatsächlich der Trick mit dem Tot stellen und dann schleunigst verschwinden herhalten. Als die Jumper auf zehn Meter an ihn herangeflogen waren, trat der Rennfahrer das Gaspedal durch und preschte unter seinen Angreifern hinweg in Richtung der großen Ebene davon. Zu seiner Verblüffung stellte er fest, dass seine Feinde keine Anstalten machten, ihm zu folgen. Und die Einheiten, die sich tatenlos in der Felsöffnung herumdrückten, wichen sogar zurück, als sie bemerkten, dass er auf sie zugeschossen kam: „Was zum Teufel ist hier los?“ Zu spät entdeckte er die kleinen grauschwarzen Metallplatten, die überall vor ihm über den Boden verstreut lagen. Eine gewaltige Explosion riss den Red Fury von den Rädern und schleuderte ihn über den Wüstenboden. Fireball stöhnte auf, als der Wagen zur Seite katapultiert wurde. Zweimal überschlug er sich unsanft, bevor er schwer demoliert wieder auf den übrig gebliebenen Reifen und den abgeschrammten Felgen zum Stehen kam. „Landmienen, Ihr Mistkerle, ja“, mitgenommen tastete er nach dem Startknopf, um seinen Boliden wieder in Gang zu bringen, „ist aber kein wirklich feiner Zug von Euch!“ geschwächt von den Strapazen der Explosion drückte er den dunkelblauen Knopf. Nichts geschah: „Oh nein“, alles Blut wich aus seinem Gesicht, „das kannst Du mir nicht antun!“ Wieder und wieder betätigte er den Anlasser: „Bitte, lass mich jetzt nicht im Stich…“ aber vergeblich, der Red Fury hatte seinen letzten Lebensodem ausgehaucht. Bedrohliches Zischen verriet dem Star Sheriff, dass die Outrider nun ihre Attacke fortsetzten: „Ihr seid wirklich mutig, Kumpels!“ wie die Ratte im Käfig starrte Fireball seinen Kontrahenten entgegen. Die ersten Laserschüsse verfehlten noch ihr Ziel, aber der fünfte oder sechste Strahl durchschlug mit Leichtigkeit das Kanzeldach des bewegungsunfähigen Rennwagens. Eine Welle aus unvorstellbaren Schmerzen brandete durch den Körper des jungen Heißsporns, als die gebündelten Strahlen seine linke Schulter durchschlugen und er schrie gepeinigt auf. Die grauenvolle Wunde stank nach verbranntem Fleisch und der ganze Arm hing schlaff und bewegungsunfähig an Fireballs Seite herab. Der Laser hatte fein säuberlich die Hauptnervenstränge durchtrennt. Die Qualen vernebelten seine Wahrnehmung und ließen ihn nur noch schemenhaft erkennen, was draußen außerhalb seines Boliden für ein merkwürdiges Schauspiel ablief. Anstatt ihr tödliches Werk endlich zu vollenden und ihn von seinen Leiden zu erlösen, formierten sich die Outrider-Einheiten und ließen unerklärlicher Weise von ihrem Opfer ab. Fireball glaubte zu spüren, dass der Boden unter ihm in gleichmäßigen Abständen zu vibrieren begonnen hatte. Ächzend versucht er sich in seinem Sitz aufzurichten und griff sich dabei schützend an die verletzte Schulter. Obwohl der Laser beim Auftreffen auf seinen Körper seine Haut verbrannt hatte, klebte warmes Blut an seiner rechten Hand. Sein Kopf wurde schwer und tiefe Dunkelheit drohte ihn zu übermannen. Das Vibrieren wurde jetzt beständig stärker, begleitet von einem tiefen Donnern. Das konnte doch nicht möglich sein: „Ramrod…“ flüsterte Fireball mit trockenen Lippen. Waren seine Freunde wirklich in der buchstäblich letzten Sekunde aufgetaucht, um ihn vor dem Fegefeuer zu bewahren? Diese Vorstellung war einfach zu schön um wahr zu sein. Doch tatsächlich, die gewaltige Gestalt eines humanoiden Kampfroboters schob sich mit ruhiger Gelassenheit in den Canon und marschierte mit geräuschvollen schweren Schritten auf das Wrack des Red Fury Racers zu. Irgendetwas schien mit dem Mech nicht in Ordnung zu sein, denn er zog das rechte Bein nach. Allem Anschein nach war das Kniegelenk im Kampf beschädigt worden und hinderte den Giganten nun am schnellen Vorankommen. Erleichtert schloss Fireball die Augen und atmete seufzend aus. Er war tatsächlich gerettet. Diese Feststellung kam einem Wunder gleich. Sicherlich würde er ab sofort Jahre damit zubringen dürfen, Colt aus lauter Dankbarkeit die Füße zu küssen, aber dieser Preis schien ihm ein sehr geringer im Tausch für sein Überleben. Offenbar störten sich die Star Sheriffs nicht daran, dass rund um Fireballs Boliden Tretmienen verstreut lagen, denn das Dröhnen der riesigen Metallfüße wurde gelegentlich von Detonationen begleitet, die dem beharrlichen Marschieren aber keinen Abbruch taten. April würde bei ihrer Rückkehr sicherlich schwer begeistert darüber sein, was sie ihrem armen Ramrod angetan hatten. Ein kurzes Schmunzeln huschte über Fireballs Gesicht. Er konnte sich nur zu gut ihren Wutausbruch ausmalen. Als ein langer Schatten auf den Red Fury Racer fiel und das Cockpitinnere verdunkelte, hob der Rennfahrer unter letzter Kraftaufbietung seine Augenlider. Benommen starrte auf die furchteinflößende Silhouette eines scharlachroten Kampfroboters, der gut zehn Meter von ihm entfernt Stellung bezogen hatte. Eisige Krallen schlossen sich um Fireballs Herz, als er einer Ohnmacht nah erkannte, dass er hier und jetzt durch die Feuerkraft dieses Mechs sterben würde. Der Pilot des Stahlkolosses hob mit schauderhafter Bedächtigkeit die tonnenschweren Arme und richtete die darauf montierten riesigen Laser auf das Kanzeldach des Rennwagens. „April…“ leuchtendrote Lichtblitze waren das letzte, was Fireball sah. „Neeeeiiiiinnnn!“ Colts gellender Schrei, der kaum noch einen Funken Menschlichkeit hatte, hallte markerschütternd durch Ramrods Cockpit, als der Cowboy hilflos mit ansehen musste, wie der letzte der Renegades das Feuer auf den wehrlos dastehenden Rad Fury Racer eröffnete. Die gewaltigen roten Laserbündel, die für wesentlich größere Gegner, als so einen kleinen Boliden konzipiert worden waren, schlugen mit entsetzlicher Zerstörungskraft in den rot-weißen Rennwagen und verwandelten ihn in Sekunden in einen zerschmolzenen Klumpen Metalls. Flammen leckten züngelnd über das Fahrgestell, oder das, was davon noch übrig geblieben war und im nächsten Moment war von dem strahlenden Red Fury Racer, der so viele Rennen gewonnen und sich in so vielen schlachten gegen die Outrider behauptet hatte, nichts weiter übrig als eine schwarze brennende Stahlmasse. Von überwältigendem blindem Hass erfüllt riss Colt die Arme ihres Kampfkolosses nach oben und feuerte den überdimensionalen Blaster zahllose Male direkt auf den Kopf des Renegades ab, der in stummer Freude seinem grausigen Werk frönte. Die ersten Schüsse gingen ins Leere und schlugen in die Felsenwände, aber der vierte Laserstrahl traf den Feind heikel in der Nackenpartie. Wie in Zeitlupe drehte der Pilot der Maschine den Kopf seiner Maschine in die Richtung, aus der Ramrod auf ihn zugestürmt kam. Allem Anschein nach entschied der Outrider, dass er durch die Eliminierung eines Star Sheriffs genug Ruhm für einen Tag gesammelt hatte und diesen auch gerne noch etwas länger auskosten wollte. Sein Mech war durch das erste Zusammentreffen mit dem Roboter des Kavallerie Oberkommandos stark beschädigt worden und hatte keinerlei Chancen, ein weiteres Scharmützel zu überstehen. Colt sah, wie das Kanzeldach des Renegades durch eine kleine Explosion aus der Verankerung gerissen wurde und der Pilot der Maschine nur einen Augenblick später mitsamt seiner Satteleinheit in den Himmel katapultiert. Er beschrieb eine lange und hohe Flugbahn, bevor sich endlich der Rettungsschirm öffnete. Tränen verschleiertem dem Cowboy die Sicht, als er Ramrod den Blaster ein weiteres Mal heben ließ und mit heimtückischer Ruhe das Fadenkreuz über den sinkenden Fallschirm dirigierte. Saber, der das Vorhaben seines Freundes augenblicklich erkannt hatte, brüllte bestürzt: „Verdammt, Colt, mach keinen Quatsch!“ doch zu spät. Ramrods Finger hat sich um den Abzug des Blasters gelegt und feuerte einen zielsicheren Schuss auf den dem Boden entgegensinkenden Outrider ab. Im ersten Moment glaubten alle, der Laser hätte seine Destination verfehlt, aber dann ging der khakifarbene Schirm mit einem Schlag in lodernden Flammen auf. Mit stummem Entsetzen beobachteten Christa und Saber, wie der Pilot des Renegades in den Tot stürzte. Colt hingegen ließ achtlos die Steuerung der Armsensoren schießen und die gigantischen Gliedmaßen fielen unkontrolliert an den Seiten von Ramrod herunter. Er befreite sich nervös aus seinen Gurten und spurtete dann vollkommen planlos auf den Ausgang zu, doch Saber hatte diese Reaktion kommen sehen und schnitt ihm kurz vor Erreichen der Treppe den Weg ab. Mit ungebremstem Tempo rammte der Cowboy den Körper seines Anführer und hätte ihn beinahe zu Boden gerissen: „Verdammt, geh mir aus dem Weg, Saber!“ keifte er unbeherrscht und war durchaus bereit, sich den Weg auch mit roher Gewalt zu erkämpfen. Der Schotte ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit fast überirdischer Geschwindigkeit schnappte er nach Colts Arm und drehte ihm diesen unter lauten Protestschreien des Scharfschützen auf den Rücken, während er ihn mit dem anderen Arm von hinten in den Schwitzkasten nahm: „Du kannst nichts mehr für ihn tun, Colt!“ Wild fauchend und um sich tretend versuchte sich der Cowboy vergeblich aus der eisernen Umklammerung zu befreien: „Wenn Du mich nicht sofort loslässt, wird es Dir noch leid tun!“ eine Drohung, die angesichts seiner eher verzwickten Lage nicht sehr ehrgebietend war. Saber ließ nicht locker: „Es ist vorbei, Colt, Fireball ist…“ ein Woge der Trauer schwappte über ihn hinweg und er brachte es nicht übers Herz, dieses alles entscheidende Wort endgültig auszusprechen. „Er ist nicht tot“, die freie Hand des Cowboys fuhr verzweifelt in die Höhe und krallte sich von hinten an den Helm des Säbelschwingers, „aber er wird es bald sein, wenn wir ihm nicht helfen!“ mit einem Ruck hatte er dem Blondschopf den Helm vom Kopf gerissen. Wütend stieß Saber seinen Freund von sich, so dass dieser über seine eigenen Füße stolperte und zu Boden stürzte: „Du glaubst wirklich, dass er das überlebt hat, ja“, zornig stürmte er an Colt vorbei, der sich mühsam aufrappelte, „schau Dir das hier genau an!“ er war neben seinem Sattelmodul stehen geblieben und aktivierte die Außenbordkamera. Mit ein paar geübten Handgriffen flackerte der große Monitor neben Fireballs Satteleinheit auf und zeigte eine gespenstische Nahaufnahme der verkohlten Überreste des Red Fury Racers. Colt stockte der Atem. Schon von weitem hatte der Anblick des brennenden Wagens ihm eine unangenehme Gänsehaut verpasst, aber diese entsetzliche Nahaufnahme brannte sich für alle Zeit in sein Gedächtnis. Das Feuer war mittlerweile erloschen und graue Rauchschwaden kräuselten sich langsam aus den Überresten des Rennwagens in den orangeroten Himmel. Ein unerträglicher Druck legte sich auf die Brust des Cowboys und sein Magen begann zu rebellieren. Saber hatte Recht, in diesem zerschmolzenen Klumpen aus Plastik und Metall konnte nicht einmal eine Maus überlebt haben: „Und wenn er vorher ausgestiegen ist?“ Ja, so musste es gewesen sein. Hoffnung flammte in Colt auf. Das würde doch immerhin auch erklären, weshalb der Red Fury so bewegungslos seinem Ende entgegen geblickt hatte. Fireball war nicht mehr an Bord gewesen. Sicherlich hatte er die aussichtslose Lage erkannt und hatte den Wagen aufgegeben, um sich irgendwo in Sicherheit zu bringen, bis seine Freunde ihn holen kamen. Aber warum zeigte er sich dann jetzt nicht? Die Gefahr war vorüber, es gab keinen Grund noch länger in seinem Versteck zu verharren. Doch vielleicht war Fireball ja verletzt und schaffte es nicht mehr, sich aus eigener Kraft aus seinem Schlupfwinkel zu befreien. Ein Grund mehr, sich sofort draußen auf die Suche nach ihrem Freund zu begeben. „Ach, Colt“, Christas Hand legte sich zärtlich auf seinen rechten Arm, „sieh Dich hier doch mal um. Wo hätte sich Turbo denn verstecken sollen?“ dicke Tränen rannen ihr über die Wangen, als sie niedergeschmettert den Kopf schüttelte. „Im Umkreis von mindestens zwei Meilen gibt es nicht die geringsten Anzeichen auf menschliches Leben, Colt.“ Auch Sabers Augen schimmerten verdächtig, aber der Cowboy wollte sich noch immer nicht geschlagen geben: „Ich denke, die Systeme funktionieren nicht?“ grimmig schob er Christas Hand fort und starrte seinen Boss besserwisserisch an. „Aufgrund des hohen Metallgehalts im Boden sind wir nicht in der Lage, feindliche Schiffe oder Mechs zu lokalisieren, menschliche Organismen sind da schon etwas anderes.“ Langsam kam der Schotte zu seinem Freund herüber und schaute ihm fest in die Augen: „Wir müssen die Wahrheit akzeptieren, Colt!“ seine Stimme zitterte wie ein Espenblatt im Sturm. Schleppend senkte sich die brutale Realität ins Bewusstsein des Cowboys, dass sein Kamerad Fireball tatsächlich für immer von ihnen gegangen war. Winselnd wie ein verletztes Tier riss er sich den Helm vom Kopf und verbarg die Augen hinter den Händen. Sein bester Freund war tot und diese Erkenntnis brach dem starken und unerschütterlichen Mann das Herz. Schutzsuchend wandte er sich zu Christa um und zog sie fest an sich: „Das darf einfach nicht wahr sein!“ schluchzte er von Sinnen und vergrub sein Gesicht wimmernd in der roten Haarmähne des Lieutenants. Dieser schloss, unfähig, auch nur ein weiteres Wort auszusprechen, schloss die Arme um den zitternden Körper des weinenden Star Sheriffs und drückte sich tröstend an ihn. Und obwohl Saber das aufkeimende vertrauliche Verhältnis zwischen der jungen Frau und seinem Freund nicht gut heißen konnte, war er im Augenblick dankbar, dass Christa da war, um dem Cowboy Halt zu geben. Nur gut, dass April nicht bei ihnen gewesen war und das schreckliche Ende ihres Verlobten hatte mit ansehen müssen. „Und ich habe dem hitzköpfigen Idioten noch gesagt, er soll nicht den Heldentod sterben!“ Beschwichtigende fuhr Christas rechte Hand über Colts schweißnasses Haar, während sie ihm zärtliche Koselaute zuflüsterte. Sie war im Augenblick so überaus dankbar für seine Nähe. Zwar war er es, der bei Ihr Trost suchte, aber dadurch, dass er sie so fest an sich drückte, fühlte auch der Lieutenant sich nicht so einsam und verloren. Wie hatte es nur zu dieser schlimmen Tragödie kommen können? Wenn sie sich doch nur etwas mehr beeilt hätten, die Entscheidung über Fireballs Leben hatte nur von wenigen Sekunden abgehangen. Ein oder zwei Minuten früher und sie wären ihm rechtzeitig zu Hilfe gekommen. Schwer seufzend strich sie Colt einige seiner kleinen braunen Locken aus der Stirn. An seiner linken Schläfe ertastete sie eine warme verschmierte Stelle und sah erschrocken auf das frische Blut, das an ihren Fingern klebte. „Herrje, Colt“, sanft schob sie ihn von sich weg und starrte auf eine zehn Zentimeter lange, tiefe Schnittwunde, die sich bis über sein Ohr zog und von einer dicken Kruste getrockneten Blutes eingerahmt wurde, „Du bist ja verletzt!“ „Lass sehen“, sofort war Saber an der Seite des Cowboys und warf einen prüfenden Blick auf den Schnitt, der bis auf den Schädelknochen ging, „wann ist das passiert, Colt?“ Gleichgültig zuckte der Scharfschütze mit den Schultern: „Irgendwann vorhin, als wir draußen waren. Hab nicht aufgepasst und da hat eine von diesen Kröten mein Kanzeldach durchlöchert“, schniefend wischte er sich über die Nase, „ist aber halb so wild.“ Er sah, wie Saber sich bückte und seinen blau-weißen Helm vom Boden aufhob, wo er ihn eben achtlos hingeworfen hatte. An der linken Seite zog sich ein verkohlter Riss entlang, genau auf der Höhe, in der sich an Colts Kopf die Wunde befand. Der Riss war breit genug, dass der Säbelschwinger seine ausgestreckte Hand hindurchschieben konnte. Saber schluckte schwer. Sie hatten Fireball verloren und nun stellte er fest, dass der Cowboy nur um Millimeter an einer tödlichen Verletzung vorbeigeschrammt war. Und ihm war vorhin noch nicht einmal aufgefallen, dass Colt überhaupt getroffen worden war. Was für ein erbärmlicher Anführer war er eigentlich? Er hatte sein Team in ein monströses Debakel geführt, das ihr jüngstes Mitglied mit dem Leben bezahlt hatte! „Lasst uns verschwinden, Jungs“, traurig blickte sie auf den Monitor, der noch immer die qualmenden Überreste des Red Fury zeigte, „wer weiß, wie schnell die Outrider zurück kommen. Und Deine Wunde muss genäht werden, Colt!“ „Aye“, Saber nickte schwermütig und fuhr sich müde durchs blonde Haar, „wir brechen die Mission ab. Hier können wir sowieso nichts mehr tun.“ Er schlich hinüber zu seinem Platz und schaltete den Monitor ab, damit sie sich nicht noch länger mit dem furchtbaren Bild quälen mussten. Mit gesenktem Kopf drängte sich Colt an Christa vorbei und nahm in Fireballs ehemaliger Satteleinheit Platz: „Eine Sache gibt es noch, die wir tun können“, er aktivierte sämtliche Waffensysteme, die Ramrod zu bieten hatte und der gigantische Kampfroboter fuhr seine schweren Geschütze aus dem Torso heraus, „auch wenn er eigentlich etwas viel besseres verdient hätte!“ er senkte die Augen, als er den Feuerbefehl gab, denn er konnte den Anblick einfach nicht ertragen. Die überwältigende Kampfkraft von Ramrod schlug zerstörerisch in die Felswand des Canons ein. Eine wahre Lawine aus Gesteinsbrocken wurde von der Formation gesprengt und senkte sich in tosendem Donnern wie ein steinernes Grab auf Fireball und seinen Rennwagen nieder. Saber konnte seine Tränen nicht länger unterdrücken. Ungehindert kullerten sie seine Wangen hinunter und verschwanden im steifen Kragen seines Kampfanzuges. Colt hatte vollkommen Recht, eigentlich hätte Fireball die ehrenvollste Beerdigung verdient, die man sich vorstellen konnte. Aber was hätten sie anderes tun können, als ihrem Freund wenigstens auf diese Art die letzte Ehre zu erweisen? Wehmütig dachte er an seinen Dudelsack zu Hause. Wenigstens ein letztes „Amazing Grace“ oder „Highland Farewell“ hätte er ihrem Kameraden gern als letzten Gruß mit auf den Weg gegeben, aber nicht einmal diese kleine Anerkennung durften sie ihm zollen. Alles was blieb, waren schnöde Worte, die nicht annähernd das auszudrücken vermochten, was im Moment in ihnen allen vorging: „Na sloigh as fearr san gcruinne, a muirn a mire bhfoghnamh. Ni comhnairt bheith na bhfeagmbais. Ni h-eibhneas gan mo buidheag.“ Mit roten Augen und vor Rührung gefalteten Händen schaute Christa zu ihrem Boss hinüber: „Das war wunderschön, Saber“, sie wischte sich eine Träne von der Nasenspitze, „was war das?“ „Eine alte gälische Weise“, Saber konnte sich noch genau daran erinnern, als er diesen Vers zum ersten Mal gehört hatte, „mein Vater hat ihn damals gesprochen, als mein Großvater beigesetzt wurde.“ „Weißt Du auch, was sie bedeutet?“ der junge Lieutenant war sichtlich bewegt und setzte sich neben Colt auf den Rand von Fireballs Satteleinheit. Als wäre es das selbstverständlichste von der Welt ergriff sie die linke Hand des Cowboys und drückte sie in stiller Trauer. „Einer der besten Menschen der Welt“, der Highlander musste sich räuspern, um noch einen Ton über die Lippen zu bekommen. Andächtig zog er seinen Säbel und hielt ihn sich senkrecht vors Gesicht, „Deine Freude, Deine Beflissenheit und Deine Wirkungsweise. Ohne sie gibt es keine Stärke. Ohne Dich, mein Freund, ist keine Freude!“ zackig zischte sein Säbel in einem letzten militärischen Gruß durch die Luft. „Ja“, murmelte Colt berührt, „das hätte ihm sicherlich gefallen!“ Kapitel 14: Zerfall ------------------- Hektisch durchstöberte Christa den Ersthilfekasten im Waschraum. Jod, Wattetupfer, Schere, eine steril verschweißte Nadel mit einem entsprechenden Faden Wundgarn, Verbandszeug zum vorläufigen Schutz der Wunde, der Nahtbrenner und Einwegspritzen. Das alles hatte sie in null Komma nichts gefunden, aber wo zum Teufel steckte das Procain zur örtlichen Betäubung? Ihr desolater Zustand wurde durch die Vorstellung, zum ersten Mal selber eine Verletzung nähen zu müssen, von heftigen Übelkeitsgefühlen verstärkt. Sie war zwar während ihrer Ausbildung auf viele Eventualitäten vorbereitet worden, aber Lokalanästhesie und chirurgische Eingriffe hatten dabei lediglich einen theoretischen Part dargestellt. „Verflixt, das gibt es doch gar nicht!“ ungeduldig wühlte die junge Frau das Unterste der roten Metallbox nach oben, bemerkte aber zu spät, dass die Kiste äußerst wackelig auf dem Rand des Waschbeckens stand. Mit lautem Scheppern fiel sie zu Boden und der gesamte Inhalt verstreute sich über die graublauen Stahlplatten: „Oh scheiße“, mit ihrer Kraft am Ende sank Christa neben dem Durcheinander auf die Knie und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie durfte jetzt bloß nicht anfangen zu heulen. So diszipliniert, wie es ihr möglich war, zog sie die Box zu sich heran und atmete tief ein und wieder aus, „das ist alles ein verfluchter Alptraum!“ Sie hatten den vermaledeiten Outriderplaneten vor gut einer halben Stunde verlassen und waren nun auf dem Weg zurück zu dem Ort, an dem sie nach dem Sprung in die Phantomzone eingetreten waren. Saber hatte seine Entscheidung, die Mission an diesem dramatischen Wendepunkt abzubrechen, umgehend in die Tat umgesetzt, ohne bei den Überresten seiner Crew auf Gegenwehr gestoßen zu sein. Fierballs Tod hatte sie alle so erschüttert, dass keinem mehr der Sinn danach stand, sich auch nur eine Sekunde länger als nötig hier in dieser Dimension aufzuhalten. Für den Fall, dass die übrigen Wranglereinheiten zum Schauplatz des Kampfes zurückkehren würden, hatten sie vorsorglich den aufgegebenen Renegade mit ein paar gezielten Schüssen in seine Bestandteile zerlegt. Anschließend hatten sie das unglücksselige Tal und damit Fireballs einsame letzte Ruhestatt hinter sich gelassen. Damit Christa sich um Colts Verletzung kümmern konnte, hatte Saber freiwillig die Maverick-Flugssteuerung übernommen und dirigierte nun den rücktransformierten Ramrod zu ihrem Sprungpunkt. Abgekämpft schob der Lieutenant die verstreuten Utensilien auf dem Boden hin und her. Da war es ja endlich, ein kleines braunes Glasfläschchen mit der Aufschrift Procain. Eilig stellte sie es zu den anderen aussortierten Gegenständen auf das Waschbecken und schaufelte dann den Rest unachtsam in die rote Box zurück, die sie auf dem Boden stehen ließ. Erst einmal musste der Cowboy versorgt werden, bevor sich seine Wunde durch Staub und Ruß noch entzündete. Da war Ordnung im Moment auf jeden Fall zweitrangig. Ausgelaugt stemmte Christa sich wieder auf die Beine, eine eigentlich wenig anspruchsvolle Bewegung, die sie aber jeden einzelnen Knochen im Leib schmerzhaft spüren ließ. Der zähe Kampf gegen die Outrider forderte bei ihnen allen seinen Tribut, auch wenn es nicht beim ersten Anblick zu erkennen war. Ihre Unterarme schmerzten von den harten Flug- und Bewegungsmanövern, die sie Ramrod abverlangt hatte, ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und ihr Kopf hämmerte ungehalten wie bei einem Migräneanfall. Seufzend sammelte sie die Habseligkeiten für ihren ersten Einsatz als Krankenschwester zusammen und eilte in die Küche hinüber, in der sie Colt zurück gelassen hatte. Bei ihrem Eintreten saß der Cowboy mit blassem Gesicht am Esstisch, den Blick apathisch ins Nirgendwo gerichtet, und spielte versonnen mit einem rotbackigen Apfel. Sein Gesicht sah schrecklich aus. Die Wunde an seiner Schläfe blutete noch immer und hatte die komplette linke Wange und das Ohr mit einer dicken Blutkruste überzogen, in die sich Spuren von Tränen und Schmutz gemischt hatten. Vom Weinen waren seine Augen geschwollen und blutunterlaufen und einige seiner kleinen braunen Locken klebten verschwitzt an seiner Stirn. Ihren Anweisungen zum Trotz trug er nach wie vor seinen Kampfanzug, lediglich seine Handschuhe hatte er ausgezogen. Christa trat schweigend neben ihn, stellte die mitgebrachten Verbandsmaterialien auf den Tisch und legte dann vorsichtig eine Hand über die Wunde an seinem Kopf: „Das müssen wir zuerst mal ordentlich reinigen.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Colt zeigte keinerlei Reaktion. Er ließ weiter den Apfel zwischen seinen Händen hin und her wandern und starrte trübsinnig an die gegenüberliegende Wand. Erst als Christa behutsam begann, sein Gesicht mit Hilfe eines nassen Waschlappens von Blut und Schmutz zu säubern, ließ er den Apfel gleichgültig auf die Tischplatte fallen. Er kugelte seelenruhig auf die Kante des Tisches zu und landete mit einem dumpfen Plop auf dem Boden: „Ich hab ihn im Stich gelassen.“ Mit plötzlich aufwallender Wut hieb Colt mit der geballten Faust auf den Tisch, um im nächsten Moment verzweifelt den Kopf in die Hände zu stützen. „Lass das“, sanft aber bestimmt schob Christa seine Hände fort, „ich komme sonst nicht richtig an die Wunde heran!“ Sie versuchte, so vorsichtig wie möglich um den Schnitt herum zu wischen, ohne dabei eine größere Menge an Schmutz oder Blut zurück zu lassen: „Und außerdem hast Du Fire nicht im Stich gelassen“, die Verletzung war ziemlich groß und das durchschimmernde Weiß des Schädelknochens bereitete ihr ein leidliches Maß an Ekel, „Du hast getan, was in Deiner Macht stand, Colt.“ „Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn da raushaue“, die Stimme des Cowboys war harsch und bitter, „und er hat auf mich gezählt.“ „Hey“, jetzt zog Christa einen weiteren Stuhl unter dem Esstisch hervor und setzte sich ihm gegenüber, „es war nicht Deine Schuld, Colt. Niemand ist Schuld an dem, was passiert ist.“ Tröstend ergriff sie eine seiner Hände und drückte sie zärtlich: „Und jetzt werden wir uns erst mal um Dich kümmern, ich habe nämlich keine Lust, Dich auch noch zu verlieren!“ Sie spürte, wie der Cowboy matt den Druck ihrer Hand erwiderte und ihr ein blasses, verschwindet unscheinbares Lächeln schenkte: „An so was ist noch keiner gestorben…“ Christas Herz machte einen kleinen Satz, als sich ihre Blicke trafen und sie stand eilig auf: „Gut zu wissen“, fahrig sie griff nach der Einwegspritze und der Flasche Procain, „aber ich würde doch lieber auf Nummer sicher gehen.“ Unter Colts kritischen Augen zog sie erst die Spritze auf und setzte dann die Kanüle darauf: „Weißt Du eigentlich, wie man mit solchen Dingern umgeht?“ trotz der Weltuntergangsstimmung, die seinen Verstand gefangen hielt, regte sich doch so etwas wie ein instinktiver Selbsterhaltungstrieb beim Anblick der spitzen Nadel und Christas etwas ungelenkem Umgang mit der selbigen. „Na, ja“, die junge Frau räusperte sich unsicher, „ich…weiß rein theoretisch, wie es funktioniert.“ „Rein theoretisch, ja?“ die Skepsis in Colts Stimme war nicht zu überhören. Gespielt fachmännisch schnippte Christa mit dem Zeigefinger gegen die Spritze: „Kann sein, dass Du ein bisschen allergisch auf das Zeug reagierst, Procain ist nicht so richtig das Gelbe vom Ei, aber immer noch besser, als Zähne zusammenbeißen, oder?“ Ein verächtliches Schnauben war die einzige Antwort auf diese wenig aufmunternden Worte. Energisch entriss Colt dem Lieutenant die Spritze: „Ein bisschen Ablenkung kann im Moment nicht schaden, ich halts schon aus!“ „Bitte“, ohne weitere Widerworte legte Christa die Spritze beiseite und tränkte den mitgebrachten Wattebausch mit Jod, „das wird jetzt aber ganz schön brennen!“ sachte begann sie die gesäuberte, noch immer leicht blutende Wunde abzutupfen. Der Cowboy zuckte kurz zusammen und gab einen leisen Zischlaut von sich. Dann ließ er die Prozedur bereitwillig über sich ergehen. Er hatte Recht gehabt, der brennende Schmerz linderte ein wenig das Chaos, das in seinem Herzen tobte, oder vermochte zumindest, es für einen kurzen Moment zu verdrängen. Das Jod biss erbärmlich in der offenen Wunde und er fürchtete schon, die Tortur würde kein Ende finden. „Und Du bist wirklich sicher, dass ich das ohne Spritze nähen soll“, unentschlossen hielt Christa die eingeschweißte Nadel mit dem Wundgarn in der Hand, „das wird mehr wehtun als das bisschen Desinfizieren!“ Am liebsten hätte Colt beim Anblick des gebogenen Stahls einen Rückzieher gemacht, wollte sich aber vor ihr nicht diese Blöße geben: „Wenn Du nicht bald damit anfängst, sitzen wir Weihnachten noch hier.“ tapfer hielt er ihr schräg den Kopf hin, damit sie besser an die Wunde heran kam. Christa schluckte vernehmlich und ihre Hände zitterten, als sie die Nadel vorsichtig, um sie nicht fallen zu lassen, aus der sterilen Verpackung zog. Vor ihren Augen flimmerte es kurzzeitig, als sich auch ihr Magen wieder zu Wort meldete. „Alles in Ordnung mit Dir?“ Colt hatte ihre Unsicherheit und den ängstlichen Ausdruck in ihren Augen bemerkt. „Ja, ich... es ist nur… ich habe das noch nie gemacht…“ Die Eröffnung rang dem Cowboy ein leises Stöhnen ab: „Warum musstest Du mir das auf die Nase binden“, schicksalsergeben reckte er ihr seine linke Seite noch ein Stückchen näher entgegen, „nun sieh zu, wird schon schief gehen!“ Wacker setzte Christa die Nadelspitze an. Die Haut war widerstandsfähiger, als sie es erwartet hatte. Es kostete sie einige Anstrengung, das Gewebe richtig zu durchstoßen. Sie musste aufpassen, dass sie nicht zu fest zudrückte, um die Einstichstelle nicht einzureißen. Endlich gab die Haut nach und sie konnte den weißen Kunststofffaden durch das kleine Loch ziehen. Als sie auch die gegenüberliegende Seite mit etwas Mühe überwunden hatte, machte sie in den Faden einen lockeren Knoten und schnitt ihn ab: „So, das war Nummer eins.“ Eilig machte sie sich an den zweiten Knoten. Der Anblick des Blutes, der offenen Wunde, des blanken Knochens und letztlich die Tatsache, dass sie gerade eben eine Nadel durch die Epidermis des Cowboys getrieben hatte, ließen ihre Knie weich werden. Noch ein paar Augenblicke und sie wäre wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, die Arbeit zu vollenden. Bereits jetzt war ihr hundelend zumute. Es bedurfte am Ende fünf solcher Einstiche, um die Schnittwunde sorgfältig zu verschließen. Christa atmete erleichtert auf, als sie die verschmierte Nadel und den blutroten Faden zur Seite legen konnte. Hastig langte sie nach dem Nahtbrenner: „Könnte jetzt etwas heiß werden.“ Ihre Fingerspitzen kribbelten und die Flecken vor ihren Augen wurden größer. „Wozu ist das?“ Colt war ein ziemlich perfektes Abbild ihrer eigenen Empfindungen. Er hatte das Nähen ohne Murren oder Wehleid ertragen, aber sein Gesicht hatte eine graue Farbe angenommen und das Schimmern seiner Augen war zum ersten Mal seit ihrem Abflug nicht auf Fierballs tragisches Ende zurück zu führen. „Das ist der Nahtbrenner“, haltsuchend stützte der Lieutenant sich auf der Rückenlehne des Stuhls ab, „durch das Erhitzen zieht sich das Wundgarn automatisch so zusammen, dass die Knoten weder zu eng sind, noch zu locker. Dadurch kann die Wunde optimal heilen und der Faden baut sich in ein paar Tagen von selbst ab, ohne dass wir ihn ziehen müssen. Außerdem bleibt damit kaum eine Narbe zurück“, die nächsten Worte sprudelten einfach aus ihr heraus, ohne dass sie vorher tatsächlich über sie nachgedacht hatte, „brauchst also keine Angst zu haben, dass Dich Deine Robin nicht mehr leiden kann.“ In Colts Augen flackerte kurz etwas auf, das die junge Frau nicht recht zu deuten wusste. Es konnte Wut sein, oder Sorge, auf jeden Fall aber ein Gefühl das auf keiner positiven Empfindung basierte. Christa hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, wenn sie die Worte dadurch hätte ungeschehen machen können. Sie hatten vor einer halben Stunde ein Mitglied ihres Teams verloren, sogar Colts besten Freund, wenn sie das nach dieser kurzen Zeit des Zusammenseins schon richtig bemerkt hatte, und konfrontierte den armen Kerl nun tatsächlich mit ihrer lächerlichen, wenn auch nagenden Eifersucht. Die Stimmung schlug ruckartig um und eine unangenehme Spannung dehnte sich zwischen den beiden aus, die dazu führte, dass weder Colt noch Christa ein weiteres Wort verloren. Erst als sie mit dem Verschweißen der Knoten fertig war und die Naht provisorisch mit einem großen Pflaster geschützt hatte, stand der Cowboy leicht benommen auf, murmelte ein unwirsches „Danke!“ und eilte ohne sich noch einmal umzudrehen aus dem Raum. Christa ließ die Schere und das Endlosleukoplast fallen und rannte hinüber zur Spüle, wo sie sich würgend übergab. Unterdessen hing Saber auf der Brücke seinen ganz eigenen finsteren Gedanken nach und geißelte sich mit Selbstvorwürfen. Er saß in Fireballs Satteleinheit und starrte verbittert hinaus in die alles verschlingende Schwärze der Phantomzone. Diese Mission war eine Aneinanderreihung von Katastrophen gewesen, wie sie kein Lehrbuch hätte schlimmer beschreiben können. Begonnen hatte es doch schon damit, dass April sich gegen ihre Teilnahme ausgesprochen und so eine heikle Schwächung des Teams verursacht hatte. Der Schotte machte der Freundin keinerlei Vorwürfe wegen dieser Entscheidung. Rückblickend betrachtet war sie offenkundig die einzige gewesen, die die richtige Wahl getroffen hatte. Nein, er als Anführer hätte bereits an diesem Punkt ablehnen müssen, ihre kleine Gemeinschaft auf diese aberwitzige Reise zu schicken. Es war vermessen gewesen, den drohenden Gefahren mit einer neu zusammengestellten Einheit entgegenzutreten. Hatte die Erfahrung sie nicht immer wieder gelehrt, dass der erfolgreiche Ausgang eines Auftrages vom perfekten Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder untereinander abhing. Wie hätten sie da auch nur den Hauch einer Chance haben können, besonders, nach den eskalierten Streitigkeiten und den stark erhitzten Gemütern. Fireball war mental viel zu stark in die Angelegenheit verstrickt gewesen und hatte vielleicht sogar ein größeres Wagnis als die unerfahrene Christa dargestellt. Aber auch ihm war nichts vorzuwerfen. Jeder hatte die Beweggründe des Rennfahrers verstanden und niemand wäre auf die Idee gekommen, ihm die Teilnahme an diesem Einsatz zu verwehren. Auch er selber nicht. Er hatte es als ihrer aller selbstverständliche Pflicht angesehen, diesen Auftrag anzunehmen, ohne wirklich über die Konsequenzen nachgedacht zu haben. Ein törichter Anfängerfehler. Saber korrigierte leicht ihren Kurs, indem er einige neue Parameter in den Computer eingab. Er war ein Versager, soviel stand fest. Offensichtlich war es ihm nicht einmal gelungen, die aufkeimende Beziehung zwischen Christa und Colt zu unterbinden. Das Verhältnis innerhalb des Teams hatte einfach von vorne bis hinten nicht gestimmt. Eigentlich war es sogar ein Wunder, dass sie nur eines ihrer Mitglieder verloren hatten. Spätestens nachdem das Schadensausmaß durch den Dimensionssprung klar auf dem Tisch gelegen hatte, wäre es an der Zeit gewesen, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Aber nein, er hatte sie weiterfliegen lassen, mitten hinein in die Arme ihrer wartenden Feinde. Quasi mit verbundenen Augen und den Händen auf dem Rücken gefesselt. Sein allerletzter und größter Fehler aber war es gewesen, Fireball wider besseren Wissens allein gegen die Wrangler-Übermacht zu schicken. Diese Entscheidung hatte der Freund mit dem Leben bezahlt. Und um Haaresbreite hätten sie auch Colt verloren, wenn die Outrider nicht für ihre schlechte Zielsicherheit bekannt gewesen wären. Leise Schritte auf dem Metallboden kündeten das Nahen des jungen Lieutenants an. Saber wusste nicht genau, ob er sich über ihr Auftauchen freuen sollte, oder nicht. Einerseits stand ihm nicht der Sinn nach Konversation, andererseits konnte ein wenig Ablenkung nicht schaden. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, als sie sich erschöpft gegen Colts Satteleinheit lehnte. Ihr leidgeprüftes Gesicht war aschfahl und dunkle Ringe lagen unter ihren sonst so strahlenden Augen. „Wie geht es Colt?“ Der Rotschopf verzog keine Miene: „Gut soweit, die Wunde ist ziemlich groß, war aber gut ausgeblutet. Ich denke, er sollte damit keine großen Probleme kriegen.“ „Das habe ich nicht gemeint.“ Der Säbelschwinger wusste, dass der Cowboy hart im Nehmen war und sich durch körperliche Verletzungen nicht so schnell aus der Bahn werfen ließ. „Oh“, ein knappes Nicken verriet, dass Christa verstanden hatte, „in dem Fall würde es lausig wohl besser treffen. Er starrt die ganze Zeit grimmig vor sich hin, redet kaum ein Wort und malträtiert sich mit Vorwürfen, er sei Schuld an Fireballs Tod.“ Ihr prüfender Blick blieb an Sabers verschlossenen Gesichtszügen hängen: „Eigentlich genauso wie Du!“ Ärgerlich wandte der Highlander sich von ihr ab: „Der Kerl ist doch wirklich ein Idiot. Wenn einer Schuld an dem ganzen Schlamassel hat, dann bin das wohl eher ich!“ „Oh bitte“, frustriert faltete die junge Frau wie zu einem stummen Gebet die Hände, „ich höre mir diese ganze Leier nicht noch einmal an.“ Wütend brauste Saber auf: „Ich habe das Kommando, Christa“, seine Faust fuhr krachend gegen den gelben Stahlrahmen seines Sitzes, „ich bin für diese Mission und das Team verantwortlich.“ „Ja natürlich, aber Fireball war nun einmal Soldat“, mit ruhiger Stimme versuchte sie, ihr Gegenüber wieder ein wenig zu besänftigen, „und Soldaten können sterben, das ist das Risiko, mit dem sie leben müssen!“ „Aber nicht unter meinem Kommando und wenn ich es verhindern kann!“ „Ahh“, verzweifelt raufte sich Christa die Haare, „Du bist wirklich noch halsstarriger als Colt, weißt Du das!“ Saber schluckte seine neu aufkeimende Wut hinunter: „Ich habe April versprochen, dass ich auf Fireball aufpasse“, sein Tonfall schlug zu einem Flüstern um, „und jetzt kann ich nicht einmal seine Leiche zu ihr zurück bringen.“ Wütend schnaubend stieß sich der Lieutenant von Colts Satteleinheit ab: „Du bist nicht Gott, Saber, sieh das endlich ein!“ „A propos Gott“, rief ihr Anführer ihr nach, bevor sie den Kommandostand verlassen konnte, „sagt Dir das Sprichwort „Was Gott zusammen gefügt hat, soll der Mensch nicht trennen“ etwas?“ anklagend prallten die Wort gegen Christas Rücken, die mit hochrotem Kopf herumfuhr. Ihre Lippen fest aufeinander gepresst, starrte sie Saber funkelnd an: „Könntest Du Dich eventuell etwas präziser ausdrücken?“ Offenbar hatte Saber den Nagel auf den Kopf getroffen: „Robin ist eine gute Freundin und sie hat es nicht verdient, dass man ihr weh tut!“ Christa schnappte erregt nach Luft. Eigentlich gab es keinen Grund, sich vor dem Schotten zu rechtfertigen, denn was war schon großartig zwischen ihr und Colt vorgefallen? Gut, sie hatten sich geküsst, aber weiter war nichts passiert. Und die patzige Reaktion des Cowboys, als sie beim Nähen der Wunde Robins Namen erwähnt hatte, ließ kaum Zweifel daran, dass auch nichts weiter passieren würde. Unwillkürlich versetzte diese Erkenntnis dem Lieutenant einen schmerzlichen Stich: „Tut mir leid, aber ich denke, diese Sache geht Dich nichts an, okay!“ „Mit Verlaub“, Saber stellte die Systeme auf Autopilot und erhob sich aus seinem Sitz, „das sehe ich aber ganz anders.“ Seine Augen waren nicht mehr als zwei schwarze Schlitze, die sie brandmarkend anstarrten: „Ich bin als Kommandant auch für die Disziplin an Bord verantwortlich und kann es nicht tolerieren, dass Ihr zwei durch Euer unentschuldbares Verhalten die Mission oder ein anderes Mitglied der Crew in Gefahr bringt!“ Christa glaubte ihren Ohren nicht zu trauen: „Sag mir, zu welchem Zeitpunkt ich je die Mission oder einen von uns durch mein Verhalten in Gefahr gebracht habe!“ ihr Puls raste und sie musste die Hände zu Fäusten ballen, um das Zittern zu verbergen. Diese Anschuldigung war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Saber verschränkte selbstsicher die Arme vor der Brust: „Colt hat bei der Schlacht seinen Posten verlassen, um Dir zu helfen, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Wenn…“ „Wag es nicht“, drohend stieß die junge Frau ihren rechten Zeigefinger in seine Richtung, „versuch ja nicht, mir die Schuld an Fireballs Tod in die Schuhe zu schieben!“ unkontrolliert stiegen erneut Tränen in ihrer Kehle auf. Würde dieser Alptraum denn niemals enden? „Das habe ich überhaupt nicht gesagt…“ Versuchte sich der Schotte schwach zu verteidigen, aber Christa war viel zu sehr in Rage, als dass sie ihn hätte ausreden lassen können: „Nein“, schrie sie unbeherrscht und blinzelte wütend die Tränen fort, „aber Du hast es gedacht!“ Saber fürchtete fast, sie würde ihm jede Sekunde an die Gurgel springen, so wild und entschlossen stierte sie ihn hasserfüllt an. Doch sie machte ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz kehrt und flüchtete in Richtung der Quartiere. Himmel, war er denn eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Erschrocken griff sich der Säbelschwinger an die Stirn. Warum hatte er das eben nur gesagt? Er wusste doch ganz genau, dass weder Colt noch Christa Schuld an Fireballs Tod hatten. Welcher miserable Anführer brachte es denn fertig, sein sowieso völlig niedergeschmettertes Team durch völlig lächerliche Anschuldigungen auch noch weiter in die Tiefe zu ziehen? Es war sein Job dafür zu sorgen, dass seine Mannschaft nicht den Mut verlor und leichter mit dem schmerzlichen Verlust zu Recht kam. Das war ihm ohne Frage ganz ausgezeichnet gelungen. Dabei konnte man Christa nicht einmal einen Vorwurf wegen ihres Benehmens machen. Saber wusste ganz genau, welche Wirkung der Charme des Cowboys auf das weibliche Geschlecht hatte und zudem befanden sie sich in einer Ausnahmesituation, in der jeder für etwas menschliche Nähe und Zuneigung dankbar war. Wenn er ein Problem mit der Annäherung der beiden aneinander hatte, dann musste er das mit Colt klären und durfte seinen Unmut nicht an dem Lieutenant auslassen. Und selbst den Scharfschützen konnte er im Moment nicht noch zusätzlich mit dieser Thematik belasten, er hatte schon genug mit der Trauer um den gemeinsamen Freund zu kämpfen. Vielleicht ging es ihn auch tatsächlich nichts an. Wenn sich zwischen den beiden etwas Ernsthaftes anbahnte, konnte er sowieso nichts dagegen tun. Er vermochte lediglich darauf zu hoffen, dass die Funken in den verbleibenden Tagen bis zu ihrer Rückkehr nach Yuma nicht mehr als einen kleinen Schwelbrand entzünden würden. Wenn Robin erst wieder auf der Bildfläche auftauchte, wäre das Spiel für den Cowboy sowieso beendet, denn er liebte diese Frau, dessen war sich Saber ganz sicher. Wie auch immer, er musste sich bei Christa entschuldigen, am beste noch bevor sie den Sprung zurück in ihre eigene Dimension wagten. Erst einmal zurück in den Gefilden des neuen Grenzlandes stand ihm eine Aufgabe viel erdrückenderen Ausmaßes bevor: die Nachricht von Fireballs Tod zu überbringen. Verschlafen wischte sich April eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht und setzte sich müde auf dem Sofa auf. In der Wohnung war es still und dunkel, denn die Sonne war bereits untergegangen und sie hatte noch keine Lampe eingeschaltet, bevor sie sich für das kurze Nickerchen hingelegt hatte. Ein kurzer Blick auf den Chronometer zeigte dem weiblichen Star Sheriff, dass es bereits kurz vor sieben war. Erschrocken stellte April fest, dass sie mehr als vier Stunden geschlafen hatte. Mit schwerem Kopf und müden Gliedern erhob sie sich schwankend und schlurfte ins Badezimmer hinüber. Eigentlich war es kein Wunder, dass sie vor Übermüdung kein Auge mehr hatte aufhalten können, denn die ganze letzte Nachte war sie vor Anspannung nicht richtig zur Ruhe gekommen. Und seit das Ortungssignal von Ramrod von den Bildschirmen des KavCom am Morgen verschwunden war, hatte sie sich untätig in den Räumlichkeiten des Hauptquartiers herumgetrieben, um ja sofort zur Stelle zu sein, wenn man wieder ein Lebenssignal von den Star Sheriffs empfangen würde. Als ihr Vater sie dann kurz nach dem Mittagessen in der Kantine an seinem Schreibtisch vorgefunden hatte, tief schlafend, den Kopf auf die Arme gebettet, hatte er kurzerhand angeordnet, dass man sie zu ihrer Wohnung brachte, damit sie sich etwas ausruhen konnte. Nur unter Protest hatte April schließlich eingewilligt und auch erst, nachdem Commander Eagle ihr hoch und heilig versprochen hatte, dass man sie sofort holen würde, wenn es Nachricht von Saber und den anderen gab. Sie wusste natürlich, dass es noch Tage dauern konnte, bis Ramrod ins neue Grenzland zurückkehrte, aber die Ungewissheit, ob ihre Freunde den Dimensionssprung tatsächlich geschafft hatten, nagte unnachgiebig an ihren Nerven. Ein Blick in den Spiegel des Badezimmerschranks ließ April unwillkürlich erschaudern. Die Frau, die ihr da aus hohlen Augen entgegen starrte, bot einen geradezu jämmerlichen Anblick. Ihr blondes Haar hing strähnig und ungekämmt auf ihre Schultern, die Lippen waren blutleer und spröde und ihre Lider waren dick geschwollen. Eilig zog April ein Haarband aus einer der kleinen Schubladen, drehte das Haar behelfsmäßig zu einem Knoten zusammen, den sie mit dem Band fixierte und drehte den Kaltwasserhahn bis zum Anschlag auf. Was sie jetzt brauchte, war eine kleine Erfrischung, um wieder richtig munter zu werden. Es verschlug ihr kurzzeitig den Atem, als sie ihr Gesicht in das eiskalte Wasser tauchte, dass sie mit den Händen aufgefangen hatte, aber sie merkte, dass ihre Gedanken augenblicklich klarer wurden. Sie wiederholte die Prozedur dreimal, drehte dann das Wasser ab und schnappte sich ein Handtuch vom Ständer, mit dem sie notdürftig die kühlenden Tropfen fortwischte. „Na, ja“, ihre Haut war durch die Kälte leicht gerötet und wirkte frischer als beim ersten Blick in den Spiegel, an den dunklen Rändern unter den Augen hatte sich allerdings nichts geändert, „nicht schön, aber selten!“ Gleichgültig warf sie das Handtuch auf den heruntergeklappten Toilettendeckel und verließ das Bad. Es wurde höchste Zeit, dass sie sich zurück in die Kommandozentrale begab, sie hatte mit ihrem kleinen Mittagsschlaf schon viel zu viel wertvolle Zeit verloren. Sie wollte die erste sein, die die Jungs und Christa mit einem strahlenden Lächeln empfing, wenn sie ihre Mission in der Phantomzone beendet hatten. Flüchtig schnappte sie sich ihre EDM-Card, die sie vorhin auf den Couchtisch gelegt hatte und band sich ihren Communicator ums Handgelenk. Dabei fiel ihr siedendheiß ein, dass sie ja am frühen Nachmittag von einem Wachsoldaten nach Hause gebracht worden war und ihr Buggy noch immer im Fahrzeugpark des KavCom stand. Dann würde sie wohl Nova nehmen müssen, um zum Stützpunkt zu gelangen. Dort angekommen konnte sie das Mecha-Pferd problemlos alleine wieder nach Hause schicken, um dann später den Buggy mitzunehmen. Flugs eilte sie aus der Haustür, die sie krachend ins Schloss fallen ließ und flitzte die Stufen des Treppenhauses zu den Garagen hinunter. Für die Warterei auf den Fahrstuhl hatte sie augenblicklich keine Muße. Als sie gute zwanzig Minuten später den Hochsicherheitstrakt betrat, in dem sich die Luftraumüberwachung und das Flugkontrollzentrum befanden, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise herrschte hier reger Verkehr und Mitarbeiter des KavCom eilten pausenlos geschäftig von einem Raum zum nächsten, trugen wichtige Diagramme oder Auswertungen vor sich her und hielten per Headset Funkkontakt zu militärischen Schiffen, die sich irgendwo im Orbit befanden. Kurz gesagt glich dieser Sektor in der Regel einem aufgescheuchten Bienenstock, doch jetzt lagen die Gänge verlassen und außer dem elektrischen Summen der vielen Computer und Terminals in den einzelnen Abteilungen war absolut nichts zu hören. Was zum Teufel ging hier vor? Von einer bösen Vorahnung getrieben hastete April den Korridor entlang in Richtung des Kontrollzentrums. Es musste etwas Schwerwiegendes geschehen sein, dass die Betriebsamkeit dieses quirligen Mitarbeiterhaufens so radikal zum Erliegen gebracht hatte. Als sie um die nächste Ecke bog, prallte sie unvermittelt gegen die stattliche Gestalt ihres Vaters Commander Eagle, der seinerseits gerade in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. „Hoppla“, erschrocken hielt er seine Tochter an den Schultern fest, die durch den Zusammenstoß nach hinten gestolpert war, „da bist Du ja, April, ich habe schon mehrfach versucht, Dich zu erreichen!“ Verwirrt hob April den Arm, an dem sie den Communicator trug und konstatierte resigniert: „Muss vergessen haben, den blöden Akku aufzuladen. Hat mal wieder seinen Geist aufgegeben.“ „Macht nichts“, Eagle ergriff den erhobenen Arm und zog sie sacht mit sich den Gang hinunter, „nun bist Du ja endlich hier!“ „Was ist los, Daddy“, alarmiert befreite April sich aus der Umklammerung und eilte neben ihrem Vater her, „wo sind denn alle? Ist etwas passiert?“ Der Commander stieß unsanft die Tür zum Kontrollzentrum auf: „Wir empfangen seit gut einer halben Stunde ein Signal aus der Region, in der Saber Rider und die anderen zum Dimensionssprung angesetzt haben.“ „Was“, die Überraschung war so groß, dass April wie angewurzelt stehen blieb und ihren Vater verblüfft anstarrte, „besteht Funkkontakt?“ sie war doch zu spät gekommen! „Nein“, Eagle schüttelte beinahe entschuldigend den Kopf, „wir haben schon mehrfach versucht, den Kontakt über Hypercom herzustellen, aber bislang erfolglos.“ Aprils Magen krampfte sich unangenehm zusammen und sie musste sich zwingen, ihrem Vater in den Raum zu folgen, der angefüllt war mit lautem Stimmengewirr. Offensichtlich hatten sich hier alle Mitarbeiter des gesamten Sektors versammelt und unterhielten sich angeregt, während sie auf den großen Monitor über dem Zentralcomputer starrten. Die junge Frau blieb oben auf der Balustrade stehen und beobachtete mit verworrenen Gefühlen dieses merkwürdige Schauspiel. Das Kontrollzentrum war ein riesiger Raum von sechs Metern Höhe und einer Grundfläche von mindestens sechzig Quadratmetern, der vom Boden bis zur Decke vollgestopft war mit den neuesten Terminals, Computern und Technologien. Normalerweise war die aufgeladene Atmosphäre hier drinnen erfüllt von ständigem Piepen und anderen Tönen, die die Ortungsgeräte, Radar- und Sonaranlagen von sich gaben, aber im Moment war nur das Gemurmel der gut vierzig Soldaten und Wissenschaftler zu vernehmen, die sich um den Hauptmonitor geschart hatten. Eagle trat neben April und tätschelte ihr beruhigend die rechte Hand, die sie verkrampft um die Brüstung der Balustrade geklammert hatte: „Wahrscheinlich ist es nur falscher Alarm und wir haben da lediglich einen Peripheriepiraten erwischt, der einen Teufel tun wird, mit uns in Funkverbindung zu treten.“ „Nein“, wie hypnotisiert starrte April auf die grauen, krisseligen Streifen, die sich flackernd über den Bildschirm zogen, „sie sind es, ich spüre das. Irgendetwas ist schief gegangen!“ „Red keinen Unsinn, Kind“, der Commander beäugte seine Tochter skeptisch, „das kannst Du doch gar nicht wissen.“ Das stimmte, April konnte es nicht wissen, und trotzdem blühte in ihrem Bewusstsein die grausige Gewissheit auf, dass sie Recht hatte. Sie konnte es nicht erklären, ja, sie konnte nicht einmal sagen, wann sie dieses Gefühl beschlichen hatte, aber nun war es eben da. Erdrückend und niederträchtig wie ein Outrider, der einem mit seinem Hyper-Jumper direkt im Nacken saß. „Herrje, April“, eilig griff Eagle seiner Tochter um die Hüften, als er bemerkte, wie blass sie mit einem Mal geworden war, „ist Dir nicht gut, Kleines?“ sicherlich waren die ganzen Aufregungen der vergangenen Tage einfach zuviel für sie gewesen. „Daddy…“ hilfesuchend lehnte sich April an seine starke Schulter. Die Angst in ihrem Inneren wurde so übermächtig, dass sie meinte, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Sie zitterte am ganzen Körper, so dass selbst ihre Zähne klappernd aufeinander schlugen. Gerade als sie meinte, sich nicht mehr länger aufrecht halten zu können, rief einer der Verbindungsoffiziere: „Commander, wir bekommen ein Signal rein!“ er schaltete die Lautsprecher ein und eine klare männliche Stimme hallte durch den plötzlich mucksmäuschenstillen Raum: „Yuma Kommandozentrale, hier Ramrod, bitte kommen!“ „Saber!“ Aprils erleichterter Ausruf ging im allgemeinen Tumult der Jubelschreie und klatschenden Hände unter. Ein unbeschreiblich großer Stein fiel ihr vom Herzen. Die Jungs hatten es geschafft. Was auch immer ihnen in den letzten Stunden in der Phantomzone wiederfahren sein mochte, sie waren zurück. „Legt ihn auf den Monitor!“ brüllte Eagle über den Lärm hinweg seinem Offizier zu. Als dieser ihm signalisierte, dass er seinen Vorgesetzten nicht verstanden hatte, wies der Commander stumm auf den gigantischen Bildschirm. Dieses Mal verstand der Soldat und eine Sekunde später tauchte das riesige Bild des Säbelschwingers vor Aprils Augen auf. Er sah müde und abgekämpft aus, aber er war am Leben! Der Jubel ging in ein ehrerbietiges Schweigen über, als die anwesenden Mitglieder des KavCom das Antlitz des Kommandanten der Star Sheriffs erblickten. „Wir hören Euch, Ramrod“, tönte Eagles joviale Stimme durch den Raum, „es tut gut, Euch wieder bei uns zu haben!“ Ein schwaches Lächeln huschte über das Gesicht des Schotten: „Tut auch gut, wieder zurück zu sein, Sir“, man sah, wie er konzentriert an seinem Computer herumhantierte, „leider haben wir durch den Dimensionssprung ein paar Probleme mit unserem Hypercom. Ich fürchte, wir bekommen kein Bild von Ihnen rein, Sir.“ „Wir sehen Dich klar und deutlich, Saber!“ heiße Tränen rannen Aprils Wangen hinab, während sie die Züge des Freundes so eingehend studierte, als hätte sie ihn Monate lang nicht gesehen. Deshalb sah sie auch die Veränderung in dessen Gesicht, als er ihre Stimme vernahm. Seine Muskeln spannten sich merklich an und sein Blick verfinsterte sich: „Hey Kleines“, er hatte sich räuspern müssen, um klar antworten zu können, „schön, Deine Stimme zu hören!“ Ihr Gefühl hatte doch nicht getrogen, etwas stimmte ganz und gar nicht. Ihr Vater hingegen bemerkte die Gemütswandlung des Schotten nicht: „Wir sind gespannt auf Ihren Bericht, Kommandant!“ Seufzend fuhr sich Saber durch die blonden Haare, offenkundig nicht wirklich gewahr, dass sein Bild ins Hauptquartier des KavCom übertragen wurde: „Ganz kurz und bündig, Sir, wir sind alle ein wenig erledigt hier…“ „Natürlich“, Eagle hob gönnerhaft die rechte Hand, „Ihr seid ja in ein paar Tagen zu Hause, dann können wir uns die Details anhören.“ Saber nickte: „Wir haben den Sprung in die Phantomzone geschafft, Sir. Allerdings nicht ohne Verluste. Mehrere Wärmeaustauscher und die Kurzstreckenraketen sind ausgefallen, anfänglich auch die Challenge-Phase“, ein anerkennendes Raunen ging durch die Menge der Zuhörer, „eine Stunde nach Ankunft hatten wir dann Kontakt mit einem ziemlich feurigen Empfangskomitee bestehend aus vielleicht 200 Hyper-Jumpern und Kampfjets sowie drei Renegade-Einheiten der übelsten Sorte…“ seine Stimme verstummte bei der Erinnerung an das heftige Gefecht. Der Stein in Aprils Magengegend wuchs von Sekunde zu Sekunde. Es war ein Wunder, dass die Star Sheriffs eine Auseinandersetzung mit so einer übermächtigen Outrider-Division trotz defekter Nahkampfwaffen überlebt hatten. Wie übel mochten sie zugerichtet sein? „Offensichtlich habt Ihr es geschafft, Euch gegen die feindlichen Einheiten zu behaupten, Saber!“ die Stimme des Commanders platzte vor schierem Stolz auf seine Truppe, doch das konnte Sabers Laune nicht bessern. „Ja, Sir. Von den Jumpern und Jets sind sicherlich einige entkommen, aber die Renegades konnten wir eliminieren. Allerdings wurde Ramrod während des Kampfes so stark beschädigt, dass ich den Abbruch der Mission angeordnet habe!“ trotzig hob sich das Kinn des Säbelschwingers, als müsse er seine Entscheidung gegenüber dem KavCom verteidigen. „Nun, ich bin sicher, dass Du weißt, was Du tust“, der Commander konnte nicht ganz verbergen, dass er von der Entwicklung des Einsatzes etwas enttäuscht war, „aber das wichtigste ist, dass der Sprung in die Phantomzone tatsächlich funktioniert hat. Und wir wissen, dass die Outrider wieder mobil machen, die Mission war also auf der ganzen Linie ein voller Erfolg!“ er hatte seine Fassung schnell wiedergefunden und reckte anerkennend den rechten Daumen in die Höhe. Wieder toste der donnernde Jubel der Anwesenden los, die den Sieg über die Outrider feierten. Eagle hatte einige Mühen, sich bei diesem Krach ein letztes Mal Gehör zu verschaffen: „Nun, Saber, ich denke, Ihr habt Euch eine kleine Verschnaufpause verdient. Wir erwarten Euch dann in fünf Tagen hier auf Yuma!“ „Warten Sie, Commander“, nervös leckte sich Saber über die Lippen, „wir ähm… es gibt da noch etwas, was sie wissen müssen, Sir.“ Er brach ab und suchte offenbar nach den richtigen Worten. In diesem Moment machte sich April auf das schlimmste gefasst. Schützend schlang sie die Arme um ihren Körper und schickte flehend ein Stoßgebet nach oben an die Zimmerdecke. „Und das wäre?“ „Wir ähm…es…“ dem Säbelschwinger fiel das Sprechen mehr als schwer und seine Augen begannen verdächtig zu schimmern: „April“, schließlich wandte er sich mit um Verzeihung heischendem Blick direkt an die Freundin, „es tut mir so leid, Kleines! Fireball… er… einer der Renegades hat den Red Fury erwischt. Er… hat es nicht geschafft!“ April verlor den Halt. Der Raum drehte sich in wahnwitzigem Tempo wie ein Kettenkarussell, dann wurde alles schwarz und sie versank in einem alles verschluckenden Meer aus Nichts. Christa schlug genervt ihre Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Seit Stunden versuchte sie jetzt schon einzuschlafen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Sobald sie die Augen schloss, sah sie die schrecklichen Bilder von Kampf und Zerstörung vor sich, zerstörte Maschinen, die Leichen der Outrider und die kläglichen Überreste des Red Fury Racers. Sie hatte gehofft, nach der Rückkehr in ihre eigene Dimension würde sie sich ein wenig besser fühlen, aber das war ein Irrtum gewesen. Der Sprung zurück ins neue Grenzland war irgendwann zwischen halb sieben und sieben nach Yuma-Zeit erfolgt und Saber hatte, nach einigen anfänglichen Problemen mit ihrem Hypercom, die unliebsame Aufgabe übernommen, Commander Eagle und April die schreckliche Nachricht von Fireballs Tod zu überbringen. Kurz vor dem Sprung hatte er sich noch für sein rüdes und unfaires Verhalten ihr gegenüber entschuldigt. Er habe es natürlich nicht so gemeint, die Situation sei ihm nur einfach über den Kopf gewachsen und er wäre einfach nicht mehr Herr der Lage gewesen. Christa hatte die Entschuldigung ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert, aber was Saber nicht hatte zurücknehmen können, waren seine Worte bezüglich Gott, Menschen und Trennung gewesen. Noch lange, nachdem sie sich den Dreck des Kampfes vom Körper geschrubbt hatte und in T-Shirt und Pyjamahose geschlüpft war, hatte sie wach auf ihrem Bett gelegen und sich Gedanken über ihre momentane Lage gemacht. Sie dachte an Roland und fragte sich, warum sie seinetwegen kein schlechtes Gewissen verspürte. Sie liebte ihn doch, oder hatte das zumindest bis zum Beginn dieser Mission gedacht. Seit sie und Colt sich näher gekommen waren, sah die Sache ein wenig anders aus. Sie empfand keine Reue, weil sie den Cowboy geküsst hatte oder sich zu ihm hingezogen fühlte. Schließlich war Roland derjenige gewesen, der von ihr gefordert hatte, sich entweder für ihn oder für den Einsatz zu entscheiden und der sie dann ohne ein weiteres Wort verlassen hatte. Kein Abschied, kein „Hals- und Beinbruch“, er war nicht einmal zum Abflug von Ramrod erschienen. Soviel konnte sie ihm also gar nicht bedeutet haben. Anders verhielt es sich allerdings mit ihren Gefühlen gegenüber Robin. Sie spürte tiefe Gewissensbisse, weil sie sich ungefragt in den Mann dieser netten Frau, ja, was eigentlich? Verliebt hatte? Hegte sie tatsächlich so tiefe Empfindungen für Colt? Oder war das zwischen ihnen nach wie vor eine harmlose Flirterei, der man nicht all zu viel Bedeutung beimessen sollte? Gegen elf Uhr hatte sie das Licht ausgeschaltet und entschieden, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt war, um über diese Sache nachzudenken, oder wohlmöglich weitreichende Entscheidungen zu treffen, die man später vielleicht wieder bereute. Aber anstelle des erlösenden Schlafes waren die grausamen Bilder erschienen und hatten ihren Geist noch mehr in Aufruhr gebracht. Christa stöhnte leise auf, als sie einen kurzen Blick auf die LED-Anzeige ihres Weckers warf; kurz vor zwei und sie war hellwach. Die Stunden bis zum Frühstück konnten lang werden. Rastlos stand sie auf und verließ auf Zehenspitzen ihr Zimmer, um die anderen nicht zu wecken. Sowohl Colt als auch Saber hatten den Schlaf dringend nötig, der ihnen hoffentlich etwas mehr Vergessen bescherte, als ihr. Sie würde sich zuerst einmal einen kleinen Drink in der Küche genehmigen und dann weitersehen. Als sie hinaus auf den Flur trat, wurde sie von Ramrods dämmriger Nachtbeleuchtung umfangen. Ein bläulich schimmerndes blasses Licht, an das sich die müden oder schlaftrunkenen Augen im Zweifel schnell gewöhnen konnten. April hatte bei der Konstruktion dieses Giganten wirklich an alles gedacht. Ein heller Schein, der sich unter Colts Tür hindurch über den kalten Boden ergoss, erregte ihre Aufmerksamkeit. Dem Anschein nach war der Cowboy noch wach. Die junge Frau zögerte nur einen Augenblick, dann klopfte sie leise gegen das Metall: „Colt, bist Du noch wach?“ Als Antwort auf ihre Frage schwang die Tür lautlos zur Seite und Christa trat ein wenig befangen in das Reich des Cowboys ein. Colt lag nur mit Boxershorts bekleidet auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte ihr fragend entgegen. Er musste die Tür wohl mit Hilfe des kleinen Schalters neben seiner Schlafkonsole geöffnet haben; noch so ein nützliches kleines Detail, das auf April zurückzuführen war. „Was ist los?“ Der Rotschopf blickte etwas verlegen auf seine lackierten Fußnägel: „Ich konnte nicht schlafen und habe gesehen, dass bei Dir noch Licht brennt.“ Sie ärgerte sich über ihre eigene Unsicherheit, wusste aper partout kein Rezept dagegen. Solange Colt sie so durchdringend anblickte, würde ihr Blut von Sekunde zu Sekunde mehr in Wallung geraten. „Hm“, er schien sie geradezu mit Röntgenaugen zu durchleuchten, „Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich Dir ein Schlaflied vorsumme, oder?“ Diese flapsige Antwort warf Christa noch mehr aus der Bahn. Seit dem sie ihn in der Küche notdürftig versorgt hatte, waren sie sich nur noch einmal kurz auf der Kommandobrücke begegnet, als Saber den Dimensionssprung eingeleitet hatte. Danach war Colt in seinem Zimmer verschwunden und sie hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Irgendwie hatte sie von ihm Trost oder zumindest Verständnis erwartet, aber vielleicht hatte sie sich das durch ihre blöde Bemerkung in Bezug auf Robin ja verscherzt. „Was…nein, ich“, irritiert starrte sie auf die Wunde an seiner Schläfe, „Du hast ja das Pflaster abgenommen!“ erleichtert, sich in dieses Thema flüchten zu können trat sie eilig an das Bett des Cowboys heran und ließ sich auf der Matratze nieder. Die Naht sah gut aus und offenbar hatte der Schnitt auch nicht mehr weiter geblutet. Vorsichtig streckte die junge Frau ihre rechte Hand aus, um Colts Kopf ein wenig zur Seite zu drehen, damit sie die Verletzung genauer in Augenschein nehmen konnte. „Lass das“, bestimmt schob der Scharfschütze ihre Hand fort, „Du hast schon genug getan!“ die Bitterkeit seiner Worte ließ keinen Zweifel daran, dass sie in diesem Zimmer unerwünscht war, auch wenn sie in seinen Augen den Zwiespalt erkennen konnte, in dem Colt sich befand. „Bitte, wenn Du nicht willst“, wütend sprang sie auf, „ich dachte, Du könntest vielleicht ein wenig Gesellschaft brauchen, aber Du kommst wohl auch prima alleine klar!“ leise schluchzend stürmte sie aus der Unterkunft des Cowboys zurück in ihre eigene, wo sie sich weinend auf ihr Bett warf. Warum nur behandelte er sie so? In der einen Sekunde meinte man, er würde vor lauter Sorge um sie sterben und im nächsten Moment behandelte er sie wie eine Leprakranke. Sie konnte es einfach nicht ertragen, wenn er so barsch zu ihr war. Sie hatte sich so sehr danach gesehnt, in seinen Armen Halt zu finden, um vielleicht endlich ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Aber an Schlaf war nun überhaupt nicht mehr zu denken. Herzzerreißend heulte sie in ihr Kopfkissen. Es war einfach nicht fair von Colt, dass er die Wut, die er auf sich selber hatte, an Christa ausließ. Immerhin gehörten zu diesem Spiel nach wie vor zwei. Wenn er so sehr in seine Robin verliebt war, warum hatte er sie dann geküsst und schaute sie ständig so verzehrend an? Sie hatte nicht mehr zur Eskalation der Lage beigetragen, als er selbst auch. Aber Fireballs schrecklicher Tod hatte alles aus den Fugen gerissen, was vorher vielleicht noch am seidenen Faden gehangen hatte. „Hey“, eine tröstende Hand fuhr ihr überraschend streichelnd den Rücken entlang und ihre Bettfedern ächzten unter dem Gewicht, als Colt sich neben sie setzte, „ich habe das nicht so gemeint, Kleines!“ Schniefend wälzte Christa sich herum und blickte in seine leidvolle Miene. Sie war so mit ihrem Frust und ihrer Wut beschäftigt gewesen, dass sie zum Einen vergessen hatte, den Verriegelungsmechanismus der Tür wieder zu aktivieren und zum Anderen nicht bemerkt hatte, wie der Cowboy ins Zimmer geschlichen war. „Fein“, krächzte sie verletzt, „willst Du das jetzt jedes Mal sagen, wenn Du mich wie Deinen persönlichen Punching-Ball behandelt hast?“ Liebevoll schob er eine Strähne ihres roten Haares aus ihrem verweinten Gesicht: „Tut mir ehrlich leid, hörst Du“, seine Stimme war ein beschwichtigendes Flüstern, das Christa eine Gänsehaut einjagte, „ich bin nur einfach so…so…aufgewühlt“, das Wort traf es wohl am besten, „ich weiß im Moment wirklich nicht, was ich tue!“ Durch seine tröstenden Liebkosungen schon beinahe wieder versöhnt setzte sich die junge Frau auf und nickte schwach, während sie sich wenig ladylike über die Nase wischte: „Ist schon gut, das geht uns doch allen so.“ sie saßen keinen halben Meter von einander entfernt, aber Christa schien es, als würde ein unüberwindliche Kluft zwischen ihnen liegen. Wie gerne hätte sie sein trauriges Gesicht berührt, dass von getrockneten Tränenspuren gezeichnet war, aber sie traute sich nicht, aus Angst ihn durch dieses forsche Verhalten wieder abzuschrecken. Die Sekunden vergingen und nichts geschah. Keiner von beiden bewegte auch nur eine Wimper, aus Angst, das Falsche zu tun und damit alles zu verderben. Als Colt den Anblick ihrer zarten und zerbrechlichen Züge nicht länger ertragen konnte, stand er ohne Vorwarnung auf: „Ist wohl besser, wenn ich jetzt wieder…“ „Nein“, besitzergreifend klammerte Christa sich an eine seiner Hände, „bitte geh nicht. Bleib heute Nacht bei mir!“ die Worte waren so schnell über ihre Lippen gerutscht, dass der Lieutenant, selbst erschrocken darüber, die Augen aufgerissen hatte. Colt wusste vor Überraschung nicht, was er sagen sollte. Er starrte perplex auf die junge Frau hinab und spürte die Wärme ihrer Hände, die ihn gefangen hielten. Diese Bitte war wie ein Gong gewesen, der den offenen Kampf zwischen dem kleinen Engel und dem immer stärker werdenden Teufel in seinem Kopf eröffnet hatte. Diese Augen! Er hatte Robin einmal gesagt, ihre Augen sähen aus, wie zwei klare chinesische Bergseen. Aber was waren schon schnöde Tümpel verglichen mit diesen Feueropalen, die ihn magisch anzogen, wie das Licht die Motten. Himmel, was dachte er da nur? Er liebt Robin, hatte ihr versprochen, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen und war nicht einmal in der Lage, sich zusammen zu reißen, wenn die erste dahergelaufene Frau ein wenig mit ihm flirtete! Mit etwas Kraftaufbringung erlangte der Engel mit knapper Mühe die Oberhand zurück und verwies den murrenden Teufel vorerst in die Ecke. Bebend vor Anspannung setzte sich Colt wieder auf das Bett und schloss Christas Gesicht fest in seine Hände. Es war nass von ihren bitteren Tränen, die er ihr am liebsten fortgeküsst hätte, aber er riss sich zusammen: „Du weißt, dass das nicht geht“, seine Daumen fuhren zärtlich über ihre Pfirsichhaut gleichen Wangen, „Robin…“ Ehe er den Satz vollenden konnte, fiel der Lieutenant ihm eilig ins Wort: „Nicht das, was Du glaubst“, oder zumindest nicht nur, durchfuhr es sie enttäuscht, „ich kann im Moment einfach nicht alleine sein. Ständig sehe ich diese furchtbaren Bilder vor mir. Bitte bleib bei mir, zumindest, bis ich eingeschlafen bin!“ sie musste einige Schläge zurückrudern, um ihn mit ihrer forschen Art nicht endgültig zu verjagen, auch wenn das nicht leicht fiel, jetzt, da sie ihre wahren Gedanken endlich einmal ausgesprochen hatte. Colt zögerte. Es würde eine harte Angelegenheit werden, sich zu beherrschen, wenn dieses engelsgleiche Wesen neben ihm lag. Aber der Schmerz über Fireballs Tod saß so tief und tat so höllisch weh, dass ihn ein tröstender, warmer Körper vielleicht etwas beruhigen würde. Besiegt zuckte er mit den Schultern, während der kleine Teufel in seinem Inneren vor Freude Purzelbäume schlug: „Ich schätze, dagegen wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, oder?“ Überglücklich kroch Christa unter ihre Decke, schlug diese ein Stückchen zurück und klopfte einladend auf den leeren Platz: „Danke!“ Geradezu schüchtern streckte sich der Cowboy neben ihr aus und ließ zu, dass sie ihn bis zum Ansatz seiner Rippen liebevoll zudeckte. Da er nicht so recht wusste, wo er seinen rechten Arm lassen sollte, ohne Christa damit zu berühren, legte er ihn zunächst lässig hinter seinen Kopf. Sein Gewissen schrie ihm zu, dass er hier einen fürchterlichen Fehler beging, den er später sicherlich bereuen würde. Doch im selben Moment erfüllte ihn ein so wohltuendes Gefühl von Trost und Geborgenheit, dass er alle Warnhinweise in den Wind schlug. Christa schmiegte ihren Kopf in seine Armbeuge und spürte die warme Haut seiner Brust an ihrer Wange. Mit der rechten Hand tastete sie hinter ihrem Rücken nach dem Lichtschalter. Nachdem das Licht erloschen war, legte sie die Hand sanft aber scheu auf Colts durchtrainierte Bauchmuskulatur, denn sie war sich nicht sicher, ob der Cowboy so eine vertraute Nähe zulassen würde. Doch ihre Befürchtungen waren unbegründet gewesen. Als Colt die zitternden kalten Finger auf seiner Haut spürte, ergriff sein Beschützerinstinkt Besitz von seinem Verstand und es war endgültig um ihn geschehen. Tröstend legte er seine linke Hand auf die von Christa und schlang den rechten Arm innig um ihre Schultern. Wie gut es tat, diese wunderschöne Frau einfach nur im Arm zu halten, das Gesicht in ihrer nach wilden Früchten duftenden Haarmähne zu vergraben und ihr Herz nahe bei seinem schlagen zu spüren. Im Raum war es mucksmäuschenstill, nur der unregelmäßige und vor Aufregung schnelle Atem der beiden war zu hören. Als sich Christas Augen nach einigen Momenten an die Dunkelheit gewöhnt hatten, blickte sie zu Colts Gesicht auf. Sie konnte es jetzt nur noch schemenhaft erkennen, aber die getrockneten Tränenspuren waren ihr wieder eingefallen die sich auf seinen Wangen abgezeichnet hatten: „Fireball ist Dein bester Freund gewesen, oder?“ flüsterte sie eindringlich und versuchte so leise wie möglich nach Luft zu schnappen, damit der Cowboy nicht bemerkte, wie nervös sie ob der momentanen Lage war. „Hmm“, Colt senkte den Kopf und versuchte im schwachen Dämmerlicht seinerseits die Augen der jungen Frau zu ergründen, „weißt Du, bis ich zu den Star Sheriffs kam, hatte ich nie wirklich richtige Freunde. War’n ziemlicher Einzelgänger, nie lange genug an einem Ort, um dort Verbindungen zu knüpfen. Aber der Kleine ist fast wie’n Bruder für mich geworden. Ständig musste ich auf ihn aufpassen und ihm den Hintern retten“, mit bitterer Ironie fügte er noch hinzu, „nur heute habe ich meinen geschwisterlichen Pflichten wohl nicht besonders viel Ehre gemacht!“ Christa fiel bei diesen Worten ein, was der Säbelschwinger früher am Tag während ihrer kleinen Auseinandersetzung zu ihr gesagt hatte: „Ich glaube, Saber denkt, dass ich daran Schuld bin.“ „Wie kommst Du denn darauf?“ Colt war hörbar überrascht. „Na, ja, wir haben vorhin ein wenig gestritten und… Böse Vorahnungen schwanten dem Cowboy und er musste den Reflex unterdrücken, seine Hand von Christas zurück zu ziehen: „Worüber?“ wollte er brummend wissen. Christa antwortete nicht sofort und das Zögern des Rotschopfes bestätigte seine Befürchtungen: „Es ging dabei um uns, oder?“ Sie nickte verlegen und entrang Colt dadurch einen leise gezischten Fluch: „Er hat gesagt, Du hättest Deinen Posten verlassen, um mir zu helfen, obwohl das absolut unnötig gewesen wäre.“ „So ein Unsinn“, brauste der Cowboy auf, atmete aber insgeheim leise auf, weil er glaubte, noch einmal mit heiler Haut davon gekommen zu sein, „ich hätte genauso gehandelt, wenn April Ramrod gesteuert hätte“, ungeschickt verhakte er seine Finger mit ihren, „ich bin sicher, Saber hat das auch gar nicht so gemeint. Er hat genauso mit der Situation zu kämpfen, wie wir alle.“ Trotz dieser gut gemeinten Worte blieb Christa skeptisch: „Hat er auch gesagt, als er sich später bei mir entschuldigt hat“, sie glaubte, Colt müsse ihren Puls bis in ihre Fingerspitzen spüren, „trotzdem glaube ich, dass er mich für einen Teil des Dramas verantwortlich macht!“ „Hat er denn noch etwas anderes gesagt…in Bezug auf uns, meine ich?“ eigentlich wollte der Scharfschütze die Antwort auf diese Frage nicht wirklich hören, aber er musste sichergehen, inwieweit Saber tatsächlich bescheid wusste. „Hat etwas von Gott und der Ehe gefaselt und dass Robin es nicht verdient hätte, wenn man ihr weh tut.“ Sie fühlte die Anspannung des Cowboys, der ein gequältes Stöhnen von sich gab: „Großartig, wie ich mein Glück kenne, rennt der fromme Kerl direkt nach unserer Rückkehr zu ihr und erzählt ihr, dass wir zusammen in der Kiste waren, oder so was Blödes!“ er mochte sich das Ergebnis einer solchen Unterredung gar nicht ausmalen. „Also wenn Du das momentan vor Gericht abstreiten würdest, wäre das ein glatter Meineid!“ Christa konnte sich trotz Colts böser Blicke nicht der gewissen Komik der Situation verwehren. „Hör auf mit dem Quatsch, das ist echt nicht witzig“, ruckartig ließ er ihre Hand los und legte sie sich nachdenklich an die Stirn, „herrje, die macht mir die Hölle heiß. Wieso war ich auch so bescheuert und musste Dich…“ Robin durfte das einfach nicht erfahren, sonst wäre er wirklich geliefert. Nach der gestrigen Unterhaltung würde sie ihm doch niemals abnehmen, dass zwischen ihm und Christa nicht mehr gelaufen war, als ein flüchtiger Kuss. Wenn man die Vorkommnisse im Waschraum überhaupt als solchen bezeichnen konnte. Diese Reaktion trieb sich wie ein giftiger Stachel mitten ins Herz des jungen Lieutenant. Die Erkenntnis, dass Colt seine Frau wirklich liebte und in ihr nichts weiter sah, als ein nettes Abenteuer, war hart. Sie kam zwar nicht sehr überraschend, war aber deswegen auch nicht weniger schmerzhaft. Wenn sie aus dieser Sache herauskommen wollte, ohne ihr Gesicht zu verlieren, musste sie umgehend handeln. Entschlossen griff sie Colts Arm und zog ihn wieder zurück auf dessen Brust: „Mach Dir nicht so viele Gedanken, deswegen, Cowboy“, sie setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und versuchte, einen möglichst gleichmütigen Tonfall anzuschlagen, „Saber wird schon nichts verraten. Und wenn schon, was hat er denn großartig gesehen? Dass Du mich im Cockpit geküsst hast. Na und, das war doch nur, um mich zu beruhigen. Sonst ist nichts passiert, das werde ich bezeugen, wenn es sein muss!“ ihr Lächeln wurde noch breiter, auch wenn ihr eigentlich zum Heulen zumute war. Colt hingegen war rundweg perplex: „Ja, aber“, er konnte ihre plötzliche Gemütsänderung nicht verstehen, „was war… mit dem Pokerspiel…und heute morgen?“ Teilnahmslos zuckte Christa die Achseln: „Mach doch nicht mehr draus, als es tatsächlich war“, sie betete, dass das Zittern in ihrer Stimme sie nicht verriet, „wir hatten beide unseren Spaß und mehr nicht. Muss doch niemand erfahren!“ „Ist das Dein Ernst?“ immer noch ganz durcheinander starrte der Cowboy die junge Frau an. Er hätte schwören können, dass er in den letzten Tagen stumme Signale von ihr empfangen hatte, die weit über das Interesse an ein wenig körperlichem Vergnügen hinausgingen. Was war mit den kleinen Eifersüchteleien gewesen, mit ihrer Sorge um sein Wohlergehen und den Blicken, die die Luft zwischen ihnen zum Knistern gebracht hatten? War das alles nur Einbildung gewesen? „Aber klar doch“, sanft drückten sich ihre Lippen auf seine nackte Schulter, „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich ernsthaft auf einen raubeinigen Cowboy wie Dich einlassen würde, wenn ich zu Hause einen Prinzen haben kann!“ War da etwa ein Schimmern in ihren Augen? Colt konnte es wegen der Dunkelheit nicht genau erkennen, aber er war sicher, dass ihre Stimme bei den letzten Worten mächtig ins Straucheln geraten war. Aber es war wohl besser, dieser Sache nicht weiter auf den Grund zu gehen, denn immerhin bot Christa ihm hier eine einmalige Gelegenheit, aus dieser rasenden Achterbahn auszusteigen, bevor sie mit voller Wucht gegen eine Betonmauer krachte. „Danke“, er beugte sich vor und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, „wir sollten jetzt versuchen zu schlafen, sonst bekommen wir morgen tierischen Ärger mit unserem Boss!“ wieso fühlte er sich so furchtbar, wenn ihm doch eigentlich ein Stein vom Herzen hätte fallen müssen? „Ja, gute Idee“, theatralisch gähnend drehte sich Christa auf die andere Seite, peinlich darauf bedacht, den Cowboy nicht mehr zu berühren, „versuchen wir zu schlafen!“ Colt blinzelte verstohlen nach ihrer Schulter. Zur gleichen Seite wie die junge Frau konnte er sich unmöglich wenden, denn allein der Anblick ihres wallenden Haares brachte seine Hormone in Aufruhr. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als auf dem Rücken zu liegen und zu warten, bis Christa eingeschlafen war, denn auf die linke Seite konnte er sich wegen der frisch verpassten Narbe erst recht nicht drehen. Wenn sie fest schlief, würde er sich zurück in sein eigenes Zimmer schleichen und dort versuchen, noch ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Grübelnd faltete er die Hände über seinem Bauch und stierte durch die Dunkelheit hinauf zur Decke: „Schlaf gut!“ das konnte eine lange und anstrengende Nacht werden. Das erste, was Colt am nächsten Morgen spürte, als er allmählich vom Schlaf- in eine Art Dämmerzustand überschwebte, waren erbarmungslos hämmernden Kopfschmerzen. Es fühlte sich so an, als hätte seine linke Schläfe in der Nacht Bekanntschaft mit einem Dampfhammer gemacht. Ein dumpfer, monoton pochender Schmerz jagte von dieser Stelle aus durch seinen Schädel und strahlte beinahe noch bis hinab zu seinen Zehen. Sein rechter Fuß war im Verlauf des Schlafs irgendwie aus dem warmen Schutz der Bettdecke entflohen und ragte nun durchgefroren über die Bettkante. Eilig zog der Cowboy ihn wieder zurück und kuschelte sich auf der Suche nach noch mehr Wärme an den Körper der Frau, die in seinen Armen lag. Was für ein Alptraum hatte ihn da letzte Nacht nur heimgesucht! Sie waren in die Phantomzone gesprungen und hatten dort gegen eine Übermacht an Outridern gekämpft. Und sein Freund Fireball war… Schaudernd wühlte er sein Gesicht in die Mähne seiner tief schlafenden Wärmespenderin. Wann hatte Robin ihr Shampoo gewechselt? Colt konnte sich nicht daran erinnern, dass die Haare seiner Frau je so betörend und intensiv fruchtig geduftet hatten. Er musste förmlich den Wunsch unterdrücken, direkt hinein zu beißen. Wahrscheinlich hatte sein böser Traum ihn sensibilisiert, denn auch die weichen Rundungen ihres Körpers erschienen ihm heute anders als sonst. Robin war eine schlanke und zart gebaute Frau, die er sicherlich nicht wegen ihres ausgeprägten Kurvenreichtums geheiratet hatte, aber an diesem Morgen wirkten ihre Hüften, die sich schutzsuchend an ihn pressten, so erregend und sexy, dass Colt immer wieder zärtlich darüber streicheln musste. Ihre Haut war weich und makellos, und als er seine Hand vorsichtig, um sie nicht zu wecken, unter das kurze Bein ihres Schlafanzuges schob, ertastete er den linken Teil ihres hübschen Pos, der sich wie dafür gemacht in seine Handfläche schmiegte. Dem Cowboy stockte der Atem. Er bemerkte, dass die Reize von Robins Körper ihn um den Verstand zu bringen drohten. Gott, sie war so umwerfend, so perfekt, wieso war ihm das nicht viel öfter so sehr bewusst, wie an diesem Morgen? Entschlossen ließ er von ihrem Hinterteil ab und ließ seine Hand vorwitzig unter ihr T-Shirt krabbeln: „Oh Robin…“ murmelte Colt wohlig in ihr Haar, als sie ihr Becken drängend gegen seines drängte: „Hm, Lando…“ Mit einem Schlag war der Scharfschütze hellwach und erstarrte. Die Realität erschlug ihn förmlich und hätte ihm sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggerissen, wenn er nicht sowieso schon gelegen hätte. Eine kleine warme Hand griff nach seiner und führte sie auffordernd ihren Bauch hinunter in Richtung ihrer Pyjama-Hose. Entsetzt entwand Colt sich dem Griff und langte hinüber zu den Lichtschaltern. Unwirsch schirmte die verschlafene Christa ihre Augen gegen das gedämpfte Licht der Nachttischlampe ab: „Was’n los? Müss’n wir schonaufschtehn“, unverständlich murmelnd drehte sie sich auf den Rücken und blinzelte den Cowboy zärtlich an, „COLT!“ wie vom Donner gerührt erkannte sie, dass es nicht Prinz Roland war, der da neben ihr lag, sondern ein ziemlich entschuldigend lächelnder Star Sheriff. „Morgen, Kleines…“ Entsetzt zupfte Christa ihr Shirt nach unten, um ihre Blöße zu verdecken: „Ha…haben wir etwa…“, geniert schlang sie die Arme um den Oberkörper und rappelte sich hoch, „na, Du weißt schon!“ Colts Grinsen verschwand: „Glaub mir, daran würde ich mich erinnern“, peinlich berührt schwang er die Beine aus dem Bett und stand auf, „ist aber wohl trotzdem besser, wenn ich jetzt gehe.“ Verlegen raffte die junge Frau die Bettdecke an sich und zog sie bis zum Kinn hoch: „Ja, ich denke, das ist wohl das beste.“ „Gut, dann“, der Cowboy kratzte sich fahrig am Kopf, „sehen wir uns wohl beim Frühstück.“ Eilig verließ er Christas Quartier und wäre draußen beinahe mit Saber zusammengestoßen, der gerade aus dem Waschraum kam: „Hoppla…“ Ungehalten wanderten die Blicke des Säbelschwingers zwischen der Tür, die sich gerade hinter dem Cowboy geschlossen hatte, und dem verschlafenen Haufen Star Sheriff vor ihm hin und her: „Würde es Dir helfen, wenn ich Dir einen Kompass spendiere, damit Du Dein eigenes Bett findest?“ die Worte troffen vor Sarkasmus und Colt konnte an Sabers Miene ungefähr erahnen, was dieser gerade denken musste: „Es ist nicht so, wie Du denkst, okay!“ „Ach“, der blonde Schotte verschränkte erwartungsvoll die Arme, „und was soll ich Deiner Meinung nach denken, wenn Du Dich nachts um zwei in Christas Zimmer schleichst und es morgens um sieben erst wieder verlässt?“ „Du hast uns gehört?“ das überraschte den Cowboy doch sehr. Nachdem Saber gegen 23 Uhr in seiner Unterkunft verschwunden war, hatte Colt keinen Mucks mehr von dort gehört und war davon ausgegangen, dass ihr Anführer den tiefen Schlaf der Gerechten gefunden hatte. „Glaubst Du wirklich, nach allem, was gestern passiert ist, hätte ich auch nur eine Sekunde lang ein Auge zumachen können?“ „Tut mir leid“, Colt sah ein, dass natürlich auch Saber sich Gedanken und wahrscheinlich noch mehr Vorwürfe als er selber wegen Fires Tod machte, „wir sind wohl alle ziemlich durch den Wind im Moment.“ Wohlwollend nahm der Säbelschwinger diese Entschuldigung entgegen und versuchte, seinen Tonfall etwas zu mildern: „Das erklärt trotzdem noch nicht, was Du bei Christa gemacht hast!“ Müde streckte sich der Cowboy und unterdrückte ein Gähnen: „Sie hatte Alpträume, na, ja, kein Wunder, wenn Du mich fragst“, umständlich nestelte er an seiner Boxershorts herum, „und da ich auch nicht schlafen konnte, habe ich ihr einfach nur ein wenig Gesellschaft geleistet. Mehr nicht, das schwöre ich Dir!“ Das klang ehrlich und Saber fasste es als positives Zeichen auf, dass Colt nicht versuchte, ihm in einem hitzigen Wortgefecht klarzumachen, dass ihn sein Aufenthalt in Lieutenant McRaes Zimmer eigentlich nichts anging. Offenbar legte der Cowboy viel Wert darauf, dass ihr Anführer ihm tatsächlich glaubte: „Na gut“, widerwillig stemmte Saber die Arme in die Hüften, „aber gutheißen kann ich das trotzdem nicht. Du bist unehrlich zu Robin, mein Alter.“ „Vielleicht, ein bisschen“, betreten schürzte Colt die Lippen, „aber Du weißt, was ich für sie empfinde!“ „Für Robin, oder für Christa?“ Der Cowboy runzelte verärgert die Stirn: „Frag nicht so scheinheilig, für Robin natürlich. Mensch, ich liebe diese Frau, okay! Ich würde doch niemals absichtlich etwas tun, das sie verletzen könnte.“ „Freut mich aufrichtig, das zu hören“, Saber klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter und erachtete das Thema damit als abgeschlossen, „dann sieh zu, dass Du Dich in Deinen Kampfanzug schwingst, zur Abwechslung darfst Du heute mal die Maverick-Steuerung übernehmen!“ Genau wie auf dem Hinflug kamen sie auf ihrem Weg zurück nach Yuma ohne Zwischenfälle voran. Zwar hatte keiner von ihnen Fireballs hervorragendes Gespür für die Steuerung ihres Kampfschiffes, aber sie lagen zu keinem Zeitpunkt der Reise hinter ihrem Plan. Eine merkwürdige Stimmung hatte sich an Bord ausgebreitet, denn die Besatzung Ramrods war stillschweigend darin übereingekommen, dass es besser war, sich für den Rest ihrer Mission so weit möglich aus dem Weg zu gehen. Saber verbrachte wie immer die meiste Zeit in der Kommandozentrale und hing seinen düsteren Gedanken nach, während es Colt nur selten überhaupt noch an Bord des Kampfkolosses hielt. Er verbrachte Stunden alleine mit seinem Bronco Buster im All, denn dort musste er nicht fürchten, jeden Moment Christas Weg zu kreuzen. Seit Saber ihn an jenem Morgen beim Verlassen ihres Zimmers ertappt hatte, tat der Cowboy alles, um jeden noch so kleinen Zweifel an der Loyalität und Treue gegenüber seiner Frau auszumerzen. Wenn er und der Lieutenant doch einmal aufeinander trafen, betrieben sie oberflächliche Konversation wie zwei Fremde, die sich an einer Bushaltestelle begegnet waren. Aber auch wenn beide glaubten, ihrem Anführer mit diesem Theater etwas vormachen zu können, fielen Saber doch die heimlichen Blicke auf, die die beiden sich immer wieder zuwarfen, wenn sie der Meinung waren, der andere würde es nicht bemerken. Beinahe empfand er so etwas wie Mitleid mit seinem Freund und dem weiblichen Navigator, denn er konnte verstehen, dass sie unter den gegebenen Umständen gerne Halt bei einander gesucht hätten, doch er konnte nach wie vor nicht gutheißen, dass Colt Christa während ihres letzten Kampfes geküsst hatte. Und vielleicht noch mehr, schließlich konnte er nur mutmaßen, was in jener Nacht in Christas Zimmer passiert war, als der Cowboy sich zu ihr geschlichen hatte. Wenn Saber genauer darüber nachdachte, hatte er auch gar keine große Lust, sich mit diesem Problem näher zu befassen. Er hatte genügend eigene Sorgen, die ihm Nacht für Nacht den Schlaf raubten und für die er trotz intensiver Bemühungen keine Lösungen fand. Wie um alles konnte er April je wieder unter die Augen treten, geschweige denn ihr erklären, dass Fireball gestorben war, weil er eine falsche Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte sich auf ihn verlassen, hatte ihn extra darum gebeten, ein Auge auf den jungen Heißsporn zu haben und er musste sie jetzt so bitterlich enttäuschen. Darüber hinaus würde er sich sicherlich vor dem Oberkommando verantworten müssen, weil er die Mission ohne ersichtlichen Grund aus einer Laune heraus beendet hatte. Natürlich, sie hatten ein Mitglied ihrer Besatzung verloren, aber ein Kommandant konnte nicht einfach einen Kampf abbrechen, nur weil ein Untergebener gestorben war. Wie Christa es schon so treffend bemerkt hatte, Fireball war Soldat gewesen. Und Soldaten starben im Krieg, so war das eben. Die bohrendste Frage, die ihn beschäftigte, ging allerdings in eine ganz andere Richtung und hatte wenig mit ihrer Mission oder deren Auswirkungen zu tun. Je näher sie Yuma kamen, desto häufiger kreisten seine Gedanken um Cynthia. Wie sehr hoffte er, dass sie bei seiner Ankunft da sein würde und auf ihn wartete. Dass sie seinen Brief gelesen und ihm sein törichtes Verhalten verziehen hatte. Er war an einem Punkt angelangt, an dem er zum ersten Mal in seinem Leben nicht weiter wusste und sehnte sich so sehr danach, sich Cynthia anzuvertrauen, dass es wehtat. Bei ihr hatte er sich stets fallen lassen und einfach nur der Mensch sein können, der hinter dem ruhigen und besonnenen Star Sheriff verborgen war. Sie würde verstehen, was im Augenblick in ihm vorging und vielleicht würde sie es schaffen, ihm ein wenig Trost zu spenden. „Yuma Bodenkontrolle“, er öffnete den Hypercom-Kanal, ließ aber den Monitor deaktiviert, „hier spricht Ramrod, bitte kommen!“ „Hier Yuma Bodenkontrolle, wir hören Euch klar und deutlich, Ramrod.“ antwortete eine sympathische Frauenstimme. Saber atmete erleichtert auf, denn er hatte befürchtet, Commander Eagle oder gar April könnten sich im Kommandostand befinden und auf seinen Funkspruch antworten: „Erbitten Übermittlung der Daten für den Anflugskorridor, Yuma. Befinden uns kurz vor dem Landemanöver.“ „Liegen schon seit gestern für Sie bereit, Sir. Ich schicke sie Ihnen sofort rüber“, ein kurzer Blick zu Christa bestätigte, dass die Datenübertragung begonnen hatte, „Commander Eagle wird sich freuen, von Ihrer Rückkehr zu hören. Er hat ausdrücklich angeordnet, ihm sofort bescheid zu geben, sobald Sie sich im Orbit befinden.“ „Ist der Commander augenblicklich in der Zentrale?“ Saber betätigte die Kontrollen für den Landeanflug und überließ es Ramrods Autopilot, ihr Schiff mit Hilfe der Korridordaten sicher auf den Raumhafen von Yuma zu bringen. Fireball hatte es sich nie nehmen lassen, diese Manöver eigenhändig auszuführen, aber der Säbelschwinger traute seinen eigenen Flugkünsten nicht annähernd so sehr über den Weg, wie denen des toten Freundes oder der Maverick-Systeme. „Ja, Sir, er hat die Basis seit Ihrer Rückkehr aus der Phantomzone nicht mehr verlassen.“ „Verstehe“, der Schotte konnte sich schon denken, dass ihr Vorgesetzter geradezu darauf brannte, aus erster Hand einen Bericht über die gescheiterte Mission zu erhalten, „was ist mit Miss Eagle, ist sie auch auf dem Stützpunkt?“ Dieses Mal zögerte die Stimme am anderen Ende der Comverbindung, bevor sie betrübt antwortete: „Tut mir leid, Sir, darüber weiß ich nichts. Sie hat nach der Nachricht über den Tod ihres Verlobten einen Nervenzusammenbruch erlitten. Seitdem hat sie hier niemand mehr gesehen und der Commander hat strikt verboten, nach ihr zu fragen.“ „Danke“, mit einem unguten Gefühl in der Magengegend kappte Saber die Verbindung zur Kommandozentrale, „Ramrod over and out!“ Colt, der die Unterhaltung zwischen seinem Boss und der Bodenkontrolle missmutig von seinem Platz aus verfolgt hatte, polierte mal wieder akribisch seinen Blaster: „Ich mag gar nicht dran denken, was sie gerade durchmacht.“ Im Nachhinein war er froh, dass er sich vor dem Abflug noch mit ihr versöhnt hatte, denn sie hatte jetzt genügend andere Sorgen und konnte jeden freundschaftlichen Trost gebrauchen, den er ihr bieten konnte. Saber ließ seinen Kommentar unbeantwortet im Raum stehen und konzentrierte sich auf den Anflug. Der Cowboy hatte ihm direkt aus der Seele gesprochen, sie alle konnten nur erahnen, wie sich April wohl gerade fühlte. Er betete, dass sie bei ihrer Ankunft nicht am Raumhafen auf sie wartete. Das würde ihm noch ein wenig Zeit einräumen, bis er ihr irgendwann unausweichlich gegenüber treten und ihr erklären musste, wie und warum Fireball ums Leben gekommen war. Und offenbar wurde sein Wunsch erhört. Als die übel zugerichteten Überbleibsel dessen, was Ramrod einst gewesen war, auf dem Raumhafen von Yuma zum Stehen kamen, wurden sie von einer kleinen Delegation bestehend aus Offizieren des Oberkommandos erwartet. Bei ihnen waren auch Robin, König Jared und Prinz Roland, aber von April fehlte weit und breit jede Spur. „Na, wenn das nicht unsere eingeschnappte Prinzessin ist“, breitbeinig stand Colt im Cockpit und schaute durch die riesige, von den Kampfspuren ziemlich zerkratzte Glasfront hinunter auf ihr Empfangskomitee, „hätte ja nicht gedacht, dass wir den so schnell noch mal wiedersehen!“ sein Blick wanderte weiter zu seiner Frau Robin. Wie immer adrett, aber auch ein wenig spießig, wie ihm plötzlich auffiel, in Rock und Bluse gekleidet, stand sie neben König Jared und starrte gebannt zu ihm hinauf. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn durch das Panzerglas wirklich sehen konnte, aber vorsichtshalber machte er ein paar Schritte zurück und entzog sich damit dem Blickfeld der Wartenden. Das schlechte Gewissen rumorte schon seit einigen Stunden in seinen Eingeweiden und hatte nun, da er das unschuldige und besorgte Gesicht seiner Frau erblickt hatte, einen absoluten Höhepunkt erreicht. „Na, Schiss?“ Christa war unerwartet neben ihn getreten und fixierte ihn spöttisch; seine Reaktion auf den Anblick Robins war ihr nicht verborgen geblieben. Colt schielte sie aus den Augenwinkeln an: „Weiß nicht, wovon Du redest, Lieutenant!“ sie hatte sich bereits ihres Kampfanzuges entledigt und trug wieder den dunkelgrünen Overall, der ihre kurvenreiche und feminine Figur so auffallend gut zur Geltung brachte. Ein krasser Gegensatz zu Robins schulmeisterlichem Erscheinungsbild. „Wie Du meinst!“ Christa drehte sich mit säuerlicher Miene um und begab sich zu den Quartieren, wo Saber sicherlich schon auf sie wartete. Mit Angst hatte sie diesem Augenblick entgegen gesehen und wollte ihn nun nicht noch länger herauszögern. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Roland tatsächlich auf dem Flugfeld sein würde, aber das änderte nichts an der Entscheidung, die sie im Laufe der letzten Tage getroffen hatte. Das Verhältnis zu Colt hatte ihr die Augen geöffnet. Aber ihre Sorge hatte nicht dem Prinzen gegolten, auch wenn dieser nicht sehr erfreut über ihren Entschluss sein würde. Viel mehr beschäftigte sie die Frage, was wohl der Cowboy tun würde, wenn er seiner Angetrauten endlich wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand. „Seid Ihr soweit?“ Saber blickte forschend zwischen Christa und Colt, der sich ein paar Minuten später auch endlich zu ihnen in den Hangar bequemt hatte, hin und her. Er sah die Anspannung in den Gesichtern der Freunde und konnte sich denken, was in ihnen beiden vorging. Aber es war nicht mehr seine Angelegenheit, sich in diese prekäre Geschichte einzumischen, dafür waren jetzt die zwei Personen zuständig, die draußen sehnsüchtig auf den Cowboy und den Lieutenant warteten. „Nun mach schon“, Colt zog seinen Hut tief in die Stirn, „ich kann es kaum erwarten, diesen Blechhaufen zu verlassen und mich in einer heißen Badewanne zu räkeln!“ Als Christa mit einem knappen Nicken bestätigte, dass sie für den großen Auftritt bereit war, betätigte Saber den Schalter für die Bodenluke. Mit einem lauten Zischen reagierte die Hydraulik und die riesige Klappe senkte sich dem Boden entgegen. Es war das erste Mal seit ihrem Abflug, dass ihnen wieder klare Luft entgegen schlug. Die junge Frau nahm einen tiefen Zug der abendlichen lauen Herbstluft. Wie gut es doch tat, die Lungen wieder mit einer frischen Brise füllen zu können. In dem Moment, als die Luke auf dem glänzenden Asphalt des Raumhafens auftraf, setzte sich automatisch das Laufband in Bewegung, dass die Besatzung Ramrods nach unten befördern würde. Nur zögernd setzte Christa den ersten Fuß auf das Band und ließ sich aus dem Inneren ihres Kampfkolosses in die Tiefe tragen. Wahrscheinlich würde sie nie wieder an Bord dieses wunderbaren Schiffes zurückkehren, wo sie in so kurzer Zeit so viele aufwühlende und einschneidende Gefühle erlebt hatte. Dort stand Roland, die Hände in den Taschen seiner rotbraunen Uniform verborgen, und warf ihr ein schüchternes Lächeln zu. Es versetzte ihr einen Stich, die Hoffnung und die Freude in seinem Gesicht zu erkennen. Gerade, als sie die Hand zu einem schüchternen Gruß hob, rannte Colt an ihr vorbei die restlichen Meter der Rampe hinunter: „Robin!“ stürmisch schloss er die blonde Frau, die vor Freude begonnen hatte zu weinen, fest in die Arme und küsste sie ungeniert und überschwänglich. Verletzt wandte Christa den Blick von dieser rührseligen Begrüßung ab. Sie konnte es einfach nicht ertragen mit anzusehen, wie der Cowboy seine offenkundige Liebe gegenüber seiner Frau so offen zur Schau trug. Sie hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass Colt sich genau so verhalten würde, wie er es dann auch tatsächlich getan hatte, aber trotzdem hatte sie erst jetzt die Hoffnung auf die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche endgültig begraben. Tröstend legte sich eine Hand auf ihre linke Schulter: „Es ist besser so, glaub mir!“ beschwörend hatte Saber sich zu ihr herüber gebeugt und ihr leise ins Ohr geraunt. Überrascht von dieser warmherzigen Geste starrte Christa den Säbelschwinger verblüfft an und hätte gerne etwas erwidert, aber im nächsten Moment griff ein starkes Paar Arme nach ihr und Prinz Roland zog sie fest an sich: „Oh, ma petite, verrsei mirr. Es tut mirr so undendlisch leid!“ schüchtern drückten sich seine Lippen auf die ihren und die junge Frau ließ die Zärtlichkeiten des hitzköpfigen Monarchen wehrlos über sich ergehen. Saber hatte die Rampe als letzter verlassen und stand nun in Habachtstellung vor Commander Eagle, der ihm mit undurchdringlicher Miene den rechten Arm entgegen streckte: „Willkommen daheim!“ Die nächste halbe Stunde erlebten die verbliebenen Besatzungsmitglieder von Ramrod wie in Trance. Man führte sie in das Büro von Commander Eagle, wo Saber mit knappen und wenig ausschmückenden Worten den Hergang ihrer Mission schilderte. Betretendes Schweigen breitete sich unter den entsetzten Zuhörern aus, als er die letzten Minuten von Fireballs Todeskampf Revue passieren ließ: „Letztlich blieb uns nichts anderes zu tun, als ihm die letzte Ehre zu erweisen und ihn auf diesem gottverlassenen Planeten zurück zu lassen.“ Bei seinen bitteren Worten überlief Robin ein kalter Schauer. Mit zitternden Lippen drängte sie sich noch näher an ihren Mann, der beruhigend eine Hand auf ihr Knie legte und ihr einen Kuss auf den Scheitel gab. Um welchen Preis hatten die Star Sheriffs diese furchtbare Aufgabe nur angenommen. Ihre Freund Fireball war tot und der Verletzung an Colts Schläfe nach zu urteilen, die langsam zu heilen begann, war auch der Cowboy nur knapp mit dem Leben davon gekommen. „Und danach hast Du Dich für den Abbruch der Mission entschieden?“ Eagles sorgenvolle Miene lag halb hinter seinen gefalteten Händen verborgen. Er saß an seinem Schreibtisch und hatte bislang ohne einen Einwand dem Bericht des Schotten gelauscht. Angespannt versuchte Saber den Knoten herunter zu schlucken, der sich in seinem Hals eingenistet hatte: „Aye, Sir, das habe ich“, seine Wangen begannen zu glühen und seine Hände ballten sich zu Fäusten, „im Nachhinein betrachtet wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, zunächst auszukundschaften, über welche Kampfkraft die Outrider auf diesem Planeten noch verfügen, aber unter den gegebenen Umständen erschien es mir als das einzig richtige, die verbliebenen Mitglieder meiner Crew nicht weiter unnötig der Gefahr auszusetzen.“ „Ist schon gut, Saber“, Eagle erhob sich müde und stützte die Arme auf den Schreibtisch, „Du musst Dich nicht für Deine Entscheidung rechtfertigen. Zumindest nicht mehr heute und schon gar nicht vor mir.“ Verunsichert blickte der Säbelschwinger zu seinem Vorgesetzten auf: „Sir?“ was konnte das bedeuten? „Es ist eine Anhörung angesetzt“, das resignierte Schnaufen des Commanders ließ deutlich erkennen, was er von dieser Entscheidung hielt, „Fireball war eine Art Held. Der berühmte Rennfahrer, der sich zum Star Sheriff gemausert und mitgeholfen hat, das neue Grenzland von den Outridern zu befreien. Die Öffentlichkeit wird eine genaue Aufklärung zu seinem Tod fordern und das Oberkommando ebenso.“ „Diese blöden Fuzzis“, voller Empörung hatte Colt seine Faust auf den Besprechungstisch niedersausen lassen, „nächstes Mal können die ja selber mal ihren Hintern hinhalten, wenn sie meinen, es besser zu können! Saber hat absolut richtig gehandelt, Sir!“ sein Atem ging schwer. Wenn es hier jemanden gab, den man für Fires Tod verantwortlich machen konnte, dann war er das. Er hatte seinem Freund versprochen, ihn aus der Patsche zu holen und hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft! Sein Freund warf ihm ein müdes aber dankbares Lächeln zu: „Ist schon gut, Colt, ich habe schon mit einem Ausschuss gerechnet“, an Eagle gewandt fügte er wieder etwas gefasster hinzu, „ich stehe jederzeit für eine Anhörung zur Verfügung, Commander!“ die Unterstützung des Cowboys hatte ihm ein Stück seines Selbstvertrauens wiedergegeben. Eagles Hand legte sich väterlich auf seine Schulter, auch wenn Saber durch den Raumanzug hindurch nicht spüren konnte, wie der Commander sie zu drücken versuchte: „Ich bin sicher, dass es sich dabei lediglich um eine Formalität handeln wird. Es gab noch nie Grund zu der Veranlassung, an Deinen Entscheidungen zu zweifeln, Saber!“ „Danke, Sir“, der junge Schotte fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Haut und wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich beenden, „wann wird die Anhörung stattfinden?“ „Oh, der Termin ist noch nicht festgesetzt, ich habe angeordnet, dass man Euch dreien erst einmal genügend Zeit gibt, um Euch von den Erlebnissen und Strapazen zu erholen.“ „Feiner Zug, Commander“, Colts Augen huschten kurz zu Christa hinüber, die ihn mit schmerzerfülltem Blick musterte, „die nächsten Tage haben wir also Urlaub, ja?“ „Korrekt, Colt“, der Commander ging hinüber zu seiner Bürotür und öffnete sie, „falls etwas Dringendes anstehen sollte, weiß ich ja, wo ich Euch finden kann. Und jetzt überlasse ich Euch erst einmal Euren eigenen Gedanken. Ich denke, Ihr habt eine Menge zu verarbeiten und wollt vielleicht zuerst einmal nach Hause, um ein wenig auszuruhen?“ Damit war die Sitzung beendet. Keiner hatte es gewagt, aus Angst vor einer negativen Antwort nach April zu fragen und Eagle hatte das Thema offensichtlich mit Absicht umgangen. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn sie sich ein wenig von den Ereignissen erholten und April dann mit neuer Kraft gegenüber traten. Müde und entkräftet verließ Saber gefolgt von Colt und Robin das Büro ihres Vorgesetzten und schlenderte kurze Zeit später in Richtung Ausgang: „Ich werde noch kurz Steed holen und dann nichts wie weg hier. Ich habe die Nase wirklich gestrichen voll!“ „Ich komme mit“, behutsam löste sich der Cowboy aus dem klammernden Griff seiner immer noch sehr mitgenommen wirkenden Frau, „ich komme dann mit dem Bronco Buster nach, ja!“ schnell küsste er sie auf die Wange und eilte Saber nach, der in den Korridor abgebogen war, der zum Rollfeld führte. Enttäuscht blickte Robin ihm nach. Fireballs Tod musste ihm sehr viel näher gegangen sein, als sie befürchtet hatte. Sein merkwürdig oberflächliches und abweisendes Auftreten sprach eindeutig dafür, dass er in seinem Herzen etwas verbarg, das ihn tief beschäftigte, worüber er aber mit ihr noch nicht bereit war zu reden. Vielleicht würde er ja etwas entspannen, wenn sie erst zu Hause waren und sie sich um ihn kümmern konnte. Trotz allem froh darüber, dass er endlich und vor allem beinahe gesund wieder bei ihr war, machte sie sich zum Fuhrpark auf, um mit dem Jeep nach Hause zu fahren. „Wie lange meinst Du, kannst Du Robin aus dem Weg gehen, bis sie von alleine darauf kommt, dass etwas nicht stimmt?“ Saber sah seinen Freund musternd von der Seite an, während sie eiligen Schrittes die Gänge des Oberkommandos durchquerten. Beiden war daran gelegen, dieses Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen, um endlich etwas Abstand von den Wirren der letzten Tage zu bekommen. Colt reagierte überhaupt nicht auf diese Frage. Sein Kopf war stur geradeaus gerichtet, so als befände sich sein Gehirn noch in der Phantomzone und auf seinem Gesicht verzog sich keine Miene. Übellaunig gab der Säbelschwinger ein leises Schnauben von sich: „Ich weiß genau, dass Du mich gehört hast, Colt!“ „Hm…“ grunzte der Cowboy nicht weniger ungehalten zurück. Dabei beließ Saber es vorerst, denn er hoffte, sein Freund würde irgendwann ganz von selbst sein Schweigen brechen und ihm endlich reinen Wein einschenken. Schweigend überquerten sie das Rollfeld und hielten auf den demolierten Rumpf von Ramrod zu, an dem schon mehrere Tech-Einheiten die Reparaturarbeiten aufgenommen hatten. Mindestens ein Dutzend schwer beschädigter Panzerplatten waren bereits demontiert worden und an allen Ecken und Enden sprühten Funken von Schweißbrennern und anderen Wartungsgeräten. „Sieht wirklich übel aus, ein Wunder eigentlich, dass die Kiste nicht auseinander gefallen ist!“ Colt hatte beim Anblick ihres Schlachtschiffes den Hut vom Kopf genommen und ließ ihn nun nervös auf dem rechten Zeigefinger kreisen. Vielleicht, durchfuhr es ihn kurzweilig, wäre es gar nicht so schlecht gewesen, wenn genau das passiert wäre. Auf jeden Fall hätte es ihm eine Menge Ärger erspart. Andererseits war es doch ziemlich feige, den Problemen auf so plumpe Weise ausweichen zu wollen. Saber nickte unmerklich. Auch ihm war bei dem traurigen Bild, das Ramrod bot, eine Gänsehaut über die Arme gelaufen und er fragte sich zum wiederholten Male, an welchem Punkt ihres Auftrags er wohl die alles entscheidende verhängnisvolle Fehlentscheidung getroffen hatte, die zu diesem Debakel geführt hatte: „Ich muss gestehen, dass ich froh darüber bin, dass April nicht hier ist. Ich glaube, ich könnte ihr im Moment nicht in die Augen sehen!“ Soviel Offenheit rührte den Cowboy und er boxte Saber kameradschaftlich den Arm: „Hör auf, Dich mit Selbstvorwürfen zu quälen, das macht Fireball auch nicht wieder lebendig. Aber mich würde schon interessieren, wie es April geht. Ist sicherlich ziemlich am Ende, die Kleine.“ Ramrods Rampe stand nach wie vor offen, wahrscheinlich hatten sich auch im Inneren des Roboters schon Mechaniker an die Arbeit begeben, und das Förderband wurde durch das Gewicht der beiden Star Sheriffs neu aktiviert. Die Berührungssensoren registrierten den Punkt, an dem sie die Rampe betreten hatten und der Zentralcomputer startete automatisch den Bordingmechanismus, der dafür sorgte, dass das Band sie vom Boden hinauf in den Rumpf des Schiffes beförderte. Das Licht im Hangar brannte bereits, als sie dort eintrafen, ein weiteres Indiz für die Anwesenheit von Tech-Einheiten. Steed stand nervös mit dem rechten Vorderhuf scharrend in seiner Box und wartete darauf, seinem Gefängnis endlich entkommen zu können. „Ist ja gut mein Junge!“ der Highlander klopfte beruhigend gegen die blecherne Flanke des Mecha-Pferdes, woraufhin Colt die Augen verdrehte und seinem Freund einen Vogel zeigte: „Wann siehst Du endlich ein, dass diese Blechbüchse nur ein Haufen aus Bolzen und Nieten ist?“ er war bei seinem Bronco Buster stehen geblieben und entfernte die Sicherheitsbügel vom Kanzeldach des Gleiters. Unweigerlich fiel sein Blick auf die leere Stellfläche, an der normaler Weise Fireballs Red Fury Racer gestanden hatte. Das einzige, was noch an den Boliden erinnerte, war der Gummiabrieb der Reifen, der sich im Laufe der Zeit auf dem Metallboden abgesetzt hatte. Das monotone Klopfen und Hämmern der Techniker bot eine gespenstische Untermalung zu diesem traurigen Bild: „Meinst Du, es wäre klug, April einen Besuch abzustatten?“ er warf einen Blick auf seinen Chronometer; es war erst kurz nach 18 Uhr. „Irgendwann werden wir es sowieso tun müssen“, Saber ließ von Steed ab und trat mit ernster Miene zum Bronco Buster herüber, „aber Du solltest erst mal Deine eigenen Probleme in den Griff bekommen, bevor Du versuchst, die von April zu lösen!“ Wieder tat der Cowboy so, als hätte er die Worte seines Anführers nicht gehört und öffnete per Knopfdruck an seinem Communicator das Kanzeldach seines Jets: „Ich denke, ich werde vielleicht mal morgen früh bei ihr vorbei schauen.“ Bevor er sich ins Cockpit schwingen konnte, hatte Saber den Sturkopf an den Schultern gepackt und zu sich herum gedreht. „Was?“ fauchte Colt gereizt und wand sich aggressiv aus dem Griff des Schotten. Er wusste genau, was nun kommen würde, war aber nicht erpicht darauf, es auch tatsächlich zu hören. „Glaubst Du wirklich, ich weiß nicht, was los ist“, Sabers Stimme blieb ruhig, aber seine Augen verrieten die Sorgen, die er sich um den Freund machte, „ich bin doch nicht blind, Colt. Ich habe doch gesehen, wie Ihr zwei Euch während des gesamten Fluges angeschmachtet habt, wie zwei mondsüchtige Wölfe.“ „Red keinen Blödsinn“, ungehalten stieg Colt in seinen Pilotensessel und startete die Triebwerke, „das Thema ist abgehakt!“ brüllte er über das Kreischen der Turbinen hinweg. Dann schloss sich das Kanzeldach und mit trommelfellzerreißendem Donnern war der Bronco Buster aus der Ladeluke des Schiffes hinaus ins Freie geschossen. Hilflos schüttelte Saber den Kopf. Er glaubte zu wissen, welcher Kampf in Colts Kopf und vor allem in seinem Herzen tobte, und er fühlte sich noch immer für ihn und sein Tun verantwortlich. So wie er das sah, steuerte der Cowboy geradewegs auf die nächste Katastrophe zu. Es wurde Zeit, dass König Jared samt Sohnemann und Christa zurück nach Jarre abreisten, um ihrer aller Frieden willen. „Na komm, Junge, dann wollen wir mal nach Hause!“ müde wollte er sich seinen Helm überstülpen, als er stutzig aufhorchte. In die stetigen Geräusche, die die Techs verursachten, hatte sich noch etwas anderes gemischt, das er nicht klar identifizieren konnte. Es klang beinahe wie… Saber schluckte angespannt. Das waren eindeutig Laserschüsse und Raketenexplosionen, nur so leise, dass man sie kaum wahrnahm. Wurde der Raumhafen etwa angegriffen? In dem Fall hätten die Mechaniker wohl kaum in aller Seelenruhe ihre Arbeit an Ramrod fortgesetzt und es hätte sicherlich längst Alarm gegeben. Aber der Säbelschwinger war sich sicher, das hohe Zischen von Laserkanonen und die Detonationen von Raketenlafetten und Granatwerfern zu hören. Und sie kamen auch nicht von draußen. Saber konzentrierte sich, versuchte, alle Sinne auf diese unerklärlichen Geräusche zu fokussieren. Sie kamen aus dem oberen Deck, in dem sich die Quartiere und die Kommandobrücke befanden. Er nahm die Beine in die Hand und eilte die Treppen zum A-Deck hinauf. Mit jedem Schritt, den er in Richtung der Unterkünfte machte, wurden die Geräusche lauter und klarer. Jetzt mischten sich auch Wortfetzen in den Kampfeslärm. Anfangs verzerrt und durch das Tosen der Waffen übertönt, aber als er in den Flur einbog, der an den Wohnräumen vorbei zum Cockpit führte, schnappte er unverkennbar Colts Stimme auf, die panisch rief: „Dort hinten ist er. Dieser stinkende Renegade hat ihn genau im Fadenkreuz!“ „Mach schon, Christa“, donnerte seine eigene Stimme durch den Gang, „leg einen Schritt zu!“ „Ich tu ja schon, was ich kann.“ das war Christa gewesen. Saber blieb wie angewurzelt stehen. Die Blackbox! Jemand musste in Ramrods Kontrollraum eingedrungen sein und spielte nun die Aufzeichnung ihres Kampfes gegen die Outrider ab, die automatisch von Kameras und Mikrofonen mitgeschnitten worden waren. „Oh mein Gott…“ das war wieder seine eigene Stimme und der Schotte fröstelte, als er sich daran erinnerte, was er in dem Moment gefühlt hatte, als ihm diese Worte über die Lippen gerutscht waren. Geradezu angsterfüllt wartete er auf den markerschütternden Schrei des Cowboys, der nur Sekunden später die Luft erzittern ließ. Das war der Moment gewesen, in dem die tödlichen Laserkanonen ihr Feuer auf den wehrlosen und bewegungsunfähigen Red Fury eröffnet hatten. Der Moment, in dem Fireball gestorben war. Von dunkler Vorahnung getrieben, zwang sich Saber die Treppe zum Feuerleitstand hinauf. Die Geräusche waren verstummt und nur das Werken der Mechaniker war wieder zu hören. Das erste, was der Schotte beim Eintreffen auf der Brücke sah, war der heruntergefahrene Monitor neben Fireballs Satteleinheit. Er zeigte ein Standbild des zerstörten Red Fury Racers, der brennend und qualmend zu den Füßen des feuerroten Renegades lag. Und dann entdeckte er sie. „April?“ Erschrocken fuhr die blonde Frau, die seitlich auf dem Rand von Sabers Satteleinheit gesessen hatte, zu ihm herum. Ihr Gesicht das Abbild einer schaurigen Totenmaske, blass und fahl, mit tief in den Höhlen liegenden Augen und bleichen Lippen, die zu einem stummen Schrei geöffnet waren. Ganz langsam, beinahe gespenstisch, erhob sie sich und kam mit schlurfenden Schritten und anklagendem Blick auf ihren Freund zu. „April!“ wiederholte Saber erstickt, eilte ihr entgegen und schloss fest die Arme um den schlanken, zitternden Körper. Es brach ihm das Herz, diese wunderschöne junge Frau in einem Zustand solch seelischen Leidens sehen zu müssen. Er legte ihr sanft einen Arm um den Rücken, während er mit der Hand des anderen Arms beruhigend über ihre Haare strich: „Das hättest Du Dir nicht ansehen sollen, Kleines!“ April, die den Trost des Freundes zuerst teilnahmslos hingenommen hatte, versteifte sich plötzlich in seinen Armen und schob ihn schließlich sogar von sich weg. Aus der Nähe erkannte Saber die Wut und den Hass in ihren Augen und er schluckte schwer. Er hatte gewusst, dass Fireballs Tod sie hart treffen würde, aber diese Frau, die hier mit diesem tränenlosen, verletzten Blick vor ihm stand, war nicht mehr die April die er gekannt hatte. „Was hatte er da draußen zu suchen“, ihre Stimme war kalt und geißelnd, „wie konntest Du zulassen, dass er sich mit seinem Wagen einer solchen Übermacht an Gegnern stellt?“ sie wich einen Schritt zurück, als er verzweifelt versuchte, sie erneut in die Arme zu schließen. „April, ich…“ seine Hände griffen ins Leere und er verstand sofort, „ich habe ihm gesagt, er soll an Bord bleiben, weil es für den Red Fury viel zu gefährlich war…“ „Und trotzdem war er da draußen“, schnitt sie ihm das Wort ab und deutete hinter sich auf den Monitor, „Du hast ihn gehen lassen, obwohl Du wusstest, dass es für ihn ein Himmelfahrtskommando werden würde. Und dann hast Du ihn einfach seinem Schicksal überlassen!“ Das war ein schwer lastender Vorwurf, den der Schotte nur zu gerne entkräftet hätte, aber ihm fehlten einfach die Worte. Er hatte sich zwar immer ausgemalt, wie emotional April reagieren würde, wenn er ihr die Geschichte von Fireballs Tod erzählte. Aber er hatte nie ernsthaft geglaubt, dass sie ihm deswegen Vorwürfe machen würde. „Du hast ihn umgebracht, Saber“, sie stach ihm ihr eisiges spitzes Flüstern direkt ins Herz, „ich hoffe, Du bist Stolz darauf, großer Anführer!“ sie bedachte ihn mit einem weiteren verächtlichen Blick und eilte dann an ihm vorbei zum Ausgang. „April…“ niedergeschmettert musste Saber an Aprils Satteleinheit Halt suchen, bevor ihm die Beine schockbedingt den Dienst versagten. Er hätte ihr nachrennen müssen, denn in ihrem momentanen Zustand stellte sie eine Gefahr für sich selbst und andere dar, aber er konnte einfach nicht. Ihr blinder Hass, war das letzte Quäntchen gewesen, das zur völligen Zerstörung seines sowieso desolaten Selbstwertgefühls noch gefehlt hatte. Verzweifelt ließ er sich auf ihren Sitz fallen und verbarg das Gesicht hinter den Händen. Die Star Sheriffs, die glänzendste und erfolgreichste Truppe des neuen Grenzlandes lag wie ein Haufen Scherben zerstört am Boden. Und er war derjenige gewesen, der sie durch Ignoranz und Selbstherrlichkeit zerschlagen hatte! Kapitel 15: Bettgeflüster ------------------------- Bettgeflüster Colt hatte sich bereits vor neun Uhr mit Kopfschmerzen bei Robin entschuldigt und war ohne Umschweife zu Bett gegangen. Sie war einfach großartig, dass musste der Cowboy seiner Frau ja wirklich lassen. Sie hatte ihm sein Lieblingsessen gebraten, Angus-Steak mit Bohnen und Kartoffel-Wedges, und war dann einfach ruhig neben ihm sitzen geblieben und hatte stumm beobachtet, wie er sich eine volle Gabel nach der anderen in den Mund geschaufelt hatte. Sie hatte ihm keine lästigen Fragen gestellt, oder ihn bedrängt, von den Geschehnissen zu berichten, sondern war einfach nur bei ihm geblieben und hatte ihn immer wieder tröstend in die Arme geschlossen oder hatte ihm gesagt, wie froh sie war, dass er wieder bei ihr war. Und trotzdem hatte Colt das Gefühl gehabt, von ihrer Gegenwart geradezu erdrückt zu werden. Wie gerne hätte er sich einfach ihrer Zärtlichkeit hingegeben und seinem schweren Herzen Luft gemacht, aber je länger sie beisammen saßen und sie ihm diese liebevollen Blicke zuwarf, desto größer wurde sein Bedürfnis nach Ruhe und Einsamkeit. Mochte Robin auch noch so verständnisvoll sein, sie wusste nicht, wie es an Bord von Ramrod gewesen war und wie schmerzlich der Verlust von Fireball sie alle getroffen hatte. Sie konnte nicht verstehen, was es hieß, um das eigene Leben zu kämpfen und dann einen guten Freund sterben zu sehen. Es gab nur zwei Menschen, die er im Moment in seiner Nähe ertragen hätte, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Christa oder Saber noch auf einen Besuch vorbeigeschneit kamen, war mehr als nur gering. Colt fühlte sich unwohl, weil er Robin durch sein Verhalten so rüde von sich gestoßen hatte, aber immerhin war er nicht noch auf eine kleine Spritztour mit dem Bronco gegangen, so wie er es für gewöhnlich tat, wenn ihn die häusliche Gemeinschaft zu sehr belastete, sondern war nur frühzeitig in die Federn geschlüpft. Wie er seine Frau kannte, würde sie auch dafür noch ein gebührendes Maß an Verständnis aufbringen und ihn am nächsten Morgen umso reichlicher mit einem erstklassigen Frühstück umsorgen. Draußen vor der Schlafzimmertür näherten sich gedämpfte Schritte und Colt befand, dass es das Beste war, sich bereits schlafend zu stellen. Das würde ihnen ein erneutes peinliches Anschweigen ersparen und außerdem war Robin sicherlich froh, nach den nervenaufreibenden letzten Tagen endlich mal wieder zur Ruhe zu kommen. Dem Cowboy war nicht entgangen, dass sie vor Sorge das eine oder andere Kilo abgenommen hatte und ihre Gesichtszüge ein eindeutiges Maß an Schlafdefizit zur Schau trugen. Durch ihre sowieso zartgliedrige Figur wirkte sie nun kränklich angeschlagen und ein wenig erholsamer Schlafe würde ihr gut tun. Colt drehte sich abweisend mit dem Rücken zur Tür und wartete gebannt, bis diese endlich aufging und Robin im Dunkeln hereingehuscht kam: „Colt, bist Du noch wach?“ flüsterte sie vorsichtig, um ihn ja nicht zu wecken, falls er tatsächlich schon schlief. Ein unverständliches Brummen erschien dem Cowboy die richtige Alternative für eine Antwort zu sein. Damit konnte er anzeigen, dass er zwar noch nicht dem Tiefschlaf anheim gefallen war, aber immerhin schon irgendwo zwischen Träumen und Wachen schwebte. Robin zumindest schien diese Antwort als ein „Nein“ aufzufassen. Sie beeilte sich, ihren Rock und ihre Bluse fein säuberlich zusammen gefaltet auf einen Stuhl zu legen, bevor sie sich ihr Baumwollnachthemd überstreifte und zu ihm ins Bett gekrochen kam. Fast schüchtern nach der langen Zeit der Trennung drängte sie ihren zierlichen Körper von hinten an seinen breiten Rücken und legte liebkosend den linken Arm um seine Taille. Dabei bemerkte sie, dass Colt sein T-Shirt angelassen hatte. Solange sie sich erinnern konnte, war Colt immer nur mit einer Boxershorts bekleidet schlafen gegangen, weil er einer von den Typen Mensch war, die schon bei knappen 15° im Schlafzimmer ins Schwitzen gerieten. Mitleidig schob sie ihre Hand unter das Shirt und ließ sie innig über die straff gespannte Haut seines Rückens gleiten. Als sie dabei auf mehrere verkrustete Striemen stieß, atmete sie erschrocken ein. Bevor sie die Verletzungen jedoch genauer mit den Fingern betasten konnte, drehte sich Colt plötzlich zu ihr um und funkelte sie ungehalten an: „Hör auf damit!“ als er die Besorgnis in ihren Augen sah, bereute er seine ungehaltene Reaktion sogleich und seine Züge entspannten sich wieder. „Tut mir leid“, Robin schmiegte sich warm an seine Brust, „ich dachte, Du würdest schon schlafen.“ Sie war ein wenig eingeschüchtert, weil der Cowboy sie so unvermittelt und grundlos angefahren hatte. „Nein, mir tut es leid“, etwas widerwillig legte er seinen Arm um Robins Schultern und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, „ich bin im Moment einfach noch nicht ganz auf der Höhe!“ „Das kann ich doch verstehen“, mitfühlend nickte seine Frau, „stammen die Verletzungen an Deinem Rücken auch von der Schlacht?“ Colt fühlte sich zunehmen unwohl in seiner Haut. Nervös rutschte er auf der Matratze herum und schob sein Kissen so zurechte, dass Robin keine Möglichkeit mehr hatte, noch einmal unter seinem T-Shirt auf Erkundungstour zu gehen: „Na, ja, sicherlich nicht vom Hallen-Jojo, soviel ist sicher!“ Das war zwar keine direkte Lüge gewesen, aber der Star Sheriff fühlte sich trotzdem hundeelend. Es war wahrscheinlich das erste von vielen unzähligen Malen gewesen, dass er Robin vorsätzlich die Wahrheit verschwiegen hatte und er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss und diesen binnen weniger Sekunden in eine leuchtende Signallaterne verwandelte. „Entschuldige die blöde Frage“, entweder hatte sie die überreife Gesichtsfarbe nicht bemerkt, oder sie schob sie auf die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse, „ich kann es irgendwie noch gar nicht fassen, dass Fireball… nicht mehr wieder kommt.“ „Ja, geht mir genauso“, Christas raubtierartige Markierungen auf seinem Körper waren vergessen, „ich hätte nie für möglich gehalten, dass es irgendwann mal einen von uns erwischen würde.“ Er erinnerte sich mit erschreckender Präzision an die letzten Sekunden, bevor der Renegade das Feuer auf den Red Fury eröffnet hatte. Nachdem sie die anderen beiden Mechs zu Konserven verarbeitet hatten, hatte Christa Ramrod die Sporen gegeben, damit sie schnellstmöglich zu Fireball aufschließen konnten. Beinahe wären sie sogar an der Schlucht vorbei gerannt, in dem der makabere Showdown um das Leben des Rennfahrers stattgefunden hatte. Nur durch ziemlich tiefe Reifenspuren im Sand – Fireball musste seinen Red Fury mit angezogener Handbremse zum Wenden gebracht haben – waren sie auf die Kluft zwischen den Felsen aufmerksam geworden. Aber sie waren zu spät gekommen. Als sie den Renegade und sein geschlagenes Opfer am Boden entdeckten, hatte der Pilot des Mechs bereits seine Laserkanonen auf den Boliden gerichtet. Sie waren dazu verdammt gewesen, dem traurigen Schicksal des Freundes beizuwohnen. „War es… so wie Saber erzählt hat?“ Robin fröstelte leicht und schloss in stiller Trauer die Augen. Sie gedachte des gemeinsamen Freundes, von dem sie sich nicht einmal vor dem Abflug hatte verabschieden können. Das letzte Mal, dass sie das jüngste Mitglied der Star Sheriffs gesehen hatte, war an jenem Abend gewesen, als er niedergeschlagen vor ihrer Haustür gestanden und um Asyl gebeten hatte. Colt bemerkte ihr Zittern und zog sie ein wenig fester zu sich heran. Er wusste, dass Robin den Rennfahrer gemocht hatte, auch wenn sie der Verlust nicht annähernd so hart traf, wie ihn selbst. Er würde stark sein müssen, für diese unglaublich liebevolle und einfühlsame Frau, die jetzt seines Schutzes bedurfte: „Nein“, flüsterte er zögernd und legte seinen Kopf versonnen auf ihren Scheitel, „eigentlich war es noch viel schlimmer. Sie haben ihn abgeknallt wie einen räudigen Coyoten, dem man zuvor alle Beine gebrochen hat.“ „Oh Colt, bitte hör auf“, Robin schluchzte leise auf, „das ist alles so furchtbar. April wird gar nicht wieder zu sich kommen, wenn sie hört, wie Fireball…“ ihre Stimme brach kraftlos ab. „Wie geht es ihr denn überhaupt? Ich hatte gehofft, sie bei der Landung zu sehen.“ Colt wusste nicht so genau, ob das wirklich stimmte. Eigentlich war er genau wie Saber froh gewesen, dass ihre Freundin sich nicht auf dem Raumhafen hatte blicken lassen, denn so war ihnen allen wenigstens kurzzeitig Aufschub für ihre schlimmste Aufgabe gewährt worden. Nämlich tatsächlich April zu berichten, wie ihr Verlobter ums Leben gekommen war. Aber es wäre ihm auch ein unheimlicher Trost gewesen, die junge Blondine einfach nur in die Arme zu schließen und seinem Schmerz freien Lauf zu lassen. Das war eine Sache, die er weder bei Christa oder Saber, noch bei seiner Frau zu tun vermochte. Robin fuhr sich erschöpft über die Augen: „Gar nicht gut. Direkt nachdem Saber die fürchterliche Nachricht überbracht hatte, ist sie zusammen gebrochen.“ „Ja, das hat uns die Kontrolloffizierin vor der Landung gesagt. Ich hatte schon befürchtet, dass sie es so schlecht aufnehmen würde.“ Versonnen überlegte der Cowboy, wie er wohl reagieren würde, wenn man ihm vom plötzlichen Tod seiner Frau erzählte. „Schlecht ist kein Ausdruck. Nachdem man sie aus dem Krankenflügel entlassen hatte…“ „Wie, sie war sogar in stationärer Behandlung?“ Etwas verstimmt, weil Colt ihr ständig ins Wort fiel, legte Robin ihm zischend einen Finger auf die Lippen: „Nur zur Beobachtung. Am nächsten Tag ist sie dann plötzlich verschwunden gewesen, hat sich sozusagen selber entlassen. Commander Eagle hat mich kurz nach ihrem Kollaps über die Situation informiert und mich gebeten, dass ich mich ein wenig um sie kümmere. Nicht, dass ich das nicht sowieso getan hätte“, sie ließ ihren Finger sanft über das Kinn des Cowboys hinunter bis zu seinem Hals wandern, wo sie ihn gedankenverloren verharren ließ, „ich habe immer wieder versucht sie anzurufen, weil ich dachte, sie würde vielleicht vorerst keinen Besuch empfangen wollen. Aber als sie nie rangegangen ist, bin ich dann doch bei ihr vorbei gefahren. Sie sah fürchterlich mitgenommen aus, hat sich aber einfach nicht von mir trösten lassen wollen. Ich durfte sie nicht anfassen und Fireball mit keinem Sterbenswörtchen erwähnen. Sie kam mir beinahe vor wie ein Zombie. Weißt Du, sie hat nicht einmal geweint…“ So unvorstellbar das für Robin sein mochte, so natürlich klang diese Feststellung in Colts Ohren. April war und blieb eben ein Star Sheriff, und Star Sheriffs trauerten einsam! Das hatten die letzten fünf Tage an Bord von Ramrod bewiesen. Nur einmal hatte er seinen Tränen freien Lauf gelassen, und das war direkt nach dem schrecklichen Verlust gewesen, als er die Wut und die Trauer einfach nicht hatte unterdrücken können. Danach hatte er stets zugesehen, dass weder Saber noch Christa all zuviel von seinen Gefühlen bemerkten, genauso, wie sie es im Gegenzug auch getan hatten. Über Fireballs Tod zu reden hieß, diesen zu akzeptieren und das konnte wohl keiner von ihnen so richtig: „Warum war sie nicht beim Raumhafen?“ „Kannst Du Dir das nicht denken?“ Robin schnaubte missbilligend. Eines von diesen ‚das ist mal wieder typisch Mann’ Schnauben, die Colt so hasste. Aber bislang hatte er die immer nur von April zu hören bekommen, an seiner Frau waren sie ihm zumindest nie vorher aufgefallen. „Nein, kann ich nicht, und ehrlich gesagt habe ich auch keine große Lust auf Ratespielchen!“ wie viel schöner war es doch gewesen, als sie ihn mit ihren Fragen in Ruhe gelassen und sich um den Abwasch oder was auch immer gekümmert hatte. Aber er hatte ja gewusst, dass sie irgendwann versuchen würde, ihn wie eine Hobbypsychologin auf ihre Couch zu zerren. „Habe ich Dir eigentlich irgendetwas getan?“ offensichtlich hatten auch Robins Nerven Grenzen. Zerknirscht nahm der Cowboy zur Kenntnis, dass er sie soeben erreicht hatte. Wieso konnte er nicht ein wenig netter zu ihr sein? Sie hatte nun wirklich am allerwenigsten Schuld am Tod seines Freundes und versuchte doch schließlich nur, ihn ein wenig aufzumuntern. Und er tat die ganze Zeit nichts anderes, als sie dumm anzublaffen. Versöhnlich wie ein kleiner Hund, der verbotener Weise aus der Toilette getrunken hatte, stupste er mit seiner Nase gegen ihr rechtes Ohr: „Hör nicht auf mein dummes Geschwätz, Süße. Gib mir einfach ein bisschen Zeit, um wieder der alte zu werden, ja“, dann gab er ihr einen abschließenden Kuss auf die Nasenspitze und drehte sich wieder auf die Seite, „schlaf gut!“ Er hörte Robins leicht erregten Atem und wusste, auch wenn er sie nicht sehen konnte, dass sie ihn musternd anstarrte. Vielleicht, wenn er sie einfach ignorierte und sich schlafend stellte, würde sie irgendwann von ihm ablassen und selber versuchen zu schlafen. „Colt, es gibt da noch etwas, worüber ich mit Dir reden muss.“ Soviel zu diesem Thema. „Kann das nicht bis morgen warten, Robin?“ „Nein, es ist wichtig!“ dem leichten Nachdruck in ihren Worten nach zu schließen musste es das wohl sein. Also rollte sich der Cowboy bemüht bereitwillig wieder zu seiner Frau herum und musterte sie fragend: „Was gibt es denn so dringendes, hm?“ Robin zögerte und wich seinem Blick aus: „Du musst mir aber versprechen, dass Du mich erst zuende reden lässt, bevor Du mir ins Wort fällst, ja?“ sie drehte sich ebenfalls zur Seite und schob ihren Körper so nah an seinen heran, dass ihre Hüften gegen sein Becken stießen. Wie selbstverständlich bettete sie ihren Kopf auf seinen ausgestreckten Arm und wartete scheinbar darauf, dass Colt von hinten den anderen um sie legte. Widerstrebend tat der Cowboy seiner Liebsten den Gefallen, auch wenn ihm der Sinn im Moment wirklich nicht nach Zärtlichkeiten stand. Besonders nicht nach so einer Einleitung. Da zwängte sie ihm förmlich ein Gespräch auf und tat dann auch noch so, als würde sie nur unter argem Protest mit ihm reden wollen. Die Frauen sollte mal einer verstehen. Ergeben schob er also seinen freien Arm um ihre schmalen Hüften, herrje, sie war wirklich dünn geworden, und ließ den Kopf direkt hinter ihrem auf das Kissen sinken: „Nun fang schon an, wenn Du nicht willst, dass ich mittendrin einschlafe.“ Robin räusperte sich nervös und kuschelte sich noch ein wenig näher an den warmen Körper ihres Mannes heran: „Weißt Du, Colt, ich hatte die letzten Tage viel Zeit zum Nachdenken. Über diese Mission und über Deine Arbeit als Star Sheriff.“ Sie hielt kurz inne und wartete ab, ob Colt etwas erwidern würde, aber er bliebt still hinter ihr liegen und lauschte gebannt auf das, was noch kommen mochte: „Ich meine, ich weiß ja, was für einen wichtigen und ehrenvollen Job Ihr habt, und ich weiß auch, dass Du diesen Job liebst. Aber Fireballs Tod…“ hier spürte sie ein kurzes Zucken, dass durch den Körper des Cowboys schoss, „hat mir einmal wieder vor Augen geführt, in was für Gefahren Ihr Euch jedes Mal aufs Neue begebt. Du wärst auf dieser Mission beinahe selber gestorben, Colt. Und Du hast auch selber zugegeben, dass Du Dir niemals hättest vorstellen können, dass einem von Euch ernsthaft etwas passiert. Ich möchte nicht so wie April eines Tages die Botschaft übermittelt bekommen, dass mein Mann im Gefecht gefallen ist!“ Colt verkniff sich den wenig angebrachten Kommentar, dass Fireball und April doch noch gar nicht verheiratet gewesen waren und hielt weiterhin den Mund. „Die letzten Tage waren wirklich die Hölle für mich und ich weiß nicht, ob ich so weitermachen kann!“ „Sag mal“, Robin bemerkte, dass Colt sein Gesicht ganz nah an ihren Hinterkopf geschoben hatte und tief einatmete, „womit wäschst Du eigentlich Deine Haare?“ Die junge Frau glaubte, sich verhört zu haben: „Wie bitte?“ hatte der Cowboy überhaupt verstanden, was sie gerade versuchte, ihm hier zu erklären? „Na, Deine Haare. Sie riechen irgendwie nach“, er überlegte kurz, um dann mit gerümpfter Nase zu murmeln, „Gras oder so!“ „Meine Güte, Colt, was ist nur los mit Dir? Du hast Dich völlig verändert auf dieser Reise!“ Unmut begann sich in Colts Unterbewusstsein zu regen: „Du sagst das so, als hätten wir lediglich eine kleine Vergnügungsfahrt gemacht!“ „Entschuldige bitte“, mit einem Mal brach sich ein ganzer Staudamm gebündelter Wut seine Bahn und Robin explodierte förmlich, „Du bist seit Deiner Rückkehr wie zugeknöpft, pampst mich wegen jeder Kleinigkeit an und sagst mir dann allen Ernstes, meine Haare würde nach Gras riechen, während ich gerade versuche Dir zu erklären…“ „Entschuldige DU bitte, dass ich Dir nicht freudestrahlend ein paar Blumen und Pralinen mitgebracht habe“, nun sah auch Colt keine Veranlassung mehr, seinen Unmut weiter zu unterdrücken. Sollte sie ruhig hören, was in ihm vorging, „ich habe mit eigenen Augen ansehen müssen, wie mein bester Freund von so einem beschissenen Outrider zu Schaschlik verarbeitet worden ist, da wird es ja wohl erlaubt sein, ein wenig die Mundwinkel hängen zu lassen.“ „Das ist trotzdem kein Grund, mich ständig so anzuranzen!“ ereiferte sich Robin und rückte unwillkürlich ein Stückchen vom Körper des Cowboys ab. Das kam diesem nur gerade recht: „Verdammt, ich bin einfach mit der Gesamtsituation unzufrieden!“ „Vielleicht wäre es dann besser, wenn wir uns morgen weiter unterhalten“ Robin krabbelte wütend auf ihre Seite des Bettes hinüber, „im Moment hat es ja eh keinen Zweck mit Dir zu reden!“ „Fein“, griffig schlug Colt die Bettdecke zurück, sprang auf und rannte wie ein aufgeschreckter Hühnerhund zur Tür, „ich schlafe auf dem Sofa!“ umsichtiger Weise ließ er die Tür nicht krachend hinter sich ins Schloss fallen, wie er es gerne getan hätte, sondern schloss sie beinahe lautlos, um Josh nicht zu wecken, der sein Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Flures hatte. Erst als er die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht hatte, viel ihm ein, dass Josh ja gar nicht im Haus, sondern bei einem Onkel in der Stadt war. Robin hatte ihn vor zwei Tagen dorthin gebracht, weil der Kleine die Spannung in ihren vier Wänden einfach nicht mehr ertragen hatte und ständig wie ein aufgeputschter Zwerg durch die Gegend gehüpft war. Ungehalten vor sich hinplappernd stieg er die die letzten Stufen der Holztreppe in die Diele hinunter, von wo aus er direkt ins gemütliche Wohnzimmer gelangte. Zwei Feuerscheite verglommen friedlich im Kaminofen – es konnte jetzt abends schon empfindlich kalt hier draußen werden – und tauchten das Zimmer in ein warmes Dämmerlicht. „Du hast Dich völlig verändert auf dieser Reise“, äffte er aggressiv Robins Worte nach, während er sich eine der Patchworkdecken schnappte, die seine Frau über das ganze Zimmer verteilt hatte, und es sich damit auf der karierten Couch bequem machte, „die hat doch überhaupt keine Ahnung!“ Wenn hier jemand komisch war, dann doch wohl Robin. Wieso flippte sie so aus, nur weil er sie danach gefragt hatte, womit sie ihre Haare wusch. Jede normale Frau wäre doch glücklich gewesen, wenn der eigene Mann mal soviel Interesse an den Kosmetikprodukten seiner Angetrauten gezeigt hätte. Aber wie konnte er von Robin die Reaktion einer normalen Frau erwarten, wenn sie sich doch für gewöhnlich auch nie wie eine verhielt. Sie legte eben keinen Wert auf so schnöde Dinge wie gut duftende Haare oder Kleidung, die zur Abwechslung mal die Figur sexy zur Geltung brachten. Wie ein Geist, den er durch seine grimmigen Worte heraufbeschworen hatte, tauchte ein Bild von Christa vor seinen Augen auf. Wie sie dastand, lässig an Aprils Satteleinheit gelehnt, die Haare provozierend in den Nacken geworfen und den attraktiven Körper mit ihrem sexy Body bestückt. Sie war so vollkommen anders als Robin. Wieso hatte es da überhaupt passieren können, dass er sich, nun, auf irgendeine Art und Weise von ihr angesprochen gefühlt hatte? Sein Gehirn begann mit der Ausschüttung eines riesigen Kessels voller Hormone, als sich der Cowboy an die kleine Szene im Waschraum Ramrods erinnerte. Augenblicklich begann sich das schlechte Gewissen in ihm zu regen und er fing an, sein gemeines Verhalten gegenüber Robin zu bereuen. Immerhin war er es doch gewesen, der sie hintergangen hatte, welches Recht stand ihm dann also jetzt zu, ihr Vorwürfe wegen ihrer durchaus begründeten Besorgnis zu machen? Sie hatte sich so bemüht, ihm Geborgenheit und Trost zu geben und er hatte jede noch so kleine Gelegenheit am Schopfe gepackt, um Zwietracht zwischen ihnen beiden zu sähen. Was für eine armselige Ausgabe von Ehemann war er bloß? Seine Frau hatte alleine mit ihrem kleinen Bruder zu Hause gesessen und sich um ihn zu Tode geängstigt, während er irgendwo im Nirgendwo einer kessen Rothaarigen nachgejagt war. Dieses törichte Verhalten war absolut nicht zu entschuldigen oder zu tolerieren. Wenn er ein ganzer Mann war, dann würde er gefälligst wieder hoch zu dieser anbetungswürdigen Frau gehen und sich auf Knien bei ihr für sein ungebührliches Verhalten entschuldigen! Schweren Herzens rappelte Colt sich also wieder auf und hievte sich deprimiert die zehn Stufen der Treppe hoch. Zwischen der Erkenntnis, wie ein perfekter Plan zu funktionieren hatte und der endlichen Ausführung lagen manchmal ganze Welten. Gegen zehn Uhr abends hatte es angefangen zu regnen. Mal wieder. Seit die Star Sheriffs vor anderthalb Wochen den Planeten Yuma verlassen hatten, war kaum ein Tag vergangen, an dem sich die Himmelsschleusen über der Stadt nicht geöffnet hatten, um tonnenschwere Ladungen von Wassermassen über der Stadt auszuschütten. In dieser kurzen Zeit des Bangens und Flehens, des Hoffens und Verzweifelns war der Regen April ein guter Freund geworden, der sie mit stetem Klopfen an die Scheiben ihres Appartements immer wieder in eine Art Dämmerzustand gewiegt hatte und ihr kurzzeitiges Vergessen schenkte. Erst wenn sie in eine Wolldecke eingehüllt auf dem Sofa saß und den kleinen Wasserrinnsalen zuschauen konnte, die sich beharrlich ihren Weg über Fenster und Terrassentür bahnten, kam sie innerlich an einen Punkt, den man wohlwollend als Ruhe beschreiben konnte. Sicherlich hätten es andere Menschen in ihrer Situation nicht ertragen, sich still und leise ihrem Schmerz hinzugeben, sondern wären dankbar für Aufmunterung oder Gesellschaft gewesen, aber eben nicht April. Als Robin ihre Wohnung nach einer ersten nervenaufreibenden Unterhaltung wieder verlassen hatte, war April kurzerhand zu dem Entschluss gekommen, die Freundin kein weiteres Mal mehr in ihr Reich hinein zu lassen. Es tat einfach viel zu weh, ihre mitleidigen Blicke und die wohlgemeint aufrichtenden Worte zu ertragen, die alles noch viel schlimmer, ja, vielleicht sogar endgültiger machten. April wollte und konnte sich einfach noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie ihr künftiges Leben ohne Fireball würde bestreiten müssen. Und dann und wann gelang es ihr tatsächlich, in einen so tranceartigen Zustand zu verfallen, dass sie sich über diese beklemmende Tatsache hinwegtäuschen konnte. Dafür war die Rückkehr in die Realität nach diesen kleinen glücklichen Momenten umso unerträglicher und bejammernswerter. Dann warf sie sich unkontrolliert weinend aufs Bett und meinte, ihr Herz müsste jeden Moment vor Pein zerbrechen. Ihr Gesicht drückte sie dabei schluchzend in Fireballs T-Shirt, dass sie in jener Nacht ihres Streits aus dem Schrank geholt und seitdem nicht mehr gewaschen hatte, um den Geruch ihres Verlobten so lange wie möglich zu erhalten. Im Augenblick hatte sie das Shirt über ihren roten Overall gezogen und es sich im einzigen Sessel ihres Wohnzimmers bequem gemacht. In den Händen hielt sie eine Tasse heißen Tees, den sie mit sehr viel Zucker gesüßt hatte und auf dem Couchtisch vor ihr standen ein paar Sandwichs, die sie sich zum Frühstück gemacht, aber bislang noch immer nicht angerührt hatte. Die Salami- und Käsescheiben wellten sich an den Rändern bereits bedenklich und kleine glänzende Fettperlen hatten sich auf den Oberflächen abgesetzt. An die Salatblätter, die eine unappetitlich braune Färbung angenommen hatten, wollte sie lieber gar nicht denken. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie in den letzten Tagen eine vernünftige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Zumindest Hunger hatte sie seit der Com-Unterhaltung mit Saber nicht mehr verspürt und prügelte sich den einen oder anderen Bissen eher aus Selbsterhaltungstrieb als aus Appetit in den Mund. Robin, die treue Seele, hatte ihr trotz barscher Abfuhr jeden Tag eine andere Schüssel mit lecker duftenden und schmackhaft aussehenden Gerichten vor die Tür gestellt, um ihre Esslust wieder anzukurbeln. Aber diese Schüsseln standen nun unangerührt und zu einem kleinen Turm aufgestapelt in ihrer Küche. Ein Jammer um die liebevoll zubereiteten Leckerbissen! Lustlos stieß sie mit einem ihrer nackten Füße gegen den Porzellanteller, der klappernd in die Mitte des Tisches schlingerte. Was hatte es schon noch für einen Sinn zu essen? Es brachte Fireball nicht zurück und würde ihr auch nicht helfen, über den Verlust hinweg zu kommen. Mit einem tiefen Seufzer hob sie den Kragen des T-Shirts an ihre Nase und nahm einen tiefen Atemzug. Der Geruch von Fireball verflüchtigte sich von Tag zu Tag mehr und irgendwann würde auch dieses Kleidungsstück das Bild des geliebten Rennfahrers nicht mehr heraufbeschwören können. Fireball! Warum hatte es so enden müssen? Warum nur war er so unheimlich leichtsinnig gewesen und hatte sich Sabers Anweisungen wiedersetzt? Im Nachhinein tat es ihr fast leid, dass sie den Freund so unbeherrscht angeschrieen hatte, auch wenn allein der Gedanke an die furchtbaren Bilder ihre Emotionen wieder zum Kochen brachte. Wusste sie nicht von allen am besten, dass der Säbelschwinger niemals einen Befehl gegeben hätte, der einem Mitglied seines Teams geschadet oder dieses in Gefahr gebracht hätte? Weshalb sonst war sie vor dem Abflug des Teams zu ihm gegangen und hatte ihn um diesen großen Gefallen gebeten, ein Auge auf Fireball zu haben. Natürlich war es um so vieles einfacher, jemand anderem die Schuld zuzuweisen, als sich der unangenehm quälenden Frage zu stellen, was man selbst zur Abwendung von Fireballs tödlichem Schicksal hätte tun können? Müde schloss April die Augen. Nun, da ihr Verstand nicht mehr von Zorn und Schrecken vernebelt war, wusste sie nicht, ob sie Saber immer noch die Schuld an Fires Tod geben konnte, auch wenn das so wunderbar befriedigend gewesen wäre. Er hatte doch sicherlich getan, was in seiner Macht gestanden hatte und was für das Team am Besten gewesen war. Oder etwa nicht? Wieso hatte er nicht Befehl gegeben, Fireball vor der Challenge-Phase wieder an Bord zu nehmen. Er hatte doch genau gewusst, dass der Rennfahrer dies nach der Metamorphose aus eigener Anstrengung nicht mehr geschafft hätte. Gut, sie war nicht dabei gewesen und konnte deswegen auch nicht sagen, aus welcher Notlage heraus Saber seine Entscheidung getroffen hatte. Vielleicht lag auch genau hier das Problem, weswegen sie ihren ganzen Zorn mit uneingeschränktem Enthusiasmus auf den Schotten projiziert hatte. Hatte sie es nicht selber in der Hand gehalten hatte, Fireball überhaupt von dieser wahnwitzigen Mission abzuhalten. Wenn sie nur mutig genug gewesen wäre, ihm von Anfang an die Wahrheit zu erzählen, wäre er mit großer Sicherheit bei ihr geblieben und hätte die anderen Cowboy und Indianer mit den Outridern spielen lassen. Und wenn sie alle Vorsicht in den Wind geschlagen und ihren Platz an Bord von Ramrod eingenommen hätte? Trotz ihrer Selbstvorwürfe vermochte April durchaus noch realistisch zu denken. Auch wenn sie an Bord von Ramrod gewesen wäre, es hätte keinen Unterschied gemacht. Außer natürlich, dass sie zusammen mit den anderen Fireballs Ende hätte mit ansehen müssen. Und selbst die Aufzeichnungen der Blackbox waren schon so entsetzlich gewesen, dass ihr Verstand ausgesetzt und sie zu diesem unentschuldbaren Verhalten gegenüber Saber geführt hatte. Niemand sollte mit ansehen müssen, wie der Mensch starb, den man auf der Welt am meisten liebte, und schon gar nicht, wenn es auf so bestialische und brutale Art geschah. Ihr Vater hatte sie wohlweißlich gebeten, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Er meinte, es wäre besser, wenn sie versuchte, Fireball so in Erinnerung zu behalten, wie er zu Lebzeiten gewesen war. Himmel, wie das klang, zu Lebzeiten! Beinahe so, als wäre er ein Teil einer längst vergangenen Geschichte und nicht bis vor ein paar Tagen ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen, der angefüllt gewesen war mit Liebe, Hoffnung und Träumen. Eine einzelne stumme Träne lief Aprils Wange hinunter, während sie sich die viel zu heiße Tasse Tee an die kalten Lippen setzte. Sie spürte kaum, wie sie sich beim ersten Schluck die Zunge verbrühte. Was sollte sie bloß ohne Fireball tun? Bis sie ihn kennen gelernt hatte, war ihr Leben von der Arbeit und der Wissenschaft beseelt gewesen, aber der junge Mann hatte ihr gezeigt, dass es mehr gab, als Schaltkreise und Computer. Nur wie sollte sie nun, da er nicht mehr bei ihr war, auf diesem Weg alleine weitergehen? Wo würde sie Halt finden, wer würde ihr in Zeiten der Verzweiflung Trost spenden? Sie hatte ihre Freunde, ja, aber was war eine Freundschaft schon wert, wenn man sich nicht auf sie verlassen konnte? Saber hatte ihr versprochen, ihr sein Ehrenwort gegeben, dass er Fireball unversehrt zu ihr zurückbringen würde. Aber er hatte sie bitter enttäuscht. Wütend schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was zum Teufel hatte sie sich überhaupt dabei gedacht, dem Highlander ein so aberwitziges Versprechen abzunehmen? Hatte sie wirklich geglaubt, er würde Fireball einfach mit Hilfe seiner puren Willenskraft beschützen können? Es war so unheimlich töricht von ihr gewesen zu glauben, dass Saber schon dafür sorgen würde, dass alles gut ausging. Auch der Säbelschwinger stieß irgendwann an seine Grenzen. Aber, zum Teufel, er hatte es ihr doch versprochen! Er war immer der besonnenste ihres Teams gewesen, wieso hatte er seinen Verstand gerade auf dieser Mission gegen leichtsinnigen Wagemut eingetauscht und hatte damit Fireballs Leben in Gefahr gebracht? Es war unverantwortlich gewesen, ihn in seinem aufgewühlten Gemütszustand auf die Outrider loszulassen. Doch höchstwahrscheinlich waren das alles Vorwürfe, die sich Saber im Augenblick selber auf die Fahne schrieb, besonders nach ihrem wenig tröstlichen Angriff. Hatte sie sich denn wie eine Freundin verhalten, als sie ihm ihren eingebildeten Hass entgegengeschleudert hatte, der auf nichts weiter als einem gebrochenen Herzen gebaut war? Saber war als Kommandant für die Mission und die Crew verantwortlich gewesen, und Versprechen hin oder her, unter seinem Befehl war ein Mitglied seines Teams ums Leben gekommen. So etwas ging nicht mal an dem sonst so rational denkenden Säbelschwinger spurlos vorbei. Vielleicht würde ja ein klärendes Gespräch mit Colt dazu beitragen, dass sie sich selbst etwas mehr im Klaren über ihre Gefühle zu Saber wurde. April erhob sich unruhig und begann nervös im Zimmer hin und her zu tigern. Warum hatte sich der Cowboy eigentlich noch nicht gemeldet? Er musste doch wissen, wie fürchterlich es ihr ging und dass sie sehnsüchtig darauf wartete, mit ihm zu reden. Irgendwie war es schon komisch, die ganzen letzten Tage hatte sie alles dafür getan, um niemanden um sich zu haben, aber nun, da sie ihre Freunde wieder in der Nähe wusste, hatte sie ein so unbändiges Verlangen danach Colt zu sehen, dass sie kurz davor war, ihn per Communicator anzufunken. Aber war sie nicht schrecklich selbstsüchtig, dass sie wirklich von dem Freund verlangte, er möge sich mehr um sie sorgen, als um seine eigene Frau? Sie wusste doch, wie viele schwere Stunden Robin in der angespannten Hoffnung auf ein Lebenszeichen hinter sich gebracht hatte, war es da nicht mehr als verständlich, dass Colt besseres zu tun hatte, als Aprils Händchen zu halten? Wütend ließ der weibliche Star Sheriff ihre Teetasse auf den Esstisch niedersausen und verschüttete dabei gut die Hälfte des Inhalts auf der Tischdecke. Zum Teufel mit Robin und ihren schweren Stunden, sie hatte ihren Mann ja schließlich in einem Stück zurückbekommen! Erschrocken fuhr April sich durch die blonden Haare. Ihr eigenes Verhalten machte ihr mit einem Mal richtig Angst. Sie wusste nicht, was sie tun oder denken sollte, oder ob dieses stechende Gefühl in ihrem Herzen je wieder verschwinden würde. Nur eines stand unumstößlich fest, sie brauchte Hilfe, und zwar schnell! Kraftlos griff sie nach der Tasse und trug sie hinüber in die Küche, wo sie sie in die Spüle stellte und nach einem Lappen suchte, mit dem sie die Flecken auf der Tischdecke notdürftig bearbeiten konnte. Das Geschirr hatte sie seit Tagen nicht gespült, die Wohnung seit Tage nicht auf Vordermann gebracht, aber dieser kleine Teefleck, der musste unbedingt jetzt und auf der Stelle ausgemerzt werden! Ob sie dabei war, den Verstand zu verlieren? Noch unschlüssig, ob sie ihrem plötzlichen Putztrieb nachgeben, oder den Lappen wieder fallen lassen sollte, nur um sich selber zu beweisen, dass sie durchaus noch Herrin ihrer eigenen Sinne war, hörte sie ein leises Klopfen an der Haustür. Ein kleiner Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf und sie eilte hinaus auf den Flur. Konnte es sein, dass Colt doch noch gekommen war? Beinahe ängstlich öffnete sie die Tür, ohne vorher einen Blick durch den kleinen Spion geworfen zu haben, und spähte in den dunklen Korridor hinaus. Sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. „Ich denke, hierfür ist genau der richtige Augenblick, oder?“ da stand Saber, abgehalftert und blass, mit tropfnassen Haaren und komischer Weise seinem Säbel an der Seite, obwohl er den Kampfanzug längst gegen das übliche blaue Hemd und die schwarze Hose getauscht hatte. Unsicher hielt er ihr eine Flasche mit brauner Flüssigkeit entgegen, die April als den Single Malt erkannte, den sie bereits in seiner Wohnung getrunken hatten. Der weibliche Star Sheriff bekam keinen Ton heraus. Er sah so jammervoll und verloren aus, wie er dort mit traurigem Blick herumlungerte und augenscheinlich damit gerechnet hatte, dass sie ihm ohne Umschweife die Tür wieder vor der Nase zuschlagen würde, dass ihr vor Rührung und schlechtem Gewissen die Tränen kamen. Schniefend griff sie an den Kragen von Fireballs T-Shirt und versuchte, das laute Schlagen ihres Herzens zu vertuschen. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie einen riesigen Fehler begangen hatte. Saber litt unter Fireballs Tod genauso sehr wie sie, doch anstatt sich gegenseitige Kraft zu geben, hatte sie ihn nur noch tiefer in dieses dunkle Loch hinabgestoßen, aus dem er sie nun um Vergebung bettelnd anstarrte. „Bitte“, flehend griff der Schotte nach ihrer anderen Hand, „gib mir wenigstens die Chance, es Dir zu erklären!“ Halt suchend verschränkte er seine Finger mit den ihren und stellte erleichtert fest, dass sie keine Anstalten unternahm, sich von ihm zurück zu ziehen. Trotzdem brachte sie kein Wort über die Lippen. Sie blickte ihn einfach nur mit dieser Mischung aus Verzweiflung und Schrecken an. „Sag doch etwas…“ Durcheinander erwachte April aus ihrer Starre und zog hastig ihre Hand zurück: „Komm erst mal rein.“ Sie wartete, bis Saber an ihr vorbei ins Wohnzimmer gegangen war und schloss dann leise die Tür. Einen kurzen Moment lehnte sie sich schwer atmend dagegen. Sie hätte sicherlich irgendwann das Gespräch mit dem Säbelschwinger gesucht, um seine Version von Fireballs Ende zu erfahren. Früher oder später wäre sie von selbst darauf gekommen, dass sie Saber nicht wirklich für Fireballs Tod verantwortlich machen konnte, aber jetzt war sie auf diese Auseinandersetzung noch nicht vorbereitet, geschweige denn in der Lage, sich für ihr unverzeihliches Benehmen zu entschuldigen. Wacker drückte sie ihre Fingernägel tief in die Innenflächen ihrer Hände und folgte dem Freund schließlich mit einer großen Portion an Unbehagen. Saber war im Eingang zum Wohnzimmer stehen geblieben. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber zumindest nicht dieses Bild. Das Zimmer sah vielleicht ein wenig unaufgeräumt aus, eben so, wie bewohnte Räume aussahen, in denen man sich gelegentlich auch einmal aufhielt, aber ansonsten deutete nichts darauf hin, dass hier ein Mensch wohnte, der gerade einen furchtbaren Verlust erlitten hatte. Alles wirkte ruhig, ja irgendwie sogar friedlich, was dem Schotten unter den gegebenen Umständen geradezu schauerlich erschien. „Setz Dich“, April wies auf die Couch, ohne seinem Blick zu begegnen, „soll ich Dir ein Handtuch holen?“ „Nein, lass gut sein, es geht schon!“ wehrte der Blondschopf schnell ab. Er sah, wie sie sich hastig einen Teller mit alten Sandwichs schnappte und ihn in die Küche brachte. Äußerlich machte sie einen wirklich sehr gefassten Eindruck, ganz anders, als noch vor ein paar Stunden an Bord von Ramrod. Als April zurückkam, fiel Saber sofort auf, dass sie das schlabberige T-Shirt ausgezogen hatte. Der Größe nach zu urteilen war es eines von Fireball gewesen, dass sie sicherlich hin und wieder trug, um dem verstorbenen Freund ein wenig näher zu sein. Sie stellte zwei halbhohe Gläser vor ihn auf den Tisch und nahm dann einen halben Meter entfernt ebenfalls auf dem Sofa Platz: „Habe keine Whisky-Gläser, aber die werden es wohl tun. Schenk schon ein, das Teufelszeug!“ Stumm zog der Highlander mit einem leisen Plopp den Korken aus der Flasche und goss die Gläser bis zur Hälfte mit der goldbraunen Flüssigkeit voll. Er nahm beide unsicher in die Hände und reichte ihr eines davon: „Sláinte!“ „Was heißt das?“ misstrauisch schnupperte April an ihrer Portion Lebenswasser. Ihr behagte der Gedanke nicht, Alkohol zu trinken, aber andererseits hatte Saber Recht, es war ein passender Zeitpunkt dafür. „Einfach nur Prost, was besseres ist mir gerade nicht eingefallen!“ er setzte das Glas an die Lippen und leerte es mit einem Zug. Einmal mehr beschlich April das Gefühl, dass er sich öfter einen Schluck dieses Gebräus genehmigte, als man es ihm zugetraut hätte: „Slansche.“ Versuchte sie seinen gälischen Ausdruck nachzuahmen und kippte den hochprozentigen Alkohol mit Widerwillen hinunter. Er brannte in ihrer Kehle und wie beim ersten Mal hatte sie das dringende Bedürfnis, einen ganzen Eimer Wasser hinterher zu kippen. „Hm“, Saber nickte anerkennend, „kein Hustenanfall, Du lernst schnell!“ Schulterzuckend schob sie ihm ihr Glas wieder zu: „Red nicht, schenk lieber nach!“ ihre Augen tränten ein wenig, aber ansonsten merkte sie die wohlige Wärme, die sich dank des Whiskys in ihrem Inneren ausbreitete. Saber tat, wie ihm geheißen: „Eigentlich bin ich aber zum Reden gekommen und nicht, um Dich betrunken zu machen.“ „Sind nicht eigentlich schon viel zu viele Worte zwischen uns gefallen?“ verschämt zog April die Beine an und setzte sich unbeholfen auf ihre Knie. Wenn der Schotte schon den Mut gefunden hatte, den ersten Schritt zu tun und hierher zu kommen, dann konnte sie doch wenigstens so fair sein und ihren eigenen Fehler eingestehen. Aber das war gar nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhörte. Verunsichert leerte Saber sein zweites Glas: „Es tut mir leid, April, ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr!“ „Nein“, protestierend schüttelte die junge Frau den Kopf, genau so hatte das Gespräch doch nicht laufen sollen, „red keinen Unsinn. Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss. Ich hatte kein Recht, Dich vorhin so anzufahren…“ sie tat es ihm gleich und schluckte mit zusammen gekniffenen Augen den Whisky hinunter. Aufmunternd wedelte Saber mit der Flasche: „Doch, Du hattest jedes Recht, das man sich nur denken kann!“ ohne ihre Bestätigung abzuwarten, füllte er die Gläser ein drittes Mal gut zur Hälfte auf. Er merkte, wie ihm der Alkohol bereits jetzt in den Kopf stieg und seine Gedankengänge verlangsamte, aber das war egal. Ein wenig Vergessen konnte weder ihm noch April schaden. „Hat“, April musste ein zweites Mal ansetzen, um einen Ton heraus zu bringen, „hat Fire… noch irgendetwas…“ „Colt war der letzte, der mit ihm gesprochen hat“, mit einem leisen Klack landete das leere Glas auf der Tischplatte, „ich glaube, er wollte uns anderen nicht unnötig beunruhigen.“ „Oh mein Gott“, der weibliche Star Sheriff konnte sich vorstellen, wie Fireball vielleicht schwer verletzt um sein Leben gekämpft und trotzdem noch daran gedacht hatte, seinen Freunden soviel Kummer wie möglich zu ersparen, „warum war er dort draußen, Saber?“ dieses Mal hatte die Frage nichts anklagendes oder unterschwelliges mehr. Sie wollte einfach nur die Wahrheit darüber erfahren, was in den letzten Augenblicken des Kampfes wirklich geschehen war. „Nach dem Sprung in die Phantomzone war Ramrod ziemlich angeschlagen“, begann Saber stockend noch einmal den Bericht zu wiederholen, den er bereits in Commander Eagles Büro erzählt hatte, „wir hatten einige Ausfälle bei den Wärmeaustauschern, so gut wie das komplette Nahkampfarsenal war unbrauchbar und die Challenge-Phase hatte den Geist aufgegeben.“ Die Selbstzweifel in April keimten bei diesen Worten erneut auf und trieben enorme Früchte: „Wäre ich doch nur mitgeflogen, vielleicht hätte ich direkt an Bord ein paar notdürftige Reparaturen vornehmen können…“ „Hör auf, Dir diese dummen Vorwürfe zu machen“, Sabers Stimme klang beinahe wütend, als er nach dem vierten Whisky griff, während die junge Frau noch immer mit dem dritten Glas beschäftigt war, „die Schäden waren viel zu groß, als dass Du irgendwas hättest ausrichten können. Eigentlich hätten wir die ganze Aktion bereits an diesem Punkt abblasen müssen.“ „Und warum habt ihr es nicht getan?“ Saber zögerte. Was sollte er auf diese Frage bloß erwidern? Dass es Fireball und Colt gewesen waren, die ihn mit ihrem übersprühenden Pioniergeist und Appetit auf Abenteuer dazu überredet hatten, eine vorschnelle und somit falsche Entscheidung zu treffen? Das wäre sicherlich unfair und feige gewesen und hätte zudem einmal mehr bewiesen, was für ein unfähiger Anführer er doch war. Also sagte er so wahrheitsgemäß wie möglich: „Ich habe die Gefahr unterschätzt. Keiner hätte damit gerechnet, dass wir so schnell auf Outrider treffen würden und dann auch noch in so einer großen Anzahl. Ich fand es eine gute Idee, auf dem nächstgelegenen Planeten einen Unterschlupf zu suchen, um das Ausmaß des Schadens genauer unter die Lupe zu nehmen. Leider sind wir mittenrein in ein verdammtes Hornissennest voller Wrangler geraten.“ Eine Weile lang herrschte Stille zwischen den beiden und April traute sich nicht, Saber zum Weiterreden zu drängen. Mit grausiger Faszination klebte sie an seinen Lippen, während sie ihr provisorisches Whiskyglas abwesend an ihre eigenen führte. Ein wenig schwindelig im Kopf schloss sie die Augen. Sabers Worte und die Bilder von Ramrods Blackbox verschwommen zu einem surrealen Film, der sich auf die Innenseite ihrer Lider projizierte und in einer Endlosschleife wieder und wieder von vorne begann. Und je öfter sich der Film wiederholte, desto mehr Ruhe breitete sich in ihrem Körper aus. Es war merkwürdig. Einerseits schnitten sich seine Schilderungen tief in ihre Seele und verstärkten die Qualen, die sie sich selber mit der Erinnerung an den zerstörten Red Fury auferlegte. Aber andererseits war es auch irgendwie tröstlich, den Hergang aus dem Mund eines Freundes zu hören. Eines Freundes, dem es offenbar so wichtig war, ihr die Wahrheit zu erzählen, dass er sich ohne Jacke nach draußen wagte, wenn es junge Hunde und Katzen regnete. Sabers Anwesenheit und seine einfühlsame Stimme machten den Schrecken ein wenig erträglicher und April begann ganz langsam und allmählich, sich endlich dessen bewusst zu werden, was passiert war. Sie nahm noch einen tiefen Schluck und genoss das schwere Gefühl, dass sich in ihren Beinen ausbreitete. Vielleicht war ja auch einfach nur der Whisky daran schuld, dass sie sich ein wenig besser fühlte. „Wir saßen mit dem Rücken zur Wand und wurden mit Lasern und Raketen geradezu überschüttet. Selbst vor Napalm haben die Dreckskerle keinen Halt gemacht. Wenn Fireball nicht so einen fantastischen Geistesblitz gehabt hätte, dann wäre jetzt keiner mehr von uns am Leben!“ Dankbar für diese tröstlichen Worte berührte April flüchtig sein rechtes Bein: „Für gute Ideen ist er immer zu haben gewesen, oder?“ „Ja, allerdings“, Saber musste neidlos zugeben, dass an dieser Erkenntnis viel Wahres dran war, „er hat uns so viele Male aus dem Dreck gezogen… genau wie dieses Mal! Der Beschuss war so vehement, dass wir keine Möglichkeit hatten, Ramrod von der Stelle zu bekommen. Also habe ich entschieden, dass Colt und ich die Outrider ablenken sollten, damit Fireball und Christa das Schiff aus der Gefahrenzone fliegen konnten. Und obwohl ich ihm eindeutig den Befehl gegeben habe, an Bord zu bleiben, hat Fire auf stur gestellt. Er wusste, dass Colt und ich draußen alleine keine Chance gehabt hätten und hat sich ohne eine Sekunde zu zögern mit in den Kampf gestürzt. Obwohl er genau gewusst hat, dass er mit seinem Red Fury ein viel besseres Ziel als der Cowboy oder ich abgeben würde.“ Leise schluchzte April auf und senkte den Blick: „Dieser sture Hitzkopf“, das, was Saber früher als ein zartes Lächeln bezeichnet hätte, umspielte ihre Lippen und strafte den feuchten Schimmer in ihren Augen beinahe Lügen, „das Leben seiner Freund ist ihm immer wichtiger gewesen, als sein eigenes!“ „Hm“, Saber stütze die Arme auf seinen Knien ab und begann resigniert seine Schläfen zu massieren, „weißt Du, wenn es Fireball zu Dir zurück brächte, würde ich mein Leben dafür geben!“ Eine Welle der Sympathie schlug über April zusammen. Sabers Worte waren tief in ihr Herz gedrungen und hatten dort endlich den wunden Punkt berührt, der ihren Gefühlsdamm zum Bersten brachte. Wimmernd schlang sie dem Freund fest die Arme um den Hals, während ihre Tränen unkontrolliert ihren Weg nach draußen fanden. Es fühlte sich an, als wäre mitten in ihrer Brust ein überdimensionaler Knoten geplatzt, der all die aufgestauten Empfindungen mit einem Schlag durch ihren Körper jagte und diesen somit zum Beben brachte. Schüchtern drückte der Schotte den schlanken Körper, der unter einem heftigen Weinkrampf erzitterte, fest an sich: „Oh April“, ihre Reaktion überraschte ihn so sehr, dass er beinahe mit ihr mitgeweint hätte, „Du hasst mich nicht, oder?“ „Natürlich nicht, Du Blödmann“, keuchend krallte sie ihre Finger in sein blaues Hemd, „es tut mir so leid, was ich vorhin gesagt habe, das habe ich nicht so gemeint. Ich war nur so…“ ging der letzte Satz in ihrem Schluchzen unter. April glaubte, ihre hervorquellenden Emotionen würden sie ersticken oder ihre Lungen zum Platzen bringen, so sehr tat ihr das Atmen weh. Jeder Luftstoß verursachte stechende Schmerzen, die sich bis hinunter zu ihrem Zwerchfell fortsetzten. Aber Saber hatte auch so verstanden, was sie versuchte, ihm zu sagen: „Ist schon gut, Kleines“, tröstend küsste er ihre Haare und atmete erleichtert auf, „ich weiß, was Du im Moment durchmachst!“ Entfesselt schüttelte April den Kopf: „Es…tut so…schrecklich weh“, rief sie außer sich, immer wieder hektisch nach Atem schnappend, „so verdammt…weh! Ich weiß nicht…was ich ohne…ihn machen soll!“ ihre Tränen rannen ihre Wangen hinunter und tränkten Sabers Hemd, das vom Regen sowieso schon nass war. Sie konnte sich einfach nicht beruhigen, selbst wenn sie es mit aller Macht versucht hätte. Aber es tat so gut, sich endlich fallen zu lassen, dass sie nicht einmal über möglichen den Versuch nachdachte. Sie konnte sowieso nicht denken. Sabers Wärme, seine starken Arme, seine Freundschaft, all das half ihr endlich, ihren Schmerz zuzulassen, vor dem sie sich die letzten Tage vehement versperrt hatte. Die Trauer hatte sich so tief in ihr Herz gegraben, alleine hätte sie es wohl nie geschafft, aus ihrer Starre zu erwachen. Es war beinahe wie in dem alten Märchen, das ihre Mutter ihr oft vorgelesen hatte, als sie noch ein kleines Kind gewesen war. Das Herz des kleinen Kai wurde durch die Schneekönigin zu Eis erstarrt, was aus dem Jungen einen gefühllosen und unbarmherzigen Menschen gemacht hatte, aber die Liebe und Wärme der kleinen Gerda hatte das Eis zum Schmelzen gebracht und Kai ins Leben zurück geholt. April wimmerte und drängte sich noch näher an Saber heran. Ja, sie war wie Kai gewesen, nur dass sie es selbst gewesen war, die ihr Herz in einen Eiszapfen verwandelt hatte. Diese Erkenntnis ließ eine neue Welle über sie hinweggehen, die ihre Schultern zum Beben und ihre Stimmbänder zum Zittern brachte. „Sch…“ sanft wiegte Saber sie wie ein kleines Kind hin und her und murmelte immer wieder beruhigende Worte oder Laute vor sich hin. Als er zu April aufgebrochen war, hatte sein Leben in einem großen Scherbenhaufen vor ihm gelegen, aber jetzt der Halt für die Freundin sein zu können, gab ihm die Möglichkeit, das zersplitterte Mosaik Steinchen für Steinchen wieder zusammenzufügen: „Du wirst es schaffen, Süße, auch ohne ihn. Anfangs wird es schwer werden, aber wir alle werden Dir helfen.“ Die tiefen Gefühle, die die letzten Minuten in ihm wachgerufen hatten, ließen nun auch ihm die Tränen in die Augen schießen. Es tat gut, endlich um den verlorenen Freund weinen zu können, frei von Selbstvorwürfen und Ängsten. „Aber er fehlt mir so!“ panisch trommelte April mit ihren Fäusten gegen die Brust des Star Sheriffs, die sich schnell hob und senkte. Jetzt, da sie Tatsachen endlich zu akzeptieren begann, wurde ihr allmählich bewusst, was sie tatsächlich bedeuteten. Fireball würde nie mehr zurückkommen. Nie mehr! Sie würde nie wieder seine lachenden Augen sehen, sein strahlendes Lächeln oder seine zärtlichen Berührungen spüren. Saber musste zu einer ähnlichen Einsicht gekommen sein, denn er presste Aprils Körper so fest an sich, wie er nur konnte und barg sein Gesicht an ihrer Schulter: „Mir fehlt er auch!“ Mehrere Minuten klammerten die Freunde sich in stummer Verzweiflung aneinander und gaben sich ganz ihrem Kummer hin. Es war für beide eine Erlösung, sich mit Hilfe des anderen endlich der Realität stellen zu können und zu wissen, dass es da doch noch jemanden gab, der zu einem hielt, egal, wie aussichtslos die Lage auch sein mochte. Als Saber merkte, dass April sich nach und nach beruhigte und ihr Körper nicht mehr von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde, legte er eine seiner Hände an ihre Wange und streichelte sie behutsam: „Er wird Dir immer fehlen, April, das ist ein Zeichen dafür, wie sehr Du ihn geliebt hast. Aber Du musst ihm zuliebe weiterleben“, entschlossen schob er sie ein Stückchen von sich weg und nahm ihr Gesicht zärtlich in die Hände, „er würde nicht wollen, dass Du Dich aufgibst! Und wir brauchen Dich doch!“ „Danke“, verstört wischte April sich über die verweinten Augen und schniefte tapfer, „Du hast selber bestimmt genug Probleme im Moment und ich dumme Pute habe nichts besseres zu tun, als Dir noch mehr die Hölle heiß zu machen oder Dir etwas vorzuheulen.“ Ihr Körper war vom vielen Weinen erschöpft, aber sie empfand eine plötzliche Leichtigkeit, die nicht nur vom Alkohol her rührte. Sie genoss Sabers liebevolle Streicheleinheiten und seine beruhigende Nähe. Dank ihm fühlte sie sich zum ersten Mal seit ihrem Zusammenbruch wieder wie ein Mensch und wusste nun, dass sie nicht alleine war mit ihrem Schmerz. „Hör auf, so etwas zu sagen, ja“, bestimmt blickte er ihr in die Augen, die Hände noch immer um ihren Kopf gelegt, „Du bist einer der wundervollsten Menschen, die ich kenne. Du machst das einfach großartig!“ einem plötzlichen Instinkt folgend beugte er sich zu April vor und küsste sanft eine Träne von ihrer linken Wange. Zitternd schloss sie die Augen, als seine Lippen auch ihre rechte Wange berührten. Diese Liebkosungen waren so unheimlich tröstlich, dass sie wünschte, sie würden ewig anhalten. Eine kleine Hitzewelle breitete sich von ihrer Magengegend her über ihren ganzen Körper aus, als sie Sabers zarte Küsse auch auf ihren Lidern spürte, und brachte ihre Hände zum Kribbeln. Verstört sah sie direkt in Sabers strahlend blaue Augen, in denen sie Angst, Überraschung, Trauer und Verwirrtheit erkennen konnte. Ihr Herz setzte einen schmerzlichen Moment lang aus, als er sie scheu zu sich heranzog. Sie spürte seinen ungleichmäßigen Atem und ein Wassertropfen fiel von seinem Pony auf ihre Nasenspitze, dann streiften sich ihre Lippen in einem ersten, gehauchten Kuss. „April, ich…es…“ verwirrt wich der junge Schotte zurück und blickte die Freundin bestürzt an, „entschuldige, ich weiß nicht, was…“ kopfschüttelnd legte sie ihm einen Finger an die Lippen und bedeutete ihm so, zu schweigen: „Lass es einfach geschehen!“ ein wenig unbeholfen krabbelte sie zu ihm und küsste ihn erneut. Dieses Mal ohne Scheu oder Zurückhaltung, sondern fordernd und verlangend, und es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis Saber seine Reue überwunden hatte und Aprils entflammende Leidenschaft mit der gleichen Heftigkeit erwiderte. Ungestüm drückte er sie nach unten auf das Sofa, eine Hand streichelnd in ihrem Nacken, während er sich mit der anderen auf den Polstern abstützte. Wie gut sie schmeckte! Wenn er nicht sofort aufhörte, würde er die Selbstbeherrschung verlieren und etwas tun, was sie beide sicherlich bereuen würden, aber das Problem war, dass er nicht aufhören wollte. Er genoss es, wie ihr Körper sich unter seinem räkelte und wie sie vorwitzig und lockend seinen Mund erforschte. Es ließ ihn vergessen! Er fühlte sich eins mit dieser Frau, die seine Pein teilte und wollte dieses Gefühl voll und ganz auskosten. Wie elektrisiert reagierten seine Sinne auf jede noch so kleine Bewegung, die sie vollführte. Nach einem besonders langen und innigen Kuss nahm Saber Aprils Hände wahr, die sich geschäftig zwischen ihren und seinen Bauch drängten und an den unteren Knöpfen seines Hemdes herumspielten. Er griff nach ihrem rechten Handgelenk und drückte den Arm hinter ihrem Kopf in die Kissen. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt und sein Atem keuchte vor Erregung: „Wenn Du damit weitermachtst, kann ich für nichts mehr garantieren!“ April blickte ihn verunsichert an. Sie erkannte, dass dies ihre letzte Chance war, ihrem irren Treiben ein Ende zu setzen und die Leidenschaft zu Gunsten ihrer Freundschaft wieder einzufangen. Doch der Whisky hatte ein Übriges getan und all ihre Sorgen und Ängste verstummten, wurden weggespült von der Lust und der Erregung, die sie verspürte. Sie wusste, dass das, was sie im Begriff waren zu tun, das Band zwischen ihr und Saber wieder festigen würde und dass es für sie beide eine tröstende, wenn auch nur kurze Flucht in eine andere Welt verhieß. Es war richtig, auch wenn sie nicht wusste, ob Fireball es wohl verstanden hätte: „Wenn Du es möchtest“, und sie betetet inständig, dass Saber im Moment genauso empfand, wie sie, „können wir jetzt und sofort damit aufhören!“ Der Säbelschwinger zögerte keine Sekunde. Zärtlich wanderte sein Mund ihren Hals hinab zu ihrem Dekolleté, während er mit der Hand, die eben noch ihren Arm umklammert gehalten hatte, langsam einen Träger ihres Catsuits herunterschob. Er stöhnte leise auf, als April die ersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet hatte und ihre Hände liebkosend über seinen nackten Körper wandern ließ: „Nein“, hauchte er zwischen zwei ekstatischen Küssen, „möchte ich nicht!“ Finster betrachtete Colt sein mürrisches Gegenüber, dass ihn aus dem beleuchteten Badezimmerspiegel heraus unverwandt anstarrte. Was zur Hölle war nur los mit ihm? Seit zwei Stunden versuchte er nun schon, endlich eine Mütze voll Schlaf zu finden, aber es gelang ihm einfach nicht. Er hatte sich zu guter Letzt mit Robin versöhnt und war dann den ehelichen Vergnügen nachgegangen, die wohl jeder frisch Vermählte nach einer fast zweiwöchigen Trennung im Sinn gehabt hätte, nur um festzustellen, dass er sich hinterher noch erbärmlicher fühlte, als zuvor. Seufzend drehte er den Wasserhahn auf und spritze sich einige Tropfen kühlen Nasses ins Gesicht. Vielleicht wäre es doch das Beste gewesen, wenn er sein Nachtlager auf der Couch aufgeschlagen hätte, so wäre ihm zumindest erspart geblieben, Robin ein weiteres Mal Theater vorzuspielen. Colt hätte es niemals für möglich gehalten, dass ihm das Zusammensein seiner Frau je zuwider sein könnte, aber in dieser Nacht waren seine Lust und seine Leidenschaft nichts anderes gewesen, als eine bloße Farce. Als Robin sich nach ihrem versöhnlichen Gespräch wohlig an ihn gekuschelt hatte, wäre er am liebsten sofort wieder ins Wohnzimmer geflüchtet. Aber die Striemen auf seinem Rücken waren ihm wieder eingefallen und das schlechte Gewissen hatte ihm eingeredet, dass er sich weniger schlecht fühlen würde, wenn er ihrer zärtlichen Aufforderung nachgab. Vielleicht hatte er sich damit selbst etwas beweisen wollen, aber dieser Versuch war kläglich gescheitert. Nun kam er sich vor wie ein mieser kleiner Verräter, der aus Angst davor, enttarnt zu werden, ein Kapitalverbrechen in Kauf genommen hatte. Die Angeln der Badezimmertür quietschten leise, als Robin schlaftrunken hereingeschlichen kam: „Was ist los, kannst Du nicht schlafen?“ müde rieb sie sich die Augen und blickte ihren Mann mitfühlend an. Erschrocken fuhr Colt herum und versuchte, seine Rückenansicht vor ihr zu verbergen: „Nein, bin irgendwie nicht müde“, bei ihrer Versöhnung hatte sie ihm irgendwann das T-Shirt über den Kopf gestreift und der Cowboy hatte nach einiger Zeit nicht mehr an die Male gedacht, die Christa auf seiner Haut hinterlassen hatte, „geh doch wieder ins Bett, ich komme auch gleich!“ nervös trat er von einem Fuß auf den anderen und hielt angsterfüllt nach einer Möglichkeit Ausschau, seinen Rücken möglichst unauffällig aber effektiv zu bedecken. „Hm, jetzt bin ich wach“, gähnend schlurfte Robin hinüber zur Toilette und ließ sich auf dem heruntergeklappten Deckel nieder, „da können wir auch reden.“ „Schon wieder“, entfuhr es Colt versehentlich, als er sich ihrem neuen Blickwinkel anpasste, „ich meine, wir haben doch schon so viel geredet. Lass uns morgen damit weitermachen, aye?“ Stirnrunzelnd blickte seine Frau ihn an: „Seit wann redest Du wie Saber“, ihr war das gehetzte Verhalten des Cowboys nicht entgangen, auch wenn sie vielleicht noch nicht völlig aus dem Reich der Träume zurückgekehrt war, „passt gar nicht zu Dir!“ Colt lehnte sich rücklings mit ausgebreiteten Armen gegen die Wascharmaturen, weil er glaubte, seine Blessuren so noch besser vertuschen zu können: „Oh, tue ich das“, verärgert stellte er fest, dass er begann Zeit zu schinden, „hab wahrscheinlich zu lange ein und dasselbe Raumschiff mit ihm geteilt.“ Vielleicht konnte ja ein gehöriger Schuss seiner galanten Kuhhirtengroßspurigkeit über die aufkeimende Unsicherheit hinwegtäuschen. „Scheint mir wohl auch so!“ Robin fragte sich, was der Cowboy nur vor ihr zu verbergen suchte. Er war unkonzentriert, geistesabwesend, zuweilen sogar grob, obwohl sie ihm überhaupt nichts getan hatte und ging ihr ganz offensichtlich aus dem Weg. Sie konnte verstehen, wie nah ihm Fireballs Tod ging, aber sie glaubte, in seinem Verhalten noch etwas anderes zu erkennen, dass zwar mit ihrem Auftrag, aber im direkten Sinne nichts mit dem Verlust ihres Freundes zu tun hatte. Und sie ahnte bereits, um was es sich dabei drehte. „Tja dann“, übertrieben lässig kreuzte Colt im Stehen die Beine, „worüber reden wir?“ ihm wurde unter Robins bohrenden Blicken mehr als heiß und er wünschte sich sehnsüchtig ans andere Ende der Welt. Ein weiteres Mal würde sie sich mit etwas körperlichem Spaß nicht abspeisen oder zum Schweigen bringen lassen, ganz abgesehen davon, dass er wahrscheinlich auch keine weiteres Mal in der Lage war, seine ehelichen Pflichten zu vollziehen. „Herrje Colt“, entsetzt war Robin plötzlich aufgesprungen, „Dein Rücken sieht ja wirklich schlimm aus!“ Zu spät erkannte der Cowboy den großen Fehler, den er in seiner Leichtsinnigkeit begangen hatte. In der Absicht, seiner Frau den Blick auf seine Rückenpartie zu verwähren, hatte er sich ungeschickter Weise direkt vor dem Spiegel aufgebaut, so dass sie nun das volle Ausmaß Christas kleiner Liebesbeweise betrachten konnte: „Ach, halb so wild“, er hatte das ungute Gefühl, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte, „ist doch schon fast verheilt.“ „Mag sein“, wischte Robin diesen halbherzigen Ablenkungsversuch beiseite und zog ihren Mann bestimmend am Arm zu sich herüber und wollte ihn zwingen, ihren Platz auf dem Toilettendeckel einzunehmen, „ich will mir das trotzdem mal genauer ansehen. Dann kann ich auch gleich noch einen Blick auf die Wunde an Deinem Kopf werfen.“ Der Cowboy wehrte sich buchstäblich mit Händen und Füßen: „Ist wirklich nicht nötig, Robin.“ „Du bist für das Herumballern zuständig, also lass mich auch meinen Teil der Arbeit machen und Dich wieder zusammen flicken!“ ein wenig unsanft stieß sie ihn gegen die Brust, was für Colt so unerwartet kam, dass er tatsächlich das Gleichgewicht verlor und mit dem Allerwertesten auf der Toilette landete. Wütend rappelte er sich wieder hoch: „Das hat Christa doch…“ und schon war er ihm entfleucht, dieser Name, den er unter allen ihm bekannten am allerwenigsten in Robins Gegenwart hätte gebrauchen dürfen. Aber nun war es zu spät. Er hielt die Luft an, als er sah, wie sich die Miene seiner Frau verfinsterte und ihre Lippen zu zittern begannen: „Ah, verstehe“, Colt meinte, eine große blaue Ader an ihrem Hals pulsieren zu sehen und ihm wurde Angst und Bange, „hast Dich schon von anderen pflegenden Fingerchen verarzten lassen, wie?“ In Anbetracht dieser brenzligen Lage geriet der Cowboy arg ins Trudeln, denn wie sollte er sich da nur wieder herauswinden: „Ja, denkst Du denn, ich hätte das selber genäht“, im Zweifel war Angriff noch immer die beste Verteidigung, „bin zwar ein echtes Ass, aber magische Kräfte besitze ich noch nicht.“ Für einen kurzen Moment verebbte Robins Zorn: „Entschuldige, Du hast ja Recht, ich glaube, für mich war das auch alles ein bisschen viel!“ Mit gönnerhaftem Lächeln streichelte Colt ihr sanft den Arm: „Macht nichts, Süße, ist doch halb so wild!“ doch die Freude über den schnellen Waffenstillstand währte nur kurz. Robin hatte den Sinneswandel in seinem Gesicht genau verfolgt und war zu dem Schluss gekommen, dass sie der Wahrheit im Moment vielleicht näher war, als an irgendeinem anderen Zeitpunkt des Abends: „Bin ich denn noch zu retten“, Zorn loderte in ihren Augen auf, den sie bislang aus Rücksicht auf die strapazierten Nerven des Cowboys unterdrückt hatte, „warum entschuldige ich mich eigentlich bei Dir?“ „Ähm, vielleicht weil Du dem armen Coltilein Unrecht getan hast?“ antwortete Colt leichthin, ohne zu bemerken, dass diese spitzfindige Bemerkung das Fass zum Überlaufen brachte. „Unrecht getan“, unbeherrscht plusterte sich Robin auf wie ein Spatz bei eisigen Minustemperaturen, „Unrecht getan?“ sie schnaubte empört und verließ mit wehenden Haaren das Zimmer. „Ich dachte ja nur…“ murmelte Colt kleinlaut und drehte sich prüfend vor dem Spiegel, um einen kurzen Blick auf seinen Rücken zu werfen. Die Striemen waren rot verkrustet und zogen sich wie Pflugfurchen durch einen Kartoffelacker. Da hatte er gerade noch einmal Glück gehabt. Zwar war seine Frau jetzt sauer auf ihn, irrte er sich, oder hatte er gerade ein Déjà-Vu Erlebnis, aber sie war wenigstens wieder von der Thematik seiner Blessuren abgekommen. Morgen früh hatte sie sich wieder beruhigt und er musste nur zusehen, dass er in den nächsten Tagen etwas vorsichtiger mit der Zurschaustellung seines Adoniskörpers agierte. „Ich will Dir mal was sagen, Freundchen“, wie eine Furie kam sie zurück ins Zimmer gestürmt und richtetet anklagend den Zeigefinger auf Colt, den das dumpfe Gefühl beschlich, dass er Frauen offenbar ungewollt dazu anstachelte, mit dem Finger auf ihn zu zeigen, „von wegen Unrecht getan. Ich sitze hier tagelang zu Hause und male mir die schlimmsten Szenarien aus, von solchen lächerlichen Kratzern wie jenem dort“, ihr Finger schwenkte kurz in Richtung seiner Schläfe, „bis hin zu Deinem Sarg, den sie aus Ramrod raustragen. Hast Du eigentlich eine Ahnung, was für Sorgen ich mir deinetwegen gemacht habe?“ Schmeichelnd griff der Cowboy nach dem ausgestreckten Finger und küsste zärtlich die dazugehörige Hand: „Ich weiß und es tut mir wirklich…“ „Wenn Du es tatsächlich auch nur ansatzweise gewusst hättest“, schrie sie ihm unbeherrscht entgegen und entriss ihm bockig die Hand, „hättest Du nicht so liebestoll mit diesem, diesem…rothaarigen Feger angebandelt!“ In Colts Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken auf einmal los und veranstalteten ein Konzert, das das an Bord von Ramrod noch bei Weitem übertraf. Wenn er jetzt nicht aufpasste und sein ganzes diplomatisches Geschick in die Waagschale warf, würde er sich noch ein paar zusätzliche blaue Flecken einholen: „Das haben wir doch alles schon durchgekaut, Robin“, beschwichtigend wollte er sie bei den Schultern greifen, aber sie entwand sich behände seinem Griff, „zwischen mir und Christa ist nichts gewesen!“ gut, hier musst er die Wahrheit ein wenig verbiegen, aber solange sie nicht dabei brach, konnte sein Plan aufgehen. „Betrunken mit einer wildfremden Frau Strip-Poker spielen bezeichnest Du als nichts?“ „Hör zu, Robin“, der Cowboy konnte nichts daran ändern, dass er langsam ein wenig ungehalten wurde; das markerschütternde Gezeter seiner Frau ging ihm beträchtlich auf die Nerven, „ich habe mich bereits dafür bei Dir entschuldigt, willst Du vielleicht, dass ich vor Dir auf die Knie falle und bettle?“ Feixend kniff sie die Augen zusammen: „Schwörst Du bei Deinem Blaster, dass nichts zwischen Euch war?“ „Bei meinem…“ unweigerlich musste Colt schlucken, diese Frau kannte ihn eindeutig besser, als ihm gut tat. Nun denn, wenn er beim nächsten Duell den Kürzeren zog, würde er wenigstens wissen, warum er sterben musste, „ja, ich schwöre bei meinem Blaster. Bist Du nun zufrieden?“ noch ein weiteres trietzendes Wort und er würde ihr die volle Wahrheit ins Gesicht brüllen. Eine Wahrheit, von der er sich selber noch immer nicht sicher war, wie sie eigentlich lautete. Aber seine Chance verstrich. Robin atmete noch immer schwer, aber scheinbar hatte sie ihr Temperament wieder unter Kontrolle, denn sie antwortete mit ruhiger Stimme: „Fürs erste schon. Aber ich will nicht, dass Du Dich noch einmal mit ihr triffst!“ Das war ein Leichtes, was Colt nur zu gerne versprach: „Bitte“, gleichgültig zuckte er die Achseln, „ich schätze, sie wird sowieso irgendwann in den kommenden Tagen zusammen mit Prinz Valium nach Jarre zurück düsen!“ Diese Antwort schien seine Frau aber noch nicht zufrieden zu stellen. Mit verschränkten Armen lehnte sie sich gegen die Holzwand des Badezimmers und starrte mit leerem Blick auf den Fußboden: „Da ist noch etwas…“ ihre Stimme klang unheilschwanger und Colt traute sich kaum zu fragen: „Und das wäre?“ Robin antwortete nicht sofort und der Cowboy witterte die Chance, seinen Charme spielen zu lassen und ein paar Pluspunkte zu sammeln: „Komm schon, Süße, ich tu doch alles, damit Du wieder glücklich bist!“ „Gut“, sie hob den eisigen Blick und schaute ihm direkt in die Augen, „ich möchte, dass Du endlich Deinen Job als Star Sheriff an den Nagel hängst!“ Für die Länge eines Herzschlages dachte Colt, ihm würde das Blut in den Adern gefrieren, doch dann brach er in übertrieben schallendes Gelächter aus: „Junge, Robin, Du hättest mich wirklich fast gehabt. Der war verdammt gut!“ unsicher fuhr er sich durch die Haare und wartete auf irgendeine Reaktion, die ihm bestätigte, dass Robin nur einen dummen Scherz gemacht hatte, aber diese blieb aus. Sie verzog keine Miene: „Das habe ich ernst gemeint, Colt!“ „Hör schon auf, das ist einfach lächerlich!“ ungehalten wollte der Cowboy das Bad verlassen, weil ihm diese Unterhaltung immer weniger in den Kram passte, doch seine Frau verstellte ihm flugs den Weg: „Es ist also lächerlich, wenn ich tagein, tagaus mit diesem ungewissen Gefühl auf Dich warten muss und immer wieder zu Gott bete, er möge Dich unversehrt zurückkehren lassen?“ „Hast ja offenbar einen recht guten Draht zu Deinem Gott“, verschmitzt zwinkerte Colt ihr zu und schob sich bestimmt an ihr vorbei auf den Flur, „hat doch bislang immer wunderbar funktioniert. Never change a winning team, Süße!“ Explosiv wie eine ganze Wagenladung Dynamit preschte Robin ihm nach, für sie war die Unterhaltung noch keineswegs beendet: „Das hat es bei Fireball auch, und was ist nun“, hysterisch fuchtelte sie mit den Armen in der Luft herum und beobachtete aufgebracht, dass Colt sich mit ruhiger Gelassenheit wieder sein T-Shirt anzog, das achtlos auf dem Boden herumgelegen hatte. Scheinbar nahm er sie überhaupt nicht ernst, „ich habe keine Lust, irgendwann den Commander auf meiner Veranda stehen zu haben, der mir sagt, dass Du einer schwachsinnigen Schießerei zum Opfer gefallen bist.“ „Ach, schwachsinnige Schießerei, ja“, langsam hatte der Cowboy wirklich genug. Die letzten Tage waren die härtesten und schlimmsten seines Lebens gewesen und alles, was er jetzt wollte, war ein wenig Ruhe und Erholung, um mit seinen Gedanken ins Reine zu kommen. Und ausgerechnet jetzt musste Robin wieder mit der alten Leier anfangen, „sind wir mal wieder an dem Punkt angelangt!“ „Wir haben ihn nie verlassen, Colt, auch wenn Du das immer gerne verdrängst!“ „Kruzifix noch eins“, erzürnt riss Colt die Decke vom Bett und schmiss sie aggressiv zu Boden, „wie oft willst Du denn noch wieder mit diesem Thema anfangen. Es tut mir leid, wenn Du Dich so wenig mit meinem Beruf anfreunden kannst, aber deswegen werde ich ihn sicherlich nicht aufgeben.“ Zornig funkelte seine Frau zurück: „Heb die Decke wieder auf, Colt!“ sie hatte die Tonalge angeschlagen, mit der sie ihre Schulkinder grundsätzlich zur Raison brachte, aber bei Colt schien sie ihre Wirkung zu verfehlen. Obwohl er in allerbester Kindergartenmanier trotzig antwortete: „Heb sie doch selber auf!“ Ohne sich auf diese Diskussion weiter einzulassen tat Robin tatsächlich wie geheißen: „Du benimmst Dich mal wieder wie die Axt im Walde.“ Ein beleidigtes „Pf“ war die einzige Antwort auf diese Feststellung. Innerlich kochend legte Robin die Decke fein säuberlich zurück aufs Bett und versuchte sich ein wenig zu sammeln. Es hatte überhaupt keinen Sinn, auf diesem Niveau weiterzustreiten, das würde sowieso zu nichts führen: „Vielleicht sollten wir uns lieber wieder hinlegen und morgen weiterreden, wenn Du wieder ein bisschen vernünftiger bist.“ „Ich bin vernünftig“, ging Colt wie eine Zeitbombe hoch, bei der die letzte Sekunde verronnen war, „und wir brauchen morgen auch nicht weiterzureden. Das Thema hat sich ein für alle Mal erledigt und damit basta.“ Er würde sich doch von dieser friedensfanatischen Möchtegernpsychologin nicht vorschreiben lassen, was er zu tun und zu lassen hatte. Das wurde ja immer schöne. Soweit er sich erinnern konnte, war hier noch immer er der Mann im Haus. „Und Du meinst, dass Du das einfach so alleine entscheiden kannst, ja?“ Robin blieb bei ihrer Vorgehensweise, die Sache so ruhig wie möglich anzugehen, auch wenn sie merkte, dass sie ihren Mann damit noch mehr auf die Palme brachte. „Na und ob, ich war schon Star Sheriff, da wusste ich noch nicht mal, dass es Dich und Deine irren Friedensideen gibt, Ghandi.“ Der ganze Frust, der sich in den letzten Tagen in Colt aufgestaut hatte, trat nun mehr und mehr zu Tage und verwandelte sich in einen unbändigen Zorn auf seine Frau. Wie konnte sie es nur wagen, ihm hier solche Predigten zu halten, nachdem er gerade seinen besten Freund beerdigt hatte und dem Teufel selber nur um Haaresbreite von der Schippe gesprungen war. War es nicht ihre Aufgabe, ihn in liebevoller Selbstaufgabe zu trösten und wieder aufzurichten? Eine kurze Erinnerung an Christa flammte in ihm auf, wie sie sich in heilsamer Zärtlichkeit an seine Brust schmiegte. Ja, diese Frau zumindest verstand, was er wirklich brauchte! „Du bist ja völlig besessen von Deiner Knarre und dem Gedanken, anderen Leuten das Lebenslicht auszublasen.“ „Na und“, wieso hatte sie ihn überhaupt geheiratet, wenn ihr das doch schon von Anfang an klar gewesen war, „ich mag meinen Job, ist das so falsch? Es ist das einzige, worin ich wirklich gut bin.“ „Das stimmt doch nicht, Colt“, nun nahm Robins Stimme sogar einen Hauch von Wärme an, „sieh Dich doch hier nur mal um. Was Du in dieser kurzen Zeit aus dem Haus gemacht hast, ist unglaublich.“ Der Cowboy schnaubte verächtlich: „Willst Du jetzt, dass ich meinen Blaster gegen einen Hammer tausche und Zimmermann werde, oder was?“ „Nein, natürlich nicht“, seufzte Robin ergeben, „ich will Dir nur zeigen, dass es noch soviel mehr gibt, als hirnloses Geballere. Wenn Du es nur willst, kannst Du wirklich etwas Großes schaffen, Colt!“ „Danke! Dass ich jeden Tag meinen Hals riskiere, damit die Menschen im neuen Grenzland friedlich leben können, ist wohl noch nicht gut genug“, das reichte endgültig, es wurde Zeit, dass er diesem albernen Theater ein Ende bereitete, „aber nur weil Du das gerne möchtest, werde ich mein Dasein als Star Sheriff nicht aufgeben, hörst Du? Punkt und aus.“ „Ich möchte es nicht, Colt“, jetzt lag wieder diese gewisse Brise Lehrerautorität in ihrer Stimme, „ich verlange es von Dir.“ „Ach, Du verlangst es“, ironisch zog Colt die Augenbrauen hoch, „dann ist das natürlich was ganz anderes!“ Mit blitzenden Augen und gekräuselter Stirn baute sich Robin drohend vor ihm auf: „Ja, das ist es allerdings, ich verlange von Dir, dass Du Dich endlich Deiner Verantwortung als Ehemann stellst. Du hast gelobt, für mich dazusein, aber stattdessen stürzt Du Dich nach wie vor in jedes gefährliche Abenteuer, das Deinen Weg kreuzt.“ Das war der Augenblick, in dem Colts Kragen platzte: „Du hast gewusst, auf was Du Dich einlässt, als Du mich geheiratet hast. Tu jetzt nicht so, als wäre das alles eine große Überraschung“, er befürchtete, das Eiweiß in seinem Blut könnte jeden Augenblick denaturieren, so sehr brodelte er vor Wut, „Du willst Dich doch jetzt nur dafür rächen, dass ich Christa geküsst habe!“ und damit war die Katze aus dem Sack. Robin stierte ihn ungläubig und fassungslos zugleich an: „Du…Du hast sie…Du hast doch gesagt…es war nichts…“ ihr Stimme war nur noch ein schwaches Flüstern, so sehr hatte ihr diese plötzliche Enthüllung den Wind aus den Segeln genommen. Colt hingegen drehte nun erst richtig auf: „Das war gelogen, okay? Ja, ich habe sie geküsst, und weißt Du was, es hat mir sogar gefallen.“ Er hasste sich zwar schon in dem Moment für seine Worte, als sie seine Lippen verließen, aber er hatte den Punkt der Reue längst überschritten: „Und die Kratzer auf meinem Rücken habe ich auch nicht den Outridern zu verdanken, aber das hast Du Dir ja vielleicht schon gedacht!“ Er sah, wie das Entsetzten in Robins Gesicht in tiefe Trauer umschlug. Ihre Augen wurden glasig und es dauerte nicht lange, bis die erste Träne langsam ihren Weg über ihre Wange suchte. Morgen würde es dem Cowboy Leid tun, dass er ihr die Wahrheit auf so unverblümte und brutale Weise an den Kopf geworfen hatte, aber sie hatte es einfach herausgefordert. Die Tatsache, dass er Christa geküsst hatte, bereute er hingegen schon lange nicht mehr. „Warum bloß hast Du mich geheiratet“, Robin hatte den Kopf gesenkt und sprach eher mit sich selbst, als mit Colt, „wenn ich anscheinend nicht genug Frau für Dich bin?“ Hin und hergerissen sah der Cowboy zu, wie Robin langsam wie ein Häufchen Elend auf dem Bett zusammen sank, aber es war noch soviel Zorn in ihm, dass er nicht anders konnte, als ihr einen weiteren, verletzenden Hieb zu versetzen: „Weil Du es mir so in den Mund gelegt hast!“ damit war vorerst alles gesagt. Eilig verließ er das Zimmer, bevor er wohlmöglich zerknirscht feststellte, was für einen Unfug er da erzählt hatte und in einem verzweifelten Anlauf versuchte, seine unentschuldbaren Worte mit schnöden Phrasen wieder auszumerzen. Er hatte Robin einiges zum Nachdenken gegeben und würde auch selber ein wenig Zeit brauchen, um sich darüber klar zu werden, was gerade zwischen ihm und seiner Frau geschehen war. Und dafür war das Nachtlager auf dem Sofa hundertmal besser geeignet, als seine Hälfte eines nun ziemlich stark unterkühlten Ehebettes. April lag auf ihren linken Arm gestützt auf ihrem Kopfkissen und beobachtete seit gut einer Viertelstunde den zerzausten Blondschopf, der neben ihr auf Fireballs Seite des Bettes lag. Der kleine Wecker auf ihrem Nachttisch zeigte an, dass es gerade kurz nach sieben Uhr war, ziemlich früh eigentlich, wenn sie darüber nachdachte, dass sie bis spät in die Nacht kein Auge zugetan hatte. Eine leichte Röte stieg in ihren Wangen auf, als sie sich an die Geschehnisse der letzten Stunden erinnerte. Ein leichter Hauch der Leidenschaft, die zwischen ihr und dem Schotten entbrannt war, hing noch immer knisternd in der Luft und bescherte ihr kleine wohlige Schauer, die ihren Körper erzittern ließen. Dieses unerwartete Zwischenspiel in mehreren Akten, hatte sowohl ihr als auch Saber gut getan, daran bestand nach wie vor nicht der geringste Zweifel. Mittlerweile fragte sich April aber dennoch, ob es tatsächlich richtig gewesen war, dass sie ihrer Begierde nachgegeben hatten. Nach gut einem halbstündigen Vorspiel hatte Saber sie hinüber ins Schlafzimmer getragen, wo sie schließlich gegen drei Uhr morgens erschöpft aber zufrieden in seinen Armen eingeschlafen war. Jetzt, da der Morgen graute und die tiefen Gefühle verebbt waren, konnte sie die Lage ein wenig objektiver betrachten und war froh, dass Saber noch tief und fest schlummerte. So blieb ihr etwas Zeit, sich mit der neuen, ungewohnten Situation vertraut zu machen und zu überlegen, wie es nun wohl weitergehen würde. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über den Freund neben ihr wandern. Wie ironisch das Schicksal doch gelegentlich mit den Menschen umsprang! Gestern Abend noch hatte sie ihn für den Tod Fireballs verantwortlich gemacht und ihm förmlich ihren Hass vor die Füße geworfen, und nun lag er hier in ihrem Bett, nachdem sie sich gemeinsam einer ekstatischen und langen Liebesnacht hingegeben hatten. Seine Gesichtszüge wirkten entspannt und sein Atem ging in ruhigen, gleichmäßigen Zügen, was wohl sehr dafür sprach, dass er zumindest im Moment von Alpträumen verschont war. Er lag auf dem Bauch, den einen Arm schlaff aus dem Bett gehängt, den anderen dicht neben ihrer Schulter. Als sie aufgewacht war, hatte seine Hand noch auf ihrem Bauch gelegen, gerade so, als wollte er sicherstellen, dass sie sich nicht heimlich aus dem Staub machte. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, hatte sie die Hand beiseite geschoben und sich selber in eine bequemere Position gebracht, aus der sie Saber in aller Ruhe beäugen konnte. Offensichtlich war ihm irgendwann während des Schlafens zu warm geworden, denn er hatte die Bettdecke mit den Füßen beiseite getreten. Schmunzelnd betrachtete April den muskulösen Rücken und seinen durchtrainierten Po, beides Körperpartien, die sie kurz zuvor viel genauer kennen gelernt hatte, als sie das je zu träumen gewagt hätte. Eigentlich wäre es auch anständig gewesen, die Decke züchtig wieder an ihren richtigen Platz zu ziehen, aber sie genoss den Anblick irgendwie und musste sogar das Bedürfnis unterdrücken, die Konturen seines Körpers mit dem Zeigefinger nachzuzeichnen. Es war schön gewesen, sich für ein paar Stunden aus der Realität zu flüchten und nichts anderes wahrzunehmen, als Sabers Körper und die umwerfenden Gefühle, die er in ihr geweckt hatte, aber nun war es Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Zeit, in die unbarmherzige Wirklichkeit zurück zu kehren, die schwer und erdrückend vor ihr lag und mit allen Mitteln versuchte, ihr auch noch den letzten Funken Mut zu rauben. Aber dank Saber fühlte sie sich jetzt stark genug, dieser Herausforderung entgegen zu gehen. Sanft streichelte April die Hand des Säbelschwingers, um ihn möglichst ohne größeren Schock aus dem Schlaf zu holen: „Aufwachen, Schlafmütze!“ flüsterte sie eindringlich, während der Blondschopf sich träge zu rühren begann. Allerdings hatte die freundlich gemeinte Weckaktion zum Ergebnis, dass Saber, noch immer halb schummernd, instinktiv seinen Arm ausstreckte und seine Hand suchend über Aprils Körper wandern ließ, bis er eine ihrer Brüste gefunden hatte. Mit einem tief zufriedenen Lächeln schloss er seine Finger zärtlich um ihre weiche Rundung und drohte, wieder ganz in die Tiefen seines gesunden Schlafes zu versinken. Erschrocken und ärgerlich stellte April fest, dass seine Berührungen nach wie vor elektrisierend auf ihre Sinne wirkten und beeilte sich, die Hand so schnell wie möglich zu entfernen: „Saber, wach auf!“ murmelte sie nun schon entschiedener und schüttelte ihn sanft an der Schulter. Dieses Mal hatte sie mehr Erfolg. Mit einem unverständlichen Brummen öffnete Saber die Augen zu einem schmalen Zwinkern. April bemerkte, wie er sie schläfrig musterte und bedeckte etwas verschämt ihren entblößten Oberkörper mit ihrem Teil der Bettdecke. Trotz der vertrauten Intimität, die sie in der letzten Nacht unter dem Einfluss des Whiskys geteilt hatten, fühlte sie sich mit einem Mal unwohl, so nackt neben ihm zu liegen. Ein krächzendes „Guten Morgen“ nuschelnd stemmte sich Saber müde auf die Ellenbogen und schüttelte den zerzausten Blondschopf wie ein tropfnasser Pudel. Dann warf er der jungen Frau neben sich einen unsicheren Blick von der Seite zu. Er wollte etwas sagen, aber ihm fielen nicht die rechten Worte ein. Was sagte man zu der besten Freundin, nachdem man eine Flasche hochprozentigen Alkohols mit ihr geleert und anschließend eine ziemlich heiße Nacht mit ihr verbracht hatte? Er war sicher, Colt hätte ihm aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz einen perfekt auf die Situation abgestimmten Spruch anbieten können, aber der Cowboy war ja zum Glück nicht hier. Der Augenblick war so schon peinlich genug, auch ohne dass die mahnenden Blicke eines Dritten ihn daran erinnern mussten, wie sehr er sich selbst und seine Prinzipien vergessen hatte. „Hast Du…gut geschlafen?“ fragte April mit brüchiger Stimme und glühenden Wangen. Ganz offensichtlich war auch ihr die Situation unangenehm. Betreten fuhr Saber sich durch das strubbelige Haar. Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht? Erst verschuldete er durch eine Fehlentscheidung den Tod eines seiner Crewmitglieder und hatte dann nichts Besseres zu tun, als dessen am Boden zerstörte Verlobte mit Whisky abzufüllen und anschließend ins Bett zu zerren. War er denn von allen guten Geistern verlassen? „April, ich…“ was sollte er nur zu ihr erzählen? Dass es ihm über alle Maßen Leid tat? Sicherlich wäre das wohl das vernünftigste gewesen, aber wenn er ehrlich über die Sache nachdachte, tat es ihm eigentlich gar nicht leid. Natürlich sagte ihm sein Verstand, dass er einen törichten Fehler begangen hatte, aber sein Herz versuchte ihn gleichzeitig vom Gegenteil zu überzeugen. Er hatte sich schon lange nicht mehr so erleichtert und zufrieden gefühlt wie in dem Moment, in dem er mit April in den Armen eingeschlafen war. Verlegen sahen sich die beiden Freunde tief in die Augen. Wenn nicht bald einer von ihnen ein Wort über die Lippen brachte, egal welches, würden wahrscheinlich beide vor Anspannung explodieren. Doch das Schicksal meinte es in diesem Moment gut mit ihnen, oder zumindest machte es im ersten Moment den Anschein. Denn just, als April aufgrund des angehaltenen Atems drohte, an Sauerstoffmangel zu ersticken, drang vom Flur her ein leises Klopfen ins Schlafzimmer herüber und beendete die nervenaufreibende Stille. „Erwartest Du Besuch?“ Verständnislos schüttelte April den Kopf: „Hast Du mal auf die Uhr gesehen?“ zischte sie so leise wie möglich zurück, weil sie versuchte, auf weitere Geräusche von der Haustür zu achten. Wer konnte zu dieser unchristlichen Zeit die Dreistigkeit besitzen, sie zu stören? Das Klopfen wiederholte sich und wurde dieses Mal von einer männlichen Stimme begleitet: „April, bist Du schon wach?“ „Oh mein Gott“, ungeachtet ihrer Nacktheit sprang April wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett, „das ist Colt!“ Blankes Entsetzen stand Saber ins Gesicht geschrieben: „Was zur Hölle treibt der denn hier?“ unschlüssig, was er tun sollte, raffte er die Bettdecke an sich und stellte die Füße auf den Boden. „Woher soll ich das wissen“, als April sein Vorhaben erkannte, gebot sie ihm mit einer knappen Geste Einhalt, „Du rührst Dich nicht vom Fleck, ich werde versuchen, ihn irgendwie abzuwimmeln.“ Zweifelnd verfolgte der Schotte, wie sie hektisch zum Kleiderschrank sprintete und einen rosafarbenen Bademantel daraus hervorholte. „Würdest Du Dich bitte umdrehen, Himmel noch eins?“ fluchend drehte April dem Freund den Rücken zu, der mit einem verschreckten „Entschuldigung“ den Blick in Richtung Fenster lenkte. „Und keinen Mucks, klar!“ mit laut pochendem Herzen schaute der weibliche Star Sheriff ihren Boss warnend an, bevor sie die Schlafzimmertür hinter sich zuzog und eilig ihre Haare richtend zur Haustür lief. Colt war gerade im Begriff, sich wieder seiner Wege zu trollen, als unerwartet doch noch die Haustür zum Appartement seiner Freunde aufflog und eine vollkommen verwirrte April ihn mit großen Augen anstarrte. „Oh je, ich hab Dich geweckt, das wollte ich nicht“, verschämt zog sich der Cowboy den Hut ins Gesicht, „tut mir wirklich leid, Süße!“ „Colt“, in dem Moment, wo sie dem Scharfschützen von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, war Saber in ihrem Schlafzimmer und das Vorhaben, den Freund vor der Tür abzuwimmeln wie weg geblasen. Die Gefühle der vergangenen Nacht schlugen wieder in April hoch und sie konnte nichts anderes tun, als sich schluchzend an seinen Hals zu werfen, „wo bist Du so lange gewesen, Du verdammter Viehtreiber?“ Schützend schloss Colt seine Arme um ihren in einen watteweichen Bademantel gewickelten Körper und drückte sie beruhigend an sich: „Tut mir leid, Kleines. Weißt Du“, wie sollte er ihr sein wenig kameradschaftliches Verhalten nur erklären, „ich…ich hatte irgendwie keine Ahnung, was ich hätte sagen sollen…ich hab mich einfach nicht getraut.“ Erleichtert gab April dem unsicheren Cowboy einen tränenreichen Kuss auf die Wange: „Hauptsache, Du bist endlich da“, auffordernd griff sie nach seinen Händen und zog ihn mit sich in die Wohnung, „komm erst mal rein. Magst Du einen Kaffee?“ „Ja, gern.“ verwirrt nahm Colt seinen Hut vom Kopf und hängte ihn im Flur an einen der Kleiderhaken, bevor er der Freundin ins Wohnzimmer folgte. Sie hatte sich überhaupt nicht gewundert, dass er zu so einer merkwürdigen Zeit bei ihr aufgeschlagen war und machte einen völlig überdrehten Eindruck. Dieses Erscheinungsbild passte so gar nicht zu dem, was Robin über sie berichtet hatte. Lag das etwa daran, dass sie sich so sehr freute, ihn zu sehen? „Wie immer mit Milch und zwei Stücken Zucker?“ Colt trat in den Durchgang, der die Küche und das Wohnzimmer miteinander verband und lehnte sich gegen den Holzrahmen: „Ja, danke!“ skeptisch beobachtete er, wie April sich am Kaffeeautomaten zuschaffen machte. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er hatte eine emotionale Überreaktion von ihr erwartet, einen Heulkrampf, einen Wutausbruch, etwas in der Richtung. Aber stattdessen stand sie jetzt fast friedlich hier in der Küche und legte eine Kaffeedisc für ihn ein. Die paar Tränchen, die sie eben vergossen hatte, erschienen ihm doch wirklich etwas dürftig. „Wie geht es Dir denn?“ druckste er unsicher herum, weil er fürchtete, ihre aufgesetzte Gelassenheit könnte nur eine Art Selbstschutz sein, der durch seine Frage zum Einsturz gebracht wurde. Aber nichts dergleichen geschah. April drückte den Startknopf des Kaffeeautomaten und in zehn Sekunden war der frisch aufgebrühte Café crema in der Tasse. Milch und Zucker hatte sie bereits vorher hineingegeben, so dass sie jetzt nur noch kurz umzurühren brauchte und ihm die Tasse dann mit einem müden Lächeln in die Hand drückte: „Das weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau“, sie beobachtete beiläufig, wie der Cowboy den ersten Schluck Kaffee hinunterschluckte, „ich denke besser, seit ich weiß, dass Ihr wieder hier seid.“ „Hm“, nachdenklich rührte Colt in der Tasse herum, „Robin meinte, Du wärst ziemlich am Boden.“ Traurig nickte die Freundin und berührte ihn kurz an der Schulter: „Ich kann Dir ehrlich gesagt auch nicht sagen, warum ich im Moment so ruhig bin. Hättest Du mich gestern Abend erlebt, wärst Du wahrscheinlich fluchtartig aus der Wohnung gerannt.“ „April, ich“, der Star Sheriff hatte sich dieses erste Wiedersehen mit der Freundin ganz anders vorgestellt, viel gefühlvoller und aufwühlender, „ich weiß nicht richtig, was ich sagen soll. Es tut mir so leid!“ war er denn hier der einzige, dem es schlecht ging? „Du musst nichts sagen, Colt, es ist einfach nur schön, dass Du das bist“, wieder strich ihre Hand über seine Schulter, „das bedeutet mir so viel.“ Der Cowboy nickte verständnisvoll. Vielleicht tat er April ja ein wenig Unrecht und sie gab sich einfach nur alle Mühe, stark zu sein, während in ihrem Inneren ein heilloses Chaos tobte: „Ich musste einfach herkommen, weißt Du. Ich dachte, Du solltest…na, ja, Du würdest wissen wollen, wie…“ „Ich weiß schon, wie es passiert ist, Colt. Aber lieb von Dir, dass Du daran gedacht hast.“ „Du weißt es?“ Colt konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. Er hatte es von Anfang an als seine persönliche Aufgabe betrachtet, April die ganze Geschichte um Fireballs Tod so schonend wie möglich beizubringen, aber irgendjemand war ihm bereits zuvor gekommen: „Wer hat es Dir erzählt? Saber?“ Bei der Erwähnung des Säbelschwingers zuckte April kurz zusammen, schüttelte dann aber vehement den Kopf: „Ich habe mir die Aufzeichnungen der Blackbox angesehen.“ „Was“, diese Enthüllung war wie ein Schlag ins Gesicht, „Du hättest Dir diese Bilder nicht ansehen sollen, Kleines. Ich selbst würde alles dafür geben, wenn ich sie wieder aus meinem Gedächtnis löschen könnte.“ „Ich musste es tun, Colt“, fröstelnd schlang sie bei der Erinnerung an die grausigen Aufzeichnungen die Arme um den Oberkörper, „nur so konnte ich wirklich begreifen, dass Fire…“ neue Tränen stiegen ihr in die Augen und Colt beeilte sich, seine Tasse auf dem Esstisch abzustellen, um ihr tröstend einen Arm um die Schultern zu legen: „Ist schon gut, Süße. Wir können es glaube ich alle noch nicht ganz fassen.“ Dankbar nahm die Blondine die stärkende Schulter an, die der Cowboy ihr bot: „Saber hat gesagt, Du warst der letzte, der mit Fireball geredet hat?“ „Wann hat er Dir das denn gesagt?“ wollte Colt interessiert wissen, während er aufbauend ihren Arm streichelte. War der Säbelschwinger etwa noch am vergangenen Abend hier gewesen? „Gestern, kurz nach Eurer Ankunft“, April machte einen etwas nervösen Eindruck, „er hat mich gefunden, als ich mir die Aufzeichnungen im Cockpit angesehen habe.“ Ihre Stimme hatte sich verändert und der Cowboy fragte sich, was bei diesem Zusammentreffen wohl vorgefallen war. Als er kurz zuvor Sabers Namen erwähnt hatte, war sie auch schon so komisch gewesen: „Habt Ihr…ich meine, gab es irgendwie Streit, oder so?“ es war lediglich so ein Gefühl. Kleinlaut versuchte April ihre Tränen fortzuwischen und druckste ein wenig herum: „Na, ja, nicht direkt.“ Colt sah sich in seiner These durch diese Antwort mehr als bestätigt: „Und was heißt nicht direkt genau?“ er spürte, dass April sich in seiner Umarmung mehr und mehr unwohl fühlte und lockerte seinen Halt ein wenig. „Ich war völlig aufgelöst wegen der Bilder, die ich gesehen habe und bin wie eine Valküre auf ihn losgegangen.“ Schniefte sie reumütig und schloss betreten die Augen. Etwas Ähnliches hatte Colt bereits befürchtet. Das war einer der Gründe gewesen, weswegen er gerne zuerst mit ihr gesprochen hätte: „Es war nicht seine Schuld, April, auch wenn er das glaube ich anders sieht!“ „Ja, ich weiß“, nickte April schwach, „hat ein bisschen gedauert, aber ich bin dann doch noch drauf gekommen, dass ich mich ihm gegenüber ziemlich mies verhalten habe.“ „Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir die Mission direkt nach dem ersten Dimensionssprung abgebrochen, aber Fire und ich haben ihn überredet weiterzumachen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke“, die Selbstzweifel und Schuldgefühle kehrten zurück und machten dem Scharfschützen schwer zu schaffen, „eigentlich hättest Du mich anstelle von Saber anschreien müssen, denn wenn einer Schuld an Fires Tod hat, dann bin ich das.“ Zärtlich lächelnd drückte April seine rechte Hand und schüttelte flüchtig ihre zerwühlten blonden Haare: „Star Sheriffs können wohl nicht anders, als sich ständig die Schuld für Dinge in die Schuhe zu schieben, für die eigentlich niemand etwas kann, oder?“ „Aber April, ich…“ „Sch“, mahnend legte sich einer ihrer Finger auf seine Lippen, „lass es gut sein, Colt. Hör auf, Dich so zu quälen, es ist doch auch so schon schlimm genug, oder?“ „Mag schon sein“, durcheinander fuhr Colt sich über die Augen, „aber trotzdem muss ich Dir noch etwas erzählen!“ er nahm die Hand, mit der sie eben versucht hatte, ihn zum Schweigen zu bringen und wollte sie hinüber zum Sofa ziehen, damit er endlich sein Herz erleichtern konnte. Denn deswegen war er ja schließlich gekommen. Als sein Blick flüchtig durchs Zimmer streifte, entdeckte er allerdings etwas, was ihm vorher beim Reinkommen noch nicht aufgefallen war. Verwirrt ließ er April los und bückte sich, um ein blaues Hemd aufzuheben, das zerknüllt vor der Couch gelegen hatte: „Wo kommt das denn her?“ er konnte sich nicht erinnern, Fireball je in so einem Hemd gesehen zu haben und nahm ganz stark an, dass es auch nicht April gehörte. „Oh, das…“ April verschluckte sich beinahe vor Entsetzen und riss dem Cowboy eilig das Bekleidungsstück aus den Händen, „ähm, das ist… äh…“ Ihre kläglichen Erklärungsversuche gingen in einem kleinen Ausruf unter, als Colt ein noch viel eindeutigeres Indiz auf dem Sessel entdeckte: Sabers Säbel. Als er entschlossen danach griff, glaubte April erneut in Ohnmacht fallen zu müssen, aber leider tat ihr Körper ihr diesen Gefallen nicht. Sie musste sich mit schuldiger Miene dem fragenden Blick des Scharfschützen stellen, der ihr die Waffe direkt unter die Nase hielt: „Und was, bitte schön, macht der hier?“ „Ähm, tja, das ist so…“ Aprils ganzer Körper glühte wie ein Stück Holzkohle auf einem Barbecuegrill, „weißt Du…“ „Was zum Henker ist hier los, April“, Colts Augen durchbohrten sie misstrauisch, „ich komme in der Annahme hierher, dass Du wie ein Haufen Elend in der Ecke sitzt und Dich vor Kummer schon fast aufgegeben hast, aber Du machst entgegen allen Erwartungen einen ziemlich gefassten Eindruck und hortest hier Sabers halben Hausstand in Deinem Wohnzimmer. Oder willst Du mir etwa weismachen, dass das nicht sein Hemd ist?“ in was für ein merkwürdiges Spiel war er da hinein geraten? „Ach, Colt“, entschuldigend hob April die Arme und rang verzweifelt nach den passenden Worten, „das ist alles etwas kompliziert.“ „Keine Sorge“, der Cowboy ließ den Säbel zurück auf den Sessel fallen und stemmte die Hände erwartungsvoll in die Hüften, „ich hab ’ne Menge Zeit!“ In diesem Moment flog die Schlafzimmertür auf und Saber trat mit entblößtem Oberkörper und leicht unsicherem Blick hindurch: „Ich aber ehrlich gesagt nicht!“ er hatte seine Haare weitestgehend unter Kontrolle gebracht und seine schwarze Hose bereits wieder angezogen. Unter Aprils entsetzten und Colts verständnislosen Blicken kam er herüber zu ihnen und nahm April das Hemd aus den Händen. „Kann mir mal einer erklären, was hier vor sich geht?“ der Cowboy blickte irritiert von einem Freund zum anderen und fragte sich, ob er wohlmöglich träumte. Was hatte Saber morgens um halb acht in Aprils Schlafzimmer zu suchen? Und vor allem, warum war er halb nackt, sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen und warum lag sein Hemd zerknüllt im Wohnzimmer? April neben ihm keuchte schwer: „Das verstehst Du also unter keinen Mucks, ja!“ zornig funkelte sie den Säbelschwinger an, der völlig ungerührt in sein zerknittertes Kleidungsstück schlüpfte: „Ist genauso frei ausgelegt wie Dein Abwimmeln, würde ich meinen!“ Und schlagartig dämmerte Colt, in was für eine unangenehme Situation er hier hineingeplatzt war. Fassungslos deutete er mit ausgestrecktem Zeigefinger erst auf April und dann auf Saber: „D…Du…Ihr…habt“, er wurde feuerrot im Gesicht und wünschte, der Boden möge ihn verschlingen, „Ihr habt…doch nicht etwa?“ „Ach Colt…“ um Verständnis heischend trat April zu ihm und wollte versuchen, die Situation zu erklären, aber der Cowboy gab ihr keine Gelegenheit dazu: „Bleib wo Du bist“, abwehrend riss er die Arme in die Luft und machte einen Schritt zurück, wobei er über den Couchtisch stolperte und der Länge nach zu Boden stürzte, „das glaube ich einfach nicht!“ trotzig schlug er Sabers Hand aus, der ihm aufhelfen wollte und rappelte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder auf die Beine. Er musste hier weg, so schnell es nur ging. „Colt, jetzt bleib gefälligst hier und benimm Dich wie ein Erwachsener!“ Saber eilte ihm in den Flur nach, wo der Freund hastig nach seinem Hut griff und ihn sich eng auf den Kopf drückte: „Kein Wort, ich will kein Wort hören! Ich will das nicht mal gesehen haben!“ er riss hitzig die Tür auf und warf seinem Boss einen letzten giftigen Blick zu: „Man, und Dir wollte ich noch den Rücken decken!“ „Colt“, eindringlich fasste Saber nach der Schulter des Freundes, um ihn am Fortgehen zu hindern, denn er wusste, dass es die Situation nur schlimmer machen würde, wenn der Cowboy erst Gelegenheit bekam, eingehend über die Enthüllungen dieses Morgens nachzudenken, „lass es mich doch erklären!“ „Nimm Deine Finger weg, hombre!“ mit einem zielsicheren Rechtsschwinger fuhr Colt zu dem Schotten herum und verpasste ihm einen Kinnhaken, der den Freund umsehendst zu Boden schickte. April schrie entsetzt auf: „Seid Ihr denn wahnsinnig geworden“, mit ein paar eiligen Schritten war sie bei Saber und kniete sich neben ihn. Seine Lippe war aufgeplatzt und blutete, aber unternahm zum Glück keinen Versuch, sich für diesen unvorbereiteten Angriff zu revanchieren, „kannst Du zur Abwechslung nicht einfach nur mal verbale Prügel verteilen?“ vorsichtig tupfte sie das Blut mit dem Ärmel ihres Bademantels ab. Colt konnte es einfach nicht fassen: „Ja klar, gib mir die Schuld. Colt, der ewige Raufbold, was? Tu Dich doch mit meinem Frauchen zusammen und gründe den Anti-Cowboy-Club!“ war er denn zu gut für diese Welt, oder einfach nur unheimlich dämlich? Da ließ er sich von Saber Vorträge wegen seiner Flirterei mit Christa machen, bekam sogar ein schlechtes Gewissen deswegen und dieser verdammte Schotte hatte nichts Besseres zu tun, als April… Er wollte nicht einmal darüber nachdenken, so zuwider war ihm die Vorstellung. „Himmel, was redest Du da für einen Stuss? Was hat denn Robin jetzt damit zu tun?“ April reichte Saber eine Hand, um ihm auf die Beine zu helfen, obwohl der Schlag nicht so heftig gewesen war, dass er es nicht auch allein geschafft hätte. Aber der Highlander genoss es auf eine ziemlich gehässige Weise, April vor den Augen des Cowboys zu berühren und ihre Hand zu halten. Colt überging die Frage nach Robin gewissenhaft: „Ist doch scheiß egal. Sag mir mal lieber, wie lange das zwischen Euch schon so geht!“ „Man, würdest Du vielleicht noch lauter brüllen“, zischte April ihn wütend an und stieß ihn grob gegen die Brust, „ich schätze, Du hast immer noch nicht alle Nachbarn aus dem Schlaf gerissen.“ Eine Feststellung, die den Cowboy nur geringfügig beeindruckte: „Wie lange?“ „Dir ist doch nicht zu helfen“, bitter legte Saber einen Arm um Aprils Schultern und wollte sie wieder zurück in die Wohnung bugsieren, „lass uns wieder reingehen, soll er doch denken, was er will.“ Aber das sah April ganz anders. „Nein, soll er nicht“, zänkisch macht sie sich aus der Umarmung frei und baute sich anklagend vor Colt auf, „glaubst Du wirklich, ich wäre in der Lage gewesen, Fireball zu betrügen?“ Gleichgültig zeigte der Cowboy ihr die kalte Schulter: „Offensichtlich schon!“ so ganz hundertprozentig sicher war er sich da allerdings nicht. „Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass man unter bestimmten Voraussetzungen Dinge tut, die man unter normalen Umständen niemals tun würde?“ Bevor Colt mit einer passenden Antwort auf diesen lächerlichen Erklärungsversuch reagieren konnte, zog Saber April gebieterisch durch die Haustür: „Glaub mir, April“, er warf dem Freund einen letzten vielsagenden Blick zu, „das weiß keiner so gut wie unsere Nummer eins!“ Als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, herrschte April den Blondschopf übellaunig an: „Hör auf, mich wie ein kleines Kind rumzuschupsen. Nur weil ich eine Nacht lang das Bett mit Dir geteilt habe, heißt das noch lange nicht, dass du mich jetzt bevormunden darfst!“ Saber ließ sie sofort los: „Tut mir leid, aber ich fand es ziemlich sinnlos, noch weiter mit diesem verbohrten Kerl diskutieren zu wollen.“ „Ich hätte aber durchaus gerne noch mit ihm diskutiert“, aufgebracht stürmte der weibliche Star Sheriff ins Wohnzimmer, „ich will nicht, dass er irgendwas in den falschen Hals kriegt.“ „Also mal ehrlich, April“, Saber lehnte sich lässig gegen den Sessel und befühlte vorsichtig seine anschwellende Lippe, „was gibt es denn dabei großartig in den falschen Hals zu bekommen. Du kannst nicht abstreiten, dass… „Mensch, Du weißt, was ich meine“, April konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Schotte es richtig genoss, Colt mit seinem plötzlichen Erscheinen einen ernsten Schock verpasst zu haben, „das war ein einmaliger Ausrutscher und er muss gleich so eine Sache daraus machen!“ theatralisch breitete sie die Arme aus, als wollte sie den ganzen Planeten damit umarmen. Auf Sabers Gesicht zeichnete sich ein zynisches Grinsen aus: „Du meinst wohl eher ein dreimaliger Ausrutscher, aber ich verstehe schon, worauf Du hinaus willst.“ „Colt denkt jetzt, wir hätten eine Affäre miteinander“, April spürte eine starke Übelkeit in sich aufsteigen und atmete deshalb in tiefen Zügen ein und aus, „dabei haben wir lediglich…“ „Trost beieinander gesucht? Uns gegenseitig von der Realität abgelenkt?“ „Nenn es, wie Du willst“, sie hatte das Gefühl, als würde sich jede Sekunde ihr Magen nach außen stülpen, „ich will nur nicht, dass irgendwer diesem Ganzen zuviel Bedeutung beimisst. Vor allem nicht Colt!“ „Schon klar, in dem Punkt sind wir uns…“ erschrocken sprang Saber beiseite und blickte April verdutzt hinterher, die jäh an ihm vorbeipreschte, die Hände fest auf den Mund gepresst, und sich eiligst ihren Weg ins Badezimmer bahnte. Der Blondschopf hörte, wie hastig der Toilettendeckel hochgeklappt wurde, gefolgt von den würgenden Geräuschen, die die Freundin verursachte, als sie sich keuchend übergab. Kapitel 16: Gefühlschaos ------------------------ Gefühlschaos „Mein Gott…“ flüsterte Saber erstickt und warf einen bestürzten Blick auf April, die ihm zum Glück den Rücken zugewandt hatte. Sie kniete noch immer vor der Toilette im Bad ihres Appartements und wartete sehnsüchtig, dass der Brechreiz endlich nachließ. Angestrengt hielt sie mit einer Hand ihre blonden Haare zurück, während sie sich die andere fest auf den Magen presste. Beim Anblick dieses mitleiderregenden Bildes fügte sich in Sabers Kopf endlich das letzte Puzzle-Stück in das Gesamtwerk ein, nachdem er so lange vergeblich gesucht hatte. Mit einem Mal war ihm alles so klar, ergab alles irgendwie einen Sinn. Und gleichzeitig erkannte er die fürchterliche Ironie und die Grausamkeit des Schicksals, das April so bitter mitgespielt hatte. Ächzend erhob sich die junge Frau und betätigte die Toilettenspülung, dann wandte sie sich abgekämpft zum Waschbecken. Immer wieder hielt sie ihre Hände wie einen Kelch unter den fließenden Hahn und tauchte ihr Gesicht dann in die kalte klare Pfütze. Als sie diese Prozedur das vierte Mal wiederholt hatte, trat Saber neben sie und drehte den Wasserhahn zu. Mitfühlend griff er nach einem Handtuch, das über der Heizung hing und streckte es ihr stumm entgegen. „Es geht schon“, dankbar nahm sie es dem blonden Schotten ab und verbarg ihr nasses Gesicht in dem anschmiegsamen Frottier, „ich glaube, meine Nerven spielen langsam verrückt!“ sie versuchte ein zaghaftes Lächeln aufzusetzen, erstarrte aber unwillkürlich, als sie die Erkenntnis in den Augen des Freundes sah. Es kam April so vor, als würde er mit seinem durchdringenden Blick direkt bis zu ihren geheimsten Gedanken vordringen. „Wie lange weißt Du es schon?“ Die junge Frau geriet in Panik. Wie viel Spekulation steckte hinter dieser Frage und wie viel wusste Saber tatsächlich? Vielleicht konnte sie das Thema ja noch einmal umgehen, indem sie sich einfach dumm stellte: „Mach Dir keine Sorgen, ist nur eine kleine Magenverstimmung. Das geht auch wieder vorbei!“ „So, Magenverstimmung, ja“, Saber packte sie fest am Unterarm und führte sie schnurstracks hinüber zum Sofa, wo er sie sanft aber bestimmt in die Polsterung drückte, „Du hörst jetzt auf, mir irgendwelche hanebüchenen Märchen zu erzählen, klar!“ er nahm dicht neben ihr Platz und hielt sie weiterhin fest, damit sie ihm nicht entfleuchen konnte. „Was denn für Märchen? Ich hab doch…“ „April, ich weiß bescheid“, seine Augen drückten eine tiefe Besorgnis aus, die April beinahe zu Tränen rührte, „ich bin zwar nur ein Mann, aber ich bin nicht blöd, okay.“ Ergeben nickte der weibliche Star Sheriff und senkte betreten die Augen: „Irgendwann hättest Du es ja sowieso erfahren.“ „Seit wann weißt Du es?“ wiederholte Saber seine Frage so ruhig wie möglich, auch wenn ihr widerwilliges Eingeständnis geradewegs eine Lawine in seinem Inneren losgetreten hatte. Wieso war es ihm nicht schon längst aufgefallen. Er hätte es doch in dem Moment ahnen müssen, als sie sich gegen die Mission entschieden hatte. Was sonst hätte sie davon abhalten können, mit Fireball gemeinsam nach dessen Vater zu suchen? April schniefte vernehmlich und fuhr sich mit der Hand über die leicht gerötete Nase: „Seit dem Tag, als Daddy uns die Nachricht vorgespielt hat.“ „Oh man, April“, rastlos erhob sich Saber wieder und begann im Zimmer hin und her zu tigern, „Du hättest es mir sagen müssen, dann hätte ich doch gestern nie…“ „Was“, erbost stütze April das Kinn auf die rechte Faust und beobachtete den Freund bei seiner kleinen Wanderschaft, „mit mir geschlafen? Ich kann Dich beruhigen, es ist nicht ansteckend!“ Unwirsch schüttelte der Schotte den Kopf: „Blödsinn! Ich hätte Dir keinen Alkohol angeboten“, er langte nach der leeren Whiskyflasche und betrachtete sie einen Moment skeptisch, dann warf er sie mit einem lauten Seufzen in den Sessel, „das war unverantwortlich.“ „Und ich dachte schon, Du willst jetzt von Reue zerfressen vor mir auf die Knie fallen und um Vergebung betteln.“ April versuchte die leere Flasche zu ignorieren, denn ihr war selber nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass sie sich am vergangenen Abend einen kleinen Dusel angetrunken hatte. Aber es war ja jetzt sowieso nicht mehr zu ändern. „Bereust Du es denn?“ das war genau die Frage, auf die April eigentlich schon seit Sabers Aufwachen gewartet hatte. Trotzdem fiel ihr jetzt, da sie im Raum stand, keine passende Antwort dazu ein. Bereute sie es? Hätte er sie das noch während der Nacht gefragt, wäre ihre Antwort ein eindeutiges „Nein“ gewesen. Sie hatte sich in diesen Stunden der körperlichen Nähe so unheimlich erleichtert gefühlt und völlig losgelöst von jeglichen Problemen. Aber jetzt wurden ihr langsam die Konsequenzen ihres Handelns bewusst. Sie hatten Colt unbeabsichtigt einen üblen Stoß vor den Kopf verpasst, der ihre tiefe Freundschaft vielleicht für alle Zeiten beeinträchtigen würde, und ganz allmählich schlich sich auch immer mehr der Gedanke daran in ihren Kopf, was wohl Fireball von dieser ganzen Geschichte gehalten hätte. Was hätte sie gedacht, wenn die Situation andersherum gewesen wäre? Wenn sie gestorben und Fireball allein zurückgeblieben wäre und sich Hals über Kopf in ein Liebesabenteuer mit, ja, vielleicht mit Robin gestürzt hätte? Diese Vorstellung war so merkwürdig, mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Tote ja gar nicht mehr in der Lage waren zu denken, dass April sie schnell wieder verdrängte. Sie mochte sich den Rennfahrer nicht zusammen mit einer anderen Frau vorstellen, das tat einfach zu sehr weh. Darüber hinaus war das Beispiel auch noch schlecht gewählt gewesen, denn Robin hatte ja nach wie vor Colt, wogegen Saber quasi frei wie ein Vogel war. „Was meinte Colt eben eigentlich, von wegen Cowboy-Hasser“, sie legte den Kopf schräg und sah Saber forschend an, wohl wissend, dass sie seiner Frage auswich, „haben er und Robin irgendwie Streit?“ „Keine Ahnung“, der Schotte lehnte sich in den Durchgang zur Küche, wie es der Cowboy kurz zuvor auch getan hatte, „würde mich aber ehrlich gesagt nicht verwundern!“ April fiel der kleine Disput zwischen den Freunden wieder ein, der sich kurz vor dem Dimensionssprung noch via Comline zugetragen hatte: „Wegen Christa?“ Robin hatte ihr zwar versichert, dass sie Colt bezüglich dessen Beteuerungen seiner Unschuld Glauben schenkte, aber die Tatsache, dass der Cowboy mit dem rothaarigen Lieutenant geflirtet hatte, stand außer Frage. Sicherlich hatte Robin ihrem Mann erst einmal ordentlich die Leviten gelesen, nachdem sie zu Hause angekommen waren. „Du hast meine Frage nicht beantwortet!“ Saber musterte sie eindringlich, um zu sehen, wie sie auf die Rückführung zum eigentlichen Thema reagierte. Der Ausdruck eines Gesichtes konnte manchmal soviel mehr sagen, als tausend wohl überlegte Worte. April schluckte schwer: „Du meine auch nicht!“ „Aber ich habe zuerst gefragt“, ungeduldig trommelten Sabers Finger gegen den Holzrahmen in seinem Rücken, „und es ist unhöflich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten!“ Der weibliche Star Sheriff sah ein, dass es wohl keinen Zweck mehr hatte, noch länger auf Zeit zu spielen. Saber war mehr als versessen darauf, seine Antwort zu bekommen und würde nicht eher Ruhe geben, bis sie sich zufrieden stellend geäußert hatte: „Die Gegenfrage, ob Du es denn bereust, lässt Du dann wohl auch nicht zu, oder?“ „Scharfsinnig beobachtet, Sherlock!“ erwiderte der Schotte gelassen und verzog keine Miene. April ärgerte sich ein wenig, dass sie nicht so schlau gewesen war, ihn zuerst zu fragen. Nun saß sie in einer Zwickmühle, aus der es kein Entrinnen gab. Je nachdem wie Saber tatsächlich über ihren Absturz dachte, könnte ihm das Eingeständnis von Reue einen Schlag ins Gesicht versetzen. Andererseits war es aber genauso gut möglich, dass das Nichtvorhandensein der selbigen ihn in die Ecke drängte, weil er dann vielleicht glaubte, April könnte mehr in ihrer gemeinsamen Nacht sehen, als nur die verzweifelte Suche nach Trost. „Tja, wenn Du es unbedingt wissen möchtest“, verlegen kratzte April sich am Kopf und versuchte, sich ihrer Gefühle klar zu werden, „wenn ich daran denke, dass Colt wahrscheinlich kein Wort mehr mit uns reden wird und Fireball wohl auch wenig Verständnis dafür aufgebracht hätte…“ „Worauf Du Dich verlassen kannst!“ Saber erinnerte sich nur zu gut an die Auseinandersetzung im Aufenthaltsraum ihres Kampfschiffes, als Fireball ihm unterschwellig vorgeworfen hatte, er würde mit April anbandeln. Zum damaligen Zeitpunkt wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass er sich diesem Vorwurf irgendwann ernsthaft würde stellen müssen. Traurig stimmte ihm April durch ein kurzes Kopfnicken zu, obwohl sie von den Streitigkeiten an Bord Ramrods natürlich nichts wusste: „Ich denke, es war ein Fehler, ja. Aber wir sind niemandem Rechenschaft dafür schuldig, was wir getan haben“, zappelig spielte sie mit der Kordel ihres Bademantels herum, „und ich bereue es auch nicht.“ Sie sah, wie sich Sabers Züge bei ihren Worten deutlich entspannten und konnte förmlich das laute Plumpsen des Steins hören, der ihm vom Herz fiel. Offenbar hatte sie die richtige Antwort ausgewählt, die zu ihrer großen Erleichterung auch noch ehrlich gewesen war. „Weißt Du, wie froh ich bin, dass Du das sagst“, der Säbelschwinger stieß sich von der Wand ab und kam mit schlurfenden Schritten zu ihr zurück, „denn wenn Du es auch noch bereuen würdest, müsste ich mir jetzt doppelte Vorwürfe machen.“ Müde ließ er sich auf dem Couchtisch gegenüber April nieder und griff mit gesenktem Blick nach ihren Händen: „Es tut mir leid, dass es soweit gekommen ist“, zärtlich strichen seine Daumen über ihre Handrücken, die unter den Berührungen leicht erzitterten, „und ich hoffe, dass Du mir irgendwann vergeben kannst.“ Was sollte das nun wieder bedeuten? Verstört duckte sich April zur Seite und versuchte so, einen Blick auf das verschlossene Gesicht des Schotten zu erhaschen. Er hatte die Augen fest geschlossen und murmelte stumme Worte vor sich hin, deren Bedeutung sie von seinen Lippen nicht ablesen konnte: „Heißt das etwa, dass DU es bereust?“ sie spürte wieder dieses flaue Gefühl in der Magengegend, wusste aber, dass es dieses Mal nichts mit ihrem körperlichen, sondern eher mit ihrem seelischen Zustand zu tun hatte. Wie konnte es sein, dass Saber trotz fehlender Verpflichtungen unter ihrem Ausrutscher litt, während sie ihr Tun mühelos damit verteidigte, dass sie einsam und hilflos gewesen war. Es war absurd, aber mit einem Mal meldete sich in April das schlechte Gewissen, weil sie wegen der Nacht mit Saber bislang kein schlechtes Gewissen gehabt hatte. Ergab das einen Sinn? Sie fragte sich, ob sie verpflichtet war, sich schuldig zu fühlen, weil Saber sich schuldig fühlte, oder ob sie sich einfach nur ärgerte, weil der Freund offenbar über ein feineres Taktgefühl verfügte, als sie es tat. Denn wie sonst war zu erklären, dass sie vom Moment des ersten Kusses an nicht eine Sekunde lang mehr an Fireball gedacht hatte, Saber aber gerade unter der Last der Schuld zusammenschrumpfte, wie eine gammelnde Kartoffel? So sehr sie die Dinge auch drehte und wendete, sie konnte nichts Falsches daran entdecken, dass sie die Zuwendung des Säbelschwingers genossen hatte. Worin lag das Vergehen, sich für einen begrenzten Zeitraum aus einer Realität herauszuwinden, die so niederschmetternd war, dass man sie eigentlich gar nicht ertragen konnte. Dafür gab es doch so viele andere Dinge, die sie sich zum Vorwurf machte, angefangen damit, dass sie Fireball nicht von der Mission abgehalten hatte, über die Frage, ob ihr Verlobter noch leben würde, wenn sie mit in die Phantomzone gegangen wäre, bis hin zu ihrem letzten Gespräch, bei dem sie ihm nicht einmal mehr gesagt hatte, wie sehr sie ihn liebte. Saber wagte es noch immer nicht, sie direkt anzusehen: „Versteh mich bitte nicht falsch, April, diese Nacht war wunderschön“, hierbei drückte er ihre Hände ganz fest und brachte Aprils Herz dazu, einen kleinen Satz zu machen, „und sie war glaube ich genau das, was wir beide gebraucht haben.“ Dieses Mal war sie es, die zur Bestätigung ihre Hände für sich sprechen ließ: „Warum machst Du Dir dann solche Vorwürfe? Es ist nichts geschehen, was wir nicht beide wollten, oder?“ „Das schon, aber ich fürchte, dass es aus verschiedenen Beweggründen geschehen ist!“ Erschrocken wich April ein Stück zurück. „Oh, keine Sorge“, ein lahmes Grinsen zog Sabers Mundwinkel ein wenig in die Höhe, „nicht das, was Du denkst!“ zumindest glaubte er, die Gedankengänge hinter Aprils panischer Reaktion erkannt zu haben, und die Röte, die die Ohren der Blondine zum Glühen brachten, bestätigten seine Vermutung. Aber sie versuchte sogleich, ihre Unbehaglichkeit mit Lässigkeit zu überspielen: „Wieso, was habe ich denn gedacht?“ unbewusst griff sie wieder nach der rosafarbenen Bademantelkordel und strafte ihre aufgesetzte Gelassenheit dadurch Lügen, dass sie sie unkonzentriert um ihre Finger wickelte. „Dass ich vielleicht mehr für Dich empfinden könnte, als nur Freundschaft?“ Aprils Mund fühlte sie wie ausgedörrt an, als Saber sie mit seinen stahlblauen Augen prüfend ansah. Seine Nähe bedrängte sie plötzlich und sie wünschte inständig, er würde endlich gehen: „U…Unsinn, warum s…sollte ich s…so was denken?“ mulmig rückte sie noch ein Stückchen von ihm fort, was Saber dazu brachte, ein tiefes, ungezwungenes Lachen von sich zu geben: „Weil Du mich gerade ansiehst, wie Rotkäppchen den bösen Wolf. Aber diesbezüglich brauchst Du Dir wirklich keine Sorgen zu machen“, fast entschuldigend lächelte er sie an, „es hat sicherlich einmal Zeiten gegeben, in denen ich von so einer Nacht wie der gestrigen geträumt habe, aber das ist schon ein Weilchen her.“ Erleichtert stieß April die angehaltene Luft aus und ließ die angespannten Schultern nach unten sinken, während sie sich fast gleichzeitig verwundert fragte, wann es wohl gewesen sein mochte, dass Saber solchen Träumen nachgehangen hatte. Es war ein abstruser Denkansatz, dass sich trotz früherer gegenseitiger Gefühle für einander nie etwas Ernstes zwischen ihnen entwickelt hatte, sie aber längst nach dem Erkalten dieser Gefühle doch noch zusammen im Bett gelandet waren. „Und was genau waren jetzt Deine Beweggründe?“ interessiert rückte sie wieder ein Stückchen näher. „Weißt Du“, zögerlich knöpfte Saber die Ärmel seines Hemdes zu, weil er darin ein Möglichkeit sah, April nicht anschauen zu müssen, „bevor wir aufgebrochen sind, habe ich Cynthia einen Brief geschrieben, in dem ich versucht habe, ihr meine Gefühle für sie zu erklären…“ „Oh Saber“, unterbrach die Blondine ihn erschrocken und schlug sich kurz die Hand vor den Mund, „an Cynthia habe ich überhaupt nicht mehr gedacht.“ Wie hatte sie nur so unsensibel sein können, die große Liebe des Schotten einfach zu verdrängen? Da faselte sie die ganze Zeit etwas von nicht vorhandenen Verpflichtungen und Ungebundenheit, dabei hatte Saber vor ein paar Stunden die Frau betrogen, der er sein Herz geschenkt hatte. Wie schrecklich musste er sich jetzt nur fühlen: „Wirst Du…ihr davon erzählen?“ wie würde die junge Frau wohl auf ein so ungeheuerliches Geständnis reagieren? Würde sie Saber wohlmöglich den Laufpass geben? Nun wurde April doch von echten Schuldgefühlen heimgesucht, weil sie dem Freund durch ihr unüberlegtes Verhalten jede Menge Ärger eingebrockt hatte. Immerhin hatte er noch den schwachen Versuch unternommen, das fast Unabwendbare zu verhindern, als sie des Denkens schon nicht mehr fähig gewesen war. Zu Aprils Überraschung schüttelte Saber unglücklich den Kopf: „Ich glaube nicht, dass sie sich noch dafür interessiert, was ich tue oder lasse“, er stützte die Unterarme auf seinen Beinen ab und ließ die Hände untätig zwischen den Knien baumeln, „sie hat auf meinen Brief geantwortet, während wir in der Phantomzone waren.“ „Was hat sie geschrieben?“ gebannt schob April sich den linken Daumen in den Mund und bemerkte gar nicht, wie sie begann, vor Spannung am Fingernagel zu knabbern. „Nicht besonders viel. Sie hat meinen Brief ungeöffnet zurück geschickt und mir ziemlich knapp aber eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie keinen weiteren Kontakt mit mir wünscht.“ Von tiefem Mitgefühl überwältig zog April den Schotten zu sich aufs Sofa und schlang tröstend die Arme um ihn, so wie er es am Abend zuvor bei ihr getan hatte: „Ach Saber“, mitfühlend lehnte sie ihren Kopf gegen seinen, „warum hat sie das gemacht? Ich dachte, ihr zwei…“ „Wir haben uns schon vor einiger Zeit ziemlich gestritten“, froh darüber, endlich mit jemandem über seine verletzten Gefühle reden zu können, barg Saber seinen Kopf schutzsuchend an Aprils Schulter, „ich habe damals ein paar ziemlich dumme Sachen gesagt, die ich versucht habe, in dem Brief zu erklären. Aber anscheinend habe ich mir damit ein wenig zu lange Zeit gelassen. Herrje, ich war so ein blöder Idiot! Eigentlich kann ich gut verstehen, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben will!“ April konnte nachfühlen, was sich im Moment in Sabers Herz abspielen musste, denn wie schwer der Verlust eines geliebten Menschen wog, hatte sie ja am eigenen Leib erfahren. Da spielte das wie und warum des Verlustes erst mal nur eine untergeordnete Rolle: „Was hast Du denn nur zu ihr gesagt?“ sie konnte kaum glauben, dass ein so einfühlsamer und guter Mensch wie ihr Anführer dazu fähig war, jemand anderem durch unbedachte Worte weh zu tun. Und besonders nicht Cynthia, von der sie doch wusste, wie vernarrt er in sie war. „Tut doch nichts mehr zur Sache“, entschieden löste sich Saber aus ihrer Umarmung und stand auf, „es ist nun mal passiert und ich kann es nicht ungeschehen machen. Aber ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ihr Brief mir nach unserem ersten Treffen auf Ramrod gestern so ziemlich den Rest gegeben hat.“ „Saber, ich…“ „Nein, April ist schon gut“, unterbrach er ihre kleinlauten Worte sofort, „Du hast Dich mehr als einmal dafür entschuldigt, ich will kein Wort mehr darüber hören. Ich wollte nur versuchen, Dir zu erklären, weshalb ich mich gestern so…aufgeführt habe.“ Verständnisvoll stand April auf, die Hände wieder an der rosafarbenen Kordel: „Dann hatten wir aber doch die gleichen Beweggründe, wenn Du mich fragst“, sie nahm Sabers Säbel vom Sessel und wog ihn vorsichtig in der rechten Hand, „ich habe Fireball verloren und Du Cynthia. Ich denke, wir sind quitt.“ Grob entriss Saber ihr den Säbel und legte sich den Gürtel um die Hüften: „So ein Unsinn, das kannst Du überhaupt nicht miteinander vergleichen. Ist ja nett von Dir, dass Du mich in Schutz nehmen willst, aber…“ „Wer sagt denn, dass ich Dich in Schutz nehme“, April sah, dass Sabers Hände zu sehr zitterten, als dass er die Schnalle seines Gürtels auf Anhieb allein zubekommen hätte, also packte sie beherzt mit an und half ihm, „es gibt in der Tat einen gravierenden Unterschied, um den ich Dich um alles in der Welt beneide.“ „Und der wäre?“ geniert schob er ihre Hände fort, nachdem sie seinen schwarzen Waffengürtel durch die letzte Schlaufe gezogen hatte. Jetzt war es schon soweit gekommen, dass er sich sogar beim Anziehen von April helfen lassen musste. Er war zu einem wahrhaften Bild des Jammers verkommen. Traurig blickte die Freundin zu ihm auf, einen glasigen Schimmer in den Augen: „Du hast es in der Hand, an Deiner Situation noch etwas zu ändern. Ich dagegen…“ „Ach April“, versöhnlich fuhr Saber ihr mit gespreizten Fingern durch das blonde Haar und bereute zutiefst, dass er sie in ihrer schweren Lage auch noch mit seinen unbedeutenden Problemen belästigte, „ich bin wirklich ein riesiges Rindvieh.“ „Ja, das bist Du wirklich“, zwei Tränen kullerten ihre Wangen hinunter und tropften in den weichen Frottierstoff des Bademantels, „Du hättest Ihr niemals einen Brief schreiben sollen! Es gibt Dinge, die man persönlich sagen muss, Saber!“ „Da hast Du wohl Recht“, in diesem Punkt musste er April uneingeschränkt zustimmen, „aber ich habe es eben vermasselt. So ist das nun mal.“ Er würde lernen müssen, mit der Gewissheit zu leben, dass er seine einzige wahre Liebe durch eigene Dummheit vergrault hatte. Was das anging, ging die junge Frau, die ihm schniefend gegenüberstand, jedoch keineswegs mit ihm konform: „Papperlapapp! Wenn Du sie wirklich liebst, wirst Du Dich gefälligst nicht von so einem Stückchen Papier ins Bockshorn jagen lassen. Du wirst zu ihr fliegen und sie zwingen, Dir zuzuhören, verstanden!“ jovial schob sie ihre Fäuste in die großen flauschigen Taschen und warf ihm einen gebieterischen Blick zu, der Saber zutiefst rührte. Da stand diese tapfere junge Frau, die gerade einen furchtbaren Schicksalsschlag erlitten hatte und machte sich tatsächlich um sein unbedeutendes Leben mehr Gedanken als um sich selbst. Er wollte verflucht sein, wenn er sie jetzt nach allem einfach so im Stich ließ. Gefasst legte er ihr die Hände auf die Schultern und schluckte vernehmbar: „Wenn Du glaubst, dass ich Dich nach dieser Nacht so mir nichts Dir nichts alleine lasse, kennst Du mich aber schlecht“, seine Daumen gruben sich fest in den Stoff und ihre darunter liegende Haut, „ich werde alles tun, um Fireballs Platz so gut es geht einzunehmen und Dich nach allen Kräften zu unterstützen, das schwöre ich Dir!“ „Jetzt habe ich aber endgültig genug von Dir, Du elender Samarita“, fuhr April ihn so wutschnaubend und unbeherrscht an, dass der Schotte erschrocken einen Schritt zurück wich, „was bildest Du Dir eigentlich ein? Dass ich nicht selber in der Lage bin, mein Leben in den Griff zu bekommen? Ich will nicht, dass irgendjemand Fireballs Platz einnimmt, ist das klar!“ zornig langte sie nach der Whiskyflasche auf dem Sessel und schleuderte sie mit voller Wucht gegen die nächste Wand. Mit einem lauten Knall zerbarst sie in Hunderte von Splittern, die wie ein Kometenhagel auf den Fußboden prasselten. Haltloses Entsetzten stand Saber mitten ins Gesicht geschrieben: „April, ich wollte damit doch nicht sagen…“ „Ich weiß schon, was Du sagen wolltest“, schrie sie unbeherrscht und unter Tränen, „aber nur weil Du mich einmal flach gelegt hast, berechtigt Dich das nicht dazu, die Rolle meines selbstlosen Retters einzunehmen. Ich brauche Dich genau wie Colt als Freund an meiner Seite und nicht, weil Du Dich aus falschen Schuldgefühlen dazu verpflichtet fühlst. Wenn ich einen willigen Heiratskandidaten brauche, lasse ich es Dich wissen!“ „Aber April…“ „Und jetzt verschwinde endlich“, grob stieß April ihm die flachen Hände vor die Brust, „und wage es ja nicht wiederzukommen, bevor Du Deinen Verstand wieder gefunden hast!“ damit ließ sie den verdutzten Highlander stehen und rannte ins Schlafzimmer. Nachdem sie die Tür mit einem lauten Knall zugeworfen hatte, drehte sie zittrig den Schlüssel um und ließ sich mit dem Rücken an das glatte Holz gelehnt langsam zu Boden sinken. „Fireball…“ ihr Herz krampfte sich brennend zusammen, als all der Schmerz und die Qual, die sie in den letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte, wie ein Tsunami über sie hinwegrollten. Verzweifelt zog sie die Knie an und schlang aufgelöst die Arme darum, während ihr Körper unter ihrem mächtigen Schluchzen erzitterte. Wie konnte Saber es nur wagen, sein Glück so geringschätzig mit Füßen zu treten, und das direkt vor ihren Augen. Hatte ihm Fireballs Tod nicht vor Augen geführt, dass man jeden Moment des Lebens auskosten musste und keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen durfte, solange noch ein Funken Hoffnung bestand? Sie hätte alles dafür gegeben, den Rennfahrer noch ein letztes Mal umarmen zu dürfen, wirklich alles. Und Saber traute sich nicht einmal, den lächerlichen Versuch zu unternehmen, Cynthia gegenüber zu treten, weil er Angst vor der Zurückweisung hatte. „Fireball…“ wimmernd kuschelte sie sich noch enger in ihren Bademantel und legte sich zusammengerollt wie ein Hündchen auf den kalten Fußboden, in der stillen Hoffnung, dass der versäumte Schlaf irgendwann kommen und ihr Trost und Vergebung spenden würde. Der Tag hatte so begonnen, wie der vorige aufgehört hatte, nämlich kalt, grau und verregnet. Eisige Windböen fegten über Yuma Citys Randbezirke hinweg, zerrten an Fensterläden, brachten Bäume gefährlich zum Schwanken und pfiffen mit geisterhaftem Heulen um Häuserecken. Robin stand vor dem Herd in ihrer Küche, die Arme fröstelnd vor der Brust verschränkt und starrte durch eines der Sprossenfenster in den trüben Morgen hinaus, der so wunderbar zu ihrer Stimmung passte, wie ihre selbstgemachte Marmelade zu den Butterhörnchen, die sie soeben in den Backofen geschoben hatte. Nach ihrem bösen Streit mit Colt hatte sie für den Rest der Nacht kein Auge mehr zugetan, sondern war unruhig in ihrem viel zu großen und einsamen Ehebett hin und her gerutscht. Bis in die frühen Stunden der Dämmerung war sie von der leisen Hoffnung beseelt gewesen, der Cowboy würde vielleicht doch noch seine Meinung ändern und seinen Schlaf neben ihr fortsetzen, aber er war stur bei seinem Ausweichquartier der Couch geblieben. Mechanisch griff Robin nach der Milch, die sie bereits kurz zuvor aus dem Kühlschrank genommen hatte und schüttete sie in die kleine Kasserolle auf dem Herd. Sie hatte nie besonders viel Wert auf diese ganzen neumodischen Kaffeeautomaten gelegt, bei denen man sämtliche Getränke eines gut sortierten Cafés auf Knopfdruck und binnen Sekunden in der Tasse hatte. Ihrer Meinung nach ging nichts über einen selbst aufgeschäumten Kaffee latte, auch wenn Colt schon ein Dutzend Mal versucht hatte, sie zum Kauf einer so unnützen, unhandlichen und völlig überteuerten Maschine zu überreden. Die junge Frau hatte mitbekommen, dass der Cowboy das Haus bereits gegen sieben Uhr früh verlassen hatte, in seinen Bronco Buster gestiegen und dem Geräusch der verklingenden Düsentriebwerke nach in Richtung Stadtzentrum verschwunden war. Das lag jetzt gut eine Stunde zurück und sie hoffte inständig, dass er sich seiner aufgestauten Gefühle mittlerweile entledigt hatte und bald zum Frühstück nach Hause zurückkehren würde. Bestimmt taten ihm seine harten Worte aus der vergangenen Nacht im Nachhinein doch Leid und er war auf der Suche nach etwas Abstand entweder planlos durch die Gegend geflogen, herrje, was für eine Treibstoffverschwendung, oder hatte vielleicht sogar bei Saber vorbei geschaut. April in dieser Herrgottsfrühe zu wecken wäre wohl selbst ihm nicht in den Sinn gekommen. Robin stellte die halbvolle Milchtüte zurück in den Kühlschrank, strich sorgsam eine kleine Falte aus ihrem fliederfarbenen Tweedrock und entfernte ein paar einzelne Fusseln von ihrer geblümten Baumwollbluse. Colts Worte hatten sie schwer getroffen und steckten nach wie vor wie Pfeile tief in ihrem Herzen und vergifteten beharrlich ihre empfindsame, zarte Seele. Er hatte Christa tatsächlich geküsst, aber viel schlimmer wog eigentlich noch die Frage, wie der rothaarige Lieutenant es geschafft hatte, ihm diese Striemen am Rücken beizubringen. Von einem harmlosen Schmatzer auf die Wange jedenfalls rührten sie nicht her, soviel war Robin klar. Als sie sich geküsst hatten, war Colt offensichtlich zumindest teilweise entkleidet gewesen. Eine Erkenntnis, die unweigerlich zur nächsten, noch bohrenderen Frage führte. Nämlich ob zwischen ihrem Mann und Christa noch mehr vorgefallen war, als nur dieser Kuss, oder ob der Cowboy seine Frau vielleicht tatsächlich betrogen und mit dem Lieutenant geschlafen hatte. Robin war beinahe erstaunt, wie nüchtern sie jetzt über diesen Tatbestand nachdenken konnte, ohne vor Wut aus der Haut zu fahren, oder bittere Tränen der Enttäuschung zu vergießen. Was natürlich keineswegs hieß, dass sie nicht vor Niedergeschlagenheit und Zorn geweint hatte. Ihre verquollenen Lider und die blutunterlaufenen Augen waren ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr Colt sie bei ihrem Streit verletzt hatte. Aber sie war beim Aufstehen zu der Einsicht gelangt, dass es ihr wenig weiterhelfen würde, wenn sie den ganzen Tag herumheulte wie ein Schlosshund. Der Cowboy war von den vielen Ereignissen der vergangenen Mission schwer gezeichnet und hatte ihr Dinge an den Kopf geworfen, die er sicherlich nicht so gemeint hatte und für die sie ihn nicht vorschnell verurteilen durfte. Sicher war Fireballs Tod keine Entschuldigung für sein rüdes Verhalten ihr gegenüber, genauso wenig, wie er eine mögliche Affäre mit Christa gerechtfertigt hätte, aber Robin war bereit, ihrem Mann zu verzeihen. Es waren eben doch alles recht erschütternde Ereignisse gewesen, die ihn zu seinem Handeln getrieben hatten, und wenn er das einsah, würde er sich bestimmt reumütig bei ihr entschuldigen. Und sie war schließlich die letzte, die ein ernstgemeintes Friedensangebot ausschlagen würde. In einem Punkt, so hatte sie entschieden, würde sie dennoch hart bleiben müssen. Allein um zu gewährleisten, dass der Cowboy nicht wieder in die Versuchung kam, sich mit einer anderen Frau als der eigenen zu befassen: er musste endlich sein Dasein als Star Sheriff aufgeben. Hier, so musste Robin sich eingestehen, hatte sie Colt tatsächlich selber Theater vorgespielt, aber er hatte das ja auch auf Anhieb durchschaut. Es war zwar keine Lüge gewesen, dass sie sich ständig um ihn sorgen musste, wenn er mit Saber und den anderen unterwegs war, aber mit diesen Umständen hatte sie sich längst abgefunden. Und ohne die Eskapade mit Christa wäre sie wohl niemals auf die Idee gekommen, Colt zum Rücktritt von seiner Arbeit bewegen zu wollen. Ja, sie gab es zu, sie war eifersüchtig und wollte sich so für den Verrat an dem Cowboy rächen. Und wenn er sie tatsächlich liebte, und daran bestand für Robin nicht der geringste Zweifel, würde er ihr diesen Gefallen tun. Aus Zuneigung und aus Reue. Die junge Frau schreckte aus ihren geradlinigen Gedanken auf, als ihr ein verbrannter Geruch in die Nase stieg und ein leises Zischen ankündigte, dass die Milch im Kochtopf gerade dabei war, sich in Gänze über den Rand hinweg auf die Herdplatte zu ergießen. Eilig schob sie die Kasserolle auf eine der anderen Platten hinüber und drehte den entsprechenden Schalter auf null herunter. Wo steckte Colt nur? Nach ihrem Dafürhalten war eine Stunde mehr als reichlich Zeit, um sich über seine Emotionen und die unmöglichen Dinge klar zu werden, die er in der Nacht von sich gegeben hatte. Aber was war eigentlich, wenn er sich nach wie vor weigern würde, ihrer Forderung nachzukommen und darauf bestand, seine Fähigkeiten weiter in die Dienste des Oberkommandos zu stellen? Nein, in diesem Fall würde sie einfach hart bleiben müssen. Sie war doch schließlich diejenige, die ständig zu seinen Gunsten zurücksteckte. Da war es höchste Zeit, dass auch Colt endlich einmal ein wenig Entgegenkommen zeigte. Und schließlich war das wohl das mindeste, was sie nach seinem Fehltritt von ihm erwarten konnte! Das leise Surren eines nahenden Triebwerks, das Robin eindeutig als das des Bronco Busters identifizierte, kündigte endlich die Rückkehr des Cowboys an. Die junge Frau versteifte sich unweigerlich; jetzt hieß es Nerven bewahren und sich mutig dem Kampf stellen. Sie würde ihm noch einmal sachlich ihre Argumente darlegen und ihm selbstverständlich die Konsequenzen aufzeigen müssen, die sie im Zweifel ziehen würde, wenn er ihrem Wunsch nicht nachkam. Zwar wusste sie noch nicht so recht, wie diese aussehen konnten, aber das würde sich während des Gesprächs dann schon spontan ergeben. Eifrig bückte Robin sich und warf einen kurzen Blick in den Ofen zu den Hörnchen, die eine zarte goldbraune Färbung angenommen hatten. Es war eine gute Idee gewesen, sie vor dem Backen noch mit etwas Eigelb zu bestreichen! Sie stellte den Ofen aus, schlüpfte in ihre rot-weiß karierten Topfhandschuhe und holte die kleinen Meisterwerke samt Backblech heraus, wobei sich ein betörend appetitlicher Duft in der Küche verbreitete, der jedem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen würde. Das laute Knallen der Haustür, die mit Wucht ins Schloss geworfen wurde, hätte sie das Blech vor Schreck beinahe fallen lassen. Schnell schob Robin es unsicher auf den Esstisch, um kein weiteres Risiko einzugehen, warf die Handschuhe auf die Arbeitsfläche neben der Spüle und richtete noch einmal schnell ihr Haar. Das gelingen ihres Planes konnte schon von der kleinsten, noch so unbedeutenden Komponente abhängen! „Was wird das denn?“ Entgeistert fuhr Robin in Richtung Küchentür herum und starrte direkt in Colts puterfarbenes Gesicht. Die junge Frau schluckte unbehaglich, denn entgegen all ihren Hoffnungen war ihr Mann ohne Zweifel mehr als sauer. Er lehnte angespannt im Türrahmen, den rechten Ellenbogen gegen das Holz gestützt, die linke Hand in der Hosentasche vergraben und ließ zornig funkelnde Blicke zwischen dem gedeckten Tisch und Robin hin und her wandern. „Frühstück“, lautete ihre unnötige Antwort auf die rein rhetorisch gestellte Frage, „Du kommst gerade richtig, ich habe die Hörnchen eben aus dem Ofen geholt.“ Mit gespielter Ruhe überprüfte sie noch einmal die Utensilien auf dem Esstisch, als ihr die Milch wieder in den Sinn kam: „Möchtest Du auch einen Kaffee latte“, sie nahm eilig zwei Henkelbecher aus dem Küchenschrank und füllte sie mit der abkühlenden Milch auf, „die Milch ist noch heiß.“ Dabei versuchte sie Colts völlige Regungslosigkeit zu ignorieren. Der Cowboy verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie seine Frau, offenbar um eine harmonische Atmosphäre bemüht, in der Küche umherwirbelte und das perfekte Essen noch ein wenig abrundete. Warum tat sie das? Nach ihrem Krach in der vergangenen Nacht hätte es Colt nicht einmal gewundert, wenn sie in seiner Abwesenheit ihre sieben Sachen gepackt und zurück nach Tranquility geflüchtet wäre. Hatte sie seine verletzenden Worte etwa schon vergessen, oder versuchte sie nur, die unausweichlichen Tatsachen zu ignorieren? Er hätte ja mit jeder Reaktion gerechnet, aber dieses Theater, das Robin momentan abzog, setzte wirklich allem die Krone auf. „Wo bist Du denn so früh gewesen?“ sie huschte mit den beiden Kaffeetassen an ihm vorbei und streifte dabei flüchtig seinen Arm. Hatte sie denn völlig den Verstand verloren? „Nun setz Dich doch, Colt, es wird sonst kalt!“ auffordernd zog Robin einen der Stühle zurück und nahm dann selber auf dem gegenüberliegenden Platz. Colt konnte es einfach nicht fassen: „Was soll das alles, Robin?“ angriffslustig verschränkte er die Arme, lehnte sich aber nach wie vor gegen den Türrahmen, weil er nicht die geringste Lust verspürte, sich mit an den Tisch zu setzen. Nach dem, was er eben in Aprils Wohnung erlebt hatte, war ihm nicht danach, mit seiner zerstrittenen Frau Friede, Freude, Eierkuchen zu spielen. Er erkannte die Taktik hinter Robins Verhalten, die sie schon so oft erfolgreich eingesetzt hatte, um ihm insgeheim ihren Willen aufzuzwängen. Aber dieses Mal würde ihr das nicht gelingen. Auf den Wangen seiner Frau zeichnete sich ein blasser Schimmer ab, als sie erkannte, dass sie mit ihrem Friedensangebot nicht die gewünschte Wirkung erzielt hatte: „Ich dachte, Du wärst vielleicht hungrig“, einladend wies sie mit zitternder Hand auf die frischen Hörnchen, „die habe ich extra für Dich gebacken.“ „Sag mal, hast Du mir gestern Nacht überhaut zugehört?“ fassungslos starrte Colt auf sie herab und wusste einfach nicht, was er denken sollte. Erwartete sie denn wirklich, dass er sich jetzt mit ihr hinsetzte und diese blöden Hörnchen verspeiste? „Das habe ich durchaus“, ihre Züge verhärteten sich und ein bitteres Aufblitzen war kurzzeitig in ihren Augen zu erkennen, „aber ich dachte, dass es wenig Sinn hat, wenn wir uns weiter wie zwei Berserker anbrüllen, sondern dass wir lieber versuchen sollten, die Sache vernünftig zu besprechen.“ „Und von welcher Sache sprichst Du jetzt genau“, Colt wusste, dass er sich im Moment wie der letzte Mistkerl benahm und dass Robin es eigentlich nur gut meinte, aber er hatte soviel Frust und Wut in sich aufgestaut, dass er nicht anders konnte, als seine Frau als Ventil zu benutzen, „von Deiner lächerlichen Forderung, meine Dienstmarke abzugeben, oder von der Tatsache, dass ich mit Christa…“ „Wage es ja nicht, diesen Namen in meinem Haus noch einmal in den Mund zu nehmen!“ unbeherrscht war Robin aufgesprungen. Entgegen ihres friedliebenden Naturells hatte sie die Hände krachend auf die Tischplatte sausen lassen, so dass ein großer Schluck ihres Kaffee latte auf die Holzplatte geschwappt war und auch ihre tadellos saubere Bluse ein paar Spritzer abbekommen hatte. „Das ist immer noch auch mein Haus, wenn es recht ist.“ Mit leichter Genugtuung fixierte Colt die kleinen braunen Flecken auf dem weißen Baumwollstoff und fragte sich, ob seine Frau es wohl schaffen würde, diese wieder heraus zu bekommen. Aber beinahe augenblicklich schämte er sich schon wieder dafür, dass er seine Wut an Robin ausließ. Sie konnte nun wirklich nichts dafür, dass Saber und April das Andenken an Fireball so schändlich verraten hatten. „Trotzdem verbiete ich Dir, diesen Namen mir gegenüber noch einmal zu erwähnen!“ man sah förmlich die kleinen Rauchwolken, die über Robins Kopf aufstiegen und sich dort zu einem heftigen Gewitter zusammen ballten, und die Reue des Cowboys war wieder wie weg geblasen: „Ach, etwa so, wie Du mir auch verbieten willst ein Star Sheriff zu sein?“ wenn sie partout auf Streit aus war, konnte sie den gerne bekommen. Diese Bemerkung ignorierte Robin vorerst geflissentlich, denn sie wollte Colt nicht so einfach mit seinem Fehltritt davonkommen lassen: „Hast Du mit ihr…“, wenn sie es schaffte, sein schlechtes Gewissen in genügend hohem Maße zu schüren, würde er irgendwann freiwillig einlenken, „na, ja, Du weißt schon?“ Die Taktik zeigte auf Anhieb eine gehörige Wirkung. Beschämt wandte der Cowboy seinen herausfordernden Blick von ihr ab und starrte stattdessen auf die Spitzen seiner schlammnassen Stiefel: „Nein, habe ich nicht.“ Ihre Frage hatte ihm ins Gedächtnis zurückgerufen, wie kurz davor er gestanden hatte, sich auf ein echtes Verhältnis mit Christa einzulassen. Und das wiederum hatte den kleinen Engel auf seiner Schulter reaktiviert, der seit ihrer Ankunft verhältnismäßig stumm gewesen war. Prüfend nahm Robin ihren Mann in genauen Augenschein: „Ist das jetzt auch nur wieder eine Lüge, oder kann ich das zur Abwechslung mal glauben?“ sie konnte in seinem Gesicht kein Anzeichen dafür erkennen, dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber seit letzter Nacht wusste sie, dass das nicht mehr viel bedeutete. Wenn Colt tatsächlich mit dem Lieutenant im Bett gewesen war und er vorhatte, es ihr zu verheimlichen, würde sie es wahrscheinlich nie herausbekommen. „Es ist die Wahrheit“, von tiefer Reue gebeugt kam der Cowboy zu ihr herüber geschlichen und nahm schüchtern ihre kleinen weichen Hände zwischen seine rauen, schwieligen Finger, „und ich habe das gestern nicht so gemeint, was ich gesagt habe. Wegen dem Heiraten und das alles…“ der Teufel auf der anderen Seite seiner Schulter rebellierte, aber Colt versuchte, ihn zu ignorieren. Robin hingegen feierte ihren innerlichen Reichsparteitag. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sie es doch noch geschafft, das Gespräch in die richtige Bahn zu lenken. Wenn sie es jetzt geschickt anstellte und nicht locker ließ, würde sie sich endlich durchsetzen können: „Du hast mir damit sehr wehgetan, Colt!“ und das entsprach sogar der Wahrheit! „Ach, ich weiß, Süße“, unschlüssig, was er sonst tun sollte, zog er Robin an sich, „es tut mir so schrecklich leid, dass das alles passiert ist. Ehrlich, ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe…“ geistesabwesend blickte er zum Fenster hinaus in den Regen, der monoton an die Scheiben klopfte. Ob sie ihm wohl glauben würde? Und glaubte er sich eigentlich selbst, was er da redete? Hatte er die heikle Situation mit Christa nicht immer wieder provoziert, weil ihm diese Frau schlichtweg den Kopf verdreht hatte? Wie konnte er sich da hinstellen und behaupten, er wisse nicht, was er sich dabei gedacht habe! „Liebst Du mich, Colt?“ Diese Frage kam so unerwartet, dass Colt zusammenzuckte: „Natürlich liebe ich Dich, das weißt Du doch!“ eine schwache Stimme in seinem Kopf schrie ihm in stiller Panik zu, er solle sehen, dass er sich vom Acker machte, aber er achtete nicht weiter auf seine Intuition und beobachtete weiter die Wasserrinnsale am Fenster. „Und was ist mit Christa?“ energisch wandte Robin sich aus seiner Umarmung und schaut ihm direkt ins Gesicht. Da waren sie, die klaren chinesischen Bergseen, die ihm an einem verhängnisvollen romantischen Abend den Kopf verdreht hatten. Nur dass er heute keine friedlich dahinziehende Wattewolken darin gespiegelt sah, sondern bedrohlich dunkle Gewitterwolken: „Was soll mit Christa sein?“ „Liebst Du sie?“ „Mach Dich nicht lächerlich, Robin!“ entgeistert war Colt einen Schritt zurück getreten. Was für ein absurder Gedanke war denn das nun wieder? Nur weil er vielleicht ein wenig mit der rothaarigen Frau geflirtet und sie zugegebener Maßen geküsst hatte, sollte er sich gleich in sie verknallt haben? Das ging doch entschieden zu weit. Zufrieden lächelnd nickte Robin: „Ich wollte nur sicher sein.“ „Na, das ist aber so sicher, wie das Amen in der Kirch, is es“, vollkommen aus dem Konzept geworfen griff der Cowboy nach seinem mittlerweile erkalteten Kaffee und nippte vorsichtig daran, als fürchtete er, sich noch verbrühen zu können, „es tut mir wirklich unendlich leid, dass ich Dir so weh getan habe, das musst Du mir glauben.“ Robin nickte knapp: „Ich denke, das tue ich…“ „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, Süße, und ich würde echt alles tun, um Dir zu beweisen wie ernst ich das meine.“ Als ihm die Worte aus dem Mund gerutscht waren, hätte sich Colt vor Ärger am liebsten die Zunge abgebissen, denn jetzt hatte er seiner Frau natürlich Tür und Tor geöffnet, was diese auch sofort schamlos ausnutzte. Mit einem treu ergebenen Blick und leidgeprüfter Miene nahm sie wieder am Tisch Platz, so als müsste sie über dieses Angebot erst nachdenken. Doch dann hob sie siegessicher den Kopf und flüsterte: „Du weißt, was ich als Beweis von Dir verlange.“ „Ja, das weiß ich“, scheu trat der Cowboy von hinten an sie heran und massierte zaghaft ihre schmalen Schultern, „aber Du weißt, dass ich das nicht tun kann.“ Ihre Muskeln verspannten sich unter seinen Fingern: „Du wirst also auch in Zukunft als Star Sheriff arbeiten, obwohl Dir bewusst ist, wie ich darüber denke?“ Entschuldigend zog Colt die Arme hoch, obwohl Robin das natürlich nicht sehen konnte: „Ja…“ „Ist das Dein letztes Wort?“ Auch auf die Gefahr hin, dass der häusliche Segen durch diese endgültige Entscheidung für alle Zeiten schief hängen würde, antwortete er mit fester klarer Stimme: „Mein allerletztes!“ „Na schön“, ruhig legten sich Robins Hände auf den Tisch und die junge Frau stemmte sich langsam aus dem Stuhl hoch, „wenn Du mich entschuldigen würdest, ich muss nachdenken!“ damit verließ sie würdevoll die Küche, ohne sich noch einmal nach Colt umzusehen, aber nicht, ohne vorher ihren Tweedrock glattgestrichen zu haben. Entgegen seiner Erwartungen stieg sie aber nicht die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf, sondern steuerte über den Flur auf die Garderobe zu, um sich eine blass lilafarbene Reckenjacke überzustülpen. Gefolgt von einem Paar Gummistiefeln, die sie öfter bei der Gartenarbeit trug und einem für Colts Verständnisse völlig übertriebenem Schal. So ausgestattet öffnete sie die Haustür und trat hinaus in den unwirtlichen Morgen, der sie mit nasser Kälte empfing. „Na bitte, dann hau doch ab!“ der Cowboy hatte mit seinem eingeschnappten Ausruf vorsichtshalber gewartet, bis sich die Tür hinter seiner Frau wieder geschlossen hatte, damit sie nicht wohlmöglich doch zurückkam. Er wollte jetzt lieber ein bisschen mit sich und seiner Wut alleine sein. Frustriert pfefferte er seinen Hut auf den gedeckten Esstisch und streifte dabei versehentlich Robins Kaffeetasse, die mit leisem „Plong“ zur Seite kippte. „Oh, na ganz toll!“ fluchend versetzte Colt dem ihm am nächsten stehenden Stuhl einen gehörigen Tritt, als er sah, wie sich eine Lache kalten Kaffees langsam über die Tischplatte ausbreitete und dann gemächlich zwischen einem Riss im Holz hindurch auf den Boden tropfte. Der Stuhl gab ein ächzendes Knacken von sich und stürzte dann mit gebrochener Querverstrebung zur Seite. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Ungläubig starrte Colt das demolierte Möbelstück an und fragte sich, ob er jetzt lachen oder weinen sollte. Würde dieses verfluchte Horrormärchen, in dem er seit einer Woche gefangen war, denn niemals zu einem guten Ende finden? Oder sollte das alles gar die Strafe für seine unzüchtigen Gedanken und seine Flirterei mit Christa sein? Wenn dem so war, konnte das nur eines bedeuten: Gott war eine Frau! Eine Frau, die ihr Leben lang nach Strich und Faden von der Männerwelt betrogen worden war und jetzt an jedem dahinvegetierenden Exemplar dieser Gattung Mensch dafür Rache nahm! Angefressen schob er den kaputten Stuhl mit der Stiefelspitze beiseite, ignorierte die immer größer werdende Kaffeepfütze auf den Terracottafliesen und stapfte mit geballten Fäusten hinüber ins Wohnzimmer. Sein provisorisches Nachtlager war in der Zeit seiner kurzen Abwesenheit offensichtlich bereits dem ordnungsliebenden Putzdrang seiner Frau zum Opfer gefallen. Die Patchworkdecke, die ihm als Wärmespender gedient hatte, lag sorgfältig zusammen gefaltet auf der Lehne des Ohrensessels und die beiden zerknautschten Kissen standen ordentlich aufgeschüttelt und makellos wieder an ihrem angestammten Platz. Colt musste zerknirscht erkennen, dass er mit seinem aufbrausenden Temperament mal wieder weit übers Ziel hinausgeschossen war. Robin hatte alles daran gesetzt, die Anzeichen ihres Streits verschwinden zu lassen, hatte ihm Frühstück gemacht und nicht einmal eine Entschuldigung von ihm verlangt. Sie hatte sich tatsächlich mit ihm versöhnen wollen, obwohl er so unfair und unehrlich zu ihr gewesen war. Hätte er beim Heimkommen ein ausgewechseltes Schloss in der Tür vorgefunden, wäre das eine wesentlich angemessenere Reaktion auf sein Treiben mit Christa gewesen, aber Robins unendliche Güte hatte wie immer die Oberhand behalten. Und anstatt dieses großzügige Friedensangebot anzunehmen, ließ er aus lauter Dankbarkeit auch noch seinen Frust wegen April und Saber an seiner Frau aus. Wenn er doch heute Morgen bloß nicht zu dem weiblichen Star Sheriff geflogen wäre! Dann hätte er dort nicht den Säbelschwinger angetroffen und hätte sich ergo auch nicht so sehr aufregen müssen, dass der Versöhnungsversuch mit Robin in die Hose gegangen wäre. Wutschnaubend griff er nach einem der Kissen und rammte seine Faust mit voller Wucht in den weichen und unschuldigen Dekorationsartikel, während er sich vorstellte, es sei Sabers Gesicht. Wie tief zufrieden er im Nachhinein damit war, ihm einen saftigen Kinnhaken verpasst zu haben. Hoffentlich hatte sich der Säbelschwinger dabei den Kiefer gebrochen! Aber sicherlich war April gerade dabei, ihm mit tröstenden Händen einen Eisbeutel in die hinterhältige Visage zu drücken. Immerhin hatte sie ja nichts Besseres zu tun gehabt, als sich gleich schützend über den miesen Verräter zu werfen, gerade so als hätte sie befürchtet, Colt würde ihn an Ort und Stelle seiner eigenen Lynchjustiz zum Opfer fallen lassen. Was er durchaus verdient gehabt hätte! Der Cowboy musste sich schwer zusammen reißen, um dem Kissen nicht noch einen Fausthieb zu verpassen, der das prallgefüllte Federbündel wahrscheinlich zum Platzen gebracht hätte. Er konnte einfach nicht begreifen, wie sein angeblicher Freund und Boss zu so einer herzlosen und niederträchtigen Tat in der Lage gewesen war. Fireball war kaum eine Woche tot und dem guten Saber fiel nichts anderes ein, als spitz wie Nachbars Lumpi über April herzufallen. Das wollte Colt einfach nicht in den Schädel! Und April? War ihr Fireballs Tod denn wirklich so egal, dass sie sich stantepede mit dem nächstbesten Kerl in ein Abenteuer stürzte, der ihren Weg kreuzte? Wäre das vielleicht sogar er selber gewesen, wenn er nicht Saber sondern er sie am Vorabend aufgesucht hätte? Himmel, was für ein abwegiger Gedanke! Nein, es konnte nur so sein, dass der Schotte ihre Verzweiflung schamlos ausgenutzt und sie mit seinem schleimigen Aristokratencharme vollendet umgarnt hatte. Mit schwirrendem Kopf ließ Colt sich rücklings in den Ohrensessel fallen, das zerknautschte Kissen noch immer in den vor Anspannung verkrampften Händen. Er musste an den Streit denken, den Fireball und der Säbelschwinger nach dem verhängnisvollen Pokerabend miteinander ausgetragen hatten. Der Rennfahrer war von der fixen Idee besessen gewesen, April und Saber könnten ein Techtelmechtel miteinander haben, weil seine Verlobte kurz vor dem Abflug die halbe Nacht bei ihrem Boss verbracht hatte. Laut dessen Aussage nur, weil sie sich unendlich viele Sorgen um Fireball gemacht hatte, aber was, wenn da doch mehr dahinter steckte? Bestand ernsthaft die Möglichkeit, dass April und Saber schon seit längerer Zeit miteinander, nun, wie auch immer man das nennen wollte, und keiner etwas davon bemerkt hatte? „Aaaarrrr…“ blindwütig warf Colt das Kissen quer durchs Zimmer. Es schlug dumpf neben dem Kaminofen gegen die Wand und fiel schwerfällig zu Boden. Der Cowboy wusste einfach nicht mehr, was er denken sollte. Es fühlte sich an, als wäre die ganze Welt in seinen Kopf gepresst worden und drohte, diesen jede Sekunde mit lautem Knall zu zersprengen. Er musste so oft an Fireball denken, an das letzte Gespräch, das er mit seinem besten Freund geführt hatte. Der Rennfahrer wollte ihm eine Nachricht für April hinterlassen, aber Colt hatte seine schicksalsergebenen Worte einfach beiseite gewischt. Trotzdem war er es dem weiblichen Star Sheriff schuldig, ihr zumindest zu sagen, dass Fireballs letzte Gedanken ihr gegolten hatten. Ein festes Vorhaben, das er dank Saber an diesem Morgen nicht hatte in die Tat umsetzen können. Er war zu April gefahren, weil er endlich seine Seele erleichtern musste und weil er gehofft hatte, dass er bei ihr endlich den Trost finden konnte, den seine Frau ihm nicht zu geben vermochte und den er von Christa nicht hatte annehmen dürfen. Christa. Auch sie schwirrte irgendwo in den unendlich verzweigten Windungen seines Gehirns herum, aber nach wie vor konnte Colt nicht sagen, welche Rolle sie in diesem nicht enden wollenden Drama einnahm. Er hatte Robin versprochen, sie nicht wiederzusehen, aber wenn er ehrlich war, vermisste er sie bereits so sehr, dass es wehtat. Ihre forsche und schlagfertige Art, der besondere Touch ihres Humors, ihre schalkhaft strahlenden Augen, die je nach Licht und Tageszeit wie rubinrote Edelsteine oder Bernstein leuchteten. Das alles waren Dinge, an die er sich in den vergangenen Tagen mehr gewöhnt hatte, als ihm lieb. Christa verstand es ebenso gut wie April, ihn auf die Palme zu bringen und gleichzeitig seinem Dickschädel Paroli zu bieten; zwei Eigenschaften, nach denen er bei Robin stets vergeblich gesucht hatte. Dort wo die beiden eine diebische Freude darin fanden, Colt zu einem verbalen Duell zu fordern, war es für seine Frau immer das Steckenpferd gewesen, ihm sein impulsives, kindliches Verhalten möglichst ganz auszutreiben. Christa und April würden auch niemals von ihm verlangen, dass er ihnen zuliebe etwas so wichtiges wie seinen Blaster an den Nagel hängte. Wie auch, schließlich hatten sie selber das Leben eines Soldaten gewählt. Sie konnten verstehen, was es bedeutete, sein Leben dem Kampf um Frieden und Gerechtigkeit zu verschreiben, und sie wussten auch, dass es ein unabwendbares Übel war, dass in diesem Kampf Menschen starben. Robin glaubte hingegen tatsächlich, dass man alles Böse des Universums mit einem Schlag auslöschen konnte, indem man sämtlichen Waffen verschrottete. Dass sich die Menschen aber seit Anbeginn der Zeit bekriegten, selbst als sie noch in Höhlen und auf Bäumen gehaust hatten, schien die intellektuell überlegene Lehrerin dabei stets außer Acht zu lassen. Wie konnte sie immer wieder von ihm verlangen, dass er sein Leben für sie aufgab? Sollte man einen Menschen nicht heiraten, weil man ihn genau so liebte, wie er war, und nicht, weil man eine Herausforderung darin sah, ihn seinen Wünschen entsprechend umzuformen? Wie oft würde er sich noch dieser ermüdenden Diskussion stellen müssen, die doch immer wieder zum gleichen Ergebnis führte: „Und wenn sie sich auf den Kopf stellt, das ist mir scheiß egal!“ „Ziemlich harte Worte, meinst Du nicht auch?“ Zu Tode erschreckt wirbelte Colt aus dem Sessel hoch und blickte direkt in das verschlossene Gesicht von Saber, der mit verschränkten Armen in der Wohnzimmertür stand: „Wie zum Teufel bist DU denn hier reingekommen?“ feindselig musterte Colt den Eindringling und machte keinen Hehl aus seinem Unmut. Der Kerl hatte ja vielleicht Nerven! Erst verführte er die arme, wehrlose April und wagte sich dann auch noch buchstäblich in die Höhle des Löwen. Der Kinnhaken war anscheinend noch nicht genug gewesen, auch wenn der Cowboy zufrieden feststellte, dass die Unterlippe des Säbelschwingers dick angeschwollen war und sich lilabläulich verfärbt hatte. Saber zuckte gleichmütig mit den Schultern und machte ein paar unsichere Schritte in den Raum hinein, sorgfältig darauf bedacht, Colt nicht aus den Augen zu lassen: „Die Tür war offen und da dachte ich…“ „Wage es nicht, auch nur einen Schritt weiter zu gehen“, der Cowboy hatte instinktiv nach seinem Blaster gegriffen, stellte aber zähneknirschend fest, dass dieser noch über dem Bettpfosten im Schlafzimmer hängen musste, „hast wohl echte Todessehnsucht, wie mich dünkt!“ „Na, zum Glück bist Du ja unbewaffnet!“ antwortete Saber keineswegs im Spaß und blieb zwei Meter entfernt von Colt vor dem kalten Kaminofen stehen, in dem nicht einmal mehr ein Hauch von Asche auf das prasselnde Feuer des Vorabends hindeutete: Robin war wirklich gründlich gewesen. Der Cowboy baute sich breitbeinig vor dem Schotten auf: „Und was willst Du hier“, herausfordernd stemmte er die Hände in die Hüften und bereute, dass er nicht nur seinen Blaster nicht dabei hatte, sondern auch dass er seinen Hut in der Küche zurück gelassen hatte, „ich kann mich nicht erinnern, dass ich um eine Audienz seiner Hochwohlgeboren gebeten habe!“ mit der geliebten Kopfbedeckung aus Leder hätte er sich doch wesentlich überlegener gefühlt. „Ich habe Robin draußen getroffen“, erwiderte Saber gelassen, ohne auf die eigentliche Frage einzugehen, „sie hat gesagt, dass ich mal versuchen soll, Dich wieder zur Vernunft zu bringen.“ Das schlug dem Fass ja beinahe den Boden aus: „Genialer Einfall! Nur komisch, dass sie das gerade von so einer linken Bazille wie Dir verlangt!“ Auch auf diese offenkundige Beleidigung ging der Säbelschwinger nicht ein: „Hattet Ihr Streit?“ „Geht Dich einen feuchten Dreck an, hombre!“ Hörte der Kerl überhaupt zu? Colt fragte sich ernsthaft, was Saber mit diesem diplomatischen Gehabe bezwecken wollte. Wenn er nur gekommen war, um zu schauen, ob Robin ihm schon die Hölle heiß gemacht hatte, dann war seine Mission doch bereits erfüllt und er konnte beruhigten Gewissens wieder zu April abziehen. „Damit hast Du wohl Recht“, seufzend lehnte sich der Schotte an die Specksteinplatten des Ofens und musterte den Cowboy mit unverhohlener Neugier, „aber das heißt nicht, dass es mich nicht trotzdem interessiert!“ „Ich würde vorschlagen, dass Du schleunigst Deine lahmen Knochen aus meinem Haus bewegst, bevor ich meine gute Kinderstube vergesse und Dir eine Tracht Prügel verpasse, von der Du ein bisschen mehr haben wirst, als nur eine dicke Lippe!“ „Selbst wenn Du mir jetzt tatsächlich Deinen Blaster unter die Nase halten würdest, könntest Du mich damit wenig beeindrucken“, Saber unterstrich seine Worte damit, dass er lebensmüde einen weiteren Schritt auf Colt zumachte, „ich bin hergekommen, um diese Sache aus der Welt zu schaffen und werde mich davon auch nicht abbringen lassen.“ „Ich lege aber überhaupt keinen gesteigerten Wert darauf, Dir zuzuhören“, mit einem einzigen Satz war der Cowboy nach vorne gesprungen und hatte Saber am Kragen seines Hemdes gepackt, „und wenn Dir Dein Leben lieb ist, dann schwingst Du Deinen Hintern jetzt wieder nach draußen, bevor ich mich vergesse!“ Unerwartet schnellten Sabers Arme plötzlich nach oben und schlugen Colts Hände grob zur Seite: „Jetzt hör endlich auf, die beleidigte Leberwurst zu spielen und hör mir gefälligst zu“, er zwängte sich provokant an dem Scharfschützen vorbei, indem er ihn hart an der Schulter touchierte, und steuerte das karierte Sofa an, „oder meinst Du nicht, dass die Situation schon schlimm genug ist, auch ohne dass wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen?“ bedächtig nahm der Schotte Platz, schwang das rechte Bein über das linke und legte die Handflächen aneinander, als wollte er gleich anfangen, ein Gebet zu sprechen. Dieses lässige und beinahe herablassende Verhalten brachte Colt noch mehr auf die Palme. Was dachte sich dieser arrogante Schnösel eigentlich, mit wem er es hier zu tun hatte: „Das sagt ja wirklich der Richtige“, konterte er deshalb hitzig, rührte sich aber nicht vom Fleck, auch wenn er Saber gern am Schlafittchen gepackt und eigenhändig vor die Tür gesetzt hätte, „mit wie viel Alkohol musstest Du April denn betäuben, damit sie Dich in ihr Bett gelassen hat?“ Mit dieser Frage hatte er eindeutig ins Schwarze getroffen. Sabers Augen weiteten sich für einen kurzen Augenblick, ob nun aus Schreck oder Reue war schwierig zu sagen, und er fuhr sich unkonzentriert durch die blonden Haare: „Könntest Du vielleicht einfach die Klappe halten und mir endlich zuhören?“ „Ich denk ja gar nicht dran“, das wurde ja immer schöner, jetzt wollte ihm dieser Verräter auch noch in seinem eigenen Hause das Wort verbieten, „Du kannst Dich echt glücklich schätzen, dass ich gerade in friedfertiger Stimmung bin, sonst hätte ich Dir längst schon…“ „Colt“, unterbrach Saber ihn herrisch und sah ihm fest in die Augen, bevor er die Bombe platzen ließ, die er sich eigentlich für einen späteren, besonneneren Teil dieses Gesprächs aufgehoben hatte, „April ist schwanger, verdammt!“ „WAS?“ trotz des vorgezogenen Zeitpunktes verfehlte diese Nachricht nicht ihre Wirkung. Colt fiel sprachlos in den Ohrensessel zurück, seine Kinnlade klappte unkontrolliert herunter und seine Augen traten wie bei einem Fisch weit aus den Höhlen hervor. Wäre der Sessel nicht an seinem Platz gewesen, hätte er sich mit dem Hosenboden wohl auf den blanken Teppich gesetzt. Er brauchte ein paar Augenblicke, bis die unermessliche Mitteilung von seinen Ohren an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet worden war. April war schwanger! Das erklärte natürlich endlich ihr merkwürdiges Verhalten und die Tatsache, dass sie sich so vehement geweigert hatte, an der Mission teilzunehmen. Aber warum hatte sie es Fireball nicht gesagt? Er hätte doch ein Recht darauf gehabt, es zu erfahren. Natürlich immer vorausgesetzt, dass der Rennfahrer auch tatsächlich der Vater war. Mit krauser Stirn und gehetztem Blick starrte der Cowboy auf seine Stiefel, an denen nach wie vor Schlammspritzer klebten, die aber mittlerweile getrocknet waren: „Ist es…“, er konnte diesen unvorstellbaren Gedanken kaum in Worte fassen, „ich meine, bist Du der…“ Bestürzt sprang Saber auf: „Himmel Colt, würdest Du bitte mal Deine grauen Gehirnzellen anstrengen, bevor Du so einen Blödsinn von Dir gibst!“ außer sich schlug sich der Säbelschwinger mit der flachen Hand gegen die Stirn, was der Cowboy mehr als nur ungerecht empfand: „Also nach dem, was ich heute Morgen in Aprils Wohnung mit ansehen musste, ist dieser Gedanke nicht so abwegig, würde ich meinen!“ immerhin sprach auch die Tatsache dafür, dass April sich des Nachts in Sabers Appartement herumtrieb. Vielleicht war ihr die Bürde des fürchterlichen Geheimnisses ja zuviel geworden und sie hatte ihr Herz dem wahren Vater erleichtert, um zu hören, was dieser als nächstes zu tun gedachte. Und warum hätte sie den Schotten wohl in ihr Bett lassen sollen, wenn nicht schon seit längerer Zeit etwas zwischen ihnen am Laufen war? „Mensch, mach Dich doch nicht lächerlich“, brauste Saber empört auf, obwohl er unendlich dankbar dafür war, dass Colt nun offensichtlich doch gewillt war, ihm wenigstens sein Gehör zu schenken, „glaubst Du denn allen Ernstes, dass ich mitten vor Fireballs Nase eine Affäre mit April anfange und dann nach seinem Tod nichts Besseres im Sinn habe, als gleich meine Besitzansprüche geltend zu machen?“ Darauf konnte Colt nur kraftlos die Hände heben: „Ehrlich gesagt weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich im Moment noch glauben soll!“ Saber konnte den Freund in diesem Punkt nur zu gut verstehen und nickte mitfühlend: „Ich weiß schon was Du meinst…“ „Ach ja“, misstrauisch blähte Colt die Nasenflügel, „was hättest Du wohl gedacht, wenn Du mich morgens aus Aprils Schlafzimmer hättest spazieren sehen, mit völlig verpenntem Gesicht, zerwühlten Haaren und nur einer Hose bekleidet, weil das Hemd ja noch im Wohnzimmer liegt?“ „Na, ja“, der Säbelschwinger wusste, dass er mit seiner nun folgenden Antwort sehr dünnes Eis betrat, aber es war die einzige Möglichkeit, Colt die Situation so verständlich wie möglich zu erklären, „vielleicht ungefähr das gleiche, was ich auch gedacht habe, als Du Dich früh morgens nur mit einer Boxershorts bekleidet aus Christas Quartier geschlichen hast.“ Diese Aussage ließ den Cowboy kreidebleich werden: „Das ist doch was völlig anderes“, eine Tatsache, von der er felsenfest überzeigt war, sich aber ärgerlicher Weise doch irgendwie bei etwas Unrechtem ertappt fühlte, „ich habe lediglich versucht, Christa ein wenig zu trösten.“ „Das habe ich auch.“ „Schon klar“, sarkastisch grinsend tippte sich Colt gegen die Stirn, „nur dass ich nicht gleich Matratzengymnastik mit ihr betrieben habe.“ Wenn Saber es darauf anlegte, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden, nur um sein eigenes unentschuldbares Handeln dadurch zu rechtfertigen, hatte er sich gewaltig geschnitten. So einfach würde er mit dieser Nummer nicht davon kommen. Da wagte der Säbelschwinger doch wirklich zu behaupten, er habe April nur trösten wollen. War das nicht der Witz des Jahrhunderts? In Colts Augen hatte Saber einfach nur die sich bietende Chance beim Schopf gepackt und Aprils tragische Situation schamlos ausgenutzt: „Wie lange weißt Du denn schon, dass sie schwanger ist?“ dieser Fakt kam Colt noch immer so unabwegig und neu vor, dass es allein schon komisch war, das Wort schwanger auszusprechen und dabei an April denken zu müssen. Wieder fuhr Saber sich fahrig durch die Haare. Seine aufgesetzte Fassade bröckelte mehr und mehr und gab langsam Einblicke auf den erschütterten jungen Mann frei, der sich dahinter verbarg: „Natürlich erst seit heute Morgen. Wenn ich es früher gewusst hätte, wäre ich sicher nie…“ „Behalts für Dich, okay“, angewidert hob Colt die Hände, „ich will das überhaupt nicht hören!“ es war eine Sache gewesen zu akzeptieren, dass April und Saber die Nacht miteinander verbracht hatten. Jetzt auch noch fürchten zu müssen, dass sie ein Kind von ihm erwartete, überstieg bei weitem seine Schmerzgrenze. Wie tief mochte der Verrat an seinem besten Freund noch wurzeln? „Ich hatte nicht vor, Dir irgendwelche Details auf die Nase zu binden“, ereiferte sich der Schotte hitzig, „ich will lediglich versuchen, Dir zu erklären…“ „Schwörst Du, dass Du nicht der Vater bist?“ bevor sich Colt weiteren an den Haaren herbeigezogenen Ausflüchten hingab, brauchte er zumindest in diesem Punkt Gewissheit. Denn wenn April tatsächlich von Saber schwanger war, hätte es keiner von beiden mehr verdient, dass man sich überhaupt noch mit ihnen abgab. In diesem Fall wäre ihre Freundschaft für jetzt und alle Zeit endgültig Geschichte gewesen. „Colt“, flehend legte der Schotte den Kopf schräg und blickte den Cowboy eindringlich an, „ich schwöre bei allem, was mir heilig ist. Ich habe sie vor gestern Abend nie angefasst.“ „Hmm“, alles, was Saber heilig war, umfasste sicherlich keinen Blaster, aber Colt wusste ja selber, wie weit es mit dem Schwören auf ein Schießeisen her war und gab sich vorerst mit dieser Beteuerung zufrieden, „und wieso musstest Du dann gerade jetzt damit anfangen?“ „Menschenskind, ich weiß es doch auch nicht“, murmelte der Schotte matt, „das war sicher nicht geplant, als ich zu ihr geflogen bin.“ Er vergrub die rechte Hand in der Hosentaschen, während die linke schlaf an seiner Seite baumelte und begann, unruhig im Wohnzimmer auf und ab und zu tigern. Colt beobachtete dieses Verhalten eine Zeit lang, bis es ihm schließlich zu viel wurde: „Du hast gesagt, Du bist gekommen, um es mir zu erklären. Dann wird es langsam Zeit, dass Du damit anfängst, oder! Was hattest Du überhaupt bei April zu suchen?“ „Sie war an Bord von Ramrod, als wir zwei gestern noch einmal zurück gekommen sind, um Steed und den Bronco Buster zu holen“, begann Saber geistesabwesend den Abend Revue passieren zu lassen. Er war mit versonnenem Blick mitten im Raum stehen geblieben und starrte aus einem der Sprossenfenster hinaus in den Garten, „sie hat sich die Aufzeichnungen der Blackbox angesehen.“ „Ja, ich weiß, sie hat es mir heute Morgen erzählt“, unwirsch stütze Colt das Kinn auf die Hände, „eine echt blöde Idee, wenn Du mich fragst. Ich kann ja schon kaum noch schlafen, weil ich diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Was hat sie sich nur dabei gedacht?“ er mochte nicht darüber nachdenken, was die Aufzeichnungen in April für Gefühle ausgelöst haben mussten. Aber er konnte es sich auch lebhaft vorstellen, ohne seine grauen Zellen großartig mit Denkakrobatik behelligen zu müssen. Schließlich hatte sie ihm ja selber erzählt, wie sie nach dem Anblick des brennenden Red Fury auf Saber losgegangen war. Der Säbelschwinger schien gerade ähnlichen Gedanken nachzuhängen, denn er verzog in schmerzlicher Erinnerung das Gesicht, als er leise weitersprach: „Ich denke, sie wollte einfach wissen, was wirklich passiert ist. Aber Du hast schon Recht, es war eine mehr als blöde Idee. Ich habe sie in dem Moment kaum wieder erkannt. Sie war so… ich weiß auch nicht. Beinahe wie ein Geist. Sie stand völlig neben sich“, mit immer noch starrem Blick ging Saber hinüber zum Ofen und stützte sich darauf ab, als würde er befürchten, sonst das Gleichgewicht zu verlieren, „und ehe ich auch nur ein vernünftiges Wort zu ihr sagen konnte, hat sie mir vorgeworfen, ich hätte Fireball auf dem Gewissen und ist abgerauscht.“ Colt konnte es sich nicht verkneifen, einen erstaunten Pfiff abzugeben: „Hat sie das wirklich so gesagt?“ Ein mattes Lächeln zeigte sich in den Zügen des Schotten: „Sie hat es etwas weniger diplomatisch ausgedrückt, aber im Prinzip war das die Hauptaussage, ja.“ „Du weißt schon, dass sie das nicht so gemeint hat, oder“, versuchte der Cowboy in einem Anflug von Mitleid die Gedanken des Freundes ein wenig aufzuheitern, als ihm mit leichter Ironie bewusst wurde, dass sie ihm das sicherlich schon selber gesagt hatte, „na, ja, ich denke, Du weißt es tatsächlich.“ „Ihr Anblick hat mich irgendwie den ganzen Abend nicht mehr losgelassen“, überging Saber den kleinen Seitenhieb und setzte seine Geschichte unbeirrt fort, „und nachdem zu Hause nichts weiter als ein niederschmetternder Brief von Cynthia auf mich gewartet hat…“ „Cynthia“, horchte der Cowboy merklich interessiert auf, „an die hatte ich gar nicht mehr gedacht. Aber Du ja anscheinend auch nicht, sonst hättest Du wohl kaum…“ „Bevor Du mir das nächste Messer in den Rücken rammst, solltest Du mich vielleicht mal ausreden lassen!“ fauchte Saber nun doch kampfeslustig und verwies den verdutzten Colt damit eindeutig in seine Schranken. „Bitte, ich sag ja gar nichts mehr.“ Beherzt tat der Schotte einen tiefen Seufzer, weil es ihm nicht ganz so einfach fiel, dem raubeinigen Cowboy Einblicke in seine Gefühle zu gewähren. Aber wenn er die Sache mit April ins Reine bringen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit offenen Karten zu spielen: „Bevor wir gestartet sind, habe ich Cynthia einen ziemlich langen Brief geschrieben. Wir haben uns schon vor einer ganze Weile zerstritten, weißt Du.“ „Wir hatten uns schon ein bisschen gewundert, dass wir die Kleine so lange Zeit nicht zu Gesicht bekommen haben“, nachdenklich kratzte sich Colt am Kopf und überlegte, wann es wohl das letzte Mal gewesen sein mochte, dass er die brünette Frau gesehen hatte, „warum habt Ihr Euch denn gestritten?“ ihm war wohl bewusst, dass diese Frage eine ziemlich persönliche Antwort bedeuten musste, aber er hoffte inständig, dass er sie trotzdem bekommen würde. „Ist ein bisschen schwierig zu erklären“, druckste Saber verlegen und wurde tatsächlich ein wenig rot im Gesicht, „im Prinzip kann man schätze ich sagen, dass ich mich einfach wie ein Vollidiot verhalten habe und sie irgendwann keine Lust mehr hatte, die zweite Geige zu spielen…“ „Aha, und das heißt im Klartext?“ „Ich bin in Sachen Frauen nicht so besonders gut“, unglücklich warf der Schotte seinem Freund einen neidischen Seitenblick zu, „jedenfalls könnte ich mir gut und gerne eine Scheibe bei Dir abschneiden.“ Colt registrierte wohlwollend, dass das tatsächlich ein Kompliment gewesen war und unterdrückte eine spitzfindige Antwort, die Sabers Redefluss erneut unterbrochen hätte. „Ich wusste einfach nie so richtig, wie ich mich Cynthia gegenüber verhalten sollte und habe deswegen meistens die Arbeit vorgeschoben, um sie auf Abstand zu halten. Ich hatte glaube ich Angst, sie könnte mir zu wichtig werden, zuviel Raum in meinen Gedanken einnehmen.“ „Und“, völlig fasziniert verfolgte der Cowboy den Seelenstriptease seines Anführers. Er hatte es noch nie erlebt, dass Saber offen über seine Empfindungen geredet hatte und schloss daraus, dass Cynthias Brief ihm doch ziemlich schwer zugesetzt haben musste, „hat es funktioniert?“ er wusste ja bereits um das Foto, dass er bei dem Highlander gefunden hatte und konnte sich die Antwort deswegen denken. „Überhaupt nicht“, bestätigte Saber ihm mit gequälter Miene, „ich habe mir die ganze Zeit über nur was vorgemacht, weil ich nicht wahrhaben wollte, wie wichtig sie mir ist. Ich dachte ehrlich, es wäre eine Schwäche, wenn man sein Herz zu sehr an einen anderen Menschen hängt.“ Colt fehlten ob dieses Geständnisses glatt die Worte. Wie konnte ein Mensch bloß glauben, dass Liebe eine Schwäche war? Letztlich lebte man doch eigentlich nur, um zu lieben! „Verständlicher Weise hatte Cynthia irgendwann genug von diesem Katz und Maus Spiel und hat von mir verlangt, dass ich endlich klar Stellung beziehe, damit sie weiß, woran sie ist.“ „Ich glaube, ich will gar nicht wissen, wie Du Dich entschieden hast!“ seufzte Colt, der ja das Ende der Geschichte schon kannte. Und dabei war Cynthia so eine reizende Person. Wie konnte man so dumm sein und sein Glück mit Füßen treten, wenn es einem schon direkt in den Weg gesprungen kam. Cynthia war wie geschaffen für Saber. Sie sprachen eine Sprache, wie man so schön sagte. Sie war einfühlsam und verständnisvoll und verstand es, den sensiblen Kern im Inneren des Schotten zu berühren. Wie oft passierte es schon, dass man diesem einen Menschen im Leben begegnete, dessen Herz im Einklang mit dem eigenen schlug? Colt hatte dieses Phänomen erst ein einziges Mal erlebt, und das war bei Fireball und April gewesen. Sicher hegte er selber auch tiefe Gefühle für Robin, sonst hätte er sie ja nie geheiratet. Aber es verging kein Tag, an dem sie nicht wegen einer unbedeutenden Kleinigkeit aneinander gerieten, weil sie in so vielen Belangen so unterschiedlich waren, wie Tag und Nacht. „Glaub mir“, traurig kam Saber zurück zum Sofa geschlurft und setzte sich auf die äußerste Kante, „es ist seitdem kein Tag vergangen, an dem ich nicht bereut habe, ihr meine wahren Gefühle gestanden zu haben. Aber ich war einfach zu feige und zu stolz, um meinen Fehler einzugestehen. Und als ich dann doch endlich den Mut gefunden habe, um Vergebung zu bitten, war es zu spät.“ „Sie will also nichts mehr von Dir wissen?“ „Richtig“, verbittert ließ Saber seine Fingerknochen knacken, „kann ich ihr nicht mal verübeln, sie ist auf jeden Fall besser ohne mich dran. Aber nachdem April mich auf Ramrod schon ziemlich in den Boden gestampft hatte, war ihr Brief nicht gerade das, was meinen Abend gerettet hat. Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt und ich dachte, dass es nicht weiter schaden konnte, wenn ich mir noch eine blutige Nase holen würde. Also habe ich meine Flasche Scotch geschnappt und bin zu April, um wenigstens sie davon zu überzeugen, dass ich nicht so ein schlimmer Dreckskerl bin, wie sie vielleicht dachte.“ Nun regte sich wieder der Unmut in Colt, der in Anbetracht der tragischen Liebesgeschichte seines Freundes völlig zur Ruhe gekommen war: „April ist schwanger und Du flößt ihr tatsächlich Whisky ein? Bist Du denn noch zu retten?“ „Man, das wusste ich doch zu dem Zeitpunkt noch nicht“, setzte der Schotte zu einer schwachen Verteidigung an, „ich war ja froh, dass sie mir nicht gleich wieder die Tür vor der Nase zugeschlagen hat. Sie war verglichen mit unserer ersten Begegnung sowieso außerordentlich gefasst, aber irgendwann ist der Damm dann doch gebrochen und ihre toughe Fassade ist eingestürzt, wie ein Kartenhaus. Der Alkohol, die hoffnungslose Lage, ich denke, wir haben uns in dieser Situation einfach gesucht und gefunden.“ „Oh ja, danke“, eilig schnitt Colt dem Freund das Wort ab, denn an weiteren Ausführungen war er beim besten Willen nicht interessiert, „den Rest kann ich mir denken!“ die Vorstellung, dass April bei Saber Trost gesucht hatte und nicht bei ihm, tat irgendwie weh. „Kannst mir aber glauben, dass wir uns heute Morgen ziemlich einig waren, dass diese Nacht nicht gerade zu unseren besten Ideen gehört hat.“ Versonnen betrachtete Saber die Innenseiten seiner Hände und erst jetzt bemerkte der Cowboy einen langen blutigen Schnitt, der sich quer über die linke Daumenwurzel des Säbelschwingers zog: „Hast Du Dich geschnitten?“ „April hat aus lauter Wut die leere Whisky-Flasche an die Wand geschmissen und ich habe mich wohl beim Aufsammeln der Scherben etwas ungeschickt angestellt.“ Colt grinste schelmisch: „War die Nacht so schrecklich?“ nicht einmal sein typisch verschmitztes Zwinkern konnte er zurück halten. Es war gut gewesen, dass Saber so beharrlich auf einer Erklärung bestanden hatte. Zwar räumte das nicht die Tatsache aus dem Weg, dass er sich von April und seinem Freund ausgeschlossen fühlte, aber zumindest wusste er jetzt, dass Fireballs Andenken noch immer makellos und unbefleckt seinen Mann stand. „Freut mich, dass Du Deinen Humor wiedergefunden hast“, stellte Saber wahrheitsgetreu fest, „aber die kaputte Flasche hatte weniger mit der Nacht als mit Deinem Besuch zu tun. Nachdem Du abgezogen warst“, hierbei betastete der Highlander vorsichtig seine geschwollene Lippe, „hat sich April im Bad die Seele aus dem Leib gewürgt. So bin ich überhaupt erst drauf gekommen, dass sie schwanger ist.“ „Mein Gott, die arme Kleine. Stell Dir das doch nur mal vor“, wieso musste das Schicksal so schrecklich unfair zu so einem wunderbaren Menschen wie April sein, „wie einsam muss sie sich jetzt wohl fühlen?“ er musste den dringenden Wunsch unterdrücken, sofort aufzuspringen und zu ihr zu fliegen. „Davon können wir uns wahrscheinlich nicht mal annähernd eine Vorstellung machen. Aber trotz ihrer Verzweiflung hatte sie noch genug Energie, um mich wutentbrannt vor die Tür zu setzen, als ich ihr versichert habe, dass ich mich um sie kümmern würde.“ „Ich habs direkt vor Augen“, schmunzelnd starrte Colt weiterhin auf die Schnittwunde an Sabers Hand, „Du weißt doch, wie dickköpfig sie sein kann. Sie musste schon immer beweisen, wie gut sie alleine zurechtkommt.“ Nur würde ihr das unter den gegebenen Umständen auch wirklich gelingen? Sie hatte Fireball verloren, den Menschen, den sie mehr als alles auf der Welt verehrt und geliebt hatte, und alles was ihr von ihm geblieben war, war sein Kind, das in ihr heranwuchs. Wie würde sie mit dieser Situation fertig werden? „Allerdings. Das letzte, was sie mir noch zugebrüllt hat war, dass ich mich gefälligst um mein eigenes Liebesleben kümmern und zu Cynthia fliegen soll. Ich hoffe übrigens, dass das Deine letzten Befürchtungen bezüglich einer möglichen Liaison zwischen ihr und mir endgültig aus dem Weg räumt.“ Entschlossen stand der Cowboy auf: „Ich denke, wenn ich mich genügend anstrenge, werde ich diese unsägliche Kapitel vielleicht verdrängen können“, mit Bedacht strich er sich über den Hosenboden, „meinst Du, ich kann zu ihr?“ das Bedürfnis, sich endlich mit der Freundin auszusprechen und gemeinsam mit ihr nach Trost zu suchen, wurde geradezu übermächtig, besonders wenn er an den kürzlich ausgefochtenen Streit mit Robin dachte. April konnte seine Anwesenheit bestimmt gut gebrauchen, und er konnte endlich jemandem sein eigenes Herz ausschütten, der ihn auch wirklich verstand. „Meinst Du nicht, dass Du vorher noch ein paar eigene Dinge auf die Reihe bringen solltest?“ Sabers Miene hatte sich wieder zu der undurchdringlichen Maske verschlossen, von der man nicht die kleinste Gefühlsregung ablesen konnte. „Zum Beispiel?“ unruhig hob Colt den rechten Fuß und wischte den Dreck auf dem Stiefel an seinem linken Hosenbein ab. Er erinnerte sich, dass Saber beim Eintreten von Robin gesprochen hatte, aber wie viel hatte seine Frau ihm über ihre Auseinandersetzung erzählt? „Weswegen hast Du Dich mit Robin gestritten?“ War ja wieder klar. Da hatte der Säbelschwinger einmal sein Herz ausgeschüttet und meinte gleich, dass ihn das zum Herumschnüffeln in anderer Leute Privatleben bemächtigte. Aber was sollte es schon schaden, ihn in groben Zügen auf dem Laufenden zu halten: „Das alte Thema. Robin verlangt von mir, dass ich meinen Stern abgebe, damit sie nachts ruhiger schlafen kann. Und ich habe ihr gesagt, dass sie sich diese blöde Idee abschminken kann.“ „Weiß sie denn über Christa bescheid?“ diese Frage war ziemlich direkt und der Cowboy überlegte ernsthaft, ob er sie beantworten sollte, entschied sich dann aber für ein bisschen Vertrauen. Immerhin hatte Saber ihm dieses ja auch entgegen gebracht: „Was denkst Du wohl, warum sie überhaupt wieder auf diese Schnapsidee gekommen ist? Meint wohl, sie könnte mich für alle Zeit von anderen Frauen fern halten, wenn ich kein Star Sheriff mehr bin.“ „Das wäre allerdings ein sinnloses Unterfangen“, Saber erhob sich von der Sofalehne und machte Anstalten aufzubrechen, „ein Raucher kann die Zigaretten erst stecken lassen, wenn er das auch wirklich von ganzem Herzen will.“ Mürrisch putzte Colt nun auf gleiche Weise seinen anderen Stiefel: „Kannst Du mir anstelle von abgedroschenen Phrasen auch einen Rat geben, was ich in dieser Sache anstellen soll, Dr. Freud? Robin scheint es dieses Mal wirklich ernst zu meinen.“ Ein Hauch von Verzweiflung klang in seiner Stimme mit und Saber erkannte, dass er ernsthaft Hilfe von ihm erwartete. „Wenn Du sie wirklich so liebst, wie Du bislang gedacht hast, dann wirst Du ihr zuliebe tun, was sie verlangt. Denn sonst läufst Du Gefahr, sie zu verlieren.“ Bestürzt riss Colt die Augen auf: „Du meinst, ich soll tatsächlich den Dienst quittieren, nur weil es ihr gerade so in den Kram passt?“ „Nein, das meine ich nicht“, geschäftig fing der Schotte an, seine rechte Hosentasche zu durchsuchen und förderte schließlich einen kleinen zerknitterten Zettel hervor, „ich habe lediglich gesagt, wenn Du sie wirklich so sehr liebst, wirst Du nicht riskieren wollen, sie zu verlieren. Allerdings ist mir seit gestern Abend so einiges klar geworden, und ich denke, dass Du Deine Entscheidung erst treffen solltest, nachdem Du dieser Adresse einen kleinen Besuch abgestattet hast!“ er drückte dem verwirrten Colt den Zettel in die Hand und wandte sich zum Gehen. Verdattert nahm der Cowboy den Schnipsel in genaueren Augenschein: Ground Plaza, Suite 37: „Was ist das?“ Saber drehte sich mit vielsagender Miene um: „Das Hotel, in dem Christa untergebracht ist.“ Colts Finger begannen zu zittern: „Ich verstehe nicht…“ „Wenn Du mir eben zugehört hast, dann verstehst Du sehr wohl“, der Säbelschwinger kam zu seinem Freund herüber und legte ihm die gesunde Hand auf die Schulter, „Du musst Dich entscheiden, was Du wirklich willst!“ er verpasste ihm einen kameradschaftlichen Knuff und ließ ihn dann ohne ein weiteres Wort mit seinen durcheinander wirbelnden Gedanken alleine. Colt war überaus dankbar dafür, dass ihm die Handgriffe beim Fliegen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen waren, dass er seinen Bronco Buster starten konnte, auch ohne darüber nachzudenken, was er tat. Denn im Moment herrschte in seinem Kopf ein so heilloses Durcheinander, dass er nicht mehr im Stande war, geistige Arbeit zu verrichten. Es fühlte sich so an, als würde sich sein Schädel mehr und mehr aufblähen, je länger er versuchte, eine Ordnung in das Chaos zu bringen, dass sich in seinen Gehirnwindungen ausgebreitet hatte. Die Ereignisse der vergangenen Tage waren einfach zuviel für ihn. Man konnte von einem Durchschnittscowboy, der zugegeben wesentlich besser mit dem Blaster umgehen konnte, als der Durchschnitt, wirklich nicht verlangen, dass er eine so komplizierte Matrix aus Beziehungen und Gefühlen verstand, die quasi permanent wuchs und immer vertrackter und aussichtsloser wurde. Fireballs Tod hatte ihn wie eine Supernova aus der Bahn katapultiert und sämtliche Anstrengungen, auf den richtigen Kurs zurück zu rudern, wurden vehement von allen Seiten boykottiert. Da war zum einen Christa, aus der er einfach nicht schlau wurde und bei der er nach wie vor rätselte, woran er war. Bis zu jener Nacht, in der sie ihn ziemlich eisig hatte abblitzen lassen, war er felsenfest davon überzeugt gewesen, dass er ihr irgendetwas bedeutete. Mittlerweile fragte er sich aber, ob das alles nur Einbildung gewesen war und sie tatsächlich nur ein wenig Spaß mit ihm hatte haben wollen. Sie hatte sich seit ihrer Rückkehr nicht mehr gemeldet, gut, er natürlich auch nicht, doch er hatte gehofft, wenigstens ein kleines Lebenszeichen von ihr zu erhalten. Colt behagte der Gedanke ganz und gar nicht, dass Christa nun wieder von morgens bis abends von Roland umschwärmt wurde. War er etwa eifersüchtig? Mit tiefen Falten auf der Stirn gab der Cowboy ordentlichen Schub auf seine Triebwerke und der Bronco Buster schoss wie ein geölter Blitz durch den trüben Morgen. Er hatte die Adresse des Hotels in den Navigator eingegeben und drückte sich jetzt mit verschränkten Armen in seinen Sitz, während der Bordcomputer seines Jets die Steuerung übernahm. Wie konnte er denn eifersüchtig sein, wenn er noch nicht einmal wusste, wie seine Gefühle für die hübsche Rothaarige tatsächlich aussahen. Klar, sie war eine klasse Frau mit umwerfenden Kurven, das stand völlig außer Frage. Aber was er in den letzten Tagen an ihr schätzen gelernt hatte, war ihr ganz eigener Sinn für Humor, der seinem gar nicht so unähnlich war. Anfangs hatte er ja wirklich gedacht, Christa wäre ohne jeden Funken für Witz und Spaß auf die Welt gekommen, aber das war, bevor sie ihr wahres Gesicht offenbart und ihn mit diesem miesen kleinen Kartentrick aufs Glatteis geführt hatte. Colt musste unwillkürlich schmunzeln, als er an diesen spannungsgeladenen Abend zurück dachte. Dieses harmlos gedachte Pokerspiel hatte aus übertriebenem Stolz begonnen und letztlich eine Gefühlslawine losgetreten, die niemand mehr so recht stoppen konnte. Oder wollte! Das nach wie vor erstaunlichste Phänomen stellte in den Augen des Cowboys aber Saber dar. Wie der blonde Schotte es geschafft hatte, in so kurzer Zeit eine Wendung um hundertachtzig Grad hinzulegen und sich vom Spießer der Nation in einen aufbrausenden Hitzkopf zu verwandeln, der unter Einfluss von reichlich Alkohol die beste Freundin verführte, war Colt absolut schleierhaft. Und dass gerade der Säbelschwinger es gewesen war, der ihn mit einem dezenten Tritt auf den Weg zu Christa geschickt hatte, würde ihm sicher niemand glauben. Wo Saber doch immer wieder versucht hatte, den Cowboy an seine daheimgebliebene Frau zu erinnern und ihm bei jeder Gelegenheit dazwischen gefunkt hatte. Was erwartete der Freund jetzt wohl von ihm? Er hatte gesagt, Colt müsse sich entscheiden, was er wirklich wollte. Wenn das nur so einfach gewesen wäre. Was würde es überhaupt bringen, Christa aufzusuchen? War es wirklich klug, erneut in ein Hornissennest zu stechen, das sich gerade erst wieder beruhigt hatte? Wie er sein Glück kannte, würde der Lieutenant wahrscheinlich nicht einmal mit ihm reden wollen. Aber es wäre natürlich schon nett, sie wiederzusehen und sich davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging. Ob sie sich mit Roland versöhnt hatte, oder ihm vielleicht das eine oder andere prekäre Detail der Mission offenbart hatte? Colt schluckte schwer. Das letzte, was er jetzt zu seiner durchgedrehten Frau gebrauchen konnte, war ein französischer Prinz, der ihm aus Eifersucht nach dem Leben trachtete. Diesen Punkt hatte Saber sicher nicht bedacht, als er ihm Christas Adresse zugesteckt hatte. Waren eigentlich schon Kriege ausgebrochen, weil sich der Thronfolger eines Landes seiner Herzdame beraubt gefühlt hatte? Zumindest seine Chancen auf eine Suspendierung wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem hohen Staatsgast stiegen mit jedem Meter, den er sich seinem Ziel näherte gewaltig. Es dauerte gute zwanzig Minuten, bis Colt das Ground Plaza erreicht hatte, eine der teuersten Adressen von ganz Yuma City. Hier stieg nur die Crème de la Crème ab, die sich den exklusiven und luxuriösen Lebenswandel gerne etwas kosten ließ. Der Cowboy fühlte sich etwas unbehaglich, als er mit seinen schlammbespritzten Stiefeln, der dreckigen Jeans und dem durch den Regen arg in Mitleidenschaft gezogenen Lederhut die pompöse Empfangshalle betrat. Der Fußboden bestand aus blank poliertem schwarzem Marmor, der mit Goldadern durchsetzt war und beinahe schimmerte, wie ein dunkler Ozean im Licht der untergehenden Sonne. Von der kunstvoll verzierten Stuckdecke hingen Kristallleuchter und perfekt angeordnete Palmengewächse umrahmten kleine Sitzgruppen aus goldenen Stühlen und Alabastertischen. Was für eine unglaubliche Verschwendung von Continentals, schoss es Colt unwillkürlich durch den Kopf. Wie konnte man sich in diesem Prunk bloß wohl fühlen und dafür freiwillig auch noch ein kleines Vermögen auf den Tisch blättern? Der Cowboy wandelte im Slalom durch eine Reihe ziemlich wertvoll und antik anmutender Amphoren hindurch und bahnte sich seinen Weg vorbei an einem naserümpfenden Concierge und einer Gruppe von dickbepelzten alten Damen zur Rezeption. Die blonde junge Frau hinter dem Tresen, die so aussah, als würde sie ihr perfekt gebügeltes Geschäftsfrauenoutfit nicht einmal in der Nacht ablegen, musterte Colt mit unverhohlenem Interesse, sagte aber mit nicht unfreundlicher Stimme: „Willkommen im Ground Plaza. Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?“ Der Cowboy wuchs augenblicklich um mehr als fünf Zentimeter: er konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal eine Person mit Sir angesprochen hatte. Vielleicht hatte dieser Luxusbunker ja doch einen gewissen Charme! Bevor er jedoch eine Portion seines eigenen Liebreizes in die Waagschale werfen konnte, erklang hinter ihm eine wohlvertraute, wenn auch ziemlich abfällige Stimme: „Lassen sie ier jetzt auch schon dreckige Straßenvagabunden erein?“ Mit eisigem Grinsen drehte sich Colt zu der Stimme herum, die er aus Millionen erkannt hätte und starrte Prinz Roland entgegen, der gerade die letzten Stufen der ausladenden Treppe heruntergeschritten kam. Er trug neben seiner offiziellen Uniform den gleichen arroganten Gesichtsausdruck zur Schau, den die Star Sheriffs bei ihrer allerersten Begegnung schon präsentiert bekommen hatten. Und das gefährliche Glitzern in seinen schmalen Augen ließ nichts Gutes erahnen. „Prinzessin“, der Cowboy hob zum Gruß den rechten Arm und machte ein paar Schritte auf den Thronfolger zu, „welch angenehme Überraschung.“ Roland beschleunigte seinen Gang und ehe Colt wusste, wie ihm geschah, verpasste ihm der Prinz einen rechten Schwinger, der sich gewaschen hatte. Durch die Wucht des Schlags aus dem Gleichgewicht gebracht, taumelte der Cowboy überrascht einige Schritte zurück und befühlte sein schmerzendes Kinn: „Da haut ja meine Oma kräftiger zu, als Du Prinzenröllchen“, er war froh, dass Roland offenbar nicht sehr geübt im Umgang mit seinen Fäusten war, denn das hatte ihm die Peinlichkeit erspart, vor dem affektierten Schnösel in die Knie zu gehen, „und verrätst Du mir auch, wofür der war?“ er schob seinen Unterkiefer vorsichtig hin und her, um zu sehen, ob er sich nicht vielleicht doch etwas gebrochen hatte. „Stell Disch nischt dümmer, als Du bist, Colt“, fauchte Roland feindlich zurück, „das ist dafürr, dass Du es gewagt ast, mein Mädschen anzufassen.“ Der Cowboy nickte ergeben: „Dann schätze ich, hatte ich den wohl verdient!“ was hatte es für einen Sinn, sich in langen Erklärungen zu winden, wenn Roland ja doch längst bescheid wusste. Also hatte Christa ihm erzählt, was an Bord von Ramrod vorgegangen war. Sollte er das jetzt als gutes, oder als schlechtes Zeichen auslegen? „Du streitest es also garr nischt ab?“ das schien den Prinzen zu beeindrucken, änderte aber nichts an der zornigen Miene, die er zur Schau trug. Gleichgültig kratzte Colt sich an der Nase: „Wozu? Ich habe mich unrechtmäßig in Deinem Revier herumgetrieben und Du hast mir dafür eine reingehauen. Ich würde sagen, wir sind quitt“, beinahe kameradschaftlich legte er Roland eine Hand auf die Schulter und schob ihn sacht zur Seite, „und wenn Du gestattest, würde ich jetzt gerne zu Christa.“ „Was bildest Du Dirr ein, Du Weiberreld“, angriffslustig packte der Prinz Colts Hemdskragen und zog ihn grob zu sich heran, bis nur noch einige Zentimeter Luft zwischen ihnen waren, „Du lässt gefälligst Deine dreckigen Fingerr von irr, ast Du das verschtanden?“ „Sorry Partner“, sacht schob der Cowboy Roland beiseite, selber erstaunt, wie ruhig er bislang geblieben war, „ich würde ja gern noch ein bisschen weiter mit Dir flirten, aber Du bist einfach nicht mein Typ!“ er vergeudete hier doch nur seine Zeit mit diesem Aushilfsregenten. „Verrschwinde, Kuhtreiberr, bevor isch Disch aus dem Otel werrfen lasse. Christa legt keinen Werrt darrauf, Disch noch einmal wiederrzusehen.“ Langsam begann der alberne Aristokrat Colt gehörig auf die Nerven zu gehen. Es war schon schlimm genug, dass Roland meinte, sich dem Cowboy ungestraft in den Weg stellen zu können, aber diese ätzende Sprache gehörte gelinde gesagt verboten: „Hör zu Lando“, vielleicht würde er ja mit der kameradschaftlichen Tour weiterkommen, „Du hattest Deine kleine Rache. Aber ich werde nicht gehen, ehe ich Christa gesprochen habe, klaro?“ „Tut mirr wirklisch leid, aber das kann isch nischt errlauben“, Roland ging hochnäsig auf dieses kleine Spiel der höflichen Floskeln ein, „Christa macht sisch gerade reisefertig. Wirr breschen in einerr Stunde auf.“ „Ich glaube kaum, dass Du dabei irgendwas zu erlauben hast oder nicht, Du Kasper!“ zumindest hatte Colt es auf die sanfte Tour versucht. Wenn man den Prinzen in ein paar Tagen grün und blau geschlagen in einer Mülltonne fand, würde er wenigstens reinen Gewissens sagen können, dass er sein möglichstes gegeben hatte, um einen Streit zu vermeiden. Ein breites, gehässiges Grinsen zog sich über das spitze Gesicht des blassen Monarchen: „Isch denke schon, dass isch ein Wörtschen mitzuredden abe, wenn es um meine Verrlobte geht, n’est pas?“ „Verlobte“, Colt fühlte, wie sich sein Magen unangenehm zusammen zog, „hab gar nicht gewusst, dass Du ihr einen Ring über den Finge gezwängt hast!“ warum hatte Christa das mit keinem Wort erwähnt? „Isch wüsste auch nischt, was es Disch angehen sollte“, triumphierend hob der Prinz seine linke Hand und ließ den goldenen Ring aufblitzen, der an einem der Finger glänzte, „isch abe sie gestern Abend gefragt, ob sie meine Frau werrden will und sie at ja gesagt.“ „Du lügst!“ etwas anderes war Colt nicht eingefallen. Er konnte einfach nicht glauben, dass Christa nach allem, was gewesen war, einfach so daherkam und einen Heiratsantrag von dieser Witzfigur akzeptierte. Das war einfach unmöglich! Er musste sofort mit ihr reden. Bevor sie ihm nicht persönlich bestätigte, dass auch nur ein Funken Wahrheit an dieser lächerlichen Behauptung war, würde er keine ruhige Minute mehr haben. Roland kam ganz nah zu ihm heran und flüsterte mit siegessicherer Stimme: „Du ast verrloren, Cowboy!“ dann ließ er den am Boden zerstörten Colt achtlos stehen, legte im Vorbeigehen eine Chipkarte auf den Tresen der Rezeption und verließ das Gebäude, ohne sich noch einmal umzudrehen. Der Scharfschütze reagierte blitzschnell. Noch bevor die junge Blondine die Karte unter ihre Fittiche nehmen konnte, hatte Colt danach gegriffen und sie in der Brusttasche seines Hemdes verschwinden lassen. „Entschuldigen Sie bitte, Sir“ jetzt hatte ihre Stimme nichts freundliches mehr an sich, „ich muss Sie auffordern, mir diese Chipkarte sofort auszuhändigen!“ Der Cowboy fragte sich, ob sie mit diesem grimmigen Gesicht wohl versuchte, ihm Angst einzujagen: „Tut mir leid, Kleines“, eilig zückte er seine EDM und hielt sie der verdatterten Hotelangestellten unter die Nase, „Star Sheriff, ich bin in geheimer Mission unterwegs und fürchte, dass ich diese Karte konfiszieren muss. Es geht um die nationale Sicherheit, Sie verstehen!“ verschwörerisch zwinkerte er ihr zu und wandte sich dann in Richtung Treppe. „Aber“, intervenierte die junge Frau hilflos, „das geht doch nicht!“ „Keine Sorge“, rief Colt ihr zu, während er im Laufschritt die breite mit rotem Samt ausgelegte Treppe hinaufspurtete, „ich werde in meinem Bericht ein lobendes Wort über Ihre hervorragende Kooperation erwähnen!“ stürmisch nahm er immer gleich mehrere Treppenstufen auf einmal, um sich nicht noch auf weitere Diskussionen mit dem Empfangsdrachen einlassen zu müssen. Die Gedanken in seinem Kopf drohten sich mal wieder zu überschlagen. Was zum Teufel hatte Christa sich dabei gedacht, einen Heiratsantrag von Roland anzunehmen. Nach ihrer mehr als unterkühlten Haltung bei der Begrüßung am Raumhafen hätte er eher damit gerechnet, dass sie dem Kerl binnen kürzester Zeit den Laufpass geben würde. Diese überraschende Wendung brachte ihn vollkommen aus der Fassung. Im ersten Stockwerk angekommen, verriet ihm ein poliertes Messingschild, dass die Suiten eins bis zehn linker Hand zu finden waren, und sich die Nummern elf bis zwanzig auf der anderen Seite befanden. Das bedeutete wohl eine weitere Kletterpartie zur nächsten Ebene des fünfzehnstöckigen Gebäudes. Auf dem Weg zurück zur Treppe begann Colts Communicator zu piepsen, wie eigentlich immer, wenn es gerade überhaupt nicht passte: „Himmel, was ist denn nun schon wieder?“ gehetzt warf er einen Blick auf sein Handgelenk und stellte verblüfft fest, dass es April war, die da versuchte, ihn zu erreichen. Er zögerte einen Augenblick, weil er nicht so recht wusste, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. War es klug so zu tun, als hätte er von der Schwangerschaft noch nichts erfahren? Eigentlich hatte er ja gehofft, dieses Thema von Angesicht zu Angesicht mit ihr besprechen zu können, aber das half jetzt auch nicht weiter. Unsicher bestätigte er die Verbindung durch drücken des länglichen Knopfes an dem kleinen Gerät: „Was gibt’s, April, alles in Ordnung?“ Es herrschte kurze Zeit stille, bis Aprils verzerrte zögerliche Stimme aus dem eingebauten Minilautsprecher drang: „Du redest mit mir?“ „Offensichtlich, oder“, Colt wollte sich jetzt nicht auf lange Debatten einlassen, „sagen wir einfach, ich verdopple bei der Tracht Prügel, die ich Dir sowieso noch schuldig bin, die Anzahl der Schläge und wir lassen es dabei bewenden!“ „Hast Du mit Saber gesprochen?“ „Baby, willst Du dieses Thema jetzt allen Ernstes per Comline mit mir bequatschen?“ ungeduldig wühlte der Cowboy in seiner Hosentasche nach dem Fetzen Papier, den Saber ihm gegeben hatte, um sich noch einmal von der richtigen Nummer der gesuchten Suite zu überzeugen. „Nein, ich“, April machte eine künstlerische Pause, in der Colt sie eindeutig nach Luft schnappen hörte, „es geht um Robin.“ Schuldbewusst fuhr sich der Cowboy über die Stirn: „Um ehrlich zu sein, April, ist das gerade ein ziemlich unpassender Zeitpunkt für ein Gespräch solcher Art.“ Bestimmt war Robin bei ihrer Freundin gewesen und hatte sich herzlich über ihren unsensiblen und untreuen Ehemann ausgelassen, dem April jetzt gehörig den Marsch zu blasen gedachte. Aber das konnte auch noch warten, bis er mit Christa geredet hatte. Wenn ihm schon das jüngste Gericht blühte, wollte er es wenigstens verdient haben. „Was hast Du mit ihr gemacht, Colt?“ fragte April vorwurfsvoll, ohne sich von seinem Ablenkungsmanöver beeindrucken zu lassen. „Was genau hat sie denn gesagt, dass ich mit ihr gemacht habe?“ der Cowboy konnte sich ein spöttisches Grunzen nicht verkneifen. War ja mal wieder klar, dass er die alleinige Schuld an allem tragen sollte. „Nichts, deswegen frage ich Dich ja!“ Aprils Stimme drückte ein gehöriges Maß an Ungeduld aus. Colt freute sich ja, dass die Sorge um Robin sie wieder kurzzeitig aus ihren Gedanken gerissen hatte, aber konnten sich denn die anderen immer nur auf seine Kosten besser fühlen? „Hör zu, Süße, ich habe gerade noch etwas ziemlich wichtiges zu erledigen. Aber sobald ich fertig bin, komme ich bei Dir rum und wir können über alles vernünftig und in Ruhe reden, okay?“ er musste wirklich anfangen, Prioritäten zu setzen, wenn ihm nicht alles aus den Händen gleiten sollte. „Dann ist es zu spät, Mensch“, der weibliche Star Sheriff schrie geradezu und verursachte dadurch ein unangenehm hohes Fiepen in Colts Comgerät, „sie hat sich eben bei mir gemeldet, um sich zu verabschieden, Colt!“ Was sollte denn dieser Blödsinn nun wieder: „Wieso verabschieden, hat sie vor zu verreisen?“ dieses Frauenzimmer würde ihn mit ihren irrsinnigen Ideen irgendwann sicherlich ins Grab bringen. „Sie war völlig aufgelöst, Colt. Sie hat gesagt, so könnte es nicht weitergehen und ihr würdet Euch beide nur unglücklich machen.“ „Oh mein Gott“, bestürzt setzte sich der Cowboy auf die unterste Treppenstufe und starrte fassungslos auf das Comgerät an seinem Handgelenk, „was hat sie denn jetzt vor?“ sie konnte doch nicht einfach so vor ihren Problemen davonlaufen. Glaubte Robin denn, dass sich dadurch etwas an ihrer Situation änderte? „Sie hat gesagt, dass sie Josh holen will und dann den nächsten Transporter zurück nach Tranquility nimmt!“ „Was“, aufgelöst zerwühlte Colt seinen Lockenkopf, „das kann doch nicht ihr Ernst sein!“ was sollte er jetzt nur tun? Wenn Robin tatsächlich just in diesem Augenblick dabei war, ihre Sachen zu packen, um ihn zu verlassen, durfte er nicht so untätig hier herumsitzen. „Was hast Du ihr angetan, Du Vollidiot“, keifte April in seine Überlegungen, „sieh gefälligst zu, dass Du los fliegst und sie aufhältst.“ „Danke, dass Du es mir gesagt hast, Süße.“ Lahm hob der Cowboy die rechte Hand zu der linken hinüber. „Colt…“ der Satz der Freundin erstarb mit einem leisen Knacken, als Colt die Comverbindung trennte. Er musste etwas unternehmen, und zwar schnell. Er konnte doch nicht einfach tatenlos herumsitzen und zusehen, wie seine Frau samt Kind und Kegel in einer Staubwolke aus seinem Leben verschwand. War es nicht sogar seine Pflicht, sie aufzuhalten? Verzweifelt zog er die Chipkarte aus seiner Hemdstasche hervor und ließ das kleine Stück Plastik hibbelig zwischen seinen Fingern hin und her wandern. Roland hatte gesagt, sie würden in einer Stunde aufbrechen und zurück nach Jarre fliegen. Wenn er also jetzt ging, um Robin von ihrem Vorhaben abzuhalten, ohne mit Christa geredet zu haben, würde er die junge Frau höchstwahrscheinlich niemals wiedersehen. Wenn er aber blieb und Robin ihres störrischen Weges ziehen ließ, war das vielleicht das Ende seiner bislang recht glücklichen aber doch ziemlich kurzen Ehe. Und je länger er hier saß und darüber sinnierte, was am besten zu tun war, rann ihm die Zeit unbarmherzig davon. Er würde sich für eine der beiden entscheiden müssen, riskierte jedoch beide zu verlieren, wenn er sich nicht bald über seine Gefühle im Klaren wurde. „Du musst entscheiden, was Du wirklich willst!“ das waren Sabers Worte gewesen, mit denen er dem Cowboy die Adresse des Hotels in die Hand gedrückt hatte. Colt fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, den Blick noch immer auf die Chipkarte geheftet, da piepste sein Comgerät erneut. Aprils Name leuchtete eindringlich und fordernd auf dem digitalen Display auf, sicherlich weil sie noch den einen oder anderen vermeintlich guten Ratschlag auf Lager hatte, um ihm ins Gewissen zu reden. Dieses Piepsen war die Initialzündung gewesen, die der Cowboy noch gebraucht hatte. Mit grimmig entschlossener Miene streifte er sich den Communicator vom Handgelenk, schaltete ihn ungeniert aus und ließ ihn in der hinteren Tasche seiner Jeans verschwinden. Dann holte er tief Luft und ließ den Atem mit langgezogenem Zischen wieder aus seinen Lungen entweichen: „Junge, ich hoffe, Du tust das richtige!“ Die Chipkarte fest umklammert stürmte er die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Mit einem Mal fühlte er sich leicht wie eine Feder und hatte das Gefühl, als würden seine Füße ihn vorwärts tragen, ohne dass sie den Boden berührten. Warum nur hatte er so lange gebraucht um zu erkennen, was er tief in seinem Herzen schon längst wusste? Hoffentlich hatte seine Unentschlossenheit jetzt nicht zur Folge, dass es zu spät war! Mit klopfendem Herzen kam er keuchend vor Christas Suite zum Stehen. Beinahe schüchtern nahm er den Hut vom Kopf und fuhr sich durch die kurzen braunen Locken. Sein Mund war auf Schlag wie ausgedörrt. Nervös knabberte er auf seiner Unterlippe herum und schaffte es nur mit äußerster Willensanstrengung, seine Hand zu heben und zaghaft an die Hoteltür zu klopfen. Herrje, das war ja schlimmer, als bei seinem allerersten Rendezvous damals! „Christa“, ein heftiges Kratzen im Hals brachte ihn unkontrolliert zum Husten, „ich bins, Colt.“ Eilends klopfte er sich mit der geballten rechten Faust auf den Brustkorb, um seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen und zupfte dann noch einmal an seiner Frisur herum. Man konnte ja nie wissen. Angespannt lauschte der Cowboy auf irgendeine Reaktion im Inneren der Zimmers, aber nichts geschah. Die Tür blieb verschlossen und nicht das leiseste Geräusch verriet, ob sich jemand in der Suite aufhielt, geschweige denn sein Klopfen gehört hatte. So schnell wollte Colt sich dann aber doch nicht abspeisen lassen. Beherzt schlug er seine Faust dreimal fest gegen das Holz: „Christa, bist Du da?“ noch immer keine Reaktion. Kurz entschlossen steckte der Cowboy die Chipkarte mit zittrigen Fingern in die dafür vorgesehene Lesevorrichtung und drückte die Tür vorsichtig auf, als ein kleines grünes Licht signalisierte, dass der Schließmechanismus für einige Sekunden deaktiviert worden war. „Christa?“ unsicher schob Colt sich in das hell erleuchtete Appartement. Ihm war nicht wohl dabei, ohne zu fragen in Christas Zimmer einzudringen, aber wenn er jetzt unverrichteter Dinge von dannen zog, würde er vielleicht den Mut verlieren und seinen Plan doch noch über den Haufen werfen. Leise pirschte er durch den kleinen schmalen Flur, vorbei an der Tür, die wohl zum Badezimmer führen musste; zumindest vernahm er von dort eindeutige Geräusche einer laufenden Dusche. Das erklärte natürlich schnell, warum Christa ihn nicht gehört oder ihm geantwortet hatte. Unschlüssig ging er weiter in den geräumigen Wohnraum, der in seiner Größe mindestens das Dreifache eines üblichen Hotelzimmers ausmachte. Hier drinnen gab es nicht nur ein großes französisches Bett, einen Kleiderschrank und die übliche Kommode mit Fernseher, sondern auch einen Mahagonischreibtisch mit Ledersessel, eine großzügige Sitzecke bestehend aus einem Sofa, zwei Sesseln und einem Marmortisch und am anderen Ende des Raumes stand eine Chaiselongue der Louis Quatorze Zeit. Das alles konnte den Cowboy jedoch wenig beeindrucken. Sein Blick kehrte schnell zu dem zerwühlten Bett zurück, auf dem inmitten ganzer Berge von Kleidungsstücken und anderer Gegenstände ein geöffneter roter Hartschalenkoffer stand. Eine Tatsache musste der Kopfgeldjäger nun also unumstößlich akzeptieren: Christa war im Packen begriffen und somit auch tatsächlich dabei, den Planeten Yuma in naher Zukunft zu verlassen. Colt erhaschte eine Ansicht auf die Spitzendessous, die die junge Frau bereits achtlos in den Koffer geworfen hatte und fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Haut. „Menschenskind, was mache ich hier eigentlich?“ Es war absolut nicht in Ordnung, dass er hier einfach so hereingeplatzt war und in ihren Sachen herumschnüffelte, während sie ahnungslos im Badezimmer unter der Dusche stand. Und so sehr sein Entschluss ihn auch zum Handeln antrieb, es war bestimmt besser, wieder hinaus zu schleichen und noch ein paar Minuten zu warten, bis sie in der Lage war, Besucher zum empfangen. Was würde es ihm letztlich bringen, wenn sie völlig aus der Haut fuhr, weil er ihre Privatsphäre verletzt hatte und ihn deswegen augenblicklich vor die Tür setzte. Auf der Stelle machte der Cowboy kehrt und wollte sich mit gutem Vorsatz zum Gehen wenden, als ihm ein kleines schwarzes Kästchen ins Auge stach, das auf Christas Nachttisch stand. Er lauschte angestrengt auf die Klänge aus dem Bad und stellte beruhigt fest, dass die Brause noch lief. In den nächsten Sekunden würde die junge Frau zumindest nicht ins Zimmer platzen. Mit zwei schnellen Schritten stand er vor dem kleinen Mahagonischränkchen und langte nach der samtenen Schmuckschatulle. In seinem Magen begann es unangenehm zu kribbeln, als ihm Rolands hämische Worte von eben wieder einfielen. Mit vor Aufregung bebenden Händen öffnete er den kleinen Deckel und starrte fassungslos auf einen knapp einen Zentimeter breiten mattierten Goldring, in dessen Mitte ein riesiger Diamant im Prinzessschliff funkelte. Roland hatte also wirklich die Wahrheit gesagt! „Nein!“ Colt konnte es nicht fassen. Diese langweilige Ausgabe eines drittklassigen Monarchen hatte Christa einen Heiratsantrag gemacht und sie hatte ihn tatsächlich angenommen. Im Inneren des Cowboys erhob sich ein mächtiges, krallenbewährtes Raubtier und brüllte mit Leibeskräften nach Vergeltung. So einfach würde sie damit nicht davon kommen! Mit entfesseltem Zorn ließ er den Deckel zuschnappen, feuerte das kleine Kästchen in den offen stehenden Koffer und warf seinen Hut gleich hinterher. Sein Herz schlug in ungebändigtem Rhythmus und pumpte einen gewaltigen Schub Adrenalin durch seine Adern. Blinder Zorn und Eifersucht wurden übermächtig und entrissen seinem letzten noch vorhandenen Funken Verstand die Kontrolle über seinen Körper. Was zählten jetzt noch Vorsicht und Höflichkeit? Entschieden schlug er die Etikette in den Wind und stürmte zur Badezimmertür, die er mit zügelloser Unbeugsamkeit aufriss. Der spitze Schrei, der ihm zusammen mit einer wabernden Dunstwolke entgegenschlug, ließ beinahe sein Trommelfell platzen. Zu Tode erschrocken starrte Christa aus ihrer halb offenen Duschkabine zu dem Störenfried hinüber. Instinktiv verschloss sie ihre Arme vor der nackten Brust, denn das mit Fliesen bestückte Mauerwerk der Dusche setzte sich ab Bauchnabelhöhe in einer durchsichtigen Plexiglasscheibe fort und ermöglichte einen freien Blick auf ihren makellosen Oberkörper. Kurzzeitig verschlug es Colt bei diesem Anblick den Atem. War ihm denn vorher nie aufgefallen, wie schön diese Frau tatsächlich war? Wie sie so dastand, mit ihren nassen Haaren und den vielen tausend Wassertropfen auf ihrer elfenbeinfarbenen Haut, hätte man sie glatt für einen gefallenen Engel halten können. Dieser kurze Augenblick des überwältigt Seins reichte Christa aus, um sich von ihrem ersten Schrecken zu erholen und mit wenig engelhafter Stimme zu schreien: „Raus hier, Du verdammter Idiot!“ dabei funkelten ihre Augen vor aufflammender Rage. Was zum Teufel hatte der Cowboy hier zu suchen und wie in Gottes Namen war er in ihre Suite gelangt. Colt löste sich aus seinem tranceartigen Zustand, machte einen entschiedenen Schritt in den von Luftfeuchtigkeit benebelten Raum hinein und schob die Tür mit der Spitze eines Stiefels hinter sich zu. Panik ergriff Christa, als sie erkannte, dass sie dem Cowboy völlig hilflos ausgeliefert war: „Raus, habe ich gesagt, oder ich brülle das ganze Hotel zusammen!“ ihre Stimme wurde mit jedem Wort schriller und ihr heftig pochendes Herz ließ ihren Kehlkopf unangenehm vibrieren. Hastig griff sie nach dem Handtuch, dass sie vorsorglich schon an einen Haken neben der Duschkabine gehängt hatte und versuchte, ihren Körper so gut es ging mit dem im Nu klitschnassen Stück Frottier zu bedecken. Dabei ließ sie Colt nicht einmal für eine Sekunde aus den Augen. Sein plötzliches Auftauchen und der merkwürdige Blick in seinen Augen machten ihr tatsächlich Angst. „Sag mir, dass das nicht wahr ist!“ ohne auf das von oben herabprasselnde Wasser zu achten trat der Cowboy zu der jungen Frau in die Duschkabine. Eingeschüchtert wich sie bis an die Wand zurück: „Bist Du völlig wahnsinnig“, furchtsam zog sie das nasse Handtuch noch enger um ihren Oberkörper, „mach sofort, dass Du hier rauskommst!“ Aber der Scharfschütz dachte gar nicht daran. Er packte Christa grob an der Schulter, drängte sie hart gegen die Fliesen und stemmte dann seine Arme zu beiden Seiten ihres Kopfes gegen die Wand, um sie festzunageln: „Nicht, bevor Du mir geantwortet hast!“ sein Hemd und seine Jeans waren bereits durch und durch mit warmem Wasser getränkt und nicht abreißende Rinnsale strömten weiter über seinen Körper. Aber das bemerkte er gar nicht, weil er im Moment nur Augen für dieses klatschnasse und verschüchterte Wesen hatte, das tapfer versuchte, ihm das Kinn entgegen zu recken. „Was willst Du überhaupt von mir?“ nachdem Christa merkte, dass Colt wohl nicht vorhatte, ihr irgendwelchen Schaden zuzufügen, kehrte allmählich ihr Mut zurück. Und mit dem Mut auch ihr Zorn über das dreiste Eindringen des Star Sheriffs. „Hast Du tatsächlich vor, diesen Knilch von Prinzen zu heiraten?“ „Was?“ vor Entsetzen ließ die junge Frau das Handtuch los und es fiel mit lautem Platschen zu Boden. Wie hatte Colt so schnell davon erfahren können? „Du hast mich ganz genau verstanden“, knurrte Colt ungeduldig und hieb mit geballten Fäusten gegen die Fliesen, „hast Du Rolands Antrag angenommen, oder nicht?“ natürlich wusste er die Antwort längst. Spätestens seit der Entdeckung des Ringes bestand kein Zweifel mehr daran, dass der Thronfolger aus Jarre die Wahrheit gesagt hatte. Und doch wollte der Cowboy sie erst akzeptieren, wenn er die alles vernichtende Gewissheit aus Christas Mund vernommen hatte. Der Lieutenant geriet in Panik. Sie hatte nicht damit gerechnet, Colt vor dem Abflug noch einmal gegenüber zu treten und war auf diese Unterhaltung nicht vorbereitet gewesen. Zurück auf Jarre hätte sie ihm einen Brief geschrieben, der all das erklärte, wozu sie zu feige oder nicht im Stande gewesen war: „Was geht Dich das überhaupt an“, fauchte sie nicht minder angriffslustig zurück, „ist doch wohl allein meine Sache, oder nicht?“ Plötzlich schlossen sich Colts Hände fest um ihren Kopf und als nächstes spürte sie seine nassen Lippen, die sich fordernd auf die ihren pressten. Wütend versuchte Christa, sich diesem Kuss zu entziehen. Was bildete sich dieser Kerl überhaupt ein? Kam einfach uneingeladen in ihre Suite gestürmt und meinte, ihr Vorschriften bezüglich ihres Lebens machen zu können! Sie wehrte sich nach Kräften gegen die groben Annäherungsversuche des Cowboys, bemühte sich, den Kopf zur Seite zu drehen, aber seine Finger hielten sie wie in einem Schraubstock gefangen. Also nahm sie ihre Hände zur Hilfe, die sie so fest wie möglich gegen seine Brust stemmte, um ihn von sich weg zu schieben. Aber Colt unterband diesen hoffnungslosen Versuch kurzerhand damit, dass er seinen Körper gegen ihren presste und ihr damit jeden Bewegungsfreiraum nahm. Seine Zunge drängte sich vorwitzig zwischen ihre Lippen und der Widerstand der jungen Frau bäumte sich ein letztes Mal auf, bevor sie von der aufwogenden Leidenschaft übermannt wurde und ihre Lippen bereitwillig öffnete, um ihn gewähren zu lassen. Dieser Kuss war noch intensiver, noch atemberaubender als der an Bord von Ramrod, denn ihre Nacktheit und das fließende Wasser verliehen der ganzen Situation einen Hauch von Verruchtheit. Als Colt merkte, wie ihre Gegenwehr schwand, trat er einen winzigen Schritt zurück und zog den nackten Körper des Lieutenants besitzergreifend an sich, ohne seine Lippen auch nur für einen Moment von ihren zu trennen. Mit neu aufkeimender Zärtlichkeit legte er seine Linke an ihre Wange, während die rechte Hand sacht ihren Rücken hinunter wanderte und auf den Rundungen ihres verführerischen Hinterteils zu Liegen kam. Christa erwiderte seinen Kuss nun mit gierigem Verlangen und schlang ihm auffordernd die Arme um den Hals, während ihre Zunge mit der seinen verschmolz. Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden sich wieder voneinander lösen konnten, auch wenn sie es nicht besonders enthusiastisch taten. Der grimmige Ausdruck auf Colts Gesicht war einem sanften Lächeln gewichen. Liebevoll strich er Christa eine Haarsträhne fort, die störend an ihrer Wange klebte und verlor sich im Strahlen ihrer bernsteinfarbenen Augen: „Und“, sein Daumen fuhr innig über ihre zarten Lippen, die einen Kuss auf den Finger hauchten, „meinst Du immer noch, dass das allein Deine Sache ist?“ „Colt, ich“, Christas Herz wurde schwer und ihre Augen füllten sich mit Tränen, was der Cowboy natürlich nicht sehen konnte, da sie in den Fluten der Dusche verschwammen, „es ist…“ Warm legte sich Colts Zeigefinger auf ihren Mund: „Ist doch jetzt nicht so wichtig!“ er wollte sich vorbeugen und sie von Neuem küssen, aber als er sah, wie sie mit traurigem Blick den Kopf schüttelte, hielt er mit böser Vorahnung inne: „Was ist denn?“ „Es ist wahr“, betreten wandte sie das Gesicht von ihm ab, weil sie seinen Anblick nicht länger ertragen konnte, „ich habe Rolands Antrag angenommen. Wir werden wahrscheinlich noch in diesem Jahr heiraten.“ „Aber das geht nicht“, Colt spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen entglitt, „Du kannst ihn nicht heiraten, hörst Du!“ verwirrt legte er eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, ihm in die Augen zu sehen: „Was ist mit uns?“ Es schmerzte Christa, als sie die Bestürzung im Gesicht des Cowboys sah und es zerriss sie innerlich, weil sie nichts lieber getan hätte, als sich weinend in seine Arme zu werfen und die Welt um sich herum zu vergessen. Stattdessen schob sie ihn sacht aber bestimmt von sich: „Wir wissen doch beide, dass es dieses uns niemals geben kann, Colt“, ihre Stimme flatterte wie eine Schwalbe im Herbststurm, „Du gehörst zu Robin und ich werde heute zusammen mit Roland zurück nach Jarre fliegen. So ist es besser für alle.“ „Nein“, rief der Cowboy entsetzt aus und packte sie uneinsichtig an den Schultern, „Du kannst doch nicht einfach so gehen, nach allem was gewesen ist!“ der Gedanke, dass sie ihn schon bald für immer verlassen würde, trieb in schier in den Wahnsinn. So konnte es nicht enden. So durfte es nicht enden. Jetzt, da er endlich eingesehen hatte, wie wichtig Christa ihm geworden war, sollte er sie so mir nichts Dir nichts einem anderen überlassen, obwohl er doch genau wusste, dass sie diesen Mann nicht wirklich liebte. „Seien wir doch mal ehrlich, Cowboy“ antwortete sie so gefasst wie möglich, „was ist denn tatsächlich zwischen uns gewesen? Ich meine, sicherlich können wir beide nicht abstreiten, dass wir uns äußerst anziehend finden…“ „Ich brauche Dich, Christa“, jetzt legte er seine Hände wieder an ihre Wangen, „ich… ich glaube… ich kann ohne Dich nicht…“ „Red keinen Unsinn“, fuhr sie ihm plötzlich unbeherrscht dazwischen, „findest Du es nicht ein bisschen unfair, dass Du mir mein Glück mit Roland nicht gönnst, nachdem ich mir ständig anhören musste, wie sehr Du Deine Robin liebst?“ warum hatte er sich soviel Zeit gelassen? Wenn er früher gekommen wäre, hätte sie sich vielleicht anders entschieden, aber nun konnte sie nicht mehr zurück. Sie war es Roland einfach schuldig. Am Boden zerstört fing Colt langsam an zu begreifen: „Glaubst Du denn wirklich, dass Du mit ihm glücklich wirst?“ er ließ kraftlos die Hände sinken und wich von ihr zurück, als hätte er erst jetzt erkannt, dass sie abstoßend und hässlich war. Er versuchte in ihrem Gesicht, in ihren Augen, irgendwo in ihrer Haltung einen Hinweis darauf zu entdecken, dass sie schwankte, dass er noch eine Chance hatte, sie zurück zu gewinnen, aber diesen Hinweis fand er nicht. Es war zu spät. „Es ist zumindest den Versuch wert“, tröstend streckte sie eine Hand nach ihm aus, aber er wich nur noch weiter zurück, „mit uns beiden würde es doch niemals gut gehen, Colt. Selbst wenn Du es jetzt vielleicht glaubst, aber Du kannst doch Robin gar nicht verlassen. Nicht meinetwegen.“ Zutiefst verletzt schlang der Cowboy sich die Arme um den Oberkörper. Plötzlich wurde er sich der Kälte seiner nassen Kleidung bewusst und begann zu frösteln: „Genau das habe ich aber eben gerade getan.“ Er hatte alles falsch gemacht. Er stand hier und machte sich vor dem jungen Lieutenant zum Affen, weil er sich eingebildet hatte, sie würde seine Gefühle erwidern. Stattdessen hatte sie überhaupt keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet und war im Gegenteil sogar schon mit der Planung ihrer und Rolands Hochzeit zugange gewesen, während er seine Ehe für sie über Bord geworfen hatte. „Geh zurück zu ihr“, wimmerte Christa matt, denn sie konnte die Situation einfach nicht mehr ertragen, „Robin liebt Dich und wenn Du sie inständig um Verzeihung bittest, wird sich schon wieder alles einrenken.“ Colt musste verschwinden, so schnell wie möglich. Wenn sie noch länger das Leid in seinen Augen ertrug, würden die Qualen sie elendig zugrunde richten. „Und das soll es gewesen sein? Ich falle vor Robin auf die Knie und Du fesselst Dich für alle Zeit an unsere Prinzessin und wir alle tun so, als wenn nie etwas gewesen wäre“, ein verächtliches Schniefen übertönte das Rauschen des langsam kühler werdenden Duschwassers, „und von mir hast Du verlangt, dass ich ehrlich zu mir selber sein soll!“ störrisch drehte sich Colt um und hielt zielstrebig auf die Badezimmertür zu. Hier hatte er nichts mehr verloren! „Bitte Colt“, schnell raffte Christa das Handtuch auf und rannte ihm nach, „lass uns nicht so auseinander gehen.“ Zitternd vor Kälte stand sie vor ihm wie ein begossener Pudel und tropfte den flauschigen lindgrünen Badeläufer voll. „Ich wüsste nicht, was es noch zu sagen gäbe“, Colts Stimme war schneidend wie ein Samuraiklinge und beinahe genauso tödlich, „ich habe mir eingebildet, Du würdest… ach, ist ja auch egal. Ich hab mich halt geirrt. Pech gehabt, würde ich sagen!“ „Vielleicht können wir ja…“ „Hör zu“, wütend hielt der Cowboy seinen rechten Zeigefinger direkt vor ihre Nasenspitze, „es ist okay, dass ich mich in eine alberne Sache verrannt habe. Und es ist auch okay, dass Du meinst, Prinz Roland wäre der ideale Heiratskandidat für Dich. Bitte, soll mir ja egal sein, wenn Du Dein Leben wegwirfst. Nur fang mir nicht mit dieser beschissenen Nummer an, von wegen Freunde bleiben. Sonst muss ich mich wohlmöglich übergeben!“ damit stürmte er hinaus ins Wohnzimmer, schnappte sich seinen Hut aus dem Hartschalenkoffer und verließ fluchtartig so klatschnass und triefend wie er war Christas Suite. Und noch bevor die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, sank die junge Frau weinend auf dem dicken Teppich zusammen und flehte, dass der Cowboy ihr eines Tages für die Schmerzen vergeben würde, die sie ihm an diesem Tag zugefügt hatte. Kapitel 17: Schein und Sein --------------------------- Langsam und allmählich hob sich der alles verhüllende Schleier der Bewusstlosigkeit und Fireball öffnete mit benommenem Blinzeln die Augen. Ein dumpfer Schmerz zuckte durch seine linke Schulter, als er versuchte, sich aufzurichten und ließ ihn mit lautem Stöhnen zurück in sein Kissen sinken. Reflexartig fuhr er mit der rechten Hand zu der quälenden Stelle, wo er eine Art Mull-Verband ertastete, der straff um seinen Oberkörper geschlungen war. Was um Himmels Willen war geschehen? Er konnte sich nur sehr vage an die letzten Momente seines Bewusstseins erinnern. Sie waren auf diesem gottverlassenen Planeten in der Phantomzone gelandet und hatten ziemlich schnell feststellen müssen, dass der Himmelskörper leider doch nicht annähernd so unbevölkert gewesen war, wie sie angenommen hatten. Es war zum Kampf mit einer Übermacht an Outridern gekommen, bei dem er mit seinem Red Fury vom Rest der Star Sheriffs und Ramrod getrennt worden war. Einer dieser verfluchten Wrangler hatte sein Kanzeldach durchlöchert und ihn mit dem Laser erwischt, bevor er sich mit seinen Komplizen vom Schlachtfeld zurückgezogen und diesem furchteinflößenden Renegade Platz gemacht hatte. Das verschwommene Bild des feuerroten Mechs mit seinem totenkopfartigen Schädel und den bedrohlich erhobenen Laserkanonen tauchte kurz vor seinem inneren Auge auf und der Rennfahrer erschauderte. Er hätte eigentlich tot sein müssen! Sein Bolide war nicht wieder angesprungen und er hatte deutlich die tödlichen Laserstrahlen auf sich zuschießen sehen, bevor er eine barmherzige Dunkelheit ihn umschlossen hatte. Aber der bohrende Schmerz in seiner Schulter war ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er dem Teufel doch noch einmal ein Schnippchen geschlagen hatte. Jedenfalls hätte er es als ziemlich unfair erachtet, Verletzungen nach dem Ableben mit ins Jenseits hinübernehmen zu müssen. Doch wie war er diesem eiskalten Henker entkommen? Eigentlich konnten doch nur Colt und die anderen in buchstäblich letzter Sekunde aufgetaucht sein, um ihn aus der Patsche zu hauen. Beinahe genauso interessant wie die Frage nach seinem mysteriösen Entkommen war die Frage, wo er sich im Moment befand. Den Geräuschen nach zu urteilen jedenfalls nicht an Bord von Ramrod. Dafür sprach auch der schwefelartige und leicht metallische Geruch, der ihn umgab. Wahrscheinlich hatten die anderen ein Basislager errichtet, nachdem sie sich der aufdringlichen Feinde entledigt hatten, damit sie sich um notdürftige Reparaturen an ihrem eigenen Mech und natürlich um seine Verletzung kümmern konnten. Verwirrt kniff Fireball kurz die Augen zusammen, um seinen Blick für die Umgebung zu schärfen. Die Lichtverhältnisse waren weniger als mäßig, aber er konnte erkennen, dass er sich definitiv nicht an Bord ihres Schiffes befand. Von seinem Lager aus hatte er einen ganz guten Überblick über den etwa 20 Quadratmeter großen Raum, der matt durch zwei orangerote Lichtquellen an der Decke erhellt wurde. Doch außer den Schemen eines Tisches mit vier Stühlen in der gegenüberliegenden Ecke gab es auch nicht besonders viel zu entdecken. Sowohl die Decke und die Wände erschienen ihm irgendwie merkwürdig, beinahe so, als wären sie grob aus einem Stein herausgeschlagen. Fireball blinzelte erneut und drehte vorsichtig den Kopf in die andere Richtung; er starrte auf eine rote Sandsteinwand. Als könnte er seinen Augen noch nicht wieder ganz vertrauen, hob er den rechten Arm und fuhr vorsichtig mit der Hand über das kühle, raue Gestein. Eine Höhle, schoss es ihm durch den benommenen Kopf, er musste sich in einer Art Höhle befinden. Und wo steckten die anderen? Vorsichtig, um seine verletzte Schulter nicht noch mehr in Mitleidenschaft zu ziehen, stützte der Star Sheriff sich auf den rechten Ellenbogen: „Colt?“ sein eigentlich beabsichtigter Ausruf war nicht mehr als ein Krächzen gewesen. Ein starkes Schwindelgefühl überkam ihn, kaum dass er den Kopf einige Zentimeter gehoben hatte und er ließ sich erschöpft zurücksinken, den rechten Arm schützend über seine Augen gelegt. Es hatte ihn offensichtlich schlimmer erwischt, als er gedacht hatte. Wenn man mal von der Tatsache absah, dass er eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden hätte weilen dürfen. „Wie schön“, riss ihn eine unbekannte, aber sehr sympathisch klingende Stimme aus seinen Gedanken, „Sie sind endlich aufgewacht. Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen!“ Benommen schaute Fireball in die Richtung, aus der er die freundlichen Worte vernommen hatte. In einem schmalen Rundbogen, der auf einen ziemlich düsteren Gang hinausführte, stand ein Mann und lächelte ihn aufrichtig an. Er hatte langes weißes Haar, das genauso wie sein langer Bart offen auf einen braunen Lodenmantel herabfiel, unter dem er eine naturfarbene Robe trug. Diese reichte beinahe bis zum Boden hinab und verdeckte zum größten Teil die blank polierten schwarzen Lederstiefel, die einstmals Teil einer militärischen Uniform gewesen sein mussten. In der einen Hand hielt er einen kleinen braunen Koffer, in der anderen eine Petroleumlampe, die er mit ausgestrecktem Arm vor sich hertrug. Mit Schrecken fixierte der Rennfahrer das leichenblasse Gesicht, auf das das flackernde Licht der Laterne seltsame Schatten warf: „Wer…sind…Sie?“ schnarrte er heiser und griff automatisch an seine rechte Seite. Es war nicht sonderlich überraschend, dass er dort keinen Blaster vorfand. Aber wenn es einem so sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, gegenüber einem Feind die die Waffe zu ziehen, konnte man diese Gewohnheit nur schwer unterdrücken. Das Lächeln des Outriders wurde noch breiter, als er die Absichten des Star Sheriffs erkannte: „Keine Sorge, den werden Sie nicht benötigen“, mit ruhigen fast schwebenden Schritten nahm er einen der Stühle und rückte ihn an Fireballs Bett, „hier droht Ihnen keinerlei Gefahr.“ Er hängte die Laterne an einen Metallhaken, der über dem Lager des Rennfahrers in die Felswand getrieben worden war und nahm dann in aller Seelenruhe auf dem Stuhl Platz. Fireball beäugte den Fremden misstrauisch: „Das war…keine Antwort…auf meine Frage.“ Seine Kehle war trocken und er hatte das Gefühl, als sei seine Zunge zum Doppelten der normalen Größe angeschwollen, was ihm das Reden nicht eben erleichterte. Er startete den dritten Versuch, sich schwerfällig von seiner Ruhestätte zu erheben. „Warten Sie“, beherzt half der Outrider ihm dabei, sich in seinen Kissen ein wenig aufzurichten, „Sie müssen vorsichtig sein, damit das heilende Gewebe keinen neuen Schaden nimmt.“ Erstaunt stellte Fireball fest, wie kräftig sein Gegenüber war, obwohl der Mann dem Äußeren nach zu urteilen längst seinen Zenit überschritten hatte. Ein kratziges Husten schüttelte den Körper des Star Sheriffs und er verzerrte schmerzvoll das Gesicht: „Könnte ich… etwas zu trinken…“ Sofort sprang der Outrider auf: „Wie unhöflich von mir, einen Moment bitte“, er eilte mit wehender Robe und ohne die Lampe mitzunehmen aus der Höhle, kehrte aber keine Minute später mit einem Glas voll Wasser zurück, das er hilfsbereit an Fireballs Lippen setzte. Gierig nahm dieser einen großen Schluck und ließ das kühlende Nass wohlig seine Kehle hinunterrinnen. „Nicht so hastig, junger Freund, sonst verschlucken Sie sich noch!“ „Danke“, nach dem dritten Schluck räusperte der Rennfahrer sich erleichtert, „jetzt geht es schon besser.“ Seine Stimme war noch immer belegt, aber das unangenehme Kratzen in seinem Hals war verschwunden und er lief nicht mehr Gefahr, bei jedem Ton, den er von sich gab die Stimme zu verlieren: „Hätten Sie jetzt vielleicht die Güte, mir zu verraten, wer Sie sind?“ Ob soviel Ungestüm konnte sich der Outrider ein kleines Lachen nicht verkneifen: „Recht haben Sie, wo sind heute nur meine Manieren geblieben“, ergeben legte er die Hände aneinander und verbeugte sich tief vor Fireball, „mein Name ist Arietis, Arietis Eridani.“ „Hmpf“, die unerwartete Höflichkeit, die ihm entgegen gebracht wurde, verunsicherte den Rennfahrer zutiefst, „Sie…sind ein Outrider…oder?“ er konnte es nicht fassen, dass er hier saß und sich tatsächlich mit einem Exemplar dieser Gattung auf ganz zivilisierte Art unterhielt. „Nun ja“, Arietis hob mit leichtem Schmunzeln den Kopf, „das mag für einen Menschen wohl merkwürdig erscheinen, aber in der Phantomzone ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, einem Outrider zu begegnen.“ „Nichts für Ungut“, Fireball versuchte, seine wirren Gedanken zu ordnen und gegen das erneute Schwindelgefühl anzukämpfen, „ist nur ein bisschen komisch, einem Outrider gegenüber zu sitzen, der mir ausnahmsweise mal nicht das Lebenslicht auspusten möchte.“ zumindest hoffte er, dass Arietis diese Absicht nicht doch irgendwo hinter seiner Freundlichkeit verbarg. „Sprach der Star Sheriff, nachdem er seinen Blaster auf einen Unbewaffneten richten wollte?“ Verschämt schaute Fireball auf seine Finger: „Touché“, das Pochen in seiner Schulter nahm ein wenig ab und er mutmaßte, dass Arietis vielleicht ein schmerzstillendes Mittel oder etwas Ähnliches in das Wasser gemischt hatte. Solange es seinen Geist nicht noch mehr umnebelte, konnte der Star Sheriff damit sehr gut leben, „Sie haben eben gesagt, in der Phantomzone. Ich bin also noch…“ Der Outrider nickte bedächtig: „Sie befinden sich noch immer auf dem Planeten Ischtar, ja!“ „Ischtar“, der Rennfahrer zog aus Angst vor weiteren Schmerzen vorsichtig eine Augenbraue hoch, „Sie meinen, dieser Felsklumpen, auf den wir uns da verirrt haben, hat sogar einen Namen?“ wieso erstaunte es ihn so sehr, dass auch Outrider eine gewisse Kultur besaßen, in der man Orten und Planeten Bezeichnungen gab. „Ja, dieser Felsklumpen, der ganz nebenbei mein Zuhause ist, heißt Ischtar.“ Fireball merkte, dass er schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten war: „Tut mir leid, aber was Ihr Zuhause ist, wäre beinahe mein Grab geworden…“ er fuhr sanft über seine verletzte Schulter, die bei der Berührung empfindlich zog. „Das ist wohl wahr, viel hat dazu nicht gefehlt“, Arietis öffnete den kleinen Koffer, den er mitgebracht hat und holte ein merkwürdiges Gerät hervor, das Fireball entfernt an einen Barcodeleser aus dem Supermarkt erinnerte, „aber ich denke, wir bekommen Sie schon wieder hin!“ „Was haben Sie mit dem Ding vor?“ unwohl drückte sich Fireball noch fester zurück in seine Kissen, weil das so ziemlich die einzige Abwehrhaltung war, die er in seinem momentanen Zustand einnehmen konnte. Natürlich war das absolut lächerlich, denn wenn der Outrider vorgehabt hätte, ihm in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen, hätte er das sicherlich längst getan. Trotzdem konnte der Star Sheriff sein Misstrauen nicht so einfach überwinden, zumal er Arietis ja völlig wehrlos ausgeliefert war. Dieser hielt Fireball das Gerät einsichtig unter die Nase, um ihm zu beweisen, dass er nichts Hinterhältiges damit beabsichtigte: „Das ist ein Perineus-Laser“, er zielte damit auf die Wand und eine schnelle Abfolge kleiner roter Blitze flackerte über das Gestein, „mit Hilfe dieses kleinen Wunderwerks der Technik versuche ich seit Tagen, ihre Schulter wieder so herzurichten, dass Sie irgendwann vielleicht wieder beide Hände gebrauchen können.“ Entsetzt sah der Rennfahrer hinab auf seinen Arm, der leblos auf der Bettdecke lag: „Was meinen Sie damit…“ mit größter Kraftanstrengung versuchte er verzweifelt, den Arm zu beugen, oder zumindest die Hand zur Faust zu ballen, aber nichts geschah. Es war beinahe so, als würde ihm sein Körper jenseits der linken Schulter nicht mehr gehorchen wollen. Nicht einmal den kleinen Finger konnte er heben. Das einzige Ergebnis seiner Bemühungen waren neue Schmerzen, die sich von der Schusswunde konzentrisch über seine Brust und den Rücken ausbreiteten. Voller Panik fasste er mit der rechten Hand nach der linken und erstarrte vor Schreck: „Ich…ich spüre nichts…ich habe keine Gefühl in der Hand!“ er musste sich zusammenreißen, um nicht loszuschreien. Mitleidig schüttelte Arietis den Kopf: „Das wird sicher wieder werden, aber Sie müssen Geduld haben“, beruhigend tätschelte er Fireballs gesunden Unterarm, um ihm damit zu verstehen zu geben, dass seine Anstrengungen im Moment mehr schaden als nützen würden, „der Laserschuss hat mehrere wichtige Nervenstränge durchtrennt. Die wieder zusammen zu führen braucht eine gewisse Zeit.“ „Sie meinen, Sie bekommen das wieder hin?“ Hoffnung flammte in den Augen des Star Sheriffs auf, die den Outrider beinahe zu Tränen rührte: „Ich kann es nicht versprechen, aber wenn Sie sich schonen…“ Besorgt schloss Fireball die Augen: „Wenn ich meinen Arm nicht mehr gebrauchen kann, wäre es besser gewesen, der Renegade hätte mich erwischt.“ Er hatte während seiner Laufbahn als Star Sheriff schon eine Menge Verletzungen wegstecken müssen und war nicht erst einmal knapp mit dem Leben davon gekommen. Aber noch nie war er soweit beeinträchtigt gewesen, dass er die Kontrolle über einen Teil seines Körpers verloren hatte. Was für ein Kampfpilot und Rennfahrer war er denn schon noch mit nur einem gesunden Arm! „Die Jugend ist immer schnell damit bei der Hand, sich den Tod zu wünschen“, seufzte Arietis halbherzig, denn im Grunde konnte er den jungen Mann sehr gut verstehen, „aber ist das der Dank dafür, dass ich mein eigenes Leben riskiert und Sie aus der Schusslinie geholt habe?“ Fireball war, als stolperte er von einem dunklen Loch ins nächste: „Sie haben mich…“ war dieser Gedanke nicht einfach absurd? Ein Outrider wollte ihn vor dem Renegade gerettet haben? Langsam fragte er sich doch, ob er entweder gestorben und in einer äußerst skurrilen Vorhölle gelandet war, oder aber immer noch im Koma lag und von verworrenen Träumen geplagt wurde. Arietis hatte anscheinend vorerst genug von dem kleinen Geplänkel. Entschieden drückte er den Kopf des Star Sheriffs in die Kissen und setzte den Perineus-Laser auf den frisch angelegten Schulterverband: „Halten Sie jetzt still, sonst kann es ziemlich unangenehm werden.“ „Keine Sorge“, murmelte Fireball missmutig, „ich laufe Ihnen schon nicht weg.“ Die feinen Laserstrahlen drangen wie feine Nadeln durch Verband, Haut und Gewebe und prickelten unangenehm in seiner Schulter. Es fühlte sich beinahe so an, als würde sich jemand mit einem extra dafür angefertigten Schweißgerät daran machen, seine Nerven wieder zusammen zu löten. Der Rennfahrer wäre nicht einmal verwundert gewesen, wenn die Mullbinde plötzlich Feuer gefangen hätte, so heiß wurde ihm unter dem Laserbeschuss. „Nun machen Sie nicht so ein verdrossenes Gesicht“, versuchte Arietis den jungen Mann aufzumuntern, „ich habe schon schlimmere Verletzungen als diese gesehen, die wieder verheilt sind.“ Vorsichtig ließ er das medizinische Gerät über den Verband wandern, damit die Laserimpulse gleichmäßig verteilt wurden. Eine Überdosis der Lichtbündel konnte zum zu schnellen Zusammenwachsen und damit zu Missbildungen im Nervensystem führen, was unweigerlich die endgültige Unbrauchbarkeit des Armes zur Folge haben würde. Der Star Sheriff war so unzufrieden und unglücklich mit seiner aktuellen Lage, dass er seinen Retter absichtlich herauszufordern versuchte: „Die Outrider haben mir auch schon weit Schlimmeres verpasst, das kann ich Ihnen flüstern!“ Seine bislang schlimmste Verletzung hatte er Jesse Blue zu verdanken gehabt, der ihm bei einer kleinen Rangelei auf Leben und Tod vor knapp einem Jahr ein Messer in die Seite gerammt hatte. Genau genommen konnte er hierfür also eigentlich nicht einmal die Outrider verantwortlich machen, aber ihm stand im Augenblick einfach nicht der Sinn nach abgedroschenen Phrasen, die lediglich dazu dienten, ihn zu beruhigen. Da heiligte der Zweck bekanntlich die Mittel. „Sie besitzen eine ziemlich verbitterte Seele, junger Freund.“ Stellte Arietis nüchtern fest. Die Behandlung war für den heutigen Tag beendet und er verstaute den Laser wieder in dem kleinen Köfferchen. Er hatte schon so viele Krieger wie diesen Star Sheriff kennen gelernt, allesamt noch grün hinter den Ohren, aber mit einem Hass im Herzen, der bei einem Greisen nicht größer hätte sein können. Es war einfach eine Schande, was Feindschaft aus einem rechtschaffenen Individuum machen konnte. Fireball war über diese Feststellung äußerst überrascht: „Ich hab doch keine verbitterte Seele“, er hatte sich zumindest bislang immer für einen zutiefst liebenswerten und lebenslustigen Menschen gehalten, „aber es ist nicht so ganz einfach, die Outrider ins Herz zu schließen, wenn man sein Leben lang mit ansehen muss, wie sie alles in Schutt und Asche legen, wofür wir Menschen uns abrackern.“ Niemand konnte ernsthaft von ihm erwarten, dass er seine soziale Ader für diese üblen Phantomwesen entdeckte. Besonders nicht, nachdem sie ihn gerade wieder einmal versucht hatten, ins Jenseits zu befördern. Dieser Gedanke führte ihn auf einen Punkt zurück, den er schon längst angesprochen haben wollte: „Seit wann bin ich hier?“ Arietis hatte von Tagen gesprochen, die er Fireball schon behandelte. Wie lange mochte er im Koma gelegen haben? „Die Schlacht liegt jetzt sechs Tage zurück.“ „Sechs Tage“, der Star Sheriff stöhnte jammervoll auf, „ich bin sechs Tage bewusstlos gewesen?“ als Bestätigung erhielt er nur ein knappes Nicken des Outriders. „Wow, ein neuer Rekord“, diese Information ging Fireball nun doch ziemlich an die Nieren, führte ihn aber unmittelbar zum nächsten Punkt, der ihm seit dem Erwachen auf der Seele lag, „was ist mit den anderen geschehen?“ er erwartete nicht länger, dass Colt oder die anderen sich in der Nähe aufhielten, denn sonst wären sie sicherlich längst hier gewesen, um sich um sein Krankenbett zu scharen. Außer natürlich, die anderen befanden sich in einem ähnlich erbärmlichen Zustand wie er selbst. Fireball ächzte. Über diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht nachgedacht. Was, wenn die anderen die Schlacht gegen die Outrider nicht unbeschadet überstanden hatten? „Wenn Sie mit den anderen den Jetpiloten und diesen furchtlosen Schwertkämpfer meinen“, Arietis fuhr sich nachdenklich durch den Bart, „ich habe sie zuletzt gesehen, kurz bevor ich mich an Ihre Fersen geheftet hatte. Sie haben gekämpft wie die Löwen, das muss man ihnen lassen. Mut haben die Star Sheriffs jedenfalls.“ „Sie wissen nicht, was aus Ihnen geworden ist“, das Herz des Rennfahrers begann heftig zu pochen, „dann muss ich sofort los und nach ihnen suchen.“ Verzweifelt versuchte er sich von seinem Lager hochzustemmen. „Sie bleiben schön, wo Sie sind“, die Stimme des Outriders hatte einen herrischen Befehlston angeschlagen, „Ihre Freunde sind nicht mehr in der Nähe, soviel zumindest kann ich Ihnen sagen.“ Er beobachtete, wie der junge Soldat kläglich bei dem Bemühen scheiterte, sich aufzurichten und mit schmerzerfülltem Gesicht zurücktaumelte. „Nachdem ich Sie hierher gebracht und Ihre Verletzung notdürftig versorgt hatte, bin ich zurück zum Schauplatz des Kampfes gefahren, aber von den Star Sheriffs oder ihrem Kampfschiff war weit und breit nichts mehr zu sehen.“ „Das glaube ich nicht“, Fireball musste gegen die Schwere ankämpfen, die sich langsam seiner Gedanken bemächtigte, „sie würden niemals ohne mich verschwinden. Niemals!“ trotz der sechs Tage, die sein Körper Zeit gehabt hatte, sich von den Strapazen der Schlacht zu erholen, fühlte er sich zunehmend erschöpft und merkte bereits, dass seine Augen zuzufallen drohten. Diese Unterhaltung mit dem Outrider war mehr als anstrengend. Arietis holte tief Luft und sagte dann mit leiser, beruhigender Stimme: „Der Renegade, der Sie angegriffen hatte, war bei meiner Ankunft mit chirurgischer Präzision in seine Einzelteile zerlegt gewesen. Und die Überreste Ihres Wagens lagen unter einer gewaltigen Steinlawine begraben“, er wartete kurz, ob der Rennfahrer aus diesen Beobachtungen irgendwelche Schlüsse ziehen konnte, merkte aber schnell, dass der junge Mann mittlerweile schon zu müde war, um klar denken zu können, „wahrscheinlich haben Ihre Kameraden Sie für tot erklärt!“ beendete er deshalb seine Gedanken mit einem kurzen Seufzer und erhob sich vom Stuhl. „Oh man“, nur schleppend wurde sich Fireball der ganzen Tragweite dieser Vermutung bewusst, „das heißt…“,er grübelte kurz darüber nach, was Arietis kurz zuvor gesagt hatte, „wenn ich wirklich schon sechs Tage… Junge, die anderen könnten inzwischen schon zurück auf Yuma sein!“ die Einsicht traf ihn unvermittelt wie ein Blitz an einem lauen wolkenlosen Sommertag. Er war vollkommen auf sich allein gestellt! Schwer verletzt in der Phantomzone gestrandet und der Willkür eines Outriders ausgesetzt, der zugegeben durchaus vertrauenserweckend erschien, ihn aber jederzeit verraten konnte. Schlimmer konnte es wohl kaum noch kommen! „Versuchen Sie jetzt ein wenig zu schlafen“, Arietis dimmte das schwache Deckenlicht, bevor er die Höhle verließ, „Sie müssen zu allererst wieder zu Kräften kommen. Zum Reden bleibt uns später noch genügend Zeit.“ Und auch wenn sein Verstand ihn warnte, dass das letzte, was er in Gegenwart eines Outriders tun durfte, schlafen war, schloss Fireball erledigt die Augen und überließ sich und seine Gedanken dem unerbittlichen Schlaf. Dieser hatte nur auf eine günstige Gelegenheit gelauert, den Rennfahrer endlich zu übermannen und ins Land der Träume zu zerren. Commander Eagle hatte Wort gehalten und alles in seiner Macht stehende getan, um Saber die Anhörungskommission so lange wie möglich vom Hals zu halten. Doch auch der Einfluss des Commanders war nicht unermesslich. Am Abend des dritten Tages nach ihrer Rückkehr aus der Phantomzone hatte unerwartet ein Abgesandter des Oberkommandos vor der Tür des Schotten gestanden und ihm wortlos seine Vorladung überreicht. Saber wusste nicht, warum dieses kurze Schreiben des KavComs ihm so sehr zusetzte. Es war von Anfang an klar gewesen, dass es einen Untersuchungsausschuss geben würde, Eagle hatte hieran nicht den geringsten Zweifel gelassen. Und trotzdem bescherte es ihm ein mulmiges Gefühl, dass er in acht Tagen von einem Sondergremium zu den Geschehnissen in der Phantomzone befragt werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man ihn beurlaubt, herrje, wie überaus großzügig das klang, beurlaubt. Dabei umschrieb es doch nur in einer freundlichen Art und Weise seine vorübergehende Suspendierung. Allerdings fragte sich der Säbelschwinger ernsthaft, warum sich seine Vorgesetzten soviel Zeit mit dieser Anhörung ließen, wenn doch, wie Eagle gesagt hatte, die Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Aufklärung dieser Tragödie hatte. Unzufrieden zerknüllte er den olivefarbenen Briefbogen und warf ihn missmutig auf den Couchtisch. Irgendwie war gerade alles dabei, endgültig aus den Fugen zu geraten und er konnte nur tatenlos dabei zusehen. Colt hatte sich ganz von der Bildfläche zurückgezogen, nachdem er wohl bei Christa eine saftige Abfuhr kassiert haben musste und Robin tatsächlich ernst gemacht hatte und zusammen mit Josh zurück nach Tranquility geflogen war. Seit zwei Tagen versuchte Saber vergebens, den Cowboy irgendwie zu erreichen, aber er war einfach unauffindbar. Wie vom Erdboden verschluckt. Wer hätte aber auch ahnen können, dass sich die Lage im Hause Wilcox so zuspitzen würde. Der arme Colt war im Augenblick wirklich nicht zu beneiden. Sabers Blick glitt hinüber zu dem alten Eichenschrank, den er aus dem Schloss seiner Eltern mitgenommen hatte und der in der Regel immer ein Fläschchen seines Lieblingswhiskys enthielt. Nach seiner gemeinsamen Nacht mit April hatte er dem Alkohol jedoch vorerst abgeschworen und seinen erschöpften Vorrat nicht wieder aufgefüllt. Erstens war Alkohol keine Lösung, gut, kein Alkohol auch nicht, aber zumindest würde ihm mit einem klaren Kopf nicht noch einmal so ein unentschuldbarer Fehler wie bei der hübschen Blondine passieren. Und zweitens gab es genügend andere Dinge, mit denen man den Körper langsam aber sicher in den Ruin treiben konnte. So hatte er zum Beispiel vor einer halben Stunde seinem knurrenden Magen nachgegeben und beim Chinesen um die Ecke allerlei schmackhaft klingende Kleinigkeiten bestellte, die sicher vor Glutamat und anderen Zusatzstoffen nur so trieften. Wo blieben diese Armleuchter überhaupt? Nicht, dass er nach dem Erhalt seiner Vorladung noch großen Hunger verspürt hätte, doch die Kerle waren unpünktlich, und das hatte wiederum etwas mit Prinzipien zu tun! Aber was sollte man von einem Chinesen erwarten, der mit gebrochenem Russisch die Bestellungen seiner Kunden entgegen nahm. Und wenn man dann noch berücksichtigte, dass das Wetter seit Tagen immer schlechter wurde und man im Moment nicht mal einen räudigen Hund vor die Tür jagte, konnte es sich wohl noch eine ganze Weile hinziehen, bis er sein Abendessen erhielt. Das würde ihm auf jeden Fall eine Lehre sein, beim nächsten Mal vielleicht doch lieber wieder auf das gute schottische Lebenswasser zu vertrauen. Als es zehn Minuten später zweimal kurz hintereinander klingelte, war Saber beinahe soweit, den Boten für seine Unpünktlichkeit elendig draußen verkümmern zu lassen, besann sich im letzten Moment aber doch noch auf seine gute Erziehung und seine Nächstenliebe. „Das hat ganz schön… April?“ wie verdutzt war er, als er anstelle eines frech grinsenden chinesischen Teenagers eine triefnasse und zutiefst erschütterte junge Frau vor seiner Tür fand. Leicht beschämt musterte er die Freundin, die nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Sie hatte sich eine rote Regenjacke übergezogen und hielt einen prall gefüllten Trekkingrucksack in der einen, den Schlüssel von Fireballs Buggy in der anderen Hand. Ihre nasse blonde Mähne war mit einer Haarspange zu einem kunstvollen Knoten hochgesteckt. Saber konnte sich nicht erinnern, den weiblichen Star Sheriff je anders als mit offenen Haaren gesehen zu haben; sie wirkte durch diese neue Frisur viel reifer und erwachsener, obgleich der hartnäckige Wind emsig an dem Werk gezerrt hatte und ihm das Aussehen eines mitgenommenen Vogelnestes verpasst hatte. Verlegen griff April auch mit der anderen Hand nach dem Rucksack und hob ihn schützend vor ihren Bauch: „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass Du noch Besuch erwartest!“ beinahe erleichtert wollte sie sich hastig zum Gehen wenden, doch Saber bekam sie am rechten Arm zu fassen und hielt sie sanft zurück: „Red keinen Unsinn, wen sollte ich denn zu so später Stunde noch erwarten?“ Der weibliche Star Sheriff wurde feuerrot, denn immerhin hatte sie ja die Dreistigkeit besessen, ihn zu so später Stunde zu stören: „Ich weiß nicht, ich dachte nur…“ „Was ist los, April?“ der Schotte hatte die Freundin seit dem Rausschmiss aus ihrer Wohnung nicht mehr gesehen, ja nicht einmal mehr per Comline mit ihr gesprochen. Er war froh zu sehen, dass sie sich in einem einigermaßen gefassten Zustand befand. Zumindest ging es ihr soweit gut, dass sie sich zum Verlassen ihrer Wohnung entschlossen hatte. „Kann ich vielleicht erst mal…“ verunsichert klammerte sie sich noch fester an den nassen Rucksack, der nach Sabers Einschätzung ihren halben Kleiderschrank enthalten musste. Ein wenig schüchtern legte er ihr den Arm um die Schultern und führte sie ins wärmende Innere seines Appartements: „Entschuldige, komm schon rein!“ schnell nahm er ihr das schwere Gepäckstück aus der Hand und stellte es im Flur ab, bevor sie das lichtdurchflutete Wohnzimmer betraten. „Magst Du was trinken“, zögernd ließ Saber den weiblichen Star Sheriff los und deutete auf das Sofa, „Du kannst so ziemlich alles haben – außer Whisky, der ist alle.“ April konnte sich ob dieses gut gemeinten Aufmunterungsversuches ein müdes Schmunzeln abringen, schüttelte dann aber ablehnend den Kopf, während sie sich aus ihrer roten Regenjacke schälte: „Nein danke, ist nicht nötig.“ Sie begann sich allmählich zu fragen, weshalb sie überhaupt hierher gekommen war. Hatte sie tatsächlich geglaubt, sie könnte die Erinnerung an die gemeinsame Nacht einfach so in den Hintergrund schieben und nicht weiter beachten? Dass sie dort weitermachen konnten, wo sie vor zwei Wochen aufgehört hatten? Ja, das hatte sie wohl, aber ihre Hoffnungen waren in dem Moment in Rauch aufgegangen, als Saber die Tür geöffnet und sie in die strahlend blauen Augen des Schotten geblickt hatte. Besorgt schaute er jetzt zu ihr herüber, unschlüssig, was er wohl mit diesem nassen Häuflein Elend anstellen sollte: „Ist…alles in Ordnung, Süße?“ er wagte es nicht, zu ihr zurück zu gehen und sie zu berühren, auch wenn er in diesem Moment nichts lieber als das getan hätte; die Geschehnisse von vor zwei Nächten waren noch zu präsent. „Nein, ehrlich gesagt nicht…“ April ließ ihre Jacke gedankenlos zu Boden fallen und schlug sich eine Hand vor den Mund, um ein aufkeimendes Schluchzen zu unterdrücken, „gar nichts ist in Ordnung.“ Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen und Saber konnte den Impuls nicht länger unterdrücken. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und schloss sie in die Arme: „Hey, ist schon okay, Süße, ich bin ja da.“ fest zog er ihren Körper an sich und strich tröstend über ihren Rücken. Er konnte nicht sagen, wie dankbar er in diesem Augenblick dafür war, sie so halten zu dürfen. Der Schotte hatte längst eingesehen, dass es ihm nur mit Hilfe von April gelang, mit der schwierigen Situation fertig zu werden, und die beiden letzten Tage ohne sie waren schier unerträglich gewesen. „Ich habs einfach nicht mehr alleine ausgehalten in der Wohnung“, dankbar nahm der weibliche Star Sheriff den Trost an und barg ihr Gesicht an Sabers Brust, „egal was ich tue, alles erinnert mich an ihn. Er ist einfach überall und das ertrage ich nicht länger.“ „Warum hast Du nicht viel früher etwas gesagt? Dann wäre ich doch…“ „Du hast doch schon genug mit Deinen eigenen Problemen zu kämpfen“, wie gut seine Wärme tat, „aber ich wusste nicht, wo ich sonst hin soll. Mein Vater hat das Hauptquartier seit zwei Wochen nicht mehr verlassen und Colt…“ „Ich weiß“, Saber nickte mürrisch, „seit zwei Tagen unauffindbar.“ Er fand es unverantwortlich von dem Cowboy, sich einfach so aus dem Staub zu machen, ohne einer Menschenseele etwas über seinen Verbleib zu erzählen. Gestern hatte er mit Robin gesprochen, aber auch in Tranquility war Colt nicht. Und Robin hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihren Mann auch nicht sehen wollte, bis er endlich zur Vernunft gekommen war. „Das ist auch sein Glück“, mit einem Mal ziemlich aufgebracht riss sich April von Saber los und rubbelte sich fröstelnd über die Arme, „wenn ich den Mistkerl in die Finger bekomme, müsste ich mich wahrscheinlich wegen schwerer Körperverletzung vor dem Militärgericht verantworten.“ Ihre Augen funkelten zornig auf und ließen keinen Zweifel daran, wie ernst sie es damit meinte. Saber behagte die Entwicklung des Gespräches nicht sonderlich, denn immerhin war er es gewesen, der dem Cowboy geraten hatte, mit Christa endlich reinen Tisch zu machen: „Meinst Du nicht, dass das eine Sache ist, die nur Colt und Robin etwas angeht?“ „Das ist doch nicht Dein Ernst, oder“, April konnte es nicht fassen, „dieser Drecksack hat Robin erst betrogen und unternimmt dann nicht mal den kleinsten Versuch, sie aufzuhalten.“ Wie konnte der Säbelschwinger dieses schändliche Verhalten nur tolerieren? „Er hat Robin nicht betrogen, April“, Saber fuhr sich irritiert durch die blonden Haare, „und er muss selber wissen, was er zu tun hat. Wenn er meint, dass Robin…“ „Woher willst Du denn wissen, dass er Robin nicht betrogen hat“, Aprils Stimme nahm einen gefährlich leisen Zug an, während sie den Freund skeptisch musterte, „wirst ja wohl kaum die ganze Zeit dabei gewesen sein, oder?“ „Weil er mir versichert hat, dass zwischen ihm und Christa nichts in der Hinsicht gelaufen ist.“ „Ach, und das glaubst Du dem alten Schürzenjäger einfach so?“ „Hm“, wie konnte Saber sie nur von der Teilunschuld des Cowboys überzeugen, „Du warst nicht dabei April, Du weißt nicht, wie es war.“ „Nein, ich war nicht dabei, aber danke, dass Du mich noch mal dran erinnert hast!“ Der Schotte zuckte empfindlich zusammen, als er seinen Fehler erkannte: „Tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint. Ich wollte doch nur sagen…“ „Spar Dir Deine Worte, ja“, erbost klaubte April ihre Jacke vom Boden auf, „war wirklich eine blöde Idee, hierher zu kommen!“ „April, warte doch“, versöhnlich versuchte er, ihr das Kleidungsstück zu entwenden, „entschuldige, dass ich davon angefangen habe. Vielleicht sollten wir das Thema erst mal ruhen lassen.“ Er durfte sie in diesem Zustand unmöglich gehen lassen. So aufgewühlt wie sie war, würde sie bei allem Pech, dass sie im Moment hatten, auch noch einen Autounfall bauen. Und er wäre natürlich auch wieder mit seinen düsteren Gedanken alleine gewesen. Unentschlossen schaute April hinunter auf ihre Hände, denn eigentlich wollte sie nicht gehen. Zu Hause fiel ihr die Decke auf den Kopf und es gab tatsächlich keinen anderen Ort, wo sie sonst hin konnte. Das änderte aber nichts daran, dass sie Colt für sein gemeines Verhalten gegenüber Robin verachtete. Wenn er ihr Mann gewesen wäre, Gott bewahre, was für eine fürchterliche Vorstellung, hätte sie ihm die Hölle heiß gemacht und ihn ungespitzt in den Boden gerammt. „Komm schon“, vorsichtig griff Saber nach ihren Händen; sie waren eiskalt und zitterten, „herrje, April, Du bist ja völlig durchgefroren!“ ärgerlich darüber, dass er das nicht schon viel früher bemerkt hatte, warf er die Regenjacke aufs Sofa. „Lass gut sein“, ihr Widerstand schwand mit jeder Sekunde, die Saber ihre Hände hielt, „ich werde wieder…“ „Gar nichts wirst Du“, entschieden zog der Schotte sie hinter sich her, „Du wirst jetzt erst mal ein heißes Bad nehmen und dann sehen wir weiter!“ Entgeistert blieb die junge Frau stehen: „Ein Bad?“ der Schotte machte wohl Witze. Er konnte doch nicht allen Ernstes wirklich vorhaben, sie jetzt in die Badewanne zu stecken. Aber er bugsierte sie mit überschäumendem Enthusiasmus hinüber zur Treppe: „Aye, Dein Vater wird mich standesrechtlich erschießen lassen, wenn Du Dir wegen meiner mangelnden Fürsorgepflicht den Tod holst.“ „Saber, hör auf“, vehement stemmte sie sich gegen ihren gutmeinenden Wohltäter, „was meinst Du wohl, was er mit Dir anstellt, wenn er hört, dass ich mich in Deiner Badewanne geräkelt habe.“ „Schnickschnack“, der Säbelschwinger hatte definitiv genug von ihrer zeternden Gegenwehr und entschied sich kurzerhand, die Sache schnell und unkompliziert in die Hand zu nehmen, „wenn Du es ihm nicht erzählst, wird er es auch nicht spitzkriegen.“ Flink ging er vor ihr in die Hocke und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er April auf seine Schulter gezogen und schleppte sie wie einen Sack Kartoffeln die Treppe hinauf. Überrascht schrie die Blondine auf: „Du bist doch nicht bei Sinnen, Mann“, weil ihr in ihrer Lage nichts Besseres einfiel, trommelte sie mit geballten Fäusten auf seinem Hinterteil herum, „lass mich sofort runter, Du Bekloppter!“ „An Deiner Stelle würde ich nicht so zappeln“, Saber schob sie ein wenig auf seiner Schulter zu Recht und wankte unsicher die Treppe hinauf, „sonst lass ich Dich noch versehentlich fallen.“ April war baff. Soviel Spontanität hätte sie dem Säbelschwinger niemals zugetraut und konnte gar nicht so recht glauben, dass er sie gerade wirklich hoch in sein Badezimmer schleppte, um ihr ein Bad zu verabreichen. War denn die ganze Welt verrückt geworden? In Anbetracht der recht wackligen Angelegenheit hielt sie es dann aber doch für ratsam, sich nicht mehr all zu viel zur Wehr zu setzen und zu warten, bis er sie wieder herunterließ. Ächzend zog Saber sich mit Hilfe des Geländers die letzten Stufen der Wendeltreppe hinauf: „Du bist ganz schön schwer, weißt Du das.“ Kaum hatte er April wieder auf die Füße gestellt, versuchte die Blondine, sich fauchend an ihm vorbei zur Treppe zurück zu kämpfen: „Hat keiner gesagt, dass Du mich hier hochschleppen sollst!“ ihre Attacke endete jedoch kläglich erneu in Sabers Armen, der das Treppengeländer mit seinem Leben verteidigte: „Du bleibst schön hier, Du Kratzbürste, zum Badezimmer geht es in die andere Richtung.“ „Dir ist doch nicht zu helfen.“ Pampig verschränkte sie die Arme vor der Brust und drehte sich vom Säbelschwinger weg. Von dem kleinen dämmrigen Flur gingen zwei Türen ab, von denen die linker Hand in Sabers Schlafzimmer führte; das konnte April durch den schmalen Schlitz erkennen. Am Ende des Gangs eröffnete ein großes Panoramafenster einen grauen aber dennoch imposanten Blick auf die Skyline von Yuma City: „Donnerknipsel…“, die junge Frau trat beeindruckt vor das Fenster und schaute gebannt auf die Lichter der Großstadt hinunter, „ich wusste gar nicht, was für eine geniale Szenerie Du hier vor der Nase hast.“ In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie es im Laufe ihrer Freundschaft nie geschafft hatte, in den ersten Stock von Sabers Wohnung vorzudringen. Das Haus von Colt und Robin, dass die beiden ja erst seit gut einem halben Jahr bewohnten, kannte sie hingegen bereits in- und auswendig. Saber trat mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck neben sie: „Tja, die nächsten Tage werde ich die wohl auch voll und ganz auskosten können.“ Er lehnte den rechten Ellenbogen gegen das Glas und stütze seine Stirn an der geballten Faust ab. April musterte ihn verwirrt von der Seite: „Wie meinst Du das?“ „Ich habe vorhin meine Anhörungsvorladung vom KavCom erhalten und bis dahin bin ich wie es so schön heißt beurlaubt.“ Seine Worte klangen so verbittert, dass April fürchtete, er könnte jeden Moment die Beherrschung verlieren. „Das können Sie doch nicht machen“, sie legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter, „die tun ja wirklich so, als wärst Du Schuld an diesem ganzen Debakel.“ „April, ich war der Kommandant. Ich bin für dieses Debakel verantwortlich“, grob wischte er ihre Hand beiseite, „in acht Tagen geht die Untersuchung los. Ich weiß zwar nicht, warum das so lange dauert, aber…“ Schlagartig wurde April leichenblass: „Dann haben Sie es Dir noch nicht gesagt?“ „Was?“ Es dauerte einen Augenblick, bis die junge Frau sich soweit gesammelt hatte, dass sie wieder mit ruhiger Stimme reden konnte: „Die Abschiedsfeier für Fireball findet in einer Woche statt. Auf dem Militärfriedhof.“ „Ach Süße“, Sabers Frust war wie weggeblasen, „das haben sie mir wirklich nicht gesagt.“ April nickte müde: „Das ist auch der Grund, weshalb ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe“, ihre Augen waren starr hinaus in den Regen gerichtet, „das macht es irgendwie so endgültig. Und sie haben mich nicht einmal gefragt…“ Weil der Säbelschwinger nicht so recht wusste, was er darauf erwidern sollte, klopfte er einmal kurz gegen die Fensterscheibe und wandte sich dann um: „Du kannst so lange hier bleiben, wie Du möchtest“, er öffnete die andere der beiden Türen und betrat das cremefarben geflieste Badezimmer, „und jetzt wirst Du gefälligst in die Badewanne hüpfen.“ „Ach Saber, lass es doch gut sein“, traurig trat April hinter ihm in den Raum und beobachtete kopfschüttelnd, wie der Schotte sich über seine Badewanne beugte und die beiden Hähne für das heiße und kalte Wasser aufdrehte, „ich hätte gar nicht kommen sollen.“ „Du hörst jetzt auf Dich wie ein kleines Kind zu zieren und tust gefälligst, was ich Dir sage“, er drückte ihr eilig einen blau-grün karierten Bademantel in die Hand, „Du gehst jetzt rüber und ziehst Dir den hier an. Ich bereite hier in der Zwischenzeit alles vor!“ er schob sie sanft aus dem Bad hinaus und schloss die Tür hinter sich. Offenbar war er sich mittlerweile sicher, dass sie keinen weiteren Fluchtversuch unternehmen würde. Womit er, wie April sich schnell eingestand, Recht behalten sollte. Verunsichert starrte sie auf den Bademantel in ihren Händen. Wenn doch Colt nicht so ein verdammter Idiot gewesen wäre, dann hätte sie sich bei ihm und Robin im Gästezimmer einquartieren können. Und wenn sie nach Tranquility geflogen wäre? Bestimmt hätte die selbstlose Freundin sie mit offenen Armen bei sich aufgenommen, aber diese war im Moment wohl genug mit ihren eigenen Sorgen und Nöten beschäftigt. Und so war Saber als einzige Alternative auf ihrer zugegeben sehr knapp bemessenen Liste an Übernachtungsmöglichkeiten geblieben. Gerade der blonde Schotte, dem sie am liebsten für die nächsten Wochen und Monate aus dem Weg gegangen wäre. Und zu allem Überfluss nahm er sie auch noch ohne Vorbehalt bei sich auf und kümmerte sich wie Mutter Theresa persönlich um sie, obwohl sie ihn vor zwei Tagen auf ziemlich grobe Art und Weise zum Teufel geschickt hatte. April strich bedächtig über den weichen Stoff in ihren Händen und wanderte dann langsam hinüber in Sabers Schlafzimmer. Der Raum war zweckmäßig aber hübsch eingerichtet. Nur mit dem Nötigsten bestückt, bestach er durch liebevoll ausgesuchte Details und perfekt platzierte Eyecatcher, wie zum Beispiel dem breiten Eisenbett mit handgeschmiedeten Ornamenten. Die alten Eichenholzdielen waren mit einem schlichten Knüpfteppich bedeckt und in einer Ecke Stand ein antik anmutender Schaukelstuhl. Die Wände waren nicht tapeziert oder überhaupt verputzt und das rote Klinkerwerk verlieh dem Zimmer eine gemütlich anheimelnde Atmosphäre. Gefangen in ihrem Gefühlswirrwarr ließ April sich bedächtig auf der Steppdecke des Bettes nieder und versank geräuschlos in den dicken Daunen. Warum nur musste Saber so nett zu ihr sein. Es war schon schwierig genug, unter den gegebenen Umständen einen klaren Kopf zu bewahren, wie sollte sie Herrin ihres Verstandes bleiben, wenn der Schotte sie zärtlich wie ein rohes Ei behandelte. Seit ihr Vater ihr am heutigen Tag von Fireballs Beisetzung erzählt hatte, waren ihre Gedanken ständig um den Säbelschwinger gekreist. Am liebsten wäre sie sofort zu ihm gefahren, um sich heulend in seine Arme zu werfen und nach Strich und Faden von ihm trösten zu lassen. Sie hatte es aufgegeben, sich etwas vorzumachen. Sabers Nähe war im Moment das einzige, was sie ihre Schmerzen vergessen ließ und ihr das Gefühl gab, noch am Leben zu sein. Und ganz genau deswegen hätte sie nicht kommen dürfen. Langsam öffnete sie die Reißverschlüsse ihrer Stiefel und streifte sie wie in Trance von den Füßen. Sie wusste doch, was für Vorwürfe sich der Schotte wegen ihrer gemeinsamen Nacht machte. Wie konnte sie also einfach so daherkommen und sich in seiner Wohnung einquartieren, ihm sozusagen permanent vor der Nase herumhüpfen und ihn damit ständig an den Fehltritt erinnern. Aber was hätte sie denn anderes tun sollen? Ein wenig schüchtern streifte sie sich die Träger ihres Overalls von den Schultern und schlüpfte aus dem roten Anzug heraus. Vor acht Tagen hatte Saber ihr von Fireballs Tod erzählt und damit eine tiefe, klaffende Wunde in ihrem Herzen hinterlassen. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis diese verheilte, oder ob sie das überhaupt jemals tat, aber zumindest hatte sie seit der Nacht mit dem Säbelschwinger nicht mehr ganz so heftig geblutet. Die Eröffnung ihres Vaters, dass der Rennfahrer in achte Tagen mit allen militärischen Ehren bestattet werden sollte, hatte die Verletzung hingegen erneut auseinander gerissen, und April wusste, dass ihr Verstand sie im Stich gelassen hätte, wäre sie unter diesen Umständen alleine in ihrer Wohnung zurück geblieben. Und sie wollte nicht mehr die verletzte, schutzbedürftige Frau sein, in deren Rolle das Schicksal sie gepresst hatte. Schnell entledigte sie sich ihres Slips und des BHs, bevor sie sich in Sabers flauschigen Bademantel kuschelte. Er roch nach dem Gesichtswasser des Schotten und April nahm einen tiefen Zug dieses beruhigenden Duftes. Nein, sie wollte nicht länger tatenlos herumsitzen und sich ihrer Trauer ergeben, sie wollte stark sein. Sie musste stark sein! Das war sie Fireball schuldig. Er hätte nie gewollt, dass sie sich seinetwegen selbst aufgab und ihr Leben verschenkte. Und schließlich gab es doch jemanden, der sie jetzt mehr brauchte, als alles andere auf der Welt! Zärtlich ließ sie ihre Hand über ihren flachen, durchtrainierten Bauch wandern. Wenn Saber der einzige war, der sie aus ihrem emotionalen Verließ herausholen konnte, dann sollte das eben so sein. Das Schicksal hatte ihr diese Suppe zwar eingebrockt, aber es würde sich wohl kaum bequemen, ihr beim Auslöffeln zu helfen. Das musste sie schon selber in die Hand nehmen. Beinahe ein bisschen erschrocken über ihre eigene aufkeimende Entschlossenheit stapfte April hinüber ins Bad. Der Anblick, der sich ihr dort allerdings bot, verschlug ihr regelrecht den Atem. Ehrfürchtig trat sie in den Raum, als wäre es eine Kirche oder ein geheiligter Ort, denn genau so sah er auch aus. Die Jalousien vor den zwei Fenstern waren heruntergelassen, die Deckenlampe ausgeschaltet und alles wurde im Schein von mindestens dreißig Kerzen verschiedenster Größer in ein schummriges Licht getaucht. Diese hatte Saber in kleinen Gruppen über das ganze Bad verteilt, sogar auf dem Boden standen vereinzelte Teelichter und wiesen den Weg zur Wanne, in die noch immer leise das Wasser hineinplätscherte. Ein Hauch von Moschus lag in der Luft und aus zwei in die Wand eingebauten Boxen drangen leise, beruhigende Klänge von getragener Musik. Hatte der Schotte das alles in den paar Minuten gezaubert, in denen sie sich umgezogen hatte? Das war ja glatte Hexerei. Bedächtig löste sie die Kordel des Bademantels und hängte ihn an einen Eisenhaken hinter der Tür. Die Fliesen unter ihren nackten Füßen waren unangenehm kalt und so beeilte sie sich, ins Wasser zu kommen. Was für ein urzeitliches Monstrum hatte Saber sich da nur angelacht? Schmunzelnd betrachtete April kurz die riesige weiße Emaillebadewanne, die mitten im Raum auf vier klobigen goldenen Pranken stand und schon einen gigantischen Schaumberg beinhaltete. Auf Bildern und in Geschichtsbüchern hatte sie so etwas schon früher gesehen, hätte aber nie gedacht, dass noch leibhaftige Exemplare von diesem Typ existierten. Vorsichtig, um die Temperatur zu prüfen, steckte sie den großen Zeh ihres rechten Fußes ins Wasser; es war herrlich warm und lud zum Entspannten Schwelgen ein. Schnell ließ sich die junge Frau in die einladenden Fluten sinken und lehnte sich wohlig gegen den Wannenrand, der an einer Seite extra so hoch gezogen war, dass man bequem noch den Kopf dagegen stützen konnte. Wie gut das warme Wasser doch tat! Sabers Idee war Gold wert gewesen. Es musste Jahre her sein, das sie zuletzt ein ausgedehntes und erholsames Bad genossen hatte, mal abgesehen von Urlaubstrips und Abstechern in die Wellness-Oase natürlich. Meistens war für so einen Hauch von Luxus einfach keine Zeit im Leben eines Star Sheriffs. Da hieß es fünf Minuten für die Dusche und dann ab zum Dienst oder an die Front. Nein, April schloss meditierend die Augen, sie wollte während des Bades weder an den Dienst noch an die Front denken. Wenigstens für eine halbe Stunde der Realität entfliehen und sich nicht an die Ereignisse der vergangenen Tage erinnern, das war genau das, was sie jetzt brauchte. Mit noch immer geschlossenen Augen hob sie den rechten Arm und knetete vorsichtig ihre verspannten Nackenmuskeln. Es wurde Zeit, dass sie sich wieder ein wenig um sich selbst kümmerte. Seit dem Abflug von Ramrod hatte sie kein einziges Mal mehr Sport getrieben oder sich auch nur einmal um ihren allmorgendlichen Joggingparcours bemüht. Plötzlich legten sich zwei warme Hände sanft auf ihre nackten Schultern: „Versuch ein bisschen zu entspannen.“ mit geübten und gleichzeitig streichelnden Griffen begann Saber, ihre Muskeln ordentlich durchzukneten. April war zuerst erschrocken gewesen, weil sie ihn nicht hatte kommen hören, doch die kräftigen Berührungen seiner Hände taten so unverschämt gut, dass sie sich mit einem leisen Schnurren der Obhut seiner Massagekünste anvertraute: „Dir ist schon klar, dass Du das jetzt jeden Abend machen musst, oder?“ „Stets zu Diensten, Mylady!“ zwar konnte sie es nicht sehen, aber April war sicher, aus Sabers Worten ein leichtes Schmunzeln herauszuhören. „Ich will Dir ja nicht zu nahe treten“, sie ließ ihren Blick über die Kerzen und die geschlossenen Jalousien schweifen, „aber man könnte beinahe meinen, Du wärst vom anderen Ufer, so liebevoll wie Du hier diese kleine Insel der Ruhe geschaffen hast.“ Augenblicklich gruben sich die knetenden Hände fester in ihren verspannten Rücken und ließen April leise quieken: „Nur gut, dass Du es ja aus erster Hand besser weißt, nicht wahr“, Saber stupste ihr freundschaftlich gegen die Ohrläppchen, „und jetzt halt die Klappe. Du sollst Dich entspannen!“ Der weibliche Star Sheriff verkniff sich eine weitere spitzfindige Bemerkung und tat wie ihr geheißen. Genüsslich drehte sie mit den Zehen die Wasserhähne auf der anderen Seite zu und legte ihre Hände auf die Ränder der Wanne, um sich ein wenig verwöhnen zu lassen. Die Wärme des Wassers ging allmählich auf ihren Körper über, der betörende Moschusduft vernebelte ihr leicht die Sinne und die leise Musik im Hintergrund wiegte sie in einen Zustand benommener Schwerelosigkeit. Von irgendwoher hatte Saber eine Flasche Mandelöl gezaubert, das er kurz im Badewasser erwärmte und dann auf Aprils samtige Haut träufelte. „Hm…“ murmelte sie nach ein paar Minuten im Flüsterton, um die Atmosphäre nicht zu zerstören, „das könnte ich mir öfter gefallen lassen.“ Sabers Hände leisteten wirklich Unglaubliches. „Wenn es hilft, dass Du Dich ein wenig besser fühlst, würde ich den Job sofort übernehmen!“ antwortete der Säbelschwinger sofort und ließ seine Hände kurz auf Aprils Schultern ruhen um seinen Worten ein wenig Nachdruck zu verleihen. „Das weiß ich“, schüchtern hob die Blondine den Kopf und blickte direkt in Sabers blaue Augen, „Du bist im Moment der einzige, der mir noch Halt gibt.“ Sie sah, wie ein leichter Schatten über das Gesicht des Schotten huschte. Mit leichtem Seufzen trat er um die Wanne herum und kniete sich neben Aprils Kopf nieder, die Arme auf den Wannenrand und das Kinn auf die Hände gelegt: „Meinst Du nicht, dass Du Colt ein bisschen zu viel Unrecht tust“, er strich ihr geistesabwesend eine Haarsträhne aus der Stirn, auf der sich kleine Schweißperlen gebildet hatten, „Du weißt, wie schlimm ihn Fireballs Tod getroffen hat, und das Drama mit Robin und Christa hat er sich sicherlich auch nicht ausgesucht.“ Sturköpfig richtete April ihren Blick nach vorne auf die Armaturen der Wanne: „Ich dachte, wir waren uns darüber einig, dass wir dieses Thema ruhen lassen wollen.“ Auch eine erquickende Massage konnte nichts daran ändern, dass sie wütend auf den Cowboy war, und wenn Saber sich auf den Kopf stellte. „Du wirst ihn nicht ewig ignorieren können, April. Es ist sowieso schon alles schlimm genug. Waren das nicht genau die Worte, die Du gegenüber Colt noch vor zwei Tagen benutzt hast?“ „Da wusste ich auch noch nicht, was für ein hinterhältiger Mistkerl er ist.“ Saber ließ seine rechte Hand ins Badewasser gleiten und zog sachte Kreise auf der Oberfläche: „Für seine Gefühle kann niemand etwas, oder?“ Empört blähte die Blondine die Nasenflügel: „Gefühle? Das ich nicht lache. Der Blödmann weiß doch gar nicht, was Gefühle sind! Die arme Robin sitzt hier zu Hause und kommt halb um vor Sorge, während er sich seine Zeit mit der Freundin von Prinz Roland vertreibt. Hat das etwa viel mit Gefühlen zu tun?“ wieso nur verteidigte Saber den Cowboy so rigoros? Man konnte fast den Eindruck gewinnen, er würde das Verhalten des Scharfschützen gutheißen. „Auf den ersten Blick wohl nicht. Aber man kann nichts dagegen tun, wenn man sich zu einem Menschen hingezogen fühlt. Das Herz wird bei der Hochzeit nicht automatisch so gepolt, dass es nur noch für den Ehepartner schlägt, April.“ „Du willst mir doch nicht weismachen, dass Colt sich ernsthaft in Christa verliebt hat“, April ließ die geballten Fäuste ins Wasser sausen und verursachte damit zwei kleine Fontänen, die sich über den Wannenrand ergossen, „er hat schon immer mit jeder hübschen Frau angebandelt, die seinen Weg gekreuzt hat. Aus reinem Zeitvertreib! Aber er kann doch nicht heiraten und glauben, dass er nach wie vor alle Freiheiten seines Draufgängerdaseins ausleben darf.“ Traurig schüttelte Saber den Kopf: „Dieses Mal ist es anders“, er hob seine Hand aus dem Wasser und sah fasziniert zu, wie einzelne Tröpfchen an seinen Fingern glitzerten und dann zurück in die Wanne fielen, „ich habe am Anfang genauso gedacht wie Du und alles getan, um die aufkeimenden Gefühle zwischen den beiden zu unterbinden.“ „Mit ziemlich mäßigem Erfolgt, oder!“ Aprils Stimme troff vor Sarkasmus. Warum hatte Saber dieses Thema erneut anschneiden müssen, jetzt war die ganze Entspannung wieder zum Teufel. Und alles wegen des dummen Cowboys, der es in ihren Augen nicht einmal mehr wert war, dass man überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendete. „Manche Sachen lassen sich eben nicht aufhalten, April. Du hättest sehen müssen, wie sie beide gelitten haben“, der Säbelschwinger dachte zurück an die Momente an Bord von Ramrod, in denen Colt und Christa sich heimliche Blicke zugeworfen hatten, voller Verzweiflung und Verlangen, immer in der stillen Hoffnung, dass sie unentdeckt bleiben würden, „keiner von beiden wollte sich in den anderen verlieben. Sie haben sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, aber es ist nun einmal passiert.“ „Das ist doch Unsinn“, ereiferte sich April zornig, weil sie einfach nicht akzeptieren wollte, was Saber so diplomatisch versuchte, ihr zu erklären, „Colt liebt Robin, das wissen wir alle. Er hat nur einfach mal wieder seinem Unterlaib das Denken lassen, so sieht es aus!“ Sie spürte, wie Saber unter Wasser nach ihrer Hand griff. Unverwandt sah sie ihm nun wieder ins Gesicht. Seine Augen waren so tief wie der Ozean und sie glaubte fast, er könnte ihr direkt bis in die Seele schauen. Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals und die Temperatur des Wassers war mit einem Mal so unerträglich, dass ihr schwindelig wurde. „Meinst Du nicht, dass man in besonderen Situationen auch besondere Gefühle für jemanden entwickeln kann“, er drückte Aprils Hand liebvoll, bevor er sie wieder freigab, „Gefühle, die es unter normalen Umständen vielleicht nie gegeben hätte?“ Der weibliche Star Sheriff schluckte unbehaglich. Ihr Puls wummerte so heftig, dass Saber ihn sicher hören konnte und ihre Augen hingen wie gebannt an den seinen. Geradewegs so, als hätte er sie mit seinem Blick hypnotisiert. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Eine magische Anziehungskraft zog sie förmlich näher an den Schotten heran, bis nur noch Zentimeter sie voneinander trennten. Erwartungsvoll schloss April die Augen, aber anstatt auf ihren Lippen spürte sie einen sanften Kuss auf ihrer Stirn. „Ich lass Dich jetzt allein“, Saber war aufgestanden und trocknete sich die Hände an einem blauen Handtuch ab, „bleib in der Wanne, solange Du magst, ich bin im Wohnzimmer!“ eilig trat er den Rückzug aus dem Badezimmer an, ohne April noch einmal anzusehen. Erleichtert gab die Blondine ein leises Seufzen von sich und rutschte soweit wie möglich in das langsam kühler werdende Wasser hinab, bis ihr die Oberfläche an die Nasenspitze reichte. Beinahe war es wieder passiert; es hatte nicht viel gefehlt, und sie hätten sich wieder geküsst. Und eigentlich war sie nicht sicher, ob sie wirklich froh darüber war, dass es nicht geschehen war. Sabers Zärtlichkeit bedeutete Vergessen und Trost, also eigentlich genau die Dinge, wegen derer sie hierher gekommen war. Vielleicht war es ja genau das, was der Säbelschwinger damit hatte sagen wollen. Entwickelte sie vielleicht gerade aufgrund der besonderen Situation besondere Gefühle für ihn, die zwar nichts mit Liebe, aber durchaus etwas mit körperlicher Abhängigkeit zu tun hatten? Unsinn! Sie pustete ungehalten einen kleinen Berg Badeschaum vor ihrer Nase weg. Mit Gefühlen hatte das alles nur insofern etwas zu tun, als ihr Körper auf unorthodoxe Weise versuchte, ihren Schmerz wegen Fireballs Tod zu lindern. Sicherlich keine Sache, wegen der man sich unnötig Sorgen machen musste und die ziemlich bald vorbei gehen würde. Wie ein reinigendes Gewitter an einem schwülen Sommertag. Saber wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, als er bei seiner Flucht die Treppe hinunter stürmte. Er hätte sich am liebsten für seine Dummheit geohrfeigt, die beinahe erneut zu einer verhängnisvollen Situation zwischen ihm und April geführt hätte. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Sie waren sich doch beide einig gewesen, dass ihr kleines nächtliches Abenteuer ein einmaliger Ausrutscher bleiben sollte. Sie war zu ihm gekommen, weil sie seine Unterstützung als Freund brauchte und nicht weil sie an ihre vereinte Eskapade anknüpfen wollte. Und er machte genau dort weiter, wo es eigentlich niemals hätte aufhören sollen. Seufzend ließ Saber sich auf der vorletzten Stufe der Treppe fallen. Es hatte Veränderungen zwischen ihm und der Blondine gegeben; das war ihm bereits klar geworden, nachdem April ihn so unsanft von sich gestoßen hatte. Irgendetwas in seinem Inneren sehnte sich danach, sie mit Zärtlichkeiten zu überhäufen und damit ihren Schmerz und ihre Trauer zu lindern. Aber wenn er ihr ein wahrer Freund sein wollte, musste er diese aufkeimenden Gefühle unterdrücken. Was sie jetzt brauchte, war bedingungsloser Rückhalt und nicht noch mehr Komplikationen und Chaos! Glücklicher Weise verhinderte der Bote mit dem chinesischen Essen ein paar Minuten später, dass sich der Schotte noch weiter in seine Selbstvorwürfe verstrickte. Erfreut nahm er dem etwas verdrießlich blickenden kleinen Asiaten im mittleren Alter die beiden Tüten mit dem duftenden Essen ab: „Das kommt jetzt wie gerufen!“ „Tut mir leid lange dauern“, zuckte der Mann entschuldigend mit den Schultern, während er Sabers Kreditkarte durch sein kleines Handterminal zog und die 23 Continentals von seinem Konto abbuchte, „dummes Motorrad nicht laufen. Erst warten bis Chef besorgen Ersatz.“ „Macht nichts, solange es noch heiß ist“, der Säbelschwinger ließ die Kreditkarte wieder in seinem Portemonnaie verschwinden, die beiden Tüten über den linken Arm gehängt, „so kann ich wenigstens gleich meinen unerwarteten Besuch verköstigen.“ Er zwinkerte dem Mann lächelnd zu, der mit erleichtertem Grinsen erwiderte: „Seien sehr heiß. Ping haben extra für ehrenwerten Saber Rider warm gehalten, bis losfahren!“ damit verbeugte er sich demütig und trollte sich seiner Wege. „Danke schön!“ rief Saber ihm noch ein wenig verwundert hinterher, aber der Chinese war bereits im Treppenhaus verschwunden. Der Schotte konnte nur noch seine verhallenden Schritte auf den Granitstufen vernehmen. Zufrieden schloss er die Tür hinter sich und steckte seine Nase begierig schnüffelnd in eine der beiden weißen Plastiktüten. Eine kleine Dunstwolke und fremdartige Gewürzdüfte schlugen ihm entgegen und regten nun doch wieder ein wenig seinen Appetit an. April würde sicherlich aus dem Häuschen sein, wenn er ihr die Köstlichkeiten präsentierte. War sie nicht so vernarrt in 5-Minuten-Nudeln? Dann würde diese Auswahl an Leckerbissen sicherlich ihre volle Zustimmung finden. Ein wenig versöhnt mit sich und der Welt kehrte er ins Wohnzimmer zurück. „Mit wem hast Du geredet?“ Überrascht blickte Saber auf. April stand auf der Hälfte der Treppe, fest in seinen viel zu großen Bademantel gewickelt, aus dem nur ihr Kopf und ihre attraktiven langen Beine hervorlugten, die Wangen vom warmen Badewasser noch leicht gerötet. Der Schotte ertappte sich dabei, wie er sie einen Moment unverblümt anstarrte; selbst in diesem alten Fetzen sah sie umwerfend aus. Energisch schüttelte er den Kopf: „Das Abendessen ist da!“ unsicher hielt er seine Errungenschaften in die Höhe. Hoffentlich hatte sie seine Verblüffung nicht bemerkt. „Oh wunderbar, ich sterbe vor Hunger“, flink wie ein Wiesel kam April die Treppe heruntergeflitzt und riss ihm die Tüten vorwitzig aus den Händen, „ich hoffe, da sind auch Bratnudeln drin?“ „Schön zu sehen, dass Du wieder Hunger hast“, überließ Saber ihr das Essen bereitwillig und ging hinüber in die Küche, um Besteck zu holen, „ich dachte schon, ich würde es Dir mit Gewalt reinzwängen müssen.“ „Ich schätze, irgendwann sagt einem der Körper schon, wenn es an der Zeit ist, mal wieder einen Bissen zu sich zu nehmen!“ rief sie ihm zu, während sie die vielen kleinen Pappkartons auf Sabers rundem Esstisch verteilte und dann voller Vorfreude öffnete. Da gab es Frühlingsrollen, Sukiyaki-Hühnchen, Bai-Cai chin, Gung-Bao-Ji-Ding, Jiao-Zi, Bami Goreng und ihre geliebten Bratnudeln. Sabers Einkauf versprach wahrlich ein Festmahl zu werden: „Bringst Du was zu trinken mit?“ Bewaffnet mit zwei Tellern, Essbestecken, Gläsern und einer Flasche Wasser kam der Säbelschwinger aus der Küche gewankt: „Hab an alles gedacht, aber wäre prima, wenn Du mir was abnehmen könntest.“ April lächelte verschmitzt und eilte ihm entgegen, bevor der Geschirrturm in seinen Händen in sich zusammenstürzte. Vorsichtig zog sie die Wasserflasche unter seinem Ellenbogen hervor und griff nach den beiden Gläsern, die äußerst wackelig auf den Tellern balancierten: „Was hättest Du eigentlich mit dem ganzen Essen gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre?“ „Wahrscheinlich der Wohlfahrt gespendet“, Saber stellte die Teller ab, verteilte Messer und Gabeln daneben und nahm dann zufrieden am Tisch Platz, „konnte mich vorhin einfach nicht so recht entscheiden, worauf ich Appetit hatte.“ April kramte aus einer der knisternden Tüten ein Paar Holzstäbchen hervor und setzte sich dann gegenüber von Saber vor den ihr zugedachten Teller: „Glück muss der Mensch eben haben“, genüsslich tauchte sie die Stäbchen in die Pappschachtel mit Sukiyaki und förderte mit geübten Bewegungen ihrer Finger ein Stück Hühnchen samt Pilzen, Glasnudeln und Sprossen daraus hervor, „und in so netter Atmosphäre schmeckt es doch gleich noch einmal so gut!“ Sie wippte friedlich im Takt der Hintergrundmusik, von der sie erst jetzt bemerkt hatte, dass sie überhaupt da war: „Ich wusste gar nicht, dass Du Elvis-Fan bist.“ Diese Feststellung brachte Saber unwillkürlich zum Grinsen: „Überrascht Dich das so sehr? Hast wohl gedacht, ich wäre ein schrecklicher Spießer, der nur Jazz und Klassik hört, was?“ „Eigentlich überrascht mich bei Dir überhaupt nichts mehr!“ erwiderte sie leichtfertig und begann, die Melodie von „Suspicious Minds“ mitzusummen, während sie sich die Stäbchen samt Ladung in den Mund schob. „Robin wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie wüsste, dass Du ihre gute Hausmannskost die ganze Zeit verschmäht hast und Dir jetzt den Bauch mit so was voll schlägst.“ Der Säbelschwinger war erleichtert, dass es der Freundin offensichtlich schmeckte und dass sie ihren Appetit wiedergefunden hatte. Aber mit seiner harmlos gemeinten Bemerkung hatte er ungewollt wieder das Thema aus dem Badezimmer angeschnitten. Gedankenverloren schnappte April mit ihren Stäbchen nach einem Frühlingsröllchen und knabberte an der Teigkruste, während der King so überaus passend aus voller Kehle röhrte: „We can grow old together…“ „Glaubst Du, die beiden kriegen das wieder hin?“ Saber ließ sich Zeit mit seiner Antwort: „Colt und Robin?“ Bedächtig griff er eine Pappschachtel nach der anderen und schaufelte sich kleine Berge auf seinen Porzellanteller, bis kaum noch Platz darauf war. Langsam spießte er ein Stück Ente mit seiner Gabel auf: „Nein, ehrlich gesagt glaube ich das nicht.“ „Aber“, mit leisem Klappern fielen Aprils Stäbchen auf die Tischplatte, „sie müssen einfach. Die beiden gehören doch zusammen. Sie können doch nicht einfach…“ ihr fehlten die Worte. Der Cowboy und die Lehrerin waren immer so ein wundervolles Paar gewesen. Zwar gegensätzlich wie Nord- und Südpol, aber es hieß doch immer, dass sich Gegensätze anzogen. Und die beiden waren bislang immer das beste Beispiel für diese Theorie gewesen. Erneut keimte die Wut auf Colt in ihr auf. Wie hatte er es nur wagen können, sein Glück so schändlich zu verraten, indem er sich auf eine Affäre mit Christa eingelassen hatte. Dass Robin Hals über Kopf den Planeten verlassen hatte, konnte sie voll und ganz nachvollziehen. Saber legte seine Gabel neben den Teller und stütze sein Kinn auf die gefalteten Hände: „Wenn sie wirklich für einander bestimmt gewesen wären, April, dann wäre es sicherlich nicht soweit gekommen.“ „Colt hat alles kaputt gemacht“, ereiferte sich die junge Frau und zog eine Schnute wie ein eingeschnapptes Kleinkind, „wenn er bloß seine Pranken von…“ „Meinst Du nicht, dass er das auch getan hätte, wenn alles in Ordnung gewesen wäre?“ „Das verstehe ich nicht ganz.“ fragend beäugte sie den Freund, der offenbar mehr wusste, als er bislang bereit gewesen war Preis zu geben. „Du weißt doch auch, dass Colt im Grunde seines Herzens die treue Seele eines altersschwachen Hundes hat, oder“, versuchte Saber seine Gedanken zu erläutern, hielt aber kurz inne, um zu sehen, ob April ihm zustimmen würde. Als ihrerseits keine Reaktion erfolgte, fuhr er ruhig fort, „wenn er mit Robin wirklich so glücklich gewesen wäre, wie wir immer alle gedacht haben, dann wäre er doch nie auf die Idee gekommen, Christa auch nur eines Blickes zu würdigen.“ Für diese Feststellung erntete er einen ziemlich finsteren Blick seines Gegenübers: „Du willst doch jetzt wohl nicht sagen, dass Robin schuld an dem Ganzen ist, oder?“ Beschwichtigend hob Saber ob soviel geballter Wut die Hände: „Nein, und das habe ich auch nicht gesagt. Ich meine nur, dass zu so einem Spiel immer zwei gehören.“ „Ja, und ich schätze, dass Colt und Christa ziemlich nett miteinander gespielt haben.“ Antwortete April sarkastisch. Sie wollte einfach nicht verstehen, warum der Säbelschwinger so eindeutig Partei für den Cowboy bezog, wo dieser sich doch wirklich alles andere als wie ein Gentleman aufgeführt hatte. Es war schon beeindruckend, wie sehr diese teuflische Mission den Schotten verändert hatte. „Versuch doch einmal, die Sache logisch zu betrachten“, Saber hatte seine Gabel wieder aufgenommen, weil er den bohrenden Blick der Freundin nicht länger ertrug, „was haben Colt und Robin gemeinsam? Ich meine, was verbindet die beiden wirklich?“ „Das…“, kurzfristig kam der weibliche Star Sheriff wirklich ins Grübeln, „es heißt doch nicht, dass man sich nicht lieben kann, nur weil man keine Gemeinsamkeiten hat.“ Saber nickte: „Aber sich in jemanden verlieben oder den Rest seines Lebens mit ihm zu verbringen sind zwei völlig unterschiedliche paar Stiefel. Das haben Colt und Robin vielleicht nicht bedacht.“ „Aber…“, langsam nahm Saber ihr mit seinen Argumenten den Wind aus den Segeln, „wieso haben sie denn dann überhaupt geheiratet. Ich verstehe das alles nicht…“ verwirrt schüttelte sie den Kopf und steckte sich eine weitere Frühlingsrolle in den Mund. „Colt war für Robin der strahlende Held, der ihre kleine Stadt vor den Outridern gerettet hat, und Robin war eine schutzbedürftige hübsche junge Frau, in die sich wohl jeder Cowboy mit Geschmack verknallt hätte. Aber wenn man mal ehrlich ist, konnte die Sache auf Dauer nicht gut gehen…“ „Du redest so, als wäre das alles schon völlig klar“ murmelte April stur und schaufelte sich einen weiteren Berg Nudeln in den Mund, „vielleischt kommt schie ja schurück und vergibt ihm scheine Blödheit.“ „Selbst wenn sie zurückkommt, April. Du vergisst, dass er nicht einmal versucht hat, sie aufzuhalten, als sie gegangen ist“, dass sich Colt auf sein Anraten hin zum Zeitpunkt von Robins Abreise bei Christa aufgehalten hatte, musste er der Blondine ja nicht noch zusätzlich auf die Nase binden, „sie hat von ihm verlangt, dass er seine Karriere als Star Sheriff aufgibt. Und Du weißt so gut wie ich, dass er das niemals tun wird.“ „Ach, dasch hat schie doch nischt scho gemeint“, April goss sich einen Schluck Wasser ein, um ein besonders trockenes Stück Hähnchen hinunterzuspülen, „sie war doch nur sauer wegen Christa. Und das zu Recht, wie ich finde!“ Saber schüttelte entschieden den Kopf: „Ich habe doch mit ihr gesprochen. Du kannst mir glauben, sie hat noch nie etwas so ernst gemeint.“ Der weibliche Star Sheriff wurde ziemlich blass um die Nase, als ihr dämmerte, welch weitreichende Bedeutung die Worte des Schotten hatten: „Aber sie weiß doch, wie viel ihm sein Leben beim KavCom bedeutet.“ „Das ist genau das, was ich meinte“, erwiderte Saber mit ergebenem Seufzen, „sie haben einfach keine Gemeinsamkeiten. Robin ist die geborene Friedensverfechterin und verabscheut alles, was auch nur im Entferntesten mit Gewalt zu tun hat. Und Colt ist ein Star Sheriff, der seinem Blaster wahrscheinlich heimlich Kosenamen zuflüstert, wenn keiner zuhört. Sie ist die besonnene, reife Lehrerin, und mit reif meine ich jetzt sicherlich nicht ihr Alter, und er ist ein infantiler Hitzkopf, der bei jeder Kleinigkeit an die Decke geht. Er liebt das große Abenteuer, sie wünscht sich ein ruhiges Familienleben auf dem Land. Colts Leben ist vom Kampf für die Freiheit beseelt, aber er kann mit ihr nie darüber reden, weil sie kein Verständnis für seine Leidenschaft aufbringen kann.“ Unwohl zog April den Bademantel enger um ihre nackten Schultern: „Und dann kommt eines Tages Christa daher…“ „Genau“, der Säbelschwinger war froh, dass April langsam zu begreifen schien, worauf er schon die ganze Zeit hinaus wollte, „Christa ist eine bemerkenswerte, verdammt gut aussehende junge Frau, die sicherlich auch so schon die Aufmerksamkeit unsere guten Colts auf sich gezogen hätte. Aber was sie für ihn darüber hinaus so besonders macht, ist die Tatsache, dass sie so anders ist als Robin. Sie ist mit Leib und Seele Soldat, hat sich wie Colt der Verteidigung des neuen Grenzlands verschrieben. Sie ist sich nicht zu schade, abends mit Kerlen wie ihm ein paar Bierchen zu trinken und grobe Witze zu reißen, strahlt aber trotzdem noch den Hauch von Verletzlichkeit aus, der seinen Beschützerinstinkt weckt. Christa sagt, wenn ihr etwas nicht passt, und wenn sie sauer ist, lässt sie ihre Wut ab, indem sie sich den Frust von der Seele brüllt. Ein Punkt, an dem Robin mit Vernunft versuchen würde, eine Diskussion vom Zaun zu brechen.“ April wurde schwindelig. Was Saber da sagte, hatte tatsächlich etwas für sich, auf eine morbide aber dennoch logische Art und Weise. Sie hatte sich vorher nie Gedanken darüber gemacht, was Colt und Robin wohl aneinander gefunden hatten. Es war ihr als selbstverständlich erschienen, dass man gemeinsam alles erreichen konnte, wenn man sich nur genug liebte. Aber offenbar war sie da einem gewaltigen Irrtum aufgesessen: „Und was ist mit Christa“, sie schnappte sich die Pappschachtel mit den gebratenen Nudeln und stocherte ein wenig lustlos darin herum, „ihre Gefühle für Colt können so innig ja nicht gewesen sein, wenn sie so holterdiepolter abgereist ist.“ Mit einem Mal tat ihr der Cowboy tatsächlich leid. Was musste das für ein schreckliches Gefühl sein, wenn man erkannte, dass man die Frau, die man vor kurzem geheiratet hatte zwar liebte, aber dennoch nicht mit ihr zusammen sein konnte. Und die Frau, die man sich für den Rest seines Lebens an der Seite wünschen würde, verschwand bei Nacht und Nebel wie ein Strauchdieb. „Das verwundert mich ehrlich gesagt auch ein bisschen“, stimmte Saber ihr bereitwillig zu, „es hat sie ziemlich mitgenommen, dass Colt bei der Rückkehr wie ein Wahnsinniger über Robin hergefallen ist. Vielleicht hat sie für sich entschieden, dass sie gemeinsam mit einem verheirateten Mann keine Zukunft haben kann.“ „Weißt Du denn, ob die beiden noch einmal miteinander geredet haben? Bevor sie geflogen ist, meine ich?“ „Ich gehe davon aus, ja. Aber wissen tue ich es nicht genau. Zumindest war Colt auf dem Weg zu ihr, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und das war vor zwei Tagen.“ April nickte. Diese Unterhaltung hatte sie sehr traurig und nachdenklich gestimmt. Nicht nur ihr eigenes Leben hatte sich durch diese verdammte Nachricht aus der Phantomzone um 180 Grad gedreht. Colt, Saber, Robin, Christa, sie alle hatten auf die eine oder andere Weise empfindliche Schläge erlitten, die alles auf den Kopf stellten. Saber erkannte, wie sehr seine Gedanken sie innerlich aufgewühlt hatten und suchte krampfhaft nach einem etwas unverfänglicheren Thema, um die Atmosphäre wieder ein wenig zu entspannen. Respektvoll sah er zu, wie April sich mit Hilfe ihrer Stäbchen einen weiteren Berg Nudeln in den Mund schob, ohne dabei auch nur den kleinsten Krümel zu verlieren: „Seit wann kannst Du eigentlich so gut mit diesen Dingern umgehen?“ er nickte grob in Richtung ihres Holzesswerkzeuges und bemerkte sogleich den traurigen Schleier, der sich für einen kurzen Moment über ihre Augen legte. „Fireball hat es mir beigebracht. Er meinte immer, seine japanischen Vorfahren würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie sehen könnten, wie lieblos ich ihre hohe Kochkunst mit Füßen trete.“ Verärgert biss Saber sich auf die Unterlippe, die von Colts rechtem Haken noch immer etwas bläulich und angeschwollen war. Wieso schaffte er es neuerdings so bravourös, jedes Fettnäpfchen zu erwischen, das seinen Weg kreuzte: „Das finde ich wirklich beneidenswert“, er musste versuchen, Aprils Gedanken wieder in eine andere Richtung zu lenken, „ich habe das schon so oft versucht, aber ich glaube, ich bin zu blöd für Stäbchen.“ Auf dem Gesicht der jungen Frau zeigte sich ein schwaches Lächeln: „Red keinen Unsinn, das ist überhaupt nicht schwer“, geschäftig durchwühlte sie die beiden arglos beiseite geworfenen Plastiktüten und förderte tatsächlich noch ein weiteres Paar Essstäbchen hervor, „ich zeig Dir wie es geht!“ Skeptisch nahm Saber das Besteck entgegen, war aber froh, den weiblichen Star Sheriff so schnell abgelenkt zu haben: „Na, wenn Du meinst…“ verloren nahm er jeweils ein Stöckchen in eine Hand und tat so, als würde er auf dem Tisch einen Trommelwirbel schlagen. „Also, eines der beiden Stäbchen musst Du genau in die Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger legen“, mit Argusaugen beobachtete sie, wie der Säbelschwinger ihre Anweisungen befolgte, „ja, genau so. Das dickere Ende des Stäbchens muss etwa ein Drittel über den Handrücken hinausragen und mit dem Ringfinger musst Du es so abzustützen, dass es sich während des Essens nicht bewegt. Klar soweit?“ Saber vollführte einige ziemlich dilettantische Verrenkungen, schaffte es aber schließlich doch, das Stäbchen in die von April geforderte Position zu bugsieren: „So etwa?“ „Sieht sehr gut aus“, lobte sie ihren lernwilligen Schüler aufmunternd, „und jetzt musst Du das zweite Stäbchen zwischen Zeige- und Mittelfinger legen und es dann mit der Daumenkuppe festdrücken.“ „Ja was denn nun“, störrisch hielt der Schotte das zweite Holzstöckchen in die Höhe, „wenn ich es zwischen Zeige- und Mittelfinger lege, kann ich es doch nicht mit dem Daumen festdrücken!“ „Du sollst es nicht richtig zwischen die beiden Finger legen…“ „Aha“, war Sabers brummige Antwort, „und was darf ich jetzt unter nicht richtig verstehen?“ April überlegte angestrengt, wie sie es ihm klarer verständlich machen konnte: „Hm, eher so, als würdest Du einen Bleistift halten“, sie nahm ihre eigenen Stäbchen zur Hand, um es ihm zu veranschaulichen, „siehst Du, so! Die Spitzen der beiden Stäbchen müssen übereinanderliegen. Bewegt wird später nur das obere Stäbchen, das untere bleibt fest eingeklemmt.“ Verkrampft versuchte Saber seine Stäbchen so hinzuschieben, wie April sie ganz locker in der rechten Hand hielt. Doch schon beim ersten Versuch, das obere von beiden ein wenig zu bewegen, fielen ihm beide aus den ungelenken Fingern: „Ich sage ja, dass ich zu blöd dafür bin.“ „Ach, das wäre ja noch schöner“, enthusiastisch erhob April sich von ihrem Platz, kam um den Tisch herum und klaubte Sabers Stöckchen wieder auf, „gib mir Deine Hand!“ Gehorsam reichte der Säbelschwinger ihr seine Rechte und beobachtete, wie sie die kleinen Holzstäbchen zwischen seinen Fingern hin und her schob. Ihre Haut fühlte sich warm und unglaublich weich an. „Schau, so geht das“, sie schob seinen Daumen fest gegen das zweite Stäbchen, „wenn Du jetzt den Zeige- und Mittelfinger ganz leicht beugst, kannst Du das zweite Stäbchen bewegen und die Enden wie eine kleine Zange benutzen.“ Sie bemühte sich, ihn bei dieser an sich sehr einfachen Übung zu leiten, aber die Stäbchen fielen erneut auf den Tisch und Aprils Hand rutschte in den festen Griff von Sabers Fingern. „Lass es gut sein, das lerne ich nie!“ entschuldigend blickte er mit seinen blauen Augen zu ihr auf, machte aber keine Anstalten, ihre Hand wieder freizugeben. April wurde siedendheiß, als aus den Boxen der Stereoanlage die getragenen Klänge von „Can’t helb fallin’ in love“ ertönten und Sabers Finger sich plötzlich mit neu erwachter Geschicklichkeit so zwischen ihre schoben, dass ihre beiden Hände wie bei einem Gebet miteinander verschmolzen. Gebannt starrten sich die beiden Blondschöpfe an, bis Saber endlich den Mund aufmachte und leise flüsterte: „Weißt Du eigentlich, wie froh ich bin, dass Du hier bist“, vorsichtig hob er ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen schüchternen Kuss auf ihre Fingerspitzen, „ich dachte schon, Du würdest kein Wort mehr mit mir reden wollen.“ Für einen kurzen Augenblick war April wie gelähmt und spürte noch die Berührung seiner Lippen auf ihrer Haut, doch dann erwachte sie aus der Trance und wandte sich eilig aus seinem Griff: „Tja, so bin ich“, nervös ließ sie die Hände in den Taschen des Bademantel verschwinden, „nie besonders lange nachtragend…“ „April, ich…“ Erschrocken wich sie einen Schritt zurück, als Saber Anstalten machte, sich zu erheben: „Ich schätze, es wird Zeit, dass ich mir was anderes anziehe“, faselte sie unruhig und tat noch einen weiteren Schritt vom Säbelschwinger weg in Richtung Treppe, „nachher hole ich mir noch ’ne Erkältung.“ Damit drehte sie ihm endgültig den Rücken zu und stieg mit wild pochendem Herzen die Stufen in den ersten Stock hinauf. Auf den Esstisch gestützt blickte Saber ihr mit gemischten Gefühlen nach; großartig, er hatte es mit seinem kleinen Gefühlsausbruch mal wieder geschafft. Wenn er nicht Acht gab und sich ein bisschen mehr am Riemen riss, würde er sie wahrscheinlich vergrault haben, bevor der Morgen graute. Aber das durfte er auf keinen Fall zulassen. Er musste ihr Halt geben, ihr über die schlimme Situation hinweghelfen, und das konnte er nur, wenn sie in seiner Nähe blieb. Sein Blick fiel auf ihren Rucksack, den er vorhin im Flur abgestellt hatte und er entschied, dass dieser ein guter Vorwand war, um ihr zu folgen. Kurzerhand schnappte er sich das schwere Gepäckstück und eilte die Treppe hinauf. Die Tür zu seinem Schlafzimmer war nur angelehnt und er steckte vorsichtig den Kopf durch den Spalt: „April?“ Mit traurigen Augen und verschränkten Armen stand sie vor seinem Kleiderschrank und beäugte skeptisch das Bild, das sich ihr in dem großen ovalförmigen Spiegel bot. „Es tut mir leid, April“, Saber stieß die Tür soweit auf, dass er das Zimmer betreten konnte und legte ihren Rucksack neben seinem Eisenbett ab, „ich wollte Dich eben nicht so überrumpeln.“ Verlegen trat er hinter sie und suchte ihren Blick im Spiegel, aber sie zeigte keinerlei Reaktion. Sie wich ihm weder aus, noch lehnte sie sich schutzsuchend an ihn. „Was meinst Du“, abwesend fuhr ihre rechte Hand nach oben zu ihrer Steckfrisur und betastete prüfend das kleine Kunstwerk aus blondem Haar, „ob es Fireball gefallen hätte?“ Diese Frage kam so unerwartet, dass der Schotte darauf so schnell nichts zu erwidern wusste. Eingehend betrachtete er die gebändigte Mähne: „Hm, kann schon sein…“ worauf wollte sie wohl hinaus? „Es heißt doch, dass sich Frauen eine neue Frisur zulegen, wenn sich in ihrem Leben etwas verändert“, folgte die Antwort prompt auf dem Fuße, „aber ich habe mich nicht getraut, sie abzuschneiden.“ Und mit einem Mal begannen ihre Augen verräterisch zu glänzen. Saber verspürte einen tiefen Stich im Herzen, als er sie so leiden sah. In der einen Minute konnte sie fröhlich sein und beinahe das schlimme Schicksal vergessen, das ihr beschert war, und in der nächsten brach alles über ihr zusammen und begrub sie unter sich. Das war einfach nicht fair! Vorsichtig griff Saber nach der großen Spange, die ihre Haare auf dem Kopf fixierte, zog sie langsam aus der Frisur heraus und Aprils Mähne fiel in goldenen Wellen über ihre Schultern und ihren Rücken. Sanft vergrub der Schotte sein Gesicht darin und schloss seine Arme schützend von hinten um ihren Bauch: „Ich weiß, dass Fireball Dich genauso geliebt hat, wie Du bist, April“, er zog sie dicht zu sich heran und merkte erleichtert, dass sie sich nicht dagegen wehrte, „und mir gefällst Du so auch am besten!“ Scheu legte April ihre Arme auf die seinen: „Danke, Saber, ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne Dich anfangen sollte.“ Seine Nähe tat gut und sie schämte sich beinahe dafür, dass sie das Wohnzimmer so fluchtartig verlassen hatte. Saber hatte sie trösten wollen, und wenn sie ehrlich war, hatte sie sich doch genau deshalb hierher aufgemacht. Weil sie vergessen und neue Kraft schöpfen wollte. Und wer wollte es ihr schließlich verübeln, wenn sie sich nach körperlicher Nähe sehnte. Außer sich selbst und dem blonden Schotten, der sie so liebevoll im Arm hielt, war sie niemandem Rechenschaft schuldig und sie hatte verdammt noch mal die Nase voll davon, ständig gegen ein schlechtes Gewissen ankämpfen zu müssen. „Ruh Dich aus, Kleines“, flüsterte Saber in ihr Haar und küsste ihren Hinterkopf, „Du wirst sehen, morgen sieht die Welt wieder einen winzigen Tuck freundlicher aus.“ Verstört sah April im Spiegel zu, wie er sie aus der Umarmung frei gab und sich in Richtung Tür drehte: „Wo willst Du hin?“ fragte sie angsterfüllt. „Nach unten“, ein entschuldigendes Lächeln umspielte Sabers Lippen, als er die Furcht in ihren Zügen sah, „ich werde auf dem Sofa schlafen.“ „Nein“, panisch griff die junge Frau nach seinen Händen und hielt ihn fest, „Du kannst mich nicht allein lassen. Da hätte ich ja gleich zu Hause bleiben können!“ sie wollte nicht, dass der Schotte ging. Sie wünschte, er würde sie wieder in die Arme schließen und nie mehr loslassen, damit sie all die Sorgen und Nöte endlich hinter sich lassen konnte. Ächzend blies sich Saber ob dieser Bitte eine blonde Haarsträhne aus der Stirn: „Ich bin doch ganz in der Nähe, April. Wenn irgendetwas ist, komme ich sofort hoch, versprochen!“ wenn sie nicht gleich seine Hände losließ, würde er sich wohlmöglich vergessen und sie ohne Ankündigung aufs Bett werfen. Sah sie denn nicht, wie schwer es ihm fiel, die Beherrschung zu bewahren? „Bitte“, nein, offensichtlich wusste sie es nicht, denn sie drückte seine Hände noch fester und warf ihm einen zärtlichen Blick zu, „bleib hier. Ich will nicht alleine sein…“ „April, ich würde wirklich gerne, aber ich… ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zusammenreißen kann, verstehst Du“, flehend löste er sich aus ihrem Klammergriff und berührte ungeschickt die Kordel des Bademantels, „ich will nicht, dass Du es hinterher bereust.“ April schluckte schwer. Irgendwie hatte sie das Gefühl, diese Situation schon einmal erlebt zu haben, nur beim ersten Mal waren jede Menge Whisky und viel mehr ungezügelte Emotionen im Spiel gewesen. Wenn sie dem Drängen ihres Körpers jetzt nachgab, musste sie sich ganz sicher sein, dass sie es auch wirklich wollte, sonst würde sie sich und Saber am nächsten Morgen hassen. Aber ein kurzer Blick in seine wunderschönen Augen genügte, um den letzten Funken von Zweifel beiseite zu wischen. Linkisch fasste sie ebenfalls nach der Bademantelkordel und zog sie zurückhaltend auf: „Ich werde es nicht bereuen.“ Behutsam führte sie seine Hände zu ihren nackten Hüften; ihre warme Haut lag wie Samt unter seinen Fingerspitzen und rief verlockende Erinnerungen an ihre erste gemeinsame Nacht in ihm wach. Daran, wie sie sich in wilder Ekstase vereinigt hatten, wieder und wieder, um dem Schmerz und der Ungerechtigkeit zu entfliehen und daran, wie viel sie sich in diesen Stunden gegeben hatten. Zärtlich ließ er seine Hände über ihre Rippen nach oben wandern. Als er bei den Schultern angekommen war, streifte er vorwitzig den Bademantel von ihren Schultern und bedeckte ihren Hals mit flammenden Küssen, die ihr kleine Schauer über den Rücken jagten. Stolpernd trat April einen Schritt zurück und stieß ungeschickt gegen die Bettkante. Mit einem erstickten Schrei verlor sie das Gleichgewicht und fiel der Länge nach in die weichen Daunen, die sie wie eine Wolke auffingen und einhüllten. Und ehe sie sich von dem kleinen Schreck erholt hatte, kniete Saber über ihr. Er hatte sich in Windeseile seines T-Shirts entledigt und starrte mit fasziniertem Blick auf ihren makellosen Körper hinab: „Bist Du auch wirklich sicher?“ seine rechte Hand streichelte innig ihre Wange und bahnte sich dann langsam einen Weg über den Hals hinab zu ihrem Dekollete. „Ja, das bin ich“, wisperte April erregt, als seine Finger sich liebkosend um eine ihrer Brüste schlossen, „aber nur, wenn Du es auch bist!“ „Aye!“ war die kurze, aber alles erklärende Antwort des Schotten, bevor er ihren Mund mit einem heißen Kuss verschloss. Kapitel 18: Solange Du nur wieder lächeln kannst ------------------------------------------------ Solange Du nur wieder lächeln kannst Als Fireball das nächste Mal erwachte, fühlte er sich bereits wesentlich besser, auch wenn er seinen linken Arm nach wie vor nicht bewegen oder spüren konnte. Aber die Schmerzen in der Schulter hatten nachgelassen und er schaffte es aus eigener Kraft, sich in seinem Bett aufzurichten, ohne dass ihm dabei schwindelig wurde. Anfänglich war er etwas verstört gewesen und hatte Probleme mit der Orientierung gehabt, doch nach kurzer Zeit war ihm seine erste Unterhaltung mit Arietis wieder eingefallen. Der Outrider hatte ihm auf dem Schlachtfeld das Leben gerettet und ihn dann hier, in dieser merkwürdigen Wohnhöhle notdürftig wieder zusammen geflickt. Der Rennfahrer verstand zwar noch immer nicht, was einen seiner Erzfeinde zu so einer selbstlosen Tat getrieben hatte, aber er war ihm durchaus dankbar für die gezeigte Nächstenliebe. Wie lange er wohl dieses Mal geschlafen hatte? Laut Arietis war er die ersten sechs Tage nach seiner schweren Verletzung bewusstlos gewesen, und auch sein letztes Erwachen war nur von kurzer Dauer gewesen. Mittlerweile hatte Fireball völlig den Sinn für Raum und Zeit verloren. Er konnte nicht einmal sagen, ob draußen helllichter Tag oder finsterste Nacht herrschte, denn in seinem abgeschotteten Lazarett war es immer Nacht. Ob Saber und die anderen inzwischen zurück im Neuen Grenzland waren? Die Vorstellung, dass seine Freunde die Phantomzone in der Überzeugung verlassen hatten, er sei im Kampf gefallen, versetzte ihm einen tiefen Stich. Aber nur so war zu erklären, dass sie ohne ihn verschwunden waren. Sie hätten ihn niemals aufgegeben, wenn auch nur der kleinste Funken Hoffnung auf sein Überleben bestanden hätte. Nicht auszudenken, was es für April bedeuten musste, wenn sie ihr seinen Tod eröffneten. Er musste zurück und das so schnell wie möglich! „Habe ich doch richtig gehört, dass Sie aufgewacht sind“, plötzlich stand Arietis im offenen Durchgang zu Fireballs Lazarett und lächelte dem Star Sheriff freundlich zu, „ich hoffe, Sie haben Hunger!“ er trug ein Holztablett mit einer großen Tonschüssel darauf, aus der kleine Dampfschwaden aufstiegen. Es freute ihn zu sehen, dass es seinem Patienten offenkundig schon viel besser ging. „Ich sterbe vor Hunger“, erwiderte Fireball wahrheitsgemäß und äugte neugierig in die Schüssel, die der Outrider ihm samt Tablett auf die Oberschenkel stellte, „und was genau ist das?“ es roch verlockend, aber der Rennfahrer hatte noch nie davon gehört, dass die Phantomnasen Gourmets waren, geschweige denn, dass sie des Kochens mächtig waren. Und Vorsicht war immer noch die Mutter der Porzellankiste. „Coyotenschaschlik mit Kaktusmus“, Arietis zog einen Stuhl an Fireballs Bett heran und begann herzhaft zu lachen, als er den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht des Star Sheriffs erkannte, „nein, ich mache nur Spaß. Es ist normaler Gemüseeintopf mit Hühnchen, damit Sie schnell wieder zu Kräften kommen.“ Erleichtert stieß Fireball den angehaltenen Atem aus: „Man, da hätten Sie mich fast gehabt“, eifrig tauchte er den schlichten Aluminiumlöffel, der entfernt an das billige Besteck der KavCom-Kantine erinnerte, in den heißen Eintopf und schob ihn sich ohne weitere Vorbehalte in den Mund, „hm, Ihr Coyote schmeckt auschgescheichnet.“ Gierig genehmigte er sich einen weiteren Bissen. Das ehrliche Kompliment schien den Outrider ein wenig zu beschämen. Verlegen sah er zu Boden und faltete die Hände in seinem Schoß: „Freut mich, dass es Ihnen schmeckt. Lange hätte ich Ihren Körper mit den künstlichen Infusionen auch nicht mehr bei der Stange halten können. Meine Mittel hier draußen sind mehr als begrenzt.“ Fireball nickte ernst: „Wie lange bin ich denn dieses Mal weg gewesen?“ „Gute drei Tage“, antwortete Arietis wie aus der Pistole geschossen, „aber ich denke, dass Sie nun das schlimmste überwunden haben. Ihr Arm macht gute Fortschritte.“ „Was Sie nicht sagen“, ein wenig undankbar betrachtete Fireball seine linke Hand, die leblos auf der Bettdecke lag, „entweder ist Ihr Peridingsbums kaputt, oder Sie verstehen unter gute Fortschritte was ganz anderes, als meiner einer.“ Er hatte nicht unhöflich klingen wollen, denn er war dem Outrider zutiefst dankbar für seine großzügige Hilfe, aber die Tatsache, dass er seinen Arm noch immer nicht bewegen konnte, machte ihm schrecklich Angst. Arietis schien ihn in diesem Punkt zu verstehen und trug ihm die Hitzköpfigkeit nicht weiter nach: „Die Nerven verheilen gut, eine wichtige Voraussetzung für den Gesamtheilungsprozess. Das heißt aber immer noch nicht, dass Sie den Arm mit Sicherheit wieder werden gebrauchen können.“ „Das ist doch zum Verrücktwerden“, rief Fireball unwirsch, „wann kann ich denn endlich mit einer Verbesserung rechnen? Also mit einer, die man auch bemerkt, meine ich!“ Beruhigend tätschelte der Outrider seine gefühllose Hand: „Geduld, mein Freund. Ich denke, in einer Woche wissen wir mehr!“ gerne hätte er dem jungen Mann einen Teil seiner Qualen abgenommen, aber die Entscheidung über dessen Wohl lag nun nicht länger in seinen Händen. Er konnte nur alles in seiner Macht stehende tun, um dem Star Sheriff das Warten zu erleichtern. „Eine Woche“, brauste Fireball erschrocken auf, „ich kann doch nicht noch eine Woche lang meine Zeit auf diesem Planeten hier verplempern. Ich muss zurück. Meine Freunde kommen sicherlich schon halb um vor Sorge…“ „Und wie wollen Sie diesen Planeten verlassen, wenn ich fragen darf? Sie haben doch nicht mal ein Schiff!“ unterbrach Arietis die Schimpftirade und schnitt dem Rennfahrer augenblicklich das Wort ab. Über diesen Punkt hatte Fireball noch gar nicht weiter nachgedacht, aber der alte Mann hatte Recht. Ramrod war fort. Wie sollte er diesen abstoßenden Felsbrocken verlassen, oder gar den Sprung zurück in seine eigene Dimension bewerkstelligen? „Sehen Sie wohl“, nickte Arietis triumphierend, „Sie sitzen hier fest. Sie können sich also getrost ganz und gar auf ihre Genesung konzentrieren.“ Betrübt und mutlos ließ sich der Star Sheriff zurück in seine Kissen sinken. Das waren ja glänzende Aussichten. Halb verkrüppelt hing er hier ohne Fortbewegungsmittel in der Phantomzone herum, während im Neuen Grenzland wahrscheinlich schon seine Beerdigung arrangiert wurde. Die Hoffnung, dass jemand kommen würde, um nach ihm zu suchen, konnte er also getrost in den Wind schreiben. Nur wie zum Teufel sollte er von hier entkommen? „Sie haben mir noch gar nicht gesagt, wie sie heißen“, versuchte Arietis ihn von seinen trüben Gedanken abzulenken, „ich habe weder an ihrem Raumanzug noch auf Ihrer Dienstmarke einen Hinweis auf Ihren Namen entdeckt.“ „Fireball“, entgegnete sein Gegenüber niedergeschmettert, „man nennt mich Fireball.“ Diese Antwort entlockte dem Outrider ein weiteres Lachen: „Ein sehr passender Name, wie ich finde!“ Menschen waren eine merkwürdige Spezies, aber gelegentlich bestachen auch sie durch eine gewisse Art von Humor. Das Exemplar in seinem Bett allerdings gehörte im Moment nicht dazu: „Freut mich, dass wenigstens Sie Ihren Spaß haben.“ Die ganze Situation zerrte unermüdlich an seinem dünnen Nervenkostüm. Arietis war zwar für einen Outrider wirklich ein netter Kerl, aber allmählich ging er ihm mit seiner verschrobenen Art auf die Nerven. Und zwar ganz besonders, wenn er sich auf seine Kosten amüsierte. „Den sollten Sie auch haben, mein Freund“, prustete der Outrider und unternahm einen kläglichen Versuch, seinen Lachanfall zu unterdrücken, „schließlich wird man nicht alle Tage vor einem kampfbereiten Renegade bewusstlos und überlebt dieses Abenteuer!“ Die Erinnerung an den Mech rief Fireball ins Gedächtnis, dass es sich bei seinem Retter noch gar nicht dafür bedankt hatte, dass er ihn aus der Schusslinie geholt hatte. Verlegen räusperte er sich und wartete ab, bis Arietis sich endlich wieder beruhigt hatte und brummte dann mit reuiger Stimme: „Übrigens… danke fürs Lebenretten und so. Ich glaube, dass habe ich bislang vergessen.“ „Ach, nicht der Rede wert“, winkte Arietis großzügig ab, „das hätten Sie doch für einen Outrider auch getan.“ Sein schelmisches Zwinkern verunsicherte den Rennfahrer. „Klar doch…“ murmelte dieser scheinheilig und schob sich eine weitere Portion Eintopf in den Mund, „nein, mal ernschthaft, warum haben Schie misch gerettet?“ Das Gesicht des Outriders verfinsterte sich: „Entschlossen zu töten waren doch schon alle anderen auf dem Schlachtfeld, warum sollte ich mich in die breite Masse einreihen und dem Herdentrieb folgen?“ „Aber ich bin Ihr Feind, oder nicht?“ „Ja, das stimmt“, bestätigte Arietis grimmig, „aber weder Sie noch ich haben uns dieses Schicksal ausgesucht, Fireball. Andere haben für uns entschieden, wen wir als Freund und wen als Feind zu sehen haben.“ Der junge Star Sheriff nickte einsichtig: „So habe ich das noch nie betrachtet!“ es war auf eine ganz besondere Art faszinierend, sich mit diesem alten Mann zu unterhalten und dank seiner Ansichten zu rundweg neuen Erkenntnissen zu gelangen. Hatte er sich überhaupt schon einmal die Frage gestellt, warum es den Krieg zwischen den Outridern und den Menschen eigentlich gab? Sicher, irgendwann hatten die Wrangler ihre Invasion des Neuen Grenzlandes gestartet, aber das lag schon so viele Jahre zurück. Welche Motive hatten die Outrider heute, den Menschen das Leben zur Hölle zu machen? Schlugen sie Schlachten vielleicht nur, weil sie es nicht mehr anders kannten? Genauso wie er, Fireball, es nicht anders kannte, jeden Outrider bedingungslos zu bekämpfen, der ihm über den Weg lief? Und doch: „Vor über einem Jahr haben wir Euch einen Friedensvertrag angeboten. Aber Eure Obergurke Nemesis hat sich einen Dreck um unsere Bemühungen geschert und das Wohlwollen des Oberkommandos für einen hübschen kleinen Hinterhalt missbraucht.“ Arietis schüttelte traurig den Kopf: „Nemesis war ein herrschsüchtiger Tyrann, der durch seinen Wahnsinn das Verhältnis zwischen Menschen und Outridern ein für alle Mal zerstört hat. Und leider gab es zu viele Leichtgläubige, die ihm zutiefst gehorsam auf dem Pfad ins Verderben gefolgt sind.“ „Na, die Einschätzung teile ich aber mal voll und ganz“, Fireball kratzte den letzten Rest Suppe aus der Schüssel, „und ich muss zugeben, dass wir wirklich mal ein paar Monate Ruhe hatten, nachdem wir dem Stinkstiefel endlich den Garaus gemacht hatten. Bis…“ ärgerlich biss sich der Star Sheriff auf die Lippe. Was tat er hier eigentlich? Nur weil einer von den Bösen sich tatsächlich mal als Guter entpuppte, konnte er noch lange nicht daher kommen und ihm einfach die geheimen Pläne des KavComs vorbeten. Was, wenn sein Retter nun doch nichts anderes war, als ein ziemlich gut getarnter Spion? „Bis?“ hakte Arietis neugierig nach und bestärkte damit Fireballs Abwägung, dass ein wenig mehr Vorsicht durchaus nicht schaden konnte: „Ah, nicht so wichtig, verraten Sie mir mal lieber, wie Sie dieses Wunder vollbracht haben, mich aus den Fängen dieses Wrangler-Spielzeugs zu befreien!“ diese Frage interessierte ihn tatsächlich brennend und bot eine gute Gelegenheit, das Thema in andere Bahnen zu lenken. „Mh“, nachdenklich fuhr sich der Outrider durch seinen langen weißen Bart, „ich denke, jeder sollte seine kleinen Geheimnisse haben, meinen Sie nicht auch, junger Freund?“ „Ach kommen Sie schon Ari“, beleidigt pfefferte Fireball den Löffel in die Suppenschüssel, „Sie können mich doch nicht so dumm sterben lassen.“ „Ich dachte auch eigentlich, dass ich alles getan hätte, um das zu verhindern.“ antwortete der Alte schmunzelnd und brachte den Star Sheriff damit noch mehr auf die Palme: „Sie müssen wohl jedes Wort auf die Goldwaage legen, wie?“ „Ich bemühe mich so gut ich kann.“ Für diese neckende Antwort erntete er ein wütendes Schnauben seines Patienten: „Mann, Sie sind echt schlimmer als Saber.“ Missmutig drehte er den Löffel mit dem rechten Zeigefinger in der Schüssel herum und verursachte ein unangenehm schabendes Geräusch, was den Outrider dazu veranlasste, ihm das Tablett kurzerhand abzunehmen und auf den Boden zu stellen: „Sie sind also mit dem legendären Saber Rider geflogen?“ War das nicht mal wieder typisch? Genervt kratzte sich Fireball an der Stirn und fragte sich ernsthaft, wieso er der jüngste Grand Prix Champion aller Zeiten, Saber aber wiederum derjenige war, der als Legende galt: „Ich fliege mit ihm, ja“, korrigierte er Arietis vorwitzig, „er ist mein Boss, wenn Sie es genau wissen wollen.“ „Und ich hatte mich schon gefragt, welcher Mensch wohl so wagemutig sein kann, eine Expedition mitten ins Herz der Phantomzone zu führen.“ „Hey, hey“, muckte der Rennfahrer leise auf, „zu so einer Mission gehört noch mehr als der Schneid des Kommandanten!“ wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war es die abstoßende Glorifizierung des Schotten, von dem er zugegeben wusste, dass er selber es noch viel weniger ausstehen konnte, wenn man ihn als den Saber Rider anpries. Der Outrider musste bei soviel blankem Neid erneut kichern: „Dass Sie nicht nur über mindestens genauso viel Mut, sondern auch eine gehörige Portion Dummheit verfügen, ist mir bereits aufgefallen, ja.“ Griesgrämig legte Fireball sich den rechten Arm in den Nacken und starrte eingeschnappt zur Höhlendecke: „Ach, und was soll das jetzt schon wieder heißen? Hören Sie doch mal auf wie ein wandelndes Kreuzworträtsel zu faseln.“ Diese blöde Phantomnase konnte von Glück reden, dass er hier ans Bett gefesselt war, denn sonst hätte er der lächerlichen Unterhaltung spätestens an diesem Punkt ein Ende gesetzt und wäre von dannen spaziert. „Mit Scharfsinn hatte es meiner Meinung nach jedenfalls wenig zu tun, sich mit einem flugunfähigen Gefährt einer so übermächtigen Zahl an feindlichen Kampfeinheiten zu stellen. Es sei denn natürlich, Sie hatten Todessehnsucht“, bemerkte der alte Mann trocken und fuhr sich durch den Bart, „ganz erstaunlich eigentlich, dass Sie sich so lange gehalten haben.“ „Wie“, fragte der Star Sheriff verblüfft, „sagen Sie bloß, Sie haben uns die ganze Zeit beobachtet?“ dunkel fiel ihm ein, dass Arietis während ihres ersten Gespräches bereits Colt und Saber erwähnt hatte. Was für eine merkwürdige Rolle spielte dieser mysteriöse Eremit in diesem Theater? „Als die Jumper Sie von Ihrer Einheit abdrängten, habe ich meine Aufmerksamkeit lieber ganz Ihnen gewidmet. Ich dachte, Sie könnten vielleicht ein wenig Hilfe gebrauchen.“ Erklärte dieser schulterzuckend, als wäre es das natürlichste von der Welt, sich an einem sonnigen Tag mit Decke und Picknickkorb bepackt ein gepflegtes Plätzchen zu suchen und schaulustig einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Outridern und Star Sheriffs beizuwohnen. „Auf Ihre Eingebung ist auf jeden Fall verlass“, lobte Fireball ihn verbittert, „aber das erklärt noch immer nicht, wie und warum Sie mich gerettet haben!“ Arietis senkte anerkennend das Haupt bei soviel geballter Hartnäckigkeit: „Ist es denn wirklich so eine verwerfliche Tat, jemand anderem das Leben zu retten?“ „Nun“, spottete Fireball und fixierte sein Gegenüber siegessicher, „verwerflich wohl kaum, aber für einen Soldaten nicht gerade üblich!“ er hatte diesen kleinen Trumpf eigentlich für später aufsparen wollen, aber wenn er Arietis zum Reden bringen wollte, musste er ihn aus dem Konzept bringen. Eine Taktik, die blendend funktionierte. Für einen kurzen Moment verlor der Outrider seine undurchschaubare Miene und starrte Fireball mit großen Augen an: „Wie kommen Sie darauf, dass ich Soldat bin?“ natürlich beging er nicht den Fehler, die Vermutung des Rennfahrers zu bestätigen, aber seine erschrockene Reaktion zeigte dem Star Sheriff, dass er richtig gelegen hatte. „Ich habe mir den Arm verletzt Ari, nicht die Rübe“, süffisant wies er auf die Beine des Alten, „die Stiefel, die sie tragen, gehören eindeutig zu einer Wrangler-Uniform. Und versuchen Sie nicht, das abzustreiten, ich habe in meinem Leben schon genügend von den Dingern zu Gesicht bekommen. Ihr Hausstand“, hierbei deutete er auf die Schüssel mit dem billigen Aluminiumlöffel, „ist so schrecklich, dass es nur vom Militär ausgegeben worden sein kann. Wir haben in der Kantine auf Yuma beinahe denselben Schrott. Außerdem kannten Sie Sabers Namen. Wenn Ihnen nicht zufällig jeden Morgen ein Täubchen die Schmutzfuß-News vor die Haustür wirft, haben Sie auf jeden Fall noch Kontakt zu anderen Wranglern!“ Arietis’ Miene verwandelte sich wieder in dieses unergründlich gütige Lächeln: „Bitte, fahren Sie fort…“ „Nur zu gerne“, erwiderte Fireball frech, „Sie müssen über ausgereifte militärische Technologien verfügen, wenn Sie uns von Anfang an bei der Schlacht beobachtet haben. Jedenfalls glaube ich nicht, dass Sie zufällig über unser Scharmützel gestolpert sind, als Sie auf dem Weg zu Ihrem wöchentlichen Angelausflug waren. Und zu guter Letzt die Explosion. Ich weiß genau, dass ich ein grelles rotes Licht gesehen habe, bevor ich ins Tal der Ahnungslosen rübergeschliddert bin. Und wenn das nicht die Laser dieses Monstermechs gewesen sind, kann das nur heißen, dass Sie mein Verdeck gesprengt haben, um mich aus meinem Wagen zu holen. Anders hätten Sie die Kanzel nämlich gar nicht aufbekommen. Ergo haben Sie hier auch irgendwo ein kleines Waffenarsenal versteckt, dass Sie wahrscheinlich bei Ihrer Abdankung haben mitgehen lassen!“ triumphierend schaute er den Outrider an, der anerkennend die Augenbrauen hob und wenig begeistert anfing in die Hände zu klatschen: „Ich gratuliere Ihnen mein Freund“, müde ließ er die Arme sinken, „ich habe Sie aufgrund ihres jungen Alters unterschätzt. Ein Fehler, der einem alten Haudegen wie mir eigentlich nicht mehr unterkommen dürfte.“ Der Star Sheriff grinste zufrieden: „Dann geben Sie es also zu?“ endlich und zum ersten Mal fühlte er sich dem Alten gegenüber im Vorteil. Arietis nickte erschöpft: „Ich wüsste gar nicht, warum ich Ihnen noch irgendetwas erzählen sollte, Fireball, Sie haben doch bereits alles selbst herausgefunden“, er erhob sich wie in Zeitlupe und begann, in der Höhle auf und ab zu wandern, „ja, es ist wahr. Einst bin ich Soldat gewesen und habe unter Nemesis’ Schreckensherrschaft gegen die Pioniere des neuen Grenzlandes gekämpft. Aber das liegt schon viele, viele Jahre zurück.“ Neugierig beugte Fire sich ein wenig vor, stellte aber schnell fest, dass diese Bewegung seiner Schulter nicht gut bekam: „Wieso haben Sie den Dienst quittiert?“ fragte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, während er vorsichtig seine Wunde betastete. „Ich habe festgestellt, dass Ihr Menschen nicht die verabscheuungswürdigen Kreaturen seid, als die man Euch gerne ausgegeben hat. Und ab diesem Zeitpunkt war ich des Kämpfens müde und habe mich hierher, in die Einsamkeit von Ischtar zurückgezogen. Eigentlich wollte ich mich für alle Zeiten aus den Schlachten meines Volkes heraushalten, aber als ich gesehen habe, mit welchem Mut der Verzweiflung Sie sich den Wranglern gestellt haben, Fireball, ist mein Sinn für Gerechtigkeit wohl übermächtig geworden. Ich hätte wahrscheinlich keine Nacht mehr ruhigen Gewissens schlafen können, wenn ich Sie Ihrem Schicksal überlassen hätte.“ Dieses Geständnis verschlug dem Star Sheriff glatt die Sprache. Da stand hier dieser alte Kriegsveteran der Outrider vor ihm und behauptete allen Ernstes, dass er aus Gerechtigkeit einen Menschen vor seinen eigenen Landsleuten gerettet hatte. Diesen Tag würde er sich rot im Kalender anstreichen müssen. „Dank des hervorragenden natürlichen Tunnelnetzes in diesen Canons, das ich nach all der Zeit wie meine Westentasche kenne, war es ein leichtes, sie umgehend vom Schlachtfeld zu schaffen, nachdem ich Sie aus Ihrem, nun, gelinde gesagt Schrotthaufen, befreit hatte.“ „Mein armer Red Fury“, betroffen fuhr sich Fireball durch die Haare, „so ein mieses Ende hat er echt nicht verdient“, der Bolide hatte ihm viele Jahre lang hervorragende Dienste geleistet und war trotz seines vorangeschrittenen Alters immer ein zuverlässiger Partner gewesen, „ich hab den Grand Prix von Yuma mit ihm gewonnen.“ An dem Tag, an dem so unerwartet sein Leben als Star Sheriff begonnen hatte. „Sie reden beinahe so, als wäre es nicht eine Maschine, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen“, rügte Arietis die leidvolle Reaktion des Rennfahrers, „es ist doch immer dasselbe mit Euch jungen Leuten, Ihr wisst die wahren Werte des Lebens einfach nicht zu schätzen!“ „Glauben Sie mir“, versuchte Fire ihn sogleich zu besänftigen, „nach den vergangenen zwei Wochen hat das Wort Leben eine völlig neue Bedeutung für mich!“ Der Outrider nickte versöhnlich: „Das freut mich zu hören, dann brauche ich Ihnen wenigstens nicht mit Gewalt noch eine Portion Verstand einzubläuen.“ „Ach“, mit einem Mal erheitert zwinkerte Fireball seinem Retter zu, „ich dachte, Sie stehen nicht mehr auf die Gewaltnummer?“ er fand langsam Gefallen daran, dieses Spiel mit den Waffen des Outriders zu begehen, auch wenn er wusste, dass er Arietis an Schlagfertigkeit weit unterlegen war. Aber er entwickelte leise Sympathien für den Feind und konnte es kaum erwarten, sich intensiver mit ihm über seine Vergangenheit als Wrangler zu unterhalten. Der alte Mann nahm diesen Spielball dankbar an: „Nun, es gibt immer Situationen, in denen Gewalt das einzig effektive Mittel ist, um ans Ziel zu gelangen“, er bückte sich gebrechlich nach dem Tablett und wandte sich zum Ausgang, „aber da es wenig Freude bereitet, sich mit einem halbtoten Gegner zu messen, werde ich Ihnen vorerst noch einen Teller Eintopf bringen, damit sie wieder zu Kräften kommen.“ Amüsiert schmunzelnd lehnte sich der Star Sheriff zurück in seine Kissen, während er Arietis nachstarrte. Irrte er sich, oder begann sich hier tatsächlich eine Art Freundschaft zu entwickeln? „Na, der kann was erleben!“ mit funkelnden Augen blickte sich April im Mexican um und sondierte die einzelnen Tische des Restaurants. Saber, der ihr zuvor die Tür aufgehalten hatte, trat jetzt hinter sie und half ihr in vollendeter Manier aus der Jeansjacke: „Bitte versprich mir, dass Du keine Szene machst, ja!“ er warf ihr einen zutiefst flehenden Blick zu, bevor er ihr Kleidungsstück in die dafür vorgesehene Garderobenecke brachte. Die junge Frau nickte zerknirscht: „Ich werde mich bemühen, ihn nicht…“ stumm blieb sie an einem Tisch in den hinteren Reihen nahe der Bar hängen, „da ist ja die widerwärtige Mistgurke!“ mit leisem Wutschnauben wollte sie losstürmen, aber der Säbelschwinger bekam sie gerade noch zu fassen und zog sie entschlossen zu sich heran: „Versprich es mir!“ sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt und April merkte, wie ihr bei der Erinnerung an die letzte Nacht die Knie weich wurden: „Aber ich…“ „Versprich es!“ wiederholte Saber drängend und verstärkte den Griff um ihr Handgelenk. „Ja, gut, versprochen“, wütend machte sie sich von ihm los und rieb mit etwas übertriebner Empfindlichkeit die leicht gerötete Haut an ihrem Arm, „und was willst Du tun, wenn ich mich nicht dran halte?“ Ein schelmisches Glitzern flackerte in den Augen des blonden Schotten auf: „Willst Du es wirklich drauf ankommen lassen?“ Unsicher trat April einen Schritt zurück: „Nein, eigentlich nicht!“ seit sie vor vier Tagen bei Saber eingezogen war, hatte sich in ihrer Beziehung etwas Grundlegendes verändert. Früher hätte es ihr nichts ausgemacht, sich auf ein ausgiebiges und hitziges Gefecht mit ihrem Boss einzulassen. Aber seitdem sie nicht nur die Wohnung sondern auch das Bett mit ihm teilte, fühlte sie sich ihm gegenüber unsicher, ja beinahe befangen. Das Kribbeln im Bauch, das sie jedes Mal verspürte, wenn er sie berührte oder ansah und das ihr Blut in Wallung brachte, hatte ihren störrischen Dickkopf gebrochen. „Na fein“, galant wie zuvor wies Saber mit der linken Hand den Weg, „nach Ihnen, Mademoiselle!“ Biestig schlug April seinen Arm beiseite: „Hör auf mit dem Theater, oder willst Du gleich aller Welt auf die Nase binden…“ „Wenn hier jemand irgendwem etwas auf die Nase bindet“, zischte der Schotte gereizt zurück, „dann Du mit Deiner übertriebenen Vorsicht!“ Fauchend machte der weibliche Star Sheriff auf dem Absatz kehrt und hielt mit Stechschritt auf das zuvor anvisierte Ziel zu. Das zurechtweisende Verhalten des Säbelschwingers hatte ihre Emotionen erst richtig angeheizt und sie war durchaus gewillt, diese umgehend an ihrem designierten Opfer auszulassen. Sollte Saber doch sehen, wie er sie davon abhalten wollte oder wie er gedachte, sie im Nachhinein dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Bei diesem Gedanken wanderte ein angenehmes Prickeln durch ihren Körper, dass sie rigoros beiseite wischte. So etwas konnte sie im Moment nun wirklich nicht gebrauchen. „Sag mal, was fällt Dir eigentlich ein, Du verdammter, hirnloser…“ sie baute sich drohend vor dem kleinen Tisch auf, an dem ein ziemlich einsam und im Moment äußerst überrascht wirkender Cowboy an seiner Caipirinha schlürfte und verpasste ihm einen ordentlichen Boxhieb gegen die rechte Schulter. Jaulend zuckte ihr Opfer zusammen und rieb sich finster dreinblickend das getroffene Körperteil: „Mensch, Du spinnst wohl Brautzilla“, Colt hatte nicht übel Lust, April für diese unfaire Attacke einen Denkzettel zu verpassen, „wo Du hinschlägst, wächst ja kein Gras mehr!“ „Ich kann Dir gerne noch eine verpassen“, angriffslustig hob die Blondine die Arme und ballte die Fäuste, bereit erneut zuzuschlagen, „Du…Du…“ Weiter kam sie nicht mit ihren Beschimpfungen, denn in dem Moment packte Saber sie von hinten bei den Ellenbogen und bugsierte sie kurzerhand auf die Lederbank gegenüber von Colt: „Ich dachte, wir hätten einen Deal!“ schnell zwängte er sich neben sie, weil April bereits todesmutig Anstalten machte, sich wieder zu erheben, „Nummer eins…“ energisch zog er April zurück auf ihren Allerwertesten, während er Colt, der leicht fasziniert das kleine Schauspiel verfolgte, knapp zunickte. „Schmier Dir Deinen Deal in die Haare“, bellte die junge Frau furios, „ich habe mit diesem Kerl da ein Hühnchen zu rupfen und Du wirst mich sicherlich nicht daran hindern!“ „Ach nein?“ herausfordernd starrten sich die beiden Blondschöpfe an. Das angespannte Knistern zwischen ihnen war beinahe greifbar und brachte die Luft buchstäblich zum Flimmern. „Ich freu mich auch riesig, Euch zu sehen, aber vielleicht lasse ich Euch doch lieber alleine“, machte Colt bereitwillig Anzeichen, sich von seinem Platz zu erheben, denn es war ihm hier mit einem Mal viel zu unruhig geworden, aber der Säbelschwinger warf ihm einen eisigen Blick zu, der ihn in seiner Bewegung erstarren ließ, „och, na, ja, andererseits ist so ein netter Plausch unter Freunden auch nicht zu verachten…“ schnaubend ließ er sich zurück auf die Bank plumpsen. April sah langsam ein, dass sie gegen Sabers Kraft nicht viel auszusetzen hatte und gab ihre kratzbürstige Gegenwehr auf. Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust und lehnte sich beleidigt zurück in die Polsterung: „Kannst Du Dir vorstellen, was für Sorgen wir uns Deinetwegen gemacht haben, Du blöder Kuhtreiber?“ akribisch versuchte sie Colt mit ihren Blicken zu durchbohren und stellte befriedigt fest, dass er sich offenkundig nicht wohl in seiner Haut fühlte. Wie immer, wenn ihm eine Situation über den Kopf stieg oder drohte unangenehm zu werden, zog er seinen Lederhut tief in die Stirn und begann nervös in seinem Cocktail zu rühren: „Weißt doch, April, Unkraut vergeht nicht“, dann blinzelte er Saber unsicher von der Seite an, „wie habt Ihr mich überhaupt gefunden? Ist doch wohl kein Zufall, dass Ihr hier vorbeischneit, kaum dass ich zwei Stunden wieder in der Stadt bin.“ Saber schwieg beharrlich, aber der Cowboy hatte registriert, wie seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde zur Seite gehuscht waren. Mit einem ironischen Lächeln nahm Colt sein Glas und drehte sich in Richtung der Theke: „Vielen Dank fürs Verpfeifen, Benny!“ verstimmt prostete er dem dicklichen Wirt des Mexican zu, der mit entschuldigender Miene erwiderte: „Tut mir leid, Colt, Befehl ist Befehl. Dafür geht der nächste aufs Haus.“ „Davon kann ich mir jetzt auch nichts kaufen.“ grummelte der Cowboy, als er seine Caipi zurück auf den Tisch stellte und einen tiefen Zug des Cocktails nahm. Saber hatte sich genau wie April zurückgelehnt und beobachtete ihn jetzt mit unverhohlener Neugier, was Colt völlig aus dem Konzept brachte: „Wo hast Du die letzten sechs Tage gesteckt?“ seine Stimme klang nicht unfreundlich, aber das war genau das, was Colt noch mehr beunruhigte. Es wäre ihm lieber gewesen, der Säbelschwinger wäre genauso über ihn hergefallen, wie zuvor die Blondine, dann hätte er es wenigstens schnell hinter sich gebracht. So konnte er sich wohl auf ein ausgiebiges Strafgericht gefasst machen. „Geht Dich das was an?“ Krachend landete Sabers rechte Faust auf dem Tisch und strafte seine ruhige Stimme Lügen. Der Cowboy zuckte unwillkürlich zusammen: „Ja, schon kapiert, es geht Dich was an…“ woher hatte der Schotte nur dieses plötzliche Maß an roher Überzeugungskraft, „Phanorama, okay…“ „Wie bitte“, April glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können, „Deine Frau ist gerade abgehauen, Dein bester Kumpel wird…“ „Hey“, unterbrach der Cowboy sie sofort unwirsch, „ich musste mal raus, okay, mir den Kopf durchpusten, auf andere Gedanken kommen. Und das kann ich nun mal am besten, wenn ich ein bisschen in der Gegend herumballere!“ Saber hob zweifelnd eine Augenbraue: „Und dafür hast Du sechs Tage gebraucht? Ne Menge Munition, die Du da durchgebracht haben musst.“ „Na und, wen scherts?“ gleichgültig hob Colt die Hände und versuchte, dem strafenden Blick des Säbelschwingers standzuhalten. Innerlich brodelte er und wäre am liebsten zu Benny hinter die Theke gesprungen, um ihm für seinen Verrat eine gehörige Abreibung zu verpassen. Währenddessen griff April nach den kleinen Zuckertüten, die in einem Spender auf dem Tisch standen: „Und dass man auch mal eine Nachricht hinterlassen könnte, ist Dir wohl nicht in den Sinn gekommen, wie“, sie nahm Maß und begann mit Innbrunst, den Cowboy mit den kleinen weißen Tütchen zu bombardieren, „wann wirst Du eigentlich endlich erwachsen und übernimmst mal ein bisschen Verantwortungsbewusstsein?“ als Colt nach dem vierten Geschoss, das ihn mitten im Gesicht traf, noch immer keine Reaktion zeigte, stellte April verbittert das Feuer ein. Wie konnte er nur so teilnahmslos hier herumsitzen und tun, als wenn nichts gewesen wäre! „Nun mach doch nicht so einen Wind, der liebe Colt ist ja wieder im Lande.“ „Ahhhh…“ zornig raufte sich die junge Frau die blonden Haare, „Du machst es Dir echt ziemlich einfach, weißt Du das.“ Fahrig fuhr sich der Cowboy durchs Gesicht und sammelte die Zuckertütchen wieder ein: „Willst Du, dass ich jetzt vor Dir auf die Knie falle?“ warum bloß war er hierher gekommen und nicht mit seinem Hintern in seinen eigenen vier Wänden geblieben? Vielleicht, weil ihn die Mitteilung über Fireballs Beerdigung viel schneller wieder zurück in die Realität geholt hatte, als es ihm lieb gewesen war. Und da alleine trinken bekanntlich dumm machte, hatte es ihn eben in das gemeinsame Lieblingsrestaurant verschlagen. Fehler! Blöder Fehler! April rieb sich nachdenklich das Kinn: „Wäre zumindest mal ein dynamischer Ansatz…“ und noch bevor sie ihren Gedanken zuende gebracht hatte, war Colt aufgesprungen, nur um sich verkrampft im Gang auf die Knie fallen zu lassen. Er legte die Hände und das Kinn auf die Tischplatte und zwinkerte die Blondine entschuldigend an: „Sei gnädig mit mir holdes Wesen. Ich bin doch nur ein dummer Cowboy und weiß es nicht besser“, er langte umständlich nach Aprils Hand, „vergib mir, oh Königin der Großzügigkeit!“ Offenbar hatte er es mit dieser Aktion mal wieder geschafft. Die junge Frau entriss ihm ihren Arm und musste sich arg anstrengen, um nicht zu grinsen oder zu lachen: „Steh auf Du Volltrottel“, gespielt pikiert warf sie ihm einen eisigen Blick zu, „und glaub bloß nicht, dass Du damit so einfach davon kommst.“ Mühevoll zog Colt sich wieder auf die Beine: „Junge, Junge, das ist nichts mehr für meine alten Knochen“, er streckte sich ausgiebig und überlegte sich, dass er eigentlich auf Bennys großzügiges Angebot zurückkommen konnte, wo er doch schon einmal stand, „die nächste Runde geht aufs Haus, was wollt Ihr?“ Aprils Augen begannen zu leuchten und sie leckte sich in heller Vorfreude die Lippen: „Pina Colada!“ „Was?“ machten Saber und Colt ihrer Bestürzung wie aus einem Mund Luft und bedachten die Blondine mit zweifelnden Blicken, die eindeutig ihre geistige Kompetenz in Frage stellten. Da dämmerte es April plötzlich und das Blut schoss ihr in die Wangen: „Tut mir leid“, murmelte sie kleinlaut und legte schützend eine Hand auf ihren Bauch, „habs für einen Moment vergessen. Dann eben eine Maracolada.“ Eine Hand des Schotten legte sich kurz auf ihren rechten Oberschenkel, während er ihr einen tröstenden Blick zuwarf. Der Cowboy nickte zufrieden, auch wenn ihm die kleine zärtliche Geste zwischen den Freunden nicht entgangen war, und sah seinen Boss herausfordernd an: „Top Sword?“ plötzlich hatte er wieder das Bild vor Augen, wie Saber vor ein paar Tagen halbnackt und verschlafen aus Aprils Schlafzimmer getreten war. Was mochte in den sechs Tagen, die er sich auf Phanorama die Seele aus dem Leib gefeuert hatte, alles passiert sein? Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, sich so mir nichts Dir nichts aus dem Staub zu machen und die beiden übrigen Star Sheriffs ihrem eigenen Schicksal zu überlassen. Ohne ein Wort zu sagen winkte der Schotte dankend ab und machte sich nicht einmal die Mühe, das Gesicht von April ab- und dem Cowboy zuzuwenden. „Bitte, wie Du meinst“, Colt kniff irritiert die Augen zusammen und brüllte dann im Befehlston, „noch ’ne Caipi und eine Maracolada für die Lady hier!“ in Richtung der Bar. Dann ließ er sich wieder auf seine vier Buchstaben sinken und beäugte April mit regem Interesse. „Hey, was glotzt Du denn so blöde?“ fragte sie angriffslustig und rieb sich unwohl die Unterarme. Wenn der Cowboy diesen merkwürdigen Gesichtsausdruck draufhatte, bedeutete das meistens nichts Gutes oder zumindest nichts Produktives. Und so war es auch dieses Mal. Colt breitete die Arme aus, so als wollte er sich einem übermächtigen Polizeiaufgebot stellen und schloss in gequälter Erwartung die Augen: „Nun leg schon los, Cinderella, versetz mir den Todesstoß. Deswegen bist Du doch bestimmt hier“, als auf seine Aufforderung nur betretenes Schweigen folgte, öffnete er zwinkernd eines seiner Augen und schaute in das sehr überraschte Gesicht der Blondine, „na, Du weißt schon“, half er ihr gutmütig auf die Sprünge, „sag mir, was für ein elendiger Scheißkerl ich bin, dass Robin es nicht verdient hat, wie schändlich ich sie hintergangen habe und zieh mir endlich die Bratpfanne über den Kopf, die Du die ganze Zeit hinter Deinem Rücken versteckst!“ April stütze genervt den Kopf gegen die Rückenlehne und starrte um Erlösung bittend in Richtung Decke: „Kannst Dich wieder entspannen, Cowboy, von mir hast Du kein jüngstes Gericht zu erwarten. Ein gemeinsamer guter Freund hat mir erklärt, dass ich die Sache wohl nicht ganz so schwarz und weiß sehen kann, wie ich das anfänglich getan habe.“ Unter dem Tisch stupste sie Sabers Bein kurz mit ihrem Knie an, was dieser sich aber nicht anmerken ließ. Erstaunt riss Colt die Augen auf und starrte verblüfft zu seinem Boss hinüber, der ihn weiter ohne jede Gefühlsregung musterte: „Na, das ist aber ein echt feiner Zug von dem Freund. Sag ihm mal recht herzlich danke, wenn Du ihn das nächste Mal siehst!“ Mit Schwung wippte die Blondine auf ihrem Sitz nach vorne: „Mach ich! Aber wo Du das Thema schon mal von Dir aus angeschnitten hast…“ „Großartig“, stöhnte der Cowboy und wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn, „da habe ich mich wohl zu früh gefreut.“ Er nahm sich den Hut vom Kopf und legte ihn behutsam neben sich auf die lederbezogene Sitzbank. Eitel wie er war, vergaß er natürlich nicht, sich anschließend die Haare ordentlich zu zerwühlen, die durch das Tragen des Stetsons platt an seinen Kopf gedrückt worden waren. „Eigentlich“, druckste April verunsichert herum und fing an, mit der Cocktailkarte herumzuspielen, die vor ihr auf dem Tisch stand, „wollte ich nur wissen, ob Du in den letzten Tagen mit Robin gesprochen hast oder ob Du weißt, wie es ihr geht.“ Sicherlich würde der Cowboy nicht gerne über dieses Thema reden, aber es war immer noch besser, als sich mit Fireballs Tod oder ihrer bestehenden Schwangerschaft auseinander zu setzen. Das kurzfristige Abdriften in die Problemwelt der anderen tat zur Abwechslung ganz gut. Und überraschender Weise unternahm Colt nicht die geringste Anstrengung, um ihrer Frage auszuweichen: „Ich glaube wohl kaum, dass Robin im Moment gesteigerten Wert darauf legt, mich zu sehen. Und wenn doch, weiß sie ja, wo sie mich finden kann“, er massierte seine Nasenwurzel, so als hätte er unter Kopfschmerzen zu leiden, „schließlich ist sie ja diejenige, die sich aus dem Staub gemacht hat, oder!“ „Und Du bist derjenige, der sie nicht aufgehalten hat, oder“, antwortete April etwas bissig, „würdest Du sie denn sehen wollen?“ Eilig wandte der Cowboy den Blick von der Blondine und schaute hinüber zur Bar: „Wo bleiben denn die Cocktails?“ es machte ihm also doch etwas aus, über seine Frau zu sprechen. „Lenk nicht ab, Colt!“ „Was“, verwirrt schrak er auf, „ach so…“ er musste ziemlich lange überlegen, was er dem weiblichen Star Sheriff antworten sollte. Wollte er Robin sehen? Diese Frage hatte er sich im Verlauf der letzten Tage ziemlich häufig gestellt. Einerseits vermisste er die hübsche Lehrerin, aber andererseits war da eine noch viel bohrendere Sehnsucht, die nicht ihr, sondern einer anderen Frau galt. Erst der rothaarige Lieutenant hatte diese tiefe, unbändige Leidenschaft in ihm geweckt, die er zuvor nicht gekannt hatte und die stärker war, als alles, was er je für seine Frau empfunden hatte. Und diese Erkenntnis war kaum zu ertragen. April wurde das Warten offensichtlich zu dumm, denn sie bewarf Colt mit einem weiteren Tütchen Zucker und schalt ihn unfreundlich: „Das war eine ganz einfache Frage, Cowboy. Willst Du Robin sehen, oder nicht?“ „Man, ich weiß es nicht, okay“, fauchte er ungehalten zurück und schleuderte das weiße Päckchen quer durch den Raum, „können wir vielleicht das Thema wechseln, ja!“ Auf diese Ausflucht hatte die Blondine nur gewartet: „Du möchtest das Thema wechseln“, fragte sie zuckersüß, „bitte, wie wäre es damit: weißt Du denn, ob Du Christa sehen willst?“ das saß wie ein Stich mitten ins Herz. Colt straffte augenblicklich den Rücken und wurde knallrot im Gesicht. Mit zügellosem Unmut gab er ein lautes Schnauben von sich und versetzte dem Tischbein einen gehörigen Tritt: „Hör mir bloß auf mit der. Soll sie doch ihren Traumprinzen heiraten“, als er merkte, dass der am Boden verankerte Metalltisch seinem Tritt mühelos standgehalten hatte, wiederholte er die Prozedur noch einmal im Inbrunst, „ich hab von den Weibern erst mal gestrichen die Schnauze voll!“ Das war deutlich, wenn auch eine glatte Lüge, wie April schnell erkannte. Seine heftige Reaktion bewies eindeutig, dass sich im Kopf des Cowboys einiges abspielte, was mit dem hübschen Navigator der Monarch Supreme zu tun hatte. Offenbar war er noch nicht bereit, über diese Dinge zu reden, und die Blondine hätte tatsächlich ein neues Thema angeschnitten, um den Freund nicht weiter zu quälen, aber es gab da noch etwas, was sie ihm wohl oder übel beibringen musste: „Na, wenn das so ist, wird es Dich ja auch nicht stören, dass gestern eine Einladung zur Hochzeit eingetrudelt ist, oder?“ sie hatte es nicht so unsensibel formulieren wollen, aber ihre eigenen Empfindungen waren noch viel zu durcheinander, als dass sie groß Rücksicht auf Einfühlsamkeit hätte nehmen können. Colts Gesichtsfarbe veränderte sich binnen Sekunden von tomatenrot zu kreideweiß und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er leise flüsterte: „Die scheinen es verdammt eilig zu haben“, dann riss er sich zusammen und ließ ein leichtes Lächeln erkennen, „aber mich einzuladen haben Sie sich anscheinend nicht getraut!“ April nickte bestätigend: „Ich schätze mal, Roland wollte weder das Risiko eingehen, dass Christa es sich noch mal anders überlegt, noch dass Du während der Trauungszeremonie aufspringst und sie entführst.“ Mitfühlend griff sie über den Tisch und tätschelte tollpatschig die Hand des Cowboys. „Na, da braucht er sich keine Sorgen zu machen“, dankbar drückte er kurz ihre kalten Finger und zog sich dann schnell wieder zurück, als er Sabers stechenden Blick spürte, „ich komme ihm bestimmt nicht mehr in die Quere!“ was hatte der Säbelschwinger nur? Er benahm sich auffallend merkwürdig und hatte bislang so gut wie kein Wort von sich gegeben. „Aber genug von mir“, Colt bemühte sich um ein ungezwungenes Lächeln und nahm dann Aprils flachen, durchtrainierten Bauch in genaueren Augenschein, „wie geht es Dir denn überhaupt?“ unter normalen Umständen hätte er die Freundin mit Gratulationen geradezu überhäuft und dann wahrscheinlich den einen oder anderen Namensvorschlag für den Nachwuchs zum Besten gegeben. Aber wenn man berücksichtigte, dass der Vater des Ungeborenen vor knapp zwei Wochen bei einem Outrider-Gefecht ums Leben gekommen war, wäre diese Reaktion sicherlich unpassend gewesen. April war bei seinen Worten zusammengezuckt und hatte instinktiv die Arme vor dem Körper verschränkt: „Ich weiß es nicht“, gestand sie ehrlich und versuchte Verständnis im Blick des Freundes zu erhaschen, „als Saber mir die Nachricht von Fires Tod überbracht hat, ist meine Welt einfach zusammen gebrochen!“ sie rückte unbewusst näher an den Säbelschwinger heran, der sogleich schützend einen Arm um ihre Schultern schlang und eine Hand beruhigend auf ihren Oberschenkel legte. Eine Geste, die Colt wiederum nicht entging. Eigentlich wäre überhaupt nichts dabei gewesen, dass der Schotte sich um die Blondine sorgte und ihr tröstend beistand, wenn da nicht diese eine unsägliche Nacht gewesen wäre. Von der der Cowboy leider ungewollt erfahren hatte. April hatte ihm vor vier Tagen eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, dass er sie bei Saber finden würde, sollte er den Wunsch verspüren sie zu sehen oder mit ihr zu reden. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich bereits auf Phanorama befunden, aber jetzt fragte er sich, ob die junge Frau wohl immer noch bei Saber wohnte und was sich in den vier Wänden des Säbelschwingers alles abspielen mochte. Beunruhigt musterte er die Hand des Freundes, die streichelnd über Aprils Bein fuhr. Sie hingegen schien seinen Sinneswandel nicht zu bemerken und setzte ungerührt ihren kleinen Seelenstriptease fort: „Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht so richtig an das erinnern, was in den ersten Tagen um mich herum vorgegangen ist. Ich wäre am liebsten auch gestorben, um diesem unerträglichen Schmerz zu entkommen. Ihr ward nicht da und ich… hatte niemanden…ich meine… Robin hat ja versucht…aber sie weiß doch nicht, wie das ist…“ ihre letzten Worte verhallten in einem aufkeimenden Schluchzen und Colt beobachtete mit immer wachsenderem Unmut, wie Saber sie jetzt ganz an sich heran zog und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. „Ist schon gut, Kleines, Du musst nicht weiterreden“, während er sie fest in die Arme schloss, warf er dem Cowboy einen feindseligen Blick zu, „das hast Du ja ganz toll hinbekommen, Du Einfaltspinsel!“ Colt schaute spöttisch zurück: „Ach, sieh einer an, der Herr kann auch sprechen“, mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt lehnte er sich auf seiner Bank zurück, „ich dachte, Du bist heute nur das gar schmückend Beiwerk…“ Diese stichelnde Bemerkung war buchstäblich der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: „Ich habe mich bislang nur zurückgehalten“, antwortete Saber schneidend, „weil ich mir noch nicht ganz sicher war, ob ich Dir nun eine reinhauen soll, oder nicht.“ „Ach ja“, fauchte der Cowboy hitzig zurück und schob vorsichtshalber sein leeres Cocktailglas außer Reichweite, „bist ja neuerdings ziemlich groß im laute Töne spucken, alter Highlander!“ Gebannt sah April zu, wie sich der Schotte plötzlich über den Tisch beugte und versuchte, Colt am Schlafittchen zu packen, den Arm noch immer um ihre Schultern gelegt: „Spätestens seit eben hättest Du eine gehörige Abreibung wirklich mehr als verdient!“ Colt wich seinem Angelversuch spöttisch aus, indem er sich einfach noch ein bisschen weiter nach hinten lehnte: „Ach, und Du meinst, Du wärst der richtige Mann für diesen Job, ja Mr. Rider?“ seine Augen loderten herausfordernd und der weibliche Star Sheriff hatte beinahe das Gefühl, dass sich beide Männer geradezu nach einer ausgewachsenen Prügelei sehnten. Erzürnt schob sie Sabers Arm beiseite und starrte finster zwischen den beiden Streithähnen hin und her: „Könntet Ihr mit diesem Kindergartengehabe vielleicht endlich aufhören“, sprudelte es unwillig aus ihr heraus, „ich fühle mich weder besser, wenn Ihr Euch gegenseitig den Schädel einschlagt, noch bringt es Fire zurück.“ „Dann frag doch unseren großen Anführer, was für ein Problem er schon wieder hat!“ antwortete Colt schnippisch, offensichtlich in der Annahme, ihn würde an der Zankerei nicht die geringste Schuld treffen. Bevor Saber aber zum erneuten verbalen Gegenschlag ausholen konnte, belehrte April den Cowboy eines Besseren: „Was für ein Problem er hat? Du bist sein Problem, Colt“, die Blondine steigerte sich so in ihre Wut hinein, dass der Scharfschütze und auch der Säbelschwinger automatisch ein Stück von ich abrückten, „seit fünf Tagen bekniet er das Oberkommando, Dir nicht wegen Fahnenflucht die Feldjäger hinterher zu jagen, weil Du es ja nicht für nötig gehalten hast, auch nur irgendeiner gottverdammten Seele zu sagen, wo Du Dich rumtreibst.“ Diese Eröffnung ließ Colts Wut verpuffen, wie einen nass gewordenen Feuerwerkskörper. Seine Gesichtszüge entspannten sich augenblicklich: „Ich ähm…“ „Wenn Saber nicht gewesen wäre“, ließ sich April von seinem schwachen Einwurf wenig beeindrucken, „dann hätten Sie Dich mittlerweile wahrscheinlich schon am Kragen zurück nach Yuma gezerrt und Dich erst mal für ein paar Wochen in einer Arrestzelle versauern lassen, so sieht es aus.“ Colt warf Saber einen unsicheren Blick zu. Hatte sich der Schotte wirklich so sehr für ihn ins Zeug gelegt, nachdem er ihm erst vor kurzem diesen gepfefferten Kinnhaken verpasst hatte und dann auch noch beinahe seinen Blaster gegen den Freund gezogen hätte? Heftige Gewissensbisse stiegen in ihm auf, als er sah, wie Saber unsicher unter seiner Beobachtung auf der Bank hin und her rutschte: „Lass gut sein, April!“ versuchte er die Blondine nun leise zu beschwichtigen. Auch sein Groll war wie weggeblasen und die Zornesröte hatte sich in ein schamhaftes Blassrosa verwandelt. Doch die junge Frau hatte noch lange nicht alles gesagt, was ihr auf der Seele brannte: „Nein, lass ich nicht. Er soll ruhig mal darüber nachdenken, dass er nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, der Probleme hat und dass sein Verhalten absolut unverantwortlich war“, sie richtete drohend den ausgestreckten Zeigefinger auf den Cowboy und kniff aufgebracht die Augen zusammen, „kannst Du Dir vorstellen, wie erniedrigend es für einen Kommandanten ist, wenn er einen um den anderen Tag immer wieder Rechenschaft für ein Mitglied seiner Crew ablegen darf. Und das nur, weil dieses sich einfach aus dem Staub gemacht hat, ohne ihm den geringsten Funken an Vertrauen oder Loyalität entgegen zu bringen. Es ist schon schlimm genug, dass sie Saber suspendiert haben, aber dank Deiner kopflosen Aktion steht er jetzt gleich doppelt dumm da. Wirklich richtig gut gemacht, Colt!“ „Suspendiert“, keuchend schnappte der Cowboy nach Luft und beobachtete fassungslos, wie Saber mit trüber Miene nickte, „die haben Dich suspendiert? Warum zum Teufel denn das?“ „Tja“, übernahm der Säbelschwinger wieder das Reden, denn April musste nach ihrer kleinen Gardinepredigt erst einmal wieder zu Atem kommen, „ich schätze mal, sie wollen nicht, dass ich noch mehr Unheil anrichte, bevor der Untersuchungsausschuss sich der Sache angenommen hat.“ Er versuchte augenscheinlich, seine innere Ruhe zurück zu gewinnen, obwohl die groben Worte der Freundin ihm wieder ganz klar vor Augen geführt hatten, wie ungerecht und hoffnungslos die momentane Lage war. Colt hatte es schlicht den Boden unter den Füßen weggerissen. Wie konnte irgendjemand ernsthaft daran glauben, dass Saber, der beste Kommandant, den sich ein Team nur wünschen konnte, Fireballs Tod zu verantworten hatte. Wie oft hatten sie schon in brenzligen Situationen gesteckt, und immer hatte der Schotte sie durch seinen kühlen Kopf und sein überlegtes Handeln aus der Patsche gehauen: „Die haben echt einen Untersuchungsausschuss eingerichtet“, fassungslos schüttelte er den Kopf, „Menschenskind ist das armselig! Nur weil sie Schiss haben, gegenüber der Öffentlichkeit zuzugeben, dass sie mit dieser Mission Scheiße gebaut haben, wollen sie Dich jetzt als Sündenbock hinstellen. Das ist doch echt zum Kotzen, isses!“ Ein wenig verlegen lächelte Saber dem Freund zu, weil er mit soviel plötzlicher Unterstützung von dessen Seite nicht gerechnet hätte: „Es ist nun mal wie es ist, Colt. Und wenn ich tatsächlich einen Fehler gemacht habe, werde ich für den auch einstehen.“ „Ach Blödsinn, Fehler“, explodierte der Cowboy nun endgültig, „hör endlich auf, Dir die Schuld an diesem ganzen Mist zu geben. Du hast genau die richtigen Entscheidungen getroffen, und das werde ich diesen Fuzzis vom KavCom auch sagen, jawohl. Ist doch wirklich nicht zu fassen. Da darfst Du jahrelang Deinen Hals riskieren, um den wehrten Herren den Allerwertesten zu sichern, und wenn es mal hart auf hart kommt, werfen die Dich der hungrigen Meute zum Fraß vor, um ihre eigene Haut zu retten. Sollten die wirklich versuchen, Dir Fires Tod in die Schuhe zu schieben, werden die mich mal von der unangenehmen Seite kennen lernen!“ seine flachen Hände landeten krachend auf dem Tisch und brachten sein leeres Glas zum Klirren. Dieses hohe Maß an Sympathiebekundung und Rückhalt war eindeutig mehr, als Saber je zuvor von seinem Freund bekommen hatte und brachte seine Ohren wie zwei überreife Kirschen zum Leuchten. Unschlüssig, wie er auf dieses Verhalten reagieren sollte, stand er abrupt auf und zwängte sich zwischen Sitzbank und Tischplatte hindurch hinaus auf den Gang: „Ich werde kurz dem Commander bescheid geben, dass Du wieder da bist. Dann kann er wenigstens seine lechzenden Bluthunde zurückrufen.“ Noch im Weggehen zog er seinen Communicator hervor und verschwand durch eine Seitentür des Restaurants hinaus auf die Veranda, wo sich bei diesem Wetter wohl keine Gäste aufhielten. Durcheinander starrte Colt ihm hinterher: „Habe ich irgendwie was Falsches gesagt?“ selbst ihm war nicht entgangen, dass der Schotte wohl aufgrund seines reißerischen Verteidigungsplädoyers so eilig das Feld verlassen hatte. Aber bevor April, die noch immer einen zutiefst betrübten Eindruck machte, ihm ihre Meinung zum Verhalten des Säbelschwingers kundtun konnte, kam Benny der Wirt mit ihren Cocktails an den Tisch: „So, eine Maracolada für den hübschesten Star Sheriff des gesamten Grenzlandes“, zwinkerte er der Blondine aufmunternd zu, „und eine Caipi für den Cowboy!“ sein neugieriger Gesichtsausdruck sprach Bände und Colt wusste, dass er zumindest Fetzen ihres Gespräches aufgeschnappt haben musste. Aber ein Grund, warum sie sich so oft und gerne im Mexican aufhielten, war die absolute Verschwiegenheit des Wirtes und die Tatsache, dass er niemals Fragen stellte. Als Benny das leere Glas von Colts erstem Cocktail abgeräumt und wieder in Richtung Theke verschwunden war, hob April müde ihren Drink und prostete dem Scharfschützen mit bitterer Miene zu: „Prost, Colt. Auf den Fluch der Star Sheriffs!“ „Wie bitte?“ bei ihren Worten blieb dem Cowboy bereits der erste Schluck hochprozentigen Pitus im Hals stecken und er musste sich hustend auf die Brust klopfen, „was denn für ein Fluch?“ April zuckte mit den Schultern: „Na ist doch wahr“, ungehalten stocherte sie mit ihrem Strohhalm in dem Cocktail herum und spießte ein Stück eingelegten Pfirsich auf, „wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja sagen, dass unser guter Kumpel Jesse zurück ist und dieses ganze Drama inszeniert hat, um es uns ordentlich heimzuzahlen.“ Colt betrachtete sie ein wenig besorgt: „Das meinst Du jetzt aber nur so, oder?“ sie konnte nicht wirklich glauben, dass irgendeine überirdische Macht sich gegen die Star Sheriffs verschworen hatte. „Ich weiß nicht“, antwortete sie traurig, „sieh Dir an, was in den letzten drei Wochen aus uns geworden ist. Ich meine, es gab keine Outrider mehr und alles war in Butter. Und jetzt hat sich das ganze Universum gegen uns gestellt. Fire ist…“, sie holte kurz Luft und nahm einen Schluck ihres Drinks, „Saber wird vom Dienst suspendiert und vor einen Untersuchungsausschuss geschleift und Du und Robin…“ Eilig langte Colt über den Tisch und griff eine ihrer Hände: „Auch wenn ich Deine Theorie gerne unterstützen würde, Süße, aber die Sache mit mir und Robin war glaube ich vorprogrammiert“, er drückte ihre zarten Finger, die vom Cocktailglas ganz kalt geworden waren, „wäre Christa nicht mit uns geflogen, hätte es irgendwann eine andere Frau gegeben, die mir die Augen über meine Ehe geöffnet hätte.“ In diesem Punkt hatte er ganz unvermittelt Klarheit gewonnen. Was hatte es für einen Sinn, krampfhaft einen Sündenbock für die unglückliche Situation zwischen ihm und seiner Frau zu suchen? Er musste ja eigentlich dankbar dafür sein, dass Christa ihm so früh gezeigt hatte, auf welchen Grundmauern seine Beziehung zu Robin gebaut worden war. Nicht auszudenken, wie sich ihre Zukunft entwickelt hätte, wenn erst eigene Kinder im Spiel gewesen wären. Schon so war die Trennung vom kleinen Josh beinahe schlimmer als die von der hübschen Lehrerin! Das einzige, was er sich noch nicht so richtig eingestehen wollte, war das klaffende Loch, das der rothaarige Lieutenant in seinem Herzen hinterlassen hatte. Unbehaglich wollte April ihre Hand unter der des Cowboys hervorziehen, weil ihr das Thema Robin nach wie vor nicht behagte und sie ihren Unmut diesbezüglich noch immer nicht ganz unterdrücken konnte: „Du redest, als hättest Du mit dem Thema bereits abgeschlossen“, sie spürte, dass Colt seinen Griff nicht lockern wollte, „siehst Du denn überhaupt keine Chance, dass das mit Robin wieder in Ordnung kommt?“ „Klar doch. Wenn ich reumütig zu ihr fliege und im Staub kriechend verspreche, dass ich mein Star Sheriff Dasein aufgebe“, seine Augen waren von tiefer Traurigkeit erfüllt, „aber das wäre nicht fair. Weder ihr gegenüber, noch mir. Ich kann mich doch nicht zwingen, sie so zu lieben, wie sie es verdient hat.“ „Oder so, wie Du Christa liebst?“ fragte April vorsichtig und wich unbeabsichtigt ein wenig zurück, als sie das grimmige Lächeln auf Colts Lippen sah: „Ich wäre Dir echt dankbar, wenn wir nicht mehr über sie reden würden, okay!“ Eingeschüchtert nickte die Blondine. In diesem Moment erkannte sie, dass Saber mit seiner Einschätzung tatsächlich Recht gehabt hatte. Die Ehe von Colt und Robin stand kurz vor dem Aus und würde niemanden mehr finden, der sich rettend für sie in die Bresche warf. Wenn der Cowboy offen über die Trennung von seiner Frau sprechen konnte, es aber nicht ertrug, Christas Namen zu hören, war doch ziemlich klar, wie es in seinem Herz aussehen musste. Erleichtert erblickte sie den Säbelschwinger, der soeben zurück ins Restaurant gekehrt war und sich seinen Weg an ihren Tisch bahnte: „Was sagt Daddy?“ Der Schotte nahm wieder neben ihr Platz: „Ich glaube, er ist ziemlich erleichtert, dass er eine Sorge weniger hat“, seine Augen wanderten zu Colts Hand, die noch immer auf der von April ruhte, „aber er hat mich gebeten, im Headquarter vorbeizuschauen, weil er noch irgendetwas wegen der Anhörung mit mir besprechen will.“ Sein prüfender, misstrauischer Blick war dem Cowboy nicht entgangen, der zusah, dass er seinen Arm zurückzog. Was ging nur zwischen April und dem Schotten vor, dass dieser so eifersüchtig reagierte, nur weil er die Hand der Freundin gehalten hatte. „Ist schon gut“, murmelte die Blondine gerade und berührte den Säbelschwinger jetzt ihrerseits kurz an der Hand, „ich kann auch zurück laufen, ist ja nicht so weit. Ein wenig frische Luft wird mir gut tun!“ Saber war von dieser Antwort wohl nicht ganz überzeugt: „Bist Du sicher“, Colt kam es beinahe so vor, als wäre er sogar enttäuscht, dass sie ihn so ohne weiteres wegschickte, „ich kann Dich auch erst zu Hause absetzen?“ Zu Hause? Der Cowboy horchte mit gespitzten Ohren auf. „Nein wirklich, Du kannst ruhig gehen, ich komme schon klar!“ Noch immer wenig zuversichtlich griff der Schotte nach ihrem Cocktail: „Darf ich?“ Angeekelt fragte sich Colt, ob er den beiden vielleicht einen zweiten Strohhalm bestellen sollte, damit sie wie Susi und Strolch gemeinsam von dem Cocktail schlürfen konnten. Saber hatte keine Antwort der Blondine abgewartet und einen tiefen Zug genommen, bevor er sich eilig erhob: „Ich hoffe, es dauert nicht zu lange“, er unterdrückte den Impuls, April einen Kuss auf die Stirn zu geben und klopfte Colt zum Abschied auf die Schulter, „und wenn Du Dich das nächste Mal verdünnisieren willst, gib mir vorher Bescheid, okay!“ „Geht klar, Boss!“ blöd grinsend reckte der Cowboy den Daumen in die Höhe. Saber hatte nicht einmal daran gedacht, ihn zu fragen, ob er April zu seiner Wohnung fliegen konnte. Vertraute der Säbelschwinger ihm so wenig? Er wartete, bis der Schotte das Restaurant verlassen hatte und starrte April dann durchgehend mit einer tiefen Sorgenfalte auf der Stirn an: „Also Du und Saber, ja?“ „Was“, die Augen der Blondine weiteten sich vor Schreck, „was ich und Saber?“ Blut schoss in ihre Wangen und ihr Puls legte einiges an Geschwindigkeit zu. „Da läuft doch was zwischen Euch, oder? Ich meine, nicht dass es mich etwas angehen würde, aber…“ April unterbrach ihn mit einem gekünstelten Kichern: „Weil er was von meiner Maracolada getrunken hat? Er wollte doch nur sicher gehen, dass ich auch tatsächlich keinen Alkohol in mich reinschütte.“ Schnell senkte sie den Blick, weil sie den unterschwelligen Vorwurf in Colts Augen nicht ertragen konnte. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass sie ihrem besten Freund etwas vormachen konnte! Immerhin wusste er bereits von ihrer ersten gemeinsamen Nacht mit dem Schotten. Colt sagte kein Wort mehr und starrte sie einfach enttäuscht und unverwandt an. Das war endgültig zu viel für die Blondine. Mit beschämtem Nicken leckte sie sich die trockenen Lippen und nahm noch einen kleinen Schluck ihres Drinks: „Es ist nicht so, wie Du vielleicht denkst.“ „Wie gesagt, Süße, es geht mich nichts an“, parierte der Cowboy ihre Ausflüchte mit ernüchtertem Lächeln, „und ich bin wahrscheinlich der letzte Mensch, dem es zusteht, Dir irgendwelche Ratschläge zu erteilen. Aber denk vielleicht noch einmal drüber nach, bevor Du Dich so schnell in eine neue Beziehung stürzt. Siehst ja bei mir, was aus so was werden kann.“ Bei dem Wort Beziehung quiekte April auf wie ein Hund, dem man versehentlich auf den Schwanz getreten hatte: „So was ist es doch gar nicht“, wie sollte sie dem Cowboy nur erklären, was da im Moment zwischen ihr und dem Schotten vor sich ging, „ich habe es alleine einfach nicht mehr ausgehalten und Saber hat mir angeboten, vorübergehend bei ihm zu wohnen. Das ist alles. In ein paar Tagen, wenn ich ein bisschen klarer im Kopf bin, ziehe ich wieder aus und gut.“ Klang das plausibel? Für Colt wohl nicht, denn sein Lächeln wurde nur noch mitleidiger: „Und Saber weiß das auch?“ Diese Frage irritierte April: „Natürlich weiß er das. Glaubst Du, ich will ihn gleich heiraten, nur weil ich mal ein paar Tage bei ihm campiere? Wäre ja ’ne grandiose Schlagzeile!“ wenn der Cowboy ihr ein schlechtes Gewissen machen wollte, weil sie mit Saber schlief, sollte er es doch einfach sagen. Mit diesem Vorwurf konnte sie inzwischen ganz gut umgehen, denn auch ihrem Vater hatte sie schon ziemlich nüchtern klargemacht, warum sie ihren Wohnsitz neuerdings bei dem Schotten hatte. Er war darüber noch weniger begeistert gewesen als Colt und hatte etwas von der Presse und schlechter Publicity gefaselt, aber diese Argumente waren an dem weiblichen Star Sheriff abgeperlt wie Regentropfen an einer Lotusblüte. Das Verhältnis zwischen ihr und dem Highlander ging niemanden etwas an. Sie beide hatten eine Art Pakt geschlossen, bei dem sie sich von niemandem würden reinreden lassen. Der Cowboy räusperte sich merklich: „Und dass Saber Dich ständig angrapschen muss und mir am liebsten die Augen auskratzen würde, nur weil ich mich erdreistet habe, Deine Hand zu berühren, hat dabei nichts weiter zu sagen, ja?“ konnte es sein, dass April diese kleinen versteckten Zeichen tatsächlich noch nicht bemerkt hatte? „Das ist doch Unsinn“, antwortete sie im Brustton der Überzeugung und stand langsam auf, „Du weißt doch genauso gut wie ich, dass er Cynthia liebt, oder nicht!“ „Schon, aber so wie ich es verstanden habe, ist die Sache wohl den Bach runter.“ „Quatsch“, blaffte sie angestochen, „nur weil er im Moment zu feige ist, ihr gegenüber zu treten, heißt das noch lange nicht, dass das Thema durch ist. Irgendwann wird er schon merken, wie sehr er sie vermisst!“ Colt erkannte, dass er gerade dabei war, die Freundin mit seiner direkten Art zu verscheuchen und wollte nicht schon wieder einen Streit mit ihr riskieren: „War ja auch nur so ein Gedanke, Süße. Vielleicht fragst Du ihn bei Gelegenheit einfach mal…“ „Weißt Du was, genau das werde ich tun!“ die Blondine wühlte hastig ein paar Münzen aus ihrer Tasche hervor und warf sie auf den Tisch. Das Gespräch mit dem Cowboy hatte sie ziemlich aufgeregt und sie wollte einfach nur noch weg von ihm. „Ach komm schon, Kleines“, bittend griff Colt nach ihrem Handgelenk, „ich habs nicht so gemeint. Bitte setz Dich doch wieder. Wir hatten noch überhaupt keine Zeit, richtig miteinander zu reden!“ Zögernd hängte sich April ihre Tasche um: „Sorry, Cowboy, ich bin ziemlich kaputt. Ich komme in den nächsten Tagen mal bei Dir auf einen Kaffee vorbei, ja!“ schnell schlängelte sie sich hinaus in den Gang. „April“, Colt unternahm einen letzten verzweifelten Versuch, um das Gespräch wenigstens zu einem versöhnlichen Ende zu führen, „Junge oder Mädchen?“ er wusste, dass es ein riskantes Unternehmen war, diese Frage zu stellen, aber es interessierte ihn nun einmal brennend. Der weibliche Star Sheriff blieb unvermittelt stehen. Wie schaffte der Cowboy es nur immer, sie mit einem einzigen Satz, ja manchmal sogar mit nur einem einzigen Wort, auf die Palme zu bringen, aber auch genauso im Handumdrehen wieder zu versöhnen? Was immer er auch tat, seine Reue war so ehrlich und herzerwärmend, dass April nicht anders konnte, als ihm zu vergeben. In einer einzigen schnellen Bewegung warf die junge Frau ihre blonden Haare herum und zwinkerte ihm kess zu: „Ich nehme noch Wünsche entgegen!“ dann flitzte sie zur Garderobe, nahm ihre Jeansjacke und verließ grinsend das Restaurant. Draußen schlug ihr kalter Wind entgegen, der ihren fröhlichen Gesichtsausdruck schnell wieder in eine undurchdringliche Fassade verwandelte. Eigentlich war sie doch ziemlich blöd gewesen, dass sie Colt nicht gebeten hatte, sie kurz bei Saber abzusetzen. Jetzt musste sie die knapp zwei Kilometer tatsächlich zu Fuß zurücklegen. Umdrehen und betteln, nachdem sie dem Cowboy bis eben die kalte Schulter gezeigt hatte, wäre unter ihrer Würde gewesen und kam absolut nicht in Frage. Außerdem konnte er ruhig noch ein wenig im eigenen Saft schmoren und sich fragen, ob sie ihm nun voll und ganz verziehen hatte, oder nicht. Manchmal, und im Augenblick war mal wieder so ein Moment, konnte sie sich regelrecht darüber aufregen, dass Colt sie mit einem lässigen Fingerschnippen so nachhaltig manipulieren konnte. Wie kam er dazu, sich in ihre, nun ja, Angelegenheiten mit Saber einzumischen? Sie selber hatte erlebt, wie sehr Saber wegen des Bruchs mit Cynthia litt und niemand konnte besser als sie nachvollziehen, dass man auch auf rein körperlicher Ebene kurzfristig eine Beziehung eingehen konnte, um sich über den seelischen Schmerz hinwegzutrösten. Colt mochte das vielleicht nicht begreifen, wo er sich doch in jedes hübsche weibliche Wesen verliebte, das seinen Weg kreuzte. Christa war da das beste Beispiel. Zumindest konnte sie sich an keine Überreaktion des Schotten erinnern, als der Cowboy sie berührt oder angelächelt hatte, und selbst das von Colt verteufelte „Angrapschen“ war doch nichts anderes als kameradschaftliches Tätscheln gewesen. Aber sie würde es dem Scharfschützen schon beweisen. Sobald Saber nach Hause kam, würde sie ihn auf das Thema ansprechen und dann konnte man ja sehen, wer der größere Menschenkenner war! „Ari, Sie sollten wirklich Ihr eigenes Modelabel entwerfen, diese Klamotten sind der letzte Schrei.“ Grinsend beobachtete Fireball sich und sein neues Outfit in dem großen unregelmäßigen Spiegel des Outriders. Nach weiteren drei Tagen hatte Arietis seinem quengelnden Drängen endlich nachgegeben und ihm erlaubt, sich für ein paar Stunden von seinem Krankenlager zu erheben. Auch wenn sich die kaputte Schulter nach wie vor beharrlich weigerte, den kleinsten Fortschritt zu machen. Und da es mit der Verletzung unmöglich gewesen wäre, den jungen Mann in seinen Kampfanzug zu zwängen, hatte der Outrider ihm kurzerhand eine von seinen eigenen beigefarbenen Leinenhosen, eine dazu passende kurze Robe und einen grob geflochtenen braunen Gürtel herausgelegt, die der Star Sheriff mit ein wenig Unterstützung soeben angezogen hatte. Den Arm hatte Arietis ihm so eng in einer festen Schlinge an den Körper gebunden, dass er die Wunde nicht versehentlich aus lauter Unachtsamkeit noch verschlimmern konnte. Soweit der Outrider es zu beurteilen vermochte, waren die Nervenstränge dank des Einsatzes des Perinues-Lasers wieder völlig verheilt, doch nach wie vor hatte Fireball weder ein Gefühl in der linken Seite, noch konnte er Arm oder Hand bewegen. Arietis hatte alles in seiner Macht stehende getan, nun war es an Fireball, sein Gehirn davon zu überzeugen, die neu verbundenen Datenautobahnen seines Körpers wieder zu nutzen. Natürlich war es auch möglich, dass die Nerven einen nachhaltigen Schaden genommen hatten, der dem alten Mann aufgrund seiner begrenzten Mittel verborgen geblieben war. In diesem Fall würde nur ein Experte mit dem entsprechenden Equipment dafür sorgen können, dass die Fraktur wieder heilte, ohne einen langfristigen Schaden zu verursachen. Nur mitten in der Wüste von Ischtar waren solche Personen mindestens genauso rar gesät wie Eisberge. „Möge die Macht mit Dir sein“, riss Fireballs mystische Tonlage Arietis aus seinen Gedanken. Er hatte sich ein Messer vom Esstisch gegriffen und fuchtelte wild damit in der Luft herum, gerade so, als wäre es ein Säbel. Er fixierte sein Spiegelbild, setzte einen zutiefst grimmigen Blick auf, so als wollte er versuchen, sich selbst einzuschüchtern und schnarrte mit bedrohlich röchelnder Stimme: „Luke, ich bin Dein Vater.“ Der alte Mann verstand kein Wort, konnte sich bei diesem Schauspiel ein kleines Lächeln jedoch nicht verkneifen: „Ihr Menschen seid wirklich ein sehr merkwürdiges Volk“, er war wirklich froh zu sehen, dass der Rennfahrer endlich einen Teil seines Humors wiederentdeckt hatte, „aber Sie können auch gern weiterhin in Ihrer Unterwäsche herumlaufen, wenn Ihnen das lieber ist!“ „Na, auf keinen Fall“, wiedersprach Fireball sofort, „wenn Christa wüsste, dass ich hier wie der letzte Jedi herumlaufe, würde sie augenblicklich Obi Wan Kenobi Gedächtnisreisen hierher organisieren.“ Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde noch breiter, als er den zutiefst verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht des Outriders erkannte. Diese Phantomnasen hatten einfach keinen Sinn für Kultur. Flink ließ er sein provisorisches Lichtschwert im Gürtel verschwinden und musterte weiterhin sein unorthodoxes Spiegelbild im schummrigen Dämmerlicht, das in allen Höhlen von Arietis Behausung vorherrschte. Man konnte deutlich sehen, dass er sich seit zwei Wochen nicht mehr rasiert hatte, denn die anfänglich kratzenden Stoppeln hatten sich in einen kurzen buschigen Bart verwandelt, der seine Wangen und seine Kinnpartie bedeckte. Die knapp neun Tage Bewusstlosigkeit hatten seinem Körper einiges an Fettreserven abverlangt und die untrainierten Muskeln in Armen und Beinen hatten sich stetig zurückgebildet. Wenn man es sachlich betrachtete, bot Fireball wirklich ein äußerst erbarmungswürdiges Bild des Jammers. Die kleine Alberei hatte ihr zeitweise von den düsteren Gedanken abgelenkt, die die letzten Tage mehr und mehr von ihm Besitz ergriffen hatten. Doch jetzt, da der Spaß verflogen war, musste er einsehen, dass vor ihm nicht ein verwegener Jediritter, sondern ein leidlich lädierter Star Sheriff stand. Vorsichtig berührte er seine ramponierte Schulter und stupste sacht die Hand an, die schlaff aus der Armschlinge baumelte. Es war ihm lieber gewesen, als ihn noch beim kleinsten Kontakt üble Schmerzen durchzuckt hatten, denn wenigstens war ihm sein Arm da noch lebendig erschienen. Jetzt er überhaupt nichts mehr und fragte sich trübsinnig, ob er ihn je wieder würde gebrauchen können. „Ist Christa eine Freundin von Ihnen?“ fragte Arietis bekümmert. Er hatte die Augen nicht von seinem Patienten genommen und verfolgte besorgt das Wechselbad der Gefühle, das der Rennfahrer durchlebte. Vielleicht würde ihm ein wenig banaler Smalltalk gut tun und die düsteren Hirngespinste für eine Weile vertreiben. In Fireballs Kopf tauchte ein Bild des rothaarigen Lieutenant auf, wie sie kess an Aprils Satteleinheit lehnte und ihm zuwinkte: „Nein, nicht das, was sie denken. Sie ist… sie war auf dieser Mission unser Navigator“, und obwohl der Outrider es geschafft hatte, eine Vision von Christa in ihm zu beschwören, konnte der Star Sheriff seinen Blick nicht vom Spiegelbild seines bandagierten Armes fortreißen, „sie ist aber nicht wirklich ein Teil der Ramrod-Crew.“ Der alte Mann wusste, dass er jetzt auf keinen Fall locker lassen durfte: „Und was habe ich genau gedacht?“ wenn er es nur irgendwie schaffte, den Heißsporn vor dem Spiegel hervorzulocken. „Na, ja, Sie wissen schon“, instinktiv hatte Fireball mit den Schultern zucken wollen und verzog gequält das Gesicht, als er zusehen musste, wie sich nur die rechte Seite seines Körper in einem lächerlichen Versuch hob, den Befehl seines Gehirns auszuführen, „Frauengeschichten eben.“ Arietis nickte verständnisvoll und neigte den Kopf in erwartungsvoller Neugier zur Seite: „Ich dachte allerdings eher, dass April die Dame Ihres Herzens wäre!“ Wie vom Donner gerührt fuhr Fireball herum und konnte es nicht verhindern, dass er zum zweiten Mal in Arietis Gegenwart versuchte, seinen Blaster zu ziehen, um diesen auf den Outrider zu richten. Er hatte April bislang mit keinem Wort erwähnt, wie konnte der Alte also ihren Namen kennen? „Immer noch soviel Misstrauen“, versöhnlich zog der alte Mann einladend einen Stuhl vom Tisch ab und nahm selber gegenüber davon Platz, „Sie haben im Schlaf des öfteren ihren Namen gerufen. Da habe ich gedacht, dass diese Person eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen muss.“ Erklärte er mit milder Stimme und wartete, dass sein Patient der Einladung folgte. Der Körper des Star Sheriffs entspannte sich augenblicklich und Fireball senkte betreten das Gesicht: „Tut mir leid, Ari“, verschämt schlurfte er die paar Schritte zum Esstisch hinüber und setzte sich vorsichtig auf den grob gezimmerten Stuhl, „ich schätze, so alte Gewohnheiten sind einfach sehr schwer loszuwerden.“ Der Outrider hatte einen kleinen Tonkrug und zwei Becher auf den Tisch gestellt und der Rennfahrer sah darin eine gute Chance zu einem kleinen Versöhnungsangebot. Er goss sich und dem alten Mann etwas von dem kühlen klaren Wasser ein und reichte ihm wortlos einen der Becher. „Vielen Dank!“ Arietis nahm einen großen Schluck, um seine trockene Kehle zu befeuchten. Zwar waren bereits die frühen Abendstunden angebrochen, doch die Hitze der Wüste hielt sich noch immer hartnäckig in der Höhlenluft: „Und grämen Sie sich nicht zu sehr, ich habe Jahre gebraucht, um mein Misstrauen gegenüber den Menschen endgültig abzulegen.“ Auch Fireball merkte, dass die ungewohnten Bewegungen bei diesen Temperaturen ihm allmählich zu schaffen machten und er wischte sich einen kleinen Schweißfilm von der Stirn, bevor er seinen Becher an die Lippen setzte. „Aber genug von diesen Dingen“, frohlockte der Outrider und zwinkerte seinem jungen Freund belustigt zu, „Sie wollten mir gerade etwas von April erzählen.“ „Ach ja“, zog der Star Sheriff überrascht die Stirn kraus, „wollte ich das tatsächlich?“ eigentlich stand ihm der Sinn so gar nicht danach, in seiner sowieso schon sehr wankelmütigen Stimmungslage ausgerechnet über seine Verlobte zu reden. Er mochte nicht einmal daran denken, wie schrecklich sie sich wohl im Augenblick fühlen musste. Sie waren mehr oder minder im Streit auseinander gegangen und inzwischen waren Saber und die anderen mit Sicherheit nach Yuma zurückgekehrt und hatten ihr die Nachricht von seinem Tod überbracht. Nicht auszudenken, was für Vorwürfe sie sich vielleicht gerade in diesem Moment machte. Hoffentlich waren Colt und der Säbelschwinger intelligent genug, sich ein wenig um sie zu kümmern, damit sie mit ihrem Schmerz nicht völlig alleine dastand. Arietis sah ein, dass er einen Fehler begangen hatte: „Ich dachte nur, es würde Ihnen vielleicht gut tun“, lenkte er schnell ein, „aber wir können auch gerne über etwas anderes reden. Es gibt noch so vieles, was ich nicht von Ihnen weiß. Wie sind sie zum Beispiel ein Star Sheriff geworden?“ „Man Ari“, brach Fireball unvermittelt in schallendes Gelächter aus, „wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja sagen, Sie kennen die Geschichte schon und fragen absichtlich, um mich aus der Reserve zu locken!“ aber wie sollte der Outrider wissen, dass es ausgerechnet April gewesen war, die ihn damals zu den Star Sheriffs geholt hatte! „Ich muss gestehen, dass Ihr Verhalten mir immer wieder neue Rätsel aufgibt.“ Lag da tatsächlich ein Hauch von Unmut in der Aussage des alten Mannes? Der Rennfahrer schluckte die nächste Lachattacke mühevoll hinunter und hob entschuldigend seinen Wasserbecher: „Nichts für ungut, Ari, ich lache nicht über Sie! Es ist nur…“ und somit begann er, seinem vertrauten Feind die ganze Geschichte zu erzählen. Wie alles beim großen Grand Prix von Yuma begonnen hatte, wie Saber, Colt, April und er zur Crew von Ramrod geworden waren und wie sie gemeinsam den Kampf gegen die Outrider aufgenommen hatten. Gelegentlich musste er sich bei seinen blumigen Ausschmückungen darauf besinnen, dass Arietis selbst ein Phantomwesen war. Denn bei der Erinnerung an so manches Abenteuer, das die Star Sheriffs erlebt hatten, wäre ihm sonst eine Wüste Beschimpfung herausgerutscht, die man durchaus als Beleidigung für die gesamte Rasse der Outrider hätte auffassen können. Er schilderte seinem Retter die vielen spannenden Episoden, die sie auf den Planeten des neuen Grenzlandes erlebt hatten, wie sie mit wilden Horden von Büffeln und Mechapferden umgesprungen waren, wie sie immer wieder neue Freunde und Verbündete getroffen hatten und wie der Cowboy sich ein ums andere Mal neu verliebt hatte, um dann bei der hübschen Lehrerin Robin endgültig den Kopf zu verlieren. Auch ihre erste Begegnung mit Jesse Blue beim Kavallerie-Oberkommando kam zur Sprache, und dass dieser sich unsterblich in April, die Tochter von Commander Eagle verguckt hatte, was ihm, Fireball, von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen war. Er redete sich die Trauer und die Schuld von der Seele, die er noch immer empfand, wenn er an den Tod von Mandarin denken musste und versuchte Arietis zu erklären, weshalb er nicht über April hatte reden wollen. „Verstehen Sie jetzt, warum ich unbedingt so schnell wie möglich zurück muss?“ fragte der Rennfahrer mit bedrückter Miene, nachdem er seine Geschichte endlich zu einem Ende gebracht hatte. Natürlich war er nicht auf die Umstände eingegangen, die ihn letztlich hierher in die Höhle des Outriders gebracht hatten. Denn diese unterlagen nach wie vor der höchsten Geheimhaltungsstufe und Arietis war nun einmal der Feind. Aber er glaubte, dass der alte Mann auch so verstanden hatte, weswegen der Star Sheriff von so einer unbändigen Unruhe beseelt war. Zumindest nickte Arietis mitfühlend: „Aber in ihrem jetzigen Zustand wären Sie nie in der Lage, ein Schiff zu steuern“, warf er um Vernunft heischend ein, „selbst wenn Ihr Körper den Dimensionssprung überstehen würde!“ Verzweifelt barg Fireball das Gesicht hinter seiner gesunden Hand: „Diese Diskussion ist müßig, Ari, ich habe ja nicht mal ein Schiff“, nach diesen niedergeschlagenen Worten erhob er sich langsam und zog das Messer aus seinem Gürtel, das er die ganze Zeit dort getragen hatte, „ich bin müde. Ich denke, ich werde mich wieder hinlegen.“ Tatsächlich merkte der junge Star Sheriff, dass das nicht nur ein Vorwand gewesen war, um der erdrückenden Wahrheit zu entfliehen. Seine Kopfschmerzen hatten wieder eingesetzt und seine Beine fühlten sich an, als beständen sie aus Wackelpudding oder irgendeiner anderen instabilen Masse, die jeden Schritt zu einer neuen Herausforderung machte. Wie ein junges Kalb, das zum ersten Mal auf allen Vieren herumstolperte, wankte er erschöpft dem Höhlenausgang entgegen und wäre sicherlich der Länge nach im Staub gelandet, wenn Arietis nicht in letzter Sekunde seinen Arm gegriffen und sich um die Schulter gelegt hätte. Nicht zum ersten Mal stellte Fireball fest, wie stark dieser alte Mann noch war, als er ihm stützend um die Hüfte fasste: „So fliegen Sie jedenfalls nirgends hin!“ stellte der Outrider herrisch fest und bugsierte seinen angeschlagenen Patienten hinaus in den noch dunkleren Gang, der zurück zu seinem Krankenlager führte. „Wie gesagt“, bestätigte der Rennfahrer mit matter Stimme, „ohne Schiff wird das schwierig.“ Dankbar stützte er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Outrider und ließ sich den Gang entlang führen. „Gesetzt den Fall, und das ist jetzt wirklich rein hypothetisch“, setzte Arietis besonnen mit einem unterdrückten Ächzen an, weil ihm die Schwere des verwundeten Mannes doch sehr zu schaffen machte, „Sie hätten ein Schiff. Würden Sie mir dann versprechen, dass Sie trotzdem noch so lange bleiben, bis Sie auch wirklich in der Lage sind, in ihre eigene Dimension zurück zu kehren?“ er fühlte den Ruck, der durch den Körper des Star Sheriffs ging, als er schwer atmend stehen blieb. „Ari“, funkelte Fireball den Outrider zögerlich von der Seite an, „wenn Sie mir jetzt beiläufig unterschieben wollen, dass Sie mich die ganze Zeit über belogen haben, dann…“ Drängend zog der alte Mann seinen Patienten weiter: „Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen“, auch sein Atem ging nun stoßweise und er musste alle seine Kraft zusammen nehmen, um nicht ins Trudeln zu geraten, „wenn Sie von Anfang an von dem Schiff gewusst hätten, wären Sie, übermütig, wie Sie nun einmal sind, bei der erstbesten Gelegenheit damit verschwunden. Und das hätte bei Ihrer Verfassung unausweichlich Ihren Tod bedeutet!“ „Ich kann das einfach nicht glauben“, die Härchen auf Fireballs Unterarm stellten sich unter dem schaurigen Prickeln seiner Haut auf, „Sie haben tatsächlich ein Schiff?“ er würde von hier weg kommen! Es gab eine Möglichkeit, diesen schrecklichen Ort zu verlassen und in seine eigene Dimension zurück zu kehren. Zurück zu April! Und obwohl er eigentlich wütend auf Arietis hätte sein müssen, weil dieser ihn an der Nase herumgeführt hatte, lief sein Herz über vor Glück und schlug kleine Purzelbäume. Zu Hause! Ein paar Tage und er wäre endlich wieder zu Hause: „Wo ist dieses Schiff?“ Behutsam half der Outrider dem jungen Mann dabei, sich auf das gemachte Bett zu setzen und ignorierte dabei gewissenhaft die hoffnungsvoll dreinblickenden Augen, die wie gebannt an seinem Gesicht hingen: „Das werde ich Ihnen nicht eher verraten, als ich der Meinung bin, dass Sie für den Flug auch wirklich kräftig genug sind!“ „Aber…“ wollte Fireball protestieren, verstummte aber sofort, als er die Wut in Arietis Zügen aufblitzen sah: „Kein aber! Ich habe Sie nicht gerettet, damit Sie Ihr Leben dann unüberlegt und leichtfertig wieder aufs Spiel setzen“, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen überließ er den Star Sheriff vorerst sich selbst, „wir werden mindestens noch drei Tage warten um zu sehen, ob sich Ihr Arm wieder erholt.“ Die erste Welle der Freude wurde durch diese finsteren Aussichten jäh getrübt: „Drei Tage“, insistierte der Rennfahrer empört, „vielleicht wird mein Arm nie wieder werden. Wollen Sie mich in dem Fall ewig hier behalten?“ „Das werde ich dann entscheiden“, rief der Alte gereizt, als er bereits die Höhle verlassen und aus Fireballs Sicht verschwunden war, „und vorher lasse ich mich auf keine weiteren Diskussionen ein!“ Mürrisch ließ sich der Star Sheriff in seine Kissen zurücksinken. Da fing man gerade an, diesem verdammten Phantomwesen so etwas wie Vertrauen entgegen zu bringen und dann eröffnete er einem rücksichtslos, dass er die ganze Zeit ein intaktes Raumschiff versteckt gehalten hatte. Wahrscheinlich auch noch mitten vor seiner Nase. Aber bei der Vorstellung, dass er diesen Planeten und die Phantomzone bald für immer verlassen konnte, kehrte die freudige Erregung zurück, die Fireball eben verspürt hatte und ließ ihn sogar für einige Zeit seinen nutzlosen Arm vergessen. Nicht mehr lange und er würde April wiedersehen, das war alles, was im Moment zählte! „Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Commander!“ Saber salutierte müde und mit wenig Elan vor seinem Vorgesetzten und wollte so schnell wie möglich dessen Büro verlassen. Es war äußerst anstrengend gewesen, Aprils Vater in einer Art Probeverhör stundenlang und immer wieder so genau wie möglich die einzelnen Situationen ihres Aufenthalts in der Phantomzone zu schildern. Und das, obwohl der Commander die Details mittlerweile selbst in- und auswendig kennen musste. Inzwischen ging es hart auf Mitternacht zu und der Schotte sehnte sich nach seinem Bett, dem warmem Körper, der ihn dort erwartete und nach ein paar Stunden erholsamen Schlafes. Die letzten Stunden hatte er sich mehr als unwohl in seiner Haut gefühlt, denn immer wieder, wenn Eagle ihn schweigend angestarrt hatte, war in Saber unweigerlich die Frage entbrannt, was sein Vorgesetzter wohl von Aprils unerwartetem Wohnungswechsels hielt. Sie hatte ihn vor drei Tagen darüber unterrichtet, dass sie für die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen, bei dem Säbelschwinger bleiben würde, ihm aber keine Gelegenheit gegeben, sich zu dieser Situation zu äußern. Objektiv und realistisch betrachtet wären dem Schotten einige gute Gründe eingefallen, warum Eagle zwangsweise etwas gegen diese Sache haben musste, aber Saber gab sich die größte Mühe, diese aufkeimenden Zweifel weitestgehend zu ignorieren. Der Commander blickte den Kommandanten der Star Sheriffs auch jetzt mit einer Mischung aus väterlicher Zuneigung und gebieterischer Strenge an: „Einen Moment noch, Saber, da ist noch eine Kleinigkeit, die ich mit Dir besprechen möchte!“ seine Stimme klang warm und freundlich, so wie immer. Doch Saber wusste, dass ihn nun die Diskussion erwartete, vor der ihm eigentlich schon seit Tagen graute. Entschieden, sich nicht von seinem Standpunkt abbringen zu lassen, atmete er tief durch und blickte Eagle ohne mit der Wimper zu zucken in die Augen: „Natürlich, Sir!“ Der Commander schien nicht recht zu wissen, wie er seine nächste Frage formulieren sollte. Er legte die gefalteten Hände an seine Lippen und schloss erschöpft die Augen: „Wie geht es April?“ „So gut es unter den gegebenen Umständen eben geht, Sir“, Sabers Lider flatterten leicht. Er merkte, wie sich eine unwohlige Wärme in seinem Körper ausbreitete und seine Handflächen zu schwitzen begannen, „ich werde sie von Ihnen grüßen und ihr ausrichten, dass sie sich morgen bei Ihnen melden möchte.“ Vielleicht schaffte er es ja, der Debatte zu entfliehen, wenn er jetzt schnell genug das Weite suchte und offenkundig zur Schau stellte, dass er kein weiteres Interesse an einer Unterhaltung pflegte. Aber der Commander wollte sich nicht so leicht abwimmeln lassen: „Das war noch nicht alles, Saber. Ich fürchte, Du wirst noch ein paar Minuten Deiner Zeit entbehren müssen.“ „Bitte, Commander“, antwortete der Blondschopf so respektvoll wie möglich, „ich bin ziemlich erledigt und würde ganz gerne…“ „Diese Angelegenheit duldet keinerlei Aufschub, mein Junge.“ Eagle war seufzend aufgestanden und baute sich nun mit verschränkten Armen und festem Blick vor Saber auf. Dieser sah ein, dass es keinen Sinn hatte, dem Gespräch weiter entkommen zu wollen und reckte mit leichtem Trotz das Kinn nach vorne: „Welche Angelegenheit, Sir?“ „Du bist intelligent genug, um zu wissen, wovon ich rede“, schnaubte Eagle und hatte plötzlich einen Großteil seiner Freundlichkeit eingebüßt, „es ist nicht gut, wenn sich April Tag und Nacht in Deiner Wohnung aufhält, das sollte Dir doch wohl klar sein.“ Das Blut des Schotten begann zu kochen: „Entschuldigen Sie, Sir, aber ich denke, dass es das Oberkommando nichts angeht, was ich oder April in unserer Freizeit tun.“ Erwiderte er abschätzig und versuchte, seine gleichgültige Miene beizubehalten. Wenn er jetzt einknickte, würde sein Vorgesetzter ihn zum Frühstück verputzen, und was sollte ihm schließlich noch viel Schlimmeres passieren, als dass Eagle ihn wegen ungebührlichen Betragens aus seinem Büro warf. Ein bedrohliches Funkeln trat in die Augen des Commanders, als er mit kalter Stimme antwortete: „Ich spreche jetzt nicht als Dein Vorgesetzter zu Dir, sondern als Aprils Vater“, angespannt lehnte sich Eagle gegen seinen Schreibtisch und schlug die Beine übereinander, „und ich denke, als solcher habe ich ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie es meiner Tochter geht.“ Zumindest in dem Punkt musste der Säbelschwinger ihm zustimmen: „Da haben Sie Recht, Sir, aber April ist eine erwachsene Frau und weiß selbst am besten, was sie zu tun und zu lassen hat“, er wusste insgeheim, dass es dem Commander um etwas ganz anderes ging, „und als Vater sind Sie sicherlich froh darüber, dass sie bei einem guten Freund Unterschlupf gefunden hat, der sich in dieser schlimmen Zeit ein wenig um sie kümmert.“ Dieser letzte Satz war schon ziemlich anmaßend gewesen und es hätte den Schotten nicht verwundert, wenn Eagle ihm für diese Frechheit einen Kinnhaken verpasste. Doch statt einer körperlichen Attacke folgte das zügelloseste Donnerwetter, das Saber von seinem Vorgesetzten je erlebt hatte. Das Gesicht des Commanders lief feuerrot an und eine pochende Ader trat deutlich an seinem Hals hervor, während er seinen Untergebenen mit markerschütternder Wut anbrüllte: „Was glaubst Du wohl, was für ein gefundenes Fressen es für die Yellowpress ist, wenn sie herausfinden, dass die schwangere Verlobte des kürzlich verstorbenen Star Sheriffs und Rennfahrers Shinji Hikari, die zufällig auch noch die Tochter eines der ranghöchsten Offiziere des Kavallerieoberkommandos ist, direkt nach dessen Tod in die Wohnung des Star Sheriff Kommandanten, nämlich in Deine, eingezogen ist. Das würde nicht nur Aprils Ruf in den Dreck ziehen, sondern das Ansehen der gesamten Star Sheriffs ruinieren.“ „Also geht es Ihnen doch nicht nur um das Wohlergehen Ihrer Tochter, Sir“, stellte Saber sarkastisch fest, bekam sich aber augenblicklich wieder unter Kontrolle, „mit Verlaub, Commander, wenn diese schmierigen Käseblätter dreckige Wäsche waschen wollen, dann finden sie immer einen Weg das zu tun, auch wenn man ihnen keine Vorlage dafür bietet.“ Eagle schlug mit voller Wucht gegen seinen Schreibtisch: „Weißt Du eigentlich, was für wilde Gerüchte bereits über Euch beide die Runde machen, selbst hier im Hauptquartier? Alle zerreißen sich den Mund darüber, wie schnell April sich über den Verlust von Fireball hinweggetröstet hat und dass es aus Deiner Sicht ja genau das richtige Crewmitglied erwischt haben muss, wenn Du dadurch jetzt freie Bahn bei meiner Tochter hast!“ Saber straffte kaltschnäuzig die Schultern: „Ehrlich gesagt interessiert es mich einen Dreck, was sich irgendwelche hirnlosen Dummschwätzer über uns ausdenken, Sir“, er würde sich vom Commander nicht aus der Reserve locken oder dazu bringen lassen, völlig die Beherrschung zu verlieren, „ich fühle mich für Fireballs Tod und somit auch für April und das Kind verantwortlich und werde ihr bei mir Zuflucht gewähren, solange sie dieses wünscht. Und ich will verdammt sein, wenn ich mich von der sensationslüsternen Presse davon abhalten lasse, meiner besten Freundin in dieser schwierigen Lage zur Seite zu stehen.“ Er japste kurz nach Atem und fuhr sich wild entschlossen durchs Haar. Noch nie hatte er es gewagt, seine Stimme gegen einen Vorgesetzten zu erheben, aber er hatte sich auch schon seit langem nicht mehr so gut gefühlt, wie in diesem Moment. Er sah sich hundertprozentig im Recht, wusste, dass es korrekt war, was er tat, und das gab ihm immense Kraft. „Ich verlange von Dir, dass Du April…“ „Was“, blaffte der Säbelschwinger aggressiv, „soll ich sie einfach kaltherzig vor die Tür setzen? Wo sie völlig verzweifelt bei mir angekrochen gekommen ist, weil sie sonst niemanden wusste, zu dem sie gehen konnte? Nicht einmal zu ihrem eigenen Vater!“ Diese Spitzfindigkeit verfehlte ihre Wirkung nicht. Eagle wurde vor Wut kreideweiß im Gesicht und krallte seine Hände um die Kanten der Tischplatte, während er mit zusammengepressten Zähnen flüsterte: „Ich befehle es Dir, Saber, als Dein Vorgesetzter!“ Diese Drohung konnte Saber jedoch nichts anhaben: „Nun also doch wieder als mein Vorgesetzter! Und was wollen Sie tun, wenn ich mich weigere? Mich noch einmal suspendieren?“ er genoss die Ruhe, die sich plötzlich in ihm ausbreitete. Er hatte es tatsächlich geschafft, den besonnen Eagle aus dem Konzept zu werfen und ihn seine gute Kinderstube vergessen lassen. Das war ein Triumph, wie er ihn noch nie erlebt hatte und der ihm zum ersten Mal seit gut drei Wochen sein Selbstvertrauen zurückgab. Zackig schlug er die Hacken seiner Stiefel zusammen: „Für die Star Sheriffs sind die Mitglieder ihrer Crew immer das Wichtigste gewesen“, dann hob er schneidig den rechten Arm zum militärischen Salut: „und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, Sir!“ und obwohl Eagle so verdutzt und überrumpelt war, dass er keinen Ton herausbrachte, drehte sich der Schotte ohne Entlassung um und verließ würdevoll das Büro des Commanders. Nachdem Saber den Sicherheitsmechanismus an seiner Haustür aktiviert hatte, zog er sich so leise wie möglich die Stiefel aus. Das Licht im Flur hatte bei seinem Eintreffen noch gebrannt, aber das Wohnzimmer war bereits dunkel und leer gewesen. April hatte sich also schon ins Schlafzimmer zurückgezogen, ihm aber mit der eingeschalteten Lampe zumindest einen warmen Empfang bereiten wollen. Jetzt, da Saber seine letzten Worte gegenüber ihrem Vater noch einmal überdachte, fiel ihm auf, wie respektlos und dreist er den Commander abgefertigt hatte. Aber während des Gesprächs war er so wütend auf ihn geworden, dass sein neu erwachtes Temperament einfach mit ihm durchgegangen war. Wie konnte Eagle es nur wagen, sich in die Angelegenheit zwischen ihm und April einzumischen, obwohl er selber nicht mal fünf Minuten Zeit erübrigen konnte, um sich persönlich um seine Tochter zu kümmern. Und im Nachhinein glaubte Saber auch, dass er den Commander mit seiner unerwartet despektierlichen Art zwar nicht zufrieden gestellt, aber immerhin soweit beeindruckt hatte, dass dieser es vorerst unterlassen würde, weitere Bedenken ihm oder April gegenüber zu äußern. Der Schotte hängte seine Jacke in die Garderobe und schlich sich dann vorsichtig Stufe für Stufe die Treppe hinauf. Er wollte die Blondine unter keinen Umständen wecken und fuhr erschrocken zusammen, als die vorletzte der Stufen beim Betreten ein durchdringendes Knarzen von sich gab. Mit angehaltenem Atem blieb er stehen und lauschte gebannt auf eventuelle Geräusche aus dem Schlafzimmer. Die Tür stand leicht angelehnt, aber außer Aprils gleichmäßigen leisen Atemzügen war nichts zu hören. Erleichtert zog Saber sich mit Hilfe des Geländers über die letzten zwei Stufen hinweg, um kein weiteres Risiko einzugehen und schlich für eine kurze Katzenwäsche ins Badezimmer. Eilig schlüpfte er aus Hemd und Hose und warf beides zusammen mit seinen Socken achtlos über den Rand der Badewanne. Es war spät und morgen früh würde er genug Zeit haben, die Sachen ordentlich in den Kleiderschrank zu hängen, beziehungsweise in den Korb mit der dreckigen Wäsche zu entsorgen. Jetzt wollte er nur noch ins Bett und diesen anstrengenden Tag vergessen, der wieder einmal mit nichts anderem als Ärger aufgewartet hatte. Für seinen Geschmack hatte die Auseinandersetzung mit Colt sein Pensum an Streit bereits mehr als ausgefüllt gehabt, aber er war ja so pflichtversessen gewesen und hatte Eagle umgehend über die Rückkehr des Cowboys in Kenntnis setzen müssen. Er war sicher, dass der Commander ihn niemals in sein Büro zitiert hätte, wenn er nicht von sich aus Verbindung mit ihm aufgenommen hätte. Erledigt spritzte sich Saber einige Tropfen eiskaltes Wasser ins Gesicht und schob sich dann mit wenig Euphorie die Zahnbürste in den Mund. Natürlich hatte Aprils Vater bis zu einem gewissen Grad Recht gehabt mit seinen Äußerungen. Die Reporter würden sich wie die Aasgeier über ihn und die Blondine hermachen, wenn die Nachricht von Fireballs Tod erst an die Öffentlichkeit gelangt war. Bisher hatte das KavCom es bravourös geschafft, das tragische Ende des Rennfahrers zu vertuschen, aber der Schotte wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis irgendjemand an falscher Stelle Wind von der Aktion in der Phantomzone bekam. Wenn sich jetzt schon das halbe Hauptquartier das Maul über sie beide zerriss, konnte man fest davon ausgehen, dass die ruhigen Zeiten bald vorbei sein würden. Als er meinte, durch das stete Auf und Ab der Zahnbürste genug Schaum produziert zu haben, spülte Saber seinen Mund kurz mit ein paar Schlucken Leitungswasser aus, warf die Bürste klirrend in das dafür vorgesehene Glas und stahl sich dann auf Zehenspitzen hinüber ins Schlafzimmer: „April?“ flüsterte er vorsichtig, erhielt aber keine Antwort. Behutsam trat der Säbelschwinger an das Bett heran und hielt für einen kurzen Augenblick die Luft an, weil er fürchtete, das bloße Geräusch des Einatmens könnte die Freundin aus dem Schlaf reißen. Sie hatte ihm das entspannte Gesicht zu gewandt, eine Hand stützend unter das Kopfkissen geschoben, die andere dicht neben ihrem Kopf liegend und schlummerte so friedlich, dass es eine Sünde gewesen wäre, sie aufzuwecken. Nach dem grellen Neonlicht im Badezimmer kam es Saber hier beinahe stockdunkel vor, doch ein schmaler Strahl des Vollmondes hatte sich durch einen Spalt in den Vorhängen gemogelt und tauchte Aprils Haare, die wie eine Korona um ihren Kopf gefächert waren, in fließendes Silber. Auch ihre Augen wurden von dieser schwachen Lichtquelle erhellt und der Schotte konnte bei genauerem Hinsehen die blassen Spuren von getrockneten Tränen auf ihren Wimpern und Wangen erkennen. Achtsam kniete er sich vor dem Bett nieder, legte die Arme auf die Matratze und den Kopf auf die Hände, um April in aller Ruhe betrachten zu können. Sie hatte wieder an Fireball gedacht. Und er war nicht da gewesen, wie er es eigentlich hätte sein sollen. Anstatt ihr hier Rückhalt zu geben und ihre Tränen zum Versiegen zu bringen hatte er seine Zeit im Büro ihres Vaters vertrödelt. Dabei hatte er ihr doch versprochen, dass er sie nicht mehr alleine lassen würde. Was half es ihr, wenn sie allein in seiner Wohnung saß und er sich in der Weltgeschichte herumtrieb, während sie ihn so dringend brauchte. Vorsichtig hob Saber eine Hand und streichelte liebevoll über die zarten Wangen seiner Freundin. Cynthia hatte ihn von sich gestoßen, das Kavallerieoberkommando hatte ihm seine Lebensaufgabe genommen. Jetzt hatte er nur noch ein Ziel, für das es sich im Moment zu kämpfen lohnte, und das war April. Einige Minuten verharrte er noch in seiner ungemütlichen Position, beobachtete, wie sich ihr Brustkorb unter den gleichmäßigen Atemzügen hob und senkte und wie ihre Augenlider gelegentlich im Schlaf flatterten. Dann stand er auf begab sich auf seine eigene Seite des Bettes. Behutsam umschloss er Aprils Taille mit dem linken Arm, während er seinen Kopf auf den rechten bettete. Wie sehr hatte er sich den ganzen Abend über nach diesem Augenblick gesehnt, in dem er einfach alles loslassen konnte und ihre Körperwärme ihm half, über die unerträglichen Dinge des Alltags hinwegzusehen. Zufrieden stellte er fest, dass sie sich rücklings an ihn drängte, kaum dass sein Arm sich um sie gelegt hatte: „Du bist spät.“ flüsterte sie schlaftrunken. Wie von selbst fand eine ihrer Hände den Weg zu seiner und legte sich zärtlich über seine Finger. „Tut mir leid, ich wollte Dich nicht wecken“, antwortete er leise und gab ihr einen leichten Kuss auf den Hinterkopf, „schlaf weiter, ja!“ Wohlig strich sie mit ihren Füßen an seinen entlang und genoss die Hitze seines nackten Oberkörpers: „Hat Daddy…irgendwas gesagt“, sie druckste verlegen herum, „na, ja, wegen uns?“ „Hmpf…“ antwortete Saber unbestimmt, denn eigentlich wollte er seinen Streit mit dem Commander lieber für sich behalten, um April nicht unnötig aufzuregen. Aber er wusste genau, dass sie nicht locker lassen würde, bis sie auch das letzte Detail aus ihm herausgepresst hatte. Frauen konnten in gewisser Hinsicht ziemlich störrisch sein, und das galt besonders für das blonde Exemplar in seinen Armen. „Was genau hat er gesagt“, kam auch prompt die Bestätigung seiner Vorurteile von Seiten des weiblichen Star Sheriffs. April hatte sich zu dem Schotten herumgedreht und blickte ihn durchdringend mit ihren verweinten Augen an, „er ist nicht gerade begeistert, oder?“ „Nein, nicht wirklich“, Saber sah ein, dass es keinen Sinn hatte, die Wahrheit unnötig vor sich her zu schieben, wenn er früher oder später sowieso damit rausrücken musste, „wenn er nicht all zu sehr übertrieben hat, sind wir wohl im Moment Gesprächsthema Nummer eins im Oberkommando. Dabei sollte man doch wirklich meinen, dass es wichtigere Themen gibt, über die man sich den Kopf zerbrechen kann.“ Er versuchte in ihrem Gesicht irgendeine Art von Reaktion auf seine Worte zu erkennen, aber ihre Miene blieb ausdruckslos und verschlossen. Und das, obwohl sie früher am Tag beinahe einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte, nur weil er im Mexican höflich zu ihr hatte sein wollen. „Na, ja“, murmelte sie bedrückt, „wenn selbst Colt bescheid weiß, obwohl er die letzten Tage nicht mal hier gewesen ist…“ die junge Frau fühlte sich einer Ohnmacht nah. Es hatte sie schwer getroffen, dass der Cowboy so schnell herausgefunden hatte, was zwischen ihr und Saber vor sich ging, aber dass offenbar schon das ganze KavCom darüber tuschelte! Die Augen des Säbelschwingers hatten sich bei der Erwähnung des Scharfschützen vor Schreck geweitet: „Hast Du es ihm etwa erzählt?“ erkundigte er sich bedacht gleichgültig und griff sich nervös an die Stirn. „Natürlich nicht“, schniefte April leise und verbarg ihr Gesicht im Kissen, „er wusste, dass ich bei Dir bin, weil ich ihm vor ein paar Tagen eine Nachricht auf dem AB hinterlassen habe. Aber den Rest hat er sich selber zusammen gereimt.“ Das Übelkeitsgefühl, dass seit der Unterhaltung mit Colt in ihrem Magen rumort hatte, stieg wieder in ihr auf. Jetzt hatte sie Gelegenheit herauszufinden, ob der Cowboy wirklich Recht hatte mit seiner Vermutung; sie musste Saber lediglich fragen, was er für sie empfand und schon hätte sie Gewissheit. Aber so einfach war das plötzlich nicht mehr. Was, wenn ihr Freund im Laufe der letzten Tage tatsächlich Gefühle für sie entwickelt hatte, die weit über die körperliche Anziehungskraft hinaus gingen? „Und was hat er dazu gesagt?“ fragte der Schotte mit unheilvoller Stimme und fuhr sich mit der Zunge über die noch immer leicht angeschwollene Unterlippe. Colts erste Reaktion auf seine gemeinsame Nacht mit April spukte noch schmerzhaft in seinem Gedächtnis herum und er legte keinen gesteigerten Wert auf eine erneute Auseinandersetzung mit dem Hitzkopf. „Nichts“, erwiderte die Blondine kleinlaut und schaffte es immer noch nicht, Saber wieder in die Augen zu sehen, „er meint, dass das unsere Sache ist und ihn nichts angeht!“ Sie hatte es nicht getan! Sie war einfach zu feige, dem Säbelschwinger von Colts Bedenken zu erzählen, weil sie sich vor der Wahrheit fürchtete. Wenn Saber wirklich dabei war, tiefgründige Gefühle für sie zu entwickeln, würde sie um ihrer Freundschaft Willen sofort ihre Zelte bei ihm abbrechen müssen. Nicht auszudenken, was noch passieren konnte, wenn sie unter diesen Voraussetzungen weiter bei ihm blieb. Aber dann musste sie zurück in ihre eigene einsame, kalte Wohnung, in der sie alles mit unheimlicher Brutalität an ihren toten Verlobten erinnerte. Nein, sie konnte den Schotten nicht verlassen. Noch nicht! Sie brauchte ihn. Seine Nähe, seine Zuneigung und sein Körper waren im Moment das einzige, was sie davor bewahrte, den Verstand zu verlieren. Vorsichtig hob sie den Kopf und blinzelte eine Träne fort: „Was sollen wir denn jetzt tun?“ Zärtlich lächelte Saber ihr zu und zog sie dann fest an seine Brust: „Ich für meinen Teil habe geschworen, dass ich Euch beistehen werde“, er spürte ihre tränennasse Wange, die sich schutzsuchend an seine nackte Haut schmiegte, „und weder Tod noch Teufel, noch Dein Vater können mich davon abhalten, Kleines!“ April nickte wimmernd, während sie die beruhigende Wärme des Schotten genoss und spürte, wie ihr Körper fast schon instinktiv auf seine Berührungen reagierte: „War er sehr wütend?“ Das kurze Aufflackern in ihren Augen war Saber nicht entgangen. Mit einer einzigen ruckartigen Bewegung schwang er sich über die Blondine und drückte sie sanft mit seinem Gewicht auf die Matratze nieder: „Fuchsteufelswild“, flüsterte er und küsste behutsam eine von Aprils Tränen fort, „es würde mich nicht wundern, wenn er mich nach unserer heutige Unterredung endgültig aus dem Corps schmeißt.“ Seine Lippen streichelten liebkosend ihre Wangen und die junge Frau öffnete erwartungsvoll den Mund, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Der nun folgende Kuss war lang und leidenschaftlich und ließ beide ihren Ärger und ihre Enttäuschung vergessen. Irgendwann schob sich Sabers Hand drängend zwischen ihre Körper und begann in geübter Manier, die Knöpfe von Aprils Pyjama-Oberteil zu öffnen. „Aber es ist mir egal, was die anderen denken, oder was aus mir wird“, hauchte er zwischen zwei ekstatischen Küssen und sah der Freundin tief in die Augen, in denen sich das Feuer ihrer beider Leidenschaft widerspiegelte, „solange Du nur wieder lächeln kannst!“ Wie zur Bestätigung dieses Schwurs griffen Aprils Hände gebieterisch nach seiner Boxershorts: „Dann vergiss die anderen“, sie zog seinen Kopf grob an den Haaren zu sich herunter, um ihn erneut zu küssen, „und nimm Dir endlich, was Dir gehört!“ Kapitel 19: Gelöste Bande ------------------------- Eine unangenehme Kälte umfing Fireball, als er aus seinem unruhigen Schlaf erwachte. Ob der Morgen bereits graute? Die Temperaturen in der Höhle sprachen dafür, denn kurz vor Sonnenaufgang erreichte das Thermometer hier draußen in der Wüste von Ischtar seinen Tiefpunkt. Es war faszinierend! Dort, wo man tagsüber Gefahr lief, einem Hitzschlag zu erliegen oder in der sengenden Sonne zu verdursten, musste man des Nachts Acht geben, dass man nicht an Unterkühlung starb. Der Star Sheriff war mit einem Schlag putzmunter und warf die dicke Wolldecke zur Seite, die ihn während des Schlafens wohlig warm gehalten hatte. Er durfte keine Zeit verlieren. Noch waren aus dem angrenzenden Tunnel keine Geräusche zu hören und auch die Leuchtkegel an den Wänden glommen nur so matt vor sich hin, dass man gerade undeutlich ihre Position erahnen konnte. Ihr Lichtkreis reichte aber keine zehn Zentimeter weit und konnte die alles verschlingende Dunkelheit des Höhleninneren nicht bezwingen. Das hieß, dass Arietis noch schlief. Mit grimmiger Entschlossenheit nickte der Star Sheriff zufrieden, als er langsam die Beine über die Bettkante schob und sich von seinem Nachtlager erhob. Wenn er seinen Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte, war nun höchste Eile geboten, bevor der Outrider ihm auf die Schliche kam. Allerdings hieß das auch, dass er mit äußerster Sorgfalt vorgehen musste, um seinen Retter nicht durch Unachtsamkeit vorzeitig aus dem Schlaf zu reißen. Um ihn herum war es dunkel wie in einem Hühnerpopo, und wenn er nicht aufpasste, würde er wohlmöglich gegen ein Möbelstück laufen oder im Vorbeigehen etwas herunterreißen. Und das wäre das vorzeitige Ende seines Vorhabens. Den rechten Arm weit von sich gestreckt schob sich Fireball Stück für Stück über den Felsboden in die Richtung, in der er die Sitzgruppe vermutete. Man konnte wirklich nicht die Hand vor Augen sehen. Die Kälte kroch langsam durch seine Baumwollunterwäsche und jagte ihm eine Gänsehaut nach der nächsten den Rücken. Wie hatte Arietis nur all die Jahre unter diesen widrigen Bedingungen leben können? Dem Rennfahrer war es ein Rätsel, dass man sich freiwillig diesen Extremen der Natur aussetzte und darüber hinaus noch auf jeden Komfort verzichtete, den das moderne Leben zu bieten hatte. Für seinen Geschmack hatten ihm die letzten fünfzehn Tage in der Behausung seines Retters genügend Jugendherbergsfeeling für die nächsten zwanzig Jahre beschert. Es wurde Zeit, dass er diesem Ausflug in die Steinzeit ein Ende bereitete. Eine leichte Unebenheit im Boden ließ ihn plötzlich stolpern. Der Rennfahrer strauchelte und stieß dann mit einem dumpfen Aufprall gegen einen der Holzstühle, nach denen er so verzweifelt in der Luft herumgetastet hatte: „Verdammt…“, fluchte er leise und unterdrückte das Bedürfnis, dem Schmerz in seinem rechten Knie durch einen lauten Aufschrei Luft zu machen, „welcher vernünftige Mensch haust auch in so einem… Loch!“ Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Leuchtkugeln zu aktivieren, aber er hatte das Risiko nicht eingehen wollen, den Outrider aufzuwecken. Mit pochendem Herzen hangelte Fireball sich mit seiner gesunden Hand an der Tischplatte entlang, bis er den hinteren der Stühle gefunden hatte. Vorsichtig zog er ihn ein Stück nach hinten und tastete gespannt nach dessen Sitzfläche. Seine Finger trafen auf kühles glattes Silikon und er atmete erleichtert aus: sein Kampfanzug war noch da. Genau dort, wo er ihn am Abend zuvor in der Hoffnung versteckt hatte, dass Arietis ihn nicht bemerken würde. Betrübt befühlte der Rennfahrer seine taube Schulter und den leblosen Arm, der wie ein Fremdkörper an ihm festgewachsen zu sein schien. Er hatte dem Outrider seine drei Tage Aufschub gewährt, aber als am gestrigen Tag noch immer keine Verbesserung seines Zustandes eingetreten war, hatte er kurzerhand einen Fluchtplan entwickelt. Dieser war zwar weder gut durchdacht noch sonderlich erfolgsversprechend, aber in seiner aussichtslosen Lage war dem Star Sheriff einfach nichts Besseres eingefallen, als sich bei klammheimlich aus dem Staub zu machen, das Schiff des alten Mannes zu kapern und damit zurück in seine eigene Dimension zu fliegen. Die halbe Nacht über hatte er wach gelegen und sich den Kopf darüber zerbrochen, wo Arietis den Jet wohl versteckt halten konnte. Denn eines war ziemlich sicher, wenn er das Schiff nicht fand, hätte er genauso gut gleich im Bett bleiben können. Und der Outrider hatte sich strikt geweigert, auch nur ein Sterbenswörtchen über den Standort zu verraten. Ein wirklich schlauer Fuchs, der gute Ari! Bestimmt hatte er schon geahnt, dass der Rennfahrer einen ähnlichen Fluchtversuch unternehmen würde, aber er hatte die Sturheit des jungen Heißsporns offensichtlich unterschätzt. Jetzt musste Fireball zusehen, dass er so schnell wie möglich in seinen Kampfanzug kam. Einen Jet mit nur einem Arm zu fliegen würde schon schwierig genug werden, auch ohne dass ihn die merkwürdige Robe, die Arietis ihm verpasst hatte, dabei behinderte. Nur wie sollte er das Anlegen der hochmodernen Kunststoffausrüstung bewerkstelligen? Hierüber hatte er sich bislang keine all zu großen Gedanken gemacht, aber nun, da er das erste Stück der Beinpanzerung in der Hand hielt, verließ ihn der Mut. Üblicherweise brauchte er zum Anziehen nicht einen einzigen Finger krumm zu machen. Er begab sich zu Hause oder an Bord von Ramrod einfach auf die gekennzeichnete Stelle in der Ankleideeinheit und überließ den Rest den mechanischen Armen des extra dafür programmierten Roboters. Zivilisation, herrje, wie sehr er sich nach der Zivilisation sehnte! „Jetzt reiß Dich zusammen, Alter“, rügte er sich selbst im Flüsterton und schob sich ungelenk rückwärts auf die Tischplatte, „wenn es sein muss, fliegst Du eben in Unterwäsche zurück!“ diese absurde Vorstellung brachte ihn tatsächlich ein wenig zum Lächeln. Wie schön es doch war, wenigstens noch einen Schuss Galgenhumor zu besitzen! Wachsam nahm er jetzt alle Einzelteile seiner Uniform vom Stuhl und verteilte sie sorgfältig um sich herum. Es konnte doch nicht so schwierig sein, sie richtig an Ort und Stelle zusammen zu setzen. Beherzt tastete er nach der Panzerung für die Schienbeine und verwünschte abermals die Dunkelheit, die in dieser vermaledeiten Höhle herrschte. Fireball hatte das Gefühl, ständig die gleichen Teile in der Hand zu halten, aber die Stücke, die er eigentlich suchte, bislang nicht einmal berührt zu haben. Nach einer schieren Ewigkeit fand er endlich das Ersehnte. Vorsichtig legte er eine der federleichten Silikonplatten auf sein rechtes Schienbein, schlang umständlich das linke Bein darüber, um die Panzerung zu fixieren und schob dann von unten den Wadenschutz dagegen. Es bedurfte einiger Kraftaufwendung, die Platten miteinander zu verbinden, aber kurze Zeit später gab es ein leises Klicken und das erste Stück des Puzzles war geschafft: „Na bitte, es geht doch!“ frohlockte der Star Sheriff selbstgefällig und machte sich mit neuem Elan an die weiteren Einzelteile seiner Beinverkleidung. Stolz wie Oskar klopfte er fünf Minuten später auf seine Oberschenkel: „War doch ganz einfach!“ er hatte es ohne weitere Probleme geschafft, alle Teile der Beinpanzerung anzulegen und machte sich jetzt an die beiden Stücke, die das Becken und den Steißbereich abdeckten. Doch schon beim ersten maßnehmenden Anhalten der Frontpartie merkte er, dass etwas nicht stimmte. So sehr er sich auch bemühte, das Panzerteil in die richtige Position zu schieben, es kollidierte ständig mit den Oberschenkelpartien und wollte sich partout nicht in die vorliegende Konstruktion einfügen lassen. Hektisch tastete der Star Sheriff die inneren Ränder des Beinschutzes ab und schluckte schwer, als er seinen dummen Fehler erkannte. Die Rüstung war so konzipiert, dass zuerst die Torsopanzerung angelegt werden musste. Somit war gewährleistet, dass die Teile für Arme und Beine locker auf dem Rest auflagen und ihn nicht in seinen Bewegungen einschränkten: „Na, das ist ja ganz toll“, wütend griff Fireball unter die Platte an seinem rechten Oberschenkel und versuchte, sie mit Gewalt wieder von ihrem Gegenpart zu trennen. Aber so sehr er auch zog und zerrte, die beiden Stücke waren so bombensicher miteinander verbunden, als hätte er sie zusammengeschweißt, „oh bitte, komm schon!“ Das durfte einfach nicht wahr sein. Sollte sein Fluchtplan tatsächlich daran scheitern, dass er zu dämlich war, seinen Kampfanzug anzulegen? Junge, das war wieder eine Anekdote für Colt. Wenn er denn je die Gelegenheit bekommen würde, dem Cowboy davon zu erzählen. „Kann ich Dir vielleicht irgendwie helfen, Fireball?“ Entgeistert fuhr der Star Sheriff auf: „Ari…“, die Leuchtkugeln aktivierten sich wie von Geisterhand, ein Trick, den Fireball noch immer nicht durchschaut hatte, und beleuchteten das traurig lächelnde Gesicht des Outriders, „Sie…Sie sind schon wach?“ er wusste selber, wie tiefschürfend und weise diese Feststellung gewesen war, aber vor lauter Bestürzung war ihm nichts Passenderes eingefallen. Sein Vorhaben war gescheitert, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. „Bei dem Krach, den Du hier veranstaltest, würde es mich nicht wundern, wenn gleich die gesamte siebte Kavallerie hier aufschlägt“, Arietis verschränkte die Unterarme in den weiten Ärmeln seiner Robe und musterte seinen Patienten eindringlich, „Du wärst also einfach verschwunden, ohne auch nur auf Wiedersehen zu sagen?“ Was sollte Fireball darauf erwidern? Reumütig betrachtete er die Teile seines Kampfanzuges, die auf dem Tisch verstreut herumlagen und erkannte, was für ein komisches Bild er abgeben musste: „Es tut mir leid Ari“, er wusste, er würde dem Outrider niemals klar machen können, weshalb er sich zu diesem Schritt entschlossen hatte, aber trotzdem wollte er es um ihrer Freundschaft Willen versuchen, „Sie verstehen das nicht. Ich… ich muss einfach zurück. Meine Leute halten mich für tot… Und mein Arm… ich meine, Sie sehen doch selbst!“ missmutig stupste er das besagte Körperteil an, dass schlaff an seiner Schulter hin und her schaukelte. „Nein, ich verstehe wirklich nicht, warum Ihr Menschen Euer Leben immer wieder so leichtfertig aufs Spiel setzen müsst“, erwiderte der Outrider niedergeschlagen, „aber wenn Du wirklich den Wunsch hast zu gehen, dann werde ich Dich nicht aufhalten.“ Das war eine Wendung, mit der der Star Sheriff nicht gerechnet hätte: „Sie lassen mich gehen? Einfach so?“ beinahe war er ein wenig enttäuscht. Es war doch immer schön zu wissen, dass es jemanden gab, der sich um einen sorgte. Selbst, wenn es sich dabei eigentlich um den Feind handelte. Aber es machte ganz den Anschein, als hätte Ari ihn just in diesem Moment aufgegeben. Mit verschlossener Miene trat der Alte an den Tisch heran, zog ein in braunes Papier eingeschlagenes Päckchen unter seiner Robe hervor und legte es behutsam zwischen die Einzelteile von Fireballs Kampfanzug: „Reisende soll man nicht aufhalten“, murmelte er aufgeklärt und für den Geschmack des Rennfahrers einen Schuss zu pathetisch, „ich wusste, dass Du irgendwann versuchen würdest, Dich auf eigene Faust durchzuschlagen. Was hätte es also für einen Sinn, wenn ich Dich weiter gegen Deinen Willen hier festhielte.“ „Hm“, nickte Fireball einsichtig, denn diese Erklärung klang in seinen Ohren ziemlich vernünftig, „und Sie sind nicht sauer, dass ich… na, ja…“ „Dass Du Dich hinter meinem Rücken wie ein Hühnerdieb davonschleichen wolltest, nach allem, was ich für Dich getan habe“, Arietis schaute ihn fragend an und verzog das Gesicht zu einem gekränkten Grinsen, als er sah, wie der junge Mann betreten nickte, „was hätte ich anderes von Dir erwarten sollen? Schließlich bist und bleibst Du ein Mensch, nicht wahr!“ Die Kehle des Star Sheriffs war mit einem Mal wie zugeschnürt. Es tat weh, den alten Mann so betrübt und offenkundig verletzt zu sehen. Vielleicht war es tatsächlich ein Fehler gewesen, seine freundliche Art und sein Gutgläubigkeit so schändlich zu missbrauchen, denn immerhin wollte er ihn jetzt ohne ein Wort der Widerrede gehen lassen. Wenn er von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen wäre, hätte er sicherlich auch so akzeptiert, dass die Zeit des Rennfahrers auf Ischtar abgelaufen war. Aber nun hatte Fireball die zarten Bande des Vertrauens, die sie in den letzten Tagen geknüpft hatten, mit einem einzigen Schlage beiseite gefegt und zerstört. „Aber selbst ein einfältiger und hitzköpfiger Fleischling wie Du sollte wissen, dass er mit so einer Verletzung keinen Raumanzug anziehen kann!“ resolut legte Arietis Hand an Fireballs Beinpanzerung und entfernte die ersten beiden Silikonplatten, ohne die kleinste Anstrengung zu zeigen, „die Gefahr, dass die Wunde wieder aufreißt ist viel zu groß!“ Wütend tat der Rennfahrer einen Schritt zurück: „Das kann ich auch gut alleine, vielen Dank!“ einen durchaus angebrachten Tadel für sein vorschnelles Handeln einzustecken war die eine Sache, sich gleich auf zweierlei Weise von einem Phantomwesen demütigen zu lassen, eine ganz andere. Wenn der Alte glaubte, er würde jetzt aus lauter Unterwürfigkeit zu Kreuze kriechen, hatte er sich gehörig geschnitten. Dumm an der Sache war nur, dass Arietis natürlich Recht hatte. Er würde die Brust- und Armpanzerung niemals über seiner Verletzung tragen können, ohne dabei nicht einigen Schaden anzurichten. Und damit wäre wohl auch der der letzte Hoffnungsschimmer auf eine spätere Heilung dahin gewesen. Aber wie sollte er es bewerkstelligen, die angelegten Kunststoffteile wieder von seinen Beinen zu entfernen, wenn er nur eine Hand zur Verfügung hatte? „Bitte, ganz wie Du willst“, der Outrider hob gleichgültig die Arme und wies auf das braune Päckchen, „darin findest Du ein paar Sachen, die Dir passen dürften und die für den Flug etwas kleidsamer sind als Deine Unterwäsche.“ dann schickte er sich an, die Höhle zu verlassen. „Hrrmm…“ störrisch griff Fireball nach der Panzerung an seinem anderen Bein und zerrte unkontrolliert an den Platten herum. Diesem eingebildeten Kerl würde er schon zeigen, wozu ein Star Sheriff in der Lage war. Irgendwie würde er diese verfluchten Dinger schon ab bekommen, das wäre ja gelacht. Der junge Mann war wütend. Wütend auf sich, weil er seinen neuen Freund gekränkt hatte, wütend auf Arietis, weil er sich so leicht hatte kränken lassen und, wie ihm zum ersten Mal bewusst wurde, auch auf Colt und Saber, weil sie ohne ihn zurück ins Neue Grenzland aufgebrochen waren. Hätten sie sich das Wrack seines Red Fury vielleicht mal ein bisschen genauer angeschaut, bevor sie es unter einer tonnenschweren Last von Gesteinsbrocken begraben hatten, wäre ihnen vielleicht ein bestechend wichtiges Detail aufgefallen. Nämlich das Nichtvorhandensein seiner Leiche! ‚Keine Sorge, Kleiner, ich hau Dich da schon raus!’ hatte der Cowboy gesagt. Und wo war er nun, der ehrenwerte Scharfschütze? Wenn der elende Kuhtreiber ausnahmsweise mal seine Glubschaugen aufgemacht hätte, würde er jetzt gar nicht in dieser bescheidenen Lage stecken, sondern sich gemütlich im Bett rekeln und vielleicht einen halbherzigen Annäherungsversuch bei April starten. Verzweifelt riss Fireball noch heftiger an der Silikonplatte und schnitt sich mit der scharfen Kante in den Daumen: „Ah, verdammt noch mal“, es brauchte nur noch eine Sekunde, bis sein Verstand seinen Stolz endlich gebrochen hatte, „kommen Sie schon und helfen Sie mir Ari, sonst sitze ich am jüngsten Tag noch hier!“ April stand mit verschränkten Armen vor Sabers Terrassentür und starrte mit finsterem Blick in den sonnigen Morgen hinaus. War es nicht eine schrecklich verhöhnende Ironie des Schicksals, dass das Wetter gerade heute entschieden hatte, sich wieder von seiner besten Seite zu zeigen und den Menschen von Yuma einen warmen, goldenen Herbsttag zu schenken? Nicht, dass es die junge Frau in irgendeiner Weise überrascht hätte. Nach all den Schlägen, die sie in den vergangenen Wochen hatte hinnehmen müssen, war ein Hochdruckgebiet zu Fireballs Beisetzung die einzig logische Konsequenz gewesen! Sie hörte, wie der Säbelschwinger hinter ihr die Treppe heruntergestiegen kam: „Willst Du Dich nicht langsam umziehen?“ drang seine ruhige Stimme wie durch einen Wall aus Watte zu ihr. Aprils Körper verspannte sich und sie atmete tief durch, bevor sie sich mit ausdrucksloser Miene zu ihrem Freund umwandte. Saber war auf der untersten Stufe der Treppe stehen geblieben und im Augenblick damit beschäftigt, seinen Säbel anzulegen. Er hatte am Abend zuvor lange überlegt, was er zur Trauerfeier des Rennfahrers anziehen sollte und war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass sein Raumanzug wohl die passendste Alternative darstellte. Einerseits wegen der vorwiegend schwarzen Farbe, andererseits symbolisierte er die Anerkennung von Fireballs hervorragenden Diensten als Star Sheriff und Teamkollege. Das Gesicht des Schotten wirkte ebenso undurchschaubar, wie ihr eigenes, doch April ahnte, was in seinem Inneren vorgehen musste. Sie wusste, dass er, wie sie selbst auch, nicht besonders viel geschlafen hatte in der letzten Nacht, und das nicht nur wegen gemeinsamer Aktivitäten. Beide hatten sich bislang mit stoischer Verbissenheit über den Verlust von Fireball hinweg gesetzt, indem sie ein ums andere Mal die Flucht in ihre merkwürdige Traumwelt angetreten hatten, sobald der Gedanke an ihn unerträglich geworden war. Mit seiner heutigen Beerdigung aber holte sein Tod sie mit unbarmherziger Gewalt ein und zwang sie dazu, sich endlich ihren Ängsten und ihrer Trauer zu stellen. „Brauch ich nicht“, antwortete die junge Frau trotzig und zog einen Träger ihres roten Overalls zurecht, „ich werde nämlich nicht mitgehen!“ Saber seufzte schwer, weil er mit so einer Reaktion seitens der Blondine bereits gerechnet hatte: „Hör auf, so einen Unsinn zu faseln, natürlich kommst Du mit“, mit durchdringendem Blick versuchte er, direkt bis in ihr Herz zu schauen, „Du würdest es später bereuen, wenn Du Dich jetzt nicht von ihm verabschiedest.“ „Wer sagt denn, dass ich mich überhaupt verabschieden will, hm?“ der Eigensinn, der in ihren Augen aufloderte, versprach eine ziemlich hitzige Diskussion. Wenn April diese störrische Haltung eingenommen hatte, war sie schwerer umzustimmen, als ein Maultier. „Irgendwann wirst Du ihn loslassen müssen, Kleines!“ der Säbelschwinger trat die letzte Stufe der Treppe hinunter und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen. Aber die Blondine hatte im Moment nicht das Bedürfnis sich von dem Freund trösten zu lassen. Bockig wischte sie seinen Arm beiseite und trat einen Schritt zurück, um ihm ganz klar aufzuzeigen, dass sie nicht wünschte, angefasst zu werden: „Ach, und Du meinst, das geht auf so einer blöden militärischen Pflichtveranstaltung, ja?“ und wenn Saber sie noch so eindringlich gängelte, in diesem Punkt würde sie standhaft bleiben. Man hatte sie kein einziges Mal nach ihrer Meinung gefragt, als es um die Planung der Zeremonie gegangen war. Und das trotz ihrer Beziehung zu Fireball. Sie hätte ein Recht darauf gehabt, in diesem Punkt zumindest ihre Meinung zu äußern, aber man hatte sie einfach übergangen. Es konnte also niemand von ihr erwarten, dass sie ihren ganz persönlichen Abschied von der Person, die sie am meisten auf der Welt geliebt hatte, in einem unpersönlichen Rahmen unter den Augen des Oberkommandos vollzog. Sie würde Fireball Lebewohl sagen. Irgendwann, wenn sie dazu bereit war. Aber das Wo und das Wie würde sie ganz alleine bestimmen. Verunsichert durch ihre grobe Zurückweisung ließ Saber langsam die Hand sinken. Es war gerade mal zwei Stunden her, dass er ihren schweißgebadeten zitternden Körper fest in den Armen gehalten, ihre glühende Haut geküsst hatte, und nun wollte sie nicht einmal, dass er sie berührte. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre die Freundin mit einem Fluch belegt. Nachts, wenn alles dunkel war und sie ihren Tränen getrost freien Lauf lassen konnte, gab sie sich dankbar und willig seiner Zärtlichkeit und seinem Verlangen hin. Aber sobald der Morgen anbrach und sie das Bett verlassen hatten, verwandelte sie sich in dieses unnahbare Wesen, das ihn absichtlich auf Distanz hielt und keine Vertrautheit zwischen ihnen duldete: „Du weißt, dass Dein Vater eine Beisetzung im engsten Kreis unter Ausschluss der Öffentlichkeit angeordnet hat“, eine flaues Gefühl flammte in Sabers Magen auf, als er an Commander Eagle und die letzte unschöne Begegnung mit seinem Vorgesetzten dachte, „mit militärischer Pflichtveranstaltung hat das nichts zu tun!“ wie würde Eagle wohl reagieren, wenn der Schotte zusammen mit April auf der Beerdigung aufkreuzte, nachdem er offen seinen Unmut über das Verhältnis zwischen den beiden zum Ausdruck gebracht hatte. Es kam zwar selten vor, aber Saber musste zugeben, dass er tatsächlich Angst vor einer erneuten Konfrontation mit dem Commander hatte. Sein ungebührliches Verhalten lastete mittlerweile ziemlich schwer auf seinem Gewissen. Offenbar unterlag er da einem ähnlichen Fluch wie April. Zu später Stunde gingen seine Gefühle mit ihm durch und es war ihm egal, ob er respektlos oder verletzend war, ob er seinen Stand missachtete oder seinem Herzen zuviel Gehör schenkte. Doch bei Tageslicht betrachtet setzte sich der kühle Denker in ihm durch und ließ ihn die Dinge aus einer objektiven und rationalen Warte aus erkennen. „Ist mir egal“, widerborstig drehte der weibliche Star Sheriff sich von ihm ab, „ich bleib hier und wenn Du Dich auf den Kopf stellst!“ Es verletzte Saber, dass sie ihm so erbarmungslos den Rücken zukehrte. Wollte sie denn nicht begreifen, dass er nicht der Feind war, sondern lediglich versuchte, ihr beizustehen: „Du willst wirklich nicht auf Fireballs Beerdigung dabei sein?“ wenn sie wenigstens in Tränen aufgelöst gebettelt hätte, hier bleiben zu dürfen, weil sie den Gedanken an den Abschied von Fireball nicht ertrug. Er hätte ihrem Flehen sofort nachgegeben! Aber dieser unbewegte eiskalte Engel, der da vor ihm stand, bereitete ihm mächtige Kopfschmerzen. April befand sich mit ihrer momentanen Taktik der Verdrängung auf heiklem Kollisionskurs und würde demnächst an den Klippen zerschellen, wenn sie das Ruder nicht rechtzeitig herumriss oder zuließ, dass jemand anderes das für sie tat. Und wie gerne wäre er dieser jemand gewesen! „Das ist nicht Fireballs Beerdigung“, flüsterte sie frostig, „da wird nur ein leerer Sarg in die Erde gelassen. Das hat nichts mit Fireball zu tun. Er ist längst begraben! Unerreichbar fern in der Phantomzone!“ „Aber es geht doch nicht darum, ob wir seine…“ das Wort Leiche brachte Saber einfach nicht über die Lippen, denn damit hätte er alles nur noch schlimmer gemacht, „es geht doch darum, dass wir gemeinsam an ihn denken und ihm damit die letzte Ehre erweisen.“ versuchte er sie mutlos umzustimmen. Was konnte er nur tun, um sie zu überzeugen. Es war so wichtig, dass April an der Trauerfeier teilnahm. Zwar hatte Commander Eagle dafür gesorgt, dass die Beisetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgte, aber es würde trotzdem die Runde machen, dass die Verlobte des Rennfahrers es nicht einmal für nötig gehalten hatte, auf dessen Beerdigung aufzutauchen. Und das würde zusätzliches Wasser auf die Gerüchtemühlen schütten, die im Kavallerieoberkommando eifrig am Rotieren waren. Auf diesen Erklärungsversuch erwiderte April nun gar nichts mehr. Sie stand einfach nur schweigend da und starrte hinaus ins Freie. „Schön, wie Du willst“, Saber senkte resignierend den Blick, „ich werde die anderen von Dir grüßen und ihnen sagen, dass Du Dich nicht fühlst.“ Er überprüfte unnötiger Weise noch einmal, ob das Wehrgehänge seines Säbels richtig saß und warf dann einen Blick auf die Uhr. Die Trauerfeier würde erst in einer Stunde beginnen; es blieb also noch genügend Zeit, einen weiteren Überredungsversuch zu starten, wenn April sich wieder etwas beruhigt hatte. Er war nur so sicher gewesen, dass ihr vor der Beerdigung ein kleiner Spaziergang im Sonnenlicht gut getan hätte, um die dunklen Wolken aus ihrem Kopf zu verjagen. Verwundert drehte sich der Schotte um, als es an der Haustür klingelte: „Wer ist das denn?“ wandte er sich mehr an sich selbst als an April und erwartete deshalb nicht wirklich eine Antwort. Ihr fortwährendes Schweigen quittierte er mit einem Schulterzucken quittierte und machte sich auf in den angrenzenden Flur: „Colt, was treibst Du denn hier?“ fragte er den Cowboy überrascht, der mit ziemlich niedergeschlagener Miene vor seiner Haustür stand. Auch Colt hatte sich dazu entschieden, bei der Beerdigung seinen Raumanzug zu tragen, auch wenn dieser farblich vielleicht nicht ganz der Etikette einer Bilderbuch-Trauergesellschaft entsprach: „Ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn Du nicht alleine mit April aufkreuzt“, der Scharfschütze hob verschwörerisch eine Augenbraue, „man muss den Aasgeiern ja nicht mehr Futter als nötig vor die Schnäbel werfen, richtig!“ er klopfte Saber kurz mit dem rechten Zeigefinger gegen den Brustpanzer. Diese Geste hätte den Schotten beinahe zu Tränen gerührt. Nach allem, was zwischen ihm und Colt in den letzten Wochen vorgefallen war, wollte der Cowboy ihm und April jetzt Rückendeckung geben: „Ich muss gestehen, ich bin platt“, es war genauso, wie er Eagle vor einigen Abenden gesagt hatte, für die Star Sheriffs waren die Mitglieder ihrer Crew das Wichtigste, „danke, Mann!“ kameradschaftlich schlug er Colt auf die Schulter. Wie gut es tat, wahre Freunde zu haben! „Lass mal gut sein, nicht der Rede wert“, winkte dieser großzügig ab und trat an Saber vorbei in die Wohnung, „ich fänds einfach unschön, wenn irgendein Schmierfink Fires Abschiedsfeier dazu missbrauchen würde, um dem KavCom einen reinzuwürgen.“ Auch wenn er durch seine raue Art versuchte, seine ehrlichen Gefühle herunterzuspielen, erkannte der Schotte doch die große Geste und die tiefe Verbundenheit und Sorge, die hinter dem Handeln und Denken des Scharfschützen standen: „Es gibt da nur noch ein kleines Problem“, sagte er kleinlaut, als er hinter dem Freund ins Wohnzimmer trat, „aber vielleicht kannst Du mir ja bei der Beseitigung unter die Arme greifen!“ „Was für ein Problem“, Colt blickte sich suchend im Raum um, „wo ist April, ist sie noch nicht fertig?“ „Ich bin hier, Colt“, antwortete die Blondine und trat mit einer Wasserflasche in der Hand aus dem Durchgang zur Küche. Sie stellte die Flasche im Vorbeigehen auf Sabers Fernsehkommode ab und umarmte den Cowboy herzliche, „schön Dich zu sehen.“ Colt erwiderte die Umarmung und schob die junge Frau dann auf Armeslänge von sich weg. Skeptisch betrachtete er ihren roten Overall und ihr verschlossenes Gesicht: „Ist alles in Ordnung mit Dir, Süße?“ „Ja, ja, geht schon.“ nickte sie schnell und wich seinem Blick peinlich berührt aus. Wenn er erst erfahren hatte, dass sie nicht mit auf die Trauerfeier ging, würde der Cowboy sich bestimmt nicht so schnell geschlagen geben wie der Säbelschwinger. Woran lag es nur, dass sie sich mit spielender Leichtigkeit gegen Saber durchsetzen konnte, aber bereits das Handtuch werfen wollte, bevor Colt überhaupt einen einzigen Ton zu dem Thema gesagt hatte. Vielleicht hatten die gemeinsamen Nächte mit dem Schotten doch einen nachhaltigen Schatten auf ihre ursprüngliche Beziehung geworfen. Wer konnte schon mit seinem Boss und gutem Freund Nacht für Nacht in die Kiste steigen, ohne sich dadurch zu verändern? „Sie will nicht mitkommen!“ platzte Saber ohne weitere Umschweife heraus und erntete dafür einen tödlichen Blick von der Blondine. Für diesen verwegenen Vorwurf würde er sich später einiges von ihr anhören müssen, aber er hatte sich die Chance auf Colts tatkräftige Unterstützung auf keinen Fall entgehen lassen können. Dafür nahm er es gern in Kauf, dass am Abend der Widerspenstigen Zähmung auf dem Programm stand. Colt kratzte sich durcheinander an der Nase: „Was soll das heißen“, er beäugte wieder Aprils feuerroten Catsuit und zog die Stirn kraus, „wir gehen zu Fireballs Beerdigung, da gibt es gar keine Diskussion ob wollen oder nicht!“ was sollte dieses merkwürdige Theater? „Ich sehe einfach keinen Sinn darin, zuzuschauen, wie die eine leere Holzkiste in der Erde verbuddeln und so tun, als hätte das irgendetwas mit Fireball zu tun!“ brauste die Blondine ungehalten auf und wollte sich an den beiden Freunden vorbei drängen, aber mit ihrer aufbrausenden Wut hatte sie auf Schlag Colts Kampfgeist zum Leben erweckt. „Moment, junge Dame“, rief er aufgebracht, während er sie am Oberarm packte und herumschleuderte, „Du bist es Fireball schuldig, dass Du dahin gehst, klar! Sieh zu, dass Du Dir was Passenderes anziehst und dann satteln wir die Pferde.“ „Sattel Deine blöden Gäule alleine, Kuhtreiber“, brüllte sie völlig entfesselt zurück, „ich bin Fireball überhaupt nichts schuldig. Er hat mir versprochen, dass er auf sich aufpasst und zu mir zurückkommt. Und was ist daraus geworden?“ Damit war für den Cowboy das Maß voll: „Du solltest Dich langsam damit abfinden, dass Fireball nicht wiederkommen wird, Prinzessin. Es ist zwar nett, sich für ein paar Tage aus der Realität zurück zu ziehen“, hier nickte er grimmig, weil sein Ausflug auf den Vergnügungsplaneten Phanorama im Prinzip nichts anderes gewesen war, „aber irgendwann muss man der Wahrheit auch ins Auge blicken können. Und wenn Du schon in der Lage bist, mit Saber Matratzengymnastik zu praktizieren, dann ist es ja wohl auch das Mindeste, dass Du mit auf Fires Beerdigung kommst!“ er schnaubte schwer wie eine alte Diesellok und hatte die Hände herausfordernd in die Hüften gestemmt. Das Drama, das April seit Tagen vor ihrer aller Nasen abzog, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Natürlich war es schwer für sie, Fireballs Tod zu akzeptieren und niemand wollte ihr ihre Zeit der Trauer streitig machen. Aber das Verhalten, das sie im Moment an den Tag legte, ging einfach auf keine Kuhhaut mehr. Sie vernachlässigte vollkommen ihre Pflichten als Mitglied des Oberkommandos und der Star Sheriffs, scherte sich einen Dreck darum, was die Leute von ihr dachten, missbrauchte schamlos Sabers neu geborene Zuneigung zu ihr und wollte ihrem Verlobten dann noch nicht einmal einen Funken an Ehre zollen. Als ein heißer Schmerz wie ein Blitz durch seine Wange zuckte, fuhr Colt überrascht einen Schritt zurück. Wütend hatte April ausgeholt und dem Scharfschützen mit voller Wucht eine Ohrfeige verpasst. Wie konnte er es wagen, ihr nun doch wieder Vorhalte wegen Saber zu machen! Diese Sache ging den Cowboy nicht die Bohne an und sie würde sich sicherlich auch nicht dazu hinreißen lassen, sich deswegen vor ihm zu rechtfertigen: „Wie kannst Du es wagen, in diesem Ton mit mir zu reden, Du…Du….“ keifte sie aufgebracht und rannte dann in Richtung Treppe. Sollten Colt und Saber doch zusehen, wie sie miteinander klar kamen. Keine zehn Pferde würden sie dazu bringen, dieses Appartement heute zu verlassen! „Verdammt, jetzt habe ich aber endlich die Schnauze voll von Deinen Allüren, Sissie“, sie fühlte, wie sich zwei starke Arme um ihre Taille schlangen und sie mit Leichtigkeit in die Luft hoben, „ist mir doch egal, ob Du vernünftig angezogen bist, oder nicht, Du kommst jetzt mit!“ Mit geübtem Griff warf sich Colt die strampelnde und tobende Blondine über die Schulter und gab Saber ein kleines Zeichen, das wohl soviel wie „Aufbruch“ bedeuten sollte: „Du machst die Tür auf Top Sword und ich bugsiere Jezabel hier in den Jeep!“ „Lass mich sofort runter Colt“, zeterte April und schlug wild um sich, „warum glaubt Ihr eigentlich alle, dass Ihr mit mir umspringen könnt, wie mit einem Sack Kartoffeln?“ ihre Fäuste trommelten wild auf dem Hinterteil des Cowboys herum, der etwas nervös zu werden schien: „Jeder kriegt, was er verdient, Baby“, er verabreichte der jungen Frau einen ordentlichen Klaps auf den Allerwertesten, der sie kurz aufschreien ließ, „und wenn Du Dich nicht benimmst, werde ich noch ganz andere Seiten mit Dir aufziehen. Gehen wir Saber!“ „Colt, Du Mistkäfer!“ Fassungslos starrte der Säbelschwinger seinem Freund hinterher, der April tatsächlich wie einen Kartoffelsack in den Flur hinaus schleppte: „Meinst Du nicht, Du solltest sie vielleicht doch lieber wieder…“ „Lass mich runter, oder es wird Dir noch Leid tun!“ „Nein, ich denke, sie ist da oben erst mal gut aufgehoben“, der Cowboy zwinkerte dem Schotten frech zu und ignorierte die hohle Drohung, „auch wenn sie mindestens soviel wiegt, wie zwei Zentner Kartoffeln und ich wohl die nächsten Wochen nicht mehr sitzen kann!“ „COLT!“ „Ähm, also…“ der Schotte zögerte verlegen. „Man, Saber, jetzt mach endlich die Tür auf, bevor ich anfangen, hier Wurzeln zu schlagen!“ „COOOLT, Du mieser… Saber, wenn Du es wagst…ich werde Euch beide…“ Mit zögerndem Lächeln schob sich der Schotte an seinem Freund und dem fuchtelnden roten Bündel auf dessen Schulter vorbei: „Sorry, April“, er zog die Haustür auf und wies mit galanter Manier nach draußen, „ich schätze, im Moment ist Colt der Boss!“ Arietis hatte den Star Sheriff alleine in seiner Höhle zurück gelassen, nachdem er ihm dann mit einigem Murren doch aus den Überresten des Kampfanzuges geholfen hatte. Seine Laune war nicht die beste gewesen und Fireball plagte sich nun mit einem ziemlich schlechten Gewissen herum. Er hatte den neuen Freund hintergangen und dessen Vertrauen missbraucht, aber war es nicht in irgendeiner Weise nachvollziehbar, dass er endlich zurück nach Hause wollte? Natürlich hätte er sich geschickter und diplomatische anstellen können in seiner Vorgehensweise, aber was, wenn der Outrider ihn nun tatsächlich nicht hätte gehen lassen? Andererseits, warum sollte Arietis etwas daran liegen, einen Fleischling wie den Rennfahrer länger als nötig bei sich durchfüttern zu müssen. Fireball hatte ständig Widerworte, hörte weder auf gut gemeinte Ratschläge noch auf Anweisungen und war über alle Maßen hinaus ein ziemlich ungeselliger Zeitgenosse gewesen in den letzten Tagen. Wahrscheinlich war das Phantomwesen sogar froh, ihn endlich los zu werden! Betrübt griff der Star Sheriff nach dem weichen braunen Päckchen, das der Outrider für ihn auf dem Tisch hinterlassen hatte und faltete das Papier vorsichtig auseinander. Zum Vorschein kam eine ziemlich zerschlissene blaugraue Uniform, wie Fireball sie zuvor schon viele Male gesehen hatte. Als hätte er sich an der alten Baumwolljacke verbrannt, ließ der Rennfahrer sie ächzend auf den Tisch fallen. Er wusste genau, wann er zuletzt so einen Waffenrock zu Gesicht bekommen hatte, denn es war nur wenige Tage her gewesen. Christa hatte ihn getragen, die hübsche junge Navigatorin der Monarch Supreme. Es war eine Uniform des königlichen Garderegiments von Jarre! Mit zitternden Fingern fegte Fireball die Einzelteile seines Kampfanzuges vom Tisch und breitete die abgetragene Hose samt Gehrock auf der Holzplatte aus. Beide Kleidungsstücke mussten schon einige Jahre auf dem Buckel haben, denn der Stoff war an vielen Stellen verblichen und die Baumwolle verströmte einen modrigen Geruch. Die Jacke, die auf den Schulterklappen die Insignien eines Sterncaptains trug, war an mehreren Stellen mit ziemlich viel Geschick geflickt worden, auch wenn der Stoff, der in die Lücken eingefügt worden war, nicht ganz der Struktur und Farbe des Originals entsprach. Die Hose war zwar ebenso ausgedient, wies aber außer ein paar kleineren abgeschrammten Stellen keine Risse oder Ausbesserungen auf. Fireballs Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Kopf glühte vor Erregung: wie war Arietis in den Besitz einer Militäruniform aus dem Königreich Jarre gekommen? Seine Gedanken überschlugen sich und das Adrenalin, das mit rasender Geschwindigkeit durch seine Adern gepumpt wurde, brachte seinen Körper zum Vibrieren. Der Outrider war ein Soldat gewesen, das hatte der alte Mann selber zugegeben. Handelte es sich bei diesem Waffenrock etwa um ein makaberes Souvenir, dass das Phantomwesen einem seiner getöteten Feinde in den aktiven Zeiten seiner militärischen Laufbahn abgeknöpft hatte? Nein, das konnte nicht sein. Arietis mochte Soldat gewesen sein, aber sicherlich hatte er auch als solcher schon den gebührenden Respekt vor dem Gegner besessen. Ehrfürchtig ließ Fireball die Finger seiner gesunden Hand über den Stoff des Rocks wandern. Wem mochte diese Uniform gehört haben und warum hatte Ari sie die ganzen Jahre über aufbewahrt? Unbeholfen fingerte er an den Knöpfen herum und schob sie umständlich durch die kleinen ausgeleierten Löcher. Dann nahm er die Jacke auf und manövrierte seinen linken Arm wie bei einem Geduldsspiel, das man kleinen Kindern zum Trainieren ihrer motorischen Fähigkeiten gab, in den Ärmel. Vorsichtig zog er den Stoff über seine bandagierte Schulter und schlüpfte dann auch mit dem rechten Arm in den Rock. Er passte wie angegossen, genau wie die Hose. Mit schauderndem Unbehagen schaute der Star Sheriff an sich herab. Arietis, er musste mit Arietis reden und zwar augenblicklich! Er hastete aus der Höhle: „Ari?“ wo mochte der Kerl stecken? Unschlüssig stand Fireball im dämmrigen Tunnel und überlegte, in welche Richtung er sich wenden sollte, als er das Klappern von Geschirr vernahm. Also hantierte der Outrider in der Küche herum. Der Rennfahrer ließ mehrere Höhlen hinter sich, von denen er teilweise noch immer nicht wusste, zu welchem Zweck das Phantomwesen diese nutzte. Seine Schritte hallten gespenstisch von den Sandsteinwänden wieder und verfolgten ihn wie der dröhnende Schatten eines Auftragskillers. Die Küche war die mit Abstand größte Aushöhlung, die Arietis zu Wohnzwecken diente. Hier drinnen war es heller als im Rest der Behausung, weil es drei kleine Fenster gab, die mühevoll in die dicke Felswand geschlagen worden waren. Die Möblierung war schlicht und spartanisch wie auch sonst überall. Ein kleiner Holztisch mit zwei Stühlen, ein paar Regale, ausgehöhlte Nischen in den Wänden, die Platz für Lebensmittel und andere Utensilien boten und eine Feuerstelle, auf der der Outrider sein Essen zubereitete. Die verderblichen Lebensmittel wie Eier und Milch, Fireball hatte nicht schlecht gestaunt, als Arietis ihm seine Hühnerschar und seine drei Ziegen vorgestellt hatte, wurden weiter im Inneren des Tunnelsystems aufbewahrt, wo es auch tagsüber angenehm kühl blieb. Von der vermeintlichen Küche ging es hinaus in einen kleinen Canon, wo sich nicht nur Ziegen- und Hühnerstall befanden, sondern auch noch der ganz persönliche und mit viel Liebe umsorgte Gemüsegarten. Der Star Sheriff hatte nicht glauben wollen, dass in so einer unwirtlichen Gegend wie der Wüste von Ischtar überhaupt etwas wachsen konnte, aber dank eines ausgeklügelten Leitungssystems war Arietis in der Lage, Wasser tief aus dem Inneren der Berge auf seine kleinen Felder zu leiten. Und mit Hilfe von großen Leinensegeln schützte er seine Ernte gegen die sengenden Strahlen der heißen Sonne, so dass Gemüse und Getreide das ganze Jahr über zwischen den Felsen gedeihen konnten. Das Phantomwesen hatte es im Laufe der Jahre geschafft, sich so einzurichten, dass er völlig autark von jeder Zivilisation überleben konnte. „Ari!“ keuchend kam Fireball im Durchbruch zur Küche zum Stehen, aus der ihm augenblicklich ein herrlicher Duft nach Tee und gebratenen Eiern in die Nase stieg. Arietis stand an der Kochstelle und wendete mit einem leichten Schlenker des Handgelenks die Hühnereier, die in der gusseisernen Pfanne brutzelten. Die vier gelbweißen Gebilde beschrieben einen leichten Bogen über dem Kopf des Alten und landeten perfekt wieder auf der ungebratenen Seite zischend in der Pfanne. „Passt die Uniform?“ der Outrider hatte Fireball bislang noch nicht angesehen. Jetzt stellte er das fertige Frühstück auf einem kleinen Felsvorsprung ab und drehte sich dem Star Sheriff zu. Für einen Augenblick dachte dieser, der alte Mann würde vor Schreck aus den Latschen kippen. Seine Augen weiteten sich, als hätte er einen Geist gesehen und seine Hand wanderte schwankend zu seinem langen Bart: „Das kann doch nicht…“ „Ari, wo haben Sie diese Uniform her?“ der Rennfahrer betrat die Höhle mit schnellen Schritten und richtete sich zu seiner vollen Größe vor seinem Gegenüber auf. Dieser schien die Schrecksekunde überwunden zu haben und lächelte versonnen: „Siehst Du, wie ich es gesagt habe, sie passt wie angegossen. Wusste doch, dass Du ungefähr dieselbe Größe hast!“ „Dieselbe Größe wie wer“, noch mehr irritiert dadurch, dass Arietis neuerdings die Angewohnheit angenommen hatte, ihn zu duzen, griff Fireball an den Kragen des Waffenrocks, „Ari, woher stammt diese Uniform?“ er würde nicht eher Ruhe geben, bevor er eine klare Antwort auf seine Frage erhalten hatte. Und wenn die alte Phantomnase noch so sehr um den heißen Brei herum schlich und in Rätseln sprach. „Aus dem Königreich Jarre.“ Aufgebracht raufte sich der Star Sheriff die Haare: „Herrje, das sehe ich selber. Wie sind Sie an das Ding rangekommen?“ Arietis nahm in aller Seelenruhe einen Teller aus dem Holzregal über der Feuerstelle, ließ die Spiegeleier aus der Pfanne darauf gleiten und drückte dem ruhelosen jungen Mann das Ganze in die Hand: „Setz Dich hin und iss, ich erzähl es Dir ja!“ Nicht so recht davon überzeugt, dass er tatsächlich so schnell am Ziel angelangt war, stellte Fireball den Teller auf den Tisch, zog einen Stuhl unter der Platte hervor und nahm vor seiner Mahlzeit Platz. Der Outrider brachte ihm noch Messer und Gabel sowie eine Tasse mit dampfendem Tee. Gespannt blickte der Rennfahrer zu ihm auf: „Ich wusste, dass Sie noch irgendein Geheimnis zu verbergen haben, Ari!“ „Nun, ja, ob ich es Geheimnis nennen würde“, das Phantomwesen widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Feuerstelle, „es ist nur einfach eine Sache, über die ich nicht gerne spreche, weißt Du!“ unter der Feuerstelle hatte Arietis eine größere Aushöhlung geschaffen, in der sich die Hitze der Flammen so gut sammeln ließ, dass man das Fach im geschlossenen Zustand guten Gewissens einen Ofen schimpfen konnte. Der Outrider schob die Steinplatte zur Seite, die das Loch verschlossen hatte und äugte hinein: „Na, noch ein paar Minuten! Wie wäre es mit ein paar Tomaten und Gurken?“ „Ari!“ drohte Fireball ungestüm mit erhobenem Messer. „Schon gut, schon gut“, beschwichtigte Arietis gutmütig, „ich habe schon verstanden.“ Jetzt entschied er sich offenbar doch, dem Star Sheriff bei seinem Frühstück Gesellschaft zu leisten. Er setzte sich ihm gegenüber auf den zweiten Stuhl, faltete die Hände wie so oft in den Ärmeln seiner Robe und schloss die Augen: „Als ich Dir vor einigen Tagen erzählt habe, dass ich einst Soldat gewesen bin, na, ja, eigentlich hast Du es ja selber herausgefunden, nun, jedenfalls habe ich Dir da nur die halbe Wahrheit erzählt.“ Gebannt schaufelte der junge Star Sheriff die Spiegeleier in sich hinein, während der Outrider sich irgendwo in der Vergangenheit zu verlieren schien: „Weißt Du, hier in der Phantomzone gibt es nicht besonders viel, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Nur eine Handvoll Planeten bieten überhaupt die Möglichkeit, sich auf ihnen anzusiedeln, und keiner von den übrigen unterscheidet sich besonders von Ischtar. Wir haben zwar nie in Armut oder Hunger gelebt, aber sicherlich gab es hier nie ein Land, in dem Milch und Honig geflossen wäre. Das Volk war unzufrieden und lechzte nach Dingen, die sie nur aus Erzählungen oder von Bildern kannten. Berge und Seen, weite Felder und Wiesen, schneebedeckte Gletscher, tropische Wälder. All das, was es in Hülle und Fülle im neuen Grenzland zu finden gab. Wir hatten schon ziemlich frühzeitig die Technologie für den Dimensionssprung entwickelt und waren so in der Lage gewesen, Eure Dimension zu erkunden. Der Unmut unter den Bewohner der einzelnen Planeten wuchs, je mehr man über Euch Menschen und Euer Leben im Reichtum herausfand…“ „Gansch scho schwarsch und weisch kann man dasch aber auch nischt schehen“, ereiferte sich Fireball und verschluckte sich beinahe an einem ziemlich großen Stück Eiweiß, „die Siedler im Neuen… Grenzland haben schwer arbeiten… müssen, um sich all das aufzu…bauen, was wir heute dort…haben!“ er klopfte sich hustend auf die Brust. „Das ist schon richtig“, stimmte Arietis ihm unumwunden zu, „aber diese Tatsache wollte damals niemand wahrhaben. Der Neid und der Hass auf die Menschen, die im Gegensatz zu uns alles hatten, wuchsen von Tag zu Tag. Das war die Zeit, in der Nemesis zunehmend an Macht gewann. Er schürte den Unmut des Volkes, hetzte uns regelrecht gegen die Fleischlinge auf, und als ihm die Zeit reif erschien, hat er die Macht an sich gerissen. Viele Tausende sind ihm gefolgt und wären für seine Versprechungen auf ein besseres Leben in den Tod gegangen. Ich selbst habe da keine Ausnahme gemacht. Heute schäme ich mich dafür, dass ich so verblendet gewesen bin, Nemesis und seinen Lügen zu glauben. Aber damals erschien es mir völlig logisch, dass die Menschen für unsere Lage verantwortlich gewesen sein sollten.“ Der Star Sheriff wischte sich mit dem rechten Ärmel der Uniformjacke über den Mund: „Und so begann die Invasion…“ er dachte an die vielen Erzählungen von König Jared und Commander Eagle aus jenen Tagen. Er selbst war damals noch ein kleiner Knirps gewesen und hatte deswegen keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Das Gesicht von Arietis drückte tiefen Kummer und Schmerz aus, als er mit seiner Erzählung fortfuhr: „Ja, so ist es. Wir hatten Späher über das ganze Grenzland verteilt, um eine Schwachstelle in der Defensive der Fleischlinge aufzutun. Einen Planeten, den wir mit einem einzigen Überraschungsangriff dem Erdboden gleich machen und übernehmen konnten. Und diesen haben letztlich auch gefunden.“ „Jarre…“ murmelte Fireball versonnen. Der Outrider sprach von der Schlacht, in der sein Vater zusammen mit Nemesis’ Schlachtschiff in die Phantomzone katapultiert worden war. Geistesabwesend zog der Rennfahrer mit seiner Gabel kleine Spuren in die Überreste aus Fett und flüssigem Eigelb auf seinem Teller. „Ja, das Königreich Jarre. Wir hatten herausgefunden, dass der damalige König Jared versucht hatte, eine Allianz mit dem Kavallerie Oberkommando zu arrangieren, dass es aber noch zu keinem Abschluss der Verhandlungen gekommen war.“ „Ist er auch heute noch!“ Verstört blickte Arietis den Star Sheriff an, der in eine äußerst besorgniserregende Stimmung verfallen war: „Wie bitte?“ „Na, König Jared“, lächelte Fireball matt, „er ist heute immer noch König, wissen Sie.“ „Ach so“, der Outrider begriff, „wenn man so lange wie ich nicht mehr in Kontakt mit der Zivilisation gestanden hat, verliert man irgendwann den Überblick. Besonders über die Dinge, die nicht in der eigenen Dimension passieren. Nun, Nemesis hat damals entschieden, dass es Zeit war zu handeln, bevor das Bündnis zwischen Jarre und dem Oberkommando entstehen konnte. Nur so hatten wir eine Chance auf einen Sieg. Ich war damals bei den Streitkräften von Ischtar bereits im Rang eines Majors gewesen und wurde aufgrund meiner Erfahrung der direkten Eskorte von Nemesis’ Schlachtschiff zugeteilt…“ der alte Mann versank wieder in seinen Erinnerungen und bemerkte nicht, wie sich die Gesichtsfarbe seines Gegenübers bei der Erwähnung von Nemesis’ Schlachtschiff deutlich verändert hatte. Mit stillem Entsetzen lauschte Fireball den Erzählungen seines Feindfreundes, der im Begriff war, genau den Tag zu schildern, an dem er eine Halbwaise geworden war. „Der Angriff kam für Jarre völlig unerwartet und wir dachten, wir würden leichtes Spiel mit den weit unterlegenen Fleischlingen haben. Aber wir hatten unsere Rechnung nicht mit dem Mut und der Entschlossenheit von Euch Menschen gemacht. Obwohl die Unterstützung durch die Allianz ausblieb und sie schwere Verluste hinnehmen mussten, kämpften die Soldaten von Jarre mit bitterer Unbeugsamkeit weiter. Die Schlacht zog sich mehrere Tage hin und langsam aber sicher schafften wir es, den Kampfgeist des Gegners zu brechen. Wir bekamen laufend neue Munition und frische Soldaten aus der Phantomzone, während sich die Reihen der Menschen immer mehr lichteten und diejenigen, die noch übrig geblieben waren, aus Kräftemangel kaum noch einen Schuss abgeben konnten. Der Sieg schien unser, doch da löste sich völlig unerwartet ein Schiff aus der Verteidigungslinien und nahm direkten Kollisionskurs auf das Kommandoschiff.“ Fireballs Hand begann zu zittern und er legte flugs die Gabel beiseite, die leise klappernd auf den Tellerrand geschlagen hatte. Blut rauschte in seinen Ohren und pulsierte hinter seinen Augen. „Meine Aufgabe hatte darin bestanden, das Flaggschiff unseres Anführers gegen sämtliche Angriffe zu verteidigen, aber als ich dieses kleine Schiff mit seinem todesmutigen Piloten auf uns zurasen sah, war ich wie gelähmt. Meinen Kameraden musste es genauso ergangen sein, denn niemand eröffnete das Feuer auf den Angreifer. Nicht ein einziger Schuss wurde auf den Kampfjet abgegeben. Und dann…“ „Hat der Kampfjet das Schiff von Nemesis mit voller Wucht erwischt und beide wurden in einer gewaltigen Explosion in die Phantomzone zurück katapultiert“, mit schneidender Stimme hatte Fireball den Bericht des Outriders unterbrochen, „und vernichtet haben wir diesen Dreckskerl trotzdem nicht.“ Die plötzlich aufschäumende Wut des jungen Mannes war nicht zu übersehen: „Dann kennst Du die Geschichte also?“ Fireball nickte dämonisch: „Bis zu diesem Punkt schon. Die Geschichte von dem Kamikazepiloten, der sich geopfert hat, um Nemesis zu vernichten ist im neuen Grenzland legendär“, ungeduldig schob er den leeren Teller von sich fort, bevor er aus lauter Rastlosigkeit wieder anfing, damit herumzuspielen, „ich weiß, dass dieser Schlag Nemesis so hart getroffen hat, dass er beinahe dabei draufgegangen wäre. Er hat seinen Körper verloren und danach gut fünfzehn Jahre gebraucht, um seine Macht wieder soweit auszubauen, dass er neue Überfälle auf das Grenzland starten konnte. Nur was aus dem Piloten des Jets geworden ist, das weiß keiner.“ Es war unheimlich, diese Geschichte aus dem Mund eines Outriders erzählt zu bekommen, aber zum ersten Mal sah der Rennfahrer eine Möglichkeit, herauszufinden, was damals mit seinem Vater passiert war. „Es ist schon so, wie Du gesagt hast“, bestätigte Arietis stirnrunzelnd, denn er wunderte sich, warum die Ereignisse, die schon so viele Jahre zurück lagen, den jungen Mann so sehr aufregten, „der Kampfjet wurde zusammen mit Nemesis’ Flaggschiff in die Phantomzone katapultiert. Hierher, in die Nähe von Ischtar. Weil die menschlichen Schiffe eigentlich nicht für Dimensionssprünge geschaffen waren und dieser Jet auch nur durch den Sog des anderen Schiffes hierher geschleudert wurde, hat es den Sprung nur mit knapper Müh und Not überstanden. Der Pilot versuchte, sich nach Ischtar zu retten…“ „Der Pilot hat tatsächlich überlebt?“ fuhr Fireball unbeherrscht dazwischen und konnte die Anspannung kaum noch ertragen. Er musste sich jetzt zusammenreißen und durfte sich auf keinen Fall durch eine unbedachte Frage oder Geste verraten. Aris Gesicht hellte sich plötzlich auf, als er mit milder Stimme fortfuhr: „Ja, das hat er. Ich erhielt den Auftrag, diesen Eindringling zu verfolgen und ihm endgültig den Garaus zu machen“, das Herz des Rennfahrers setzte schlagartig aus, „also habe ich die Verfolgung aufgenommen und ihm nachgestellt. Bis hierher in die Canons.“ Er war hier, schoss es dem Star Sheriff durch den Kopf. Sein Vater war hier gewesen. Er hatte überlebt. Aber was war dann geschehen? Er traute sich kaum, die nächste Frage zu stellen: „Und, haben Sie ihn…erwischt?“ „Nein, das war gar nicht mehr nötig“, der Alte erhob sich von seinem Stuhl und ging zurück zum Backofen, „als ich das Wrack des Schiffes unweit von hier auf einem kleinen Felsplateau entdeckt habe, war mir ziemlich schnell klar, dass dieser Fleischling keine Bedrohung mehr für uns darstellen konnte.“ Geschäftig schob er die Steinplatte beiseite und zog mit Hilfe eines Holzlöffels ein braun gebackenes dampfendes Brot aus der Aushöhlung. Es roch verführerisch und wäre unter normalen Umständen genau das gewesen, was Fireball gebraucht hätte, um die Reste seines Frühstücks mit Genuss aufzutunken. Aber augenblicklich hatte er das Gefühl, als stünde sein Magen unmittelbar davor, die bereits verputzten Spiegeleier wieder von sich zu geben: „Also ist er beim Absturz ums Leben gekommen…“ stellte er geistesabwesend fest. Der Star Sheriff hatte sich noch nie so schlecht und elend gefühlt. All seine Hoffnungen, die er die letzten zwanzig Jahre mit sich herumgetragen hatte, waren mit einem einzigen Schlag zerplatzt wie eine gigantische Seifenblase. Sein Vater war tot. Die ganze Zeit über schon. Seine lächerliche Idee mit dem Outrider-Schiff war völlig umsonst gewesen. Genauso wie Mandarins Verlust. Mandarin! Ihr lachendes Gesicht tauchte vor ihm auf, kess und unbeschwert, die roten Haare vorwitzig in die Stirn gekämmt. Sie hatte für einen Traum sterben müssen, der von Beginn an niemals hätte in Erfüllung gehen können. Für seinen Traum! Arietis hatte ein großes Messer zur Hand genommen und schnitt einen Teil des Brotes in dicke Scheiben: „Nein, er ist nicht beim Absturz ums Leben gekommen.“ „Was“, japste der Rennfahrer einem Infarkt nahe, „Sie bringen mich wirklich um mit Ihrer Erzählmethode Ari! Kommen Sie endlich zum Punkt.“ Er konnte die Spannung kaum ertragen. Seine gesunde Hand hatte sich um die Kante der Tischplatte gekrallt und seine Füße scharrten nervös auf dem Felsenboden herum. War sein Vater nun am Leben, oder nicht? „Wenn Du mich nur einmal ausreden lassen könntest, Fireball, wäre ich wesentlich schneller fertig!“ tadelte der Outrider streng, während er dem Star Sheriff einige Scheiben des frischen Brotes vor die Nase stellte. „Tschuldigung...“ murmelte dieser kleinlaut. Eher aus Reflex und dem Bedürfnis heraus, sich irgendwie zu beschäftigen, schnappte sich der junge Mann eine Scheibe und wischte damit die Überreste des Rühreis von seinem Teller. Auch wenn sein Magen sich ein wenig beruhigt hatte, war er zwar nach wie vor nicht hungrig, aber der Hunger war jetzt sekundär. Solange er etwas zum Kauen hatte, konnte er sich wenigstens nicht durch übereilte Kommentare oder Ausrufe verraten. Misstrauisch beäugte Arietis seinen mampfenden Patienten von oben herab: „Warum interessiert Dich das Thema überhaupt so brennend? Das liegt doch alles schon so lange zurück.“ Ihm war die Nervosität und brennende Neugier des Rennfahrers nicht entgangen. „Würde doch jeden interessieren“, versuchte Fireball mit gespielter Gleichgültigkeit von seinem verräterischen Verhalten abzulenken, „hab doch gesagt, die Geschichte ist legendär bei uns… wollen Sie jetzt eigentlich weitererzählen, oder mir nur beim Futtern zuschauen?“ widerwillig zwängte er sich einen weiteren Bissen getunktes Brot zwischen die Lippen. Der Geschmack nach Fett und kaltem Spiegelei verursachte in seinem Magen einen leichten Brechreiz. Vorerst war der Outrider wohl zufrieden gestellt, denn er nahm den Faden seiner Geschichte ohne weitere Zwischenfrage wieder auf: „Ich habe meinen Gleiter neben dem Wracks seines Schiffes zur Landung gebracht, weil ich nicht noch einmal so einen schweren Fehler begehen und zumindest einen Blick auf seine Leiche werfen wollte. Aber wie ich schon gesagt habe, der Mann war nicht tot. Er war sehr übel zugerichtet, ob nun durch den Absturz oder den Sprung in die Phantomzone kann ich Dir nicht sagen. Da waren einige ziemlich schlimme Verletzungen und durch den hohen Blutverlust war er ohnmächtig geworden. Eigentlich wäre es meine Aufgabe gewesen, ihn zu erledigen, aber ich konnte es nicht…“ „Warum nicht?“ Fireball sah seinen Vater vor sich, wie er schwer verletzt in den Trümmern seines demolierten Jets lag. Wieso hatte man damals nicht versucht, ihm in die Phantomzone zu folgen, um ihn zu retten? König Jared hatte doch gewusst, was mit ihm geschehen war. Es wäre doch nur recht und billig gewesen, für das Leben eines Helden wie Shinjiro Hikari Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen! Träumerisch blickte Arietis hinaus in den sonnendurchfluteten Canon, in dem friedlich die Hühner vor sich hinpickten und die Ziegen gemächlich ihr Stroh fraßen: „Ich wollte es tun, wirklich. Ich habe mein Messer gezückt und war kurz davor, es ihm mitten ins Herz zu stoßen. Aber dann habe ich das hier entdeckt…“ er fuhr mit der rechten Hand in die Tasche seiner Robe und brachte ein zerfleddertes Stück Papier hervor, das er vor Fireball auf den Tisch legte, „in diesem Augenblick habe ich erkannt, dass Ihr Menschen nicht die blutrünstigen Monster seid, für die wir Euch bis dahin immer gehalten haben. Ich konnte ihn einfach nicht mehr töten!“ Mit tauben Fingern griff Fireball nach dem rechteckigen Zettel und zog ihn langsam zu sich heran. Sein ganzer Körper begann zu kribbeln, als er erkannte, dass es sich um ein sehr altes und zerkratztes Foto handelte. Zärtlich zog er die Konturen der jungen Frau nach, die ihn aus einer Hollywoodschaukel liebevoll anlächelte. Sie trug ein schlichtes gelbes Sommerkleid und hatte ihre braunen Locken zu zwei lustigen Zöpfen geflochten. Neben ihr lag ein dreifarbiger Sheltiewelpe auf den Polstern und knabberte genüsslich an den Schuhen des kleinen Jungen, den die Frau im Arm hielt. Das Herz des Rennfahrers krampfte sich schmerzhaft zusammen und seine Augen füllten sich mit Tränen, so dass das Bild zu einem undurchsichtigen Gewirr aus Farben verschwamm. Und trotzdem hatte er den kleinen Jungen mit seinen wuscheligen braunen Haaren, den großen Augen und seiner roten Latzhose genau vor sich. Wie hätte er dieses Foto auch vergessen können? Er hatte es jahrelang in seinem Portemonnaie mit sich herum getragen, bis es vor einem Jahr endlich einen festen Platz auf der Wohnzimmerkommode in seiner und Aprils Wohnung gefunden hatte. „Fireball, was ist los?“ besorgt über den plötzlichen Gefühlsausbruch des Star Sheriffs, dem in einem nicht versiegen wollenden Strom Tränen über die Wangen liefen, trat Arietis zu seinem Freund und legte ihm eine Hand auf die gesunde rechte Schulter. Er spürte das Zittern seines Körpers unter seinen Fingern und hörte das leise Schluchzen, das den jungen Mann unkontrolliert schüttelte. Wimmernd legte Fireball seinen Zeigefinger auf die Fotografie: „Der Junge…“, die Luft blieb ihm weg und er musste sich mehrfach räuspern, um noch einen weiteren Ton herauszubekommen, „das…das bin…ich.“ Der Outrider sah den Star Sheriff mit einer Mischung aus blanker Überraschung und erkennendem Verständnis an, gerade so, als hätte er im Unterbewusstsein bereits mit einer ähnlichen Enthüllung gerechnet, die ihn aber jetzt trotzdem völlig unerwartet getroffen hatte: „Deshalb diese Ähnlichkeit“, nickte er ergriffen, „dann war Shinjiro…“ „Ja“, flüsterte Fireball mit gebrochener Stimme, „Shinjiro Hikari war mein Vater!“ Mit noch blasserem Gesicht, als es bei den Phantomwesen üblich war, ließ sich der Alte erschöpft auf seinen Stuhl sinken: „Mein Gott… bist Du wirklich sein Sohn Shinji?“ Der Rennfahrer versuchte sich sichtlich zusammen zu reißen. Er schniefte laut und fuhr sich erneut mit dem Ärmel über die Nase: „So hat mich schon ziemlich lange niemand mehr genannt“, die Luft in der Küche schien auf einmal unerträglich heiß und er hatte das Gefühl bei lebendigem Leibe zu verbrennen, „ich hätte es eigentlich als eine Ehre empfinden müssen, dass mich nach meinem Vater benannt hat, aber seit ich mit dem Rennsport angefangen habe, war ich nur noch Fireball. Die Erinnerung an ihn war einfach zu schmerzhaft, jedes Mal, wenn ich meinen Namen gehört habe.“ Beinahe entschuldigend blickte er den Outrider an, so als wollte er bei ihm um Vergebung dafür bitten, dass er das Andenken seines Vaters nicht besser geachtet hatte: „Und trotzdem habe ich nie aufgehört, an ihn zu denken oder zu hoffen, dass er eines Tages zurück kommen würde. Als dieser Funkspruch auftauchte, da dachte ich wirklich…“, Fireball besann sich, dass er schon wieder im Begriff war, geheime Militärinformationen auszuplaudern, als ihm trotz all der verwirrenden Gefühle, die ihn beeinträchtigten, ein Licht aufging, „Sie sind das gewesen, Ari! Sie haben die Nachricht ins Neue Grenzland geschickt, um uns vor einem möglichen neuen Angriff der Wrangler zu warnen!“ Arietis verbeugte sich tief vor seinem Gegenüber: „Wenn ich gewusst hätte, dass Shinjiros Sohn ein Star Sheriff ist und durch diesen Funkspruch falsche Hoffnungen in ihm geweckt würden, hätte ich seinen Namen nicht dafür missbraucht“, gab er kleinlaut zu, „aber darin sah ich die einzige Möglichkeit, meine Warnung glaubhaft zu machen, ohne dass man sie für eine plumpe Falle hielt.“ „Zumindest bei mir hat es prima funktioniert“, schniefte Fireball ironisch, „ich bin wirklich mit der festen Überzeugung auf diese Mission gegangen, hier irgendwo meinen lange verschollenen Vater wiederzufinden…“ „Es tut mir so leid, Fireball, ich hatte nie die Absicht, Deine Gefühle zu verletzen“, der Outrider hielt den Kopf noch immer gesenkt, „aber als ich Wind davon bekommen hatte, dass die Wrangler einen erneuten Übergriff auf das Grenzland planten, musste ich die Menschen einfach vor der drohenden Gefahr warnen. Ich habe keine andere Möglichkeit gesehen…“ Jetzt zeigte sich auf dem Gesicht des Rennfahrers sogar ein kleines, wenn auch verweintes Lächeln: „Machen Sie sich keinen Kopf deswegen, Ari. Es war große Klasse, dass Sie ihren Hals riskiert haben, um uns zu warnen. Sie konnten es ja nicht wissen, dass ausgerechnet Hikaris Sohn…“, er stockte und stand unvermittelt auf, „was ist aus meinem Vater geworden, Ari?“ rastlos begann er in der Küche auf und ab zu gehen, so als wüsste er nicht, wohin mit seiner Energie. „Seine Verletzungen waren zu schwer, als dass ich ihn zurück in seine eigene Dimension hätte schaffen können. Mein eigenes Risiko war mir dabei egal, ich wäre auf jeden Fall mit ihm geflogen. Aber das hätte seinen sicheren Tod bedeutet. Also habe ich ihn hier in den Canons versteckt und mich um seine Wunden gekümmert. Ich habe alles nur erdenkliche herbei geschafft, um ihm zu helfen, aber es war nicht genug. Meine Anstrengungen und sein starker Lebenswille haben nicht ausgereicht…“ „Dann ist er also gestorben?“ Fireball wollte endlich Gewissheit haben, weil er sonst wohl nie in der Lage sein würde, gegen die Dämonen in seinem Inneren zu bestehen, die ihn seit seiner Kindheit quälten und geißelten. Er hatte es gewusst, irgendwie hatte er es immer gewusst. Dieses ganze Gerede von Hoffnung und der fixe Plan mit dem Outrider-Schiff, ja, selbst diese Mission waren nur klägliche Versuche gewesen, um sich über die Wahrheit hinwegzutäuschen. Er hatte nicht wirklich geglaubt, dass sein Vater, ein gefeierter Held und einer der besten Piloten der königlichen Garde, zwanzig Jahre lang in der Phantomzone schmorte, während er wusste, dass seine Familie zu Hause auf ihn wartete. Wenn er noch am Leben gewesen wäre, hätte er auch irgendwie einen Weg gefunden, in die eigene Dimension zurück zu kehren. „Ja“, der junge Mann konnte es nicht sehen, aber auch in Arietis’ Augen hatten sich nun Tränen gebildet, „er hat mit aller Kraft gekämpft und dem Tod fast zehn Tage lang die Stirn geboten, aber am Ende waren seine Verletzungen einfach zu schwer gewesen.“ „Zehn Tage?“ Fireball wollte es nicht glauben. Die Vorstellung, dass sein Vater eine so lange Zeit schwer verletzt in einer Höhle wie dieser hier gelegen hatte, von Freunden und Familie getrennt, ohne Aussicht auf Rettung, zerriss ihm schier die Seele in der Brust. Wenn es tatsächlich irgendwo in den Weiten des Universum so etwas wie einen Gott gab, wieso ließ er dann so schreckliche Dinge geschehen? „Es war seine Liebe zu Dir und Deiner Mutter, die ihn so stark gemacht hat, Fireball. In den Momenten, in denen er wach war und sprechen konnte, hat er mir von Euch erzählt. Er hat sich so sehr gewünscht, zu Euch zurückkehren zu können, um Dich aufwachsen zu sehen…“ „Danke, Ari“, Fireballs Hand legte sich stark und fest auf den zitternden Rücken des alten Mannes, „danke, dass Sie ihn nicht seinem Schicksal überlassen haben! Ich kann jetzt verstehen, warum Sie mich mit dieser Feldherrenmanier ans Bett gefesselt haben…“ Der Outrider nickte traurig: „Ich hätte es wohl nicht verwunden, wenn ich den Kampf gegen den Tod ein weiteres Mal verloren hätte.“ „Dann lassen Sie mich jetzt Ihnen eine Geschichte erzählen, Ari“, sagte der Rennfahrer mit plötzlich neugewonnener Ruhe. Er ging hinüber zum Durchbruch, der hinaus in den heißen Canon führte und lehnte sich mit dem gesunden Arm dagegen, „meine Mutter hat meinen Vater ebenso geliebt. Obwohl sie in ständiger Angst gelebt hat, dass er eines Tages nicht zu ihr zurückkommen würde, hat sie ihn immer unterstützt. Sie hätte niemals von ihm verlangt, dass er seinen Beruf als Pilot aufgibt, um bei seiner Familie bleiben zu können. Sie wusste, wie sehr er auch sein Land geliebt hat und dass es seine große Erfüllung war, für dieses Land einzutreten. Aber als dann jener schicksalsschwere Tag kam und mein Vater sein Leben für die Freiheit des Neuen Grenzlandes gab, ist meine Mutter an ihrer großen Liebe zerbrochen. Sie hat den Gedanken einfach nicht ertragen, ohne meinen Vater weiterleben zu müssen. Sie hat ihren eigenen Lebenswillen aufgegeben und es hat nicht sehr lange gedauert, bis sie ihm gefolgt ist. Ich war gerade mal drei Jahre alt, als sie mich in dieser brutalen Welt alleine gelassen hat. Und trotzdem kann ich es ihr bis heute nicht übel nehmen, denn ich weiß, wie sehr sie unter dem Tod meines Vaters gelitten haben muss. Und das ist auch der Grund, warum ich einfach nicht länger warten kann, Ari!“ Fireball hatte seine Fassung zurück gewonnen. Sein Vater war auf diesem Planeten gestorben, aber Arietis hatte dafür gesorgt, dass ihm ein ähnliches Schicksal erspart geblieben war. Nur ihm ganz allein hatte er es zu verdanken, dass er zurück in seine eigene Dimension kehren und das Leben leben konnte, das noch vor ihm lag. „Sie wollen nicht, dass April die gleichen Schmerzen durchmachen muss, wie ihre Mutter!“ begriff der alte Mann den Sinn hinter der kleinen Geschichte des Rennfahrers. „April ist stark“, stellte Fireball mit zärtlichem Unterton fest und bestätigte Aris Vermutung, „sie würde mit allem fertig werden, wenn es sein muss. Und sie hat gute Freunde, die sich um sie kümmern. Aber wenn ich irgendeine Möglichkeit habe, ihr Schmerzen und Kummer zu ersparen… sorry, Ari, dann muss ich das auch tun!“ „Ja, das kann ich verstehen“, lächelte der Outrider einsichtig, „aber Du musst mir versprechen, dass Du gut auf Dich Acht gibst!“ „Keine Sorge, Ari“, einer jähen Eingebung folgend trat Fireball von hinten an den Freund heran und umarmte ihn, „das werde ich! Aber vorher würde ich gerne noch das Grab meines Vaters sehen.“ April saß mit verschränkten Armen auf der Rückbank von Colts Jeep und schmollte. Der Cowboy hatte es wirklich fertig gebracht, sie den ganzen Weg durchs Treppenhaus bis hinunter ins Freie wie ein Stück erlegte Beute über der Schulter zu tragen um sie dann mit drohender Miene in den Wagen zu bugsieren. Und Saber dieser alte Verräter hatte ihm immer schön bereitwillig die Türen aufgehalten und dafür Sorge getragen, dass ihnen niemand den Weg versperrte. Jetzt flitzten sie mit einem Affenzahn über den Highway, mitten durch den dicksten Wochenendverkehr in Richtung Militärfriedhof. Es würde wohl nur noch ein paar Minuten dauern, bis sie ihr Ziel erreichten und April fröstelte leicht. Zuletzt waren sie alle zusammen vor gut zwei Monaten dort gewesen, um frische Blumen ans Grab von Mandarin Yamato zu bringen. Die Blondine konnte sich noch gut an die Beisetzung im letzten Jahr erinnern; Fireball hatte zu dem Zeitpunkt im Gefängnis gesessen und sie war, genau wie heute, mit Colt und Saber hergekommen, um dem Sterncaptain das letzte Geleit zu geben. Das halbe Oberkommando war dort gewesen und ihre Staffel hatte sich diese wirklich schöne Idee mit den Salutschüssen und der anschließenden Flugshow ausgedacht, die alle Trauergäste tief im Herzen berührt hatte. Und alles, was man jetzt für Fireball ausrichten wollte, war eine kleine, unauffällige Zeremonie, um die Presse nicht frühzeitig mit der Nase darauf zu stoßen, dass im KavCom einiges im Argen lag. Noch war verwunderlicher Weise kein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit geraten, weder in Bezug auf das Himmelfahrtskommando in die Phantomzone noch auf die Dinge, die sich in der anderen Dimension zugetragen hatten. Aber morgen wollte man endlich eine offizielle Mitteilung zu den Vorfällen abgeben und Fireballs Verlust publik machen. Natürlich erst, nachdem man sein Andenken in aller Eile und ohne große militärische Ehren in einer leeren Holzkiste verscharrt und eine offizielle Anhörungskommission zu dem Vorfall eröffnet hatte. Fireball war schon immer ein Liebling der Presse gewesen, als jüngster Champion des Grand Prix von Yuma wohl auch nicht ganz zu Unrecht, und sein Tod würde viele Menschen einen ziemlichen Schock versetzen. Wenn man aber seine Beerdigung bereits hinter sich gebracht hatte, bevor der Medienrummel losbrach, würde man seinen Verlust in der Zeitung wenigstens nicht zusätzlich mit Fotomaterial von seinem Grab oder den trauernden Freunden aufbauschen können. Das sah diesen Feiglingen aus dem Hauptquartier mal wieder ähnlich. Erst erteilten sie ihren besten Leuten einen Auftrag, der vor Risiken und Gefahren nur so gestrotzt hatte und dann wollten sie nicht für die Konsequenzen gerade stehen. April ließ sich von ihrer festen Meinung nicht abbringen, dass es sich bei der Bestattung nur um eine Farce handelte, um den Hals einiger hochrangiger Leute, darunter ihr eigener Vater, aus der Schlinge zu ziehen. Und indem man Saber bereits suspendiert und seine Anhörung angesetzt hatte, konnte man der lechzenden Allgemeinheit auch gleich einen hervorragenden Sündenbock für Fireballs Ableben präsentieren. Ein ausgetüftelter Plan, wie immer bis ins kleinste Detail durchdacht, doch sie würde sich nicht in dieses Theaterensemble einfügen und die Rolle der trauernden und am Boden zerstörten Verlobten geben. Nicht, wenn man einen der wenigen Menschen, die ihr im Moment zur Seite standen, den Hyänen zum Fraß vorwerfen wollte und ihr die Möglichkeit nahm, sich so von Fireball zu verabschieden, wie er es verdient gehabt hätte. Gut, Saber hatte sich eben eindeutig gegen sie gestellt und Partei für den Cowboy ergriffen, aber das waren zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel, und für diesen kleinen Verrat würde sie den Schotten heute Abend gehörig Buße tun lassen. Trotzdem war er ihr Freund, ihr Vertrauter, und sie schämte sich zutiefst dafür, wie das Oberkommando im Moment mit ihm umsprang, wo er doch bis vor drei Wochen das Aushängeschild schlechthin für die Kavallerie gewesen war. Man konnte sich eben doch nur einzig und allein auf die Gefährten verlassen. Die standen sicher wie der Fels in der Brandung und fielen einem nicht holterdiepolter in den Rücken, weil es die Politik gerade so gebot. Im Rückspiegel warf sie Colt, der sich voll und ganz auf den Verkehr konzentrierte, einen kritischen Blick zu. Selbst er hatte sie nicht wirklich verraten, auch wenn er sie jetzt zwang, an dieser rundweg bedeutungslosen Beerdigung teilzunehmen. Er tat es, weil er sich um ihren und um Sabers Ruf sorgte und weil er nicht wollte, dass sie es später bereuen würde, nicht dabei gewesen zu sein. Sicherlich machte er sich auch Sorgen wegen ihres Verhältnisses zu dem blonden Schotten; offenbar hatte er sich auf die Fahne geschrieben, sie vor einer übereilten Entscheidung in Sachen Beziehungskiste zu bewahren. Der Cowboy war schon ein feiner Kerl, da gab es kein Vertun, auch wenn er nicht immer alles verstand, was um ihn herum vorging. Für ihn mochte diese Trauerfeier tatsächlich eine wichtige Bedeutung haben, obwohl April sicher war, dass er seinen Abschied von Fireball bereits in der Phantomzone genommen hatte. Er konnte nicht begreifen, dass es sie kalt ließ, wenn man einen leeren Sarg in der Erde versenkte und so tat, als läge der tote Freund darin. Vielleicht fand ihre Sturheit, seinen Tod nicht so recht akzeptieren zu wollen ihren Grund ja darin, dass sie nie die Leiche des Rennfahrers gesehen hatte. Und wie konnte man jemandem Lebewohl sagen, von dem man nach wie vor jeden Morgen nach dem Aufwachen dachte, er würde im Bett neben einem liegen. Nur um immer wieder festzustellen, dass sich Fireballs brauner Wuschelkopf in die drahtigen blonden Haare von Saber verwandelt hatte. Sie war einfach noch nicht bereit, Fireball loszulassen, war denn das so schwer zu begreifen? Colt trat heftig auf die Bremse und der Wagen kam mit quietschenden Reifen vor einer roten Ampel zum Stehen. Kurzzeitig fühlte sich April versucht, die hintere Tür des Jeeps aufzureißen und einfach davon zu laufen, aber wie sie den Cowboy kannte, würde er ihr ohne zu zögern nachjagen und sie anschließend im Auto festbinden, damit sie keinen weiteren Fluchtversuch unternahm. Sie würde die grausige Prozedur der Trauerfeier eben mit all den dazugehörigen Floskeln und Gesten über sich ergehen lassen müssen. Aber sie nahm sich fest vor, keine der Reden und Beileidsbekundungen an sich heran und die ganze Zeremonie einfach an ihrem äußeren Schutzpanzer abprallen zu lassen. Es war nicht die Beerdigung ihres geliebten Fireball! Es war nichts, gar nichts! „Mensch Saber“, Colt hatte Aprils verdrossenen Blick im Spiegel aufgefangen und dem Schotten gegen den Oberschenkel geboxt, „kannst Du nicht mal dafür sorgen, dass sie endlich mit dieser Schmollerei aufhört. Der arme Reverend Simmons wird keinen Ton herausbekommen, wenn sie ihn mit dieser gruseligen Miene anstarrt.“ Unsicher drehte sich Saber zu April um und erkannte, was der Cowboy mit der gruseligen Miene meinte. Tiefe Falten standen auf der Stirn der hübschen jungen Frau, der Mund war zu einem dünnen Strich verzogen, so als hätte sie gerade erst in eine Zitrone gebissen und ihre Augen blickten ihn mit herausforderndem Funkeln an, so dass dem Schotten eine Gänsehaut über die Arme lief. Schnell schaute er wieder nach vorne auf die Straße: „Wieso denn ich?“ er bettelte insgeheim, dass die Blondine nicht all zu wütend auf ihn war und ihm am Abend nicht noch eine unschöne Szene machte. Nach einer Beerdigung war ein Streit mit April das letzte, was einen Suizidgefährdeten in den Selbstmord treiben würde. Colt schnaubte verächtlich: „Bist mir wirklich ein ganzer Kerl, Kumpel. Genug Hintern in der Hose um sie flach zu legen hast Du, aber wenn Du ihr mal zeigen sollst, wer der Boss ist…“ „Halt die Klappe, Colt!“ fuhren April und Saber ihn harsch wie aus einem Munde an. „Was denn, was denn, Ihr könnt wohl beide die Wahrheit nicht vertragen, was?“ Die junge Frau verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf: „Du warst ein wesentlich angenehmerer Zeitgenosse, als Du noch kindisch durch die Gegend gelaufen bist und gebrüllt hast: ‚Ich will kein Wort hören. Ich will das nicht mal gesehen haben!’“ äffte sie die Worte des Freundes nach, die er an jenem ereignisreichen Morgen verwendet hatte, um seinem Unmut lautstark Luft zu machen. „Hey, es ist verboten, den Fahrer während der Fahrt anzusprechen oder zu schlagen“, überging der Cowboy ihre Stichelei mit Bedacht, „hat Dir Dein Daddy das nicht beigebracht?“ weit über das Lenkrad gebeugt, um sich vor weiteren Schlägen in Sicherheit zu bringen, gab Colt Gas, denn zwischenzeitlich war die Ampel wieder von rot auf grün umgesprungen. „Und Dir haben sie vergessen, Deine Portion Taktgefühl einzupacken, als Du den Kuhstall verlassen hast!“ griff Saber grollend mit ins Geschehen ein. Er hätte es zwar nicht ganz so spitzfindig auf den Punkt gebracht wie April, aber alles in allem hatte sie ihm mit ihrer letzten Bemerkung direkt aus der Seele gesprochen. Er fühlte sich ziemlich unwohl, seit Colt angefangen hatte, anzügliche Bemerkungen hinsichtlich ihrer nächtlichen Aktivitäten zu machen. Denn noch immer gab es diese ständig an ihm nagende Frage, ob es in Ordnung war, dass er mit Commander Eagles Tochter schlief. Sein Herz sagte ihm, dass es richtig war, was sie taten, aber sein Verstand legte in diesem Punkt immer häufiger ein Veto ein. Der Schotte wusste, dass April ihn letztlich nur benutzte, um leichter über Fireballs Tod hinwegzukommen und dass es niemals zu ihrer Liaison gekommen wäre, hätte der Rennfahrer den Angriff der Outrider überlebt. Sie gehörte mit Leib und Seele dem jungen Heißsporn, doch er redete sich ein, dass das für ihn in Ordnung ging, solange sie nur weiterhin bei ihm blieb. „Entschuldigt“, frotzelte Colt mit triumphierendem Grinsen, „aber ich kann schließlich nichts dafür, dass Ihr Eure Hormone nicht unter Kontrolle halten könnt.“ Er war selber ein wenig überrascht, dass er mittlerweile so locker mit diesem Thema umgehen konnte, nachdem er doch anfänglich drauf und dran gewesen war, seinen Boss mit bloßen Händen zu erwürgen. Saber räusperte sich vernehmlich: „Ich wäre Dir ziemlich dankbar, wenn Du dieses Thema während der Beerdigung vielleicht aussparen könntest, ja!“ sein Gesicht hatte er von Colt abgewandt und tat so, als würde er die vorbeiziehende Skyline von Yuma City bewundern. „Man, für wie bescheuert hältst Du mich eigentlich“, antwortete der Cowboy säuerlich, „glaubst Du, ich habe Dich und die Giftspritze dahinten aus reiner Nächstenliebe abgeholt, damit Ihr Benzin sparen könnt?“ das hatte man nun von seiner gut gemeinten Weitsichtigkeit. „So habe ich das doch gar nicht gemeint“, gab Saber unwirsch zu, denn natürlich waren ihm Colts Beweggründe hinsichtlich des Fahrservices sehr wohl bekannt, „ich möchte nur vermeiden, dass der Commander Wind von der ganzen Sache bekommt.“ Nach wie vor rätselte er, ob Eagle über die tatsächliche Beziehung zwischen ihm und seiner Tochter im Bilde war oder nicht. Wenn er solch einen Wind in der Annahme veranstaltet hatte, dass April lediglich bei dem Schotten wohnte, würde er Saber ungespitzt in den Boden rammen, sollte ihm je die ganze Wahrheit zu Ohren kommen. Von dieser Bemerkung angestachelt lehnte sich die Blondine zwischen den beiden Sitzen der Freunde hindurch und sah den Säbelschwinger abschätzend an: „Glaubst Du wirklich er ist so blöd und hat den Braten nicht längst gerochen?“ Unsicher zuckte Saber mit den Schultern: „Würde zumindest erklären, warum er so fuchsig geworden ist, als wir über Dich geredet haben.“ „Ach, das ist ja interessant“, Colt griff nach dem Schaltknüppel, um einen vor ihm herschleichenden Transporter zu überholen, „hast mir von diesem kleinen Intermezzo mit dem Commander ja noch gar nichts erzählt!“ er legte schwungvoll den vierten Gang ein, der Motor des Jeeps heulte gequält auf und sie zogen in zügigem Tempo am dem LKW vorbei. In einigen hundert Metern Entfernung tauchte das Straßenschild auf, das die Abfahrt nach Tucson ankündigte. Dem Stadtteil, in dem sich auch der große Militärfriedhof der Allianz befand. „Hat sich ja unheimlich gelohnt, Dein Überhohlmanöver, was.“ versuchte April für Saber in Bresche zu springen. Sie wusste, wie ungern er über den kleinen Zusammenprall mit ihrem Vater redetet und wie gern Colt wiederum jedes einzelne Wort dieser Unterhaltung gehört hätte. Entsprechend kläglich ging ihr Versuch, das Thema zu wechseln, in einem dröhnenden Lachen des Cowboys unter: „Junge, so schlimm ist es gewesen“, warum musste er die spannendsten Dinge im Leben grundsätzlich verpassen, „was hast Du denn gemacht? Du bist doch nicht etwa einem hochrangigen Offizier des KavComs gegenüber frech geworden?“ Für diese anzügliche Bemerkung erntete er einen weiteren Hieb von der Rückbank und einen finsteren Blick seines Bosses: „Könnten wir vielleicht mit diesem albernen Theater aufhören und uns darauf besinnen, dass wir gerade auf dem Weg zu Fireballs Beerdigung sind“, Sabers Miene war zu Stein erstarrt, „auch wenn gewisse Leute in diesem Auto der sturen Meinung sind, sie müssten ohne Rücksicht auf Verluste ihr eigenes Ding durchziehen!“ Mit dieser Bemerkung hatte der Schotte es geschafft, sowohl Colt als auch April zum Schweigen zu bringen, obwohl er sein Leben darauf verwettet hätte, dass zumindest sie ihm noch eine gepfefferte Antwort darauf präsentieren würde. So legten sie in eisigem Schweigen die letzten Kilometer ihrer Fahrt zurück, bis Colt den Jeep temperamentvoll auf den knirschenden Kiesparkplatz des Friedhofs steuerte. „Erwarten wir Gäste von Außerhalb?“ überlegte Saber laut und musterte interessiert den dunkelblauen Alamo-Mietwagen, der als einziges Fahrzeug auf der ausgedehnten Parkfläche stand. Es war noch ziemlich früh und die Trauerfeier würde erst in einer halben Stunde beginnen; dass sonst noch niemand vom Oberkommando eingetroffen war, konnte also nicht weiter verwundern. „Hm“, April strich sich neugierig übers Kinn, während sie ihr Colts Vehikel verließ und die Tür mit Schwung hinter sich zuklappte, „Raumhafenkennung. Gehört bestimmt nicht zu uns, ist wohl eher Zufall.“ Der Schotte sprang mit federnder Leichtigkeit von der Beifahrerseite hinaus auf den Kies. Es tat ihm leid, dass er der Freundin eben mit so scharfen Worten die Leviten gelesen hatte und ergriff nun schüchtern die Hände der jungen Frau: „Ich bin froh, dass Du mitgekommen bist, April!“ erschrocken ließ er die Arme sogleich wieder sinken, als er sah, dass sie unsicher versuchte, ihm auszuweichen. Damit erübrigte sich zumindest vorläufig die Frage, ob sie sauer auf ihn war: „Ich dachte nur, Du solltest das wissen.“ fügte er hastig hinzu und verschränkte bekümmert die Hände hinter dem Rücken um zu verbergen, wie sehr sie bebten. April hingegen schlenderte mit betont gefasster Haltung an ihm vorbei, ohne den Freund eines Blickes zu würdigen: „Ich hatte ja wohl keine andere Wahl, oder?“ so einfach würde sie Saber mit dieser Masche nicht davonkommen lassen. Colt, unfreiwilliger Zeuge dieser kleinen Szene, verriegelte den Jeep per Knopfdruck auf den Zündschlüssel und drehte sich dann mit peinlich berührter Miene in die Richtung des Eingangstores: „Wenn Ihr noch reden wollt, also ich kann ja schon…ufff…“ dem Cowboy blieb sprichwörtlich die Luft weg, als plötzlich ein kleiner braunhaariger Junge mit voller Wucht gegen seinen Körper prallte und die Arme fest um seinen Bauch schlang: „Colt, da bist Du ja endlich!“ rief er freudestrahlend und verbarg sein Gesicht anschmiegsam an der kühlen Silikonplatten des Kampfanzuges. „Joshi?“ verblüfft schaute Colt auf Robins kleinen Bruder hinab, brauchte aber nur zwei Sekunden, um die erste Überraschung zu verdauen. Dann nahm er den Kleinen auf den Arm und drückte ihn ganz fest an sich, „wie geht es Dir, Partner? Ich hoffe, Du hast nicht all zuviel Blödsinn angestellt, während ich weg war!“ mit väterlichem Stolz wuschelte er durch Joshs strubbeligen Haarschopf. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er den kleinen hombre in den letzten drei Wochen vermisst hatte. „Nein, ich war artig wie’ n Klosterschüler!“ antwortete der Junge im Brustton der Überzeugung und schaute seinen großen Helden dann unsicher an. Colt erkannte sofort, dass seine übersprudelnde Fröhlichkeit verblasste und seine großen Augen zu schimmern begannen: „Hast Du mich nicht mehr lieb, Colt?“ seine Fingerchen krallten sich an den Schultern des Cowboys fest, der ihn völlig entgeistert anstarrte: „Aber Josh, wie kommst Du denn auf die Idee“, er nahm seinen Hut ab und ließ ihn auf Joshs Kopf herunterplumpsen, „Du weißt doch, dass ich niemanden so lieb habe wie Dich!“ Wären nicht die Ohren des Jungen gewesen, wäre ihm der große Stetson wohl weit bis über die Augen gerutscht. „Warum bist Du dann nicht zu uns gekommen. Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass Du kommst und uns wieder nach Hause holst!“ Nun stellte Colt verärgert fest, dass auch er den Tränen nahe war. Er stellte Josh zurück auf seine eigenen Füße und kniete sich dann vor ihm hin, damit er ihm von Mann zu Mann in die Augen sehen konnte: „Du weißt doch, dass ich nicht einfach hier weg kann, Josh. Ich bin ein Star Sheriff und kann nicht kommen und gehen, wie ich es gerne möchte. Ich habe Verpflichtungen gegenüber dem Neuen Grenzland, hast Du das vergessen?“ Josh zog einen Schmollmund: „Aber wieso mussten wir denn überhaupt weggehen? Robin hat gesagt...“ seine Worte gingen in einem lauten Schniefen unter. Saber beobachtete mit schwerem Herzen diese kleine anrührende Szene und erkannte zum ersten Mal, wer am meisten darunter leiden würde, wenn sich Robin und der Cowboy tatsächlich trennten. Josh hatte in Colt eine Art Vaterersatz gefunden und sein Herz an den Scharfschützen gehängt. Wieso nur musste diese bedingungslose und ehrliche Liebe eines Kindes so bitterlich enttäuscht werden? Der Schotte spürte, dass April zurückhaltend eine Hand in seine Linke schob und sich schüchtern an seine Schulter drängte: „Damit wäre ja wohl geklärt, wem das Auto gehört“, murmelte sie andächtig, denn auch ihr ging das Wiedersehen zwischen Colt und Josh sehr nahe, „ich kann es nicht fassen, dass sie tatsächlich gekommen ist und auch noch den Kleinen mitgebracht hat.“ Glücklich über ihre kleine Gefühlsbekundung drückte Saber sanft ihre Finger und hauchte dann einen zarten Kuss darauf: „Fireball war auch ihr Freund, vergiss das nicht. Aber leichter wird es dadurch für beide nicht!“ „Für alle drei meinst Du.“ ergänzte April, die brennenden Augen mitleidig auf den kleinen Jungen gerichtet, der so tapfer gegen seine Tränen anzukämpfen versuchte. „Josh“, versuchte Colt ihm jetzt zu erklären, „dass Robin mit Dir zurück nach Tranquility gegangen ist, hat absolut gar nichts mit Dir zu tun, hörst Du! Du bist und bleibst mein kleiner Kumpel! Aber manchmal ist es zwischen Erwachsenen eben etwas komplizierter und man kann als Kind nicht so ganz verstehen…“ prustend verschluckte er sich an seinen eigenen Worten, als sein Blick auf die schlanke blonde Frau, die soeben durch das Eisentor des Friedhofs getreten war und den Cowboy jetzt abschätzig musterte: „Hallo Colt“, sie verschränkte schützend die Arme vor der Brust, so als würde sie trotz der lauschigen Spätsommertemperaturen frieren, „freut mich zu sehen, dass es Dir gut geht!“ „Robin…“ unsicher stand Colt auf und legte Josh eine Hand auf die Schulter, „ich hab nicht damit gerechnet, dass Ihr hier sein würdet!“ etwas Besseres war ihm auf die Schnelle nicht eingefallen. Nervös fuhr er sich durch die Haare und versuchte ihrem würdevollen Blick standzuhalten, der ihn zutiefst verunsicherte. Er war nicht im Geringsten vorbereitet gewesen, seiner Frau so bald wieder gegenüberzutreten und glaubte, dass man das laute Pochen seines Herzens noch im Kilometer entfernten Hauptquartier hören konnte. „Hey Josh“, rief April aufmunternd in die brütende Stille und streckte dem Jungen von der anderen Seite des Wagens aus eine Hand entgegen, „was hältst Du davon, wenn Du mit Saber und mir einen kleinen Rundgang machst, hm?“ „Das ist eine klasse Idee“, Colt nickte der hübschen Blondine dankbar zu und sah dann abenteuerlustig zu Josh hinunter, „was meinst Du, Partner?“. Der Junge blickte unsicher zwischen dem Cowboy und seiner großen Schwester hin und her. Er hatte keine Lust, sich schon wieder von dem Scharfschützen zu trennen, wo er ihn doch so lange nicht gesehen hatte. Aber er merkte, dass die beiden Erwachsenen wohl miteinander reden wollten und dass sie ihn dabei nicht gebrauchen konnten. „Okay“, gab er sich deshalb geschlagen, flitzte zu April hinüber und griff nach ihrer Hand, „aber nicht zu lange!“ Josh war ziemlich schnell zufrieden gestellt, als Saber seine andere Hand ergriff und die beiden Star Sheriffs ihn auf Kommando hoch in die Luft wirbelten. Colt winkte ihm mit betretenem Lächeln hinterher und wartete, bis das Gespann hinter einer Hecke verschwunden war, bevor er sich mit säuerlicher Miene seiner Frau zuwandte: „Meinst Du, dass eine Beerdigung die richtige Umgebung für den Kleinen ist?“ Robin warf mit einem knappen Rucken des Kopfes ihr blondes Haar über die Schulter, eine Geste, die der Cowboy noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte, und antwortete dann mit bissiger Stimme: „Je früher er lernt, dass es im Leben nicht immer danach geht, was man möchte, desto besser“, sie ließ das Eisentor los und kam ein paar Schritte auf ihn zu, „außerdem hatte er Sehnsucht nach Dir und hätte es mir wohl nie verziehen, wenn ich ihn zu Hause gelassen hätte.“ „Hm“, auf dieses Argument konnte Colt nicht viel erwidern, denn er freute sich ja genauso diebisch, den kleinen Tunichtgut wieder bei sich zu haben, „geht es Euch denn sonst soweit gut? Ich meine, kommt Ihr klar?“ „Keine Sorge“, stieß Robin kalt hervor, „wir haben es jahrelang ganz gut alleine geschafft, auch ohne dass ein Mann im Haus war. Ich bin schließlich nicht aus Zucker!“ Eine offene Herausforderung, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Der Cowboy blähte die Nasenflügel wie ein in die Enge getriebener Brumby: „So habe ich das überhaupt nicht gemeint, verdammt“, reflexartig fuhr seine rechte Hand hinauf zu seinem Kopf, wo sie vergeblich den Hut suchte, mit dem Josh im Moment durch die Gegend spazierte, „ich wollte doch nur wissen… ach, vergiss es einfach!“ diese Unterhaltung würde zu nichts führen. Warum war Robin überhaupt hierher gekommen, wenn sie ihm doch nicht zuhören wollte? Etwas Ähnliches schoss wohl auch ihr gerade durch den Kopf, denn sie schloss mit einem kurzen Seufzen die Augen, um dann in gesetzterem Ton fortzufahren: „Es ist nicht einfach. Man hat mir zwar wieder einen Job als Lehrerin angeboten, offenbar gibt es nicht so viele Menschen, die freiwillig eine Schule in der Abgelegenheit von Tranquility leiten wollen, aber Josh leidet ziemlich unter der Situation“, sie blies sich energisch eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, „er vermisst die Stadt und seine Freunde aus der Schule, aber vor allem wohl Dich, Colt! Ständig liegt er mir in den Ohren, dass er zurück möchte und war einmal schon drauf und dran, sich mit seinem Rucksack und seinem Taschengeld alleine auf den Weg zu Dir zu machen.“ „Der Junge ist eben ein Teufelskerl“, lächelte Colt innig, „ich vermisse ihn auch schrecklich. Das Haus ist verdammt still ohne sein Gepolter und Geschrei.“ Robin nickte: „Und was ist mir mit“, unvermittelt schaute sie ihm direkt in die Augen, „vermisst Du mich auch, Colt?“ Dem Cowboy wurde heiß und kalt zugleich. Das war genau die Frage gewesen, mit der er sich seit ihrem überstürztem Aufbruch Tag für Tag auseinander gesetzt hatte und deren Antwort ihm noch immer nicht behagte: „Natürlich vermisse ich Dich, Süße, Du bist meine Frau!“ „Lass diese dummen Floskeln, Cowboy, und sei wenigstens jetzt ehrlich zu mir, ja!“ „Hey“, begehrte Colt erregt auch, „was soll denn das jetzt schon wieder heißen? Natürlich bin ich ehrlich zu Dir!“ wie er befürchtet hatte, die Streiterei setzte sich da fort, wo sie vor zwei Wochen geendet hatte. Es war falsch von Robin gewesen, jetzt zurück zu kommen, aber das konnte er ihr schlecht sagen, denn Fireball war nicht nur sein Freund gewesen. Es war ihr gutes Recht, sich von dem Rennfahrer verabschieden zu wollen. Als hätte sie ein unbelehrbar bockiges Kind vor sich, dass vehement abstritt, eine offensichtliche Missetat begangen zu haben, schüttelte Robin traurig den Kopf: „Und wieso, bitte schön, bist Du dann nicht zu uns gekommen, wenn Du uns angeblich beide so sehr vermisst hast?“ ihre Worte waren messerscharf wie Rasierklingen und schafften es beinahe, Colt aus dem Konzept zu bringen. Er war drauf und dran hier vor seiner Frau auf die Knie zu fallen und sie um Vergebung zu bitten; ihr alles zu versprechen, was sie sich nur wünschte, damit sie diesen lächerlichen Streit beenden und endlich ihr gemeinsames Leben fortsetzen konnten. Aber damit hätte er das Unausweichliche nur für einen weiteren Augenblick hinausgezögert. Ihnen beiden war klar, dass es so nicht weitergehen konnte, sie waren nur beide zu feige, diesen Gedanken offen auszusprechen. „Du weißt warum“, fasste sich Colt schließlich ein Herz und senkte den Kopf, „Du verlangst etwas von mir, das ich unmöglich erfüllen kann.“ Am liebsten hätte er die Worte sofort zurück genommen, als er sah, wie blass Robin wurde, aber nun hatte er einen Grundstein für etwas Unaufhaltsames gelegt und würde das Schicksal nicht mehr abwenden können. Es schmerzte ihn, diese hübsche Frau, die ihm nach wie vor sehr viel bedeutete, so leiden zu sehen. Warum nur musste er immer alles vermasseln, was er anpackte? Er hätte so glücklich mit Robin und dem kleinen Dreikäsehoch werden können, aber sein Sturkopf und sein ungestümer Geist hatten einmal mehr alles zunichte gemacht. „Du bleibst also nach wie vor bei Deiner Entscheidung“, fragte Robin zitternd, „Du gibst Deinen Posten bei den Star Sheriffs nicht auf?“ „Ich kann nicht, und das weißt Du auch“, bestätigte er niedergeschlagen, „die Star Sheriffs sind mein Leben, meine Bestimmung. Anfangs könnte ich es vielleicht noch ertragen, aber irgendwann würde ich Dich dafür hassen, dass Du mich dazu gezwungen hast, das alles aufzugeben.“ Warum musste das so unheimlich schwer sein. Wenn Robin sich im Moment nur annähernd so furchtbar fühlte, wie er, zeugte es von enormer Selbstbeherrschung, dass sie nicht längst in Tränen ausgebrochen war. So eine Situation wünschte man nicht einmal seinem ärgsten Feind, geschweige denn den Menschen, die man liebte. „Ja ich weiß.“ Robins Stimme war zu einem leisen Wispern verkümmert. Mit ernster Miene griff sie in die rechte Tasche ihres Rocks und zog eine kleine Schachtel daraus hervor, die sie Colt schwankend unter die Nase hielt. Verstört nahm der Cowboy das Kleinod entgegen: „Was ist das?“ vorsichtig öffnete er die Schatulle und starrte mit verschleiertem Blick auf den schlichten Goldring, der matt in der Sonne glänzte. Er schniefte wehmütig und ließ den Deckel wieder zuschnappen: „Robin, ich…“ „Lass es gut sein, Colt“, plötzlich war Robin bei ihm und umschloss tröstend die Hand, mit der er ihren Ehrering umklammert hielt, „es war ein Fehler, von Anfang an. Wir hätten niemals heiraten dürfen.“ Nun, da es offenkundig soweit war, wollte der Scharfschütze nicht glauben, dass es bereits vorbei sein sollte. Eine unglaublich drückende Leere breitete sich in seinem Inneren aus und drohte, sein Herz zu zerquetschen: „Aber…“ „Nichts aber, Colt. Es sollte nun einmal nicht sein!“ schnell zog sie ihre Hand zurück und drehte dem Cowboy den Rücken zu, damit er nicht sah, dass sie kurz davor war, die Fassung zu verlieren. Colts Finger zitterten und seine Beine fühlten sich so wackelig an, als wollten sie ihm jeden Moment den Dienst zu versagen: „Es…es ist meine Schuld, nicht wahr? Ich habe die Sache gründlich verbockt!“ flüsterte er entschuldigend, während er Robins Ring, das letzte Stückchen, das sie noch miteinander verbunden hatte, von der einen Hand in die andere wandern ließ. Die Schultern seiner Frau begannen zu beben, als sie mit tapferer Stimme antwortete: „Nein, Colt, Du bist nicht alleine Schuld daran. Wir haben beide Fehler gemacht“, mit heißen Tränen auf den Wangen wandte sie sich ihrem Mann wieder zu, „ich habe gedacht, meine Liebe wäre stark genug, um Dich zu ändern und Dich in einen ganz normalen Menschen zu verwandeln. Aber Deine Liebe zu den Star Sheriffs ist noch viel größer und mächtiger gewesen“, kleine Wasserfälle bahnten sich ihren Weg ins Freie und hinterließen durchscheinende Flecken auf dem Kragen von Robins weißer Bluse, „Du wirst niemals das Leben eines Durchschnittsbürger führen können. Denn Du bist etwas ganz Besonderes, Colt! Und es war irrsinnig von mir, das ändern zu wollen!“ „Ach Robin“, übermannt von seinen Gefühlen schloss Colt seine Frau fest in die Arme und drückte sein Gesicht in ihr blondes Haar, „es tut mir so leid, so unendlich leid…“ Ein letztes Mal hielten sich die beiden eng umschlungen und erinnerten sich an die schöne, wenn auch kurze Zeit, die sie miteinander hatten verbringen dürfen. Dann löste sich Robin gefasst aus den starken Armen des Cowboys und wischte ihre Tränen fort: „Es gibt da noch eine Sache, um die ich Dich bitten möchte…“ „Und das wäre?“ ergriffen und aufgerieben von der gesamten Situation versuchte Colt, sich wieder zu sammeln. Dass gerade ihm, dem Frauenheld vor dem Herrn, eine Abschiedsszene einmal so sehr zusetzen würde, hätte er früher nie für möglich gehalten. So gesehen hatte es Robins Liebe doch geschafft, ihn zu verändern, wenn auch nicht in dem Maße, wie sie es sich erhofft hatte. „Es geht um Josh“, erklärte sie unerschütterlich, „die Entscheidung fällt mir zwar nicht leicht, aber ich möchte, dass er hier auf Yuma bleibt.“ Diese Erklärung ließ einen kleinen Hoffnungsschimmer in Colt aufflammen: „Wie meinst Du das?“ Er vergötterte den kleinen Rabauken so sehr, dass er sich ein Leben ohne ihn nur noch schwer vorstellen konnte. Ohne sein fröhliches Lachen, seine beherzte Art und seine strahlenden Augen, die stets so verehrend zu dem Star Sheriff aufblickten. Robin zögerte leicht: „Ich denke, es ist das Richtige für ihn. Ich kann ihn nicht schon wieder aus der Schule nehmen, wo er sich doch gerade erst eingelebt und neue Freunde gefunden hat. Und außerdem bietet ihm Yuma ganz andere Bildungsmöglichkeiten, als ich das in Tranquility je könnte“, sie griff abermals in ihre Rocktasche und förderte ein ziemlich zerfleddertes Taschentuch zu Tage, „er ist so ein schlauer kleiner Bursche, es wäre schändlich, ihm nicht die Ausbildung zukommen zu lassen, die er verdient.“ Ihr lautes Schnäuzen ging Colt durch Mark und Bein und er stand kurz davor, sie wieder an sich zu ziehen. Aber dieses Anrecht hatte sie ihm soeben mit der Rückgabe des Rings abgesprochen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem beide über den ersten Schmerz der Trennung hinweggekommen waren: „Das ist eine wirklich selbstlose Entscheidung, Robin, ich weiß doch, dass Dir der Knirps alles bedeutet!“ aber was genau wollte sie jetzt von ihm? Sie konnte nicht ernsthaft erwarten, dass er sich alleine um Josh kümmerte, wenn er doch sein halbes Leben auf Verbrecherjagd draußen im All verbrachte. „Ich weiß, dass er es irgendwann verstehen wird. Und er kommt auch langsam in das Alter, in dem er nicht mehr seine große Schwester braucht, sondern eher einen Vater, zu dem er aufblicken kann.“ „Aber Robin, ich…“ „Keine Sorge“, unterbrach sie ihn eilig, „er wird die Woche über in der Schule bleiben. Sie führen dort ein sehr angesehenes Internat, in dem die Kinder selbst am Wochenende unter hervorragender Betreuung und Aufsicht stehen.“ Erleichtert atmete Colt aus: „Verstehe, Du möchtest also, dass ich gelegentlich ein Auge auf ihn habe?“ das klang eigentlich zu schön um wahr zu sein. Josh würde in seiner Nähe bleiben und er konnte den Kleinen besuchen oder zu sich holen, wann immer er wollte. Dass Robin trotz der Situation noch in der Lage war, so eine großherzige Entscheidung zu treffen, zeigte ihm auf, warum er sich einst in sie verliebt hatte. Bei seinen Worten hatte sich ein leichter Unmut in seiner Frau geregt und nun blitzte sie ihn vorwurfsvoll von der Seite an: „Josh ist kein Haustier, auf das man gelegentlich ein Auge hat, Colt. Er ist ein kleiner Junge, der eine liebevolle, wenn auch starke männliche Hand in seinem Leben braucht. Wenn ich ihn wirklich hier lasse, dann nur mit der Gewissheit, dass Du soviel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wirst und die Beziehung zu ihm so aufrecht erhältst, wie sie bislang zwischen Euch geherrscht hat!“ Der Cowboy nickte ernst: „Keine Sorge, Süße, dieses Mal werde ich es nicht vermasseln“, er streckte ihr zaghaft eine Hand entgegen und stellte erfreut fest, dass sie sie ergriff, „Joshi ist für mich wie ein Sohn und das wird er auch immer bleiben. Ich verspreche Dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich jede freie Minute hier auf Yuma mit ihm verbringen werde. Wenn wir nicht unterwegs sind, kommt er zu mir. Ich werde sein Zimmer nicht anrühren, Ehrenwort. Und ich werde mit ihm zum Baseball gehen und zum Football und…man, ich werde der coolste Vater der Welt sein!“ Bei so einem wahren Vulkanausbruch an Inbrunst und Begeisterung konnte Robin nicht anders und musste unwillkürlich lächeln. Es war schön, Josh bei dem Cowboy in guten Händen zu wissen: „Das wirst Du, da bin ich sicher. Nur setz dem Jungen nicht zu viele Flausen in den Kopf, ja“, scheu drückte sie ein letztes Mal seine Finger, „ich liebe Dich, Colt!“ „Ich liebe Dich auch!“ murmelte er traurig, bevor er sie gehen ließ. Dieses Mal für immer. Kapitel 20: Phönix aus der Asche -------------------------------- Phönix aus der Asche Fireball musste mehrfach gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfen, um sich nicht augenblicklich in das Cockpit des altersschwachen Outrider-Schiffes zu übergeben. Verbissen presste er die rechte Hand fest gegen seine Bauchmuskulatur und atmete langsam aus; das Letzte, was ihm zu seinem Glück jetzt noch fehlte, waren sicherlich nicht die sich ankündigenden antiperistaltischen Magenbewegungen. Seine Eingeweide rumorten rebellisch vor sich hin und auf der Zunge hatte er den säuerlichen Geschmack von Galle, gemischt mit Rührei und ranzigem Fett. Als ihn der nächste Brechreiz überkam, stöhnte er kraftlos auf und steckte den Kopf instinktiv zwischen seine Knie; so, wie er es bei den unzähligen Erste-Hilfe-Lehrgängen immer wieder eingebläut bekommen hatte. Er würgte keuchend und schlug sich panisch mit geblähten Wangen die Hand vor den Mund. Zwar würde diese lächerliche Gebärde das Unaufhaltsame nicht verhindern können, aber es war das einzige, was er im Moment tun konnte. Kotztüten gehörten augenscheinlich nicht zur Standardausrüstung eines Phantomnasen-Jets; ein ziemlicher Makel, wie der Rennfahrer fand. Mühsam schluckte er die in seiner Speiseröhre aufsteigende Masse wieder nach unten und holte tief Luft. Das führte zu einem unangenehmen Brennen seines Rachens, der durch Magensäure und Galle ziemlich gereizt und sensibel geworden war. Aber er hatte Glück; der Kopf-zwischen-die-Beine-Trick funktionierte und seine Innereien begannen sich allmählich zu beruhigen. Dafür stellte Fireball beim langsamen Wiederaufrichten mürrisch fest, dass seine demolierte Schulter von neuem angefangen hatte weh zu tun. Einerseits verwunderlich, weil sie sich ja in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr bemerkbar gemacht hatte, weder positiv noch negativ, andererseits aber auch nachvollziehbar, wenn man mal in Betracht zog, dass sein ganzer Körper massiv unter den Nachwirkungen des Dimensionssprungs zu leiden hatte. Wie war es möglich, dass die Outrider direkt nach dem Wechsel von der einen Dimension in die andere in der Lage waren, sofort ins Kampfgeschehen einzugreifen? Er persönlich fühlte sich noch elender als nach dem ersten Sprung und war kurz davor den Autopiloten einzuschalten, um sich bei einem kleinen Nickerchen von den Strapazen zu erholen. Dankbar stellte er fest, dass Arietis gut daran getan hatte, ihn so lange auf Ischtar festzuhalten. Denn wäre sein Körper in schlechterer Verfassung als heute gewesen, hätte der Star Sheriff den Sprung wohl nicht überlebt. Vielleicht lag es an der Beschaffenheit der Phantomwesen! Es ließ dem Rennfahrer einfach keine Ruhe, dass er als Mensch einen nicht abzustreitenden Nachteil gegenüber den Feinden aufweisen sollte. Sicherlich war es ihre Körperstruktur oder etwas in der Art, die sie gegenüber solch lästigen Plagen wie Übelkeit und Magenkrämpfen immun machte. Wie auch immer, er würde keinen weiteren Versuch unternehmen, um diesem ungelösten Geheimnis des Dimensionssprungs auf die Schliche zu kommen. Dieses war für ihn der erste und auch letzte Trip in die Phantomzone gewesen, das stand für Fireball eindeutig fest. Wenn Gott gewollt hätte, dass die Menschen ihre Sphären verließen, hätte er ihnen subtilere Möglichkeiten an die Hand gegeben, als ein abgestürztes Outrider-Schiff. Fireballs betäubte Sinne erwachten allmählich wieder zum Leben und er begann zu realisieren, dass er es tatsächlich geschafft hatte. Er hatte die Phantomzone verlassen und war zurück in seiner eigenen Dimension. Und den Planeten, der dort friedlich vor ihm seine Bahnen zog, hätte er unter Hunderten jederzeit wieder erkannt. Yuma! Nicht der größte, nicht der außergewöhnlichste und wahrlich bei weitem nicht der schönste Himmelskörper des Neuen Grenzlandes, aber es war sein Zuhause. Ein flatterndes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus, welches zum ersten Mal seit dem Sprung nichts mit Übelkeit zu tun hatte und auch keinen Brechreiz hervorrief. Unheimlich erleichtert darüber, dass das Navigationssystem von Aris betagtem Schiff so präzise funktioniert hatte, tätschelte er liebevoll das merkwürdig anmutende Armaturenbrett. Fireball war einfach noch zu geschwächt gewesen, als dass er einen Flug über mehrere Tage hätte durchstehen können. Ganz abgesehen davon, dass das einarmige Manövrieren eines Kreuzers, selbst, wenn es sich nur um ein so kleines Exemplar wie das von Arietis handelte und der Pilot so hervorragend war wie der Star Sheriff, beinahe Unmenschliches verlangte. Also hatte der Outrider den Bordcomputer so programmiert, dass der Rennfahrer direkt nach dem Verlassen von Ischtars Atmosphäre den Dimensionssprung hatte vollführen können und in der Nähe seines Heimatplaneten wieder materialisiert war. Das musste man den Outridern neidlos lassen, ihren Vorsprung in der Technologie des Dimensionssprungs würden die Menschen in naher Zukunft wohl nicht aufholen können. Der Rennfahrer versuchte krampfhaft, sich daran zu erinnern, was Arietis ihm vor seinem Abflug über die manuelle Steuerung des Schiffes gesagt hatte. Er hatte nur mit einem Ohr hingehört, weil er großspurig davon ausgegangen war, dass er mit seinen Fähigkeiten schon in der Lage sein würde, alles zu steuern, was sich mit Hilfe von Turbos in der Luft halten konnte. Und jetzt waren die guten Ratschläge allesamt aus seinem Gedächtnis verschwunden und es blieb Fireball nichts anderes übrig, als sich auf seinen Pionierinstinkt zu verlassen und die Mühle mit mehr Glück als Verstand auf den Boden zu bringen. Seine Hand fuhr unvermittelt zu der kleinen metallenen Plakette, die an einer Kugelkette um seinen Hals hing. Es war die Erkennungsmarke seines Vaters, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das man vor fünfzehn Jahren endlich durch die wesentlich fortschrittlicheren EDM-Cards ersetzt hatte. Arietis hatte sie zusammen mit dem Foto von Fireball und dessen Mutter, Commander Hikaris Blaster, seinem Waffengürtel und der Uniform all die Jahre lang aufbewahrt. Er hatte die Hoffnung nie aufgegeben, all die Dinge irgendwann an die Familie des Freundes zurückgeben zu können; und durch das Zusammentreffen mit Shinjiros Sohn war dieser Wunsch nach so langer Zeit tatsächlich in Erfüllung gegangen. Mit tiefer Dankbarkeit und schwerem Herzen hatte der Rennfahrer sich von dem Outrider verabschiedet. Schließlich hatte dieser nicht nur sein eigenes Leben gerettet, sondern auch versucht, seinen Vater vor dem Tod zu bewahren. Arietis war bei Commander Hikari geblieben, hatte seine Wunden versorgt und ihm in seiner letzten Stunde beigestanden. Es war für Fireball tröstlich zu wissen, dass sein Vater nicht in aller Einsamkeit gestorben war, sondern dass ein Freund ihn auf diesem letzten Weg begleitet hatte. Auch wenn nicht viel mehr von ihm geblieben war, als ein Haufen rotbrauner Steine in der Nähe von Arietis kleinem Canon, der Pilot der königlichen Garde von Jarre hatte hier seine letzte Ruhestätte gefunden und war ehrenvoll begraben worden. Das war viel mehr, als sich die meisten Soldaten in Kriegszeiten erhoffen konnten. „Na dann wollen wir mal“, munterte sich der Star Sheriff mit verbissener Entschlossenheit auf, „wäre doch gelacht, wenn wir Dich nicht runterbringen würden, Schätzchen!“ nachdem er soweit gekommen war, würde er sich nicht von ein paar verwirrenden Outrider Schriftzeichen und deren verwunderlicher Technologie aufhalten lassen. Experimentierfreudig drückte er hier und dort ein paar Knöpfe, legte den einen oder anderen Schalter um und stellte nach einigen Minuten des Herumtüftelns zufrieden fest, dass die Flugsysteme sich gar nicht so sehr von denen der Menschen unterschieden. Die Turbinen erwachten mit lautem Brüllen zum Leben und ließen sich durch die Betätigung zweier Pedale im Frontbereich recht einfach regulieren. Jetzt musste der Rennfahrer nur noch zusehen, dass er das antike Ungetüm auf den richtigen Kurs brachte. Zum Glück hatte er den Militärhafen von Yuma zuvor schon so oft angeflogen, dass er ihn mit verbundenen Augen und im dicksten Nebel gefunden hätte. Auf das Navigationssystem, welches er sowieso nicht bedienen konnte, war er also nicht angewiesen; es würde auch ohne Anflugskorridor funktionieren. Viel interessanter war dagegen die Frage, wie man ihn auf Yuma wohl empfangen würde. Fireball hatte keine Möglichkeit, mit der Bodenkontrolle oder der Luftraumüberwachung Kontakt aufzunehmen; wie sollte er dem KavCom also klarmachen, dass er zwar in einem Schiff der Outrider direkt den Militärstützpunkt der Hauptstadt anflog, aber in friedlichen Absichten unterwegs war und keinerlei Gefahr darstellte? Im Eifer des Gefechts hatte der Rennfahrer das Kampfschiff der Star Sheriffs beim letzten Mal verlassen, ohne seinen Communicator mitzunehmen; eine Nachlässigkeit, für die er sich schon mehrfach gerne geohrfeigt hätte. Und sein Helm, mit dessen Hilfe er vielleicht eine Verbindung mit Ramrod oder einem der anderen Star Sheriffs hätte herstellen können, war leider zusammen mit seinem Red Fury zu einem Haufen Schrott verarbeitet worden. Somit blieb Fireball nur zu hoffen, dass man ihm wenigstens die Möglichkeit gab, seinen fliegenden Untersatz zu landen und sich zu erkennen zu geben, bevor man das Feuer auf den vermeintlichen Feind eröffnete. Anders als beim letzten Anflug auf den Outriderplaneten Ischtar, bei dem er leicht selbstverliebt sein fliegerisches Geschick zum Besten gegeben hatte, ließ er es dieses Mal ein ganzes Stück besonnener angehen. Anhand von Oberflächenstruktur und anderen Merkmalen des Planeten orientierte er sich und versuchte, die Lage von Yuma-City ungefähr zu lokalisieren. Dann drosselte der Rennfahrer frühzeitig den Schub, damit ihm sein Schiff beim Eintritt in die Atmosphäre nicht unter dem Hintern verglühte. Doch auch so bebte der Gleiter noch heftig unter dem entstehenden Druck, als Fireball ihn mit der Nase voran in die äußeren Lufthüllen seines Heimatplaneten manövrierte. Der Schalthebel in seiner rechten Hand vibrierte so stark, dass er befürchtete, ihn nicht länger halten zu können und die Kontrolle über die Maschine zu verlieren. Es war vermessen gewesen zu glauben, er könne ein Schiff mit nur einem intakten Arm steuern. Verkrampft klammerte er seine Finger um das abgewetzte Leder, drosselte die Turbinen mit dem linken Fuß ein weiteres Mal und bemühte sich, den gesetzten Kurs zu halten. Das Metall um ihn herum ächzte und kreischte protestierend bei dem Gegendruck, der auf das Schiff traf. Binnen Sekunden stieg die Temperatur im Cockpit um mindestens fünfzehn Grad an und Fireball sah mit Besorgnis, dass die Schutzplatten am Bug seines fliegenden Untersatzes rot aufglühten. Ein kräftiger Ruck erfasste den Gleiter, der ihn beinahe in seine Einzelteile zerrissen hätte; dann war der Rennfahrer endlich in die letzte atmosphärische Schicht von Yuma eingetaucht. Mit letzter Kraftanstrengung stemmte er den linken Fuß gegen das Pedal der Schubreduzierung und riss den Steuerknüppel so weit wie möglich nach hinten. Er verkeilte den Hebel hinter seinem rechten Ellenbogen, weil er unbedingt an den Schalter für die Landeklappen herankomme musste, die Steuerung aber nicht einfach loslassen konnte. Wieso hatte man noch keine Raumschiffe erfunden, die sich komplett Sprachbefehlen steuern ließen? Die Nase seines Vogels hob sich langsam und das Schiff verlor so lange an Tempo, bis es in einen beinahe schwebenden Zustand überging. Zufrieden atmete Fireball aus. Der Jet hatte standgehalten und unter ihm lag in der friedlichen Mittagssonne die Skyline von Yuma-City: „Gut gemacht, alter Junge“, lobte er sich selbst mit einem gesunden Schuss an Galgenhumor, „wenn ich wieder eine Hand frei habe, klopfe ich Dir dafür auf die Schulter.“ Der Rennfahrer warf einen erlösten Blick auf die Stadt unter ihm. Er war zu Hause! In ein paar Minuten würde er dieses altertümliche Outrider-Schiff für immer verlassen und seine Füße endlich wieder auf Grenzlandboden stellen. Was für eine erhebende Vorstellung. Und sein Orientierungssinn hatte ihn nicht im Stich gelassen; in einiger Entfernung konnte er den gigantischen Militärkomplex mit dem gewaltigen Rollfeld ausmachen, das von Wartungshallen und anderen Bauten gesäumt war. Zwar erkannte er das alles aufgrund der großen Entfernung zwischen der Basis und seinem Schiff nur schemenhaft, aber das würde sich bald ändern. Vielleicht konnte er aus der Nähe sogar Ramrod ausfindig machen; mal vorausgesetzt, der Kampfroboter befand sich nicht in einem der Hangars oder gar im Einsatz. Fire betete, dass Saber und die anderen irgendwo dort unten im Hauptquartier herumlungerten, denn er konnte es gar nicht erwarten, ihre verdatterten Gesichter zu sehen, wenn er aus heiterem Himmel und ziemlich fidel vor ihren Nasen auftauchte. Er lenkte seinen Gleiter in die Richtung des Oberkommandos und ließ die Triebwerke aufheulen. Plötzlich waren seine Müdigkeit und die Strapazen des Dimensionssprungs vergessen, ja selbst sein Arm war im Moment nicht mehr wichtig. Heute Abend würde er nicht in seiner dunklen Höhle hocken und Aris Geschichten lauschen, einen Teller Eintopf und selbst gebackenes Brot auf den Knien. Vielmehr schwebte ihm ein romantisches Candlelight-Dinner vor, mit angemessener musikalischer Untermalung und natürlich der passenden Begleitung. Wie sehr er sich doch danach sehnte, April endlich wieder bei sich zu haben! Dieser Gedanke lenkte ihn so sehr ab, dass er beinahe das schwache Aufblitzen übersehen hätte, dass die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem entfernten Rollfeld hervorgerufen hatten. Der Rennfahrer blinzelte kurz und nahm die Stelle genauer in Augenschein. Dort unten gab es irgendetwas metallisches, das das Licht der Sonne reflektierte. Angefressen rümpfte er die Nase, als er vier kleine Punkte ausmachte, die sich soeben von einer der Starbahnen erhoben hatten, eine Schleife flogen und nun auf ihn zugeschossen kamen. „Mein Empfangskomitee“, die Freude über die Heimkehr verschwand augenblicklich, als er erkannte, dass es sich bei den vier Punkten um Kampfjets des Kavallerieoberkommandos handelte, „ich hoffe mal, Ihr seid heute Morgen nicht mit dem falschen Stinkefüßchen aufgestanden, Jungs!“ Natürlich war er beim Eintritt in die Atmosphäre auf den Radarschirmen des KavCom als nicht identifiziertes Raumschiff erschienen und hatte bestimmt einigen Wirbel in der Kommandozentrale verursacht. Ein Wunder eigentlich, dass man ihm nicht schon früher einen Trupp Abfangjäger auf den Hals geschickt hatte. Ganz insgeheim hatte Fireball ja gehofft, man würde die Star Sheriffs beauftragen, sich um den fremden Eindringling zu kümmern. Aber dieser Aufwand wäre für einen einzigen kleinen Gleiter wohl zuviel des Guten gewesen. Und andererseits war es vielleicht auch sein Glück, dass man ihm nicht gleich den schießwütigen Cowboy präsentiert hatte. Der Rennfahrer wusste ja, dass Colt gerne den Abzug betätigte und erst dann sein Gehirn einschaltete. Die vier Jets waren jetzt fast bei ihm. Es handelte sich um Hummingbirds, kleine wendige Kampfflieger, wie auch Mandarin Yamato einen geflogen hatte. In sicherem Abstand umkreisten die Piloten sein abgewracktes Schiff wie ein Rudel Wölfe und versuchten immer wieder, ihn vom Kurs abzubringen. Fireball wusste genau, was sie damit bezweckten. Sie befanden sich mitten über der Stadt und er stellte somit ein gehöriges Sicherheitsrisiko dar. Wenn sie es schafften, ihn von seiner Flugbahn zu verdrängen und über unbesiedeltes Gelände zu bugsieren, würden sie vermutlich keine Sekunde zögern und ihn wie einen überreifen Apfel vom Himmel pflücken. Sobald sie dem Star Sheriff also ein wenig mehr Luft ließen, lenkte dieser seinen Jet zurück auf den ursprünglichen Kurs. Er würde sicher nicht so dämlich sein, sich auf ihr kleines Katz-und-Maus-Spiel einzulassen. Solange er über der City blieb, hatte er zumindest die Chance, im ganzen Stück wieder auf den Boden zu gelangen. Wenn sie ihn nicht hier oben erledigen konnten, mussten sie ihn zwangsläufig irgendwann zur Landung bewegen. Es dauerte nicht lange, bis auch Fireballs Verfolger zu dieser Einsicht gekommen waren. Einer der Piloten, vermutlich der Staffelführer, schloss zur Höhe seines Schiffs auf und hielt seinen Jet in einigen Metern Abstand neben ihm. Unsicher schaute der Star Sheriff zum Cockpit des KavCom Soldaten hinüber, der seinerseits den Blickkontakt zu ihm suchte. Sollte er ihm vielleicht zuwinken oder wenigstens ein nettes Lächeln aufsetzen? Zeichensprache wäre in dieser Situation bestimmt eine tolle Sache gewesen: „Memo an mich“, murmelte Fireball mit zusammen gebissenen Zähnen, „nächstes Mal das Programm der Volkshochschule nicht gleich in den Müll werfen!“ Der Pilot der Hummingbird merkte, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Rennfahrers genoss und begann wild mit dem rechten Arm in der Luft herumzufuchteln. Offenbar wollte er dem Eindringling klarmachen, dass dieser ihm folgen sollte. „Na, das klappt ja besser, als erwartet!“ nun doch grinsend salutierte Fireball, reduzierte seine Geschwindigkeit und hängte sich an das Heck des Grenzland-Jets. Augenblicklich ließen sich die Kameraden des Staffelführers hinter ihn zurückfallen. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie umgehend das Feuer eröffnen würden, sollte er irgendetwas unternehmen, was ihrem Anführer gefährlich werden konnte. Sie konnten ja nicht wissen, dass überhaupt kein Grund für solche Sorgen bestand. Brav und artig, wie es sich für einen wohlerzogenen in Gewahrsam genommenen Soldaten gehörte, ließ sich Fireball von der kleinen Eskorte zum Militärhafen von Yuma geleiten. Mehrere Streckenposten warteten bereits darauf, ihm eine etwas abgelegene Landebahn zuzuweisen, die hermetisch von Soldaten abgesichert wurde. Holprig wie ein Kadett bei seinem ersten Flugtraining setzte der Rennfahrer seinen Jet auf den vertrauten Asphalt des Flugfeldes auf und ließ ihn gemächlich ausrollen. Als sein kleiner Kreuzer dann endgültig zum Stillstand gekommen war, atmete er erleichtert aus und löste die Sicherheitsgurte. Dass er ohne Probleme so weit gekommen war, grenzte schon beinahe an ein Wunder, aber ein schneller Blick aus dem Cockpit deutete an, dass das Schlimmste noch lange nicht überstanden war. Fireball war umzingelt von mindestens zwanzig Soldaten, allesamt mit Blastern im Anschlag und grimmigen Mienen auf den Gesichtern. Jetzt musste er sich wirklich vorsehen, wenn er nicht wollte, dass Ari sich umsonst um sein Weiterleben bemüht hatte. Langsam und bedächtig drückte er den Knopf für das Kanzeldach, welches mit hydraulischem Zischen aufsprang. „Nehmen Sie die Hände hoch und steigen Sie ganz langsam aus!“ brüllte ihm einer der Raumhafensoldaten zu und winkte den Star Sheriff mit der Hand zu sich. Fireball schoss augenblicklich durch den Kopf, dass die Verteidigungskräfte von Yuma allesamt hervorragend für einen Job als Achterbahneinweiser in Disneyland geeignet gewesen wären, behielt diese Feststellung aber besser für sich. Die Jungs und Mädels da draußen sahen nicht so aus, als wäre ihnen im Moment sonderlich nach Scherzen zumute. Wachsam stemmte er sich mit dem rechten Arm nach oben, schwang die Beine über den Rand des Cockpits und ließ sich sacht auf den Asphalt hinunter rutschen: „Immer mit der Ruhe, Leute, keine übereilten Aktionen, ja…“ „Hände hoch, habe ich gesagt“, brüllte Fireballs Kontrahent und aktivierte den Laserpointer seines Blasters, der einen kleinen roten Punkt auf die Stirn des Star Sheriffs projizierte, „von Klappeaufreißen hat niemand etwas gesagt, klar!“ „Man, nehmen Sie das verdammte Ding runter“, antwortete der Rennfahrer gereizt, „sonst tun Sie sich noch damit weh!“ Das war ja wirklich eine nette Begrüßung. Trotzdem tat er widerspenstig, was von ihm verlangt wurde und hob den rechten Arm. Dem Seargent, einem kleinem untersetzten Kahlkopf mit reichlich vielen Schweißperlen auf der Stirn und noch mehr Pockennarben im Gesicht, platzte beinahe der Kragen: „Wenn Sie mich verarschen wollen, haben Sie sich einen denkbar schlechten Tag dafür ausgesucht“, er schwenkte den Laserpointer auf Fireballs verletzte Schulter, „beide Arme, Sie Klugscheißer, wenn Sie nicht wollen, dass ich abdrücke!“ Der Star Sheriff grinste humorlos zurück: „Da kommen Sie zu spät, Searge, das haben die Outrider nämlich schon für Sie erledigt.“ Dieses Theater wurde allmählich lästig. Warum fragte ihn denn nicht endlich jemand, wer er war oder was er wollte? Damit hätten sie sich diesen ganzen Blödsinn hier wirklich schenken können! „Solche Märchen können sie vielleicht Ihrer Großmutter erzählen, aber nicht mir!“ verdammt war dieser hässliche Kerl lästig! Bärbeißig schaute sich Fireball in der Runde der Soldaten um, weil er hoffte, hier die nötige Unterstützung oder wenigstens etwas mehr Intelligenz auftun zu können. Mit diesem Bullen dort drüben war jedenfalls auf absehbare Zeit kein vernünftiges Gespräch zu führen: „Vielleicht wäre ja irgendjemand so gütig, Commander Eagle zu holen, damit ich es ihm erzählen kann?“ wenn die Erwähnung seines Vorgesetzten nicht zog, dann wusste Fireball auch nicht mehr weiter. Der Seargant zuckte tatsächlich kurz zusammen, als er den Namen von Eagle hörte, aber er hatte sich schnell wieder im Griff und blaffet umso wütender zurück: „Denken Sie wirklich, dass Sie in der Lage sind, hier Forderungen zu stellen, Mann? Kommen hier so mir nichts Dir nichts in einem Outrider-Schiff angerauscht und meinen, man müsste den roten Teppich vor Ihnen…“ seine Standpauke wurde von den quietschenden Reifen eines heranrauschenden Cougars unterbrochen, einem jener Jeeps, die das Bodenpersonal des Kavallerie-Oberkommandos vorzugsweise benutzte. Der Wagen kam knapp hinter der Linie der Bewaffneten zum Stehen und ein schwarzhaariger junger Offizier sprang, dicht gefolgt von seinem Fahrer, auf die Landebahn. Die Silhouette des Mannes kam Fireball vage bekannt vor, aber leider stand er so ungünstig zur Sonne, dass er blinzeln musste, um überhaupt ein einigermaßen scharfes Bild von dem Soldaten zu erhaschen. „Was zum Teufel geht hier vor sich, Jenkins“, fuhr dieser den übellaunigen Soldaten mit vertraut klingender Stimme an, „wer hat Ihnen den Befehl gegeben, hier so ein Affentheater zu veranstalten?“ nun war sich Fireball ganz sicher, wen er da vor sich hatte und ein Stein, so groß wie ein Asteroid fiel ihm vom Herzen. Unsicher, ob er seine Waffe sinken lassen sollte, oder den Eindringling lieber im Fadenkreuz behielt, schaute Jenkins zu seinem Vorgesetzten auf: „Aber Captain, Sie haben doch selbst…“ „Ich habe gesagt, bringen Sie ihn runter, ohne dass dabei jemand zu Schaden kommt und überprüfen sie ihn“, blaffte der Schwarzhaarige mit hochrotem Kopf, „niemand hat verlangt, dass sie gleich die ganze verdammte Armee involvieren!“ erst jetzt nahm er sich die Zeit, den Piloten des gelandeten Outrider-Schiffes genauer in Augenschein zu nehmen: „Und Sie können uns vielleicht erklären…“, seine Augen weiteten sich vor blankem Entsetzten, „das kann nicht sein!“ flüsterte er schockiert. Seine Hände begannen zu zittern und er zwinkerte mehrfach, um das Phantombild zu verscheuchen, das dort vor ihm stand. Als er jedoch merkte, dass das Zwinkern nichts an der Erscheinung änderte, drückte er Jenkins’ Waffe, die noch immer auf den Star Sheriff gerichtet war, mit kalkweißer Miene nach unten. Zufrieden nahm Fireball zur Kenntnis, dass sein Gegenüber ihn trotz der merkwürdigen Uniform erkannt hatte. Was für eine glückliche Fügung, dass Arietis in seinem unerschöpflichen Fundus an nützlichen und unnützen Dingen noch so etwas wie eine Rasierklinge aufgetrieben hatte. Mit dem wilden Bart, den der Rennfahrer bis vor zwei Stunden noch getragen hätte, wäre es seinem Gegenüber wohl nicht so leicht gefallen, ihn zu identifizieren. „Feiner Zug, dass Du vorbeischaust, bevor Deine Leute einen Schweizer Käse aus mir gemacht haben“, er entspannte sich und ließ endlich den erhobenen Arm sinken, „die Gastfreundschaft des KavCom hat in der kurzen Zeit ganz schön gelitten, wie!“ „Himmel, Fireball, Du bist es wirklich“, der verdutzte Soldat machte einige Schritte auf Fireball zu, bevor ihm einfiel, dass er noch immer keine Entwarnung gegeben hatte und sich mitten ins Fadenkreuz seiner eigenen Männer schob. „Waffen runter“, bellte er in herrischem Ton, der keinen Widerspruch duldete, „die ganze Lanze rühren und wegtreten, sofort!“ Mit belustigter Miene beobachtete der Rennfahrer, wie ein Soldat nach dem anderen verwirrt den Blaster sinken ließ. Bei der Erwähnung seines Namens hatte tuschelndes Gemurmel eingesetzt, aber leider so leise, dass er nichts weiter als Bruchstücke davon mitbekam. Jenkins warf ihm noch einen misstrauischen Blick zu, bevor er seine Waffe zurück in den Holster schob und sich in Richtung der Baracken trollte. „Sie erwarte ich in einer halben Stunde in meinem Büro, Jenkins!“ rief der Captain ihm wütend über die Schulter hinterher. Dann kam er zu Fireball hinüber, der ihn aufmunternd angrinste. „Reizender Zeitgenosse, werde ihn echt vermissen! Wusste übrigens gar nicht, dass Du befördert worden bist, Dave“, versuchte der Star Sheriff die Situation ein wenig aufzulockern, denn der Schreck über sein plötzliches Auftauchen stand dem jungen Mann ihm gegenüber noch immer mitten ins Gesicht geschrieben, „da ist man mal zwei Wochen weg…“ Captain Scott betrachtete unsicher die Hand, die Fireball ihm entgegenstreckte, entschied sich dann aber doch, sie zu ergreifen und zaghaft zu schütteln: „Ich versteh das nicht, sie haben doch gesagt…“ David musste sich stark zusammenreißen, um dem Star Sheriff nicht in den Arm zu zwicken, „April hat gesagt, Du bist…“ „Ach, Du weißt doch“, wehrte der Rennfahrer übertrieben lässig ab, „es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird!“ dabei hatte Scotts Reaktion durchaus einen Wunden Punkt in seinem Inneren berührt. Sie hatten ihn also tatsächlich für tot erklärt! Bis jetzt hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Star Sheriffs vielleicht doch irgendwann zurückgekommen wären, um nach ihm zu suchen: „Wie hat das mal ein schlauer Kopf ausgedrückt, die Nachricht von meinem Tod war stark übertrieben, oder so ähnlich!“ David nickte geistesabwesend: „Mark Twain…“ „Hä?“ forschend blickte Fireball in die starren Augen des Soldaten. „Mark Twain! Der hat das gesagt“, brummte der Captain, mit den Gedanken noch immer weit vom Rollfeld und dem Raumhafen entfernt, „wie kann es sein, dass Du am Leben bist?“ „Ach, längere Geschichte, Alter! Zu lang, um sie Dir jetzt hier zwischen Tür und Angel zu verklickern.“ „Kann ich mir denken“, endlich kehrte das Leben auf Daves Gesicht zurück und er ergriff beherzt den rechten Oberarm des Star Sheriffs, „man, willkommen daheim, Fire. Hast hier allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Die letzten zwei Wochen waren…“ tja, wie sollte er das erklären? Der Rennfahrer hatte ja keine Ahnung, was für eine Ohnmacht sein mutmaßlicher Tod im gesamten Hauptquartier ausgelöst hatte und welche Gerüchte sich mittlerweile um alles rankten, was die Star Sheriffs und ihre letzte Mission betraf. Angefangen bei den Spekulationen um Aprils mysteriösen Rücktritt von dem Auftrag, über die Frage, inwieweit Saber Rider für den desaströsen Ausgang des selbigen verantwortlich gemacht werden konnte, bis hin zu der üblen Nachrede bezüglich einer sexuellen Beziehung zwischen dem Kommandanten der Star Sheriffs und seinem weiblichen Navigator. „Ist schon gut, ich glaube, ich will das gar nicht so genau wissen“, Fireball kratzte sich nervös am Hinterkopf, „Du hast gesagt, Du hättest mit April gesprochen? Wie geht es ihr? Ich meine, wie hat sie… meinen Tod verkraftet?“ es war komisch, über das eigene Ableben zu reden, als wäre es ein Virusinfekt oder eine schnöde Grippe. Und augenscheinlich machte dieses Thema nicht nur ihn sondern auch den armen Dave fahrig, der in arge Erklärungsnot geriet: „Tja, na, ja…“ was konnte er sagen? Zuerst hatte sie einen kleinen Ohnmachtsanfall, okay. Aber keine Sorge, nachdem Saber sie tröstend in sein Bettchen geschleppt hat, ist sie jetzt wieder wesentlich ausgeglichener. Solch tolle Nachrichten über die eigene Verlobte wünschte sich wohl jeder, der gerade von den Toten zurückgekehrt war! „Hm“, nickte der Rennfahrer trübsinnig, „hab mir schon fast gedacht, dass es sie ziemlich mitgenommen hat. Habt Ihr einen von den Cougars über? Ich würde gerne so schnell wie möglich zu ihr, nachdem ich meine gruselige Geisternummer beim Commander durchgezogen habe.“ Hierbei verzog er das Gesicht zu einer schaurigen Grimasse und hob die rechte Hand, als wäre sie die Klaue es Monsters. Erst bei Eagles Erwähnung fiel dem Captain plötzlich siedendheiß ein, dass der Commander sich im Moment ja gar nicht auf dem Stützpunkt befand: „Steig ein, ich fahre Dich“, dem Soldaten, der beim Fahrzeug auf seine Rückkehr gewartet hatte, warf er einen unmissverständlichen Blick zu, „zurück zu den Baracken Farqhuarson, ich brauche Sie heute nicht mehr! Und sagen Sie Jenkins, er soll seinen fetten Hintern nicht aus meinem Büro bewegen, bis ich zurück bin!“ er sprintete zum Jeep und schwang sich eilig hinter das Steuer: „Nun mach schon Fireball!“ Überrumpelt von der Hektik, die David mit einem Mal verbreitete, gab Fireball seine kleine Darbietung als Leihenschauspieler auf und nahm mit gerunzelten Augenbrauen auf dem Beifahrersitz Platz: „Was hast Du“, er merkte genau, dass irgendetwas gar nicht in Ordnung war, „ist was mit April?“ „Ich erklär es Dir während der Fahrt!“ schon hatte Scott den Anlasser betätigt und ließ den Motor des kleinen Geländewagens aufheulen. Dann legte er den ersten Gang ein und donnerte los. „Was ist los David?“ fragte der Rennfahrer nun mit großer Sorge, während er sich am Gestänge des Fahrzeuges festhielt, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Das Verhalten des Captains war sonderbar und unter den gegebenen Umständen mehr, als der Star Sheriff vertragen konnte. Als Antwort trat David die Kupplung durch und riss den Schaltknüppel vom ersten in den zweiten Gang: „Du willst doch zu April… oh man, hoffentlich ist es noch nicht zu spät!“ Jetzt packte den Star Sheriff die kalte Angst: „Warum… Wofür zu spät? Wo ist sie, Dave?“ „Dort, wo sie im Moment alle sind“, Scott warf ihm von der Seite einen entschuldigenden, fast mitleidigen Blick zu, „auf dem Militärfriedhof… bei Deiner Beerdigung!“ „Kannst Du nicht ein bisschen aufs Gas treten?“ gehetzt schaute Fireball auf den Tacho des Cougar. Irrte er sich, oder war die Nadel bei der 50-Meilen-Markierung festgefroren? In diesem Schneckentempo würden sie bis zum Einbruch der Nacht brauchen, um den Friedhof zu erreichen. Wenn nicht sogar noch länger! „An den Verkehrsregeln hat sich in den letzten Wochen übrigens auch nichts geändert“, erwiderte Dave leicht gereizt, drückte das Gaspedal aber trotzdem ein Stückchen weiter nach unten, „außerdem haben sie sowieso längst angefangen. Auf die zwei Minuten mehr oder weniger kommt es also nicht mehr an!“ Wütend hieb der Rennfahrer gegen das Armaturenbrett: „Na, das ist ja wirklich ganz toll!“ fluchend zog er seine Hand zurück und starrte auf seine Fingerknöchel, die er sich bei dieser hitzköpfigen Aktion aufgeschürft hatte. „Hör auf mit dem Mist, okay“, der Captain warf ihm einen mahnenden Seitenblick zu, „wenn Du Dir den anderen Arm auch noch zertrümmerst, kannst Du Dich gleich hinter den nächsten Schreibtisch versetzen lassen!“ Fireball hatte ihm in den vergangenen Minuten in kurzen und wenig ausschmückenden Worten erzählt, was ihm alles in der Phantomzone widerfahren und wie es zu seiner Verletzung gekommen war. David wusste, dass die Karriere des Rennfahrers düsteren Zeiten entgegen ging, würde sich am Zustand seines Arms nicht in naher Zukunft eine Verbesserung einstellen. Und er wusste, dass der Star Sheriff es auch wusste. Vielleicht war es nicht sonderlich taktvoll gewesen, ihn an diesen Tatbestand zu erinnern, aber die Nerven des Captains lagen mindestens genauso blank, wie die seines Fahrgastes. Was, wenn an den Gerüchten um April und Saber Rider doch etwas dran war? Angeblich hatte es vor ein paar Tagen eine ziemlich unschöne Auseinandersetzung zwischen dem Schotten und Eagle gegeben, bei der es um die hübsche Tochter des Commanders gegangen war. Da David derlei Gerede normalerweise keinen Glauben schenkte, hatte er anfänglich rigoros darüber hinweg gesehen und seine Leute angehalten, dieses alberne Geschwätz nicht noch weiter im Hauptquartier herumzutratschen. Doch bei seinem Treffen mit der Blondine, das jetzt drei Tage zurück lag, hatte er das Thema Saber vorsichtig angeschnitten und sich umgehend eine blutige Nase geholt. Er hatte sich mit April auf einen Kaffee verabredet, weil er der Meinung gewesen war, ein wenig Ablenkung würde ihr gut tun. Nun ja, vielleicht hatte er mit diesem Treffen auch ein wenig an die zarten Bande anknüpfen wollen, die sich vor gut einem Jahr zwischen ihm und dem weiblichen Star Sheriff entwickelt hatten. Bevor Fireball ihm dazwischen gefunkt und seine Hoffnungen auf eine intimere Beziehung zunichte gemacht hatte. Und vielleicht war das auch der Grund dafür gewesen, dass er das Thema irgendwann auf den Säbelschwinger gebracht hatte. Weil er seine möglichen Chancen bei April und die Stärke der Konkurrenz hatte ergründen wollen. Aber diese selbstsüchtigen Hintergedanken hatten sich ziemlich schnell gerächt. Die junge Frau war ihm beinahe vor Empörung an die Gurgel gegangen, hatte etwas von Privatleben gefaselt und ihm deutlich klar gemacht, dass er sich aus ihren Angelegenheiten gefälligst herauszuhalten hatte. Seitdem war sich der Captain nicht mehr so sicher, ob nicht vielleicht doch etwas an den Spekulationen um die Blondine und den Schotten dran war. Wenn es tatsächlich stimmte und April ein Verhältnis mit Saber hatte, würde sich die ganze Sache durch Fireballs Rückkehr bald ziemlich unangenehm entwickeln. Und er hatte seine Finger mal wieder mittendrin! Verdammtes Ehrgefühl! Verdammte Gefühle überhaupt! „Das lass mal meine Sorge sein“, konterte Fireball bissig, „zur Not lasse ich mich zur Raumfahrtkontrolle versetzen. Hab gehört, da nehmen sie sogar diejenigen, die den Kindergarten wiederholen mussten!“ Diese offenkundige Beleidigung nahm David mit einem düsteren Nicken hin. Wahrscheinlich hatte er die sich mit seiner unsensiblen Bemerkung reichlich verdient. „Wie, Du wehrst Dich gar nicht“, stellte der Star Sheriff überrascht fest, „das ist ja mal was ganz Neues. Sollte ich diese Tatsache vielleicht ausnutzen, um Dir noch ein paar andere Dinge um die Ohren zu pfeffern, die mir schon seit langem auf der Seele brennen?“ grübelnd fuhr er sich mit der Hand über das Kinn, so als würde er tatsächlich überlegen, welche ungesagten Dinge eventuell noch zwischen ihnen standen. Diesen Spielball nahm der Captain dankbar auf. Im Moment war ihm alles recht, so lange Fireball nur nicht über April oder die anderen Star Sheriffs reden wollte: „Hast wohl immer noch nicht verkraftet, dass ich Dich damals auf die Bretter geschickt habe, was?“ „Ha, glaubst Du wirklich, Du hättest eine Chance gehabt, wenn Colt nicht dazwischen gegangen wäre“, der Rennfahrer rief sich die Szene grinsend ins Gedächtnis, „ich hätte Dir so einen eingeschenkt, dass Dich selbst Deine Mutti nicht mehr erkannt hätte!“ es war doch erstaunlich, dass er sich heute angesichts soviel geballter Dummheit und männlicher Hormone amüsieren konnte, während er damals tatsächlich geglaubt hatte, es würde um Leben und Tod gehen. David erging es ähnlich, denn auch sein Gesicht hatte sich zu einem Lächeln verzogen: „Man, als Du plötzlich vor meiner Tür gestanden hast, dachte ich wirklich, Du wärst gekommen, um Dich für den kleinen Kinnhaken zu revanchieren.“ „Ach, das hätte Dich auch nicht schöner gemacht!“ stichelte der Rennfahrer munter weiter. Es machte immer wieder Spaß, sich mit dem Soldaten auf ein kleines verbales Gefecht einzulassen. Zwar hatte es damals einige Zeit gedauert, aber irgendwann hatten die beiden Rivalen festgestellt, dass sie sich eigentlich gar nicht so unähnlich waren. Und seitdem war zwischen den beiden eine herzliche Freundschaft entstanden, die häufig und gerne darin gipfelte, dass man gehörig mit dem Säbel rasselte und sich drohend wie ein Berggorilla auf den Brustkorb schlug. „Hast also überhaupt keine Angst, dass ich mich während Deiner Abwesenheit ein bisschen um die Süße gekümmert habe?“ rutschte es dem Captain heraus, bevor er überhaut über die Worte nachgedacht hatte. Beschämt strich er seine Augenbrauen glatt: „Tschuldige, war nicht so gemeint!“ innerlich verfluchte er sich für seine unglaubliche Blödheit. Da hatte er es gerade geschafft, den Star Sheriff ein wenig abzulenken und stieß ihn dann völlig unvermittelte wieder mitten hinein ins heikle Thema. Das Grinsen von Fireballs Gesicht verschwand und wurde von tiefen Sorgenfalten ersetzt, die hässliche Furchen auf seine Stirn zeichneten: „Wie geht es ihr wirklich, Dave“, er winkelte das rechte Knie an und stütze sein Kinn darauf, „irgendwas verschweigst Du mir doch!“ „Was sollte ich Dir denn verschweigen?“ fragte der schwarzhaarige Captain unsicher. Waren seine Gedanken so offensichtlich, dass man darin lesen konnte, wie in einem aufgeschlagenen Buch? Wann, zum Geier, würden sie denn endlich diesen vermaledeiten Friedhof erreichen? Es wurde wirklich Zeit, dass er seinen Gastauftritt auf der großen Star Sheriff Bühne beendete und den weiteren Verlauf des Dramas den Hauptdarsteller überließ, bevor er noch den Heldentod sterben musste. „Vorhin“, Fireball ließ David keine Sekunde aus den Augen, „da bist Du meiner Frage nach April auch schon ausgewichen. Und außerdem habe ich gehört, wie der eine oder andere von Deinen Leuten ihren Namen gemurmelt hat.“ Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf der Spitze seines rechten Carbonfaser-Schuhs herum. Dem einzigen Teil seines Raumanzuges, den er zusammen mit seinem Gegenpart für den Dimensionssprung angelegt hatte. Der Rest lag fein säuberlich verstaut im Heck des Outrider-Schiffes: „Nun spann mich nicht länger auf die Folter und spucks endlich aus!“ Die Stimme des Rennfahrers drückte tiefe Unruhe und Besorgnis aus und dem jungen Captain wurde klar, wie schrecklich diese bohrende Ungewissheit für den Freund sein musste. Sicherlich war es nicht Davids Aufgabe, ihn über all die kuriosen Sachen aufzuklären, die in den vergangenen Tagen vorgefallen waren. Aber möglicherweise war es besser, wenn der Star Sheriff das eine oder andere von ihm hörte und nicht von irgendeinem Fremden, der sich wichtig machen wollte. „Ach, es ist nichts weiter“, begann er unsicher und setzte den Blinker für die nächste Highway-Abfahrt, „Du weißt doch selber, wie das ist. Wenn die Leute sich nicht mehr anders zu helfen wissen, fangen sie an, die wildesten Gerüchte in die Welt zu setzen. Und denken gar nicht darüber nach, was für Schaden sie damit vielleicht anrichten.“ Was für ein unglaublich dämlicher Erklärungsansatz war das denn gewesen? Spätestens jetzt konnte er sich wohl der vollen Aufmerksamkeit des Star Sheriffs gewiss sein und würde mit ein paar billigen Phrasen nicht mehr aus der Sache herauskommen. Ob man sich wohl selbst wegen drohender Schwachsinnigkeit in ein Klinikum einweisen lassen konnte? Fireball schnappte zornig nach Luft: „Wenn Du nicht gleich mit Deinen komischen Gerüchten rausrückst, wird es Dir verdammt leid tun, Mister!“ „Schon gut, schon gut, krieg Dich wieder ein“, sie bogen vom Highway ab und David lenkte den Wagen nach Osten in Richtung Tucson, „musst mir aber versprechen, dass Du nicht gleich in die Luft gehst, ja!“ Das ungute Gefühl, dass die Worte des Freundes hervorgerufen hatten, breitete sich allmählich über Fireballs gesamten Körper aus und ließ seine Haut unangenehme kribbeln: „Ich verspreche Dir noch ganz andere Sachen, wenn Du nicht endlich den Schnabel aufmachst“, ungeduldig rieb er die Hand an seinem Hosenbein, „und keine blöden Ausflüchte, klar! Ich will die Wahrheit hören, und zwar die ganze! Was ist mit April?“ Gehetzt fuhr sich der Captain über den Mund: „Tja, ähm… es ist wie gesagt nur ein Gerücht, aber… na, also, man munkelt, dass sie und Saber…“ „Ja?“ erwartungsvoll stellte der junge Star Sheriff sein Bein wieder zurück auf den Boden des Jeeps. „Na, ja“, irrte sich David, oder war die Luft um sie herum plötzlich um ein ganzes Stück wärmer geworden, „es heißt…“ er griff sich keuchend an den Kragen seiner Uniformjacke und löste den obersten Knopf. „DAVID!“ „Himmelherrgott, angeblich haben die beiden was miteinander“, nun war es endlich raus, „bist Du jetzt zufrieden?“ hastig zog der Captain den Kopf ein, aber der erwartete Wutausbruch blieb aus. Stattdessen prustete Fireball unkontrolliert los: „Man, das ist wirklich gut“, lachte er gelöst und klopfte sich auf den Oberschenkel, „und ich hab schon gedacht, es wäre was schlimmes!“ Endgültig verwirrt schlug David den Weg zum Friedhof ein und manövrierte den Wagen über die knirschende Kiesschicht des Parkplatzes: „Ähm…das ist jetzt nicht ganz die Reaktion, mit der ich gerechnet hätte“, er steuerte eine ausreichend große Lücke zwischen zwei parkenden Autos an, einem Jeep und einer schwarzen Limousine, und brachte ihr Vehikel zum Stehen, „macht Dir das gar nichts aus?“ Der Star Sheriff schüttelte belustigt den Kopf: „Das ist doch echt lächerlich, Dave. Ich hab gedacht, April wäre irgendwas Schlimmes passiert, oder man hätte sie vielleicht in die Klapse eingewiesen, oder so. Aber sie und Saber? Ich bitte Dich“, grinsend schwang er sich aus dem Jeep und begutachtete sein Aussehen in den abgedunkelten Scheiben der Limousine, „was Besseres ist den Leuten wohl nicht eingefallen, oder?“ benommen griff sich Fireball an die Schläfen und kniff kurz die Augen zusammen. Wahrscheinlich war er eben zu schnell aufgestanden und fühlte sich jetzt ein bisschen schwindelig. „Hm, ich weiß nicht, ich…“ konsterniert zog David die Handbremse an und nahm den Gang raus, „hast wahrscheinlich Recht, aber…“ er fühlte sich gerade wie in einem ziemlich schrägen Traum. Gut, dass der Star Sheriff vor Wut nicht gleich aus der Hose springen würde, war anzunehmen gewesen, aber dass er die Angelegenheit so einfach mit einem Grinsen abtat war beeindruckend. „Ich bin sicher, der gute Saber wird genug damit zu tun gehabt haben, sich mit Selbstvorwürfen wegen meines Ablebens zu quälen. Da hat er bestimmt keine Zeit mehr gehabt, sich auch noch an meine Verlobte heranzuschmeißen.“ amüsiert musterte der Star Sheriff die verschiedenen Autos, die sich auf dem Parkplatz des Militärfriedhofs versammelt hatten: „Ist ja eine ganz schön magere Ausbeute, oder? Als gefeierter Held hätte ich ja ein paar mehr Gäste erwartet!“ zum Glück verschwand das Schwindelgefühl allmählich wieder. Neben der Limousine und dem zweiten Jeep standen noch drei Dienstwagen des KavComs und ein Mietauto in der wärmenden Mittagssonne und warteten darauf, dass ihre Besitzer zurückkehrten. „Bist Du sicher, dass mit Dir alles in Ordnung ist? Du hast Dir bei der Landung nicht irgendwie die Birne angeschlagen oder so?“ David war vom lässigen Auftreten des Rennfahrers vollkommen irritiert. Also wenn April seine Verlobte gewesen wäre und ihm hätte jemand erzählt, dass Saber… „Mensch, hör schon auf Alter“, Fireball schluckte die letzte Lachattacke hinunter und straffte die Schultern, „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mir wegen so’nem blöden Gerede den Kopf zerbreche. Ist doch echt zu bescheuert! Verrate mir mal lieber, wie man auf geschickte Art und Weise seine eigene Beerdigung sprengt.“ Das wurde dem Captain eindeutig zu viel. Er hatte mehr als nur seine Pflicht als Freund erfüllt, indem er den Star Sheriff vor Jenkins gerettet und anschließend hierher gefahren hatte. Und wenn er den Gerüchten um April und Saber keinen Glauben schenken wollte, war das sein Ding. Aber jetzt auch noch zuzusehen, wie Fireball mit diesem gewinnenden Lächeln auf seine Trauergemeinde zuspazierte, war eindeutig etwas, was David sich nicht auch noch antun wollte. Entschlossen startete er den Jeep und legte den Rückwärtsgang rein: „Ich fürchte, mit dieser Thematik wirst Du Dich alleine auseinandersetzen müssen. Ich hab da noch ein Disziplinargespräch mit einem gewissen Seargant zu führen“, geübt steuerte er den Wagen aus der Parklücke und winkte dem Freund zum Abschied aufmunternd zu, „Du machst das schon!“ Fireball zuckte ergeben mit der rechten Schulter: „Werd ich wohl müssen. Kannst Du vielleicht dafür sorgen, dass man meine Klamotten aus dem Outrider-Schiff holt, bevor sie das Ding verschrotten?“ „Na, aber sicher doch!“ antwortete der Captain und reckte beide Daumen in die Höhe. Dann gab er Gas und fuhr mit einer für die Umgebung nicht gerade angemessenen Geschwindigkeit davon. Zum Abschied hob der Star Sheriff kurz den gesunden Arm: „Und danke!“ brüllte er David hinterher, wusste aber nicht, ob dieser ihn noch gehört hatte. Unsicher zerwühlte Fireball sich die braunen Haare. Er hätte wohl schlecht von dem jungen Offizier verlangen können, dass er seinetwegen noch länger die Arbeit vernachlässigte, auch wenn ihm mit dem Freund an der Seite wesentlich wohler gewesen wäre. Nun stand er hier und traute sich nicht weiter. Wie mochte es sein, wenn man bei der Beerdigung eines Kameraden war und dieser plötzlich aus dem Nichts auftauchte? Kerngesund, nun ja, von einigen Schussverletzungen mal abgesehen, und alles andere als tot? Das würde allen einen riesigen Schreck einjagen, soviel stand fest. Ganz besonders wohl April! David hatte es dank des albernen Gefasels über diese absurden Gerüchte tatsächlich geschafft, ihm zu verschweigen, wie der Gemütszustand seiner Verlobten im Moment wirklich aussah. April und Saber, das war doch echt ein starkes Stück! Leicht angesäuert schob der Rennfahrer einige der schmutzig weißen Kieselsteine mit der rechten Schuhspitze hin und her. Was für Idioten hatten Spaß daran, so einen gequirlten Dreck zu verbreiten. Besonders, wenn die Leute, die es betraf, sowieso nicht gerade die beste Zeit ihres Lebens durchmachten. Aber dass David auch noch auf diesen Mist hereingefallen war! Gerade ihm hätte Fireball ein wenig mehr Verstand zugetraut. Dass er selber dem Säbelschwinger vor gerade mal drei Wochen ähnliche Vorwürfe gemacht hatte, war ihm durch die Aufregung der letzten Tage schon völlig entfallen. Mürrisch bewegte er sich in Richtung des großen Eisentores, das zu dieser Tageszeit weit offen stand, um Besucher des Friedhofs freundlich willkommen zu heißen. Es würde nicht leichter werden, wenn er sich jetzt hier draußen herumdrückte und darauf wartete, dass seine Freunde mit verheulten Augen seine Beisetzung verließen. Nach der Landung war er so begierig darauf gewesen, sofort zu April zu kommen, dass er seine Auferstehung jetzt, wo sich die beste Gelegenheit dazu bot, auch endlich amtlich machen konnte! Ihm war, als würde er sich auf Watte oder sehr moosigem Untergrund bewegen, denn seine Beine zitterten und drohten, bei jedem Schritt einzuknicken. Also doch nicht zu schnell aufgestanden, schoss es ihm durch den Kopf. Sein Körper hatte arg unter dem zweiten Dimensionssprung gelitten und forderte jetzt seinen Tribut für die Strapazen, die er jüngst hatte durchmachen müssen. Mit bemüht festen Schritten überquerte Fireball den Rasen der parkähnlichen Anlage und steuerte automatisch den Teil an, in dem man vor ungefähr einem Jahr seine Freundin Mandarin beigesetzt hatte. Hier waren im Laufe der letzten Monate einige neue Gräber hinzugekommen, und die Wahrscheinlichkeit war relativ groß, dass man auch seine sterblichen Überreste hier verbuddeln würde. Der Rennfahrer zog eine nachdenkliche Schnute, als ihm einfiel, dass es ja nicht einmal sterbliche Überreste von ihm gab. Man würde einfach einen leeren Sarg in die Erde lassen, ein paar Blumen darauf werfen und dann das Ganze mit Erde zuschütten. Was für ein jämmerlicher Abgang! Wenn es nach ihm gegangen wäre… Der Star Sheriff bog um eine hohe, blickdichte Hecke und wurde von einer ruhigen männliche Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf eine kleine Gruppe von Menschen, die in etwa zwanzig Metern Entfernung um ein frisch ausgehobenes Grab herumstanden und den Worten von Reverend Simmons, dem Garnisonspastors, lauschten. Zwar zeigte ihm der Geistliche nur den mit einer schwarzen Sultane bedeckten Rücken, aber Fireball kannte ihn noch von Colts und Robins Hochzeit. Er hatte die Hände auf ein kleines Pult gelegt und sprach zu den wenigen Anwesenden, die sich zu der Trauerfeier versammelt hatten. Da waren sie, die Menschen, die ihm mehr bedeuteten als sein eigenes Leben und von denen er wusste, dass jeder sofort bereit gewesen wäre, sich für den Rennfahrer zu opfern. „Die ganze Nation teilt Ihren Schmerz - und Ihren Stolz“, wandte sich Simmons jetzt offensichtlich an April. Fireball konnte seine Augen nicht von ihr lassen, gerade so, als hätte er sie jahrelang nicht mehr gesehen. Er schmunzelte über ihr mehr als unpassendes Outfit und darüber, dass sie dem Pastor trotzig das Kinn entgegen reckte, die Arme abwehrend vor dem Bauch verschränkt und mit sturen Gesichtszügen, die so undurchdringlich waren, wie der Nebel im schottischen Hochland. Das war sein Mädchen! Er hatte gewusst, dass sie sich nicht unterkriegen lassen würde. April war stark und unbeugsam, und dafür liebte er sie so sehr. Sein Lächeln verschwand, als ihm unvermittelt schwarz vor Augen wurde und er sich hilfesuchend gegen die Hecke lehnen musste. „Aber heute erinnern wir uns nicht nur an einen Moment der Tragödie, sondern auch an ein Leben mit hehren Zielen und Erfolgen“, drangen die Worte des Reverend dumpf in sein Bewusstsein, „die Erde, die Luft und die Schwerkraft hinter sich zu lassen, ist ein uralter Menschheitstraum. Für unseren Freund Fireball hat sich dieser Traum erfüllt.“ Energisch schüttelte der Rennfahrer den Kopf und widmete sich gewaltsam wieder seiner kleinen Trauerschar. Im Gegensatz zu der tapferen Blondine, schaffte es Colt bei den ergreifenden Worten des Geistlichen nicht, so cool zu bleiben, wie er sonst immer gerne tat. Er stand einen halben Meter hinter April und fuhr sich immer wieder mit verärgerter Miene über die Augen. Irrte sich Fireball, oder heulte der Cowboy tatsächlich um ihn? Fast war der junge Heißsporn versucht, aus lauter Sympathie mit dem Freund ebenfalls seine Tränendrüsen zu öffnen. Es war wirklich rührselig, den harten Star Sheriff weinen zu sehen. „Er besaß den Wagemut, die Disziplin und das Herz, die die Aufgabe erforderte, welche das Leben für ihn bereithielt. Und er wusste, dass sein großes Streben nach Frieden und Freiheit untrennbar mit großen Risiken verbunden war. Aber er nahm diese Risiken bereitwillig auf sich, um der Liebe zum Neuen Grenzland Willen und der Menschen, die hier leben.“ Und nicht zu vergessen natürlich Saber. Beherrscht und stolz stand er da, der heroische Schotte, wie man ihn im Bilderbuch nicht besser hätte malen können. Eine Hand auf dem Knauf seines Säbels und einen Arm um Aprils Schultern gelegt, war er wie immer der Fels in der Brandung und ertrug die Zeremonie mit stoischer Verbissenheit. Seine blonden Haare leuchteten im Schein der Herbstsonne mit denen des weiblichen Star Sheriffs um die Wette und Fireball musste für eine Sekunde an das denken, was David ihm kurz zuvor eröffnet hatte: „Angeblich haben die beiden was miteinander!“ Nein, das war kompletter Unsinn. Der Säbelschwinger war da, um seiner besten Freundin Halt und Unterstützung zu geben, und wer war er, dass er diese nette Geste verurteilen konnte? Immerhin war Fireball ja indirekt Schuld an dem ganzen Schlamassel hier. „In dem Kirchenlied „How Great Thou Are“ heißt es ‚Ich sehe die Sterne, ich höre den mächtigen Donner, Deine Macht durchdringt das ganze Universum’…“ „Hey, das muss ich mir merken“, murmelte der Rennfahrer leise vor sich hin, „echt cooler Text.“ Er riss seine Augen von April und dem Schotten los und ließ den Blick flüchtig über den Rest der Anwesenden schweifen. Am äußeren Rand der Trauergemeinde stand Commander Eagle, flankiert von einem seiner Adjutanten auf der einen und König Jared auf der anderen Seite. Es freute Fire, dass der Monarch extra zu seinen Ehren erschienen war, aber gleichzeitig wunderte er sich, dass er weder Christa noch Roland erblicken konnte. Immerhin war sie eine Teamkollegin gewesen, wenn auch nur zur Vertretung und für sehr kurze Zeit. Aber er hatte den weiblichen Lieutenant ins Herz geschlossen und war sicher gewesen, dass diese Neigung auf Gegenseitigkeit beruht hatte. Neben König Jared standen Colonel O’Neill und Lieutenant Colonel Manfredi, beides Offiziere, die Fireball zwar vom Sehen her kannte, mit denen es aber bislang nie Berührungspunkte gegeben hatte. Sicherlich die offiziell Abgesandten des KavCom. Und etwas abseits vom Rest der Gruppe entdeckte er Robin. Der kleine Josh stand vor ihr und sie hatte ihm liebevoll von hinten die Arme um den Körper geschlungen. Beide weinten stumme Tränen, die die hübsche Lehrerin dann und wann mit einem Taschentuch und Josh mit dem Ärmel seiner Jacke fortwischte. Im Gegensatz zum Anblick von Colts Tränen tat es Fireball in der Seele weh, dass die Freundin und der Dreikäsehoch völlig grundlos leiden mussten. Aber warum, fragte er sich, waren sie nicht bei dem Cowboy? April war doch mit Sabers Unterstützung gut versorgt, weshalb kümmerte Colt sich nicht um seinen Frau und seinen Möchtegern-Adoptivsohn, wenn die beiden doch so mit ihren Gefühlen zu kämpfen hatten? Eine ungute Vorahnung beschlich ihn, dass David ihm vielleicht nicht alles erzählt hatte, was es über die Entwicklung der Dinge auf Yuma zu wissen gab. Aber wie auch immer, es wurde Zeit, dass er dieser Vorstellung ein Ende bereitete. Wacker bis er die Zähne zusammen und versuchte, seine schmerzenden Gelenke und die hämmernden Kopfschmerzen zu ignorieren, die schrittweise mehr und mehr zunahmen. Wie sollte er es nur anstellen? Seine Füße schienen mit dem Boden verwachsen zu sein und sein Mund war so trocken, dass er keinen Mucks herausbekam. „Wir sind derjenige Teil der Schöpfung, der trachtet, die ganze Schöpfung zu verstehen. Wir finden die Besten unter uns und schicken sie voraus in das unbekannte Dunkel und beten für ihre Wiederkehr. Sie gehen in Frieden, für die ganze Menschheit. Und die ganze Menschheit hat Teil an ihrem Tod. Aber die Zeit wird uns Trost bringen und ihre Gnade wird uns über den Verlust von Fireball hinweghelfen. Und in Gottes Zeit können wir beten, dass der Tag des Wiedersehens kommen wird. Wir wissen, dass dieser tapfere junge Mann viele Freunde zurücklässt, die ihn sehr geliebt haben. Aber Ihr, die Ihr um ihn trauert, müsst wissen, dass er Euch genauso geliebt hat, und dass seine Liebe immer bei Euch sein wird. Er war stolz auf Euch. Und Ihr könnt stolz auf ihn sein, für den Rest Eures Lebens!“ Wow, jetzt musste der Rennfahrer schwer schlucken, um nicht doch noch selber ein paar Tränchen abzudrücken. Auch wenn das KavCom es augenscheinlich nicht auf die Reihe bekommen hatte, mehr als diese paar Trauergäste an Land zu ziehen, die Rede war der Hammer. Die konnte er doch jetzt unmöglich unterbrechen! Kraftlos wischte er sich einen dünnen Schweißfilm von der Stirn. War es nicht wesentlich höflicher, abzuwarten bis der Reverend mit seinen Worten zum Ende gekommen war; lange würde das bestimmt nicht mehr dauern! Fireball wollte ganz zurück in den Schatten der Hecke treten, um dem Rest der Zeremonie ungesehen lauschen zu können, als April plötzlich den Kopf in seine Richtung drehte. Unruhig wand sich die junge Blondine in Sabers Umarmung hin und her. Obwohl sie sich geschworen hatte, dieses ganze Theater hier mit dickköpfiger Ignoranz zu strafen, hatte der Reverend es irgendwie geschafft, ihr Herz mit seiner rührseligen und aufwühlenden Rede zu berühren. Sie wusste, dass sie losheulen würde, wie ein Schlosshund, wenn sie den tröstenden Blick des Geistlichen noch länger erwiderte oder seinen Worten weiterhin Gehör schenkte. Und das durfte sie auf gar keinen Fall zulassen. Alleine schon, weil sie Colt und Saber diese Genugtuung nicht gönnte, musste sie sich zusammenreißen und weiter so tun, als wäre sie versehentlich auf der Beerdigung eines Wildfremden gelandet. Am liebsten wäre April einfach davon spaziert, ohne einen der anderen Gäste, den Reverend oder den leeren Sarg noch eines Blickes zu würdigen, aber das ging nicht. Die Jungs hatten gründlich vorgesorgt. Wahrscheinlich um Colt zu beweisen, dass er durchaus in der Lage war, sich gegenüber der jungen Frau zu behaupten, hatte Saber seinen Arm um ihre Schultern gelegt und quittierte jede noch so kleine Bewegung ihrerseits damit, dass er sie noch ein wenig fester an sich drückte. Diesem Klammergriff würde sie niemals entkommen, ohne nicht mächtig viel Aufsehen dabei zu erregen. Und wenn doch, lag ja noch immer der Cowboy auf der Lauer, jederzeit sprungbereit, um ihr den Fluchtweg abzuschneiden. Es war also völlig sinnlos, überhaupt einen Ausfall zu unternehmen. Störrisch verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und spürte sofort Sabers Finger, die sich fester in ihre Haut gruben. Er warf ihr aus dem Augenwinkel einen mahnenden Blick zu, dem der weibliche Star Sheriff eilig dadurch auswich, dass sie ihr Gesicht abwandte und lustlos die Gegend um sie herum erkundete. Dabei fiel ihr ein dunkelhaariger Soldat auf, der sich im Schatten einer der Friedhofshecken herumdrückte und ein offenkundiges Interesse an Fireballs Beisetzung zeigte, denn er schaute gebannt hier zu ihnen herüber. April kannte die Art Uniform, die der junge Mann trug, wusste sie aber so schnell nicht zuzuordnen. Jedenfalls war es keine des Kavallerie Oberkommandos! Was trieb ein ausländischer Soldat auf dem Militärfriedhof von Yuma und weshalb war er so erpicht darauf, die Beerdigung eines Star Sheriffs zu verfolgen? Obwohl, er konnte ja nicht einmal wissen, wessen vermeintlich sterbliche Überreste da gerade dem Schoß der Erde anvertraut wurden. Selbst im Hauptquartier gab es nur gut ein Dutzend Leute, die über die heimlich anberaumte Abschiedsfeier informiert worden waren. Neugierig kniff die Blondine die Augen zusammen, um den Fremden besser mustern zu können, aber durch den Schatten der Hecke war sein Gesicht zu dunkel, als dass sie nähere Einzelheiten davon hätte erkennen können. Vorwitzig legte sie den Kopf auf die Seite. Sie wollte zu gern wissen, wer dieser Kerl war und was er hier auf dem Militärfriedhof triebe. Und geradewegs so, als hätte der Soldat ihre Gedanken lesen können, trat er ein paar unsichere Schritte hinaus auf die sonnebeschienene Wiese und lächelte sie schüchtern an. „Oh mein Gott“, flüsterte April entsetzt und griff instinktiv um Sabers Taille, um sich an ihn zu klammern, „das kann doch nicht…“ „Mensch, was ist denn los“, zischte der Schotte sie ungehalten an, „hör endlich auf so rumzuzappeln, hast es ja gleich hinter Dir!“ er konnte nicht begreifen, warum sie immer noch so ein Theater veranstaltete. Reverend Simmons machte seine Sache wirklich gut und alles in allem war es zwar eine sehr kleine, aber dafür umso intimere Trauerfeier. Argwöhnisch schielte er auf die Blondine herunter, die mit blassem Gesicht ihre linke Hand zum Mund führte. Ihre Finger zitterten und ihre Lippen bebten vor Erregung. „Was ist, hast Du einen Geist gesehen?“ vielleicht ein etwas unpassende Frage, wenn man berücksichtigte, wo sie sich im Moment befanden, aber dem Säbelschwinger ging Aprils Verhalten mächtig gegen den Strich. Und das hatte er mit diesen bissigen Worten deutlich zum Ausdruck gebracht. Zu seiner Überraschung nickte der weibliche Star Sheriff völlig in Gedanken: „Ich glaube ja…“, murmelte sie und starrte wie gebannt vor sich hin, „bitte kneif mich mal, Saber, ich glaub, ich drehe langsam durch!“ Immer wieder kniff sie die Augen zusammen, weil sie einfach nicht glauben konnte, was sie dort hinten sah. Es war beinahe wie damals, nach der Explosion am Raumhafen, als sie alle gedacht hatten, Fireball wäre in dem brennenden Hangar eingeschlossen gewesen. Und dann war er plötzlich und wie aus heiterem Himmel in seinem Red Fury aufgetaucht und hatte sie ohne viele Worte in seine Arme geschlossen. War dieses Erlebnis der Grund dafür, dass ihre Nerven sie jetzt so kläglich im Stich ließen. Hatten ihre Erinnerungen und ihr unfassbarer Wunsch nach dem Rennfahrer das Bild dieses Soldaten dort oben heraufbeschworen, der sie immer noch verlegen anlächelte und sich nicht von der Stelle rührte? „Also eines schwöre ich Dir“, fauchte Saber flüsternd und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Reverend, „wenn das Deine Rache für vorhin ist, dann…“ „Bitte Saber, sag mir, dass ich spinne“, April zupfte fieberhaft am Arm des Schotten, „sag mir, dass Du ihn nicht…“, ohne Vorwarnung setzt sich ihr Phantomsoldat in Bewegung und schritt langsam, so als hätte er mit dem Gleichgewicht zu kämpfen, auf ihre kleine Gruppe zu, „nein…er kommt her!“ Reverend Simmons verstummte und blickte die junge Frau mitfühlend an: „Geht es Ihnen nicht gut, meine Liebe?“ alle Augen richteten sich neugierig auf die Blondine, die gar nicht bemerkt hatte, wie laut ihr die letzten Worte entfleucht waren. „Nein“, wimmerte April und schüttelte fassungslos den Kopf, „mir geht es überhaupt nicht gut. Ich… ich stehe hier am Grab meines Verlobten und…“ schwach hob sie den Arm und deutete auf den Mann, der unbeirrt seinen Weg zu ihnen fortsetzte. Sah ihn denn wirklich niemand außer ihr? „Jetzt reiß Dich gefälligst zusammen, April“, Saber achtete nicht weiter auf den Soldaten, der auf sie zugehumpelt kam und auch nicht auf das aufgeregte Gemurmel, dass plötzlich rund um ihn einsetzte. Er drehte die Tochter von Commander Eagle zu sich herum und starrte beschwörend in ihre von Tränen schimmernden Augen: „Die Show ist jetzt vorbei, okay! Du hattest Deinen Spaß!“ Er spürte, wie Colt ihm eine Hand auf die Schulter legte. Ungehalten fuhr er zu dem Freund herum und war drauf und dran, auch ihn anzufahren, weil er sich ungefragt in seinen Disput mit April einmischen wollte. Aber die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er den schockierten Gesichtsausdruck des Cowboys sah. „Ach Du heilige Scheiße!“ flüsterte der Scharfschütze ehrfürchtig und erntete nicht einmal von Seiten des Geistlichen eine Rüge, denn dieser war genauso perplex wie alle anderen auch und starrte furchtsam auf den Neuankömmling. „Ich freu mich auch Dich zu sehen, Colt!“ Diese Stimme! Wie vom Donner gerührt fuhr Saber herum und starrte direkt in das matt lächelnde Gesicht des jüngsten Mitglied der Star Sheriffs: „Fireball!“ er musste träumen! Aber der junge Rennfahrer, der leicht geniert rechte Hand zum Gruß hob und sich verunsichert in der sprachlosen Runde umschaute, wirkte irgendwie so gar nicht, wie eine Illusion: „Tja, tut mir leid, dass ich den Anfang der Party verpasst habe, aber mein Shuttle hatte ein wenig Verspätung!“ er kratzte sich peinlich berührt an der Nase und blickte April unverwandt aus großen, hohlen Augen an. Wie in Trance löste sie Sabers Hand von ihrer Schulter: „Du bist keine Einbildung…“ stotterte sie mit brüchiger Stimme, „Du…Du bist es wirklich, Fireball?“ unschlüssig machte sie einen Schritt auf ihn zu. Wie konnte das sein? Alle hatten gesagt, er sei tot. Sie selbst hatte die Bilder des zerstörten Red Fury gesehen und das Ende des Rennfahrers anhand der Aufzeichnungen von Ramrod durchlebt. Aber dieser Fireball, der hier vor ihr stand, und den auch alle anderen sehen konnten, wirkte so echt, so unheimlich echt, dass sie ihm zu gerne glauben wollte. „Es tut mir so leid, Kleines!“ wisperte der junge Mann und streckte seiner Verlobten scheu die gesunde Hand entgegen. Schwankend kam sie noch ein Stückchen näher, wagte es aber nicht, ihn zu berühren, aus Angst, ihr Traumbild könnte zerplatzen wie eine Seifenblase. Mit verschleiertem Blick musterte sie den Rennfahrer, der ihrem Fireball so ähnlich war und wiederum doch so fremd wirkte. Sein Gesicht war blass und schmal geworden, seine strubbeligen braunen Haare stumpf, und etwas in seiner Körperhaltung verriet ein Stück von den Strapazen, die er in den letzten Wochen hinter sich gebracht hatte. Aber seine Augen, seine wundervollen tiefgründigen braunen Augen, mit denen er sie so oft angesehen und jeden Tag aufs neue gesagt hatte, wie sehr er sie liebte, diese Augen hatten sich nicht verändert. Zaghaft hob April eine Hand und berührte sanft sein Gesicht. Zuerst zuckte sie zurück, als hätte sie einen Stromschlag bekommen, doch als sie sah, dass sich Fireball nicht vor ihren Augen in Luft auflöste, fuhr sie mit ihren Fingerspitzen über seine Lippen. Sie waren spröde und rissig, aber sie waren warm und sie spürte in ihnen den Puls des Rennfahrers schlagen. „April“, zitternd nahm Fireball ihre Hand in seine rechte und hauchte einen liebevollen Kuss darauf, „ich habe Dich so schrecklich vermisst, Süße!“ Das brachte den Damm endgültig zum Bersten. Mit herzzerreißendem Schluchzen warf sich die Blondine in die Arme ihres Verlobten: „Oh, Fireball…“, weinend barg sie den Kopf an seiner Brust, während sich ihre Hände fest in die alte Uniformjacke klammerten, „Du bist zu mir zurück gekommen!“ „Aber natürlich, Kleines“, der Star Sheriff vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden blonden Haar und zog ihren Körper mit dem gesunden Arm so eng wie möglich an sich, „das habe ich Dir doch versprochen, oder nicht!“ er hatte es endlich geschafft. Er war zu Hause, im Kreise seiner Freunde und bei der Frau, die er mehr liebte, als sein eigenes Leben! Zufrieden schloss Fireball die Augen und kämpfte nicht länger gegen die Ohnmacht an, die ihn schon seit Minuten zu übermannen drohte. Er hatte April gefunden und sie von ihren Qualen erlöst, nun würde alles gut werden! Mit der Gewissheit, dass sie bei ihm sein würde, wenn er das nächste Mal erwachte, ließ er sich fallen. „Fireball?“ Aprils besorgte Stimme hallte in seinen Gedanken nach, aber er hatte das Bewusstsein bereits verloren, als Colts und Sabers Hände eilig nach ihm griffen, um zu verhindern, dass er auf dem Rasen des Friedhofs zusammen brach. Kapitel 21: Du warst tot! ------------------------- Du warst tot! Saber saß gedankenverloren auf einem der alten und schon leicht schäbig wirkenden Lederstühle im Aufenthaltsbereich von Station C des Yuma Hospitals und bemühte sich, die Augen offen zu halten. Er hatte die Unterarme auf seinen Knien abgestützt und schwenkte mit den Fingerspitzen beider Hände einen Becher brühendheißen Instantkaffee, während er das marmorartige Muster des abgewetzten Linoleumfußbodens betrachtete. Über ihm knackte flackernd eine defekte Neonröhre und von dem Mann fortgeschrittenen Alters, der ein paar Stühle weiter in seinen braunen Bademantel gehüllt ein Buch las, wehte der süßliche Duft von Pfeifentabak herüber. Der Schotte hatte den Patienten mit einem knappen „Hallo“ begrüßt, als er sich zu ihm gesellt hatte und war überaus dankbar dafür, dass dieser seinen Gruß nur mit einem flüchtigen Nicken quittiert hatte. Zum Glück war der Alte nicht einer von der überkommunikativen Sorte, der jede Gelegenheit ausnutzte, um wildfremden Menschen ein Gespräch über sein Krankheitsbild aufs Auge zu drücken. Er schien ganz zufrieden damit zu sein, seiner Lektüre und der rauchenden Pfeife zu frönen. Dem Schotten hätte der Sinn im Moment auch so gar nicht nach einer angeregten Unterhaltung über Prostataleiden und Bypass-Operationen gestanden. Die Ereignisse der letzten zwei Stunden waren so unglaublich und zugleich verwirrend gewesen, dass es eine Menge Dinge gab, über die der Kommandant der Star Sheriffs nachdenken und sich klar werden musste. „Was ist los“, ein Schatten fiel auf den Boden und im nächsten Moment schob sich ein Paar brauner, staubiger Cowboystiefel in Sabers Sichtfeld, „wo ist er?“ Ohne mit der Wimper zu zucken blickte der Säbelschwinger zu seinem Freund auf: „Hast Dir ganz schön Zeit gelassen, Partner!“ Colts Gesicht glühte vor Aufregung und in seinen Augen war noch immer der Schock zu erkennen, den Fireball ihnen allen verpasst hatte. Er gab ein kurzes Schnauben von sich und verzog dann entschuldigend Brauen und Mundwinkel: „Was sollte ich denn machen“, erledigt ließ er sich auf dem Stuhl neben Saber nieder und nahm die gleiche Haltung ein, wie sein Boss, „Robin war völlig durcheinander und der Kleine wollte gar nicht mehr aufhören zu heulen.“ „Ist schon gut“, wehrte der Blondschopf halbherzig ab und nippte von seinem Kaffee, „sollte kein Vorwurf sein. Wo hast Du die beiden hingebracht?“ er hatte vor Beginn der Zeremonie keine Zeit mehr gehabt, mit dem Cowboy über seine Frau zu sprechen, auch wenn es ihn brennend interessiert hatte, wie die beiden auseinander gegangen waren. Aber die Tatsache, dass Robin sich bei der Beisetzung so weit wie möglich von Colt ferngehalten hatte, war eigentlich Erklärung genug gewesen. „Erst mal nach Hause. Nach dem Schrecken wollte ich sie nicht im Hotel versauern lassen. Ist auch so alles schon merkwürdig genug.“ Nervös inspizierte der Scharfschütze seine Fingernägel. Er hatte sich zu Hause rasch aus dem Raumanzug geschält und war in eine bequeme Jeans und ein schlichtes weißes Hemd geschlüpft, bevor er wieder los in Richtung Hospital gefahren war. Hoffentlich würde Saber ihn nicht weiter über Robin ausquetschen. Er war noch nicht bereit, über seine Trennung von der Lehrerin zu reden. Schlimm genug, dass sie tatsächlich den letzten Schlussstrich gezogen hatten, aber dass sie jetzt trotzdem wieder unter einem Dach mit ihm wohnen würde, und wenn auch nur für eine Nacht, machte das Ganze nicht weniger kompliziert. Das unerwartete Auftauchen des Rennfahrers hatte alles komplett durcheinander gewirbelt. Kameradschaftlich hielt Saber dem Cowboy seinen Pappbecher entgegen: „Damit hast Du den Nagel wohl auf den Kopf getroffen“, vorsichtig warf er seinem Freund einen Blick aus dem Augenwinkel zu, „magst Du drüber reden?“ „Über Robin“, entschieden schüttelte Colt den Kopf und nahm einen großen Schluck des schwarzen Gebräus, das der Highlander ihm angeboten hatte, „schmeckt ja ekelhaft das Zeug, ich hoffe, der war umsonst!“ kommentierte er die mangelnde Qualität des Heißgetränks mit kraus gezogener Nase. „Ist wahrscheinlich auch nicht gerade der richtige Zeitpunkt dafür!“ stimmte Saber ihm zu und stellte mit einem verklemmten Schmunzeln fest, dass der Cowboy trotz seiner letzten Äußerung noch einen weitern Schluck nahm. Dieser Tag musste es für ihn besonders in sich gehabt haben. Wenn er nicht über Robin reden wollte, gab es zu dem Thema auch nicht mehr all zu viel zu sagen, und an einem Tag eine Ehe zu beenden, den besten Freund zu begraben und dann wieder von den Toten auferstehen zu sehen, war definitiv mehr, als selbst der härteste Star Sheriff verkraften konnte. „Das kommt mir alles noch so unwirklich vor“, murmelte Colt gedankenverloren, „zuerst muss ich mich gezwungener Maßen damit abfinden, dass der Kleine nicht mehr da sein soll, und dann taucht er plötzlich auf und grinst uns so dämlich an, als wenn er nur mal gerade eine Latte Wasser um die Ecke stellen war. Ich meine…“, ungehalten raufte er sich die Haare, „ist das alles nur ein schöner Traum, der vorbei ist sobald mein Wecker klingelt?“ „Das habe ich mich auch schon Dutzende Male gefragt. Wie er da mit einem Mal gestanden hat…“ „Gespenstisch, oder?“ der Cowboy versuchte sich an die ersten Gedanken zu erinnern, die ihm durch den Kopf geschossen waren, als Fireball auf dem Friedhof erschienen war. Colt hatte den Rennfahrer vor ihrem Anführer entdeckt und hatte dem Schotten beschwichtigend eine Hand auf die Schulter gelegt, als dieser versuchen wollte, April schützend an sich zu ziehen. Egal, was zwischen Saber und der Blondine alles gelaufen sein mochte, in der Sekunde, als der Rennfahrer zurück in ihr Leben getreten war, hatte der Highlander ausgespielt. Eine Sache, die bestimmt nicht beiden Seiten so klar sahen, wie Colt es tat. Er wusste nicht, wer ihm im Moment mehr leid tat: der kleine Heißsporn, weil seine Verlobte ihn mit seinem Boss betrogen hatte, oder Saber, weil er sich vielleicht Hoffnungen auf mehr gemacht hatte und diese jetzt wie ein kurzer Schauer im trockenen Wüstensand versickerten. Auf jeden Fall mochte er weder in Aprils noch in der Haut des Säbelschwingers stecken. „Ja, gespenstisch passt ganz gut“, nickte der Schotte versonnen, „hast Du gesehen, wie blass und dünn er geworden ist? Möchte nicht wissen, was ihm alles widerfahren ist, nachdem wir ihn einfach so zurück gelassen haben!“ die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören und Colt wusste ganz genau, worauf diese Diskussion wieder hinauslaufen würde: „Wir haben ihn nicht einfach so zurück gelassen und das weißt Du auch!“ „Stimmt, das war blöd formuliert“, frustriert stützte Saber seinen Kopf mit den Händen ab und ließ die Finger grob durch seine blonde Mähne fahren, „nicht wir haben ihn zurück gelassen, sondern ich. Wenn ich zur Abwechslung mal auf Dich gehört und wir nach ihm gesucht hätten…“ „Gott, hör schon auf“, schnitt der Cowboy ihm ungehalten das Wort ab, drückte ihm den leeren Pappbecher in die Hand und stand auf, „ich kann Dein bemitleidenswertes Gejammer nicht mehr ertragen. Als wir dachten, der Kleine wäre in die ewigen Jagdgründe eingegangen, hast Du Dir schon die Schuld dafür gegeben. Ja, ja, ich weiß“, wehrte er bissig ab, als er sah, dass der Schotte zum Protest ansetzen wollte, „Du hättest wissen müssen, dass es eine Falle gewesen ist und Du hättest dafür sorgen müssen, dass Fire mit seinem Hintern an Bord von Ramrod bleibt. Vielleicht kann ich Dir ja auch noch die Schuld für meine gescheiterte Ehe in die Schuhe schieben? Wäre echt ganz praktisch, weißt Du!“ bildete sich dieser Kerl wirklich ein, dass ihm irgendjemand Omnipotenz zusprach? Konnte er sich nicht einfach darüber freuen, dass der Rennfahrer am Leben war und ihre tiefschwarze Pechsträhne endlich ein Ende gefunden hatte? Nein, wenn der gute Mr. Rider sich nicht im Selbstmitleid suhlen konnte, war er anscheinend nicht mehr mit sich und der Welt zufrieden. Als Fireball gestorben war, hatte er sich wegen tausend verschiedener Dinge Vorwürfe gemacht, und jetzt, wo er wieder bei ihnen war, suchte er neue Gründe, wegen derer er sich schlecht fühlen konnte: „Wenn Du mich fragst, brauchst Du dringend ein paar Tage Urlaub!“ Saber schnaubte kurz auf, zerknüllte erzürnt den Kaffeebecher und schleuderte ihn emotionsgeladen hinüber zum Mülleimer, den er um gut einen halben Meter verfehlte: „Man Colt, Du hast doch überhaupt keine Ahnung. Ich hatte die Verantwortung, okay! Ich darf morgen vor den Kadi treten und denen erklären, warum wir dem Oberkommando so ein Desaster beschert haben. Meinst Du wirklich, dass ich mich dabei gut fühlen sollte, ja!“ Der Cowboy baute sich mit düsterem Gesicht vor seinem Freund auf und stemmte empört die Hände in die Hüften: „Und Du glaubst tatsächlich, dass ich Dich dem Lynchmob alleine gegenüber treten lasse, ja?“ Diese Frage überraschte den Schotten: „Hör auf mit dem Unsinn, Colt, ich bin vorgeladen, nicht Du!“ er stand behäbig von seinem Stuhl auf, ging hinüber zu seinem schlecht platzierten Wurfgeschoss und beförderte das kleine Häufchen Pappe mit Schwung in den Mülleimer. „Mag sein“, erwiderte Colt mürrisch, während er dem Treiben des Highlanders mit düsterem Blick folgte, „aber eines hast Du in den letzten Wochen anscheinend irgendwie vergessen: wir sind ein Team. Wir entscheiden als Team und wir handeln als Team…“ „Und trotzdem bin ich letztlich derjenige, der sagt wo es lang geht und dafür die Konsequenzen zu tragen hat“, scheppernd krachte Sabers rechter Fuß gegen den Korb aus Metallgeflecht, „kannst oder willst Du das nicht kapieren?“ wie oft würden sie diese Diskussion noch führen müssen? Bevor der Cowboy zu einer hitzigen Antwort ansetzen konnte, erhob sich der alte Mann in dem braunen Bademantel wutschnaubend von seinem Platz, schlug sein Buch mit einem dumpfen Knall zu und rauschte tödlich beleidigt an den beiden verdutzt dreinblickenden Star Sheriffs vorbei. „Sorry, Mister, nichts für ungut“, Colt hob entschuldigend seinen Hut und winkte dem Alten damit zerknirscht hinterher, „und Du meinst also, dass Du ganz alleine entscheidest, was wir so tun und machen, ja“, wandte er sich mit gefletschten Zähnen wieder an Saber, „man, was für ein Bullshit. Du weißt ganz genau, dass Deine Entscheidungen keinen Pfifferling wert sind, wenn wir nicht hundertprozentig dahinter stehen.“ „Oh ja, prima“, ereiferte sich der Säbelschwinger und stieß Colt unsanft gegen die Brust, „das solltest Du dem Untersuchungsausschuss unbedingt erzählen. Wenn mir der Befehl meines Vorgesetzten nicht passt, dann halte ich mich eben nicht dran! Große Klasse, Gringo!“ er rechnete fest damit, dass ihm der Cowboy für diese Kampfansage eine langen würde und freute sich schon beinahe darauf, all dem aufgestauten Ärger und Frust bei einer kleinen Schlägerei Luft machen zu können. Nur zu blöd, dass sie sich hier mitten in einem Krankenhaus befanden; wohl der einzige Grund, der Colt daran hinderte, tatsächlich die Beherrschung zu verlieren. Er warf seinen Hut rücklings auf einen der Stühle und schubste Saber mit gespreizten Fingern gegen die Wand: „Weißt Du, dass es mich ehrlich ankotzt, wie Du hier in letzter Zeit immer den Boss raushängen lässt? Du tust geradewegs so, als wären wir alle kleine Rookies, die noch grün hinter den Ohren sind und einen Mickey Bullen nicht von ’ner Milchkuh unterscheiden können.“ er versuchte, die Lautstärke seiner Stimme auf einem der Umgebung angemessenen Level zu halten, was ihm nicht ganz gelang. Der Schotte hingegen bewerkstelligte es mit Bravour, völlig emotionslos zu klingen, als er Colt den kleinen Schubser zurückzahlte und den Scharfschützen damit zurück auf seine vier Buchstaben beförderte: „Fein, das es jetzt endlich raus ist, nicht wahr“, mit dämonischem Grinsen sah Saber zu, wie der Cowboy den zerknautschten Hut unter seinem Hinterteil hervorholte, „wolltest Du mir doch schon länger mal an den Kopf geknallt haben, oder nicht?“ Colt, beim Anblick seiner zerbeulten Lieblingskopfbedeckung erst recht in Rage geraten, stemmte sich schwerfällig hoch und taxierte seinen Freund mit finsterer Entschlossenheit. Eigentlich war hier weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, um dieses Thema zu besprechen. Schließlich lag ein paar Gänge weiter Fireball, der Manitu gerade ein Schnippchen geschlagen hatte und ihre Unterstützung gebrauchen konnte, aber wenn der Schotte die Sache nun schon einmal zur Sprache brachte: „Stimmt, wenn ich so recht darüber nachdenke, war das echt überfällig.“ Schon an Bord von Ramrod hatte sich Colt unheimlich darüber aufgeregt, wie akribisch der Blondschopf plötzlich den Anführer herauskehrte, aber irgendwie war es ihm bislang unpassend erschienen, den Punkt offen anzusprechen. Es war soviel passiert, dass die kleinen Machtkämpfe zwischen den Star Sheriffs einfach mit der Zeit in den Hintergrund gerutscht waren. Sabers Augen blitzten herausfordernd auf, doch dann ließ er die geballten Fäuste sinken: „Freut mich ja, dass es wenigstens Dir jetzt besser geht!“ schwer atmend lehnte er sich zurück an die Wand und starrte versonnen zur Decke. Durch den Korridor hallte eine weibliche Lautsprecherstimme und rief einen der Oberärzte aus, während zwei Schwestern geschäftig an den Star Sheriffs vorbei huschten, emsig in ein Fachgespräch vertieft. Eine der beiden Frauen, eine schlanke Blondine mit endlos langen Beinen, warf dem Cowboy ein kesses Lächeln zu, dass dieser zum ersten Mal in seinem Leben mit absolutem Desinteresse hinnahm. Offenbar hatte er es geschafft, den in letzter Zeit gar nicht mehr so kühlen und abgeklärten Blondschopf mit seinen Worten zu verletzen, da war keine Zeit für einen kleinen Flirt, selbst wenn die Dame in einem sexy Schwesternoutfit daher kam: „Man Saber, Fire und ich wollten zu diesem beschissenen Planeten und wir konnten es beide kaum erwarten, endlich ein paar Outridern die Visage zu richten.“ versuchte Colt gereizt zu erklären, was er mit seinen Worten eigentlich gemeint hatte. Er wollte den Freund schließlich nur wachrütteln und ihm nicht noch mehr finstere Gedanken zum Grübeln aufgeben: „Im Nachhinein können wir beide nur froh sein, dass der Kleine seinen Dickkopf durchgesetzt hat und mit uns rausgegangen ist, sonst hätten uns die Wrangler nämlich gehörig den Hintern versohlt. Und wenn ich wirklich der Meinung gewesen wäre, Fireball hätte die Attacke überlebt, hätte mich sicherlich niemand daran hindern können, nach ihm zu suchen!“ sah Saber denn nicht ein, worauf er hinaus wollte? „Na großartig, so ein brillanter Anführer bin ich also, ja“, nein, offenbar sah er es ganz und gar nicht, „gut zu wissen, dass mein Team nicht hinter mir steht.“ Mit geballter Wut im Bauch ging Colt auf seinen Boss los: „Sag mal, hörst Du mir eigentlich zu, Du Blödmann“, er packte ihn an den Schultern und begann, ihn gehörig durchzuschütteln, „wann haben wir denn das letzte Mal nicht hinter Dir gestanden? Wann haben wir einen Deiner Befehle missachtet? Also ich meine vorsätzlich, so kleine Ausrutscher im Eifer des Gefechts mal außen vorgelassen.“ Ungehalten schlug Saber die Arme des Freundes beiseite: „Spuck doch einfach aus, was Du zu sagen hast!“ wenn sie so weitermachten, würde sicherlich bald das Wachpersonal auftauchen und sie ohne Vorwarnung vor die Tür setzen. Gab garantiert eine hervorragende Schlagzeile ab: Mitglieder der KavCom Elitetruppe prügeln sich in öffentlichem Krankenhaus! „Nein, sag schon“, bohrte Colt drängend weiter, „wann haben wir Dich das letzte Mal als Team enttäuscht oder Dich im Stich gelassen?“ auch er sah ein, dass es an der Zeit war, das Temperament etwas zu zügeln. Erwartungsvoll hielt er dem beißenden Blick des Schotten stand und trommelte mit den Fingern gegen seine Oberschenkel. Sabers Wangen glühten vor Zorn: „Noch nie, okay“, presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und wandte beschämt sein Gesicht ab, „ich weiß, dass ich mich auf Euch verlassen kann. Jedenfalls, wenn es wirklich drauf ankommt!“ „Ach, sieh einer an“, zufrieden nickte Colt, denn das Gespräch nahm endlich die Wendung, die er im Sinn gehabt hatte, „vielleicht liegt das ja daran, dass wir bislang immer hundertprozentig von Deinen Entscheidungen überzeugt gewesen sind. Die Aktion in der Phantomzone inklusive, versteht sich. Es war also überhaupt nicht nötig, uns ständig Deine Machtansprüche unter die Nase zu reiben“, er drehte sich peinlich berührt um und wischte sich die Hände am Hosenboden ab, „wir halten Dich nämlich sowieso schon für den verdammt besten Kommandanten, den man sich vorstellen kann.“ „Colt…“ Saber fehlten schlicht die Worte. Träumte er, oder hatte der Cowboy ihm gerade mit Hilfe dieses hitzigen und verwirrenden Wortgefechts tatsächlich zum ersten Mal seine bedingungslose Treue geschworen? Nach all den Jahren, die sie gemeinsam gekämpft und sich immer wieder um Kompetenzen gerangelt hatten, akzeptierte der Scharfschütze ihn tatsächlich als seinen Anführer! Achselzuckend verschränkte Colt die Hände hinter dem Kopf: „Und diese Meinung lasse ich mir weder von Dir ausreden, noch von irgendeinem hirnlosen Futzi im Oberkommando, der nicht genug Eier in der Hose hat, um sich schützend vor die eigenen Leute zu stellen.“ Mit dieser vulgären Ausdrucksweise hatte es der Scharfschütze endlich geschafft, das Eis zu brechen: „Und das willst Du denen genau so sagen?“ Saber schob sich ungelenk an seinem Freund vorbei, griff nach dessen Hut und versuchte, die verknitterten Stellen so gut es ging wieder herzurichten: „Auch das mit den Eiern?“ „Besonders das mit den Eiern!“ bestätigte Colt im Brustton der Überzeugung. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, als sich der Schotte mit einem Grinsen zu ihm umdrehte: „Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen!“ geschickt ließ Saber den Hut wie einen Frisbee durch die Luft segeln und der Cowboy fing ihn lässig mit dem rechten Zeigefinger auf: „Meine Rede, Alter! Wenn wir zusammenhalten, kann uns niemand das Wasser reichen!“ der Hut wirbelte auf dem Finger herum wie eine Schallplatte auf dem Mischpult eines DJs. Saber starrte einige Sekunden gedankenverloren auf das kleine Jonglierkunststück und fuhr sich dann geniert durch die Haare: „Bin ich wirklich so ein unausstehlicher Mistkerl gewesen?“ wenn die anderen auch nur ansatzweise in den gleichen Bahnen dachten, war es kein Wunder, dass sein Team ständig kurz vor der Meuterei gestanden hatte. Warum war ihm das nicht aufgefallen? Colt winkte großzügig ab und platzierte seinen Hut wieder auf dem braunen Haarschopf: „Ich würde mal sagen, es gibt mildernde Umstände. Immerhin hattest Du Deinen blonden Gorilla nicht dabei, der uns zur Not den Marsch geblasen hätte. Aber Du hast Dich schon ziemlich nah am Abgrund rum getrieben, Amigo.“ Stolz wie Oskar warf er sich in die Brust und hüstelte hinter vorgehaltener Hand. Der Tag hatte als der schlimmste seines Lebens begonnen, doch ganz langsam gewann der Scharfschütze den Boden unter den Füßen zurück. Er, der unsensible Klotz, der mehr für seine groben Sprüche als für sein feinfühliges Gespür bekannt war, hatte es geschafft, den abdriftenden Schotten wieder einigermaßen auf Kurs zu bringen. Auch wenn dieser jetzt vor lauter Rührung nicht recht wusste, was er sagen sollte: „Danke, Colt…“ murmelte Saber mit glasigen Augen und musste den Wunsch unterdrücken, den Freund für seine warmherzige Bekundung von Zuneigung und Loyalität zu umarmen. „Ja, ja, schon klar, jetzt hast Du erkannt, was für ein toller Kerl ich bin und willst mich heiraten“, frotzelte Colt peinlich berührt, als er die Tränen seines Bosses sah und boxte dem Freund grob gegen die Schulter, „aber das muss ich mit vorzüglicher Hochachtung ablehnen, Alter. Ich bin im Moment nicht auf der Suche nach einer neuen Beziehung.“ Er hatte unfreiwillig Farbe bekannt und Saber gesagt, was er von dessen Führungsfähigkeiten hielt. Das hieß aber noch lange nicht, dass er jetzt gewillt war, mit ihm eine Daily Soap zu inszenieren. „Okay“, gespielt verletzt verzog der Schotte die Lippen, „dann lass mich wissen, wenn Du es Dir anders überlegt hast!“ „Mach ich, aber vielleicht sollten wir jetzt endlich Matchbox einen kleinen Besuch abstatten. Er soll ja nicht gleich merken, wie lästig wir es finden, dass er zurück ist, oder?“ antwortete Colt mit einem verschmitzten Zwinkern und setzte sich in Richtung der Krankenzimmer in Bewegung. Sein Bedarf an larmoyanten Offenbarungen war vorerst gedeckt und er sehnte sich danach, den Rennfahrer zu sehen. Die paar Minuten vorhin auf dem Friedhof hatten bei weitem noch nicht ausgereicht, um ihn für die mehr als zwei Wochen ohne den Freund zu entschädigen. „Ja, klar“, verunsichert schnippte Saber einen Fussel von der linken Armpanzerung seines Raumanzuges, „geh Du doch schon mal vor, ich komme dann…“ Colt blieb stehen und beäugte seinen Boss mit wissendem Blick: „Ich kann mir schon denken, wie Du Dich fühlst“, oh nein, jetzt ging das schon wieder los, hatte er denn heute das Land der Rührseligkeit gepachtet, „aber das ist die einzige Sache, für die ich Dich nicht begnadigen kann!“ Irgendwie war es ja abzusehen gewesen. Der Highlander fühlte sich schuldig und wollte sich nun vor der unausweichlichen Konfrontation mit April und Fireball drücken. Aber letztlich musste er doch wissen, dass er nicht ewig vor der Verantwortung davonlaufen konnte. Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis der Rennfahrer von den Gerüchten hörte, die über den Kommandanten und den Navigator von Ramrod im Umlauf waren. „Was?“ fragte Saber irritiert, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen und hätte erst jetzt bemerkt, dass Colt ihn angesprochen hatte. Wie sollte er sich der Blondine und dem Rennfahrer gegenüber nur verhalten? Er konnte sein Intermezzo mit April nicht einfach unter den Teppich kehren und so tun, als wenn nichts gewesen wäre. Mal abgesehen davon, dass er das auch eigentlich gar nicht wollte. Am liebsten hätte er sich ein Herz gefasst, sie bei der Hand genommen und unter vier Augen mit ihr geredet. Doch was sollte er schon sagen? Fireballs Rückkehr hatte mit einem Schlag zunichte gemacht, was sich zwischen ihm und der Freundin so zögerlich aufgebaut hatte. „Das zwischen Dir und April“, stellte Colt pragmatisch fest, „ich glaube kaum, dass Fire sonderlich begeistert sein wird, wenn er die Geschichte erfährt. Aber Du kannst den beiden nicht ewig aus dem Weg gehen und hoffen, dass es damit für alle Zeiten vergessen bleibt.“ Ein schweres Seufzen entrang sich der Kehle des missmutigen Schotten: „Und was soll ich Deiner Meinung nach machen?“ der Cowboy hatte wirklich leicht reden. Für jemanden, der gerade seine Ehe für eine Frau aufgegeben hatte, die mit einem anderen auf und davon geflogen war, stellte die momentane Situation des Highlanders sicherlich ein Kinderspiel dar. Aber Saber war nicht so abgebrüht, die Lage mit trockenem Humor betrachten zu können. Dafür waren mittlerweile einfach zu viele Gefühle aufgelodert. „Kann ich Dir auch nicht sagen, in Frauendingen bin ich als Experte wohl auch meines Throns enthoben worden. Aber wenn Du meine unbedeutende Meinung hören willst, Top Sword…“ „Ich bin ganz Ohr!“ Colt nickte, dieses Mal mit ziemlich ernster Miene: „Egal, was zwischen Dir und der Prinzessin war und ob Dir Fire dafür später die Kanbberleiste Zähne einschlägt oder nicht“, sein Blick suchte den von Saber und der Cowboy setzte seine ganze Überzeugungskraft ein, als er mit fester Stimme fort fuhr, „er ist unser kleiner Kumpel und er braucht uns jetzt!“ Der Appell traf genau ins Schwarze. Der Schotte fuhr sich mit zusammengekniffenen Augen übers Gesicht und massierte sich kurz die Schläfen, so dass Colt schon fürchtete, er würde ihm noch weiter ins Gewissen reden müssen. Aber dann schlug sich Saber fest mit der rechten Faust in die linke Hand: „Weißt Du was, ich glaub, Du hast Recht!“ das Mindeste, was er für Fireball im Moment tun konnte, war als Freund für ihn da zu sein und ihn nach Möglichkeit zu unterstützen wo es nötig war. Der strenge Ausdruck seines Gegenübers verwandelte sich augenblicklich in das Antlitz eines grienenden Honigkuchenpferdes: „Gibst Du mir das schriftlich?“ Als sich die Tür des Krankenzimmers leise öffnete, warf April einen kurzen Blick über ihre Schulter und erspähte den Rest der Ramrod Crew, der mit betretenem Schweigen hereingeschlichen kam. „Was war los? Rushhour?“ giftete sie Saber und Colt ungehalten an, ohne einen Hehl daraus zu machen, was sie vom späten Eintreffen der Freunde hielt. Beide hatten ihr versichert, sie würden ihr augenblicklich ins Krankenhaus folgen, nachdem sie zu Fireball und den Sanitätern in den Medicopter gestiegen war. Aber mittlerweile saß sie seit einer guten Stunde hier am Bett des Rennfahrers, hielt seine Hand und betete, dass er bald aus dem Koma erwachen würde. Colt war nach dieser frostigen Begrüßung drauf und dran, eine hitzige Antwort zum Besten zu geben, doch als er Fireball erblickte, verpuffte seine aufflammende Wut mit einem Schlag: „Tut mir leid“, flüsterte er ergriffen und nahm auf der anderen Seite des Krankenlagers Platz, „ich musste mich erst um Robin und den Kleinen kümmern. Die Nummer war wohl einen Tuck zu groß für die beiden.“ Sorgenvoll beäugte er den ohnmächtigen Rennfahrer und spürte, wie sich sein Herz schmerzlich zusammenzog. Der Kleine war sehr blass und seine großen Augen lagen tief in den Höhlen, so als hätte er in den vergangenen Tagen ziemlich viel durchgemacht. Außerdem wirkte er wahnsinnig abgemagert. Fireball hatte nie auch nur ein Gramm Fett zuviel an seinem beeindruckend durchtrainierten Körper gehabt. Aber von dem einst so muskulösen Torso war nicht viel geblieben und nicht nur die Wangenknochen des jungen Heißsporns zeichneten sich deutlich unter der pergamentartigen Haut ab, sondern auch Schlüsselbein und Rippen waren überdeutlich zu erkennen. Sein linker Arm und die Schulter waren frisch bandagiert und an den rechten Unterarm hatte man einen Tropf gelegt, dessen zugehöriges Gestell mit einem prall gefüllten Kunststoffbeutel Nährstofflösung am Kopfende des Bettes stand. „Wie geht es ihm?“ Saber hatte in der breiten Fensterbank des Einzelzimmers Platz genommen. Das rechte Bein angewinkelt und mit den Armen umschlungen musterte er den Freund ebenso besorgt wie der Cowboy. Während ihrer Laufbahn als Star Sheriffs war es immer wieder vorgekommen, dass einer von Ihnen eine Schramme abbekommen hatte, Jesse Blue war es vor über einem Jahr sogar gelungen, Colt für ein paar Tage außer Gefecht zu setzen, aber so schlimm wie Fireball jetzt hatte es bislang noch nie einen ihres Teams erwischt. Der Schotte musste sich konzentrieren, um die Augen auf Fireball gerichtet zu halten und April nicht zumindest einen kurzen Seitenblick zuzuwerfen. Die Blondine seufzte, aber es klang eigentlich eher zufrieden als alarmierend: „Seine Schulter ist übel zugerichtet, aber die Ärzte meinen, dass er sich ansonsten in einem erstaunlich guten Zustand befindet“, zärtlich strich sie ihrem Verlobten durch die staubigen braunen Haare und übers Gesicht, „er hat ein paar Kilo verloren und sein Körper wurde durch die Verletzung sehr geschwächt. Aber nichts, was ein bisschen Pflege und gute Hausmannskost nicht wieder hinbekommen würden. „Ich kann es irgendwie immer noch nicht glauben“, vorsichtig, als hätte er Angst, seinem Freund eine weitere Verletzung beizubringen, berührte Colt den verbundenen Arm, „wie ist das passiert?“ ihm kamen die letzten Worte in den Sinn, die er mit Fireball gewechselt hatte, kurz bevor der Kontakt zwischen Ramrod und dem Red Fury abgebrochen war: ‚Bis auf ein paar blaue Flecken schon…’ Hatte der Rennfahrer damals die Wahrheit gesagt? Oder war er bereits schwer verletzt gewesen und hatte es dem Cowboy lediglich vorenthalten, um den Kameraden nicht all zu sehr in Sorge zu versetzen? April zuckte erschöpft mit den Schultern: „Das wissen sie nicht genau“, sie ließ ihre Finger noch einmal sanft über Fireballs hohle Wange streichen, bevor sie sie wieder auf seine gesunde Hand legte, „das Narbengewebe und das Aussehen der Wunde lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass es ein glatter Durchschuss mit einem Kurzstreckenlaser war…“ „Mein Gott“, keuchte Saber erschrocken von seinem Beobachtungsposten und griff sich automatisch an seine eigene gesunde Schulter, „das müssen grauenhafte Schmerzen gewesen sein.“ Schon die gebündelten Lichtstrahlen von Handfeuerwaffen konnten verheerenden Schaden am menschlichen Körper anrichten und natürlich auch zum Tode führen. Was es allerdings hieß, von einer Waffe getroffen zu werden, die eigentlich für das Durchschlagen von zentimeterdicker Panzerung konzipiert worden war, mochte sich der Schotte nicht ausmalen. Die junge Frau tat so, als hätte sie den Einwand des Highlanders überhaupt nicht gehört. So wie sie ihn beim Eintreten ins Zimmer gewissenhaft ignoriert hatte, fuhr sie jetzt mit ihrem Bericht fort und schenkte seinen Worten nicht die geringste Beachtung: „Es ist nur merkwürdig, dass die Wunde wohl schon sehr gut verheilt ist. Für diesen kurzen Zeitraum nach Meinung der Ärzte viel zu gut.“ Colt runzelte fasziniert die Stirn: „Mich würde ja eher mal interessieren, wie er es mit so einer Verletzung überhaupt geschafft hat, dem Monster-Renegade zu entkommen und am Leben zu bleiben.“ „Er muss Hilfe gehabt haben“, erwiderte Saber nachdenklich, „die Frage ist nur, wer auf diesem Outrider-Planeten ein Interesse daran gehabt hat, einem angeschossenen Star Sheriff aus der Patsche zu helfen.“ Jedenfalls konnte Fireball es mit der kaputten Schulter nicht alleine geschafft haben, den Wüstenplaneten in der Phantomzone zu verlassen oder den Dimensionssprung zurück ins neue Grenzland zu machen. „Und wisst Ihr, was mich am allermeisten interessiert“, April erhob sich von der Matratze, drehte sich blitzschnell auf dem Absatz um und starrte dem Schotten herausfordernd ins Gesicht, „wie es sein kann, dass Du den Rückzug angeordnet und ihn für tot erklärt hast, obwohl er dort irgendwo in Eurer Nähe war und Eure Hilfe gebraucht hätte!“ mit eisiger Miene lehnte sie sich gegenüber von Saber in die Fensternische und wartete gespannt auf eine Reaktion des Freundes. In der letzten Stunde hatte sie viel Zeit gehabt, vielleicht ein wenig zuviel Zeit, um über diese und viele andere Fragen nachzudenken. Sie war so unendlich froh und dankbar darüber, dass Fireball lebte und zu ihr zurückgekehrt war, aber die Umstände, die zu seiner Rückkehr geführt hatten, ließen ihr keine Ruhe. Warum hatten Colt und Saber nicht einmal in Betracht gezogen, das Wrack des Red Fury unter die Lupe zu nehmen? Nur um auch wirklich ganz sicher zu sein! Man musste Fireball nicht besonders lange ansehen um zu wissen, dass er eine harte Zeit hinter sich hatte. Die ihm zweifelsohne erspart geblieben wäre, wenn die Herren ihre Hintern nur für fünf Minuten an die frische Luft bewegt hätten. „Glaubst Du nicht, dass ich mir diese Frage auch schon das eine oder andere Mal gestellt habe?“ konterte der Säbelschwinger unwirsch. Er setzte alles daran, den Nervenkrieg gegen die Blondine zu gewinnen, musste aber nach wenigen Sekunden demütig die Augen schließen. Den vorwurfsvollen Blick, den sie ihm entgegenschleuderte, konnte er nicht ertragen. Saber wusste, dass April zu Recht wütend auf ihn war, aber das machte die Sache weder einfacher noch besser. Der weibliche Star Sheriff atmete tief durch, bevor ihr der nächste bösartige Vorwurf über die Lippen rutschen konnte. Was tat sie hier nur? Schniefend bedeckte sie die Augen mit ihren Händen und schüttelte heftig den Kopf: „Entschuldige“, murmelte sie reumütig, „anstatt Euch mit lächerlichen Vorwürfen zu bombardieren sollte ich lieber dankbar sein, dass ich ihn wiederhabe!“ Sie wusste doch, dass Saber und Colt ihren Freund nicht im Stich gelassen hatten. Und gemeiner Weise war ihr auch gar nicht in den Sinn gekommen, den Cowboy mit diesen Anschuldigungen zu konfrontieren. Ihr Unmut und ihre ohnmächtige Wut hatten sich allein gegen den Kommandanten der Star Sheriffs gerichtet, und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Nämlich wegen Ihres eigenen schlechten Gewissens. Unsicher blinzelte sie zum Schotten auf, der ihr ein schüchternes Lächeln schenkte: „Ist schon gut!“ Mit wachsender Sorge beobachtete Colt die beiden Freunde. Es war so offensichtlich, was in dem Säbelschwinger und der jungen Frau vor sich ging, dass es unweigerlich auch Fireball auffallen musste, wenn dieser erst aus seinem Koma erwacht war. April fühlte sich dem Rennfahrer gegenüber schuldig und versuchte ihren Treuebruch dadurch zu mildern, dass sie dem Objekt ihrer Begierde die kalte Schulter zeigte. Und Saber war hin- und hergerissen zwischen seinen Gefühlen für die Blondine und dem Ehrempfinden für den wiedergewonnenen Freund. Das konnte ja noch ganz schön heiter werden! „Wie er wohl zurück ins neue Grenzland gekommen ist“, warf der Cowboy eine neue Frage in den Raum, um die erstarrte Konversation auf neutralem Terrain wieder in Gang zu bringen, „er hätte mit der kaputten Schulter eigentlich nicht mal ein Schiff steuern können.“ Erschrocken fuhr April zu ihm herum, erst jetzt wieder gewahr, dass sie nicht alleine mit ihrem Boss war: „Hat er aber getan, Colt“, dankbar für die kleine Verschnaufpause, die er ihnen verschafft hatte, schaute sie den Scharfschützen über das Krankenlager hinweg an, „er ist mit einem Outrider-Schiff direkt hinein in die militärische Sicherheitszone geflogen und hat sich von einer Staffel Abfangjäger auf die Landebahn eskortieren lassen.“ „Woher weißt Du das?“ Saber legte das Kinn auf sein Knie und musterte April interessiert. Diese Frau steckte wirklich voller Überraschungen. Wieso war ihm das in all den Jahren nie aufgefallen? Irritiert durch den eindringlichen Blick des Säbelschwingers griff die Blondine nervös nach einer Strähne ihres Haares: „Ich habe vorhin mit Daddy gesprochen. Der verantwortliche Offizier von der Raumfahrtkontrolle hat ihm direkt nach seiner Rückkehr ins KavCom Bericht erstattet.“ Fahrig zwirbelte sie ihre Haare immer wieder um den rechten Zeigefinger und beobachtete gebannt, wie sie sich durch ihre enorme Sprungkraft jedes Mal wieder von selbst entwirrten. Sie wünschte, er würde endlich aufhören, sie so nachdrücklich zu mustern. Sie konnte sich denken, wie sich Saber im Moment fühlte, denn ihr erging es ähnlich. Heute Morgen noch war sie in seinen Armen aufgewacht und jetzt… „Mensch, er ist wirklich ein Teufelskerl!“ „Wer?“ fragend richteten sich Aprils Augen wieder auf den Cowboy, der anerkennend die Arme vor der Brust verschränkt und eine fast väterlich stolze Miene aufgesetzt hatte: „David?“ „David?“ Colt verstand nicht ganz, und auch Saber wirkte etwas irritiert, als er sich von seinem Platz erhob: „Wieso David?“ „Na“, April hob durcheinander die Arme, „über wen haben wir denn gerade gesprochen?“ Hatten die Aufregungen des Tages vielleicht ein wenig das Gehirn der jungen Frau in Mitleidenschaft gezogen? Fast entschuldigend hob der Cowboy die linke Augenbraue und fragte: „Matchbox vielleicht“, wobei er zaghaft auf den schlafenden Fireball deutete. Kam es nur ihm so vor, oder wurde diese Unterhaltung immer suspekter, „wieso, wen meintest Du denn?“ Die Blondine rückte geschäftig ihr rotes Haargummi zurecht. Sabers Anwesenheit machte sie so nervös, dass sie nicht in der Lage war, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen: „Ich dachte nur, Du redest von Dave, weil er doch…“ „Man“, explodierte der Scharfschütze ungehalten und warf ihr aus lauter Frust seinen Hut entgegen, „von was für einem Dave faselst Du da die ganze Zeit?“ dieses Weib war wirklich eine Plage. Wieso hatten sie nicht sie mit in die Phantomzone genommen und versehentlich dort vergessen? Saber schien in ähnlichen Bahnen wie sein Kamerad zu denken. Mit konsterniertem Gesichtsausdruck lehnte er sich auf das Fußgestänge von Fireballs Bett und schaute zwischen Colt und April hin und her: „Das wird mir hier allmählich zu verwirrend“, sein Blick blieb an der jungen Frau hängen, „könntest Du mir bitte verraten, an welchem Punkt ich den Faden verloren habe?“ es musste wohl irgendwann zwischen dem Aufstehen und dem Frühstück passiert sein, aber das war ein Thema, dass es unter vier Augen zu klären galt. „Ja genau“, stimmte der Cowboy jovial ein, der die Zweideutigkeit von Sabers Worten nicht erfasst hatte, „was für ein David zum Kuckuck?“ April konnte nichts anderes tun, als bei soviel geballter Begriffsstutzigkeit mit den Ohren zu schlackern: „David Scott natürlich“, sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, um den Jungs zu demonstrieren, für wie beschränkt sie die beiden hielt, „er war der wachhabende Captain, der angeordnet hat, Fireball vom Himmel zu holen!“ konnte man von einem Star Sheriff nicht mal verlangen, dass er von der Tapete bis zur Wand dachte? Bei der Erwähnung des Namens riss Colt überrascht die Augen auf: „Der David Scott?“ wenn er seinen Hut nicht unvorsichtiger Weise der blauäugigen Viper auf der anderen Seite des Bettes zugeschmissen hätte, wäre genau jetzt der Zeitpunkt gewesen, ihn sich aus der Stirn zu kicken. So musste der Cowboy ungehalten mit ansehen, wie April sich die zerknautschte Lederkrempe zwischen die Lippen Schob und energisch darauf herumbiss: „Sag mal, spreche ich Chinesisch, oder was“ fauchte sie erbost und schleuderte den Hut dann ohne Vorwarnung zu seinem Besitzer zurück, „natürlich der David Scott!“ Angeekelt inspizierte Colt die Zahnabdrücke und dunklen Speichelflecken, die der weibliche Star Sheriff auf seiner sowieso schon sehr ramponierten Kopfbedeckung hinterlassen hatte. Da hatten die beiden Blondschöpfe wirklich eine hervorragende Gemeinschaftsarbeit abgeliefert. Dieser Stetson taugte allenfalls noch etwas für den Karneval. Nur gut, dass er zu Hause eine ganze Sammlung von den Dingern herumliegen hatte. Abschätzig hängte er den Hut an das Gestänge des Tropfes und widmete sich dann wieder dem eigentlichen Gesprächsthema: „Der muss aber ganz schön Tomaten auf den Augen gehabt haben, wenn Du mich fragst!“ Dies war der Punkt, an dem sich Sabers Gehirn endgültig aus der verwirrenden Konversation ausklinkte: „Eure Gedankengänge bleiben mir mal wieder vollends verschlossen…“ trübsinnig kratzte er sich an der Nase und überprüfte unnötiger Weise, ob sein Säbel noch an seiner linken Seite hing. Colt und April waren dabei schon so sehr in ihrem Element gefangen, dass sie den kläglichen Einwand des Freundes gar nicht wahrnahmen. „Ich meine, wenn er gewusst hätte, wer der Pilot des Outrider-Schiffs gewesen ist, hätte er bestimmt sofort den Feuerbefehl erteilt.“ konterte der Cowboy just in diesem Moment grinsend und zwinkerte die Blondine herausfordernd an. Sie alle wussten, dass David eine Schwäche für den weiblichen Star Sheriff hatte und nach wie vor in sie verschossen war, auch wenn Fireball ihn ein für alle Mal aus dem Rennen geschmissen hatte. Man konnte sich eben nicht immer aussuchen, in wen man sich verliebte, und wenn man sich bei der Arbeit auch noch ständig über den Weg lief, bestand kaum Aussicht auf Heilung. April streckte dem Scharfschützen für diese freche Bemerkung hingebungsvoll die Zunge heraus: „Äußerst witzig, Euterzupfer!“ es brachte sie auf die Palme, dass es Colt einfach nicht lassen konnte, dieses längst abgehakte Thema bis zur Selbstaufgabe auszuschlachten. Wann immer sich ihm die Gelegenheit dazu bot, erinnerte er gern und ausführlich an die Prügelei, die sich Dave und Fireball vor gut einem Jahr ihretwegen geliefert hatten. Und die zum Leidwesen des Rennfahrers schnell und vor allem blutig für den Star Sheriff geendet hatte. „Au contraire, holde Maid“, frotzelte der Cowboy erheitert weiter und Saber fragte sich allmählich, ob die beiden Streithähne überhaupt noch wussten, dass Fireball direkt unter ihren Nasen im Koma lag, „sollte gar nicht witzig sein!“ Die kiebige Antwort folgte, wie nicht anders zu erwarten, direkt auf dem Fuße: „Du weißt genau, dass die beiden sich in den letzten Monaten recht gut angefreundet haben, Colt.“ Und das stimmte tatsächlich. Die anfängliche Abneigung des damaligen Lieutenants gegenüber dem Star Sheriff hatte sich nach den ersten Startschwierigkeiten zu einer kameradschaftlichen kleinen Beziehung gemausert, und gelegentlich kam es sogar vor, dass David des Abends mit einem Sechserträger unter dem Arm vor ihrer Haustür stand, um eine Runde mit Fireball über Gott und die Welt zu quatschen. Wobei Gott und die Welt meistens nur das Synonym für Boliden und andere schnelle Autos war, denn der Soldat teilte die Leidenschaft des Rennfahrers, was starke Motoren und schnelle Flitzer anging. Colt rieb sich mit gespielter Nachdenklichkeit das Kinn: „Ja, aber das muss ja nichts heißen. Wenn es dem guten Dave geholfen hätte, seine Chancen bei Dir zu verbessern…“ Schnaubend stemmte der weibliche Star Sheriff jetzt die Hände in die Hüften: „Da muss ich Dich schwer enttäuschen, Colt“, auf David wollte sie nach wie vor nichts kommen lassen, denn er verkörperte für sie noch immer eine Art Held und Gentleman, „Dave hat Fireball nämlich durchaus erkannt und war dann sogar noch so nett und hat ihn zum Friedhof gefahren.“ Diese Offenbarung entlockte dem Cowboy ein verächtliches Schnalzen mit der Zunge: „Also mit so unproduktiven Aktionen bekommt der Junge nie ’ne vernünftige Frau ab!“ er hob die rechte Hand, hielt Daumen und Zeigefinger so, als würde er seinen Blaster auf April richten und wollte gerade ‚abdrücken’, als sich eine krächzende vierte Stimme in die Diskussion einmischte: „Mir egal, solange er die Finger von meiner lässt…“ „Fire!“ sechs erschrockene Augen richteten sich auf den Rennfahrer, der verschlafen blinzelte und müde lächelnd in die überraschten Gesichter seiner Freunde schaute. „Hey Kumpel“, juchzte Colt überschwänglich und stürzte sich förmlich auf den armen Fireball, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, als der Cowboy ihm stürmisch um den Hals fiel, „du bist wach!“ „Schlaues Kerlchen, Colt“, hustete der Rennfahrer und schob den Freund sanft aber bestimmt mit dem gesunden Arm beiseite, „Euer Gezabel hätte selbst Tote wieder zum Leben erweckt!“ „Hm, interessanter Vergleich…“ gab der Scharfschütze mit einem rauen Lachen zurück und wuschelte Fireball wild durch die braune Mähne. Er fühlte sich so beschwingt und glücklich wie damals, als er als kleiner Knirps sein erstes Pony geschenkt bekommen hatte. Sein Partner war wieder bei Bewusstsein und bereits zu ersten Scherzen aufgelegt, wenn das kein gutes Zeichen war. Noch ein paar Tage, und alles war wieder im Lack! „Lass die Witze, Drover“ drängte sich eine gebieterische Stimme in seinen unbändigen Freudentaumel und im nächsten Moment schlossen sich zwei schlanke Hände wie Krallen um seinen rechten Arm und zerrten ihn erbarmungslos von der Bettkante, „warten nicht schon irgendwo Deine muhenden Verwandten auf Dich?“ April versetzte Colt einen letzten kräftigen Stoß in die Rippen und drängte sich dann an ihm vorbei an Fireballs linke Seite. „Hey“, kläffte der Cowboy ungehalten, „bleib gefälligst auf Deiner eigenen Seite, ist doch schließlich genug Platz für alle hier, oder?“ Schmunzelnd verfolgte Fireball mit immer noch schweren Lidern das Gerangel zwischen seiner Verlobten und seinem besten Freund. Es hatte sich überhaupt nichts geändert. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte seine linke Schulter und er versuchte vorsichtig, den Arm oder wenigstens einen Finger zu bewegen, aber seine Gliedmaßen verweigerten ihm nach wie vor den Dienst. Nein, stellte er stoisch fest, es hatte sich wirklich überhaupt nichts geändert. Das tadelnde Hüsteln von Saber ließ ihn aufschauen. Der Schotte stand mit merkwürdig verschlossener Miene am Fußende von Fireballs Bett und betrachtete den Freund mit seinen tiefblauen, undurchdringlichen Augen: „Ich schätze, Colt hat gar nicht so Unrecht“, seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln, „so tot wie Du ist bislang zumindest noch keiner von uns gewesen.“ „Hört jetzt endlich auf mit dem Quatsch!“ knurrte April drohend, während sie Fireballs Hand ergriff und zärtlich umklammerte: „Wie geht es Dir?“ sie glaubte, jede Sekunde in seinen braunen Augen versinken zu müssen. Ihr Herz schlug wild und sie musste den Wunsch unterdrücken, sich augenblicklich auf ihren Verlobten zu stürzen, so wie Colt es kurz zuvor getan hatte. Seine Hand war kalt und merkwürdig schlaff, eine mögliche Auswirkung der Schusswunde, wie die Ärzte gesagt hatten. Aber die Finger der anderen Hand, die jetzt an ihrer Wange ruhten, verströmten soviel Wärme, dass die junge Frau fürchtete, ihre Haut würde unter der Berührung verglühen: „Ich hab Dich vermisst, Süße!“ ungeachtet der Anwesenheit der anderen Star Sheriffs vergrub Fireball seine Hand in Aprils blonder Mähne, zog sie sanft zu sich hinab und hauchte einen schwachen Kuss auf ihre korallenroten Lippen. Schniefend streichelte sie sein ausgezehrtes Gesicht: „Ich…“ „Mach so ’n Scheiß nie wieder, hörst Du“, das ganze Bett erbebte, als sich Colt schwungvoll zur Rechten Fireballs auf die Matratze sinken ließ und das vertraute Wiedersehen empfindlich störte, „ich hab mir fast in die Hosen gemacht vor Sorge.“ „Kannst Du ihn nicht mal für fünf Minuten mit Deinem blödsinnigen Gefasel in Ruhe lassen?“ April holte mit Schwung aus und verpasste dem Cowboy den nächsten Hieb, dieses Mal direkt gegen die breite Brust. Reflexartig schoss Colts Hand nach oben und schloss sich um ihr Handgelenk, bevor sie ein weiteres Mal zuschlagen konnte: „Hey, sag mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe, Du Hades in Menschgestalt“, weil er der Freundin den ausgeteilten Hieb schlecht mit gleicher Münze heimzahlen konnte, denn immerhin war und blieb sie nun mal irgendwie eine Frau, pustete er ihr mit aller Kraft ins Gesicht, „bist hier schließlich nicht die einzige, die sich freuen darf, klar!“ Fireball spürte schwer das Gewicht von April und dem Cowboy auf seinem Becken, weil die beiden sich beide über seinem Körper zueinander beugten und böse anfunkelten: „Bitte, Boss“, wandte er sich deswegen flehend an Saber, der noch immer am Bettende stand und ihn mit diesem komischen Blick anstarrte, „kannst Du die beiden nicht rausschmeißen. Soviel Thermik vertragen meine Nerven noch nicht.“ Freute sich der Schotte überhaupt, ihn zu sehen? Da ging doch schon wieder irgendetwas Seltsames im Oberstübchen des Highlanders vor sich. Erneut musste der Rennfahrer an die Worte von David denken: „Angeblich haben die beiden was miteinander!“ Im nächsten Moment erwachte Saber aus seiner Starre und setzte ein lahmes Grinsen auf: „Ich denke, das ist gar keine schlechte Idee, Fire.“ Wie war das? Fire? Alarmiert versuchte sich der Rennfahrer in seinem Bett aufzusetzen. Hatte sich der Säbelschwinger einfach nur so sehr daran gewöhnt, das jüngste Mitglied seiner Crew mit dem Spitznamen anzureden, oder war hier etwas im Busche, das ihm bislang nur noch keiner verraten hatte? Skeptisch sah er zu, wie Saber den Cowboy am Kragen packte und vom Bett hochzog: „Ich würde sagen, wir zwei stören hier im Moment nur!“ „Aber ich…“ protestierte Colt bockig, während der Schotte ihn hinter sich her in Richtung Tür zerrte. „Nichts aber“, erwiderte Saber herrisch, öffnete die Zimmertür und verpasste dem Freund einen Schubs, der ihn stolpernder Weise auf den Flur hinausbeförderte, „ein kleiner Spaziergang wird uns sicherlich nicht schaden“, bevor er die Tür hinter sich zuzog, schaute er noch einmal zum Krankenbett zurück, „ist schön, Dich wieder an Bord zu haben, Kleiner!“ Durch diese verniedlichende Titulierung noch mehr verunsichert als durch den anderen Kosenamen, zog Fireball die Stirn kraus und starrte ein paar Sekunden hinter den beiden anderen her, bevor er seine Konzentration wieder April widmete: „Was ist los mit ihm?“ Aus ihren Gedanken aufgescheucht zeigte die Blondine fahrig auf die geschlossene Tür: „Du meinst Saber“, plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals und ihre Finger begannen zu schwitzen, „nichts, wieso?“ unauffällig versuchte sie, ihre Hände an der Bettdecke abzuwischen. „Ach, nur so.“ fegte der Rennfahrer den Gedanken rasch beiseite. Er würde alle Zeit der Welt haben, um zu ergründen, was im Kopf seines Bosses vor sich ging. Im Moment zählte nur, dass er endlich mit April alleine war. Liebevoll steckte er eine Strähne des blonden Haares hinter ihr Ohr und legte dann innig die gesunde Hand auf ihre glühende Wange: „Ich hab Dich ehrlich vermisst!“ „Fire…“ jetzt gab es für den weiblichen Star Sheriff kein halten mehr. Solange Colt da gewesen war, um ihre Gedanken auf Trab zu halten, hatte sie es geschafft, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Aber jetzt, da nichts mehr zwischen ihr und Fireball stand, brachen all die zurückgehaltenen Tränen der letzten Tage und Nächte aus ihr hervor und sie warf sich schluchzend an die bandagierte Brust ihres Verlobten, „ich…ich…“ „Hey, ist schon gut“, flüsterte der Rennfahrer beruhigend; er schloss seinen Arm um ihren zitternden Oberkörper und genoss dieses atemberaubende Gefühl der Nähe und der Zärtlichkeit, „ich bin doch wieder hier.“ Er wiegte sie sanft wie ein Baby hin und her und küsste immer wieder ihren Scheitel, während seine Finger ihre nackten Schultern liebkosten. „Ich…ich habs einfach nicht ausgehalten…“ schluchzte April jämmerlich, die Wange fest gegen Fireballs Verband gepresst, „ich habe den Gedanken einfach nicht ertragen…“ „Ach Süße, es tut mir so leid!“ die Qualen, die sie durchlitten hatte, mussten im Vergleich zu den seinen um ein vielfaches schlimmer gewesen sein. Immerhin hatte er sich stets an die Hoffnung geklammert, irgendwann zu ihr zurückkehren zu können. Sie hingegen hatte mit der Vorstellung fertig werden müssen, ihn niemals wiederzusehen. Für April und die anderen Star Sheriffs war er wirklich tot gewesen. Was das bedeutete, wurde Fireball erst in diesem Moment richtig klar. „Nein, mir tut es leid“, immer noch schluchzend setzt sich die junge Frau auf und wischte sich verzweifelt den nicht versiegen wollenden Strom von Tränen aus den Augen, „ich hätte Dich niemals alleine gehen lassen dürfen.“ „Mhmh“, erwiderte Fireball lächelnd, „ich hätte Dich niemals alleine zurücklassen dürfen.“ April wimmerte leise auf: „Hör auf…ich habe Dich im Stich gelassen, Fire!“ noch ein liebes Wort, noch eine weitere zärtliche Geste des Rennfahrers, und sie würde hier und sofort vor ihm auf die Knie fallen und ihm alles erzählen. Dass sie seit einem Monat schwanger war und deshalb nicht mit auf die Mission gekommen war. Dass sie bereits eine Woche nach seinem vermeintlichen Tod Trost in Sabers Armen gesucht und letztlich sogar eine Affäre mit dem Schotten angefangen hatte. Und dass dieser den jungen Heißsporn deshalb so merkwürdig gemustert hatte, weil er in ihm neuerdings nicht mehr nur einen Freund, sondern auch gleichzeitig einen Rivalen sah und nicht mehr wusste, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Aber das war weiß Gott nicht der richtige Augenblick, um ihr Gewissen durch ein übereiltes Geständnis zu erleichtern. Die Ärzte hatten ihr eingebläut, dass es jetzt wichtig war, Fireball viel Ruhe zu verschaffen und unnötigen Stress von ihm fernzuhalten. Er musste erst wieder zu Kräften kommen, bevor sie ihn mit all den ungeheuerlichen Tatsachen konfrontieren durfte, die ihr auf der Seele lasteten. „Red nicht so einen Unsinn, Süße“, der Rennfahrer ergriff ihre Hand und küsste sanft ihre Fingerspitzen, „es ist doch jetzt auch völlig egal. Hauptsache Du bist bei mir!“ erschöpft ließ er den Kopf zurück ins Kissen sinken und schloss matt die Augen. April wischte sich seufzend eine weitere Träne fort: „Du solltest lieber noch ein bisschen schlafen“, mitfühlend berührte sie die bandagierte Schulter, „sie haben gesagt, Du brauchst viel Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen.“ Das rang Fireball ein leichtes Lächeln ab, er schlug aber die Augen nicht wieder auf: „Keine Sorge“, flüsterte er schlaftrunken, „ich bin bald wieder fit. Nur Colt sollte schon mal die Nummer von dem Ersatzteillieferanten raussuchen, bei dem er damals seine neue Schulter gekauft hat. Könnte ich glaube ich ganz gut gebrauchen im Moment.“ „Das wird schon wieder, wirst sehen“, entgegnete April zuversichtlich und drückte ihm einen weiteren Kuss auf die spröden Lippen, „in null Komma nichts sitzt Du wieder in Deiner Satteleinheit!“ Ein unverständliches „Hm“ was alles, was der Rennfahrer darauf noch erwidern konnte. Mit großer Zuneigung zog der weibliche Star Sheriff die Bettdecke fest um den Oberkörper ihres Verlobten, damit er beim Schlafen auf nicht fror: „Ich bleibe noch ein bisschen bei Dir, bis Du eingeschlafen bist“, wisperte sie dicht an seinem Ohr, bevor sie die Arme auf sein Kissen bettete und ihren Kopf dicht an seinen schob, „bitte verzeih mir!“ Die kommenden Tage stellten für die Nerven des hitzköpfigen Rennfahrers eine noch viel größere Zerreißprobe dar, als der ungewollte Zwangsaufenthalt in der Phantomzone. Bereits am nächsten Morgen fühlte er sich kräftemäßig soweit wiederhergestellt, dass er drauf und dran war, sein Krankenlager zu verlassen und nach Hause zu marschieren. Aber da hatte Fireball eindeutig die Rechnung ohne seine treusorgenden Ärzte gemacht. Binnen Stunden hatte man ein Spezialistenteam bestehend aus drei hochrangig dotierten Neurologen zusammengetrommelt, das sich nun pausenlos um das Wohlergehen des Star Sheriffs sorgte und keineswegs gewillt war, den Patienten voreilig zu entlassen. Immer wieder musste er endlose Tests und Untersuchungen über sich ergehen lassen, die allesamt doch nur auf ein und dasselbe Ergebnis hinausliefen: sein Arm war und blieb ein an seiner Schulter festegewachsener Fremdkörper, der sich nicht kontrollieren ließ. Für die Professoren noch lange kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Ständig versicherten sie Fireball, wie häufig es nach so einer Schussverletzung vorkam, dass Gliedmaßen noch monatelang ohne Gefühl blieben, aber irgendwann wieder völlig regenerierten. Nur zu gerne hätte der Rennfahrer diesen Versprechungen Glauben geschenkt, aber allein dieses undefinierbare „irgendwann“, das in Fireballs Augen sowohl drei Wochen als auch zwanzig Jahre umschloss, raubte ihm jeden verbliebenen Hoffnungsfunken. Wenn selbst den klügsten Köpfen auf dem Gebiet der Nervenmedizin nichts mehr zu seiner Lage einfiel, musste er sich wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen, dass sich an seinem Zustand so bald nichts ändern würde. Glücklicher Weise kam er selten dazu, über dieses düstere Szenario nachzudenken, denn wenn er gerade einmal nicht von einem Tross Ärzte belagert wurde, war eigentlich immer ein freudestrahlender Besucher zur Stelle, der wissbegierig den Erzählungen von Fires Abenteuern in der Phantomzone lauschte. Allen voran April, die es sich nicht nehmen ließ, ihren Verlobten mehrere Stunden täglich mit Beschlag zu belegen und ihm jedes Mal die eine oder andere kleine Aufheiterung mitzubringen. Die Blondine vertrat die Ansicht, dass das Krankenhausessen bei weitem nicht ausreichte, um ihren Fireball wieder zu alten Formen aufzupäppeln. Deswegen brachte sie ihm tonnenweise Schokolade, Kuchen und andere ungesunde Köstlichkeiten mit, die der Star Sheriff stets mit einem zuckersüßen Lächeln in Empfang nahm und später, nachdem April gegangen war, einer der Schwestern übereignete, damit diese die Zuwendungen in der Kinderabteilung unter die Patienten bringen konnte. So ehrenhaft und gut gemeint die Trostpflaster seiner Verlobten auch waren, Fireball würde nicht riskieren, dank einseitiger Ernährung und mangels sportlicher Betätigung auseinander zu gehen, wie ein Hefekloß. Er genoss die gemeinsamen Stunden mit April sehr. Nach der langen und schmerzlichen Trennung war es Balsam für seine Seele, die junge Frau bei sich zu haben, sie jederzeit in den Arm nehmen oder küssen zu können. Aber gleichzeitig bedrückte es ihn zu sehen, wie sehr sie sich seinetwegen Tag für Tag um ein lächelndes Gesicht bemühte und versuchte, gute Laune zu verbreiten. Der Rennfahrer wusste, dass die vergangenen Wochen nicht spurlos an ihr vorbei gegangen waren, ihr Gefühlsausbruch am Tag seiner Rückkehr hatte ansatzweise erahnen lassen, wie es im Inneren ihres Herzens aussehen musste. Aber sie tat dauernd so, als wäre er nie fort gewesen und unterdrückte ihm zuliebe die Sorgen, die sie insgeheim quälten. Wenn er tief in ihre Augen blickte, konnte er sie erkennen, doch er musste geduldig sein und ihr Zeit geben. Irgendwann würde sie ganz von selbst zu ihm kommen und sich den Kummer von der Seele reden, und bis dahin konnte er nichts weiter tun, als wilde Spekulationen darüber anzustellen, was April bedrückte. Die anderen Star Sheriffs waren ihm dabei keine besonders große Hilfe. Wann immer Fireball auf die Blondine zu sprechen kam, erntete er zutiefst erstaunte Blicke und ein abweisendes Schulterzucken. Generell verhielten sich all seine Besucher auffallend gut gelaunt und hatten nie besonders viel zu berichten. Immer wieder bekam der Rennfahrer auf die Frage nach den Ereignissen der vergangenen Wochen nur ein mitleidiges Lächeln geschenkt und wurde mit der nichtssagenden Antwort abgespeist, dass er doch nicht drei Jahre sondern lediglich drei Wochen fort gewesen sei. Was sollte in den paar Tagen schon aufregendes passiert sein. Fireball wusste, dass sie sich allesamt gegen ihn verschworen hatten, denn das war deutlicher zu erkennen, als Fliegenschiss im Zucker. Mit April als unbarmherziger Rädelsführerin waren seine sogenannten Freunde übereingekommen, dass es dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs nur gut tun konnte, wenn man ihn von allen unangenehmen Dingen des Lebens abschottete und ihm suggerierte, dass das Leben ein rosaroter Ponyhof war. Und alle spielten ihre Rolle mit Bravour. Selbst Commander Eagle, der zweimal kurz hereingeschaut hatte, um einen vorläufigen Bericht von seinem Untergebenen zu hören, ließ sich keinen noch so kleinen Skandal aus der Nase ziehen. Er hatte sein väterliches Lächeln aufgesetzt, Fireball aufmunternd auf die gesunde Schulter geklopft und ihm zu verstehen gegeben, dass er sich keine Sorgen zu machen bräuchte, der Alltag würde ihn schon früh genug wieder einholen. Und bis dahin solle er die Ruhe und den Frieden in vollen Zügen genießen. Was das Verbreiten von Frohsinn und Heiterkeit anging, schoss allerdings Colt weit ab von jeder Konkurrenz den Vogel ab. Er tauchte meistens in der Mittagszeit auf, wenn April gerade mal für ein oder zwei Stunden gegangen war, und präsentierte dem Rennfahrer von Besuch zu Besuch immer wahnwitzigere Ideen, mit denen man sich seiner Meinung nach die Zeit vertreiben konnte. Das fing bei harmlosen kleinen Streichen für die Schwestern an und gipfelte darin, dass der Cowboy einen Tag plötzlich mit zwei motorisierten Rollstühlen in Fireballs Zimmer aufgetaucht war und den Freund tatsächlich zu einem Wettrennen herausgefordert hatte. Colts Humor und sein kindlicher Spieltrieb waren so überaus ansteckend, dass der Rennfahrer es jedes Mal bedauerte, wenn sich der Scharfschütze verabschieden musste, um April die Klinke wieder in die Hand zu geben. Auch seine Fröhlichkeit war bis zu einem gewissen Grad nur gespielt, das war Fireball vollkommen klar. Aber trotz wiederholter Beteuerung, dass der Cowboy absolut nichts hätte tun können, um Fireballs schlimmes Schicksal irgendwie abzuwenden, ließ Colt sich nicht von seiner Mission abbringen und versorgte seinen Kameraden weiterhin mit Sonneschein und Spaß. Was ihm bei den Stationsschwestern berechtigter Weise ziemlich schnell den Spitznamen „Gockel auf Extasy“ eingebracht hatte. Und obwohl Fireball jedes Mal eine neuen Muskelkater im Zwerchfell verspürte, wenn Colt zwinkernd die Zimmertür hinter sich zuzog, wurde der junge Star Sheriff das Gefühl nicht los, dass auch der Cowboy eine ziemlich erdrückende Bürde mit sich herum schleppte, die er dem Freund vorsätzlich verheimlichte. Jeden Besuch begann der Scharfschütze damit, sich für Robin zu entschuldigen, weil sie es wieder einmal nicht geschafft hatte, ihren Mann ins Krankenhaus zu begleiten. Ständig war die hübsche Lehrerein zu sehr in die Arbeit eingespannt, musste diese oder jene dringende Kleinigkeit erledigen oder hatte einfach keinen Aufpasser für Josh gefunden, den sie ungern mit ins Hospital gebracht hätte. Aber sie ließ Fireball immer liebe Grüße ausrichten, gefolgt von dem großen Ehrenwort, dass sie selber bei ihm vorbeischauen würde, sobald sie ein paar Minuten ihrer Zeit entbehren konnte. Dabei sah es der guten Robin nun wirklich gar nicht ähnlich, einen Freund im Krankenhaus vor sich hindümpeln zu lassen, ohne ihm den obligatorischen Anstandsbesuch abgestattet zu haben. Diese Tatsache, kombiniert mit den bedenklichen Bildern, die ihm von seiner eigenen Beerdigung noch im Gedächtnis geblieben waren, kam der Rennfahrer zu der Schlussfolgerung, dass Ärger im Hause Wilcox herrschte. Und zwar von der Sorte, die man nicht einmal seinem infamsten Feind an den Hals wünschte. Er konnte nur mutmaßen, dass Christa, der rothaarige Navigator der Monarch Supreme, einen gewissen Anteil an diesen Spannungen hatte, doch da sich der Rest der Welt ja beharrlich weigerte, mit ihm über ernstere Themen als das wankelmütige Wetter zu reden, blieb es eben auch bei besagten Mutmaßungen. Der einzige, der kein Interesse daran gezeigt hatte, Fireball eine schöne heile Welt vorzugaukeln, war Saber gewesen. Der Schotte war lediglich ein einziges Mal im Krankenhaus aufgetaucht, am späten Abend des zweiten Tages, um sich in aller Form dafür zu entschuldigen, dass er den Freund so schändlich im Stich gelassen hatte. Mit Leichenbittermiene und verschränkten Armen hatte er Fires Erzählungen gelauscht, sich jedes noch so kleine Detail über den Aufenthalt bei Arietis berichten lassen und war dann wieder verschwunden. Nachdem der Rennfahrer eine geschlagene Stunde lang vergeblich versucht hatte, ihn davon zu überzeugen, dass niemanden die Schuld daran traf, was in der Dimension der Outrider passiert war. Aber was hatte er von dem Säbelschwinger auch anderes erwartet. Saber hätte sich wahrscheinlich selbst dann noch verantwortlich gefühlt, wenn Fireball während eines Gewitters vom Blitz getroffen worden wäre und auf diese Art das Zeitliche gesegnet hätte. Komisch war nur diese neue düstere Aura, die den Anführer der Star Sheriffs umgab. Sein kaltentschlossener Blick, die verkniffenen Lippen und seine abwehrend straffe Körperhaltung hatten dem Rennfahrer einen regelrechten Schauer über den Rücken gejagt, und als Saber dann auch noch mit Grabesstimme verkündet hatte: „Ich weiß noch nicht, wie ich wieder gutmachen kann, was ich Dir angetan habe. Aber glaub mir, ich werde einen Weg finden!“ hätte sich Fireball am liebsten unter seiner Bettdecke verkrochen. Es würde ein verdammt hartes Stück Arbeit werden, den Säbelschwinger wieder von diesem Trip herunter zu holen, wurde also langsam Zeit, dass er in die Realität zurückkehrte! Fireball lag gelangweilt auf seinem Bett und durchstöberte halbherzig den dicken Wälzer, den Colt ihm am Vortag mit ins Krankenhaus gebracht hatte. Dabei handelte es sich um eine Art Biografie und erzählte mit heroischen und übertriebenen Worten das Leben eines alten Rodeo-Champions, der sich nach einem Reitunfall auf eine einsame Ranch zurückgezogen und eine Pferdezucht aufgebaut hatte. Mit leuchtenden Augen hatte der Cowboy ihm dieses Buch ans Herz gelegt und prophezeit, dass der Freund es nicht mehr aus der Hand geben würde, wenn er erst mit dem Lesen angefangen hatte. Nur leider war der Rennfahrer kein Freund von melancholisch dramatischen Heldenepen, besonders nicht im Moment, da ihm sein eigenes Leben schon traurig genug erschien. Aber es war eine nette Geste des Scharfschützen gewesen und ihm zuliebe würde Fireball zumindest versuchen, sich durch die vergilbten, abgenutzten Seiten zu quälen. Ein leises Klopfen an der Tür versprach Abwechslung und vor allem eine zeitweilige Rettung vor dem alten Nick und seiner Lieblingsstute Blaze, die gemeinsam ihren Lebensabend in den Blue Ridge Mountains fristeten. Übermütig klappte der Star Sheriff das Buch zu und legte es auf seinen kleinen Nachttisch, auf dem sich mal wieder Türme von Keksen und anderem Süßkram stapelten: „Herein, wenn’s kein Neurologe ist!“ rief er aufmunternd und blickte dem Neuankömmling vorwitzig entgegen. April konnte es eigentlich nicht sein, denn sie hatte ihm am Morgen eröffnet, dass sie sich endlich mal wieder im Oberkommando blicken lassen musste und deswegen erst am nächsten Tag wieder vorbeischauen würde. Langsam wurde die Klinke nach unten gedrückt und ein schwarzhaariger junger Mann steckte zögernd den Kopf zur Tür herein: „Junge, Dich besuchen zu wollen, ist ja schwieriger, als Fort Knox auszurauben“, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nicht gerade ungelegen kam, betrat David das Krankenzimmer des Star Sheriffs und baute sich grinsend vor dessen Bett auf, „so wichtig bist Du nun auch wieder nicht!“ Entzückt darüber, endlich mal ein neues Gesicht in seinen provisorischen vier Wänden begrüßen zu dürfen, richtete sich Fireball in seinen Kissen auf: „Hey, welcher Wind hat Dich denn hergeweht?“ Captain Scott war so ziemlich der letzte Mensch, mit dem er hier gerechnet hätte. „Ach“, verlegen fuhr sich der junge Mann durch die schwarze Mähne, „ich wollte einfach nur mal schauen, wie es Dir so geht. Ist ja schon ein paar Tage her, dass ich Dich das letzte Mal gesehen habe!“ allerdings wusste David ganz genau, was von dem Moment an passiert war, als er Fireball alleine auf dem Militärfriedhof von Yuma zurück gelassen hatte. Einer nach dem anderen waren die restlichen Star Sheriffs in den letzten Tagen bei ihm vorstellig geworden, um aus erster Hand alle Details zur spektakulären Rückkehr ihres jüngsten Mitglieds zu erfahren. Und bei der Gelegenheit hatte sich der Soldat natürlich auch erkundigt, wie es seinem Freund seitdem ergangen war. „Na, das finde ich ja mal überaus reizend von Dir“, einladend klopfte Fireball auf sein frisch gemachtes Bett, „setzt Dich hin, nimm Dir ’n Keks!“ Bereitwillig griff David nach einer offenen Schachtel Chocolate Chip Cookies und machte es sich damit am Ende des Bettes gemütlich: „Ist auch das Mindeste nach den Strapazen, die ich erdulden musste!“ erklärte er gönnerhaft und fischte sich einen Keks aus der braunen Schachtel, der mit einem einzigen Happs in seinem Mund verschwand. „Wieso“, schelmisch grinsend schob sich der Rennfahrer den gesunden Arm hinter den Kopf und musterte sein Gegenüber, „hat mein Lieblingssearge Dich wieder auf Trab gehalten?“ „Ha, schön wärsch“ erwiderte der Captain nuschelnd und versprühte dabei eine kleine Krümelfontäne über die frisch bezogene Bettdecke, „muschte misch schtändig vor Deinen nervigen Kollegen verschtecken. War kein Geschenk!“ David sah Fireballs fragenden Blick und schlussfolgerte daraus, dass ihm keiner der anderen Star Sheriffs davon erzählt hatte, wie sie dem armen Soldaten die letzten Tage auf die Nerven gegangen waren. Hustend, weil er sich an einem besonders großen Krümel verschluckt hatte, griff er nach einer offenen Coladose, die auf dem Nachttisch stand und nahm einen großen Schluck. „Ja, ja, bedien Dich ruhig“, neckte der Rennfahrer, „was mein ist, ist auch Dein!“ Diesen Kommentar ignorierte der Captain einfach geflissentlich, stellte die Kekspackung beiseite und griff stattdessen nach einer Tafel Vollmilchschokolade: „Wie kann es eigentlich sein, dass Du hier im Krankenhaus wie im Schlaraffenland lebst“, ein ganzer Riegel wanderte schmatzender Weise über seine Lippen, „ich dachte immer, hier gibt esch nur ungenieschbaren Diätkram!“ Fireball verzog triumphierend das Gesicht: „Dreimal darfst Du raten!“ das war wieder einer dieser kleinen Momente, in denen er dem Freund großzügig unter die Nase reiben konnte, wer letztlich das Rennen um die Blondine gemacht hatte. „Kann es mir schon denken“, antwortete Dave zerknirscht, „die Königin des Inquisitionskommandos! Die Frau, die mir seit Tagen nicht mehr von der Pelle rückt, genauso wie Saber und Dein Busenkumpel Colt.“ Als Ausgleich für die ständigen Verhöre genehmigte er sich noch einen weiteren Riegel Schokolade und legte den Rest der Tafel dann beiseite. Er wollte Fireball ja schließlich nicht alles wegfuttern, auch wenn April wirklich für einen immensen Vorrat an Genussmitteln gesorgt hatte. „Du sprichst in Rätseln, Captain“, erklärte der Rennfahrer achselzuckend, „was wollen die drei denn von Dir?“ Als Antwort darauf ließ Scott ein kleines Schnauben vernehmen: „Na, was wohl, Details natürlich“, er warf sich quer über das Bett und stützte den Kopf auf den linken Ellenbogen, „zu schade, dass ich von Deiner Landung keine Bilder gemacht habe, die hätte ich sonst meistbietend verkaufen können!“ nach der Berichterstattung bei Commander Eagle war für ihn das Thema Fireball eigentlich erledigt gewesen. Natürlich war er überaus neugierig gewesen, was sich als nächstes bei den Star Sheriffs tat, denn immerhin hatte die Rückkehr des Rennfahrers der Gerüchteküche nur noch mehr Zündstoff geliefert, aber er hätte viel lieber aus sicherer Entfernung den stillen Beobachter gespielt. Stattdessen stand jeden Tag ein anderes Mitglied der Ramrod-Crew auf seiner Matte und hatte noch hier eine Frage und da eine Anmerkung, und das, obwohl Dave nicht länger als eine halbe Stunde in das ganze Spektakel involviert gewesen war. „Junge, was für ein Schwachsinn“, stellte Fireball kopfschüttelnd fest, „man sollte doch wirklich meinen, dass es im Moment andere Sorgen gibt, über die man sich das Gehirn zermartern kann!“ reichte es denn nicht aus, dass er immer wieder erzählen musste, wie es ihm auf seinem kleinen Abenteuer ergangen war? Mussten sie auch noch Dave in die Sache reinziehen, nur weil er so nett gewesen war, ihn zum Friedhof zu fahren? Er würde wirklich ein ernstes Wörtchen mit Colt und April reden müssen. Ihr schlechtes Gewissen in allen Ehren, aber dadurch, dass sie anderen Menschen auf den Wecker fielen, konnten sie das Geschehene auch nicht wieder zurückdrehen oder gar ungeschehen machen. „Ganz Deiner Meinung“, gähnte Dave und räkelte sich müde, „aber vielleicht ist es auch eine Art Therapie, um sich von den wirklichen Problemen abzulenken!“ Er griff hinter sich und förderte aus der Gesäßtasche seiner Jeans ein zusammengerolltes Hochglanzmagazin zutage: „Hier, hab ich Dir mitgebracht“, aufmunternd wedelte er dem Rennfahrer damit vor der Nase herum und warf es ihm schließlich in den Schoß, als er merkte, dass Fireball ihm offenbar nicht zuhörte, „dachte mir, dass Du Dich ja jetzt nach einem neuen Flitzer umsehen musst.“ „Was für Probleme?“ völlig unvermittelt schob der Star Sheriff die Autozeitschrift beiseite und starrte Dave erschrocken an. Er hatte es doch geahnt. Der ganze aufgesetzte Frohsinn war einfach ein paar Nummern zu groß gewesen. Irgendetwas Unschönes ging derzeit im Hauptquartier vor sich, aber seine lieben Freunde sahen offenbar keine Notwendigkeit darin, ihn auf dem Laufenden zu halten. Zum Glück hatte das Schicksal nun Erbarmen mit ihm gezeigt und ihm die Erleuchtung in Form des schwarzhaarigen Captains geschickt. David schien weder von der kleinen Verschwörung gegen den Rennfahrer noch von dem Nicht-Erzähl-Pakt zu wissen, doch dafür wusste er augenscheinlich, was außerhalb der Krankenhausmauern vor sich ging. Durch Fireballs Blick alarmiert richtete sich der junge Offizier auf und glotzte mit Unschuldsmiene auf die Titelseite des mitgebrachten Magazins: „Probleme“, er versuchte vehement, seiner Stimme einen Hauch von Gleichgültigkeit zu verleihen, während er den knallroten Sportwagen fixierte, auf dessen Motorhaube sich eine heiße Blondine im Bikini aalte, „w…wieso Probleme?“ Konnte es wirklich sein, dass der Rennfahrer auch eine Woche nach seiner Rückkehr noch immer nicht über die aktuelle Lage im Oberkommando im Bilde war? „Nicht schon wieder dieses Spielchen, Dave“, fuhr Fireball seinen Freund ungestüm an und ballte die Fäuste, „was ist da draußen los, zum Kuckuck?“ und wenn es ihn sämtliche Kraft kosten würde, die er in den letzten Tagen zurückgewonnen hatte, er würde den Captain nicht gehen lassen, bevor er ihn auf Ballhöhe gebracht hatte. David sah die Entschlossenheit in den Augen des Star Sheriffs und leckte sich nervös die Lippen. Warum manövrierte er sich nur immer wieder in diese bescheidenen Situationen, aus denen es nie einen vernünftigen Ausweg gab. So wie es aussah, hatten Fireballs Kollegen ihrem jüngsten Teammitglied noch überhaupt nichts erzählt. Das erklärte auch den scharfen Widerstand, der ihm unten am Empfangsschalter entgegen geschlagen war, als er sich nach dem Zimmer des Rennfahrers erkundigt hatte. Augenscheinlich hatte man weitreichende Vorkehrungen getroffen, um den Heißsporn so gut wie möglich von der Außenwelt abzuschotten. Wofür dieses ganze Theater gut sein sollte, konnte Dave nur mutmaßen, und er nahm an, dass man Fireball in seinem geschwächten Zustand nicht zu sehr aufregen wollte: „Sorry, Partner“, entgegnete er deswegen kleinlaut, „ich schätze, ich bin nicht der Richtige…“ „Scheiße, lass das blöde Getue“, brüllte Fireball aufgebracht und sprang mit einem Satz vom Bett, „mache ich auf Dich vielleicht den Eindruck, als würde ich beim ersten Anzeichen eines kleinen Problems in Ohnmacht fallen?“ warum glaubten alle, das er ein debiler Pflegefall war, der Schonung und ein unendliches Maß an Mitgefühl benötigte? Missmutig taxierte Dave den wütenden Star Sheriff und blieb mit seinem unentschlossenen Blick an dem verletzten Arm hängen, der frisch bandagiert in einer dunkelgrauen Schlinge lag: „Nein, aber…“ was sollte er tun? Er konnte sich doch nicht einfach über den Willen der anderen hinwegsetzen. April würde ihm niemals verzeihen, wenn er Fireball jetzt die ganze schonungslose Wahrheit an den Kopf warf. Andererseits fand er aber auch, dass der Rennfahrer allmählich ein Recht darauf hatte, die Wahrheit zu erfahren. „Komm schon, Dave“, flehte Fireball ihn jetzt regelrecht mit treuen Hundeaugen an, „ich werde hier noch wahnsinnig. Ich weiß ganz genau, dass irgendwas im Busch ist, aber keiner sagt auch nur einen Ton. Ich hocke hier echt im Tal der Ahnungslosen!“ wenn schon sein Wutausbruch nicht überzeugend gewesen war, dann vielleicht ja die Mitleidsmasche. Aber dem Offizier war es eigentlich egal, ob Fireball ihn anbrüllte, oder mit tränenüberströmtem Gesicht vor ihm im Staub kniete, die Situation blieb für ihn dieselbe: „Hey, Fire, wirklich…ich kann nicht, Mann! Sie reißt mir den Kopf ab, wenn ich…“ „Ach, und Du glaubst, vor mir brauchst Du im Moment keine Angst zu haben, weil ich ein Krüppel bin, oder was?“ David biss griesgrämig die Zähne zusammen: „So hab ich das überhaupt nicht gemeint…“ warum konnten jetzt nicht ein Arzt oder eine Schwester auf Stippvisite vorbeischauen und ihn von seinen Qualen erlösen? Ewig würde sich der Rennfahrer sicherlich nicht mehr hinhalten lassen. Und einfach aufzuspringen und fluchtartig das Zimmer zu verlassen, war auch keine Lösung. „Hör zu“, ächzte Fireball und ließ sich wieder neben dem Freund aufs Bett fallen, „ich bin auf diesem dreckigen kleine Outriderplaneten fast draufgegangen. Ich habe erfahren, dass mein Vater bereits seit 20 Jahren tot ist und kann meinen Job als Star Sheriff wahrscheinlich bald an den Nagel hängen, weil mich die Phantomnasen in einen einarmigen Banditen verwandelt haben. Meinst Du nicht, dass ich den Rest auch noch ertragen kann, ohne gleich zum Amokläufer zu werden?“ „Doch, wahrscheinlich schon, aber…“ „Außerdem weiß ich ja jetzt, dass etwas nicht stimmt“, spielte Fireball seine letzte Trumpfkarte mit Nachdruck aus, „und wenn Colt oder April das nächste Mal vorbeischauen, werde ich ihnen brühwarm erzählen, dass Du es warst, der ihr wunderschönes Luftschloss in einen Trümmerhaufen verwandelt hat und dass sie mir unter den Umständen endlich reinen Wein einschenken können…“ ein dämonisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er erkannte, dass Davids Widerstand zusammenbrach. Mit einem ergebenen Seufzer verbarg der Captain sein Gesicht hinter den Händen und atmete pfeifend aus: „Na schön, wie Du willst“, mit ungutem Gefühl im Bauch erhob er sich und schob seine Finger umständlich in die viel zu engen Hosentaschen, „ich erzähle Dir, was ich weiß. Aber Du lässt mich ausreden und stellst keine weiteren Fragen. Und Du versprichst mir, dass Du mich weder bei April, noch bei ihrem Vater oder dem durchgeknallten Cowboy verrätst, ist das klar?“ Fireball nickte grimmig: „Der Deal gilt“, aufmunternd warf er Dave die Packung mit den Keksen zu, „fang schon an!“ ein wenig Bestechungshonorar konnte nicht schaden. Dieses wollte der Soldat des KavCom aber nicht noch einmal annehmen. Er warf die Kekse zurück zum Rennfahrer und begann ruhelos im Zimmer auf- und abzutigern. Wo sollte er nur anfangen und was durfte er dem Star Sheriff wirklich erzählen? Es gab da die eine oder andere Sache, die er besser von anderer Stelle erfuhr, doch wo sollte man die Grenze ziehen? Der Offizier verfluchte den unsäglichen Tag, an dem eine heulende Blondine auf dem Militärhafen seinen Weg gekreuzt und sein Leben so nachhaltig durcheinander gebracht hatte, dass er auch ein Jahr später noch mit den Folgen zu kämpfen hatte. „Also okay“, er richtete den Blick grübelnd zur Decke und knabberte an der Oberlippe, „dass Saber suspendiert wurde, weißt Du?“ „Was“, Fireballs Augen weiteten sich bis zur Größe von Espressountertassen, ein ziemlich deutliches Zeichen dafür, dass er es noch nicht gewusst hatte, „warum zum Geier das denn?“ David verschränkte tadelnd die Arme vor der Brust: „Keine weiteren Fragen, halt Dich an die Regeln!“ „Ja, aber…“ hilflos rang der Rennfahrer nach Atem. Welcher Idiot war auf die Idee gekommen, den Säbelschwinger aus dem aktiven Dienst zu werfen? Und weshalb? Sie konnten ihn doch unmöglich für die Geschehnisse in der Phantomzone verantwortlich machen. Das ergab überhaupt keinen Sinn! Geduldig wartete der Captain ab, bis sein Gegenüber den ersten Schock verdaut hatte und führte seinen Schreckensbericht dann mit beherrschter Stimme fort: „Ich schätze, unsere obersten Herren haben einen Sündenbock gesucht, dem sie Dein…ähm…Ableben in die Schuhe schieben konnten. Und in Saber haben sie natürlich einen dankbaren Kandidaten gefunden. Der ist sowieso der Meinung, dass er als Anführer total versagt und mindestens die Todesstrafe verdient hat.“ Fireball rückte ein Stückchen weiter aufs Bett und lehnte sich gegen das Metallgestänge am oberen Ende. Die Gedanken schwirrten unkontrolliert in seinem Kopf herum und verursachten ein unangenehmes Schwindelgefühl, das schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen ließ. Saber suspendiert, das konnte einfach nicht wahr sein. Warum hatten Colt und Christa nichts gegen diese ungeheuerlichen Vorwürfe unternommen? Sie waren doch dabei gewesen und wussten, dass der Schotte nun wirklich alles getan hatte, um sein Team und die Aufgabe nicht zu gefährden. Er hatte Fireball verboten Ramrod zu verlassen; verdammt, wenn es nach dem Säbelschwinger gegangen wäre, hätten sie den Outriderplaneten nicht einmal angeflogen. Kein Wunder, dass Saber den Rennfahrer erst einmal besucht und dabei ein alles andere als freundliches Gesicht aufgesetzt hatte. Sein Freund war schon immer mit Leib und Seele Soldat gewesen, hatte sein Können und seinen Mut bedingungslos in den Dienst des neuen Grenzlandes gestellt. Und wenn man es recht betrachtete, hatte Fireball durch sein dickköpfiges Verhalten dafür gesorgt, dass man ihm diese Berufung genommen hatte. „Wollte denn niemand wissen, was Colt zu dem Thema zu sagen hatte“, fragte der Rennfahrer bitte und schob sich grübelnd den Daumen zwischen die Lippen und nagte unruhig auf dem Fingernagel herum, „er hätte Saber doch sofort entlasten können!“ David nickte bekümmert: „Wenn der Cowboy zum Zeitpunkt der Vorladung auf Yuma gewesen wäre vielleicht…“ Wehleidig verdrehte der Rennfahrer die Augen und traute sich gar nicht, die Frage zu stellen: „Vorladung?“ es wurde ja immer besser. „Ja, für den Untersuchungsausschuss“, antwortete der Captain im Flüsterton, „aber keine Sorge, den haben sie erst mal wieder aufgehoben, nachdem Du heroisch der Hölle entstiegen warst. Nur die Suspendierung, die besteht nach wie vor. Angeblich hat es da wohl eine kleine Auseinandersetzung zwischen Saber und dem Commander gegeben und Colts unerlaubte Abwesenheit von der Truppe war auch nicht gerade förderlich für die Begnadigung.“ Das wurde Fireball alles zuviel. Suspendierung, Untersuchungsausschuss und jetzt sollte sich Saber sogar mit dem Commander angelegt haben? Prince Charming, der Schwarm aller Schwiegermütter und personifizierte Gentleman, der noch nie die Stimme gegen einen Vorgesetzten erhoben hatte? Was war passiert, dass Saber sich um hundertachtzig Grad gedreht hatte. Das konnte doch nicht einzig und allein mit seinem eigenen Verschwinden zu tun haben! Und was hatte überhaupt dieses Gerede von Colts unerlaubter Abwesenheit zu bedeuten: „Und wo hat sich Colt rumgetrieben, während er hier auf Yuma gebraucht wurde?“ es sah dem Cowboy so gar nicht ähnlich, seine Freunde in einer misslichen Lage einfach im Stich zu lassen. Ungehalten stieß David seinen Stiefelabsatz auf den Linoleumboden. Er hatte das Thema um den Kommandanten der Star Sheriffs und seine Suspendierung noch gar nicht zum Ende gebracht, da steuerte Fireball auch schon zielstrebig das nächste Dilemma an: „Bevor ich Dir das beantworte, musst Du mir eins verraten!“ Plötzlich hatte er doch wieder Appetit auf Schokolade. Wahrscheinlich wollte sein Körper ihm damit signalisieren, dass er einen Ausgleich für den hohen Adrenalinschub brauchte, der durch seine Adern pulsierte. Beherzt riss er seinen Blick von der Süßigkeit los: „Ist er mit diesem rothaarigen Feger abgestürzt, oder nicht?“ eine etwas saloppe Ausdrucksweise vielleicht, aber genau so formulierten die Soldaten im Hauptquartier die üble Nachrede, wenn sie sie hinter vorgehaltener Hand weitergaben. Fireball entschied augenblicklich, dass es David nicht das Geringste anging, was zwischen dem Cowboy und Christa gelaufen war: „Warum, munkelt man das?“ wollte er mit stoischer Ruhe wissen. Er konnte sich gut vorstellen, was für heiße Spekulationen es gegeben hatte, nachdem April von dem hübschen Lieutenant ersetzt worden war. Aber er würde Colt sicherlich nicht in den Rücken fallen und die Einzelheiten über den kleinen Flirt ausplaudern. Es sei denn natürlich… „Nein“, hauchte der Rennfahrer stockend, „er hat doch nicht…ich meine…ist er etwa zu ihr…“ hatte der Scharfschütze sich eventuell mit Christa herumgetrieben, während Saber hier auf Yuma ein Strick um den Hals gelegt worden war? Was hatte sich zwischen den beiden noch ereignet, nachdem Fireball auf Ischtar zurück geblieben war? „Also ich weiß nicht, was er hat oder nicht hat“, wehrte Dave sofort heftig ab und schnappte sich nun doch ein Stück Schokolade, diese Spannung war ja nicht auszuhalten, „Fakt ist, dass Christa sich noch am Abend ihrer Rückkehr mit Prinz Roland verlobt hat und Robin mittlerweile ausgezogen und zurück nach Tranquility gegangen ist.“ Stöhnend wischte sich Fireball über die Stirn und stützte dann die geballte Faust gegen seine Schläfe: „Das ist alles ein verdammter Alptraum, weißt Du das!“ langsam wurde ihm klar, weshalb weder April noch der Cowboy ihm etwas von diesen dramatischen Entwicklungen erzählt hatten. Selbst jetzt, ausgeruht und erholt, fühlte er sich beim Gedanken an all die Probleme einer Ohnmacht nahe. Warum hatte er sich bloß eingebildet, er sei der einzige gewesen, dem es in den letzten Wochen schlecht ergangen war. „Hast Du schon genug, oder soll ich weiterreden?“ emotionslos verschränkte David die Arme und starrte den Freund herausfordernd an. Er hatte es nun einmal so haben wollen und sollte sich jetzt gefälligst nicht beschweren, wenn ihm nicht passte, was er zu hören bekam. Allerdings stand das Schlimmste immer noch aus und der junge Offizier war sich nicht sicher, ob er das Thema wirklich noch einmal anschneiden sollte. Im Auto hatte Fireball das Gerede über seine Verlobte und den Säbelschwinger mit einem Lachen abgetan. Ob ihm nach all den Enthüllungen der letzten Minuten immer noch zum Lachen sein würde, wenn er alle schlüpfrigen Einzelheiten zum Thema Saber und April gehört hatte? „Wie“, geschlagen hob Fireball die Hand, „noch mehr?“ nahm denn das überhaupt kein Ende? Entschuldigend verzog David das Gesicht und nahm neben dem Freund auf dem Bett Platz, bevor er schweren Herzens die letzten Geheimnisse Preis gab, die früher oder später ja doch ans Licht gekommen wären. Unruhig warf April schon zum dritten Mal innerhalb von zehn Minuten einen Blick auf ihren Chronometer; Saber war spät dran. Sie hatten sich für drei Uhr in ihrer und Fireballs Wohnung verabredet, und jetzt ging es schon bald auf die nächste volle Stunde zu. Flatterig erhob sich die Blondine aus dem Sessel, um hinüber zur geöffneten Terrassentür zu gehen und einen tiefen Zug der lauen Herbstbrise zu nehmen. Vielleicht würde ihr die von reifem Obst und Flammenblumen geschwängerte Luft dabei helfen, sich ein wenig zu beruhigen. Mit leicht bebenden Fingern verschränkte sie die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen. Was, wenn er ihre kurze Textnachricht von heute Mittag überhaupt nicht erhalten hatte? Es war ja nicht wirklich so, dass sie sich gemeinsam auf dieses Treffen geeinigt hatten. April hatte dem Schotten lediglich kurz und knapp per Communicator mitgeteilt, dass sie unbedingt miteinander reden mussten und er deshalb zu besagter Uhrzeit zu ihr nach Hause kommen sollte. Eine Antwort hatte sie darauf nicht erhalten, nicht einmal die einfache Bestätigung, dass die Nachricht überhaupt ihren Adressaten erreicht hatte. Es war ja auch möglich, dass er schlicht und profan keine Lust hatte, dem weiblichen Star Sheriff gegenüber zu treten, was sie ihm nicht einmal verdenken konnte. Außer den wenig freundlichen Worten, die sie am Tag von Fireballs Rückkehr im Krankenhaus gewechselt hatten, war in der letzten Woche kein Mucks mehr zwischen den Freunden gesprochen worden. Und April wusste, dass sie maßgeblich die Verantwortung für diese Funkstille zu tragen hatte. Sie war nach dem Tag der Beisetzung nicht mehr in seine Wohnung zurück gekehrt, nicht einmal, um ihre Sachen zu holen, hatte sich förmlich vor ihm versteckt, seine vielen Anrufe ignoriert und nicht auf die Nachrichten geantwortet, die er ihr in den ersten drei Tagen pausenlos geschickt hatte. Aber Fireball würde nicht ewig im Krankenhaus bleiben. Zwar hatten die Ärzte bei seinem Arm noch keine Fortschritte verzeichnen können, aber darüber hinaus war er schon fast wieder der Alte. Wie sie den Rennfahrer kannte, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er sich selbst aus der Klinik entließ. Und bis dahin musste sie unbedingt mit dem Säbelschwinger gesprochen haben, auch wenn sich allein beim Gedanken daran ihr Magen nach außen stülpen wollte. April wusste um die Gerüchte, die derweil immer weitere Kreise im Oberkommando zogen, und es war utopisch zu glauben, dass Fireball nicht irgendwann davon erfuhr. Diesem schlimmsten aller Szenarien mussten sie unbedingt zuvorkommen, sonst würde es ein absolutes Desaster geben. Doch das gab es wahrscheinlich sowieso. Der Rennfahrer würde jedenfalls nicht fröhlich lächelnd hinnehmen, dass sein Boss in seiner Abwesenheit mehr als nur einen Finger an seine Verlobte gelegt hatte und ihm dafür dann auch noch dankbar auf die Schulter klopfen. Und wie stand der Highlander überhaupt zu der ganzen Geschichte? Wenn Colt mit seinen Vermutungen richtig lag, und April betete inständig, dass dem nicht so war, hatte Saber in den letzten Tagen Gefühle für die Blondine entwickelt, die weit über die sexuelle Anziehungskraft hinausgingen, die sie selbst für den Freund empfand. Würde er sich Fireball zuliebe bereitwillig geschlagen geben, oder würde er wohlmöglich um das kämpfen, was sich zwischen ihm und dem weiblichen Star Sheriff entwickelt hatte? Atemlos griff sich April an die Kehle und schluckte schwer. Warum nur hatte sie nicht auf ihren Vater gehört und der ganzen Sache einen Riegel vorgeschoben, als es noch nicht zu spät gewesen war? An welchem Punkt hatte die Strömung der Begierde sie mit sich gerissen und die Kontrolle über ihren gesunden Menschenverstand übernommen? Es war müßig, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, es würde ja an der Situation nichts mehr ändern, aber diese elendige Warterei machte die junge Frau wahnsinnig. Sie hätte die Konfrontation mit Saber niemals so lange hinauszögern dürfen. Schlimme Dinge wurden nicht dadurch besser, dass man sie auf die lange Bank schob. Das war im Prinzip wie bei einem fauligen Apfel, den man nicht in den Müll schmeißen wollte, weil er bereits Schimmel angesetzt hatte und man sich davor ekelte, ihn anzufassen. Irgendwann begann er zu stinken und widerwärtige Fliegen anzulocken, die dann in der Küche einen neuen Staat gründeten. Das zischende Dröhnen eines Düsenantriebs riss April aus ihren Gedanken und im nächsten Moment verdunkelte ein Schatten ihr hübsches Gesicht. Überrascht blickt sie auf und erkannte die Umrisse von Steed, dem Mechapferd des Säbelschwingers; er hatte ihre Nachricht also doch erhalten! Mit einem ruhigen „Ho“ brachte Saber das Robottier wenige Meter von der Blondine entfernt auf der Terrasse zur Landung und schwang sich leichtfüßig wie immer aus dem Sattel: „Tut mir leid“, rief er mit abgehetzter Stimme, während er geschäftig an Steeds Sattel herumhantierte, „habs nicht früher geschafft.“ „Schon okay.“ erwiderte April hastig und steckte sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sich der Schotte mit einem zurückhaltenden Lächeln zu ihr umdrehte. In der Hand hielt er ihren Treckingrucksack, mit dem sie die nötigsten Habseligkeiten in seine Wohnung geschafft hatte. Er machte einen ziemlich ruhigen, ja beinahe gelassenen Eindruck, als er langsam auf sie zugeschlendert kam: „Hab Dir Deine Sachen mitgebracht.“ erklärte er unnötiger Weise und hielt ihr das pralle Gepäckstück entgegen. Froh darüber, etwas anderes als Sabers blaue Augen anstarren zu können, griff die junge Frau nach einem der Trageriemen: „Danke!“ schnell verfrachtete sie das schwere Ungetüm neben sich auf das Sofa und fand sich im nächsten Moment in den Armen des Freundes wieder, der ihr einen Kuss auf den Scheitel drückte: „Ist schön Dich zu sehen, Kleines.“ „Lass das bitte, Saber“, widerborstig befreite sie sich aus der zärtlichen Umarmung, „wir sollten das nicht…“ da ging es doch schon los. Kaum stand der Blondschopf vor ihr und war ein wenig nett zu ihr, da fehlten ihr bereits die Worte. So würde es nie etwas mit dem ernsten Gespräch werden, aber April hätte auch nie damit gerechnet, dass er so ungeniert da weitermachen würde, wo sie bei ihrem vorletzten Treffen aufgehört hatten. Störte er sich denn überhaupt nicht daran, dass Fireball zurück war und sich dadurch alles geändert hatte? Sicherheitshalber trat sie einen Schritt zurück, um Sabers Einzugskreis zu entkommen. „Oh entschuldige“, antwortete der Säbelschwinger bissig und beäugte skeptisch ihr ablehnendes Verhalten, „ich wusste nicht, dass es jetzt sogar schon verboten ist, eine Freundin gebührend zu begrüßen.“ Die Gelassenheit war verschwunden und hatte einem Anflug von Zynismus Platz gemacht. April straffte tapfer die Schultern und nickte: „Ist es natürlich nicht!“ sie sprang über ihren Schatten und hauchte ihrem Boss einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Für einen kurzen Moment spürte sie die Vertrautheit seiner warmen Haut und der schwache Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase: „So besser?“ unsicher schenkte sie ihm ein schwaches Lächeln, das Saber erleichtert erwiderte: „Viel besser!“ Nonchalant streckte er die Beine aus und lehnte sich ihr gegenüber an den Rahmen der offenen Balkontür. Dabei ergriff er eine ihrer Hände, die er sanft mit dem Daumen zu streicheln begann: „Du hast gerufen, Prinzessin“, pathetisch senkte er das Haupt und küsste ihre zitternden Fingerspitzen, „und hier bin ich. Dein Ritter steht zu Diensten.“ „Könntest Du bitte mit diesem Theater aufhören!“ fauchte April den Blondschopf gereizt an und entriss ihm ziemlich unsanft ihre Hand. Was glaubte er, was er hier tat? Ging er etwa davon aus, dass sie ihn zu einem weiteren Schäferstündchen eingeladen hatte? Er musste doch wissen, warum sie mit ihm reden wollte! Völlig unerwartet stieß sich der Schotte von der Mauer ab. Sein rechter Arm legte sich dicht über der erschrockenen jungen Frau gegen den Kunststoffrahmen, der andere zog sie grob an seinen Körper: „Und wie wäre es Madame dann genehm, dass ich mich verhalte?“ sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt. April spürte seinen hektischen Atem und rechnete jede Sekunde damit, dass er seine Lippen auf die ihren pressen würde, aber so plötzlich, wie er sie eben überfallen hatte, ließ er sie jetzt achtlos stehen und spazierte an ihr vorbei ins Innere der Wohnung: „Hast Du irgendwas zu trinken da?“ „Was?“ völlig perplex starrte sie ihm hinterher. Das Blut raste noch mit unbändigem Tempo durch ihre Adern und der Adrenalinschub brachte ihre Nerven zum Beben. Das Gebaren des Freundes hatte sie so aus dem Konzept gebracht, dass sie augenblicklich nicht in der Lage war, auch nur einen Muskel zu bewegen. Saber erkannte ihre Verwirrung. Er starrte schwer schnaufend auf seine Schuhspitzen und vergrub dann die Hände in den Hosentaschen: „Hör zu, April, ich weiß, weshalb Du mich hergebeten hast. Und es ist okay!“ langsam schlenzte er zurück auf seine erste Position und blickte der Blondine tief in die Augen: „Glaub mir, keiner freut sich mehr als ich, dass es Fireball gut geht.“ Gebannt beobachtete der weibliche Star Sheriff das Wechselbad der Gefühle, das ihr Boss direkt hier vor ihr durchlebte. Innerhalb von zwei Minuten war er zuvorkommend und zärtlich, grob und leidenschaftlich, gleichgültig und einfühlsam gewesen. Und jetzt lehnte er den Kopf mit traurig verklärtem Gesichtsausdruck gegen die offenstehende Terrassentür und beobachtete einen Rotschwanzbussard, der weit über den Dächern von Yuma seine Kreise zog. „Ihr zwei gehört zusammen, weißt Du“, fuhr er leise fort, „das war schon immer so. Ich meine, wenn es selbst Hunderte von Outridern nicht schaffen, ihn länger als ein paar Tage von Dir fern zu halten. Colt hat schon Recht, Fire ist wirklich ein Teufelskerl!“ Bei diesen tröstlichen Worten spürte April, wie sich langsam ein dicker Kloß in ihrem Hals bildete. Endlich verstand sie und sah ein, wie sehr sie sich die ganze Zeit über in Saber getäuscht hatte. Nicht eine Sekunde lang hatte er daran gedacht, Fireball zu seinem eigenen Vorteil auszustechen oder ihm seine Position streitig zu machen. Der Schotte hatte kein einziges Mal die eigenen Wünsche in den Vordergrund gestellt, er wollte lediglich, dass sie mit dem Rennfahrer glücklich wurde. Und sie hatte ihn nach allem, was er in dieser schweren Zeit für sie getan und auf sich genommen hatte, einfach ignoriert: „Es tut mir so leid, Saber“, schluchzend warf sie sich in seine Arme, „ich bin so ein Idiot gewesen!“ Versöhnlich zog der Schotte die Freundin an sich und streichelte zärtlich ihren Rücken: „Du dachtest, ich würde nicht damit klarkommen, oder? Deshalb bist Du mir die letzten Tage so akribisch aus dem Weg gegangen!“ April nickte schüchtern und wischte sich eine Träne von der Wange, war aber noch nicht bereit, die ermutigende Wärme von Sabers Umarmung wieder zu verlassen. „Das war ziemlich feige“, stellte er ungnädig fest, verstärkte aber sofort den Druck auf ihre Schultern, um ihr zu zeigen, dass er ihr diesen Fehltritt zwischenzeitlich verziehen hatte, „Du kannst immer mit mir reden, Süße, das weißt Du doch. Das ist es, was wahre Freundschaft ausmacht!“ „Ja, was Feigheit angeht, bin ich im Moment wohl die Größte!“ gab April kleinlaut zu und schmiegte sich noch ein wenig enger an Sabers breite Brust. Wieso hatte sie dieses Gespräch nur so lange hinausgezögert? Der Säbelschwinger verstand es wie kein zweiter, ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und er hatte sie noch nie enttäuscht. Aus welchem Grund hätte er ihre Erwartungen gerade jetzt, da sie seine Unterstützung wieder einmal so dringend brauchte, enttäuschen sollen? „Dann hast Du ihm noch nichts gesagt? Noch gar nichts, meine ich?“ „Nein“, schüttelte sie beschämt den Kopf, „wie hätte ich denn? Ich weiß ja nicht mal, wo ich anfangen soll. Was, wenn er mir nicht verzeiht!“ in unbändiger Verzweiflung schaute sie zu ihrem Freund auf, der ihr mit einem ermutigenden Grinsen einen Finger unter das Kinn legte: „Dann heirate ich Dich eben!“ vorsichtig küsste er ihre Tränen fort, so wie er es vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht getan hatte. Aber dieses Mal folgte kein leidenschaftlicher Kuss und April wurde auch nicht auf einer Welle der Lust davon getragen. Sie konnte nur noch daran denken, dass sie Fireball vielleicht durch ihre eigenen Dummheit verlieren würde: „Red keinen Blödsinn, mir ist jetzt wirklich nicht zum Spaßen zumute!“ Sabers Hände legten sich auf ihre Schultern und schoben sie gutmütig zurück: „Er wird vielleicht nicht sofort verstehen, April, aber ich bin sicher, dass er es unter den gegebenen Umständen irgendwann akzeptiert.“ „Akzeptiert“, zügellos fuhr sie herum und gestikulierte wild mit den Armen in der Luft herum, „würdest Du das an seiner Stelle tatsächlich akzeptieren? Mensch, Saber, wir haben nicht nur ein bisschen rumgeknutscht, wir hatten eine Affäre! Und das gerade mal eine Woche, nachdem man Fireball für tot erklärt hat. Und zu allem Überfluss bin ich auch noch…“ Ein kehliges Wutgeheul, gefolgt von lautem Scheppern schnitt April jäh das Wort ab und ließ sie und den Säbelschwinger erschrocken herumfahren. „Fireball!“ keuchend wich sie einen Schritt zurück, als sie das zornige Gesicht ihres Verlobten erblickte, der schweratmend und mit geballter Faust im Eingang zum Wohnzimmer stand und das Pärchen mit zusammengekniffenen Augen taxierte. Er verpasste dem zu seinen Füßen liegenden Kleiderbügel, offenbar die Ursache für den jüngsten Krach, einen saftigen Tritt, der das dunkelrote Stück Kunststoff donnernd gegen den nächsten Schrank katapultierte: „Dann ist es also wirklich wahr!“ zischte er zähneknirschend und ließ die Knochen seiner rechten Hand knacken, dass der Blondine Angst und Bange wurde. „Hör zu, Fire“, schützend trat Saber neben den weiblichen Star Sheriff und legte ihr unüberlegter Weise eine Hand auf die Schulter, „es ist nicht so, wie Du vielleicht…“ „Nimm Deine dreckigen Pfoten von Ihr, Du Mistkerl!“ brüllte Fireball aufgebracht und ging ohne eine Sekunde länger darüber nachzudenken auf seinen Boss los. Er hatte es nicht wahrhaben wollen. All die ungeheuerlichen Gerüchte, die David ihm am heutigen Tag im Krankenhaus offenbart hatte, waren für den Rennfahrer nichts weiter als üble Nachrede gewesen. Gott, wie dämlich konnte man sein? Da vergnügte sich sein Anführer direkt unter seiner Nase mit seiner zukünftigen Frau, und ihm war es nicht einmal aufgefallen. Aber das würde ihm dieser verdammte Schotte büßen! „Fire, nicht!“ entsetzt schrie April auf, als Fireballs geballte Faust mit Schwung den Unterkiefer des Säbelschwingers traf, ihn von den Beinen riss und im hohen Bogen hinaus auf die Terrasse beförderte. Wie ein nasser Sack stürzte Saber rücklings auf die sandsteinfarbenen Waschbetonsteine; der Schlag hatte ihn so unvermittelt erwischt, dass er sich nicht einmal hatte wehren können. Stöhnend drehte er sich auf die Seite und griff schmerzverzerrt an seinen Rücken, der die volle Wucht des Falls abgefangen hatte. Schwer nach Atem ringend öffnete der Rennfahrer vorsichtig seine Faust und jaulte empfindlich auf: „Scheiße, ich glaub, ich hab mir die Hand gebrochen!“ zornig starrte er zwischen seinen pochenden Fingern und dem Freund, der immer noch auf dem Boden kauerte, hin und her, gerade so, als wollte er ihm diese Tatsache zum Vorwurf machen. „Würde mich nach dem Dampfhammer nicht wundern“, ächzte Saber und fuhr benommen über die Stelle, an der Fireball sein Kinn erwischt hatte, „dagegen ist Colts Rechte ja echt ein Witz.“ Kraftlos stütze er sich auf sein rechtes Knie und versuchte sich schwankend zu erheben. Steed, durch den Tumult unruhig geworden, kam von seinem Landeplatz herübergetrottet. Langsam senkte er den schweren Kopf und stupste seinen Reiter mit leichtem Wiehern an. „Na los, steh schon auf“, schrie Fireball ungeachtet der eigenen Schmerzen, drängte sich an April vorbei nach draußen und baute sich bedrohlich vor dem Schotten auf, „ich bin noch lange nicht fertig mit Dir!“ „Nein, nicht…“ mit Tränen der Verzweiflung in den Augen warf sich April von hinten an seinen Hals, „hör auf damit, Fire…“ sie musste ihn um jeden Preis aufhalten. Im Augenblick erinnerte ihr Verlobter an einen Berserker, der dem Schlachtenwahn verfallen war und nicht eher Ruhe geben würde, bis er seinen Feind mit den eigenen Händen zerschmettert hatte. Mit großem Widerwillen beobachtete Saber den beherzten Beistand der Blondine und griff stöhnend nach den Beryllium-Zügeln seines mechanischen Streitrosses: „Halt Dich da raus, April!“ brummte er ausgelaugt, während er sich vorsichtig mit Steeds Hilfe auf die Füße zog. Sein Kopf drohte jede Sekunde zu explodieren und sein Rücken fühlte sich an, als hätte man ihm tausend stumpfe Nadeln auf einmal mitten in die Wirbelsäule gejagt, aber er musste um jeden Preis verhindern, dass April noch weiter zwischen die Fronten geriet. „Tu ich nicht“, keifte die junge Frau hysterisch zurück und verstärkte ihren Griff um Fireballs Hals, der streitsüchtig versuchte, sie abzuschütteln, „ich werde sicherlich nicht selenruhig zugucken, wie ihr zwei Idioten Euch gegenseitig umbringt!“ Sie spürte, wie sich die Hand des Rennfahrers um einen ihrer Arme schloss und gewaltsam versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien: „Was ist los, großer Anführer, bist Du so ’n elender Feigling, dass Du Dich auch noch hinter der Frau verstecken musst, die Du gerade erst flachgelegt hast?“ die Vorstellung, wie sich seine geliebte April in Ekstase unter Saber wand, raubte ihm den Verstand und sprengte sein Herz wie eine zentnerschwere Granate in Millionen kleine Stücke. Wie hatten sie ihn nur so hintergehen können! Er war so rasend vor Eifersucht, dass er sogar in Kauf nahm, der Blondine weh zu tun. Die Berührung ihres Körpers tat so unmenschlich weh, dass er alles versuchte, um sie von sich abzuschütteln. „Du weißt ja nicht, was Du redest!“ hustete Saber angeschlagen und wischte sich mit grimmiger Entschlossenheit das dünne Blutrinnsal vom Kinn. Wenn das so weiterging und er sich jede Woche von einem anderen Mitglied seiner Crew verprügeln ließ, würde er bald aus der Schnabeltasse trinken müssen. Er konnte ja verstehen, dass Fireball über alle Maßen wütend war, aber trotzdem würde er sich nicht zu seinem Punching-Ball machen lassen. Wenn der Rennfahrer sich nach einer handfesten Auseinandersetzung besser fühlte, sollte ihm das nur recht sein! Es war nichts Falsches daran gewesen, sich um April zu kümmern, daran hielt Saber nach wie vor fest. Und ab dem Moment, da Fireball von den Toten zurückgekehrt war, hatte er sie nicht mehr angefasst oder auch nur einen unzüchtigen Gedanken an sie verschwendet. „Ach nein, weiß ich nicht“, die Stimme des jungen Heißsporns überschlug sich förmlich und der Schotte erkannte überrascht, dass die Augen des Rennfahrers verdächtig zu schimmern begannen, „Du hast mit meiner Verlobten geschlafen, Saber, ist Dir das eigentlich klar? Ihr, Ihr beide habt…“, zwei dicke Tränen bahnten sich ihren Weg über seine glühenden Wangen und tropften auf Aprils Arme, „was für ein Freund bist Du eigentlich?“ „Ach, Fire, ich wünschte…“ zärtlich drängte sich die Blondine von hinten an seinen Rücken. Sie fühlte sich so schuldig für das, was sie dem Rennfahrer angetan hatten. Wenn sie nur ehrlich gewesen wäre und ihm von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte. Angewidert straffte Fireball die gesunde Schulter: „Was wünschst Du“, brummte er sarkastisch und ließ den Säbelschwinger dabei keine Sekunde aus den Augen, „dass Du nicht mit ihm ins Bett gegangen wärst oder dass ich es nicht herausgefunden hätte?“ seine Worte waren so schneidend und verletzend wie eine frisch geschärfte Katanaklinge und bohrten sich tief in Aprils aufgewühltes Herz: „Lass es mich doch wenigstens erklären…“ schluchzte sie selbstquälerisch in sein T-Shirt. Warum nur hatte sie sich gerade heute dazu entschieden, Saber diese dumme Nachricht zu schreiben? Wieso hatte sie gerade heute mit ihm reden müssen, wo doch gestern oder morgen genauso gut gewesen wären. „Nein, jetzt erklär ich Euch mal was!“ tobte Fireball, während er sich mit einem einzigen kräftigen Ruck aus ihrem Würgegriff befreite. Er trat einen Schritt hinter sie und schubste den weiblichen Star Sheriff in Richtung des Säbelschwingers, der die stolpernde Freundin eilig auffing, bevor sie zu Boden stürzte: „Wisst Ihr eigentlich, wie es war, auf diesem beschissenen Outriderplaneten festzusitzen? Zu wissen, dass ich nicht auf Hilfe zu hoffen brauchte, weil Ihr Euch ja was haste was kannste aus dem Staub gemacht hattet, kaum dass die Schlacht vorbei war. Am liebsten hätte ich mir aus lauter Verzweiflung eine Kugel in den Kopf gejagt. Besser dem Ganzen ein schnelles Ende bereiten, als verkrüppelt wie ich war den Outridern in die Hände fallen, habe ich mir gedacht. Aber da war eine Sache, die mich immer wieder daran gehindert hat, den Kampf einfach aufzugeben…“, wutentbrannt wischte er seine Tränen fort, „als ich Euch alle da auf dem Friedhof gesehen habe, da war ich so… unendlich erleichtert, weil ich wusste, dass ich endlich zu Hause bin. Bei den Menschen, die mich… lieben und die… ihr Leben für mich geben würden…“, seine Stimme geriet durch die fortwährend aufsteigenden Tränen arg ins Wanken und Fireball musste kräftig schlucken, „ganz schön bescheuert, oder?“ „Oh Fire…“ schluchzend schlug sich April die Hände vors Gesicht, weil sie den Anblick seines zutiefst verletzten Gesichtsausdrucks nicht mehr ertragen konnte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte durch ihr törichtes und unüberlegtes Handeln alles zerstört, was die Star Sheriffs ausgemacht hatte. Die tiefe Verbundenheit, die Loyalität und das blinde Vertrauen zueinander waren eingegangen wie ein Nachtschattengewächs, das man absichtlich der prallen Sonne ausgesetzt hatte. Und diesen kapitalen Fehler würde sie nie wieder gutmachen können. „Und Ihr hattet nicht mal den Schneid, mir wenigstens die Wahrheit ins Gesicht zu sagen“, vorwurfsvoll blieben Fireballs Augen an der weinenden Blondine hängen, „ich musste mir von irgendeinem Soldaten erzählen lassen, was für ein gewaltiges Rindvieh ich doch bin. Weil ich immer noch nicht mitbekommen habe, dass meine Verlobte und mein Boss es direkt vor meiner Nase…“ „Du warst tot“, schrie April unvermittelt und riss die Hände nach oben, „für uns warst Du tot, verstehst Du?“ ihr Gesicht verfärbte sich puterrot und ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig mit jedem Atemstoß. Und als wäre diese Feststellung die einleuchtendste Erklärung für ihr verräterisches Verhalten, gab Saber der Blondine mit stummem Nicken Recht und taxierte seinen Freund mit leidvoller Miene. „Na, dann wäre ich das vielleicht besser auch geblieben!“ antwortete Fireball bitter und spuckte den beiden seine Worte regelrecht entgegen, drehte sich dann abrupt um und verschwand zutiefst erschüttert in der Wohnung. „Fire, so warte doch…“ in einem Anflug von selbstzerstörerischer Manier wollte der Säbelschwinger ihm nacheilen, doch die junge Frau hielt ihn mit heftigem Kopfschütteln zurück. Ihre Wangen waren von der einen auf die andere Sekunde von tiefem Rot zu dem blassesten Weiß gewechselt, das Saber je bei einem lebendigem Menschen gesehen hatte, und selbst ihre sonst so kräftigen Lippen hatten alle Farbe verloren. „Geh jetzt!“ ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, die Bedeutung aber unmissverständlich gewesen. Zögernd berührte Saber wieder sein in Mitleidenschaft gezogenes Kinn: „Ich kann Dich doch jetzt nicht mit ihm…“ der Schotte fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, die Blondine mit dem aufgewühlten Rennfahrer alleine zu lassen. „Ich habe gesagt, Du sollst gehen“, fauchte sie wütend und schlug die Hand beiseite, mit der er sie beruhigend hatte berühren wollen, „Du kannst hier jetzt sowieso nichts mehr tun.“ Eine Sache, mit der sie natürlich unbestreitbar Recht hatte. Fireball würde sich bestimmt niemals beruhigen, wenn er hier weiter wie ein rotes Tuch vor seinen Augen herumtanzte: „Aber…“ Noch einmal schüttelte April mit Nachdruck den Kopf: „Nichts aber“, sie schob den Highlander grob in Richtung seines Robotpferdes, „das muss ich alleine mit ihm klären!“ auffordernd drückte sie ihm die Zügel in die Hand. Wenn er nicht gleich machte, dass er weg kam, würde sie wohlmöglich die Beherrschung verlieren und Saber genauso unkontrolliert anbrüllen, wie kurz zuvor noch Fireball. Sah er denn nicht, dass es keinen Sinn hatte, wenn sie beide weiter versuchten, auf den Rennfahrer einzureden? Widerwillig bestieg der Säbelschwinger Steeds Rücken: „April, ich… eigentlich wollte ich…“ er schluckte unbehaglich. Ursprünglich hatte er sich vorgenommen, der Blondine an diesem Nachmittag etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen. Aber irgendwie war jetzt wohl nicht der passende Augenblick, um alles noch komplizierter zu machen. Und es würde sowieso nichts mehr ändern, sein Entschluss stand so oder so fest. Es wäre nur einfach schön gewesen, sich wenigstens… „Jetzt hau endlich ab“, unterbrach sie seinen Gedankengang ungehalten und gab Steed einen groben Klaps aufs Hinterteil, „und lass Dich hier vorerst lieber nicht mehr blicken!“ damit kehrte sie dem Blondschopf ziemlich stoisch den Rücken und folgte Fireball mit zögerlichen Schritten ins Wohnzimmer. „Keine Sorge“, rief der Kommandant der Star Sheriffs ihr noch mit erstickter Stimme hinterher, „das werde ich nicht.“ Verlegen fuhr er sich über die Augen und seufzte traurig, bevor er seinem Pferd die Sporen gab und sich in die Lüfte erhob. Kapitel 22: So long, Star Sheriffs ---------------------------------- April hörte das Rauschen von Steeds Düsenantrieb, als das elektronische Pferd mit seinem Reiter ihre Terrasse verließ, aber sie machte sich nicht die Mühe, ihrem Freund noch einmal hinterher zu blicken. Sie hoffte einfach, dass Saber verstand, warum sie ihn so abweisend behandelt und weggeschickt hatte. Natürlich hatte sie das Zögern in seiner Stimme und die Traurigkeit in seinem Blick bemerkt, aber im Moment war das einzig Wichtige eben Fireball; sie musste mit ihrem Verlobten reden und versuchen, ihm die ganze Situation zu erklären. Da war für das Seelenheil des Schotten im Moment kein Platz. Mit ungezügelt pochendem Herzen und Beinen, die sich wie Wackelpudding anfühlten, trat die junge Frau über die Terrassenschwelle in die Kühle des Wohnzimmers. Im Vergleich zu draußen herrschte hier beinahe Dunkelheit und April brauchte ein paar Sekunden, bis sich ihre von der Sonne geblendeten Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten. Ganz langsam kroch eine Gänsehaut ihre Unterarme hinauf bis hin zu ihren Schultern und ließ sie unwillkürlich zittern. War es nur Einbildung, oder herrschte um sie herum plötzlich absolute Stille? Die verhallenden Geräusche von Sabers Robotpferd waren ebenso verschwunden, wie das aufdringliche Zirpen der Grillen und Zikaden, die sich auf den warmen Steinplatten vor der Tür sonnten. Lediglich das leise surren der Klimaanlage bildete eine monotone Geräuschkulisse, die hervorragend zu Aprils momentaner Gemütsverfassung passte. Unruhig sah sie sich im Wohnzimmer um: „Fire?“ ihre Stimme war ein virtuoses Abbild der Angst und Unsicherheit, die sich in ihrem Herzen ausgebreitet hatten. Zwar erhielt sie auf ihr zögerliches Rufen keine Antwort, aber ein derber Fluch zerriss plötzlich die Stille, und ein dumpfer Knall, der eindeutig aus der Küche kam, deutete darauf hin, dass sich der Rennfahrer gerade am Kühlschrank zu schaffen machte. Allen verbliebenen Mut zusammennehmend schlich April auf Zehenspitzen durch das Zimmer und linste dann vorsichtig um die Ecke des Durchbruchs, der Küche und Wohnzimmer miteinander verband. Fireball stand über den kleinen grünen Holztisch gebeugt. Vor ihm lag ein ausgebreitetes Küchenhandtuch und daneben stand ein Plastikmessbecher, der randvoll war mit Eiswürfeln. Angestrengt versuchte der Rennfahrer gerade, diese aus dem Gefäß hinüber auf den Stoff zu schaufeln, aber seine rechte Hand war durch den Fausthieb gegen Saber arg in Mitleidenschaft gezogen, wodurch sich das Unterfangen als äußerst problematisch erwies. Sein Gesicht glühte vor Zorn und die letzten Tränenspuren auf seinen Wangen waren noch nicht ganz getrocknet. „Verdammter Mist…“ geiferte der Star Sheriff mit heiserer Stimme, als ihm zwei Eiswürfel aus den unbeweglichen und leicht geschwollenen Fingern rutschten und zu Boden fielen. Seine Hand sauste unbeherrscht auf die Tischplatte nieder, aber schon im nächsten Moment zog er sie mit verzerrtem Gesicht und einem derben Schmerzensschrei zurück an seine Brust. April zuckte ob der Lautstärke erschrocken zusammen, fasste sich jedoch schnell wieder und eilte dann hastig zu ihm: „Warte, ich helfe Dir…“ murmelte sie beschwichtigend, während sie fürsorglich nach seinem Arm greifen wollte, aber Fireball wich ihr blitzschnell aus: „Lass mich in Ruhe!“ fauchte er aggressiv und wischte mit einer einzigen rüden Bewegung den Messbecher samt Inhalt vom Tisch. Lärmend fiel der Kunststoffbehälter zu Boden, während sich die Eiswürfel klirrend über die Fliesen verteilten und sogar teilweise bis ins Wohnzimmer sprangen. „Aber ich wollte doch nur…“ eingeschüchtert zog die Blondine die Arme zurück und beäugte ihren Verlobten mit bangen Blicken. Sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt! „Dein Stecher hat es wohl vorgezogen, sich aus dem Staub zu machen, wie!“ donnerte der Rennfahrer zurück, schubste seine Verlobte ohne weiteres Federnlesen unsanft zur Seite und stürmte zurück ins Wohnzimmer. Er verspürte das unbändige Verlangen, den nächstbesten Gegenstand zu greifen und mit Wucht gegen die Wand zu werfen, oder am besten noch durch die geschlossene Fensterscheibe. Wenn er nicht augenblicklich etwas gegen diese höllischen Qualen in seinem Inneren unternahm, würden diese ihn bei lebendigem Leibe verbrennen. Auf der Suche nach dem geeigneten Ventil für seinen Zorn wirbelte Fireball um die eigene Achse, bis sein Blick schließlich an der Reihe von Fotos hängen blieb, die auf der kleinen Pinienholzkommode standen. Blind vor Rage langte er nach einem schlichten Silberrahmen, aus dem ihm ein glückliches Pärchen entgegenlächelte. Das Bild war auf Colts und Robins Hochzeit entstanden und zeigte ihn, in einem schicken schwarzen Smoking und April, die ein betörend figurbetontes Kleid aus grüner Seide getragen hatte. Ungeachtet der Schmerzen, die seine geschwollene Hand ihm bereitete, holte er aus und donnerte das Foto zu Boden, wo der Holzrahmen barst und das Glas explosionsartig in unzählige Scherben zersprang. Herablassend schob Fireball ein paar davon mit der Schuhspitze von dem Hochglanzbild, um dann mit aller Wucht auf die strahlenden Gesichter einzutreten. Die Splitter unter seinem Fuß knirschten leise und zerfetzten die Aufnahme mehr und mehr, bis nur noch ein unerkennbarer Fetzen bunten Papiers übrig geblieben war. Mit stummem Entsetzen verfolgte April diese Zerstörungswut und stieß jedes Mal ein leises Wimmern aus, wenn der Stiefel ihres Verlobten auf das Foto niedergesauste. „Bitte hör auf damit…“ winselte sie zutiefst verängstigt, als Fireball das nächste Bild ergriff, aber er schenkte ihr keinerlei Beachtung und ein paar Sekunden später lag auch dieses Zeugnis ihres gemeinsamen Lebens zertrümmert auf dem Wohnzimmerboden. „Hat es wenigstens Spaß gemacht, ja“, Bilderrahmen Nummer drei fiel der Wildheit des Star Sheriffs zum Opfer, „war er gut, Dein schottischer Hengst?“ er schien gar nicht zu merken, dass sein Gebrüll mit jedem Wort immer noch lauter wurde. Gequält legte sich April die Hände über die Ohren und schüttelte schluchzend den Kopf. „Na los, erzähl schon“, Fireball sah hinab auf das letzte Bild, einen seiner Lieblingsschnappschüsse, der die Blondine zeigte, wie sie in eines seiner T-Shirts gekuschelt auf dem Sofa schlief, „bist doch schon lange scharf drauf gewesen, Dich von ihm…“ „Hör doch bitte auf“, schnitt die junge Frau ihm mit einem verzagten Aufschrei das Wort ab, „Du machst mir Angst, Fire…“ zitternd schwankte sie gegen die Rückenlehne des Sessels und klammerte sich verschreckt daran fest. Aufhören? Ein diabolisches Grinsen zog sich über das wutentbrannte Gesicht des Rennfahrers. Er fing doch gerade erst an! Ohne weiter darauf zu achten, welches Wurfgeschoss ihm als nächstes unter die Finger kam, tastete Fireball die Oberfläche der Kommode ab. Dabei stieß er ungeschickt einen der Bilderrahmen an, der mit einem leisen „Klack“ umkippte. „Bitte…“ eine einzelne Träne kullerte Aprils Wange hinunter. Sie schloss verzweifelt die Augen, als sie sah, dass ihr Verlobter unkonzentriert das umgestoßene Foto ergriff und machte sich auf den nächsten lauten Knall gefasst, mit dem es auf dem Boden oder an einem der Möbelstücke zerschellen würde. Was sollte sie bloß tun, um diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen? In der augenblicklichen Verfassung war Fireball unberechenbar. Wahrscheinlich würde er nicht einmal davor zurückschrecken, ihr weh zu tun, wenn sie nur dumm genug war, ihn gewaltsam von seinem marodierenden Gebaren abbringen zu wollen. Dass er ungewollt Zeuge ihrer Unterhaltung mit Saber geworden war, hatte in seinem Kopf offenbar einen gewaltigen Kurzschluss verursacht und vorübergehend seinen Verstand deaktiviert. Am Ende verletzte er sich sogar noch selbst, ohne es überhaupt zu merken! Als der erwartete Lärm aber ausblieb und die junge Frau stattdessen nur das leise Knirschen von Glas vernahm, blinzelte sie vorsichtig zu Fireball hinüber. Er hatte sich erschöpft auf eine der Sofalehnen sinken lassen und starrte geistesabwesend auf das Bild, das er noch immer in den Händen hielt. Zwar konnte April es von ihrer Position aus nicht sehen, aber sie erkannte den schlichten Holzrahmen und wusste, dass es sich um die alte Aufnahme von dem Rennfahrer und seiner Mutter handelte. Das Foto war schon ziemlich verblichen, an den Kanten ein wenig ausgefleddert und wies den einen oder anderen Knick auf, weil Fireball es jahrelang in seinem Portemonnaie mit sich herumgetragen hatte. Aber er liebte es heiß und innig und hatte vor einiger Zeit entschieden, dass es besser wäre, dieses letzte Andenken an seine Mutter hinter Glas zu konservieren und somit der Nachwelt noch ein wenig länger zu erhalten. Liebevoll lächelte er die hübsche junge Frau mit den drolligen Zöpfen und den kleinen Jungen an: „Ich wollte nicht, dass es Dir genauso ergeht…“ schniefend stellte der Star Sheriff den Bilderrahmen vorsichtig auf den Couchtisch und atmete tief durch. Die plötzliche Erinnerung an den Tod seines Vaters hatte seine geballte Wut mit einem Schlag in eine Mischung aus Trübsinn und Selbstironie verwandelt und die Frequenz seines Herzschlags wieder normalisiert: „Da habe ich mir wohl völlig umsonst Sorgen gemacht“, sein Blick wanderte weiter zu den geschwollenen Knöcheln seiner rechten Hand, „aber ich hab Ari ja gesagt, dass Du gute Freunde hast, die sich um Dich kümmern würden…“ Der unterschwellige Sarkasmus in seiner Stimme versetzt April einen weiteren tiefen Stich und ließ sie aufschluchzen: „Fire, ich…“ sie wollte so gern zu ihm gehen, die Arme um seinen Oberkörper legen und ihn tröstend an sich ziehen. Doch sie hatte Angst, er würde sie erneut von sich stoßen und blieb deswegen wie angewurzelt auf den Sessel gelehnt stehen. „Ich hätte zwar nicht angenommen, dass die freundschaftliche Fürsorge so weit gehen würde, aber…“ Fireball machte eine weit ausladende Geste mit dem gesunden Arm und lachte dann erbittert auf. Wie naiv er doch gewesen war! Er hatte mit seinem Misstrauen gegenüber dem Säbelschwinger eben doch Recht gehabt. Saber war schon immer scharf auf April gewesen und hatte die erstbeste Chance schamlos ausgenutzt, als sie ihm über den Weg gelaufen war. Und er selbst war in demütiger Scham vor ihm zu Kreuze gekrochen und hatte sich auch noch mehrfach für seine angeblich absurden Vorwürfe entschuldigt. Bedeutete er der hübschen Blondine tatsächlich so wenig, dass es ihr letztlich egal war, ob sie das Bett mit ihm oder einem anderen Star Sheriff teilte? Ein gehässiger Gedanke formte sich irgendwo in seinen verstörten Gehirnwindungen, von dem er zwar wusste, dass er vollkommen grotesk war, den auszusprechen er sich aber trotzdem nicht verkneifen konnte: „Hast Du Colt wenigstens auch mal rangelassen, oder durfte der nur zugucken?“ Diese bissige Bemerkung saß. Plötzlich erblühten hektische Flecken auf den Wangen des weiblichen Star Sheriffs und verliehen ihrem sonst so hübschen Gesicht das Aussehen eines rot und weiß gesprenkelten Streuselkuchens: „Dass ich mit Saber geschlafen habe, gibt Dir noch lange nicht das Recht, so mit mir zu reden!“ Erstaunt zog der Rennfahrer eine Augenbraue hoch: „Ach, meinst Du nicht“, langsam spreizte er seine geschundenen Finger um zu prüfen, ob er sich durch die Attacke auf den Säbelschwinger tatsächlich etwas gebrochen hatte, „ist es so abwegig, dass Du Dich auch mit dem Cowboy ein wenig…“ „Du weißt genau, dass das Bockmist ist, den Du da von Dir gibst“, unterbrach ihn die Blondine harsch und warf stolz das Haar in den Nacken, „das sagst Du nur, um es mir heimzuzahlen.“ Fireball beobachtete nachdenklich seine schmerzenden Glieder, so als hätte er sie gar nicht gehört. Die Bewegung der Fingergelenke tat teuflisch weh, aber trotzdem schaffte er es, die Hand mehrmals hintereinander zur Faust zu ballen und dann wieder ganz zu öffnen. Offenbar hatte er in dem riesigen Tümpel aus Pech, auf dem er seit Tagen trieb, endlich auch einmal ein Quäntchen Glück gehabt: „Ja, ich schätze, Du hast Recht“, er nickte einsichtig und hob dann mit verletztem Blick den Kopf, „aber das kannst Du mir echt nicht vorwerfen! Ich meine, weißt Du überhaupt, wie beschissen ich mich im Moment fühle?“ Aprils kurzzeitig aufgeflammter Zorn wegen der ungeheuerlichen Unterstellung in Bezug auf Colt verpuffte ungesehen und machte sofort wieder ihrem schlechten Gewissen Platz. Natürlich konnte sie sich vorstellen, wie erbärmlich und hintergangen sich Fireball im Moment fühlen musste. Und sie wusste auch, dass sie einzig und allein Schuld daran war, aber solange er sich weigerte, ihr wenigstens zuzuhören und ihr keine Gelegenheit gab, ihm die ganze Geschichte zu erklären, konnte sie an diesem Zustand nichts ändern. „Vielleicht tröstet es Dich ja, dass es mir auch nicht viel besser geht.“ sagte sie leichtfertig und wagte es jetzt doch, ein paar Schritte auf ihren Verlobten zuzugehen. Ein wenig voreilig, wie sich prompt herausstellte. Fireball musterte sie abschätzig von oben bis unten und streckte ihr dann abwehrend die Hand entgegen: „Was Du nicht sagst“, glaubte sie wirklich, dass ihn dieser Gedanke in irgendeiner Art und Weise besänftigen konnte, „so unbefriedigend kann der Sex mit Saber aber nicht gewesen sein, wenn Du gleich bei ihm eingezogen bist!“ April schluckte nervös. Eigentlich war dies schon wieder eine Bemerkung gewesen, die ihren Unmut hätte wecken können, doch sie wusste, dass sie jetzt einen kühlen Kopf bewahren musste. Auch wenn Fireball noch so kränkend und verletzend wurde, sie war ihm eine Erklärung schuldig. Und diese würde sie ihm liefern müssen, bevor sie sich wieder über seine Sticheleien echauffieren und sich gegen die gemeinen Spitzen zur Wehr setzen durfte. Sie nahm wie ihr Gegenüber auf einer der Seitenlehnen des Sessels Platz und faltete zurückhaltend die Hände in ihrem Schoß: „Ich weiß nicht, was Du alles gehört hast und vor allem, wer es Dir erzählt hat, aber Du kannst mir glauben, dass nicht mal die Hälfte von all dem wahr ist!“ wenn sie nur den elenden Mistkerl in die Finger bekam, der es gewagt hatte, den Rennfahrer im Krankenhaus mit diesem Schwachsinn zu belästigen. „Ach, dann stimmt es nicht, dass Du über eine Woche lang bei Saber gehaust hast, nein?“ Fireball konnte es nicht fassen. Nach allem, was er eben mit angehört hatte, wollte sie ihn jetzt tatsächlich für dumm verkaufen. Dort auf dem anderen Sofa stand ihr Trekking-Rucksack, den Saber mit zurück gebracht hatte und der offensichtlich einen nicht kleinen Teil von Aprils Kleidung und Badezimmerartikeln enthielt. Und sie wollte jetzt allen Ernstes behaupten… „Ich bin zu Saber gezogen, weil ich es hier alleine einfach nicht mehr ausgehalten habe“, verteidigte sich April prompt und wies mit betretener Miene auf den Trümmerhaufen am Boden, „die Fotos, Deine Sachen, Dein leeres Kopfkissen…“ „Mein…“, eine neue Welle des Zorns stieg in Fireball auf, „oah hör auf, ich mag mir gar nicht vorstellen, dass dieser Kerl…“ er würde sich wahrscheinlich nie wieder in ihr gemeinsames Bett legen können, ohne dabei daran zu denken, wie seine Verlobte hier mit seinem Boss gelegen und sich die Zeit vertrieben hatte. Angewidert schüttelte er sich wie ein nasser Hund. Am besten, man verbrannte das ganze Ding mitsamt Bettwäsche und Matratze! „Nein, nein“, beeilte sich die Blondine schleunigst, ihm diesen Gedanken auszutreiben, „wir haben nicht… also, ich meine… wir…“ es fiel ihr nicht gerade leicht, offen über ihr Liebesleben mit Saber zu reden, ganz besonders nicht vor Fireball. „Ihr habt es also nur in seinem Schlafzimmer getrieben“, stellte der Rennfahrer pragmatisch fest, „wie überaus rücksichtsvoll. Hattest Du Angst, dass Euch hier mein Geist zugucken würde?“ „Ich sage doch, ich bin zu Saber, weil mir hier die Decke auf den Kopf gefallen ist“, erwiderte April kleinlaut und knetete zappelig ihre Finger, „Colt war seit Tagen unauffindbar und Robin…“ wie viel wusste Fireball überhaupt von dieser Geschichte? War es im Zweifelsfall klug, ihm auch noch von der Trennung des Cowboys zu erzählen, oder war die Sache mit ihr und Saber vorerst genug für den Anfang? Diese Frage erledigte sich ziemlich schnell von selbst, denn der junge Heißsporn gab ein ironisches Grunzen von sich: „Ja, ja, noch ’n Star Sheriff, der sich nicht mit dem begnügen möchte, was auf seinem Tellerchen liegt, sondern auch noch scharf auf das Steak vom Gast am Nachbartisch ist!“ aber Colt war und blieb eben Colt. Der würde sich niemals ändern. Es war phantastisch gewesen zu glauben, er würde tatsächlich sesshaft werden und das Leben eines treuliebenden Ehemanns führen. Aber dass April und Saber in genau die gleiche Kerbe hatten schlagen müssen! „Jedenfalls gab es niemanden, zu dem ich sonst hätte gehen können“, überging die Blondine den beißenden Kommentar, um sich nicht wieder vom eigentlichen Thema abbringen zu lassen, „Du musst mir glauben, dass ich nicht im Entferntesten daran gedacht habe, mit Saber…“ und da war sie auch schon wieder, die erste Lüge. April biss sich verlegen auf die Lippe und blickte zögerlich von ihren Händen zu ihren Schuhspitzen und wieder zurück. War es in Ordnung, in diesem Punkt ein wenig die Wahrheit zu verbiegen, um Fireball damit einen Teil der Schmerzen zu ersparen? Wer wollte schon mit der Vorstellung leben, dass man von der Verlobten mit einem guten Freund betrogen worden war, und das auch noch im eigenen Bett. Fireball warf sich stöhnend nach hinten und stütze den Kopf gegen die Rücklehne des Sofas: „Und wie genau willst Du mir dann Deine Worte von vorhin erklären“, seine Augen schlossen sich mit einem weiteren tiefen Seufzer, „von wegen wir hatten eine Affäre und das alles?“ eigentlich hatte er nicht das geringste Interesse daran, dieses Geheimnis zu lüften. Aber er wusste, dass es ihn niemals in Ruhe lassen würde, wenn er sich jetzt den Tatsachen und der Wahrheit verschloss, nur um sich die schmerzenden Details zu ersparen. Viel schlimmer konnte es sowieso nicht mehr kommen, denn er bezweifelte sehr, dass April ihm einen ausführlichen Abriss dessen geben würde, was sich zwischen ihr und dem Säbelschwinger alles ereignet hatte. „Ich kann es Dir auch nicht wirklich erklären“, gab sie beschämt zu, „wir waren beide ziemlich fertig, na, ja, Deinetwegen eben“, ihren Streit mit Saber und den niederschmetternden Brief von Cynthia würde sie wohl besser nicht erwähnen, um nicht unnötig Wasser auf die Mühlen zu gießen, „Saber hat von irgendwo her eine Flasche Whisky geholt und…“ „Na großartig“, aufgebracht legte sich Fireball den Arm über die Augen, „dann habt Ihr Euch also erst richtig schön einen gebrannt und seid dann zusammen in die Kiste gesprungen, ja? Ganz großes Tennis, wirklich!“ wäre es bei diesem einen Mal geblieben, hätte er vielleicht sogar Verständnis für die Blondine und den Highlander aufbringen können. Denn was zwischenmenschlich so alles passieren konnte, wenn genügend Alkohol geflossen war, hatten Christa und Colt an Bord von Ramrod sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Aber er wusste aufgrund der Erzählungen von Dave und der Unterhaltung zwischen Saber und April, dass die beiden des Öfteren die Nähe des anderen gesucht und auch gefunden hatten. Und dass sie jedes Mal dabei angetrunken gewesen waren, konnte sich der Rennfahrer nun beim besten Willen nicht vorstellen. April sagte nichts mehr. Sie hatte die Lippen fest zusammen gepresst und gab sich große Mühe, nicht wieder anzufangen zu heulen. Das fand Fireball äußerst komisch, denn schließlich war doch er derjenige, dem nach Jammern hätte zumute sein dürfen. Sie war schließlich von seinen Armen direkt in die von Saber übergewechselt, um sich ein bisschen trösten zu lassen. Und nun war er zurück und alles war für sie wieder in Butter. Aber genau das war es eben nicht. Nichts war in Butter, rein gar nichts! Der Star Sheriff wusste nicht, wie er den Freunden je vergeben sollte und fragte sich ernsthaft, wie es überhaupt mit ihnen weitergehen konnte. Wenn man den Gerüchten einigermaßen Glauben schenkte, hatte sich der Säbelschwinger in den letzten zwei Wochen mächtig für April ins Zeug gelegt und sogar einen handfesten Krach mit Eagle in Kauf genommen. Für die Tochter des Commanders hatte sich Everybodys Darling freiwillig ins Abseits katapultiert und keine Rücksicht auf seinen Ruf oder das Ansehen des Oberkommandos genommen. Wie mochten seine Gefühle für die Blondine tatsächlich aussehen? Und was im Grunde noch viel wichtiger war: „Liebst Du ihn?“ Unvermittelt hatte Fireball sich aufgerichtet und schaute seiner Verlobten direkt ins Gesicht, die vor Schreck die Augen aufriss: „Was? Saber? Bist Du wahnsinnig, natürlich nicht“, sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Haare in alle Richtungen davonflogen, „Du weißt, dass ich nur Dich liebe, Fire!“ „Oh ja, klar“, höhnte dieser und schnaubte verdrießlich, „wie wild sogar. Deswegen konntest Du nicht mal bis nach meiner Beerdigung warten, bevor Du Dir den nächsten Kerl ins Bett geholt hast.“ Das war für April endlich der Moment, in dem ihr Geduldsfaden doch noch riss. Wütend sprang sie auf und deutete mit ausgestrecktem Finger auf ihr spöttisch grinsendes Gegenüber: „Hör verdammt noch mal auf, mich hier wie das letzte Flittchen hinzustellen. Ich habe nicht mit dem gesamten Hauptquartier geschlafen, sondern lediglich mit Saber, kapiert!“ Fireballs Grinsen verschwand und sein Gesicht nahm wieder diesen zutiefst verletzten und enttäuschten Ausdruck an, als er mit rauer Stimmer flüsterte: „Für mich ist es egal, ob Du mit einem oder mit zwanzig anderen Kerlen im Bett warst, denn beides kommt aufs selbe raus, April.“ Sie verstand noch immer nicht, was ihr Verrat für ihn bedeutete und machte auch gar keine Anstalten, es verstehen zu wollen. Sicherlich fühlte sie sich bis zu einem gewissen Grad schuldig, aber ihr sturer Hitzkopf, der im Verlauf der Diskussion immer mehr zu Tage getreten war, sprach eindeutig dafür, dass sie sich auch irgendwo im Recht sah. „Nein kommt es nicht“, widersprach sie energisch, „Du tust so, als hätte ich Dich absichtlich hintergangen, aber das stimmt einfach nicht! Menschenskind, sie haben mir gesagt, Du seiest tot. Ich habe an Bord von Ramrod die Aufnahmen gesehen, wie dieser Renegade Deinen Red Fury in Schutt und Asche gelegt hat…“ Zum ersten Mal schaffte sie es, mit ihren Worten bis zu Fireballs Herz vorzudringen: „Die hätten sie Dir nicht zeigen dürfen!“ sagte er bestimmt und verfluchte zur Abwechslung nicht nur Saber, sondern auch Colt, der es anscheinend auch nicht besser gewusst hatte. Wieso nur waren sie so gedankenverloren gewesen, April diese schrecklichen Bilder zu zeigen. War ihnen nicht klar gewesen, was sie damit bei der Blondine anrichten würden? „Ich war auch nicht so blöd, erst um Erlaubnis zu bitten, bevor ich sie mir angesehen habe“, April ging mit verschränkten Armen hinüber zur Terrassentür, „ich wollte nicht glauben, dass Du tot warst. Bevor ich mich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, wollte ich es einfach nicht wahr haben. Aber als ich dann die jämmerlichen Überreste des Fury gesehen habe, blieb mir nichts anderes mehr übrig, als es zu akzeptieren.“ Fireball nickte, unfähig irgendetwas zu sagen. Er war hin und her gerissen zwischen seiner Eifersucht, seiner ohnmächtigen Wut und dem neu entflammten Mitleid für seine Verlobte. Es musste in der Tat furchtbar für sie gewesen sein, das Ende seines Boliden und damit auch sein vermeintliches Ende mit ansehen zu müssen. Aber trotzdem war das noch lange kein Grund, sich postwendend an Sabers Hals zu schmeißen. Und erst recht nicht, ihrem Verlobten die Wahrheit vorzuenthalten, nachdem dieser überraschender Weise doch aus der Phantomzone zurückgekehrt war. „Ich bin fast wahnsinnig geworden, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte“, fuhr April unbeirrt fort, ohne ihn anzusehen, ihren Blick war starr nach draußen gerichtet, „Du bist wahrlich nicht der einzige, der mit dem Gedanken gespielt hat, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen.“ „Ach hör schon auf“, kommentierte Fireball diesen in seinen Augen nun doch etwas dramatischen Ausbruch mit scharfzüngiger Gelassenheit, „wer so down ist, wie Du mir weismachen willst, steigt sicherlich mit seinem Chef ins Bett.“ So einfach würde er sie nicht davonkommen lassen. Was auch immer April dazu bewogen hatte, sich mit Saber auf eine körperliche Beziehung einzulassen, sie hatte es ihm bewusst eine ganze Woche lang verschwiegen. Fuchtig wirbelte die Blondine zu ihm herum: „Kannst Du bitte mal aufhören, es immer als besonders dramatisch hinzustellen, dass Saber unser Boss ist! Er war der einzige, der sich um mich geschert hat und dafür bin ich ihm echt dankbar“, ihre rechte Hand fuhr hektisch über ihren linken Unterarm, so als würde sie frieren, „und ehrlich gesagt warst Du eben echt unfair zu ihm!“ Das brachte das Fass für den Rennfahrer zum Überlaufen. April besaß wirklich die Dreistigkeit, ihm nach allem, was er heute erfahren hatte, Vorhalte wegen seines ungebührlichen Verhaltens gegenüber dem Schotten zu machen. Und nicht nur das, sie nahm Saber auch noch offen in Schutz und verteidigte sein Gebaren. Das tat beinahe noch mehr weh, als die Tatsache, dass sie überhaupt etwas mit ihm angefangen hatte: „Na, wenn Du meinst, dass ich mich schlecht benommen habe, dann geh doch zu ihm und entschuldige Dich! Dann kannst Du ihm auch gleich sagen, wie dankbar Du ihm für seine reizende Fürsorge bist“, mit gequältem Blick deutete er entschlossen auf ihren Trekking-Rucksack, „musst nicht mal mehr packen!“ Bestürzt riss April die Augen auf: „Das…ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“ Nein, Fireball ballte unter ziemlichen Schmerzen die Faust, natürlich war das nicht sein Ernst. Das letzte, was er wollte, war die Blondine in Sabers Nähe zu wissen. Aber die Wut über den Verrat und ihren beherzten Einsatz für den Säbelschwinger ließ ihn die Frage in einer widerborstigen Reaktion trotzdem mit einem Nicken quittieren: „Wird sich bestimmt riesig freuen, wenn Du wieder bei ihm angekrochen kommst.“ Sie würde es ja doch nicht wagen, tatsächlich auf diesen Vorschlag einzugehen. Oder vielleicht doch? Mit leichten Bedenken verfolgte der Rennfahrer das seltsame Mienenspiel auf dem Gesicht seiner Verlobten, das von Zorn über Enttäuschung bis hin zu verletztem Stolz alles widerspiegelte, was das menschliche Gefühlsrepertoire zu bieten hatte. Vielleicht war er doch einen Schritt zu weit gegangen… „Bitte, wie Du willst…“ mit einem unterdrückten Wutschnauben riss April ihren Rucksack vom Sofa und stolzierte damit in Richtung Flur. Aber bevor sie das Wohnzimmer verlassen und Fireball aufspringen konnte, um sie aufzuhalten, passierte etwas völlig Unvorhergesehenes. Die Eiswürfel, die Fireball wenige Minuten zuvor in seiner Raserei über den Boden verteilt hatte, waren mehr und mehr geschmolzen und hatten nicht nur auf den Küchenfliesen, sondern auch auf dem Parkett des Wohnzimmers kleine Pfützen hinterlassen, in denen nach wie vor kleine Eisberge dümpelten. Eine von diesen Lachen musste April übersehen haben, denn der Absatz ihres rechten Stiefels landete genau mittendrin und mit gewaltigem Schwung fegte es sie von den Füßen. „April…“ der Angstschrei des Rennfahrers hallte durch die Stille des Raumes, als er mit ansehen musste, wie seine Verlobte beinahe in Zeitlupentempo zu Boden stürzte. Der Rucksack flog in hohem Bogen davon, weil April reflexartig die Arme nach oben gerissen hatte und es gab einen unangenehmen Knall, als ihr Körper auf den Holzdielen aufschlug und ihr Kopf mit ungebremstem Tempo gegen die Kante des Wohnzimmertisches prallte. „Neeeiiiinnn!“ Fireball sprang panisch auf. Das Blut gefror in seinen Adern, als ihr Kopf auf dem Boden auftraf, schlaff zur Seite rollte und dann bewegungslos liegen blieb. Sofort war er bei ihr und fiel neben ihrem schlaffen Körper auf die Knie: „Oh bitte, nein! April…“, mit bebenden Fingern schob er die blonden Haare aus ihrem aschfahlen Gesicht, „tu mir das nicht an, Süße!“ sein Herz raste wie wild und seine Augen füllten sich mit Tränen, als er vorsichtig nach ihrer Halsschlagader tastete. Ihr Puls, wo war ihr Puls verdammt: „Baby, komm schon, bitte…“ Fireballs Flehen ging in einem lauten Schluchzen unter. Was hatte er nur getan? Wimmernd drückte er einen Kuss auf ihre kühle Stirn, während seine geschwollene Hand noch immer nach ihrem Aderschlag suchte: „Wach auf, April, bitte!“ Er brauchte ein Lebenszeichen. Irgendetwas, das ihm zeigte, dass es noch nicht zu spät war. Es durfte einfach nicht zu spät sein. Er konnte doch ohne diese Frau überhaupt nicht existieren! Was machte es schon, dass sie mit Saber geschlafen und ihm die Wahrheit verheimlicht hatte. Er würde ihr alles verzeihen, wenn sie nur die Augen wieder aufschlug. Weinend drückte er seine Wange gegen ihre Brust, um zu horchen, ob ihr Herz noch arbeitete: „Ich brauche Dich doch, Kleines…“ Dodom… war das ihr Herzschlag? Fireball hielt den Atem an und presste sein Ohr noch fester an ihren Brustkorb… dodom. Ja, er konnte ihr Herz schlagen hören: „Gott danke, Du lebst…“ und jetzt fand er auch endlich ihre Pulsader, die unregelmäßig und schwach unter seinem Zeige- und Mittelfinger pochte: „Halt durch, Süße, ich hole Hilfe!“ Eilig stemmte sich der Star Sheriff auf die Beine und rannte hinüber zur Kommunikationsanlage, die ihn mit einem einfachen Knopfdruck direkt mit dem Empfang verband: „Fletcher vom Empfang hier“, dröhnte eine sonore Stimme durch den kleinen Lautsprecher, „was kann ich für sie tun, Miss Eagle?“ Fletcher? Wer zum Kuckuck war denn nun schon wieder Fletcher? Tauschten die denn das Personal da unten alle zwei Wochen durch: „Nein, hier ist nicht Miss Eagle, hier ist…“ „Oh, Mr. Fireball“, antwortete der Wachmann überrascht, so als wären er und der Star Sheriff alte Freunde, die sich jahrelang nicht gesehen hatten, „ich wusste gar nicht, dass Sie schon wieder zurück sind!“ Der Rennfahrer schnaubte verächtlich: „Ist auch völlig uninteressant, Fletcher, wir brauchen sofort einen Krankenwagen. Miss Eagle ist gestürzt…“ „Oh mein Gott, was ist passiert?“ „Man beeilen Sie sich, sie hat das Bewusstsein verloren!“ Man konnte deutlich vernehmen, wie der Mann am anderen Ende der Kommunikationsverbindung einen aufsteigenden Kommentar hinunter schluckte und sich verlegen räusperte: „Entschuldigen Sie, Sir, ich werde mich sofort darum kümmern!“ Fireball hielt sich nicht lange mit Dankesfloskeln oder damit auf, die Verbindung zu kappen. Er stürzte aufgeregt zurück ins Wohnzimmer und kauerte neben der Blondine nieder, die bewusstlos und mit flacher Atmung auf den Dielen lag. „Hey Süße“, flüsterte er ihr zärtlich zu und strich gleichzeitig noch ein paar weitere Haarsträhnen aus ihrem Gesicht, „Hilfe ist unterwegs, hörst Du. Halt bitte durch!“ unsicher küsste er ihre bläulich verfärbten Lippen. Was sollte er nur tun? Zwar war das nächste Krankenhaus nur ein paar Blocks entfernt, aber sicherlich würden die Einsatzkräfte mindestens eine Viertelstunde brauchen, bis sie hier eintrafen. Solange konnte er April doch unmöglich hier auf dem Boden liegen lassen. Der Rennfahrer beugte sich zum Sessel hinüber, schnappte sich das grüne Kissen, dass dort mehr zur Dekoration als zu praktischen Verwendungszwecken drapiert worden war und schob dann sanft seine Hand unter den Kopf der jungen Frau. Vorsichtig hob er ihn ein Stückchen an, legte ihn kurz in seinem Schoß ab, weil er mit nur einer Hand unmöglich gleichzeitig den Kopf halten und das Kissen darunter schieben konnte, und bettete seine Verlobte dann fürsorglich auf den grünen Baumwollstoff, nachdem er das Polster in die richtige Position gebracht hatte: „Bleib ja schön bei mir, hörst Du!“ flüsterte er ihr eindringlich zu, während er sich fieberhaft nach einer Decke oder etwas ähnlichem umsah, womit er ihren Körper wärmen konnte. Er wusste zwar nicht genau warum, aber das erschien ihm irgendwie wichtig, auch wenn draußen spätsommerliche Temperaturen herrschten. Weder auf dem Sessel noch auf den beiden Sofas war etwas zu entdecken, das auch nur entfernt als Ersatz für eine Bedeckung hergehalten hätte. Es half also alles nichts, er musste hinüber ins Schlafzimmer und von dort die Bettdecke holen. Gerade wollte er sich erneut von seinem Wachtposten neben April erheben, als ihm zum ersten Mal der große dunkelrote Fleck auf seinem weißen Overall auffiel. Genau dort, wo der Kopf der Blondine eben kurz gelegen hatte. „Oh nein…“ sie blutete. Offenbar hatte sie sich beim Aufschlag auf den Couchtisch eine Platzwunde zugezogen. Beim Anblick des großen Blutflecks begannen Fireballs Beine unangenehm zu kribbeln. Hoffentlich war es auch wirklich nur eine Platzwunde! Wo blieben denn bloß diese verfluchten Sanitäter… „Es wird alles wieder gut, April, bestimmt…“, er ergriff eine ihrer kalten Hände und drückte sie so fest, wie es ihm seine geschwollenen Finger erlaubten, „ich lasse nicht zu, dass Du…“ er war ja so ein verdammter Hornochse! Aus verletztem Stolz war er drauf und dran gewesen, diese Frau, die er doch über alle Maßen liebte, hochkantig aus der Wohnung zu werfen. Und das nur aus dem Grund, weil sie Trost bei Saber gesucht hatte. Sie war ja vollkommen im Recht gewesen. Die anderen Star Sheriffs hatten ihn für tot gehalten. Nicht vermisst oder verletzt, nein, tot! Ein Zustand, der bestimmt besonders für April nicht einfach zu verkraften gewesen war. Wenn es ihr doch geholfen hatte, über den Schmerz hinweg zu kommen… Und schließlich hatte sie ihm mehrfach versichert, dass es bei der Sache mit dem Schotten nicht um Gefühle gegangen war. Sie liebte ihn, Fireball. Daran hatte sich nichts geändert. Warum war er dann so fürchterlich verbohrt gewesen? Vor lauter Egoismus und Selbstmitleid hatte er die Augen völlig vor dem verschlossen, was sie die ganze Zeit hatte erdulden müssen. Wenn er ihr nur vernünftig zugehört hätte, dann wäre es niemals zu diesem Unfall gekommen. Zittrig legte er seine Hand auf ihren Brustkorb und stellte erleichtert fest, dass sich dieser unter einer flachen, kaum wahrnehmbaren Atmung immer noch regelmäßig hob und senkte. Sollte er irgendetwas tun, um ihre Wunde zu versorgen? Nein, wahrscheinlich war es besser, sie nicht noch weiter unnötig zu bewegen. Außerdem hätte er nicht viel mehr tun können, als eine Druckkompresse anzulegen, und diese Funktion füllte bereits hervorragend das Kissen aus. Wenn doch nur alles wieder gut werden würde: „Du weißt glaube ich gar nicht, wie wichtig Du für mich bist“, Fireballs Hand strich innig über ihre schmalen Schultern, „aber ich glaube, ich habe es Dir auch nie wirklich gesagt!“ murmelte er mit getrockneten Tränen auf den Wangen und bemühte sich, einen klaren Kopf zu behalten. Wenn er recht darüber nachdachte, hatte er April tatsächlich nie gestanden, wie viel sie ihm bedeutete. Nachdem sie vor gut einem Jahr endlich zueinander gefunden hatten, war die Leidenschaft in der ersten Zeit so groß gewesen, dass es nicht vieler Worte bedurft hatte, um seinen innigsten Gefühlen Ausdruck zu verleihen; er hatte einfach seinen Körper für sich sprechen lassen. Aber auch in den folgenden Monaten hatte er es nie für nötig gehalten, ihr mehr als ein „Ich liebe Dich“ entgegen zu bringen, weil er immer davon ausgegangen war, dass diese drei kleinen Worte ausreichten. Mehr brauchte man eben nicht miteinander zu reden, wenn man sich liebte. Wie bescheuert das doch gewesen war! Wenn er nun nie die Gelegenheit bekommen würde, ihr all die Dinge zu offenbaren, die auf seiner Seele lasteten… Ein lautes Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenfahren: „Yuma Red Cross, Sie haben nach uns geschickt!“ rief eine weibliche Stimme in gefasstem sachlichen Tonfall. Fireball fiel in diesem Moment ein riesiger Felsbrocken vom Herzen: „Die Tür ist offen“, antwortete er müde, bevor er in sich zusammensackte und dankbar die Augen schloss, „jetzt wird alles gut, Kleines, versprochen!“ Von dem Moment an, als die beiden Sanitäter in Aprils und Fireballs Wohnung eintrafen, ging alles wahnsinnig schnell und der Rennfahrer konnte später gar nicht mehr so richtig sagen, wie er eigentlich in den Warteraum des Krankenhauses gekommen war. Nach anfänglichen Unmutsäußerungen darüber, dass der Star Sheriff so überaus leichtsinnig gewesen war, den Kopf der Blondine zu bewegen, nach so einem Sturz hätte sie sich gut das Genick gebrochen haben können, hatten die Rettungskräfte, eine mollige Brünette und ein schlaksiger Mann mit Halbglatze, April kurz untersucht, sie dann auf eine Bahre verfrachtet und schließlich mit heulendem Martinshorn ins Yuma Bay Hospital gefahren. Fireball hatte es sich nicht nehmen lassen, während der ganzen Zeit über bei ihr zu bleiben und hatte den beiden Helfern auf dem Weg ins Krankenhaus den Hergang des Unfalls geschildert. Es war ihm ziemlich unangenehm gewesen, den Streit mit seiner Verlobten zu erwähnen, aber wie hätte er sonst wohl das Chaos aus geschmolzenen Eiswürfeln und zertrümmerten Fotos in der Wohnung erklären sollen? Wahrscheinlich hielten die beiden ihn mittlerweile für gewalttätig und würden in ihrem Bericht einen entsprechenden Vermerk machen. So etwas wie „rabiate häusliche Auseinandersetzung“ oder „brutaler Verlobter versucht Angriff wie Unfall aussehen zu lassen“. Wenn sie dann noch ein paar ihrer Nachbarn befragten, die unweigerlich etwas von ihrem derben Streit hatten mitbekommen müssen, würde ihm wahrscheinlich binnen kürzester Zeit die Polizei an den Hacken kleben. Aber was aus ihm wurde, war im Moment zweitrangig. Einmal im Krankenhaus angekommen, hatte man Fireball ziemlich schnell und unmissverständlich klar gemacht, dass er unmöglich mit in die Notaufnahme kommen konnte, auch wenn er einen noch so großen Aufstand probte. Also hatte er schweren Herzens mit angesehen, wie man April auf einer Rollbahre davon geschoben hatte und war dann hinüber in den Wartebereich gegangen, wo er sich mindestens eine halbe Stunde mit den Aufnahmeformularen herumschlagen musste. Was die hier alles wissen wollten war wirklich unglaublich. Gut, Name, Anschrift, Geburtsdatum und Krankenversicherungsnummer waren ja noch nachvollziehbar, obwohl der Star Sheriff beim letzten dieser Punkte bereits das erste Mal passen musste. Aber Allergien, Kinderkrankheiten, konsumierte Medikamente der letzten fünf Jahre, frühere Krankenhausaufenthalte, Anschrift des Hausarztes… das überstieg doch bei weitem den Horizont des Rennfahrers. Letztlich hatte er die mehr als lückenhaft ausgefüllten Seiten mit einem Achselzucken an die Empfangsschwester zurückgegeben: „Tut mir leid, mehr kann ich Ihnen im Moment auch nicht beantworten!“ Die gemütliche rothaarige Schwester, die zur Abwechslung mal nichts mit dem typischen Stationsdrachen gemein hatte, lächelte ihn verständnisvoll an und tätschelte ihm den Arm: „Ist schon in Ordnung, machen Sie sich da mal keine Gedanken“, sie überfolg kurz die Angaben und nickte dann, „das meiste ist sowieso nur für statistische Zwecke. Erst mal ist wichtig, dass wir den Namen der jungen Dame haben und wissen, wen wir im Notfall benachrichtigen müssen.“ Fireball schluckte. Als nächsten Verwandten hatte er wahrheitsgemäß Commander Eagle angegeben, auch wenn er der Meinung war, dass er die Person war, die man zuerst zu informieren hatte, wenn es um das Wohl der Blondine ging. Aber er wusste, dass er kein Anrecht auf Informationen hatte, solange er nur Aprils Verlobter war. Rein rechtlich durfte er sie nicht einmal besuchen, sollte sie weiterhin ohne Bewusstsein bleiben. Trotzdem wagte er einen zaghaften Vorstoß: „Können… sie mir schon irgendetwas sagen… ich meine, wie es ihr geht?“ die Frau sah eigentlich nicht so aus, als würde sie dem Club der Paragraphenreiter angehören. Sie schob sich die Brille auf ihrem Nasenrücken zu Recht und beäugte den Star Sheriff mit schalkhaften Augen: „Sie sind ein Freund von Miss Eagle, nehme ich an?“ „Ähm, ja“, verlegen hüstelte Fireball und fuhr sich unsicher durchs Haar, „ich, ähm… bin ihr Verlobter.“ zum Glück tat seine Hand mittlerweile kaum noch weh und die anfängliche Schwellung begann bereits, sich zurück zu bilden. Sonst wäre es ihm wohl auch nicht gelungen, auch nur ein einziges Wort auf dem Fragebogen niederzuschreiben. „Leider kann ich Ihnen noch keine Auskünfte geben. Professor Fukuoka ist gerade dabei, sie zu untersuchen und wir müssen noch auf die Ergebnisse der Kernspintomographie warten. Aber ich sage dem Professor bescheid. Er wird sich dann gleich bei Ihnen melden, wenn es etwas Neues gibt.“ „Ja…“, enttäuscht biss sich der Star Sheriff auf die Unterlippe, „danke!“ niedergeschlagen kehrte er zu seinem Platz im Wartebereich zurück. Von seinem Sitz hatte er zumindest einen guten Blick auf die angrenzenden Flure und würde sofort mitbekommen, wenn der besagte Professor hier auftauchte. Hoffentlich war der dann genauso redselig und verständnisvoll wie die nette Schwester am Infodesk. Trübsal blasend schloss der Rennfahrer die Augen und legte den Kopf in den Nacken, so als wollte er an die Decke starren. Diese Warterei war fürchterlich. Wenn man ihm doch wenigstens schon irgendetwas hätte sagen können, zumindest, um ihm etwas von seiner Angst zu nehmen. So konnte er nichts anderes tun, als untätig herumzusitzen und sich einen grauenvollen Automatenkaffee nach dem anderen zu genehmigen. Irgendwann fragte er sich, ob er vielleicht Colt informieren und den Freund bitten sollte herzukommen. Aber diese Idee verwarf er schneller wieder, als sie ihm gekommen war. Der Cowboy hatte derzeit jede Menge eigene Probleme und war sicher nicht besonders erpicht darauf, auch noch in das Beziehungsdrama seiner Mitstreiter verwickelt zu werden. Und den kurz aufkeimenden Gedanken an Saber schob Fireball hastig beiseite, als er bemerkte, wie sich unwillkürlich seine Nackenhärchen aufstellten, als das Bild des blonden Schotten vor seinem geistigen Auge aufgeblitzte. Mochte er April ihren Fehltritt durch die Geschehnisse der letzten Stunde auch vergeben haben, Saber war und blieb ein Verräter, den er nie mehr wieder würde Freund nennen können. „Mr. Hikari?“ Fireball fuhr erschrocken hoch, als er feststellte, dass ein älterer Mann im weißen Kittel vom Infodesk auf ihn zugesteuert kam und ihm sachlich die Hand entgegen streckte. „J…ja…“ er brauchte einen Moment um sich zu sammeln und schüttelte dann etwas zurückhaltend die Rechte seines Gegenübers, „sind Sie Professor Fuku…“ wie hatte ihn die Schwester doch gleich genannt? Herrgott, er musste an seinem Kurzzeitgedächtnis arbeiten, das reichte ja nicht einmal von zwölf bis mittags. Der Grauhaarige nickte, ohne dabei einen Gesichtsmuskel zu bewegen: „Sie haben Miss Eagle hergebracht, ist das richtig?“ Fireballs Nebennieren schütteten einen ganzen Kübel an Stresshormonen aus, die sich augenblicklich über seine Blutbahnen im gesamten Körper verteilten: „Ja… wie geht es ihr?“ wie konnte der Mann so gleichgültig bleiben. Es war absolut nicht zu erkennen, ob er eine gute oder eine schlechte Nachricht für ihn bereithielt. Gegen den hätte selbst Colt im Poker verloren! „Demnach sind Sie der Vater?“ „Äh, Vater…“ der junge Mann starrte den Professor an, als hielte er ihn für nicht ganz richtig im Kopf, „nein, ich bin ihr Verlobter!“ was hatte der Typ heute Morgen im Tee gehabt? Glaubte dieser Aushilfskurpfuscher allen ernstes, dass er Aprils Vater war? Wie blind musste man denn sein? „Ihr…“, nun zeigte sich doch eine kleine Veränderung auf Fukuokas Gesicht und er lächelte entschuldigend, „ja, ja, ihr Verlobter, natürlich“, er warf der Schwester hinter dem Tresen einen äußerst merkwürdigen Blick zu und wandte sich dann wieder an den völlig konfus dreinblickenden Fireball, „ähm, Ihrer Verlobten geht es gut. Sie hat eine leichte Gehirnerschütterung und eine Prellung im unteren Wirbelsäulenbereich, aber ansonsten ist sie mit dem Schrecken davon gekommen.“ Erleichtert stieß der Star Sheriff die angehaltene Luft aus und ließ den Kopf sinken: „Gott sei Dank…“ „Wir haben die Platzwunde an ihrem Kopf genäht und ihr ein Schmerzmittel gegeben“, erläuterte der Professor jetzt wieder mit der anfänglichen Teilnahmslosigkeit, „sie wird anfänglich noch ein bisschen schwach auf den Beinen sein, aber es spricht im Prinzip nichts dagegen, wenn Sie sie wieder mit nach Hause nehmen, wenn sie sich etwas erholt hat.“ „Dann ist sie wach? Kann ich zu ihr?“ Als er die Hoffnung und die Freude sah, die in den Augen des jungen Mannes aufblitzten, konnte sich Fukuoka ein kleines Lächeln nicht verkneifen: „Aber natürlich. Schwester Cunningham“, hierbei deutete er auf die freundliche Krankenschwester an der Information, „wird Ihnen sagen, wie sie zu ihr kommen.“ „Danke“, Fireball ergriff überschwänglich die Hand des Arztes und schüttelte sie heftig, „tausend Dank, Professor!“ dann eilte er an ihm vorbei hinüber zu der lächelnden Frau, die ihm einen kleinen Zettel entgegen streckte: „Zimmer 212, junger Mann. Hier den Gang runter, den zweiten Gang links und dann die erste wieder rechts“, mit einem fröhlichen Zwinkern stopfte sie ihm den Zettel in die Rechte, „und die sollten sie bei Gelegenheit auch mal untersuchen lassen!“ „Wie?“ verwirrt starrte der Rennfahrer auf die geschwollenen Knöchel: „Ach, das ist nichts. Indianer kennt keinen Schmerz.“ Unsicher drehte er sich noch einmal um, um nachzusehen, ob Professor Fukuoka schon weitergeeilt war, oder noch immer hinter ihm stand: „Sie sollten dem Guten mal Voltax oder so was geben“, raunte er der Schwester dann verschwörerisch zu, „ich glaube, der hat es mit den Augen!“ Fireball atmete tief durch, bevor er die Tür zu Krankenzimmer 212 öffnete und mit klopfendem Herzen in den Raum schlüpfte. Den Weg hierher war er beinahe geflogen und wäre sogar einmal fast über seine eigenen Stiefel gestolpert, wenn nicht zufällig ein junger Arzt im Weg gestanden und ihm hilfreich unter die Arme gegriffen hätte. Aber jetzt, da er endlich am Ziel war, hatte ihn schlichtweg der Mut verlassen. Bei dem Zimmer handelte es sich nur um eine Art Durchgangsraum, in dem Patienten stationiert wurden, bevor man sie endgültig in eine andere Abteilung verlegte, oder die nach einer Operation noch nicht wieder aufgewacht waren. Deshalb gab es hier auch nur ein Bett, und aus dem lächelte ihm jetzt eine erschöpfte Blondine matt entgegen: „Hey…“ flüsterte sie heiser und wollte ihm eine Hand entgegenstrecken, entschied sich aber auf halbem Wege, den Arm wieder sinken zu lassen, „was machst Du denn hier?“ „Na, was wohl“, lächelnd trat der Rennfahrer näher und nahm etwas unbeholfen auf der Matratze Platz, „ich wurde darüber informiert, dass Sie hier illegaler Weise Outridern Zuflucht gewähren, Madam!“ geschäftig blickte er sich in dem kargen Zimmer um und stellte dann im Brustton der Überzeugung fest: „Aber hier scheint ja alles in bester Ordnung zu sein!“ Das entlockte April tatsächlich ein kleines Lachen, das wie eine explodierende Granate in ihrem Kopf einschlug. Schmerzverzerrt schloss sie die Augen und ächzte leise: „Würde es Dir was ausmachen, für die nächsten Stunden keine Witze mehr zu reißen…“ schützend legte sie einen Arm auf ihre Stirn und versuchte durch leichten Druck den inneren Schmerz einzudämmen. „Wie geht es Dir denn“, fragte Fireball zärtlich und schuldbewusst zugleich und legte ihr vertraut die Hand an die Wange, „Du glühst ganz schön.“ „Kommt bestimmt durch die Medikamente“, erwiderte sie kraftlos, „ich glaub, die haben mich ganz schön unter Drogen gesetzt.“ Scheu nahm sie den Arm herunter und legte ihre Hand auf die ihres Verlobten, überglücklich, dass er sie nicht gleich wieder zurückzog: „Was ist passiert? Ich kann mich an nichts…“ Fireball schlug das Herz bis zum Hals, als sich ihre Hand über seine legte: „Du bist ausgerutscht und mit dem Kopf gegen den Couchtisch geknallt.“ Vorsichtig verschränkte er seine Finger mit den ihren und zog sie dann sacht zu sich heran, um einen Kuss darauf zu hauchen. Er war so unendlich froh, dass April nichts Schlimmes passiert war! „Ich bin ohnmächtig gewesen, oder? Zumindest hat der Arzt das gesagt…“ „Ja“, betreten ließ der Rennfahrer den Arm sinken und starrte auf seine Knie, „ich bin fast gestorben vor Angst, als ich Dich bewusstlos auf dem Boden liegen sah. Ich dachte Du…“ er räusperte sich kurz, um die Kontrolle über seine Stimme nicht zu verlieren: „Man, wahrscheinlich halten mich jetzt alle für einen kranken Schläger und glauben, ich hätte versucht Dich umzubringen oder so was.“ Dämlich grinsend fuhr er sich über die Nase. Aber dieser Witz ging daneben. Die junge Frau verzog in tiefer Demut das Gesicht und schlug traurig die Augen nieder: „Es tut mir so leid, Fire…“ zwei Tränen kullerten ihre rot glühenden Wangen hinunter und Fireball befürchtete, sie würde jeden Augenblick erneut einen Weinkrampf bekommen. Eilig beugte er sich über sie und gab ihr einen versöhnlichen Kuss auf die Lippen: „Hey, Du bist ja schließlich nicht mit Absicht auf dem Eiswürfel ausgerutscht, oder!“ dann küsste er ihre Nasenspitze und ihre Stirn und schmunzelte fröhlich zu ihr hinunter. Es waren einfach genug Tränen geflossen, Zeit, dass sie wieder anfingen, zu leben! Zitternd schluchzte April auf: „Aber das meine ich doch gar nicht…“ „Sch…“, brachte Fire sie mit einem weiteren Kuss zum Schweigen, „ich weiß was Du meinst, und es ist okay, Süße! Lass uns diese letzten drei Wochen ein für alle mal abhaken und nie wieder davon sprechen, ja!“ Erstaunt blickte die Blondine ihren Verlobten an und konnte kaum glauben, was sie da aus seinem Mund hörte: „Aber warum…“ vorhin in ihrer Wohnung war er kurz davor gewesen, alles aus lauter Wut in seine Einzelteile zu zerlegen, und jetzt wollte er plötzlich einfach alles abhaken? „Hör zu, Süße“, es war wohl an der Zeit, die Sachen, über die Fireball so lange nachgegrübelt hatte, auch wirklich offen anzusprechen, „ähm… ich hab drüber nachgedacht… Du weißt schon, diese ganze Sache mit Dir und… Na, ja, wie gesagt, Du weißt schon… ich denke… ich war vielleicht ein bisschen zu… tja, selbstsüchtig trifft es vielleicht irgendwie ganz gut…“ „Red keinen Unsinn“, fiel April seinem stockenden Monolog ins Wort, „Du hast so unendlich viel durchgemacht, da steht Dir ein wenig Egoismus schon zu.“ Fireball lächelte dankbar und griff wieder nach einer von ihren Händen: „Mag schon sein, aber ich habe mir die ganze Zeit eingebildet, dass ich der Einzige gewesen bin, der gelitten hat. Und das stimmt einfach nicht“, sein Daumen fuhr zärtlich über ihre warme Haut und jagte ihr kleine Schauer über den Rücken, „Du hast mindestens genauso viel durchgemacht, wenn nicht sogar noch mehr, und ich hatte einfach nicht das Recht, so mit Dir zu reden.“ „Ist schon gut“, lächelte sie bewegt zurück, „ich kann es ja verstehen. Ich meine, ich weiß ja selber nicht, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Die ganze Sache hat sich irgendwie selbständig gemacht und ich war plötzlich mittendrin.“ Sie sah, wie sich der Blick des Rennfahrers verhärtete: „Ich will nicht behaupten, dass es mir nichts ausmacht… ehrlich gesagt, zerreißt es mich innerlich, wenn ich mir vorstelle, dass…“, so offen, wie er vorhin noch über die Affäre zwischen der Blondine und Saber hatte schimpfen können, so schwer ging ihm die Umschreibung jetzt in der momentanen Situation über die Lippen, „aber ich kann unter den gegebenen Umständen nachvollziehen, warum Du…“ er musste sich schon wieder räuspern. Es war ja so einfach, sich die schönen Worte im Kopf zu Recht zu legen, aber wenn man sie dann tatsächlich aussprechen sollte, stieß man plötzlich an ungeahnte Barrieren, die vorher nicht da gewesen waren. „Ich habe Dir nie wehtun wollen, Fire, wirklich!“ Der Rennfahrer nickte geistesabwesend: „Als Du vorhin gestürzt bist und ich nicht wusste, wie schlimm es tatsächlich um Dich stand, da ist mir mit einem Mal alles so lächerlich erschienen… meine Eifersucht, unser Streit… dieses ganze Theater der letzten Tage. Für mich hat nur noch eine Sache gezählt… nämlich dass Du lebst. Egal, was gewesen ist, Hauptsache Du wirst wieder gesund.“ April wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich nach wie vor schuldig wegen ihres indirekten Verrates an Fireball und konnte es kaum ertragen, dass nun er derjenige war, der sich selbstgeißelnd Vorwürfe machte: „Das werde ich doch, Fire“, wisperte sie gerührt und mit belegter Stimme, „ich habe nur eine Gehirnerschütterung und eine kleine kahle Stelle am Hinterkopf… aber Haare wachsen ja zum Glück wieder.“ Auch dem Rennfahrer ging diese Unterhaltung allmählich an die Nieren. Er musste immer wieder verlegen blinzeln oder schniefen und gab sich die größte Mühe, nicht die Fassung zu verlieren: „Was ich mit diesem ganzen Gefasel eigentlich nur sagen will, April…“, er holte tief Luft und blickte der jungen Frau tief in die Augen, „was auch immer passieren mag… ich will Dich nicht verlieren!“ „Aber Fire, Du…“ „Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt, Süße! Meinen Job als Star Sheriff, die Autorennen, das sind alles Sachen, auf die ich verzichten könnte, aber wenn ich Dich nicht mehr hätte… dann wäre mein Leben vorbei. Ich möchte keine Sekunde mehr ohne Dich sein…“ Nun kullerten Aprils Tränen doch wieder, aber dieses Mal vor Freude. Sie schaute in Fireballs braune Augen, sah dieses ehrliche und vor Liebe glühende Lächeln und wusste in der Sekunde, dass sie es schaffen würden. Sie hatten eine harte Zeit hinter sich gebracht und noch einen sehr steinigen Weg vor sich, aber gemeinsam würden sie es schaffen. „Ich…“, der Star Sheriff geriet mächtig ins Stottern, weil ihr inniger Blick ihn völlig aus der Bahn warf, „ich möchte… jeder soll wissen, dass wir zusammen gehören… Du und ich… willst… willst… Du mich heiraten, April? Ich meine immer noch? Nach allem, was ich angerichtet habe…“ Überwältigt von diesem Gefühlsausbruch zog April ihren Verlobten ganz nah zu sich heran und schloss die Arme fest um seinen Oberkörper: „Natürlich will ich das, Du Dickkopf, ich habe nie etwas anderes gewollt“, vorsichtig vergrub sie ihr Gesicht in seinem braunen Wuschelschopf, „ich liebe Dich doch!“ „Dann tu mir so etwas bitte nie wieder an, okay, ein weiteres Mal würde ich das glaube ich nicht ertragen!“ Fire hob den Kopf und senkte seine Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss auf die ihren. Schüchtern, so als müsste sie sich erst wieder daran erinnern, wie es war, von ihrem Verlobten geküsst zu werden, ließ sie seine Zunge gewähren und fühlte seine Hand, die sich zurückhaltend auf eine ihrer Brüste legte. Sie keuchte leicht auf, als sich seine Finger fester um ihre weiche Rundung schlossen und obwohl sie noch benommen von den Medikamenten und den Schmerzen war, fühlte sie ein warmes, überwältigendes Gefühl tief aus ihrem Inneren in sich aufsteigen und reckte Fireball ihren Körper auffordernd entgegen. Dieser verstand sofort. Ihren Hals mit zärtlichen Küssen bedeckend wanderte sein Mund langsam nach unten in Richtung ihres Dekolletes, während seine Hand vorwitzig den Träger des Overalls von ihrer Schulter schob. „Fire, warte!“ gerade als seine Lippen sanft auf ihre nun freigelegte Brust zusteuerten und April schon fürchtete, vor Erregung den Verstand zu verlieren, fiel ihr ein, dass es da noch etwas gab, was sie dem Rennfahrer endlich erzählen musste. Enttäuscht richtete sich der Star Sheriff auf und zog den roten Träger zurück auf ihre Schulter: „Tut mir leid, aber nach der langen Zeit… ist wohl nicht gerade der passende Augenblick.“ Geniert schlug er die Beine übereinander, damit die Blondine nicht sah, wie bereit sein Körper schon für den nächsten Schritt war. Himmel, er hatte seit einem Monat nicht mehr mit April geschlafen, war es da ein Wunder, dass er bei der kleinsten Berührung wie elektrisiert reagierte? „Nein, das ist es nicht…“, nervös leckte sich die junge Frau die Lippen und legte instinktiv eine Hand auf ihren flachen Bauch, „es… es gibt da noch etwas…“ Fireball wurde blass um die Nase: „W…was ist… Du guckst so ernst…“ gab es da etwa noch ein böses und dunkles Geheimnis, das die anderen bislang gut vor ihm verborgen hatten? Noch eine weitere Enthüllung vom Ausmaß des heutigen Tages und er würde sich wahrscheinlich freiwillig auf einen Außenposten versetzen lassen. „Ich… weiß nicht wie ich es sagen soll…“ „Herrje, raus mit der Sprache, April!“ flehte Fireball inständig. Sein Bedarf an Geheimniskrämerei war für die nächsten Jahrzehnte gedeckt und er wollte eigentlich nichts weiter mehr tun, als die Blondine zu schnappen, ein Taxi nach Hause zu rufen und dort endlich richtig ihr Wiedersehen zu feiern. Wenn er allerdings ihr verwirrendes Verhalten richtig deutete, würde es keine Feier geben, sondern nur einen weiteren Schlag unter die Gürtellinie. Womit um alles in der Welt hatte er das verdient? „Erinnerst Du Dich noch, dass ich Dir etwas versprochen habe, bevor ihr losgeflogen seid?“ versuchte April es jetzt nervös. Sie musste es geschickt anstellen, sonst würde Fireball wohlmöglich die gleichen falschen Rückschlüsse aus ihrem Geständnis ziehen, wie schon Colt vor ihm. Und ein weiteres Missverständnis dieser Art konnten sie derzeit wirklich nicht gebrauchen, denn dann wären Sabers Tage wahrscheinlich gezählt. Die Züge ihres Verlobten entspannten sich ein wenig und er verdrehte angestrengt die Augen: „Hm, versprochen?“ er konnte sich nur all zu gut an das ganze Theater erinnern, dass es vor dem Start in die Phantomzone hier auf Yuma gegeben hatte und war nicht sonderlich daran interessiert, diesen kalten Kaffee noch einmal neu aufzubrühen. Aber hatte April ihm tatsächlich ein Versprechen gegeben? „Ja, ich habe gesagt, dass ich Dir nach Eurer Rückkehr erzähle, warum ich diesen Auftrag abgelehnt habe.“ Wieder regte sich ein ungutes Gefühl im Magen des Rennfahrers und er hob abwehrend die gesunde Hand: „Lass es doch gut sein, Süße. Als ich gesagt habe, wir machen einen Haken dran, meinte ich auch diese blöde Geschichte“, obwohl sie in gewisser Weise schon seine Neugier geweckt hatte, aber die böse Vorahnung, dass er dieses Geständnis lieber nicht hören sollte, besiegte den Wissensdurst fast umgehend, „Du brauchst mir nichts erklären!“ April glaubte zu ahnen, was sich in Fireballs Kopf abspielte und lächelte zögernd. Dass er die Nase voll hatte von Hiobsbotschaften jeglicher Art, konnte man ihm kaum verdenken, aber ob er es nun als Katastrophe oder als Glücksfall auffassen würde, diese eine Sache musste er noch erfahren. Schweigend griff sie nach seiner Hand und legte sie sanft auf ihre Bauchdecke: „Ich schätze, da können wir nicht so einfach einen Haken dran machen, zumal es wohl in ein paar Wochen eh nicht mehr zu verheimlichen sein wird…“ „Zu verheimlichen?“ verwirrt runzelte der Rennfahrer die Stirn: „Wie meinst Du das?“ „Also auch wenn Du der Champion von Yuma bist“, neckte die Blondine ihn vorwitzig, „kann man nicht gerade behaupten, dass Du in allen Lebenslagen der Schnellste bist!“ zärtlich legte sie ihre Hand auf seine und drückte sie fest an ihren Körper. „In ein paar Wochen? Ich glaub, ich steh echt auf’m Schlauch…“ gab Fireball betreten zu und beobachtete gebannt, wie sich seine Hand mit jedem Atemzug seiner Verlobten hob und senkte. Durch den Stoff ihres Overalls konnte er ihre Wärme und sogar ganz leicht den Schlag ihres Herzens spüren. Was um alles in der Welt würde in ein paar Wochen nicht mehr zu verheimlichen sein, was jetzt offensichtlich noch im Verborgenen lag? Ihre Lungen füllten sich mit Luft und die Bauchdecke bewegte sich wieder leicht nach oben. „Ich könnte auch sagen in acht Monaten, aber so lange wird es sicher kein Geheimnis mehr bleiben.“ Versuchte April ihm frotzelnd auf die Sprünge zu helfen. Musste sie denn erst mit dem ganzen Zaun fuchteln, damit er ihre Anspielungen verstand? „In acht…“, Fireballs Augen weiteten sich vor Überraschung und seine Kinnlade klappte nach unten, „heißt das etwa, Du…“ mit neu erwachtem Bewusstsein spreizte er seine Finger und befühlte den Bauch der jungen Frau, als wären seine Fingerkuppen verkappte Metalldetektoren, die unter ihrer Haut nach verborgenen Schätzen suchten. Jetzt ergaben die Worte des Arztes und dessen merkwürdiges Verhalten plötzlich einen Sinn: „Sind Sie der Vater?“ Aprils sowieso schon glühende Wangen nahmen eine noch tiefere Nuance von rot an, als sie scheu zu ihm aufblickte und lächelnd nickte: „Ich schätze, das heißt es wohl!“ „Oh mein Gott“, hauchte der Rennfahrer überwältigt, „Du… ich meine… wir… wir bekommen… ein Baby?“ sein Magen schlug Purzelbäume, so als säße er in einer Achterbahn, die kopfüber mit ihm in die Tiefe donnerte. Konnte das wirklich wahr sein, wurde er tatsächlich Vater? „Hmm“, bestätigte die Blondine unsicher, „bist Du…jetzt böse auf mich?“ sie traute sich nicht, ihm weiter ins Gesicht zu sehen, so sehr fürchtete sie sich vor seiner möglichen Reaktion. Was, wenn er gar kein Kind wollte? Wenn er wütend wurde, weil sie nicht besser aufgepasst hatten oder gar verlangte… „Böse“, liebevoll legte sich Fireballs Hand unter ihr Kinn, „wieso denn böse?“ vorsichtig hob er ihren Kopf und drängte sie so, ihn wieder anzublicken. Und was die junge Frau dort sah, wischte alle Ängste und Zweifel mit einem Mal fort. Die Augen des Rennfahrers strahlten, auch wenn sie sich langsam mit Tränen füllten und auf seinen Lippen lag ein seliges Lächeln: „Warum hast Du es mir nicht schon viel früher gesagt?“ „Ich wollte ja“, wisperte sie entschuldigend und so leise, dass Fireball sie kaum verstehen konnte, „aber dann wärst Du bestimmt nicht mit auf die Mission gegangen. Und die hat Dir doch soviel bedeutet.“ War er jetzt etwa sauer, weil sie sich dagegen entschieden hatte, ihm vor dem Abflug reinen Wein einzuschenken? „Aber ich bin schon seit einer Woche wieder hier, April“, antwortete der Star Sheriff vorwurfsvoll und legte seine Hand wieder zärtlich auf seinen ungeborenen Nachwuchs, „Du hättest es mir längst sagen können. Wovor hattest Du solche Angst?“ „Ich weiß es auch nicht“, gestand sie niedergeschlagen, „ich war anfänglich selbst nicht sonderlich begeistert von der Vorstellung, aber mittlerweile…“, sie schloss die Augen und atmete tief durch, „es ist unser Baby, Fire. Ist das nicht einfach unglaublich?“ erstaunt stellte April fest, dass sich an ihrer Einstellung tatsächlich etwas geändert hatte. Anfänglich, als Dr. Petry ihr das erste Mal von der Schwangerschaft berichtet hatte, war sie todunglücklich gewesen und hätte alles dafür getan, um die Zeit zurück zu drehen. Doch seit Fireball aus der Phantomzone zurückgekehrt war, hatte sie sich immer häufiger mit dem Gedanken auseinander gesetzt, wie es sein würde, zusammen mit dem Rennfahrer ein Kind aufzuziehen. Und auch wenn sie es zuerst nicht hatte wahrhaben wollen, so liebte sie dieses Baby bereits jetzt heiß und innig und konnte es nicht mehr erwarten, es endlich in den Armen zu halten. Es war das Ergebnis ihrer Liebe und sowohl ein Teil von Fireball als auch von ihr selbst. „Du bist unglaublich, Kleines“, flüsterte Fireball innig und legte seine Stirn an ihre, so dass sich ihre Nasenspitzen berührten, „ich könnte im Moment platzen vor Glück, weißt Du das!“ „Dann… freust Du Dich? Wirklich?“ „Mich freuen“, seine Lippen pressten sich kurz auf die ihren, „was könnte ich mir wohl Besseres wünschen? Ich habe die schönste Frau des Universums und bald auch noch das perfekteste Baby, das man sich nur vorstellen kann…“ Behutsam, um ihr nicht weh zu tun, zog er die Blondine fest an sich: „Und jetzt bringe ich Euch beide nach Hause!“ Von all den Wirrungen und Ereignissen des Vortages hatte Colt nichts mitbekommen. Er stand am nächsten Morgen gut gelaunt in der Küche seines Vorstadthauses, ein lockeres Lied auf den Lippen und briet ein halbes Dutzend Spiegeleier in einer ziemlich großen und schweren gusseisernen Pfanne. Der Appetit anregende Duft von Zwiebeln und gebratenem Speck hing in der Luft und vermischte sich mit dem verlockenden Aroma des frisch aufgebrühten Kaffees, der in der Maschine leise vor sich hingurgelte, und im leise vor sich hinsummenden Backofen wurden die Tiefkühlbrötchen langsam schön goldbraun, während vor der Zitruspresse schon ungeduldig die vier Orangen warteten, die der Cowboy gleich noch zu entsaften gedachte. Es war das erste Mal seit Robins Auszug, dass er sich wieder die Zeit nahm, ein vernünftiges Frühstück herzurichten. In den vergangenen zwei Wochen hatte er sich des morgens meistens mit einem Instantkaffee und den kalten Resten des vorangegangenen Abendessens begnügt, in der Regel ein übrig gebliebenes Stück Pizza, ein paar zähe Chickenwings oder eine andere ungesunde Fast-Food-Speise, die man sich bequem nach Hause liefern lassen konnte. Er hatte wenig Sinn darin gesehen, nur für sich alleine den Frühstückstisch zu decken. Sein Magen war seine mehr als fragwürdigen Ernährungsvorlieben gewohnt und erwartete direkt nach dem Aufstehen nicht unbedingt ein erstklassiges und ausgewogenes Buffet, und sicherlich hätten ihm die leeren Stühle von Robin und Josh nur noch klarer vor Augen geführt, wie einsam er sich im Moment in dem großen und gespenstisch stillen Haus fühlte. Er vermisste seine Frau sehr, da wollte er sich gar nichts vormachen. Die Tatsache, dass sie sich im Guten und aus Vernunft voneinander getrennt hatten, änderte nichts daran, dass der Cowboy nach wie vor tiefe Gefühle für sie hegte, auch wenn er ihr nicht die Leidenschaft entgegenbringen konnte, die er für den rothaarigen Navigator der Monarch Supreme empfand. Er liebte Robin trotz alledem noch immer und sehnte sich nach ihrer vertrauten Nähe. Das war wohl auch der Grund, warum er sich die meiste Zeit im Hauptquartier herumdrückte. Zwar stellte er im Moment das einzig noch verbliebene aktive Mitglied der Star Sheriffs dar, aber weil die Wartungsarbeiten an Ramrod immer noch andauerten, war es recht unerheblich, ob die Elitetruppe des KavCom einsatzbereit war oder nicht. Colt vertrieb sich die freien Stunden damit, den Hummingbird-Staffeln hier und dort eine kleine Extravorstellung in Sachen Kunstfliegen zu kredenzen oder den Nachwuchskadetten ein paar Lektionen im Schießen zu erteilen. Und wenn er sich nicht gerade als Guru und Aushilfslehrer auf dem Flugfeld oder dem Schießstand herumdrückte, stattete er Fireball im Krankenhaus einen Besuch ab, um den Rennfahrer ein wenig auf andere Gedanken zu bringen. Heute allerdings erwartete ihn ein Programm der ganz anderen Sorte. Es war Wochenende und zum ersten Mal seit der Trennung von seiner Frau hatte er ihren kleinen Bruder Josh wieder bei sich zu Hause. Er hatte den Knirps eine Stunde nach Schulschluss im Internat abgeholt, natürlich mit dem Bronco Buster, damit der Kleine am Montag auch ordentlich vor seinen Klassenkameraden angeben konnte, war mit ihm im Mexican essen gewesen und danach hatten sie sich im Kino den neuesten Zeichentrickfilm aus dem Hause GAINAX angesehen. Für einen Jungen von gerade mal sechseinhalb Jahren war dieses Programm freilich der reinste Marathon gewesen, und so kam es, dass Josh im Moment noch in seinem Zimmer oben im ersten Stock weilte und den seligen Schlaf der Gerechten schlief. Colt schmunzelte zufrieden, als er die Orangen in die Presse warf und den frisch gepressten Saft weiter unten in zwei Gläsern auffing. Er freute sich diebisch wie eine Elster darüber, dass er die kommenden zwei Tage mit seinem kleinen Kumpel verbringen konnte und hatte bereits ein bis ins äußerste Detail geplantes Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, um den Jungen bei Laune zu halten. Robin hatte ihm immerhin das Versprechen abgenommen, dass er sich ernsthaft um Josh kümmern würde, und dieses Wochenende war sozusagen seine Feuertaufe. Jetzt konnte er beweisen, dass auch ein Bill Wilcox in der Lage war Verantwortung zu übernehmen und eine gute Vaterfigur abgeben konnte, wenn er nur wollte. Wozu natürlich zu allererst mal ein ausgewogenes und liebevoll angerichtetes Frühstück gehörte! Colt warf einen kurzen Blick auf seinen Chronometer: es war bereits nach halb zehn. Wenn seine Frau hier gewesen wäre, hätte sie den Jungen niemals so lange schlafen lassen, aber der Cowboy war der Meinung, dass es nicht schaden konnte, wenn Josh ein wenig Schlaf im Voraus bekam. Schließlich hatten sie heute einiges vor. Da war zum einen der Besuch des Yuma Abenteuerzoos, den er Josh schon seit langem versprochen hatte und abends wollte er mit ihm auf die Kartbahn gehen. Der Kleine war beinahe genauso verrückt nach Rennautos, wie Fireball, und es konnte ja nicht schaden, diese äußerst männliche Neigung ein wenig zu fördern. Allerdings hatte Josh mittlerweile tatsächlich eine Schwelle überschritten, die selbst für einen Langschläfer wie den Star Sheriff an eine Frechheit grenzte. Schmunzelnd schnappte er sich einen sauberen Kochtopf und einen Kochlöffel aus der Spüle und trat damit hinaus auf den Flur: „Josh, Du alte Schlafmütze, schwing Deine kleinen Käsefüße aus dem Bett“, rief er im tiefsten Bariton und schlug unter lautem Getöse den Holzstiel gegen den Boden des Topfes, „sonst komm ich rauf und mach Dir Beine!“ Überraschender Weise hörte er schon Sekunden später einen dumpfen Aufprall, gefolgt von eilig trippelnden Kinderfüßen, und im nächsten Moment steckte Josh seinen strubbeligen Kopf zwischen zwei Stäben des Treppengeländers hindurch: „Bin schon ganz lange wach!“ grinste er den Cowboy frech von oben herab an und schwups, war er auch schon wieder verschwunden. „Was hast Du denn bitte schön die ganze Zeit gemacht?“ Colt horchte mit gerunzelter Stirn, wie der Junge ins Badezimmer flitzte und die Tür hinter sich zuknallte: „Und wie oft muss ich Dir noch sagen, dass Du nicht so rumbollern sollst!“ das war ja ein prächtiger Anfang für seine Feuertaufe. Der Kleine fing bereits an, ihm auf der Nase herumzutanzen. Wieder polterten Joshs Schritte über seinem Kopf, die Badezimmertür öffnete sich einen Spalt und die fröhliche Stimme des Jungen hallte kichernd den Treppenaufgang hinunter: „Hast mir das doch noch nie gesagt!“ Damit hatte der Knirps natürlich vollkommen Recht. Zähneknirschend zog der Cowboy die Nase kraus: „Schwing Deinen kleinen Hintern hier runter, wenn Du nicht willst, dass ich ihn Dir versohle, Amigo!“ Es war nie seine Aufgabe gewesen, Josh zu maßregeln oder ihm die Leviten zu lesen. Im Gegenteil. Eigentlich war es immer wieder Colt gewesen, der den Jungen zu neuen Dummheiten angestiftet oder ihm Flausen in den Kopf gesetzt hatte. Und nun bekam er die Quittung dafür, dass er ständig versucht hatte, wenn vielleicht auch unbeabsichtigt, die Autorität von Robin zu untergraben. „Komme schon!“ wie ein kleiner Wirbelwind schoss Josh über den oberen Flur, schwang sich leichtfüßig auf das Treppengeländer und sauste mit einem Affenzahn auf den völlig verdutzten Cowboy zu, der vor lauter Schreck Kochtopf und Löffel fallen ließ: „Himmel, Joshi…“ gerade noch rechtzeitig schaffte er es, die Arme auszubreiten und den Jungen mit einem keuchenden „Uff“ aufzufangen. Zwar war der kleine Leicht wie eine Feder, aber bei der Geschwindigkeit, die er auf dem blank polierten Geländer erreicht hatte, war es für Colt nicht gerade angenehm gewesen, den Prellbock für seine Achterbahnfahrt zu spielen. Grimmig setzte er seinen Mitbewohner auf die eigenen Füße und wollte gerade zu einer Gardinenpredigt ansetzen, als Josh sich überraschend an ihn schmiegte und fest die Arme um den Rücken des Star Sheriffs schloss: „Es ist echt toll mit Dir, Colt“, sein unschuldiges Gesicht hob sich mit großen strahlenden Augen nach oben und schenkte dem Cowboy ein gewinnbringendes Lächeln, „ich will immer bei Dir bleiben!“ Diese offene Bekundung von Zuneigung verschlug dem raubeinigen Macho schlicht den Atem. Mit einem kribbelnden Gefühl in der Magengegend, das man durchaus mit den viel zitierten Schmetterlingen vergleichen konnte, ging er vor dem Jungen in die Knie, wie er es immer Tat, wenn er von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden wollte: „Ich finds auch dufte, dass Du hier bist, Kumpel!“ zärtlich zerwühlte er sein Haar und piekste ihm dann grinsend in den Bauch: „Wie sieht’s aus Sportsfreund? Hast Du Hunger?“ „Aber klar, wie ’n Wolf!“ nickte Josh stürmisch und rannte mit wehendem Schlafanzugoberteil in die Küche. Colt folgte ihm gemächlich, ein verschämtes Schmunzeln auf den Lippen. Wie konnte man bei soviel ehrlicher Liebe noch böse mit dem Jungen sein? Zufrieden sah er zu, wie der Knirps auf seinen Stuhl krabbelte, mit beiden Händen sein Glas ergriff und einen großen Schluck frisch gepressten Orangensaft nahm: „Hm, der schmeckt viel besser als im Internat!“ schmatzend stellte er das Glas zurück, zog sich den Teller mit den Spiegeleiern heran und schaufelte sich zwei davon auf seinen eigenen. Eine Hand an dem Korb mit den aufgebackenen Brötchen sondierten seine Augen flink den gesamten Tisch und blickten dann vorwurfsvoll zu seinem Idol herüber: „Haben wir keine DocChoc, Colt?“ enttäuscht wanderten seine Mundwinkel nach unten, so dass der Cowboy beinahe lauthals angefangen hätte zu lachen: „Du weißt doch, dass Deine Schwester nicht möchte, dass Du das Zeug ständig in Dich reinschaufelst!“ mit verschränkten Armen lehnte er sich gegen den Türrahmen und beobachtete seinen kleinen Freund mit wachsendem Amüsement. Wie sehr ihn der Zwerg doch an sich selbst erinnerte. Als Kind war er verrückt nach dieser Schokoladencreme gewesen, und selbst heute noch musste er immer ein Glas davon im Haus haben, für den Fall, dass ihn der Heißhunger übermannte. Robin hatte darüber stets den Kopf geschüttelt und Josh die süße Nascherei verboten, aber Colt war der Meinung, dass es nicht schaden konnte, wenn er den Bruder seine Nochehefrau etwas verwöhnte. Ihm hatte der verführerische Brotaufstrich schließlich auch nie geschadet. „Mach ich doch gar nicht“, schmollte Josh betrübt, während er in einem seiner Spiegeleier herumstocherte, „im Internat krieg ich das ja nicht… nur so ’n olles Zeug, das vielleicht wünscht, es wäre DocChoc!“ „Na, dann will ich mal nicht so sein!“ der Cowboy stieß sich vom Türrahmen ab, ging hinüber zu den Hängeschränken und holte ein brandneues Glas der begehrten Schokocreme aus dem obersten Regal. Es war ja nicht so, dass er dieses nicht rein zufällig noch am Vortag besorgt hatte, um Josh einen Gefallen zu tun. Ihm sollte schließlich niemand nachsagen, er würde seine neuen Pflichten vernachlässigen. Und Frühstück für einen kleinen Jungen ohne DocChoc, das ging einfach nicht! Überglücklich nahm Josh das Glas entgegen und entfernte beinahe ehrfürchtig die silbrige Schutzfolie: „Toll“, er schnappte sich den kleinen Teelöffel neben seinem Teller, steckte ihn gierig in die dunkelbraune Kakaocreme und ließ ihn dann genüsslich in seinem Mund verschwinden, „ein rischtigesch Männerfrühschtück!“ „Moment mal Freundchen“, rief Colt empört und nahm dem Jungen, der ihn mit braun verschmierten Zähnen angrinste, brüsk das Glas aus der Hand, „so haben wir nicht gewettet!“ Schuldbewusst senkte Josh die Augen: „Ach menno…“ er hatte es ja geahnt! Früher hätte sein großer Kumpel nichts dagegen gehabt, wenn er DocChoc löffelweise in sich hineingeschaufelt hätte. Aber Robin hatte ihm bestimmt eingebläut, was für ihren kleinen Bruder gut war und was nicht. Nur dass der Scharfschütze so ergeben ihren feldherrischen Anweisungen Folge leisten musste… „Bei einem richtigen Männerfrühstück“, jetzt griff Colt seinerseits nach dem kleinen Löffel an seinem Platz und grub ihn tief in die glänzende Schokomasse, um dann einen kleinen Berg davon genüsslich zu verschlingen, „musch man dasch Beschte teilen!“ Joshs Gesicht hellte sich umgehend auf: „Du bist so cool, Colt“, geschäftig begann er, sein erstes Spiegelei zu sezieren, „viel cooler als Robin!“ Diese gut gemeinte Kompliment brachte den Cowboy dazu, peinlich berührt mit der Zunge zu schnalzen: „Hey, hey, hombre, solche Sprüche will ich nicht hören, klar“, er schraubte den Deckel auf das Glas DocChoc und zog den Teller mit den verbliebenen Spiegeleiern zu sich heran, „Deine Schwester ist die coolste Frau, die ich kenne!“ gut, das war vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber er musste um jeden Preis verhindern, dass Josh wegen seines vorpubertären Verhaltens schlecht über Robin dachte oder gar redete. Es war Colt sehr wichtig, dass der Junge eine gute Meinung von ihr behielt und sie respektierte, auch wenn sie keinen direkten Einfluss mehr auf ihn nehmen konnte. „Ja schon“, gab der Knirps schulterzuckend zu, „aber sie is nur ’n Mädchen! Das hier is jetzt ’ne Männerranch!“ er fuchtelte wild mit seiner Gabel in der Luft herum und schlug mit der rechten Faust so kräftig auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. Sein Verhalten war so herzerfrischend und ergötzlich, dass Colt sich wirklich zusammennehmen musste, um nicht laut loszulachen: „Aber vermisst Du sie denn überhaupt nicht?“ „Doch“, nickte Josh mit ernster Miene, „ich bin traurig, dass sie nicht mehr bei uns wohnt und dass ich jetzt deswegen im Internat schlafen muss. Aber Robin arbeitet jetzt wieder als Lehrerin, das ist wichtig für die Kinder in Tranquility. Sie hat mir das erklärt und ich verstehe das.“ Es war beeindruckend, wie erwachsen sich der Junge für sein Alter schon zu benehmen wusste. Auch wenn er die wahren Beweggründe für Robins Rückkehr nach Tranquility vielleicht noch nicht begreifen konnte, so wusste er doch, dass seine Schwester ihn niemals grundlos allein auf Yuma zurück gelassen hätte und gab sich alle Mühe mit dieser neuen Situation fertig zu werden. Der Star Sheriff konnte nicht sagen, wie stolz er in diesem Moment auf den Knirps war. Am liebsten hätte er Josh fest an sich gezogen, ihm die Haare zerwühlt und ihm gesagt, was für ein prächtiger Bursche er doch war. Aber wahrscheinlich wäre er dann Gefahr gelaufen, aus lauter Rührung zu heulen, und das war natürlich eine Sache, die er vor Josh niemals tun wollte. „Aber so schlimm ist es doch im Internat gar nicht, oder?“ versuchte er deshalb das Gespräch vom heiklen Thema Robin wieder in ungefährlichere Bahnen zu lenken. Er nahm ein Brötchen aus dem Metallkorb, schnitt es ziemlich schief mit seinem Messer auf und verfrachtete eines der Spiegeleier zwischen die beiden Hälften. Fasziniert sah Josh ihm dabei zu. Offenbar fand er so sehr Gefallen an dieser außergewöhnlichen Form von Sandwich, dass er es dem Cowboy umgehend nachmachen wollte. Leider waren seine kleinen Hände im Umgang mit dem Messer noch nicht so perfekt, dass er es alleine schaffte, sein eigenes Brötchen in zwei Hälften zu teilen. Also schob Colt ihm großzügig seines zu: „So was tolles bekommst Du im Internat natürlich nicht“, schmunzelte er zufrieden, als er sah, mit welchem Heißhunger der Junge das Essen in sich hinein stopfte, „aber Du hast doch da eine Menge Kumpels, oder?“ „Hm…“, Josh wischte sich mit dem Ärmel seines hellblauen Schlafanzuges ein paar Krümel und etwas Eigelb vom Mund, „aber ich fänds viel cooler, wenn ich immer zu Hause schlafen könnte!“ „Ich weiß“, nickte der Cowboy entschuldigend, „ich fändt das auch viel cooler, glaub mir. Aber Du kannst immer hier übernachten, wenn ich nicht unterwegs bin.“ Dass man sich so sehr an die Gesellschaft eines kleinen Jungen gewöhnen konnte! Joshs Anwesenheit hatte es sogar geschafft, Colts düstere Gedanken in Bezug auf Christas und Rolands Hochzeitspläne zu verscheuchen. Sollten die beiden doch heiraten, wenn sie der Meinung waren, dass sie sich künftig gegenseitig das Leben zur Hölle machen wollten. Wer brauchte schon die Weiber, wenn man einen kleinen Hombre wie Josh hatte! Der Knirps räusperte sich verlegen und kratzte sich mit dem rechten Zeigefinger an der Nase: „Sag mal, Colt“, sein Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an, als er sich verlegen den Rest des Brötchens in den Mund schob, „bischu jesch eientlisch schowasch wie meim Vater?“ „Äh“, überrascht blickte der Cowboy von seinem Teller auf, „na, ja, ähm…“ was sollte er denn auf diese Frage antworten? Natürlich war er für den Jungen das, was einem Vater am nächsten kam, aber durfte er diesen Status einfach so aufrechterhalten, nachdem er sich von Robin getrennt hatte? Sie hatten ihn gebeten, sich in seiner freien Zeit um Josh zu kümmern, klar. Und sie hatte ganz deutlich gesagt, dass der Kleine in ein Alter kam, wo er eher einen Vater als seine große Schwester als seine Bezugsperson brauchte. Doch würde sie es wirklich tolerieren, wenn er sich nach allem, was vorgefallen war, selbstherrlich als Dad titulierte? „Weischu“, angestrengt schluckte Josh den letzten Bissen seines Brötchens hinunter und legte den Kopf schräg, „wir haben nächstes Wochenende so eine Veranstaltung in der Schule. Ein Vater-Sohn-Tag. Es gibt jede Menge Spiele und Picknick und lauter tolle Sachen.“ Seine Augen leuchteten allein beim Gedanken an den ganzen Spaß, der ihn erwartete. Zappelig spielte er mit der Tube Senf herum, die Colt sicherheitshalber für ihr Männerfrühstück auf dem Tisch platziert hatte. „Und da willst Du mit mir hingehen?“ fragte der Cowboy gerührt und stützte sein Kinn auf die Hände. Wie gesagt, wer brauchte schon die Weiber, wenn man Josh haben konnte! Scheu nickte der Kleine zurück und schlug die Augen nieder: „Für mich bist Du mein Dad…“ „Na, wenn das so ist, bleibt mir ja wohl gar keine andere Wahl, oder“, völlig überwältigt schob sich Colt samt Stuhl vom Tisch weg und breitete einladend die Arme aus, „na komm schon her, Du kleiner Knirps.“ Mit einem freudigen Schrei sprang Josh auf, spurtete um den Tisch herum und warf sich dem Cowboy so stürmisch um den Hals, dass diesem beinahe die Luft weg blieb. Zärtlich hob er den Jungen auf seinen Schoß, drückte ihn fest an sich und pustete ihm liebevoll durch die Haare: „Hab Dich doch mindestens genauso lieb, wie einen echten Sohn!“ es würde ein phantastisches Wochenende werden! „Captain, ich glaube, das hier sollten Sie sich mal ansehen!“ David sah von seinem eigenen PC auf und schaute in das leicht irritiert wirkende Gesicht von Seargent Bix, der mit Headset ausstaffiert vor einem der Radarschirme der Raumhafenkontrolle saß: „Was gibt es denn?“ missmutig erhob sich der junge Offizier von seinem Platz. Waren seine Jungs nicht mal fünf Minuten lang in der Lage, ihren Job zu machen, ohne dass er ihnen dabei das Händchen führen musste? Er hatte vom Major jede Menge Arbeit aufgebürdet bekommen und würde wahrscheinlich bis zum jüngsten Tag damit zubringen, wenn er weiterhin ständig unterbrochen wurde. Schnell gab er eine Kombination aus Ziffern und Buchstaben in die Tastatur ein, die den Bildschirm augenblicklich schwarz werden ließ. Dann klappte er den dicken Aktenordner zu, den er bereits seit zwei Stunden wälzte und schlenderte hinüber zu dem sommersprossigen Soldaten, der ihn aus seiner Konzentration gerissen hatte. „Ich habe hier ein unidentifiziertes Flugobjekt, Sir!“ antwortete Bix mit pflichtbewusster Präzision, wobei er mit seinen schlaksigen Fingern auf einen kleinen leuchtenden Punkt auf seinem schwarz-grünen Monitor wies. Dieser kam schnell näher und hatte bereits den äußeren Kreis der militärischen Sicherheitszone durchbrochen: „Verdammter Mist“, fluchte Dave stöhnend, „wieso kann es nicht mal jemand anderen treffen?“ es konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen, dass der Sicherheitsbereich immer genau dann missachtet wurde, wenn er gerade Dienst schob! Vor einer Woche war es Fireball gewesen, der den halben Stützpunkt mit seinem plötzlichen Auftauche in Alarmbereitschaft versetzt hatte, und nun erlaubte sich irgendein Scherzbold einen ähnlichen Geniestreich. Mürrisch fuhr sich der Captain über die Augen und konzentrierte sich dann wieder auf den leuchtenden Punkt, der der Basis mit ziemlich hohem Tempo näher kam: „Um was für ein Schiff handelt es sich?“ erst einmal musste er diese Frage klären, denn schließlich hing von der Identität des Flugobjektes sein nächster Schritt ab. Es würde ihm jedenfalls keine Lorbeeren einbringen, wenn er wegen eines verirrten Privatjets den dritten Weltkrieg anzettelte. Bix hämmerte eifrig auf seiner Tastatur herum: „Schwer zu sagen, Sir, es übermittelt keine Kennung. Entweder hat der Pilot das digitale Identifikationssystem absichtlich ausgeschaltet, oder…“ „Oder es handelt sich um eine militärische Maschine, die nicht zu uns gehört!“ vollendete Dave den Gedanken seines Untergebenen. Im neuen Grenzland war es seit Jahren Bestandteil des Luft- und Raumfahrtgesetztes, dass zivile Maschinen mit diesem so genannten DIS ausgestattet sein mussten. So konnte man in Situationen wie der momentanen verhindern, dass unschuldige Menschen vom Himmel geschossen wurden, nur weil sie versehentlich in einen falschen Flugkorridor geraten waren. Militärmaschinen im Kampfeinsatz verzichteten aber aus einleuchtenden Gründen auf dieses System. „Soll ich Staffel Bravo darauf ansetzen, Sir“, Bix ließ seinen Schirm keine Sekunde aus den Augen, „die sind seit einer halben Stunde oben zum Flugtraining. Befinden sich im Moment im Quadranten Delta.“ David zog die Stirn kraus und dachte angestrengt nach. Als er Fireball vor einer Woche der Obhut von Jenkins überlassen hatte, wäre es beinahe zu einer Schießerei gekommen, und auch dieser Seargant hier machte den Eindruck, als würde er am liebsten direkt den Feuerbefehl erteilen. Es passierte einfach zu wenig in der letzten Zeit. Der Captain schnaubte missmutig. Hatten die alle eine Ahnung! „Staffel Bravo, ja…“ murmelte er gedankenverloren, während er die Piloten dieser Hummingbird-Staffel im Geiste Revue passieren ließ. Es war die einstige Rotte von Sterncaptain Mandarin Yamato, die im letzten Jahr bei der Explosion auf dem Raumhafen ums Leben gekommen war. Seit ihrem Tod hatten es sich die verbliebenen elf Piloten der Einheit auf die Fahne geschrieben, ihr zu Ehren die beste Lufteinheit des Kavallerie Oberkommandos zu werden, und das hatten sie in den letzten Monaten mit eindrucksvoller Verbissenheit auch in die Tat umgesetzt. Seither war die Rotte eigentlich nur noch unter dem Titel „Blues Breakup“ bekannt. Ein Titel, den der neue Anführer, Captain Lapointe, als ewiges Andenken an das bestialische Attentat auf Mandarin ins Leben gerufen hatte und den jedes Mitglied dieser Einheit mit Stolz geschwellter Brust trug. Jeder Kadett des Oberkommandos wünschte sich nichts sehnlicher, als irgendwann einmal ein Mitglied dieser Rotte zu werden. „Nein, lassen Sie die Bravos da raus“, entschied David schließlich und schürzte die Lippen, „wir wollen nicht mehr Aufsehen als nötig, und Sie wissen ja, wie hitzköpfig Lapointe sein kann!“ ohne eine Antwort von Seargant Bix abzuwarten, nahm der dunkelhaarige Captain ihm das Headset ab und setzte es sich selbst auf: „Öffnen Sie den allgemeinen Funkkanal, Bix!“ Der Soldat tat wie ihm geheißen und im nächsten Moment hörte Dave ein schwaches Rauschen, das über die Kopfhörer drang: „Hier spricht Captain Scott von der Yuma Raumhafenkontrolle“, tönte er so sachlich und ruhig wie möglich in das kleine Mikrofon, „Sie sind illegaler Weise in die militärische Luftsperrzone eingedrungen. Aktivieren Sie umgehend Ihr digitales Identifikationssystem, sonst sehen wir uns gezwungen, Ihnen eine Abfangstaffel entgegen zu schicken!“ er atmete tief durch und schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel. Aber anstelle eines verschreckten Zivilisten, der sich vor Panik überschlug und für sein unerlaubtes Eindringen um Vergebung bettelte, hallte ein kehliges Lachen über das Headset: „Du meinst aber nicht die blaue Bruchlandung, die mir wie ein lästiger Schwarm Mücken am Hintern klebt, oder?“ Sichtlich genervt, aber trotzdem erleichtert schlug sich Dave die Hand, riss sich die Kopfhörer von den Ohren und stupste seinen Seargant unsanft an der Schulter an: „Wenn Sie nicht wollen, dass die Bravos ihr erstes Waterloo erleben, pfeifen Sie Lapointe auf der Stelle zurück“, damit wandte er sich eilig zum Gehen, „und schicken Sie diesem Verrückten einen Anflugkorridor für Rollfeld drei!“ „Aber Sir“, völlig entgeistert starrte Bix seinem Vorgesetzten hinterher, der sich leise fluchend auf dem Weg zur Tür seine Uniformjacke schnappte, „wer zum Teufel…“ Dave drehte sich auf dem Absatz um, das Gesicht vor Zorn feuerrot und schnitt eine finstere Grimasse: „Wilcox!“ Mit einem zufriedenen Grinsen stellte Colt die Triebwerke seines Bronco Busters ab, nachdem er das Schiff vorbildlich auf dem Militärhafen von Yuma runter gebracht hatte und winkte dem ziemlich wütend aussehenden Offizier freundlich zu, der soeben aus einem Seiteneingang des Kontrollzentrums gestürmt kam. „Pass auf, Joshi“, raunte er dem kleinen Jungen hinter sich verschmitzt zu und betätigte den Cockpitmechanismus, der das Kanzeldach öffnete, „jetzt wird’s lustig!“ Mit einem einzigen Satz sprang der Cowboy auf den warmen Asphalt der Landebahn und streckte lässig seine Arme in die Höhe, so als hätte er gerade einen Zehnstundenflug absolviert. „Dave, alter Hühnerschrecker“, begrüßte er den Neuankömmling fröhlich und rückte den Hut auf seinem Kopf zurecht, „wie stehen die Aktien?“ Seinem Gegenüber war aber anscheinend nicht nach Scherzen zumute. Schnaubend baute er sich vor dem Star Sheriff auf, stemmte erregt die Hände in die Hüften und kickte einen kleinen Kieselstein fort, der es gewagt hatte, genau vor seiner linken Stiefelspitze zu liegen: „Verdammt Colt, wie oft muss ich Dir noch sagen, dass Du Dein DIS einschalten sollst, wenn Du hier mit Deiner Schrottmühle rumgurkst!“ polterte Dave ungehalten los. Was sich dieser blöde Cowboy eigentlich einbildete. Meinte der, nur weil er ein Star Sheriff war, konnte er tun und lassen was er wollte und musste sich an keine Vorschriften halten? Vielleicht hatte er es ja noch nicht mitbekommen, aber der hoch glorifizierte Stern dieser Elitetruppe war im Moment gewaltig am Sinken: „Irgendwann pusten wir Dich noch mal versehentlich vom Himmel!“ Diese ernst gemeinte Drohung brachte Colt unwillkürlich zum Lachen: „Den Job wirst Du dann schon selbst übernehmen müssen, Muchacho“, griente er und deutete mit ausgestrecktem Finger in die Luft, wo gerade vier Hummingbirds der Bravo-Staffel ihre Kreise zogen, „auf diese blutigen Anfänger würde ich dabei jedenfalls nicht setzen.“ „Du hättest das sehen müssen, Dave“, erschrocken blickte der Captain auf den kleinen dunkelhaarigen Jungen, der plötzlich aus dem Cockpit des Bronco Busters gekrabbelt kam und mit ausgebreiteten Armen um ihn und den Cowboy herum rannte, „er hat sie alle an der Nase herumgeführt!“ wilde Töne von sich gebend, die wohl wie die Triebwerke eines Jets klingen sollten, rannte er die Startbahn entlang, so als wollte er selbst im nächsten Moment vom Boden abheben. Fassungslos starrte Dave zwischen dem Knirps und dem strahlenden Star Sheriff hin und her: „Du hast Josh mit hierher gebracht?“ der Kerl kannte echt überhaupt kein Pardon. Fand er wirklich, dass eine Militärbasis der geeignete Aufenthaltsort für so einen Krümel war? „Ja, ja, ich weiß schon“, hob Colt beschwichtigend die Hände und stellte das dämliche Lachen ein, „er hat hier eigentlich nichts zu suchen. Aber Eagle wollte uns sprechen und ich konnte ihn ja schlecht allein zu Hause lassen, oder?“ „Ach! Und dachtest Du, dass Du ihn einfach zu einer hoch wichtigen Besprechung beim Commander mitnehmen kannst, ja? Man, Du hast doch nicht mehr alle Fransen am Pony!“ verächtlich wandte sich Dave von dem Cowboy ab und beobachtete skeptisch den kleinen Bruder von Robin, der in immer größeren Kreisen seine Bahnen über das Rollfeld zog: „Josh, hör auf damit, das hier ist kein Spielplatz für kleine Halbstarke, okay!“ wenn hier irgendwas passierte, weil der Junge Blödsinn machte, würde ihn das sicherlich seine Schienen kosten. Und für die hatte er im letzten Jahr definitiv zu hart gearbeitet, als dass er jetzt freiwillig wieder darauf verzichten würde. Immer in seiner Schicht. Warum passierten solche Dinge immer in seiner Schicht? „Hast Recht, Dave, das geht wohl nicht“, kameradschaftlich hieb Colt dem Captain auf die Schulter, „deswegen wäre es echt nett, wenn Du…“ „Vergiss es“, unterbrach David den Cowboy ohne Umschweife, „ich mach hier ganz sicher nicht den Babysitter für Dich.“ „Danke, ist echt ein feiner Zug von Dir. Dauert auch nur ein paar Minuten“, Colt überging den vehementen Widerspruch mit einem weiteren Schlag, dieses Mal auf den Rücken des Freundes und setzte sich dann eiligst in Bewegung, „Josh, ich bin dann mal kurz beim Alten, Du bleibst in der Zeit bei Dave, klar?“ „Klar!“ Josh salutierte formvollendet und flitzte hinüber zu dem perplexen Captain, vor dem er sich erwartungsvoll aufbaute. Sicher gab es hier jede Menge spannender Sachen zu erkunden, und wenn er Dave höflich darum bat, würde er ihn bestimmt ein wenig herumführen. Im Augenblick machte der Soldat allerdings nicht den Eindruck, als würden ein paar nette Worte seine Laune aufpolieren. Völlig fasziniert beäugte der Junge die anschwellende Ader auf der Stirn des Erwachsenen und wartete gebannt darauf, dass sie in den nächsten Sekunden platzte. „Scheiße, Wilcox…“ brüllte Dave dem Star Sheriff wütend hinterher, der ihm von weitem noch ein letztes Mal freundlich zulächelte, „das kannst Du nicht machen, komm gefälligst zurück!“ Überrascht schaute er zu dem Knirps hinunter, der während seines Anfalls erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen hatte und dessen große Augen ihn jetzt anstarrten, als wäre er die Personifizierung des Teufels: „Was glotzt Du denn so?“ Geniert legte Josh die Spitzen seiner Finger aneinander: „Du hast das böse Wort mit „sch“ gesagt.“ stellte er anklagend fest. Wäre seine Schwester Robin hier gewesen, hätte sie ihm bestimmt den Mund mit Seife ausgewaschen. Völlig verdattert nahm der Captain seinen ungewollten Anhang genauer in Augenschein: „Ich hab…“, es war verblüffend zu erkennen, dass es tatsächlich Menschen in Colts engstem Umfeld gab, die sich noch nicht an den Klang des Wortes „Scheiße“ gewöhnt hatten, „oh man, das zahle ich Dir heim, Cowboy!“ aber es half alles nichts. Der Scharfschütze war längst über alle Berge und es wäre wohl ziemlich unfair gewesen, die Wut an dem Jungen auszulassen: „Na dann komm mit Josh, schauen wir uns mal ein paar Tricks der Bravos an!“ Zufrieden beobachtete Colt aus dem Inneren des Kontrollzentrums, wie Scott einen Arm um die schmächtigen Schultern von Robins kleinem Bruder legte und den freudig erregten Jungen in Richtung der Hangars davon führte. Erst als das ungleiche Paar hinter einer der Hallen verschwunden war, drehte der Cowboy der doppelt gesicherten Panzerglastür, durch die er eben das Gebäude betreten hatte, den Rücken zu und marschierte mit schnellen Schritten den langen mit Neonröhren erleuchteten Korridor hinunter. Bei David war Josh auf jeden Fall in guten Händen und der Captain würde ihm bestimmt einige für sein Alter äußerst spannende Dinge zeigen, aber Colt wollte die Nerven des Freundes nicht zu sehr strapazieren. Er konnte tatsächlich nicht verlangen, dass ein Offizier des KavComs seine Aufgabe übernahm und den Jungen bespaßte, während er im Büro des Commanders festsaß und einer unbezweifelbar langweiligen Unterhaltung über irgendwelche innenpolitischen Auseinandersetzungen beiwohnen musste. Die Nachricht von Eagles Sekretärin, dass er sich umgehend im Büro seines Vorgesetzten einzufinden hatte, war just in dem Augenblick auf seinem Comgerät eingegangen, als er mit Josh zum Zoo hatte aufbrechen wollen. Und anfänglich war der Cowboy sogar drauf und dran gewesen, den Befehl geflissentlich zu ignorieren, aber die Tatsache, dass Eagle ihn an seinem freien Tag sprechen wollte und dass diese Aufforderung mit oberster Priorität versendet worden war, hatten ihn schließlich einlenken lassen. Kurzerhand hatte er Josh in seinen Bronco Buster gesetzt und war mit ihm zum Oberkommando aufgebrochen. Tatsächlich wäre ihm niemand eingefallen, bei dem er den Jungen so kurzfristig hätte absetzen können, und er war auch nicht gewillt gewesen, sich das erste gemeinsame Wochenende mit seinem „Sohn“ verderben zu lassen. Zumindest blieb ihm so das schlagende Argument, dass er nicht lange bleiben konnte und der Commander würde sich entsprechend kurz fassen müssen. Und für den Zoo würde dann auch noch genügend Zeit bleiben! Entschlossen überquerte Colt den gläsernen Gang, der das Kontrollzentrum mit dem eigentlichen Hauptquartierkomplex verband; sein Daumenabdruck erlaubte es ihm, sich in allen Hochsicherheitstrakten des Oberkommandos völlig frei zu bewegen und so war es für den Star Sheriff ein leichtes, auf direktem Weg zu Eagles Büro zu marschieren. Was der alte Haudegen wohl von ihm wollte? Die Sekretärin des Commanders hatte sich in diesem Punkt sehr mit Informationen zurück gehalten; wahrscheinlich, weil sie selbst nicht über die genauen Hintergründe informiert worden war. Vielleicht war Ramrod endlich wieder einsatzbereit! Aber warum hätte Aprils Vater dann ausgerechnet mit ihm sprechen sollen? Wenn ihr Schiff wieder flott war und ein neuer Auftrag auf die Star Sheriffs wartete, würde er das sicherlich von Saber erfahren und nicht von Eagle persönlich. Und wenn man mal die Tatsache in Betracht zog, dass derzeit sowieso nur 50% des Teams verfügbar waren, ergaben Colts Mutmaßungen überhaupt keinen Sinn mehr. Grübelnd bog er um die letzte Ecke in den Flur ein, auf dem das Büro seines obersten Vorgesetzten lag und wäre beinahe vor Überraschung lang hingeschlagen, als er April und Fireball erblickte, die mit verschlossenen Mienen vor eben besagtem Büro warteten. Wenn das gesamte Team herkommandiert worden war, gab es wohl doch etwas Wichtiges zu besprechen. Leise Gewissensbisse begannen im Kopf des Cowboys Wurzeln zu schlagen. Eine wichtige Angelegenheit war in der Regel auch langwierig, und David würde ihm sicherlich den Kopf abreißen, wenn er Josh nicht innerhalb der nächsten halben Stunde wieder einsammelte. Erst im zweiten Moment bemerkte Colt, dass an der Erscheinung der anderen beiden Star Sheriffs etwas nicht stimmte. Mit verwirrter Miene gesellte er sich zu den beiden Freunden und tippte zur Begrüßung an seinen Hut: „Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie so anstarre“, murmelte er mit vollendeter Höflichkeit, „aber Sie erinnern mich verteufelt an ein Pärchen, dass ich vor geraumer Zeit flüchtig kennen lernen durfte. Nur dass ich sie so gut wie nie mit einem Pferdeschwanz gesehen habe und er gegenwärtig im Yuma Hospital verweilt, weil ihn die Outrider halb massakriert haben!“ galant griff er nach der Hand der Blondine und wollte einen Kuss darauf hauchen, aber April kam ihm zuvor. „Lass den Quatsch, Cowboy“, zischte sie bissig und entriss ihm unsanft den Arm, „ich trage meine Haare, wie es mir passt!“ sie griff fahrig nach ihrem blonden Zopf und zwirbelte die Spitzen um ihren rechten Zeigefinger; eine immer häufiger auftretende Angewohnheit, die sie sich erst im Lauf der letzten zwei Wochen angeeignet hatte. Colt wusste nichts von den Geschehnissen des gestrigen Tages und ihrer Meinung nach war es auch besser, es vorerst dabei bewenden zu lassen. Es gab Dinge, die man auch als Team nicht zwingend teilen musste, und die Auseinandersetzung zwischen Saber und Fireball gehörte definitiv in diese Kategorie. „Wie Mylady meinen“, rümpfte der Cowboy die Nase und drehte der Freundin pikiert den Rücken zu, „und was ist Deine Ausrede, Turbofreak? Spontane Selbstentlassung?“ vorsichtig boxte er dem Rennfahrer gegen die gesunde Schulter, aber sein Busenkumpel wirkte trotz des kleinen Gags genauso sauertöpfisch wie das blonde Gift und taxierte ihn mit abschätzenden Blicken. Irgendwie wurde Colt das Gefühl nicht los, dass er sich nicht auf dem neuesten Stand der Dinge befand: „Ist irgendwer gestorben?“ „Mit dem Witz solltest Du vielleicht ein bisschen vorsichtiger umgehen, da reagier ich nämlich neuerdings allergisch drauf“, antwortete Fireball brummig und klopfte sich einen imaginären Fussel vom T-Shirt, bevor er im lockeren Plauderton wissen wollte, „wie geht es eigentlich Deinem Frauchen? Ist ganz schön traurig, dass sie es in der ganzen Woche nicht einmal geschafft hat, mich im Krankenhaus zu besuchen!“ Colt schluckte hörbar und griff unsicher an den Kragen seines Hemdes: „Äh, Robin, tja, weißt Du, Matchbox…“ herrje, was sollte er ihm nur dieses Mal für ein Märchen auftischen? Dass er aber auch so blöd gewesen war, auf Aprils Forderungen einzugehen. Irgendwann mussten sie dem Rennfahrer doch sowieso erzählen, was während seiner Abwesenheit alles geschehen war. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er diese Sache schon vor einer Woche hinter sich gebracht. Nun saß er wieder in der Patsche und wusste nicht weiter. „Vergiss es, Colt, er will Dich nur aufziehen“, kam ihm überraschender Weise die Blondine zu Hilfe, „er weiß bescheid!“ peinlich berührt verschränkte sie die Arme vor dem Bauch und warf Fireball einen unsicheren Blick zu. Diese Enthüllung kam so überraschend, dass der Cowboy lediglich ein gekeuchtes: „Oh…“ zustande brachte und dann verlegen beobachtete, wie sich seine beiden Freunde schweigend anstarrten; sie völlig verunsichert, er mit einem Mischung aus verletztem Stolz und aufwallendem Zorn. Da war man mal einen Tag lang anderweitig beschäftigt und schon passierten tausend unerwartete Dinge, mit denen niemand gerechnet hätte. Vor zwei Tagen hatte es noch geheißen, Fireball müsse mindestens noch zwei Wochen im Krankenhaus bleiben, und April hatte mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt, dass sie endlich bereit war, ihrem Verlobten reinen Wein einzuschenken. Colt hätte ihm gerne selber erzählt, dass er sich von Robin getrennt hatte, aber die Blondine war ihm offensichtlich zuvor gekommen. Und wenn er die leicht angespannte Stimmung richtig deutete, war der Rennfahrer nicht gerade erfreut darüber gewesen, dass man ihm tagelang etwas vorgemacht hatte. „Hör zu Partner“, versuchte er deshalb versöhnlich einzulenken, „tut mir leid, dass ich’s Dir nicht schon früher gesagt habe. Die Sache mit Robin und mir… das ist einfach irgendwie passiert, weißt Du! Und Du hattest nun wirklich genug mit Deinem Arm zu tun, da wollte ich Dir nicht auch noch unnötig mit meinen Eheproblemen auf die Nerven gehen.“ Es hatte ja doch keinen Sinn, die ganze Schuld auf April abzuladen. So, wie der weibliche Star Sheriff im Moment aussah, hatte sie schon genug zu leiden, da konnte er ebenso gut Kamerad sein und den Zorn von Fireball brüderlich mit ihr teilen. Und schließlich hätte er ihr ja auch von Anfang an klipp und klar sagen können, dass er bei diesem Versteckspiel nicht mitmachen wollte. Jetzt hieß es mitgehangen, mitgefangen! Der Rennfahrer schien die Worte des Freundes wohl vernommen zu haben, denn seine Gesichtszüge verhärteten sich und er wandte den Blick von seiner Verlobten dem Cowboy zu. Aber er verkniff sich jeden Kommentar und musterte sein Gegenüber stattdessen mit kaltblütiger Gelassenheit. Colt wurde unter diesem strafenden Blick ziemlich unwohl. Er nahm sich den Hut vom Kopf und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über die Stirn: „Ist schon klar, dass Du sauer bist, Fire. Ehrlich, kann ich voll und ganz verstehen…“, faselte er verunsichert weiter, „ich meine, das war echt total bescheuert von uns, war es!“ „Na, Einsicht ist ja bekanntlich der erste Weg zu Besserung“, endlich zeigte sich ein schwaches Schmunzeln auf Fireballs Gesicht, „hat sich der Abstecher in fremdes Hoheitsgewässer denn wenigstens gelohnt?“ verschwörerisch zwinkerte er dem Cowboy zu und schnalzte mit der Zunge. Er konnte Colt einfach nicht lange böse sein. Er hatte mit Christa und Robin schon genügend eigene Sorgen gehabt, da hätte man nicht von ihm erwarten können, dass er sich auch noch in das Beziehungsdrama seiner Freunde einmischte. Und letztlich war es Saber, gegen den sich sein Zorn richtete. Es wäre mehr als unfair gewesen, diesen jetzt an dem Scharfschützen auszulassen. Dankbar nahm Colt dieses Versöhnungsangebot an. Mit geschürzten Lippen schüttelte er langsam den Kopf: „Nicht annähernd, Amigo, diese komischen Schotten verstehe einer!“ April gab ein ersticktes Husten von sich. Natürlich hatte Colt lediglich auf den gälisch klingenden Namen des rothaarigen Lieutenants anspielen wollen, aber augenblicklich war bei der Anführung des Wortes „Schotten“ die Wut zurück auf Fireballs Gesicht gehuscht. Er hatte den Säbelschwinger seit dem Verlassen des Krankenhauses mit keinem Wort mehr erwähnt, aber die Blondine wusste, dass er dem Freund niemals so schnell vergeben würde, wie er es bei ihr getan hatte. Im Inneren ihres Verlobten kochte ein unbändiger Groll auf ihren Anführer, der nur eine Initialzündung brauchte, um in einer gewaltigen Explosion zutage zu treten. April mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn Saber ebenfalls hier auftauchte, um der Besprechung im Büro ihres Vaters beizuwohnen. Colt schien in ähnlichen, wenn auch nicht ganz so apokalyptischen Bahnen zu denken. Offenbar hatte er den Wandel von Fireballs Gemütszustand nicht bemerkt, denn er fragte reichlich unbekümmert: „A propos Schotte, wo steckt er eigentlich, unser Oberheld?“ „Colt…“ erschrocken ballte April ihre Hände zu Fäusten, aber es war natürlich längst zu spät. Wutschnaubend stieß sich Fireball von der Wand ab und hieb kräftig gegen den Wasserspender vor Eagles Tür, der ein lautes Blubbern von sich gab: „Soll sich ruhig hier blicken lassen, der Mistkerl“, knurrte er hasserfüllt, „hat es ja vorgezogen, sich wie ein feiger Coyote aus dem Staub zu machen, bevor ich mit ihm fertig war!“ „Wie bitte“, völlig verstört starrte der Cowboy seinen Freund an, „hab ich irgendwas nicht mitgekriegt?“ warum war Fireball mit einem Mal so in Rage? Das nächste, was er spürte, war ein heftiger Schlag, der seinen Hinterkopf traf und seinen Hut zu Boden schleuderte: „Au“, wütend fuhr er zu April herum, die ihn böse anfunkelte, „spinnst Du, Luzifrau? Was soll der Scheiß?“ wehleidig befühlte er seinen misshandelten Schädel und hoffte geradezu, dass er eine Beule bekommen würde, damit es der Blondine ordentlich leid tun musste. Im Moment war von Reue allerdings nicht viel bei ihr zu erkennen. „Du bist echt so hohl, wie Du Macho bist. Was genau von „er weiß bescheid“ hast Du nicht verstanden“, keifte sie ihn grob an, „soll ich es noch einmal deutlich sagen, damit Du es von meinen Lippen lesen kannst?“ besorgt trat sie neben den Rennfahrer und legte ihm schüchtern eine Hand auf den Arm, die Fireball umgehend abschüttelte: „Lass das bitte…“ „Ach Du heilige Scheiße…“ erst jetzt dämmerte Colt endlich, was los war. Der Heißsporn hatte nicht nur von seinem Krach mit Robin erfahren, sondern auch von der Affäre zwischen April und Saber! Und offenbar hatte es genau deswegen bereits eine Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Säbelschwinger gegeben. Das konnte ja ein heiteres Treffen beim Commander werden! Warum zum Teufel hatte sich April nur entschieden, ihm das alles zu erzählen? „Tja, ist vorbei mit Eurer Geheimniskrämerei, was“, Fireball atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen, „tut mir echt leid, aber jetzt müsst Ihr Euch einen neuen Blödmann suchen!“ „Hör auf damit“, flehte April eindringlich und unternahm einen erneuten Versuch, ihn zu berühren, „Du hast doch gesagt…“ „Ja, ja, ist schon gut!“ Colt sah fasziniert zu, wie der Rennfahrer seine Verlobte flüchtig an sich zog und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte: „Aber wenn dieser… wenn der hier tatsächlich aufkreuzt, kann ich für nichts garantieren!“ Was für ein merkwürdiges Schauspiel war das hier? War Fireball überhaupt nicht wütend auf April? Sein kleiner emotionaler Ausbruch eben hatte eindeutig gezeigt, dass ihn das Thema Fremdgehen nicht kalt ließ, aber warum behandelte er die Blondine dann so, als wäre sie daran gar nicht beteiligt gewesen? Wenn sie seine Frau oder Freundin gewesen wäre, hätte er ihr ordentlich den Marsch geblasen und sie dann mindestens einen Monat lang zappeln lassen. Die ganze Aggression des Rennfahrers richtete sich aber augenscheinlich gegen Saber. Ging Fire etwa davon aus, dass der Säbelschwinger April mehr oder weniger zu einer sexuellen Beziehung gezwungen hatte und sie an der Entwicklung der Geschehnisse gar keine Schuld trug? Leider blieb Colt keine Zeit, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, denn in diesem Moment kam Commander Eagle aus einem Büro ein paar Türen weiter und begrüßte die Star Sheriffs mit freundlichem, wenn auch müdem Lächeln: „Da seid Ihr ja, ich hoffe, ich habe Euch nicht zu lange warten lassen. Aber da gab es noch eine Sache, die ich klären musste!“ er schlängelte sich an seinen jungen Untergeben vorbei, öffnete seine Bürotür mit einem kurzen Schwenk seine ID-Card und betrat das großzügige Geschäftszimmer mit dem riesigen Besprechungstisch in der Mitte. Und Fireball war der erste, der ihm bereitwillig folgte, ohne mit der Wimper zu zucken. Bevor April ebenfalls durch die Tür getreten war, packte Colt sie am Arm: „Muss ich mir Sorgen machen, dass Sabers verrottende Leiche irgendwo draußen in der Wüste verscharrt ist?“ raunte er ihr verschwörerisch ins Ohr und blickte dem Rennfahrer skeptisch hinterher. „Hör auf mit dem Mist!“ fauchte sie grantig zurück, riss sich los und stürmte ihrem Vater hinterher. Ihr war nach ihrem kleinen Unfall wirklich nicht danach, sich die blöden Sprüche des Cowboys anzuhören. Ihr Kopf tat noch immer höllisch weh und sie wusste nach wie vor nicht, wie sie sich Fireball gegenüber verhalten sollte. Sie fühlte sich schuldig, auch wenn er ihr gestern vergeben hatte. Immerhin wusste sie, wie tief sie diesen Mann, den sie doch so sehr liebte, mit ihrem vorpubertären Verhalten verletzt hatte. Zerknirscht nahm sie auf einem der Lederstühle neben Fireball Platz, während Colt den ovalen Tisch umrundete und sich gegenüber von seinen Freunden an die Wand lehnte. Das tat er immer, wenn er Hummeln im Hintern hatte und nicht wusste, wohin mit der ganzen aufgestauten Unruhe. Eagle ließ sich langsam in seinen Sessel sinken: „Ich danke Euch, dass Ihr meiner Aufforderung ohne Zögern nachgekommen seid und schlage vor, dass wir deswegen nicht lange um den heißen Brei herumreden!“ „Ähm…“, räusperte sich Colt vernehmlich von seinem Beobachtungsposten und fiel seinem Vorgesetzten damit zum abermillionsten Mal ins Wort, „ich mag ja mit dieser Gefühlsregung allein auf weiter Flur sein, Commander, aber irgendwie vermisse ich den Säbelschwinger. Ist doch ’ne Gemeinschaftsveranstaltung hier, oder?“ dabei beobachtete er genau, wie Fireball die Lippen zusammenkniff und versuchte, nicht wieder aus der Haut zu fahren. Himmel, das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Warum hatte Saber nicht einfach die Griffel von April lassen können, dann wäre jetzt alles prima und in Butter gewesen! „Das ist genau der Grund, warum ich Euch zu mir gebeten habe, Colt!“ der Commander griff in seine Brusttasche und holte eine kleine Codekarte hervor. Gedankenverloren legte er sie vor sich auf den Schreibtisch und schob sie mit dem Zeigefinger hin und her. Das nun kommende würde nicht einfach werden, aber es war seine Pflicht als Commander, sein Team über die letzten Ereignisse in Kenntnis zu setzen. Unruhig verfolgte April, wie ihr Vater mit der Plastikkarte spielte: „Was ist los Daddy? Wo ist Saber?“ sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte, auch wenn sie genau wusste, dass sie Fireball mit ihrer aufkeimenden Sorge um den Highlander erneut einen Dolch ins Herz trieb. Aber Saber war und blieb ihr bester Freund, daran würde sich nun einmal nichts ändern! Sofort zog der Rennfahrer seine Hand unter ihrer hervor: „Bist anscheinend doch nicht so allein mit Deiner Sehnsucht, Cowboy!“ kommentierte er Aprils Fürsorge mit grenzenloser Bitterkeit in der Stimme. Wie konnte sie es wagen? Nach allem, was sie ihm sowieso schon angetan hatte, musste sie gleich die erstbeste Chance wahrnehmen, um wieder für den Schotten in die Bresche zu springen. Mit einem sehr unguten Gefühl musterte Eagle die drei Star Sheriffs und räusperte sich dann um Aufmerksamkeit haschend: „Ich kann mir schon vorstellen, was im Moment in Euren Köpfen vorgeht und ich möchte mich ehrlich gesagt auch gar nicht in dieses Thema einmischen. Das ist eine Sache, die Ihr unter Euch ausmachen müsst.“ Sein Blick blieb an seiner Tochter hängen, die verschüchtert und mit fleckigen Wangen unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. Er hatte von Anfang an geahnt, dass es kein gutes Ende nehmen konnte, aber weder April noch Saber hatten auf ihn hören wollen. Zumindest dem Verstand des Schotten hatte er ein wenig mehr Weitsicht zugetraut und auf dessen Vernunft gesetzt, aber die beiden waren Hals über Kopf in diese Sache hineingeschliddert, aus der es jetzt keinen vernünftigen Ausweg mehr gab: „Saber war gestern Abend bei mir und hat mir von dem, ja nun, nennen wir es mal Zwischenfall erzählt, der sich in Eurer Wohnung zugetragen hat. Nachdem Du mal wieder auf eigene Faust entschieden hattest, das Krankenhaus zu verlassen, Fireball!“ „Zwischenfall…“ „Sie haben Recht, Commander“, überging Fireball den überraschten Einwurf des Cowboys, der sich mit aufgerissenen Augen nach vorne gebeugt hatte und seine Freunde fragend anstarrte, „das ist eine Sache, die wir unter uns ausmachen müssen!“ er hielt dem Blick seines Vorgesetzten mühelos stand und meinte sogar, so etwas wie Verständnis in den Augen von Aprils Vater zu erkennen. Wahrscheinlich hatte Eagle die ganze Zeit über genauso Bescheid gewusst, wie der verfluchte Rest des Oberkommandos auch. Er erinnerte sich an die seltsamen Blicke und das Getuschel der Soldaten, die ihn nach seiner Rückkehr auf dem Flugfeld in Empfang genommen hatten. Natürlich! Alle hatten es gewusst. Gott, das war so demütigend! Colt wollte sich allerdings nicht so schnell abwimmeln lassen. Erwartungsvoll stemmte er die Arme auf den Besprechungstisch und versuchte, die Aufmerksamkeit des Rennfahrers auf sich zu ziehen: „Was für ein Zwischenfall?“ fragte er beharrlich und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich nicht mit einer flapsigen Ausrede abspeisen lassen würde. Wenn Saber und Fire aneinander geraten waren und der Säbelschwinger es sogar für nötig gehalten hatte, den Alten über diese Sache zu informieren, wollte er gefälligst auch wissen, was passiert war. Auf jeden Fall sprach es für sich, dass man ihren Anführer offenbar nicht zu dieser kleinen Unterredung eingeladen hatte. Stand es etwa schon so schlecht um die Star Sheriffs? Colt mochte gar nicht daran denken, was für Konsequenzen es haben konnte, dass das Techtelmechtel zwischen seinem Boss und der Blondine aufgeflogen war. Wütend stellte er fest, dass Fireball ihn nicht eines Blickes würdigte, als er herrisch sagte: „Dich geht das auch nichts an, Amigo!“ Das schlug ja wohl den dicksten Outrider vom Schlitten: „Na hör mal“, empörte sich Colt hitzig und ließ seinen Hut mit Wucht auf den Tisch sausen, „was heißt denn hier, das geht mich nichts an? Wenn Ihr zwei Idioten meint, Ihr müsstet Euch gegenseitig die Rüben einhauen, will ich gefälligst…“ „Colt“, donnerte die Furcht einflößende Baritonstimme des Commanders durch das Zimmer und brachte den Scharfschützen mit einem Schlag zum Schweigen, „es ist jetzt endgültig genug!“ selbst Fireball wagte es nicht, noch einen weiteren aufmüpfigen Kommentar loszulassen. Er hatte Eagle noch nie so wütend erlebt! „Ich habe wirklich keine Zeit, mir Euer Gezanke anzuhören“, fuhr ihr Vorgesetzter etwas gemäßigter fort, „es gibt eine Menge wichtiger Entscheidungen zu fällen und der Krisenstab sitzt mir schon wieder im Nacken, weil alles so schleppend vorangeht. Und nun auch noch die Geschichte mit Saber…“ April lief es kalt den Rücken hinunter. Was hatte Saber gesagt, bevor er sie gestern Nachmittag auf der Terrasse zurückgelassen hatte? Sie konnte sich nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern, aber er hatte noch irgendetwas auf dem Herzen gehabt, was er gerne losgeworden wäre. Und sie hatte ihn einfach abblitzen lassen, ohne ihm zuzuhören! Sich der Gefahr bewusst, dass Fireball gleich seinen nächsten Tobsuchtsanfall erleiden würde, drehte sie sich mit gestrafften Schultern zu ihrem Vater und blickte ihn ängstlich an: „Was ist mit Saber, Daddy?“ sie musste es wissen. Wenn es nicht wichtig gewesen wäre, hätte man sie nicht extra deswegen hierher bestellt. Eagle antwortete nicht sofort auf die Frage. Stattdessen nahm er die kleine Plastikkarte und warf sie achtlos hinüber auf den Besprechungstisch. Sie schlidderte über die blank polierte Mahagonioberfläche und blieb schließlich genau zwischen den drei Star Sheriffs liegen. April wollte hastig danach greifen, doch gegen die übermenschlich schnellen Reflexe des Scharfschützen hatte sie nich die geringste Chance. Colt schnappte sich die Karte und betrachtete sie mit ungläubigem Entsetzen: „Sabers EDM“, flüsterte er fassungslos und legte die Dienstmarke vorsichtig zurück auf den Tisch, gerade so, als wäre es ein wertvolles Relikt oder ein Heiligtum, „was hat das zu bedeuten, Commander?“ Eagle faltete nachdenklich die Hände und schloss die Augen, so, wie er es eigentlich immer tat, wenn er eine schlechte Nachricht zu verkünden hatte: „Was denkst Du denn, was es heißt, Colt“, er erhob sich steif aus seinem Sessel, umrundete mit nervtötender Ruhe seinen Schreibtisch und baute sich am Ende des ovalen Tisches auf, „Saber ist gestern zu mir gekommen, um von seinem Posten als Kommandant der Star Sheriffs zurückzutreten!“ „WAS?!“ Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Colt war so bestürzt, dass er von einer Sekunde auf die andere in sich zusammensackte und mit dem Hinterteil auf den nächstbesten Stuhl sank, während April keuchend aufsprang und angriffslustig die Arme hob: „Das ist nicht wahr…“, rief sie aufgebracht und wäre am liebsten auf ihren Vater losgegangen, „er würde uns nie im Stich lassen!“ Mitfühlend legte der Commander seiner Tochter die Hände auf die Schultern: „Ich weiß, dass es nicht leicht fällt, das zu glauben“, erschrocken stellte er fest, dass sich in Aprils Augenwinkeln die ersten Tränen abzeichneten, „aber vielleicht ist es so das Beste!“ Das Ansehen der Star Sheriffs, der einstmaligen Vorzeigetruppe des Kavallerie Oberkommandos, hatte in den letzten Wochen sehr gelitten, und die Gerüchte, die trotz, oder vielleicht sogar gerade wegen Fireballs Rückkehr ungebrochen die Runde machten, trugen nicht gerade zur Aufbesserung des Images bei. Längst waren im Kongress Rufe nach personellen Veränderungen laut geworden und Eagle sah sich nicht mehr in der Lage, noch länger seine schützenden Hände über die vier jungen Menschen zu halten. Vielleicht würde Sabers Weggang die Wogen ein wenig glätten. Aus dem Augenwinkel erhaschte Eagle einen kurzen Blick auf Fireball, der mit verschränkten Armen und unergründlicher Miene dasaß und vor sich hin starrte. Als einziger hatte er keine Reaktion auf die Entscheidung des Schotten gezeigt. „Das Beste“, schrie April aufgelöst und stieß ihren Vater grob von sich, „wie kann das das Beste sein? Ohne Saber…“ ein leises Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, das auch dem Cowboy Tränen in die Augen trieb. „Genau“, erklärte er tapfer, „ohne Saber sind wir nicht mehr die Star Sheriffs! Da können wir den ganzen Scheiß doch gleich hinschmeißen!“ er griff wieder nach der Dienstmarke des Freundes und inspizierte die Oberfläche der kleinen Plastikkarte, so als erwarte er, hier eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ zu finden. Das durfte einfach nicht sein! Sie hatten doch schon so viel Schlimmeres als dieses Theater durchgestanden; warum hatte Saber einfach hingeschmissen? „Hört schon auf diesem Katzenjammer!“ mischte sich nun endlich auch Fireball in die Diskussion ein. Er hatte sich nicht vom Fleck gerührt und taxierte den Cowboy mit abschätzenden Blicken, die diesem beinahe Angst einjagten. Und seine Stimme war so kalt und gleichgültig, dass Colt sich allmählich fragte, wie schlimm die Auseinandersetzung zwischen ihm und Saber tatsächlich gewesen war. „Unsere Truppe fällt doch sowieso auseinander“, erklärte der Rennfahrer unbeeindruckt, obwohl er genau merkte, wie sich Aprils zornfunkelnde Augen auf seinen Hinterkopf richteten, „April fällt für lange Zeit aus, ihren Ersatz hast Du dank Deines unterlaibgesteuerten Verhaltens rausgeekelt und ich bin höchstens noch als Kühlerfigur zu gebrauchen. Wen schert es da schon, ob unser feiger Herr Anführer den Schwanz einzieht, oder nicht?“ Eagle hatte vollkommen Recht. Er für seinen Teil war dankbar, dass Saber ihm zuvor gekommen war und das Team von sich aus verlassen hatte. Somit war ihm dieser Schritt zumindest erspart geblieben. Etwas Hartes traf unvermittelt Fireballs Schläfe und ließ ihn schmerzlich zusammenzucken. „Mich schert es vielleicht, Du blöder Idiot“, Colt hatte dem Rennfahrer mit aller Wucht die Dienstmarke des Schotten an den Kopf geworfen und funkelte ihn jetzt aufgebracht an, „man, was zum Teufel ist eigentlich los mit Dir?“ „Als ob Du das nicht ganz genau…“ „Ich habe Euch schon einmal gesagt, dass ich keine Zeit für Eure Streitereien habe“, unterbrach der Commander erbost das aufkeimende Wortgefecht, „Saber hat seine Entscheidung getroffen und egal, ob ihr Euch nun darüber freut oder ärgert, Ihr könnt nichts mehr daran ändern!“ April gab einen erstickten, wenig menschlichen Laut von sich, als sie gegen ihren Stuhl trat: „Na, das werden wir ja sehen!“ wenn Saber wirklich glaubte, dass er sich einfach so aus dem Staub machen konnte, dann hatte er sich aber gewaltig geschnitten. „Er hat den Planeten bereits verlassen, April“, mahnte Eagle und lehnte sich mit gekreuzten Beinen gegen seinen Schreibtisch, „er wollte heute Morgen in aller Frühe zum Schloss seiner Eltern aufbrechen, um ein wenig Abstand zu gewinnen. Ich denke, die letzten Wochen waren einfach zuviel für ihn.“ Trotzig pustete sich die Blondine ein paar Strähnen ihres Ponys aus der Stirn: „Na und? Dann werden wir ihm eben folgen. Wäre doch gelacht, wenn wir unseren Boss einfach so ziehen lassen würden! Stimmt’s, Colt?“ verschwörerisch zwinkerte sie dem Cowboy zu. Dass sie Fireball bei diesem Vorhaben nicht auf ihre Seite bekommen würde, wusste sie natürlich nur zu gut. „Nein, das werdet Ihr nicht, verstanden? Das ist ein Befehl!“ donnerte Aprils Vater ohne Vorwarnung los, was Colt davon überzeugte, vorerst nicht wild grölend in ihren Plan einzustimmen. „Ramrod wird in zwei Tagen wieder vollständig hergestellt sein und wir müssen uns ernsthafte Gedanken darüber machen, wie das Team aussehen soll, das ihn dann steuert. Die Star Sheriffs sind schon viel zu lange untätig am Boden geblieben, das hat bereits eine Menge Unmut geweckt. Wir können nicht von den Flugstaffeln verlangen, dass sie ständig Eure Aufgaben übernehmen. Ramrod muss wieder in die Luft und zwar so schnell wie möglich! Zu allererst brauchen wir mal einen neuen Piloten, der das Schiff annähernd so gut steuern kann, wie Du es bislang getan hast, Fireball!“ Der Rennfahrer spürte den tiefen Stich, den ihm die Worte des Commanders versetzten: „Na prima, und was soll ich dann ihrer Meinung nach machen? Hier unten rumsitzen und Däumchen drehen?“ wenn Eagle ihn hergerufen hatte, um ihm zu sagen, dass er bei den Star Sheriffs nicht länger gebraucht wurde, hätte er das auch wesentlich einfacher ausdrücken können, ohne vorher lange um den heißen Brei herumzureden. Bitte, dann sollten sie sich doch einen anderen Blödmann für den Job suchen. Wer brauchte denn schon das Oberkommando? „Nein“, der Commander räusperte sich und machte sich auf neues Protestgeschrei gefasst, „Saber hat darum gebeten, dass wir Dich zu seinem Nachfolger ernennen, Fireball. Und ehrlich gesagt finde ich diese Idee ganz hervorragend!“ „Fireball?“ Colt wäre vor Schreck beinahe der Kopf auf die Tischplatte geknallt: „Hey, nichts für ungut, Kumpel“, murmelte er schulterzuckend in die Richtung des Rennfahrers, bevor er sich wieder Eagle zuwandte, „aber… Fireball?“ das musste doch ein ganz mieser Scherz sein! Die konnten nicht ernsthaft in Betracht ziehen, diesen Heißsporn, der noch halb grün hinter den Ohren war, auf Sabers Platz setzen zu wollen. Wenn das mal nicht ganz stark nach Verschwörung roch! Bestimmt hatten ein paar schlaue Köpfe im Krisenstab diese dümmliche Idee ausgebrütet. Würde sich doch toll machen, der tot geglaubte Held, der zum Kommandanten der Star Sheriffs aufstieg. Was für eine Story: „Du wirst doch auf diesen Quatsch nicht wirklich eingehen, Fire, oder?“ „Ich halte diese Idee keineswegs für Quatsch, Colt…“ „Ach komm schon, Daddy“, schnitt April ihrem Vater ungehalten das Wort ab, „diese Idee ist doch wirklich absurd! Wir haben nur einen Anführer und das ist Saber. Und Du kannst Gift darauf nehmen, dass wir bis zum Äußersten gehen werden, um…Fire?“ sie verstummte, als sie sah, dass Fireball langsam aufstand. Mit düsterer Miene öffnete er die Bürotür und brummte leise, ohne sich noch einmal nach seinen Teamkameraden umzusehen: „Ich denke darüber nach, Commander!“ dann verschwand er hinaus auf den Gang und ließ die Tür hinter sich beinahe lautlos ins Schloss fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)