Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 23: ------------ Alles ging so schnell, dass man kaum mehr als ein plötzliches Zucken sah. Motoki griff mit einer - für seinen recht beschwipsten Zustand - erstaunlich schnellen Bewegung nach Mamorus Kragen und zerrte ihn damit ruckartig nach oben. Zwei Herzschläge lang verharrte er in dieser Pose, fuhr dann herum und zog Mamoru hinter sich her. Der wiederum war so dermaßen überrascht, dass er gar keine Zeit hatte, an Gegenwehr zu denken. Er ließ alles recht willig mit sich geschehen, was unter anderem daran lag, dass sein leicht alkoholisiertes Gehirn weitaus langsamer arbeitete, als normal gewesen wäre. "Komm mal mit nach draußen", knurrte Motoki, "ich hab da ein Hühnchen mit Dir zu rupfen." "Nach draußen?" Mamoru brauchte einige Sekunden. Ganz langsam, richtiggehend behutsam, holte ihn die Wirkung der Cocktails ein, die er schon intus hatte. Minute für Minute wurde sein Denkvermögen immer weiter lahm gelegt. "Sollt ich nicht erst mein Zeuch bezahlen?" "Keine Bange. Das hab ich schon erledigt, als Du noch dabei warst, meine Freundin abzulecken." Immer weiter schleppte Motoki ihn quer durch das Café auf den Ausgang zu. "Immerhin will ich nicht durch solche Nichtigkeiten gestört werden, solang ich Dir zeige, wo der Hammer hängt." Es dauerte etwas, bis sich Motoki, mit Mamoru im Schlepptau, durch die dicht gedrängte Menschenmenge des gekämpft hatte. Schließlich draußen angekommen versetzte er Mamoru einen derben Stoß, der diesen einige Schritte nach vorne taumeln ließ. Noch bevor er sein Gleichgewicht wirklich wiedergefunden hatte war Motoki schon heran, packte ihn im Nacken, wirbelte ihn herum und stieß ihn rückwärts gegen die Hauswand des Cafés. "Willst Du mir vielleicht irgendwas sagen?", grummelte Motoki. Sein Gesicht war knallrot. Wahrscheinlich teilweise des Alkohols wegen, vielleicht auch der wahnsinnigen Kälte halber, die hier draußen herrschte, aber höchstwahrscheinlich in erster Linie aufgrund seines unbändigen Zornes. Mamoru blinzelte die nebligen Schleier fort, die vor seinen Augen umherwaberten, starrte seinen Kumpel einige Herzschläge lang stumm an und nickte schließlich grinsend. "Ja", antwortete er endlich, "ich bin vielleicht besoffen, aber Du bist immer noch hässlich." Darauf kicherte und gluckste er vergnügt los. Was Motoki so gar nicht lustig fand. Er stürmte auf Mamoru los und blieb so dicht vor ihm stehen, dass Mamoru die Alkoholfahne einatmen konnte. "Ich meine es ernst!", donnerte der Blonde. "Du ziehst hier so ne Show mit Reika ab, obwohl Du ganz genau weißt, dass sie mit mir zusammen ist; und setzt damit unsere langjährige Freundschaft aufs Spiel! Ich geb Dir nur noch eine Chance; nur noch eine! Ich rate Dir, mein Freund, nutze sie gut!" Die Art und Weise, in der er das Wort ausgesprochen hatte, war mit einem sehr zynischen Unterton belegt. Doch davon ließ sich Mamoru nur mäßig beeindrucken. Lächelnd legte er den Kopf schief und antwortete: "So gut, wie ich Deine Freundin genutzt hab?", wobei er provokativ mit der Zungenspitze über seine Lippen leckte. Das war der Tropfen ins überfüllte Fass. Lange noch bevor die immer langsamer arbeitenden Nervenbahnen das Bild der Bewegung in sein vernebeltes Gehirn transportiert hatten, spürte Mamoru schon zwei heftige Erschütterungen. Die erste, als Motokis Faust in sein Gesicht krachte, und die zweite, als Mamoru daraufhin mit voller Wucht mit dem Hinterkopf gegen die harte Hauswand des prallte. Der Schmerz pochte gnadenlos in seinem Schädel, als er benommen zusammensackte. Einige sehr lange Sekunden kämpfte er gegen die Bewusstlosigkeit und gegen die immer dichter werdenden Nebel vor seinen Augen an. Mit aller Macht bezwang er schließlich die Schleier, die sich um seinen Verstand hüllten wollten. Er hörte Schreie; hohe, spitze Schreie, fast wie das Kreischen einer Kreissäge oder wie der unangenehme Signalton einer Sirene, nur unregelmäßiger und nicht ganz so laut. Überhaupt; in seiner Umgebung schien alles außergewöhnlich leise zu sein. Was da lauter war als alles andere, das war das wilde Rauschen seines Blutes in seinen Ohren. Ein eigenartiger, metallener Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Vom fast schon unerträglichen Gefühl des Schwindels und der Übelkeit begleitet, stemmte Mamoru sich wieder hoch. Mit beiden Händen musste er sich an der Hauswand abstützen, sonst hätte er erneut den Halt verloren. Ohne Unterlass waberten rote und weiße Nebel vor seinen Augen hin und her und verzerrten die Umgebung. Etwas orientierungslos blickte sich Mamoru um. Das erste, worauf er sein Augenmerk richtete, war Reika, die sich inzwischen auch draußen eingefunden hatte und Motoki unverständliche Worte entgegenschrie. Sie schien völlig aus der Fassung zu sein, weiß der Geier warum! Wild gestikulierte sie immer wieder herum und wies auf Mamoru, ohne dass er wirklich verstand, was sie damit wohl ausdrücken wollte. Dann schwenkte er den Blick langsam zu Motoki. Der Blonde stand in geringem Abstand einfach nur da und starrte ihn an. Dabei erschien er allerdings auf groteske Art und Weise verwaschen und unscharf. Mamoru schüttelte leicht den pochenden und schmerzenden Kopf, um die verworrenen Nebel endlich aus seinem Blick zu verbannen. Er fuhr sich über die Augen, dann über das ganze Gesicht. Dabei fühlte er irgendwas Warmes, Klebriges. Er nahm seine Hand vor die Augen und völlig verblüfft starrte er eine rote, schmierige, nur relativ dünnflüssige Substanz an. Blut. Sein Blut. Im ersten Moment verstand er nicht so recht, was das zu bedeuten hatte. Möglicherweise hatte er einen leichten Schock erlitten, oder vielleicht war der Alkohol nicht ganz unschuldig daran, jedenfalls dauerte es eine kurze Weile, bis er den tieferen Sinn erkannte. Er hob den Blick und sah Motoki verwirrt an. Er hatte ihn angegriffen? ER? Ausgerechnet DER DA??? Sein bester Freund und Kumpel? Das war doch ... Das konnte doch nicht ... So eine Frechheit! Seit dem Schlag waren bisher vielleicht nur wenige Sekunden vergangen. Sekunden, die so langsam, so unendlich schleppend von Mamorus Gehirn bearbeitet wurden, dass man dabei hätte zusehen und einschlafen können. Der Vorgang war vergleichbar mit einer Diashow, bei der jedes Bild vorher einzeln noch abgestaubt und einsortiert werden musste. Und nun, ganz langsam, ganz allmählich, Stückchen für Stückchen, wurde Mamoru sauer. Oder eher: richtig fuchsteufelswild. Ein Gorilla, dem man die Bananen geklaut hatte, hätte kein gewaltigeres Wutgebrüll ausstoßen können. Mamoru hechtete mit einem gewaltigen Sprung auf Motoki zu - oder viel mehr: er torkelte ein paar Schritte und fiel schließlich auf ihn; aber das Ergebnis war immerhin das Selbe - und riss ihn mit sich zu Boden. Dort angekommen malträtierte er zunächst einmal aufs Heftigste Motokis Kinn und kassierte dabei einige Treffer in die Magengegend, die er aber getrost ignorieren konnte, da sein zentrales Nervensystem inzwischen so gut wie lahmgelegt war. Daraufhin versetzte er seinem - ehemaligen - Freund einen gezielten Schlag auf die Nase, die mit heftigem Bluten protestierte. Motoki drückte sich die Hände vors Gesicht und wälzte sich vor Schmerzen wimmernd auf dem Boden hin und her, während Mamoru keuchend nach Luft schnappte und sich langsam wieder in die Senkrechte erhob. Er lehnte sich gegen die Hauswand des Cafés und spuckte ein wenig Blut aus, wobei er Motoki selbstgefällig angrinste. "Reicht Dir das?", fragte er nach und spie noch eine Ladung des roten Lebenssaftes aus. Zunächst unsicher wankend machte er ein paar Schritte und schon bald konnte er überraschend gut sein Gleichgewicht halten. "Du mieses, verdammtes, dreckiges Arschloch", schnaubte Motoki und erhob sich langsam. "Dir wird ich's zeigen!" Er rannte auf seinen Kontrahenten zu, holte aus und schoss die geballte Faust wie von der Sehne geschnellt nach Mamoru ab. Dieser hatte mit einem derartigen Angriff allerdings schon gerechnet und fing den Schlag spielerisch mit dem einen Arm ab, während er fast gleichzeitig zum Gegenschlag ausholte. Solange Mamoru und Motoki noch damit beschäftigt waren, sich gegenseitig um etliche Blutspritzer ärmer zu machen, steigerte sich Reika in immer schrilleres und fassungsloseres Gekreische. Wie konnte eine menschliche Stimme nur solche grässlichen Töne produzieren? Erneut stürmte Motoki auf sein Gegenüber zu und holte weit aus. Doch seine Zielgenauigkeit hatte mit der Zeit schwer nachgelassen. Der Angriff ging ins Leere, als sein Gegner sich geschickt duckte. Mamorus Kämpferinstinkt war erwacht. Er nutze den Schwung aus, den Motoki in seinen Schlag legte, packte ihn am Unterarm, drehte sich unter ihm um, benutzte den Arm des Blonden als Hebel, krümmte seinen Rücken und ließ ihn meterweit darüber hinweg fliegen. Keuchend und sich überschlagend rutschte und rollte Motoki über den harten Asphalt und zerriss sich dabei die Jeans samt dem rechten Knie darunter. "Erbärmlich", murmelte Mamoru und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. "Wird wohl Zeit, dass ich der Sache ein Ende setze, was?" Schwankend kam er Motoki immer näher. Nur noch wenige Meter trennten ihn von diesem armen Irren, der es doch tatsächlich gewagt hatte, sich mit ihm anzulegen, und der nun keuchend und blutend dalag und vor Schmerzen stöhnte. , stellte Mamoru stumm fest. Sein Herz klopfte wild, das Blut sickerte an seinem ganzen Körper herunter und das Adrenalin in seinen Venen vernebelte ihm die Sinne. Es war fast, als hätte ein unsichtbarer Dämon einen Knopf gedrückt und damit seine Fähigkeit, vernünftig zu denken, vollkommen ausgeschaltet. Motoki war noch sechs Schritte entfernt. Nur noch sechs Schritte! Das wilde Rauschen in seinen Ohren steigerte sich immer weiter. Bald war Reikas wahnsinniges Geschrei nur noch dumpf und leise zu hören. Nur noch fünf Schritte. Sein Körper erzitterte unter der gewaltigen Anstrengung. Jede Bewegung war eine Tortur; ein Wirbelsturm aus Schmerzen und stechender Pein. Nur noch vier Schritte. Die Welt verschwamm in unregelmäßigen Abständen vor seinen Augen. Es war ein ständiger Wechsel von scharf zu unscharf; von hell zu dunkel; von Verwirrung zu zielgerichtetem Handeln. Nur noch drei Schritte. Wieso tat er das alles eigentlich? Was hatte er mit Motoki vor? Wozu überhaupt der Kampf, der Streit? Weswegen war das alles nur passiert? Nur noch zwei Schritte. Egal. Alles, was jetzt noch zählte, war Rache. Rache wofür? Egal. Einfach nur mal alles rauslassen. Allen Frust. Allen Ärger. Immer nur raus damit. Wieso sollte Mamoru denn der Einzige sein, der sich nicht an Schwächeren abreagierte? Nur noch ein Schritt... Mamoru fühlte sich an den Schultern gepackt und zurückgerissen. Der Abstand zu Motoki wurde rasendschnell wieder größer. Die Kraft, die das bewirkte, war übermächtig. Mamoru fand nicht die geringste Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Er wurde brutal herumgedreht und starrte in das vor Wut knallrot gefärbte Gesicht eines breitschultrigen Mannes. "Habt ihr den Verstand verloren, ihr Zwei?", donnerte der Fremde. Mamorus Verwirrung wuchs ins Unermessliche. Wer zum Geier war dieser Typ? Und was mischte der sich überhaupt ein? Doch die Tatsache, dass dieser Jemand gute zwei Köpfe größer und noch dazu etwa doppelt so breit war wie Mamoru, ließ ihn stumm bleiben. Weitere solcher Männer erschienen. Einer versuchte verzweifelt, Reika zu beruhigen, zwei weitere kümmerten sich um Motoki. Irgendwas war eigenartig an diesen Leuten, aber im ersten Moment wusste Mamoru beim besten Willen nicht, was es war. Bis ihm ein Licht aufging. Diese Männer trugen alle so mehr oder weniger das gleiche Outfit: die schreiend bunten, kurzen Sommerklamotten, die viele der Gäste und alle Mitarbeiter des trugen. Das hier waren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rausschmeißer. "Ich rede mit Dir, Würstchen!", meinte dieser große Kerl wieder, diesmal sogar noch eine Spur lauter. Mamoru wandte sich ihm wieder zu und starrte ihn aus großen Augen an. Die Wirkung des Adrenalins in seinem Körper ließ langsam nach und mit ihr auch seine Angriffslustigkeit. Stattdessen breitete sich ein fast angenehmes Gefühl von wohliger Wärme in ihm aus, begleitet von allgegenwärtigem, regelmäßigem, stechendem Pochen, das den Rhythmus seines Herzschlages hatte. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, wo überall er sich verletzt hatte. Gleichzeitig jedoch betäubte der Alkohol jedwedes Schmerzempfinden und linderte die größte Pein. Seine Antwort für den muskulösen Fremden bestand nur aus einem glücklichen und zufriedenen Lächeln. Darauf rollte der Rausschmeißer nur mit den Augen. "Och nö, muss der hier dicht sein. Scheiße, verdammt, woher hat das Würstchen bloß den Stoff?" Zu seinen Kollegen gewandt brüllte er: "Welcher Idiot gibt dem kleinen Hosenscheißer hier einen aus?" Allgemeines Schulterzucken antwortete. "Na warte", knurrte der Große, "den find ich schon. Und dann kann der was erleben." Einer von den Anderen rief quer über den Platz: "Und was machen wir jetzt mit den Kleinen?" Ratlose Stille. Der Große zeigte auf Motoki. "Hat der sich was Schlimmes getan?" "Nöh, ich denk, das sieht schlimmer aus, als es is." "Na dann..." Der Große dachte nach und kratzte sich an seinem sauber rasierten Drei-Tage-Bart. "Dann würde ich vorschlagen, wir rufen ihre Eltern an. Sollen die sich doch um ihre Bälger kümmern." Schlagartig verging Mamoru das Grinsen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie seine Tante Kioku ihn durch den Fleischwolf drehen würde. Und was lernen wir daraus? Finger weg vom Alkohol! ...Und von der Schnecke des besten ... nein ... ehemals besten Freundes... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)