Das Schicksal der Erbin von -Maru- (*ABBRUCH DER FF MIT ERKLÄRUNG*) ================================================================================ Kapitel 12: 12. Nachforschungen ------------------------------- 12. Nachforschungen Der offizielle zweite Schultag in Hogwarts begann, sich dem Ende zuzuneigen und um diese Zeit war die Bibliothek erfüllt von kleineren Schülergruppen, welche ihre Hausaufgaben erledigten, um sich schließlich ganz auf ihr frühes Wochenende freuen zu können. Dazu gehörten auch Harry, Ron und Mariah. Auf ihrem Tisch standen vier winzige Schalen mit grobkörniger Erde. Professor Sprout hatte ihnen die Feuersamen, die darin verborgen lagen, als Hausaufgabe über die zwei freien Tage aufgegeben. Dazu lasen die drei Gryffindors nun in der Lektüre der Kräuterkunde, um in diesem Zeitraum einen kleinen Pflanzenstengel ans Tageslicht bringen zu können. Hermione hatte sich in einen anderen Teil der Bibliothek zurückgezogen. "Ich glaube, ich habe es", murmelte Ron schließlich nach halbstündigem Lesen. "Wir müssen Blubbereiter hinzufügen, dann sprießt das Zeug wie Unkraut." "Wenn du gerne faule Eier anbauen willst, dann nur zu", erwiderte Harry, ohne von seinem Buch aufzusehen. Ron sah noch einmal genauer in sein Exemplar und blätterte rasch weiter. "Hier steht, dass Doxyeieressenz für einen guten Wachstum garantiert", las Mariah vor, "aber es würde länger dauern ..." "Und höhere Dosen?", fragte Ron. "Nein, sonst gerät zu viel vom Gift in die Früchte." Harry seufzte und schlug sein Buch auf den Tisch, wobei die Schalen laut klirrten und Madame Pince aggressiv von ihrer Ecke aus zischte. "Ich finde auch, wir sollten morgen weitermachen. Immerhin haben wir doch das ganze Wochenende Zeit und dann auch nur eine Hausaufgabe. Die Lehrer sind wirklich gnädig heute", sagte Ron und gähnte. Mariah lächelte matt, legte nun auch ihr Buch zur Seite und streckte sich. "Na, fleißig?", ertönte auf einmal eine Stimme, gemischt aus Spott und neckischer Belustigung. Mariah drehte sich leicht nach hinten um und sah in Dracos Gesicht. Sofort fiel ihr die neueste Ausgabe des 'Tagespropheten' auf, die er bei sich trug. "Was willst du denn damit? Oder steht da etwas so Interessantes drin?" "Nicht wirklich", gestand Draco und in seiner Stimme schwang irgendwie ein Hauch von Enttäuschung. "Ich gebe sie nur ab für das Zeitungsarchiv hier." Harry und Ron sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Zum Nutzen der Schule musste ich das für meinen Vater tun - vorbildliches Verhalten", schnarrte Draco. Seine aufkommende Wut war unverkennbar. "Dann kannst du es doch nun lassen, jetzt wo du nicht mehr nach seinen Launen tanzen musst", meinte Ron schulterzuckend. Draco musterte ihn herablassend und verschwand auch schon wieder zwischen den vielen Bücherregalen. Ron schnaubte und sagte: "Tja, alte Angewohnheiten verbleiben wohl für immer. Genau wie seine Großkotzigkeit." Mariah trat Ron gegen das Schienbein, der daher empört aufkeuchte. Er hatte erneut vergessen, dass es nun nicht mehr angebracht war, unter seinen Freunden über Malfoy herzuziehen. "Ich glaube", begann Harry auf einmal eher unbeteiligt zu sprechen, "er hat darauf gehofft, etwas über die noch offen stehenden Strafen der Todesser zu lesen." Es war das erste Mal, dass seit dem Ereignis selbst die Verhandlung erwähnt wurde und dementsprechend verkramkpften sich Ron und vor allem Mariah. "Was glaubst du, wann die eigentlich feststehen?", fragte Ron. Harry zuckte mit den Schultern. Doch wie er den Rat erlebt hatte, würden sie sich schnell und hart entscheiden. "Wo bleibt denn nun Hermione?", entwich Mariah dem Thema und besah Hermiones Feuersamenschale. Im selben Moment hörten sie jemanden fluchend und von Madame Pince ermahnent aus der Bibliothek schreiten. Mit einem Blick zum Eingang stellten sie fest, dass es sich um Draco handelte. "Was hat den denn gebissen? Na egal, geht ihr beide doch schon mal hoch, wir finden hier heute eh nichts mehr Vernünftiges. Ich warte auf Hermione." Harry und Mariah nickten, griffen nach ihren Schalen und gingen los. Der Abend war nicht mehr ganz so jung und daher wirkten die Gänge nahezu wie ausgestorben. Als sie schließlich durch das Porträtloch in den Gemeinschaftsraum stiegen, kam ihnen sogleich sehr hastig ein blondes Mädchen, nur einen halben Kopf größer als Mariah, entgegen. "Harry, ich muss dringend mit dir reden!", sagte Katie Bell und Harry war sofort klar, dass sie wohl lange auf ihn gewartet hatte. Im Gemeinschaftseraum saßen nur noch einige Viertklässler am Feuer uns spielten Zauberschach. "Worum geht es denn?" "Um unsere Quidditchmannschaft - du hast ja sicher nicht vergessen, dass du als Kapitän sie wieder auffüllen musst -" Harry schluckte. Das hatte er fast vollkommen vergessen. Und sofort erkannte er schon das größte Problem bei dieser Sache. Fast das gesamte Haus war gegen ihn und würde es sich sicher zweimal überlegen unter seiner Führung in ein Team einzutreten. Sei es Quidditch oder sonst etwas anderes. "Äh ja", nuschelte er. "Du machst doch sicher wieder mit, oder?" "Natürlich", versicherte Katie lächelnd. "Doch musst du am besten bald ein Auswahlspiel machen, um neue Spieler zu finden -" "Wie wäre es mit morgen oder Sonntag?", schlug Mariah vor. "Das ist zu früh. Die Anwärter müssen sich erst etwas vorbereiten. Mach am besten morgen einen Aushang für nächstes Wochenende. Wenn es für dich in Ordnung ist, werde ich dafür sorgen, dass das Feld auch frei für uns ist." Harry nickte. "Ja, danke." "Alles klar, dann schlaf gut", sagte Katie und begab sich in den Schlafsaal der Siebtklässlerinnen. Harry drehte sich mit einem etwas nervösem Gesichtsausdruck zu Mariah. "Ich hätte das fast alles vergessen. Ich hoffe, dass sich überhaupt jemand in die Mannschaft trau -" Er stoppte sofort, als er Mariahs gesenkten Blick bemerkte. "Hey, was ist los?" Sie sah ihn an und er blickte seinem Spiegelbild in ihren wässrigen Augen entgegen. "Sie hat mich nicht mal angesehen. Und angesprochen hat sie nur dich", sagte sie leise. Harry wurde es flau im Magen. Er selbst hatte das abwärtende Verhalten sämtlicher Hogwartsschüler ignoriert, da er dies zu seinem Leidwesen schon oft erlebt hatte. Auch hatte Mariah bisher nicht ihrem Unmut wegen dieser schweren Situation Luft gemacht. "Mariah", flüsterte Harry und nahm sie in den Arm. "Zwischen euch beiden und allen anderen wird es sicher bald besser werden. Mit der Zeit müssen sie begreifen, dass die Weissagungen des Ministeriums absoluter Unsinn sind." Er löste sich von ihr und sah ihr noch einmal tief in die Augen. "Und außerdem bin ich, sind auch so viele von uns bei dir." Mariah nickte und schniefte. "Ich denke, ich gehe ins Bett", sagte sie, küsste ihn noch einmal kurz und und lief hinauf in ihren Schlafsaal. Auch Harry hielt die Müdigkeit nicht mehr lange vom Schlafengehen ab und kurz, bevor er sich dieser ganz ergab, hörte er noch, wie Ron mit schleifenden Schritten den Raum betrat und ebenfalls ins Bett ging. *** Kaum hatten sie ihr Frühstück hinter sich, waren Harry und Mariah am nächsten Tag schon zum Umziehzelt der Quidditchspieler von Gryffindor geeilt und beugten sich nun über die ausgebreiteten Spielzugpläne, die einst noch Oliver Wood zu seinen Zeiten als Hüter und Mannschaftskapitän gezeichnet hatte. Auf dem mittlerweile vergilbtem Papier flogen die roten Strichmännchen kreuz und quer in verschiedenen Formationen über das Feld. Zwei schwarze, sowie ein roter und ein goldener Punkt bewegten sich in verschiedenen Größen zwischen den Spielern. Harry war zwar bereits seit einem Jahr der neue Kapitän seines Hauses, hatte sich aber selten als solcher gefühlt. Die Strategien von früher waren kaum anders gewesen und bei einer vertieften Planung einer Spieltaktik hatten ihm immer Fred, George, Alicia, Katie und Angelina als die erfahrendsten Mitglieder des Teams beigestanden. Nun aber, wo er mehr oder weniger allein mit der Verantwortung dastand, wollte Harry beweisen, dass seine von Hogwarts nun abgegangen Freunde keinen Fehler gemacht hatten, ihn zum Kapitän ernannt zu haben. Er wollte eigene Taktiken entwickeln, wollte ein neues Trainingsprogramm mit Spielern durchführen, die er selbst beim Auswahlspiel am kommenden Wochenende aussuchen würde. Auch befand sich der noch vor dem Frühstück entworfene Aushang am schwarzen Brett im Gemeinschaftsraum. "Glaubst du, Ron wird erneut versuchen, ins Team zu kommen?", fragte Mariah. Harry sah sie von der Seite her an. Den ganzen Morgen lang war kein Wort über den gestrigen Abend gefallen. Trotzdessen hatte er sich den Vorfall mit Katie nochmal durch den Kopf gehen lassen und er verstand nun, dass die Ignoranz und das Misstrauen der Schüler sie nur in soweit verletzten, so lange sie mit diesen eine gewisse Freundschaft pflegte. Und in der ehemaligen Quidditchmannschaft war dies der Fall gewesen. "Ich denke schon, er hat sich ja gleich wie der geölte Blitz auf unseren Aushang gestürzt. Aber wenn ich so an das letzte Jahr denke ...", murmelte Harry, "... Ron ist einfach nicht in der Lage, vor viel Publikum zu spielen. Der Druck setzt ihm viel zu sehr zu." Mariah beobachtete nachdenklich die einzelnen Spieler auf der Zeichnung. "Vielleicht doch, wenn wir ihm nur den richtigen Posten geben ... einen, auf dem nicht so viel Druck liegt ..." Harry konnte sich nicht vorstellen, welcher Spieler im Team nicht weniger unter Druck stehen könnte. Auch er beobachtete nun die Spieler, wobei sich die drei Jäger den Quaffel bis zu den ebenso drei Torringen hin und her warfen. Der Sucher raste dem Schnatz hinterher und der Hüter bewachte eisern die Tore und die Treiber ... "Die Treiber", verstand Harry endlich, "du redest von den Treibern." Mariah nickte lächelnd und gluckste, als einer der Treiber einen Klatscher verfehlte und sich wegen dem ausgeholten Schwung seines Schlägers nun im Kreise drehte. "Ja, er müsste allein die Kameraden schützen. Und sicher wird es ihm gefallen, andere mit Klatschern zu beschießen." Harry wusste, dass sie auf die Slytherins anspielte. Er fragte sich bereits eifrig, wie Malfoy wohl selbst das Problem mit dem Team lösen wollte, wo viele der ehemaligen Spieler nun in Azkaban saßen. "Am besten schlagen wir es ihm schnell vor, so dass er sich vorbereiten kann", sagte Harry und rollte den Plan wieder zusammen. "Ja. Ich hoffe, wir bekommen diese Woche nicht zu viele Hausaufgaben auf. So kann ich mich auch auf die Auswahlspiele vorbereiten." Harry stutzte. "Warum solltest du?", fragte er. "Nun ja, auch die alten Teammitglieder müssen doch beweisen, dass sie in der Zwischenzeit nicht schlechter geworden sind -" "Rede doch keinen Unsinn", unterbrach Harry sie, "ich habe dich doch in den Ferien spielen sehen und du hältst den Quaffel immer noch so gut wie im letzten -" "Guten Morgen", erklang auf einmal eine sanfte Stimme. Harry und Mariah wandten sich ruckartig dem Jungen zu, der soeben das Zelt betreten hatte. Instinktiv trat Mariah einen Schritt zurück. "Ich habe am Aushang gelesen, dass am folgenden Wochenende die Auswahl neuer Quidditchspieler hier stattfindet", sagte Jason und musterte interessiert die vielen verschiedenen Besen von Sauberwisch Sieben bis Komet Zwei-Sechzig. "Und was willst du wissen?", fragte Harry in einem unangemessen gereizten Ton. Jason sah über diesen hinweg. "Ich wollte nur fragen, ob ich einen der Besen zum Üben benutzen dürfte. Ich selbst besitze leider keinen", bat er höflich. "Für welchen Posten bewirbst du dich denn?" Obwohl sich innerlich so alles in ihr sträubte, mit dem Jungen zu sprechen oder ihn anzusehen, verspürte Mariah auch irgendwie genau das Gegenteil und so war ihr diese Frage rausgerutscht. "Ich weiß noch nicht", antwortete Jason und sah sie schon wieder so eindringlich an ohne zu blinzeln. "Doch keine Angst, ich werde sicher nicht versuchen, dir den Posten der Hüterin streitig zu machen." Mariahs Gesicht erwärmte sich leicht. "Woher weißt du, dass ich -" "Es stand vor einiger Zeit im 'Tagespropheten'", erklärte Jason sein Wissen. "Dann glaubst du also doch alles, was in diesem Schund über uns steht." Diesmal war Harrys Ton besonders aggressiv gewesen. "Nein, natürlich nicht", sagte Jason und nickte zur Entschuldigung. "Daher frage ich auch lieber nach." "Sehr freundlich", erwiderte Harry barsch. Jason lächelte leicht. "Dürfte ich nun einen der Besen benutzen?", fragte er erneut. Es sah zuerst danach aus, als wollte Harry ihm das untersagen, doch dann zuckte er gleichgültig mit den Achseln, belehrte Jason darin, den Besen auch wieder ins Zelt zu bringen und verließ dieses schließlich. Mariah rannte ihm nach und holte ihn auf halbem Wege zum Schloss ein. "Warum warst du denn so hitzig zu ihm?", wollte sie wissen. "Er kennt uns nicht und da ist es doch normal, dass er nur aus den Zeitungen von uns weiß." Harry verstand ja selbst nicht, warum ihn alles an diesen Jungen so schnell aufbrausend werden ließ. War es die Tatsache, dass er einfach nichts von ihm wusste und nach Dumbledores Worten noch nicht einmal Fragen an ihnen stellen dürfte? Warum überhaupt? Oder waren es eher Mariahs neugierige Blicke, die ihm ganz und gar nicht von gestern an entgangen waren? "Irgendwie scheinen ihn alle an der Schule zu kennen", sagte er auf einmal, "doch ich habe noch nie von ihm gehört." Das war nichts Ungewöhnliches, wo er doch erst seit fünf Jahren von der Existens der magischen Welt wusste. "Hm", meinte Mariah nur dazu. Harry sah flüchtig zu ihr und erkannte in ihren grauen Augen schon wieder diesen nachdenklichen und verträumten Blick, der ihm so gar nicht passte. "Kennst du ihn?", fragte er sie frei heraus. Der trübe Blick verschwand abrupt und widerspiegelte nun einen tiefen Schreck. "Wie-wie bitte?", stotterte sie. "Ob du ihn kennst?" Das fragte sich Mariah selbst auch schon die ganze Zeit und daher antwortete sie leise: "Nein ... woher sollte ich ihn kennen? Ich hatte in den Jahren vor unserer Begegnung nicht gerade viel Kontakt mit Leuten meines Alters ..." Die letzten Worte hatte sie mit einer Bitterkeit in der Stimme ausgesprochen, die Harry sofort mit Scham befiel. Ihm war klar, würde Mariah Jason von früher kennen, hätte sie schon längst mit ihm über das vergangene Jahr gesprochen, in dem sie aus dem Gefängnis ihrer Vergangenheit geflohen war. Entschuldigend nahm Harry ihre kalte Hand und wollte gerade mit ihr weitergehen, als er Laura vor dem Portal des Schlosses stehen sah. Sofort beschleunigten die beiden Gryffindors ihre Schritte zu ihr. "Wolltest du mich wieder abholen?", fragte Mariah scherzhaft. Laura biss sich auf die Unterlippe. "Nein ... ich wollte eher schauen, ob sich hier draußen welche aus Slytherin rumtreiben", antortete sie und sah sich genau um. "Dumbledore hat den Schutzzauber um das Schloss aufgehoben und so könnten sie heimlich von hier abhauen." "Und wo bist du gestern in der Mittagspause gewesen? Und am Abend mit Draco?" "Wir waren bei Dad. Wir müssen ja regelmäßig berichten, wie es mit dem Haus läuft. Eine nervige Angelegenheit", gab Laura seufzend zu. Die drei Freunde begaben sich ins Schloss direkt in die Eingangshalle. "Macht Malfoy sich nun eigentlich auch daran, die Quidditchmannschaft wieder aufzubauen?", fragte Harry. Laura sah ihn verwirrt an, lächelte dann aber mitleidig. "Oh je", sagte sie, "von seinem Glück weiß er noch gar nichts. Na, das wird ja lustig werden ..." "Also nein", fasste Harry zusammen und malte es sich irgendwie schon aus beim ersten Spiel mit einem ganzen Team allein gegen Malfoy antreten zu müssen. "Ich denke, der einzige Antrieb für sie mitzumachen, wird sein, euch mit den Klatschern zu erschlagen und den Quidditchpokal zu erlangen. Doch einerseits werden sie nicht nach Dracos Pfeife tanzen ..." "So schlimm ist es?", fragte Mariah besorgt, obwohl sie selbst eigentlich auch nichts Anderes erwartet hatte. Laura nickte und murmelte: "Ich weiß gar nicht mehr, ob sie euch oder uns mehr hassen ..." "Wir sitzen halt nun alle im selben Boot", sagte Harry und klopfte Laura aufmunternd auf die schmale Schulter, was sie zu einem feinen Lächeln veranlasste. "Ist es noch immer nicht verheilt?", kam es von Mariah, die den Verband um Lauras rechten Unterarm betrachtete. Dieser war vor kurzem erst gewechselt worden. "Nein", bedauerte Laura, "ich denke, es hat mit irgendeinem Gift zu tun ..." "Geh doch in den Krankenflügel", schlug Harry vor und erinnerte sich schlagartig. "Apropos, hast du immer noch Kopfschmerzen, Mariah?" "Nein." Mariah war gerührt, dass Harry sich immer so liebevoll um sie kümmerte, doch störte es sie schon ein wenig, wegen jedem bisschen Schmerz bemuttert zu werden. Daher verschwieg sie ihm auch ihre unruhige Nacht. Ebenso auch die Tatsache, dass, seitdem sie das Zelt verlassen hatten, sich erneut ein gewisser Schmerz in ihrem Kopf bemerkbar machte. "Du hattest wieder Schmerzen?", fragte nun auch Laura und trat näher an ihre beste Freundin heran. Besorgt sah sie in die grauen verwunderten Augen, als wollte sie dort die Antwort auf ihre Frage ergründen. "Nur leicht", schwindelte Mariah. Sie merkte sofort, dass Laura ihr nicht glaubte; ihr konnte sie auch noch nie etwas vormachen. Doch zu ihrem Glück deckte Laura diese Lüge nicht auf und trat wieder zurück. "Nun gut", sagte sie, "ich gehe zurück zum Gemeinschaftsraum. Die ungern angenommene Pflicht ruft." Harry und Mariah grinsten sie noch einmal an, bevor sich die junge Slytherin von ihnen abwandte und bei der Großen Treppe die Stufen nach unten nahm. Umgeben von der Kälte und der Dunkelheit in den unterirdischen Gängen Hogwarts' blieb sie schließlich vor einer nackten, feuchten Steinwand stehen. "Basiliskenblick!", rief sie laut und eine in der Wand verborgene ebenso steinernde Tür öffnete sich. Sofort seufzte sie vor Erleichterung, da außer Draco niemand im Gemeinschaftsraum anwesend war. Er selbst saß, mit den Armen weit auf der Rückenlehne ausgestreckt, auf dem pechschwarzen Sofa und wirkte sehr erschöpft. Laura ging geradewegs auf ihn zu, setzte sich neben ihn und kuschelte sich an seine Schulter. "Haben die Drittklässler wieder Stress gemacht?", fragte sie. Draco massierte sich mit einem angespannten Gesichtsausdruck die Schläfe. "Ich schwöre dir, irgendwann hänge ich diesen Ian Plenton am Astronomieturm auf", murmelte er. "Von dort aus kann er so oft rumzetern wie er will ..." Laura lächelte mitleidig und mit einer schnellen Bewegung saß sie breitbeinig auf seinem Schoß. "Soll ich dir ein wenig Entspannung verschaffen?", flüsterte sie, bevor sie ihn zärtlich küsste. Dracos Hand strich sanft durch ihr schwarzes, langes Haar. "Gerne, aber nicht hier", erwiderte er grinsend. "Warum nicht?", erwiderte Laura amüsiert und bewegte leicht ihr Becken. "Das Sofa kommt mir auf jeden Fall bequemer vor als im letzten Jahr. Und wir können doch ruhig alle hier rauswerfen, die uns nerven ..." "Wozu habt ihr eurer eigenes Spielzimmer, wenn ihr es auch noch hier treibt?", erklang eine schnarrende Stimme. Laura seufzte genervt und drehte sich, ohne von Dracos Schenkeln runterzurutschen, um. "Wenn man vom Teufel spricht ... Parkinson ..." Leichter Zorn flackerte deutlich in den braunen Augen von Pansy auf. "Nur weil Snape sich als dein Vater herausgestellt hat und du als Potters neue Weggefährtin auch zu einem weiteren Liebling von Dumbledore geworden bist, heißt das noch lange nicht, dass du uns rumkomandieren und dich so erbärmlich an Draco ranschmeißen darfst!", zischte sie. Laura lächelte amüsiert. "Dieses Abzeichen hier und die Tatsache, dass ich auf seinem Schoß sitzen darf und nicht du, sagt mir, dass ich es doch darf", erwiderte sie. Pansy schnaubte und sah fast schon flehentlich in Dracos eher desinteressiertes Gesicht, als könnte sie irgendeine Unterstützung von ihm erwarten. "Verschwinde, Pansy", sagte er einfach nur ganz ruhig. Doch die dunkelhaarige Slytherin dachte gar nicht daran und schnaubte erneut. "Ich kann es einfach nicht glauben, dass du so tief gesunken bist, Draco ... dass du dich von so einer Schlamp -" "Ich rate dir, sofort diesen Raum zu verlasssen, Parkinson", warnte Laura sie in einem düsteren Ton, wobei auch ihre Augen sich verdunkelten, "ansonsten werde ich mit Gewalt dafür sorgen und glaube mir; dieses Mal werde ich richtig zutreten." Augenblicklich erbleichte Pansy, denn ihr war noch klar der Tritt von vergangenen Jahr in Erinnerung geblieben, der ihr fast das Genick gebrochen hatte. "Irgendwann wirst du es noch einsehen, Draco", nuschelte sie noch, bevor sie schleunigst den Gemeinschaftsraum verließ. Erneut seufzte Laura vor Erleichterung, dass sie nun endlich wieder allein waren, was Draco abermals zum Grinsen brachte. "Trotz allem durch und durch eine Slytherin", bemerkte er. Laura war nicht wirklich begeistert über dieses Kompliment und bestrafte ihn dafür mit einer weiteren Bewegung ihres Beckens, wodurch er leise keuchte. "Vergiss du mal lieber nicht, dass du bald unser Quidditchteam wieder aufbauen musst", erinnerte sie ihn. Dracos Augen wurden groß wie die eines Hauselfen nach ihren Worten. Folglich ließ er sich frustriert gegen die Sofalehne fallen. "Na toll ... muss dieser Scheiß wirklich sein?" "Ich denke schon", bedauerte Laura und strich leicht über seine Brust. "Dad würde es allein deswegen wollen, um noch ein wenig Ehre unseres Hauses zu retten." Draco lachte trocken. "In Slytherin gibt es keine Ehre mehr." Laura lehnte sich nach vorn zu seinem Gesicht. "Ich habe auch von Anfang an bezweifelt, dass es hier jemals Ehre gab." Draco hob amüsiert die Augenbrauen und zog Laura zu einem Kuss an sich. Gleichzeitig umfasste er ihre Taille und schubste sie scherzhaft und auch sanft von seinem Schoß zur Seite, um ihr keinen Spielraum mehr für Provokationen zu lassen. Bevor sie ihm einen kleinen Vergeltungstritt gegen den linken Schenkel verpassen konnte, hielt er ihre Knöchel fest. "Wir wollen doch jetzt etwa nicht Gewalt anwenden?", schmunzelte er. Laura lächelte versöhnlich und so dürfte sie ihre Beine über seine legen. "Hast du ihn denn nun draußen gesehen?", fragte Draco. Sofort verspannte Laura sich und ihr Lächeln verschwand abrupt von ihrem blassen Gesicht. "Ich weiß nicht", wisperte sie, "ich bin mir aber sicher, er ist nach dem Frühstück nach draußen gegangen, sowie auch Harry und Mariah." Draco streichelte ihre Knie und sah seine Freundin nachdenklich an. "Er sucht also wirklich so gut wie möglich ihre Nähe ... Wäre es nicht vielleicht doch besser, es ihr so schnell wir möglich zu sagen? Es ist doch beiden gegenüber eigentlich unfair ..." Laura schüttelte den Kopf. "Ich fürchte, das wird noch nicht einmal nötig sein", sagte sie. "Sie hatte wieder Kopfschmerzen ... es wird also nur noch eine Frage der Zeit sein ..." "So wie du mir eurer gestriges Gespräch geschildert hast, scheint er dir doch alles wahrheitlich erzählt zu haben. Warum willst du also nicht, dass sie sich wieder an ihn erinnert?", fragte Draco sie. Laura antwortete nicht und ließ ihn somit im Unwissen. *** "Treiber?", wiederholte Ron vollkommen verwundert. Harry und Mariah nickten heftig. Es war bereits Samstag Abend und da es draußen inzwischen zu regnen begonnen hatte, saßen die drei Gryffindors nun auf dem weinroten Sofa vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum. Um sie herum verteilt machten ihre Mitschüler Hausaufgaben oder unterhielten sich. "Aber warum unbedingt Treiber?", wollte Ron von seinen Freunden wissen. "Nun ja ... so bist du eigentlich noch am wenigsten dem Druck während eines Spiels ausgesetzt. Und denke mal daran, dass du dann die Slytherins mit den Klatschern bewerfen kannst, wenn wir gegen sie spielen", ermunterte Harry ihn. Ron ging in sich und er sah tatsächlich so aus, als würde ihm der Gedanke, einer der Treiber von Gryffindor zu werden, sehr gefallen. Auch wusste er selbst, wie auch Harry und Mariah, dass er unbedingt in die Mannschaft wollte. "Hmm, ihr habt Recht, das könnte ich hinbekommen", sagte er. Mariah lächelte erfreut. "Dann müssen wir nur noch einen zweiten Treiber finden, mit dem du auskommst und gut spielen kannst. So ein gutes Gespann wie Fred und George finden wir sicher nicht mehr aber -" "Ich hörte, dass Robert Eggan aus der vierten Klasse daran interessiert ist, Treiber zu werden", wurde sie von Ginny unterbrochen, die sich auf einen der beiden Sessel bei ihnen niederließ. Dabei überschlug sie ihre Beine, wobei ihr die Knappheit des Rockes erneut fast zum Verhängnis wurde und Harry wie auch ihren Bruder leicht erröten ließ. "Ich kenne keinen Eggan", presste Ron hervor, "und ich ermahne dich noch einmal, nicht an deiner Schuluniform rumzuzaubern." "Kein Wunder, wenn du dich nicht gerne mit 'Zwergen' abgibst." Nach diesen scharfen Worten verschränkte Ginny auch ihre Arme vor der Brust. "Und hör auf, mir etwas vorzuschreiben; du bist nicht meine Mutter und Hermiones Art steht dir selbst gar nicht." "Ich bin dein Bruder!", erinnerte Ron sie überflüssigerweise. "Oh, das habe ich all die Jahre ja gar nicht bemerkt", erwiderte Ginny im sarkastischen Ton. "Wirst du auch versuchen, ins Team zu kommen?", fragte Harry sie, um den Streit der beiden Geschwister zu beenden. Sein Einsatz lohnte sich auch, denn Ginnys grimmiges Gesicht entspannte sich sogleich, als sie ihm antwortete. "Ja, ich würde gerne versuchen, eine Jägerin zu werden." "Das schaffst du bestimmt", sagte Harry, denn sie hatte schon oft beim Fuchsbau mit ihm und ihrem Brüdern Quidditch gespielt und dabei ein gewisses Talent bewiesen. "Rede ihr lieber nicht allzu gut zu", flüsterte Ron ihm zu. "Ihr ausgeartetes Selbstbewusstsein tut ihr schon so nicht gut -" "Sprich gefälligst selbst mit mir, wenn du schon über mich herziehst, Ron!", giftete Ginny ihn an. "Und du zick hier nicht so rum!" "Jetzt beruhigt euch doch mal!", fuhr Mariah beide an und nicht nur sie, sondern wohl fast jeder im Gemeinschaftsraum zuckte zusammen. "Wenn ihr euch weiterhin so aufführt, kann nur einer von euch ins Quidditchteam, denn so ein Klima können wir dann kaum gebrauchen", fügte Mariah noch hinzu, die die Stille um sich herum schleunigst verdrängte. Harry nickte zustimmend. "Mariah hat Recht. Ich möchte auch nicht, dass ihr euch während des Trainings oder gar eines Spiels an die Gurgel springt." Ginny zuckte lustlos mit den Achseln und begab sich wieder zu Dean, der soeben mit Seamus Zauberschach spielte. "Wenn dich ihr Benehmen so sehr nervt, schreib doch eurer Mutter", meinte Harry. Ron schüttelte seinen roten Schopf. "Nein, sonst wirft sie mir zeitgleich vor, mich nicht gut genug um das Gegenteil zu bemühen. So was Dummes, das Fred und George die Schule bereits abgeschlossen haben; sie hätten Ginny sicher im Griff gehabt." "Was machen die beiden jetzt eigentlich?" fragte Mariah. "Sie haben doch ihre U.T.Z.s in den Sommerferien nachgeholt, oder?" "Nur weil Mum es so wollte, denn sie haben sich ja inzwischen ganz ihren Scherzartikeln gewidmet. Ich glaube, im Herbst wollen sie ihren kleinen Laden in Hogsmeade eröffnen." "Da müssen wir unbedingt hin", legte Harry fest, denn das wollte er sich sicher nicht entgehen lassen. "Ich frage mich aber noch immer, wie sie das alles überhaupt finanziert haben", murmelte Ron und sah ziemlich nachdenklich ins Feuer. Harry kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Er hatte seinen beiden besten Freunden noch immer nichts davon erzählt. "Aber Harry hat ihnen doch das Preisgeld vom Trimagischen Turnier dafür gegeben", sagte Mariah, welche zutiefst verwundert war, warum Ron das nicht wusste. Doch als sie Harrys entsetzte Miene sah, wusste sie warum. Ron sah seinen besten Freund völlig verwirrt an. "Wie bitte? Du hast ihnen das Geld gegeben?" Harry nickte vorsichtig. "Mensch, warum hast du mir das nie gesagt?!" Ron klang nicht wütend, eher etwas beleidigt. "Fred und George wollten nicht, dass eure Mutter irgendwie davon erfährt und so wollte ich lieber dichthalten. Sie haben mich auch nicht darum gebeten oder so, ich habe es ihnen regelrecht in die Hand gedrückt." "Tausend Galleonen in einen Scherzartikelladen investiert ...", brabbelte Ron und versuchte sich die vielen goldenen Münzen bildlich vorzustellen, "das hätte Mum ganz sicher nicht zugelassen." Er drehte sich nun wieder zu Mariah um. "Und warum weißt denn du davon?", fragte er. "Harry hat es mir in den Ferien erzählt, als er mir das Trimagische Turnier genau schilderte", antwortete Mariah. Sie sah nun zu der Uhr über den Kamin auf und erhob sich. "Wo willst du hin?" "Zu Remus und Sirius; ich habe seit vorgestern kaum mit ihnen gesprochen. Kommst du mit?", fragte sie Harry. Bevor Harry jedoch antworten konnte, betrat Neville Longbottom den Gemeinschaftsraum und ging direkt auf die drei zu. "Ähm, Hermione möchte euch beide in der Bibliothek sehen", nuschelte dieser und sah Harry und Ron unsicher an. Harry war zutiefst verwundet, doch Ron nickte. "Gut, danke, Neville. Vergiss nicht, du wolltest mir noch sagen, wie du das mit den Feuersamen geregelt hast", erinnerte Ron ihn, als der pummlige Junge sich sofort wieder entfernen wollte. "Äh, ja, okay", antwortete dieser und ging hoch zu den Schlafsälen. "Wenn das Hermione wüsste", sagte Mariah grinsend. "Aber warum will sie nur euch sehen?" Harry zuckte mit den Schultern. "Grüß bitte Remus und Sirius von mir, ja?", bat er sie und machte sich dann mit Ron auf den Weg zur Bibliothek. Es war kurz nach acht, als sie diese erreichten und Madame Pince empfing sie bereits am Eingang mit einem grimmigen Blick. "Wir schließen gleich", knurrte sie. "In einer halben Stunde", sagte Ron und deutete auf die goldenen Lettern der Öffnungszeiten an der Tür. Madame Pince knurrte erneut und ließ sie eintreten. Zielbewusst lief Ron zwischen den hohen und vollgestellten Regalen durch; Harry folgte ihm eilig. Hermione fanden sie schließlich nahe der verbotenen Abteilung vor an einem großen Tisch, auf dem unzählige Zeitungen ausgebreitet lagen. "Ah, da seid ihr ja", sagte Hermione. "Kommt, setzt euch." Beide folgten ihrer Bitte und bevor Harry einen genaueren Blick auf die Artikel werfen konnte, sprach Hermione ihn an. "Harry, wie du siehst, habe ich gestern und heute nicht nach den Seelenpeinigern geforscht ..." Harry nickte langsam und entdeckte direkt vor sich einen Artikel, der wiedderrum zum größten Teil aus einem Bild bestand, auf dem das Dunkle Mal über einem Haus aufstieg. "Ich habe mich stattdessen ein wenig über unseren neuen Mitschüler schlau gemacht." Harry sah irritiert zu ihr auf. "Jason Flemming?", fragte er, worauf Hermione nickte. Nun warf Harry erneut einen Blick auf die Zeitungen und ließ ihn hektisch von einer zur anderen wandern. Was war dieser Jason bitte für eine Person, dass in all diesen Ausgaben des 'Tagespropheten' etwas über ihn zu lesen war? Wussten daher fast alle seine Mitschüler in einem bestimmten Maße über seine Identität Bescheid? "Und ... was hast du über ihn erfahren?" Seine Stimme schwankte vor Neugier. "Eher etwas über seinen Vater, weswegen ich überhaupt erst auf die Idee kam, in alten Zeitungen nachzuschlagen." Hermione griff nach einem der Artikel, in welchem das Bild eines ungefähr vierzigjährigen, etwas kräftig gebauten Mannes mit einem kräuseligen, braunen Bart abgebildet war. Darunter stand in geschwungenen Lettern der Name. "Fenrad Flemming?", las Harry unwissend vor. "Wer soll das sein?" "Wer das sein soll?", wiederholte Ron ungläubig. "Er war nach Moody der beste Auror des Ministeriums. Pro Tag hat er mindestens einen Schwarzmagier an Azkaban ausgeliefert. Vor ihm hatte so fast jeder Muffensausen, der auch nur einen bösen Fluch ausgesprochen hatte. Jedoch soll er sehr verrückt gewesen sein. Ist wohl so üblich unter Auroren." "Wenn du selbst bereits so gut über den Vater informiert bist, warum hast du mir das nicht schon am Donnerstag erzählt?", fragte Harry im leicht verärgerten Ton. Ron zuckte mit den Schultern. "Nun ja, du hast nicht danach gefragt." Harry verdrehte die Augen. "Wie auch immer. Was meintest du überhaupt mit 'er war'? Ist er tot?" "Ja", antwortete Hermione und deutete auf den Artikel mit dem Dunklen Mal vor Harry. "Er wurde von Todessern ermordet." Harry überflog hastig den ersten Teil des Artikels, wober er rausfand, dass Fenrad Flemming am einundzwanzigsten März 1991 von unbekannten Todessern mit dem Todesfluch getötet worden war. Hermione zog einen weiteren Artikel zu sich heran. "Und was Ron in punkto Verrücktheit erwähnte ..." Sie gab Harry den Artikel. "... Flemming soll angeblich wahllos Hexen und Zauberer exekutiert haben, bei denen es nicht einmal sicher war, ob sie überhaupt Schwarzmagier waren oder nicht." 'Flemming - Held oder Henker?' hieß die Überschrift des Artikels. Auf dem dazugehörigen Bild sah man Flemming, wie er mit einem Siegeslächeln neben einer kopfüber aufgehängten Hexe posierte. "Da dies gegen die Vorschriften des Ministeriums verstößt", fuhr Hermione mit leiser Stimme fort, "soll er auch andere Auroren bestochen oder bedroht haben, seine Vorgehensweisen nicht auffliegen zu lassen." Nun griff Harry selbst nach einem Artikel, dessen Überschrift 'Stürmung einer Todesserfeier - das Schweigen der Lämmer' lautete. Er keuchte erschrocken, als er auf dem Bild in das Gesicht eines toten Kindes sah, auf dessem Schulter der Kopf eines Lammes gezeichnet war. "9. September 1985", las er innerhalb des Artikels vor. "Moment mal ... dieses Datum kam doch in der Verhandlung vor!" Hermione nickte und wirkte sehr angespannt. "Ja, an diesem Tag stürmten sämtliche Auroren eine private Feier ehemaliger Todesser, die ihre Kindersklaven bei sich hatten ..." Nun erinnerte sich Harry wieder vollkommen an die schrecklichen Aussagen von Laura und Mariah betreffend dieses Tages. "Und Fenrad Flemming war dabei?" "Ja, er war einer der beauftragten Auroren. Und das Datum wurde so oft in der Verhandlung aufgegriffen, da noch immer darüber diskutiert wird, ob Flemming einfach so Todesflüche auf die ... Lämmer abgeschossen hat oder nicht. Er hat offenbar alles verabscheut, was auch nur in geringster Weise mit den Todessern zu tun hatte ..." Ein bedrücktes Schweigen folgte, wobei Harry noch immer auf das tote Kind starrte. Die Schilderungen von Mariah nun in solcher Form vor sich zu haben, nahm ihn sehr mit. Hermione räusperte sich und wies erneut auf den Artikel mit dem Dunklen Mal hin. "Wie ich schon erwähnte, wurde sein Vater von Todessern getötet. Jedoch nicht bei irgendeinem Einsatz; sie sind in sein Haus eingedrungen. Sicher wollten sie sich an ihm rächen, denn er war ja immerhin einer der gefährlichsten und - sollten die Gerüchte stimmen - brutalsten Auroren. Seine Mörder konnten nie gefunden werden." "Deswegen sind wohl auch alle Slytherins so bleich geworden, als Dumbledore den Namen 'Flemming' aussprach", vermutete Ron. Harry erinnerte sich noch gut daran, dass so ziemlich jeder in der Großen Halle am betreffenden Abend zusammen gezuckt war. So viele schenkten diesen Gerüchten also Glauben. "Und was ist nun mit Jason?", wollte er nun endlich wissen. Eine weiterer Artikel wurde ihm zugeworfen und Harry sah auf dem Bild dazu in die braunen Augen eines Jungen von wohl zehn oder elf Jahren. Trotz des Altersunterschiedes erkannte er diesen Jungen sofort als Jason Flemming. Er sah nicht von dem unschuldigen Gesicht auf, als Hermione weitersprach. "Er war bei diesem Angriff im Haus und wurde höchstwahrscheinlich von den Mördern - also den Todessern - entführt. Nach V-Voldemorts erstem Untergang suchte man noch lange nach ihm, bis die Suche aufgegeben und er für Tod erklärt wurde ..." Eine erneute Stille folgte, die Madame Pince wohl für vorbildlich erklärt hätte. Harry blickte noch immer in die Augen des kleinen Jungen, die ihn irgendwie in einen unbekannten Bann zogen. "Aber er lebt", flüsterte er und legte den Artikel außer Sichtweite, um diesem Blick zu entgehen. "Was könnten die Todesser mit ihm gemacht haben, dass er noch lebt?" Erst jetzt sah er seine beiden Freunde an, die sich selbst einen nachdenklichen Blick zuwarfen. "Ich bin mir da auch unsicher", gab Hermione zu. "Habt ihr ihn schon mal nackt gesehen?" Harry und Ron starrten sie ungläubig an. "Bitte?!", zischte Ron und Hermione bat ihn mit einer Geste, nicht so laut zu sein. "Ich meine eher damit, ob ihr auf seinem Körper irgendein Zeichen gesehen habt? Ein Lammtattoo oder ... ein Dunkles Mal ..." Die beiden Jungen verneinten. "So weit kam es noch nicht", meinte Harry. "Er ist eigentlich fast immer allein unterwegs. Du vermutest also, dass er entweder eines dieser ... Lämmer oder ein Todesser ist?" "Sonst kann ich mir nicht erklären, warum er trotz der Entführung durch die Todesser noch lebt. Damals noch zu V-Voldemorts Zeiten wurden besonders viele Kinder entführt und entweder in reinblütigen Familien als aufgenommene Söhne und Töchter oder als eines der misshandelten Sklaven gefunden. Viele gelten bis heute noch als verschollen. Und nach V-Voldemorts Untergang ging dies noch einige Zeit so weiter." "Aber wenn er ein Todesser wäre, hätte Dumbledore ihn doch nie hier nach Hogwarts kommen lassen", meinte Ron. "Er hat Mariah und Laura - obwohl er sie verdächtigte - auch hier aufgenommen", hielt Hermione dagegen. "Aber Dumbledore hat ausdrücklich darum gebeten, dass keine Fragen zu Jasons Vergangenheit gestellt werden. Also weiß er über sie auch Bescheid", sagte Harry. Hermione nickte. "Und daher bin ich mir fast sicher, dass Jason eines der Lämmer war, sonst würde Dumbledore ihm eine solche Fragerei kaum ersparen wollen." "Aber das hieße ja ..." Ron schien ein Licht aufzugehen. "... Dann müssten doch vielleicht Laura und Mariah ihn kennen oder von ihm wissen!" Harry erschauderte schlagartig, als ihm klar wurde, dass diese Überlegung ganz und gar nicht soweit hergeholt war. "Eben das ... habe ich mir auch schon überlegt. Doch es sah für mich nicht so aus, als würden die beiden ihn kennen oder er sie", sagte Hermione. "Ich habe Mariah heute morgen gefragt, ob sie ihn kennt", gab Harry nachdenklich preis. "Doch sie sagte, sie kennt ihn nicht." Hermione war verwundert. "Du hast sie gefragt? Hattest du denn einen Verdacht?" Harry erinnerte sich noch gut, wie er sich dabei geschämt hatte, Mariah durch diese zarte aber doch vorhandene Eifersucht eine solch dumme Frage gestellt zu haben. "Nicht wirklich", antwortete er daher. Hermione sah ihn eindringlich an. "Harry, du hast Jason doch vorgestern nicht umsonst gefragt, ob er denjenigen gesehen hat, der den Waggon abgekoppelt hat ... Du glaubst, dass er es war, nicht?" Nicht nur Harry sah sie ein wenig entgeistert an, auch Ron schien sich an diese Situation zu erinnern. "Äh, nun ja ..." Harry wusste nichts darauf zu erwidern. "Das ist kein Vorwurf, Harry", beruhigte Hermione ihn. "Ich finde es auch sehr verdächtig, dass ausgerechnet er sich mit uns im Waggon aufhielt. Dennoch hat er Mariah gerettet ... und sich außerdem selbst in Gefahr begeben ..." "Und zudem vertraut Dumbledore ihm wohl", fügte Ron hinzu. "Und egal, ob es uns passen will oder nicht; alle, denen er vertraut, haben uns schon einmal geholfen und sind offensichtlich gut." Seine Zurückhaltung galt natürlich Snape. "Jaah", sagte Harry, doch etwas tief in seinem Inneren sträubte sich gegen die Tatsache, dass Jason Flemming offenbahr keine Gefahr darstellte. "Hast du denn schon Laura wegen ihm gefragt?" "Was gefragt?" "Ob sie ihn kennt?", half Hermione ihm auf die Sprünge. Harry schüttelte den Kopf. "Warum sollte ich, wo doch schon Mariah ihn nicht kennt?" "Du weißt, dass das nichts heißen muss, wo doch an ihrem Gedächtnis rumgezaubert wurde ..." Das war Harry beinahe entgangen. Als Mariah am gestrigen Abend Laura gesucht hatte, waren Hermione und Ron sofort mit der Frage, was denn nun mit Mariah während der Verhandlung passiert war, zu ihm gekommen. Grob hatte er ihnen dann auch alles erzählt. "Aber Laura sagte mir, ihre Mutter hätte Mariah nur die Erinnerung an den ... Tod von Allmewa genommen", erinnerte er sich. "Du sagtest auch", meinte Hermione, "dass sie Gedächtniszauber nicht gerade gut beherrschte. Es könnten also andere Erinnerungen davon betroffen worden sein ..." "Oder sie kennt ihn einfach nicht." Hermione beachtete Ron nicht und dachte weiter nach. "Vielleicht sollten wir ihn einfach persönlich fragen ..." "Unmöglich", sagte Ron. "Erst vorhin haben einige Mädchen aus der fünften Klasse ihn ausgefragt über die letzten Jahre und er hat eisern abgeblockt." "Dann müssen wir eben Laura fragen. Am besten morgen früh", beschloss Harry. Hermione wirkte unsicher. "Und falls Mariah wirklich etwas weiß? Dann wäre es doch unfair, hinter ihrem Rücken mit Laura über -" "Aber sie sagte ja nichts dazu. Und dabei wollen wir es doch wissen, ob sie sich kennen, oder etwa nicht?", fragte Ron. Harry und Hermione nickten. "Jetzt aber raus mit Ihnen!", herrschte Madame Pince sie schließlich an und scheuchte sie regelrecht aus der Bibliothek. *** Der Weg vom Gemeinschaftsraum zu Remus' Büro war nicht weit und so hatte sich Mariah kaum Gedanken darüber machen können, warum Hermione nur Harry und Ron zu sich in die Bibliothek gebeten hatte. An den Steinwänden flackerte zart das Feuer und warf in jeden Winkel der Gänge lange Schatten. Ebenso hallten laut ihre Schritte, bis sie vor der gesuchten Holztür stehen blieb. Zaghaft klopfte sie an und presste ihr Ohr dagegen. Als kein Wort des Einlassens ertönte, klopfte sie erneut an und in diesem Moment flog rasch eine kleine eingerollte Notiz durch das Schlüsselloch hinaus direkt in Mariahs Hände. Verwundert las sie, was auf dem kleinen Blatt Pergament in Remus feiner Schrift stand: Zaghaft und erfreut Mariah, wie du siehst, bin ich gerade nicht da, sondern im Ministerium. Sirius ist unten bei Hagrid, um ihm ein wenig zu helfen. Morgen nach dem Frühstück können wir uns ja mal wieder ausgiebig unterhalten. Liebe Grüße, Remus. Ein leises 'Puff' und die Notiz verschwand, nachdem Mariah zu Ende gelesen hatte. Verwundert über die ersten Worte am Anfang klopfte sie noch einmal an; diesmal hart und im guten Takt. Eine weitere Notiz zischte durch das Schlüsselloch. Hart und doch elegant Severus, solltest du dich nun doch dazu entschieden haben, mir zur Vorsicht wieder den Wolfsbanntrank zu brauen, so danke ich dir. Gruß, Remus Lupin. Zu Mariahs Schreck verschwand auch diese Nachricht. Ein Zauber erkannte durch die Art des Klopfens also, um wen es sich handelte und ließ somit die zutreffende Notiz erscheinen und schließlich verschwinden. Sie hoffte um alles in der Welt, dass, sollte Snape tatsächlich noch an diesem Abend an der Tür klopfen, die Nachricht für ihn noch einmal erscheinen würde. Als diese Sorge überwunden war, dachte Mariah über die Nachricht an sie selbst nach. Warum war Remus denn schon wieder im Ministerium? Noch vor kurzem hatte er sich um die Formalitäten ihres Aufenthaltes gekümmert, doch war das denn nicht schon längst geklärt? Diese Frage würde sie ihm am nächsten Tag zum vorgeschlagenen Gespräch stellen. Enttäuscht machte sie sich wieder auf den Rückweg zum Gryffindorturm. Sie hatte so sehr das Bedürfnis gehabt, vor allem mit Remus über ihren Kummer, ausgelöst durch die Ausgeschlossenheit, zu reden. Im Gegensatz zu Harry schätze sie es an ihm, dass er gelernt hatte, sie nicht ständig zu umsorgen. Er gab ihr das Gefühl, auch etwas unabhängig sein zu können. Auf dem Weg zur Großen Treppe begegnete sie niemandem und umso mehr erschrak sie, als sie auf einmal Schritte hinter sich vernahm. Sie wandte sich um, sah dennoch niemanden und glaubte daher, aufgrund des Halls im Schloss sich bloß verhört zu haben. Bald war sie sich jedoch sicher, ihr Gehör konnte sie nicht dreimal trügen und sie rannte automatisch schneller. Ebenso beschleunigte ihr unbekannter Verfolger, war aber noch immer nicht zu sehen, als sie sich erneut umdrehte. So sah sie auch nicht denjenigen, in den sie schließlich genau auf der Goßen Treppe reinrannte. "Wah!" "Huch! Nicht so stürmisch!", erklang eine amüsierte und bekannte Stimme. Der Verfolger war vergessen und ihr Herz schlug allein deswegen so schnell weiter, da sie die Stimme von Jason Flemming sofort erkannte und nun in seine warmen, braunen Augen sah. Seine Hände hatten ihre Oberarme umfasst, da sie bei dem Zusammenprall fast nach hinten gestürzt wäre. "Hey, alles in Ordnung?", fragte Jason sie, da sie noch immer nichts gesagt, sondern ihn einfach nur angestarrt hatte. "Äh, ja", brachte Mariah hervor, als der Schreck verflogen war. Jason ließ sie los. "Warum hattest du es denn so eilig?", fragte er sie. Das Herzklopfen normalisierte sich langsam wieder und Mariah entsinnte sich über die letzten Minuten. "Ich ... irgendwer hat mich verfolgt ... denke ich", antwortete sie unsicher und sah noch einmal vorsichtig hinter sich. Doch auch diesmal offenbarte sich ihr keine Person. "Hmm, dann gehen wir doch besser zurück zum Gemeinschaftsraum, oder?" Mariah drehte sich wieder zu ihm um. "Und ... was machst du um diese Zeit noch hier draußen?", wollte sie wissen. Ihr Herz schlug erneut ein wenig schneller, als dieser rätselhafte Junge sie anlächelte und schon wieder kehrten diese heftigen Kopfschmerzen zurück. "Ich wollte der Fülle des Gemeinschaftsraums ein wenig entgehen. Und du?" "Ich wollte mit Professor Lupin reden." "Ah ja, du lebst doch mit Harry Potter bei ihm, oder?" Mariah nickte und war verwundert über diese Neugier. Es war dennoch eine ihr angenehme Neugier, ohne provozierenden Unterton. Und in genau diesem Moment fiel ihr etwas Wichtiges ein, was noch, bevor sie in Hogwarts angekommen waren, sehr an ihr genagt hatte. "Ich ...", begann sie leise und sah zu Boden, "vie-vielen Dank, dass du mich im Waggon gerettet hast ..." So sehr hatte es sie mitgenommen, dass ein junger Mensch und auch noch ihr Retter vermutlich bei der Explosion des Waggons umgekommen war. Gemischt mit Trauer und noch dazu das schreckliche Gefühl, gleich einem schlechten Gewissen, sich nicht einmal bei ihm für die Hilfe bedankt zu haben. Er sagte nichts, weswegen sie schließlich verwundert zu ihm aufsah und zu ihrem Ärger leicht errötete, da er sie als Antwort schon wieder anlächelte. "Es war selbstverständlich", flüsterte er, "und dazu ja nicht das erste Mal, dass ich dir das Leben gerettet habe ..." Mariah wusste nichts mit diesen seltsamen Worten anzufangen und bei dem Versuch, deren Bedeutung zu ersuchen, überfiel sie die größte Schmerzwelle seit Donnerstag Abend. Sie hielt sich benommen die Stirn und wäre fast die sich nun bewegende Treppe hinuntergestürzt, wenn sie nicht jemand von hinten an den Schultern festgehalten hätte. Ihr Bewusstsein ging beinahe verloren und sie erkannte deutlich, dennoch wie weit entfernt, Lauras Stimme. "Was hast du getan?! Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen!" Laura klang zutiefst verärgert und hielt ihre beste Freundin halb in ihren Armen. "Sie ist in mich reingelaufen", verteidigte sich Jason mit ruhiger Stimme. "Das stimmt", murmelte Mariah, ihre Schmerzen waren noch immer unvorstellbar stark. Lauras Atem stockte, offenbar hatte sie erwartet, das Mädchen in ihren Armen wäre ohnmächtig. "Mariah", hauchte sie, "kannst du aufstehen?" Mariah nickte und ließ sich von Laura aufhelfen. Ihr Blick war sehr verschwommen und ansonsten konnte sie nicht wirklich realisieren, was um sie herum vor sich ging. "Ich bringe sie zum Gemeinschaftsraum", sagte Jason und umfasste sanft Mariahs Arm, doch Laura schubste ihn grob weg. "Nein!", zischte sie. "Ich bringe sie in den Krankenflügel und du gehst zurück zum Gryffindorturm!" Es folgte kein Widerspruch und so fühlte Mariah nur noch Lauras eisernen, aber doch vorsichtigen Griff, der ihr dazu verhalf, zwei Stockwerke nach oben zu steigen und was anschließend im Krankenflügel geschah, nahm sie aus Schwäche und Schmerzen nicht mehr wahr. *** "Was soll das heißen, sie lag nicht in ihrem Bett?", fragte Harry vollkommen verwirrt. Diese seltsame Antwort hatte Hermione ihm soeben gegeben, als sie am Sonntag Morgen allein die Treppe in den Gemeinschaftsraum runtergelaufen war. Ihren Worten nach, war Mariahs Bett von gestern an, nachdem Hermione ihren beiden Freunden ihre Nachforschungen über Jason Flemming vorgeführt hatte, bis zum Morgen hin unberührt. So hatte sie die Nacht also nicht im Mädchenschlafsaal verbracht. "Beruhige dich, Harry", sagte Hermione, "es gibt sicher eine Erklärung dafür." "Vielleicht ist sie ja bei Remus über Nacht geblieben. Zu ihm wollte sie doch gestern", fiel es Ron und somit auch den anderen beiden wieder ein. Auf dieses Stichwort hin machten sie sich sofort auf zu Remus' Büro, an dessen Tür Harry ungeduldig klopfte. Vor seinem inneren Auge sah er wieder die völlig verzweifelte Mariah, welche allein den Wunsch hegte, für immer zu verschwinden, wie noch vor einigen Nächten in ihrem Haus... Er sah erwartungsvoll auf, als sich die Tür öffnete und ein etwas verschlafener Remus vor ihnen in einem eilig übergezogenen braunen Mantel stand. "Ich sehe euch immer gerne", murmelte er lächelnd und gähnend zugleich, "aber euch ist doch sicher klar, dass es acht Uhr morgens und auch noch Sonntag ist." Um Laura so früh wie möglich aufzusuchen, hatten sich die drei Gryffindors dazu entschlossen, um diese Zeit schon aufzustehen. Doch Mariahs Verschwinden ließ sie dieses Vorhaben nun erst einmal vergessen. "Ist Mariah über Nacht bei dir geblieben?", fragte Harry sofort. "Mariah?" Remus war zutiefst durcheinander. "Sie wollte doch gestern zu dir -" "Und sie war über Nacht nicht in ihrem Bett", fügte Hermione hinzu. Als sich auch auf dem Gesicht des Mannes Sorge ausbreitete, war ihnen seine Antwort klar. "Wenn sie gestern hier war", sagte er, "dann hat sie mich nicht angetroffen. Ich war im Ministerium und Sirius unten bei Hagrid. Das habe ich auch auf eine Nachricht für sie geschrieben, da ich mir schon dachte, sie würde irgendwann kommen." "Wo ist Sirius?", fragte Harry. "Vielleicht hat er sie ja gestern noch gesehen." "Im Krankenflügel. Hagrid und er waren im Verbotenen Wald, um seltene Heilkräuter für Madame Pomfrey zu finden", antwortete Remus. Ohne ein Wort des Abschieds rannte Harry los, dicht gefolgt von seinen Freunden, die große Probleme damit hatten, mit ihm Schritt zu halten. Die Große Treppe war an diesem Morgen besonders launisch; Ron fiel in zwei Trickstufen und die einzelnen Treppen schwenkten immer in die falsche Richtung. Als sie jedoch endlich vor dem Krankenflügel ankamen, riss Harry die Tür auf und entdeckte sofort Sirius, der sich mit Madame Pomfrey unterhielt. "Sirius!", rief Harry augenblicklich. "Seien sie gefälligst ruhig, Mr. Potter!", zischte die Krankenschwester ihn wütend an. "Oder wollen sie etwa Miss Riddle in aller Früh aufwecken?!" "Was?", hauchte Harry atemlos und blickte entsetzt zu dem hintersten Krankenbett, auf welchem wahrhaftig Mariah lag und schlief. "Oh Gott ..." Harry näherte sich ihr mit schnellen Schritten und musterte sie besorgt. "Warum um Himmels Willen liegt sie hier?", wollte er wissen. Sirius trat wie auch Ron und Hermione ans Bett heran und legte die Hand auf Harrys Schulter. "Poppy erzählte mir gerade, sie wurde gestern Abend mit schlimmen Kopfschmerzen hergebracht und ist dann schließlich in Ohnmacht gefallen ...", murmelte er mit rauer Stimme. Sanft strichen Harrys Finger über Mariahs heiße Stirn. Obwohl die Tatsache, dass sie hier lag, so viel schlimmer war, so war er froh, dass sie doch nicht weggelaufen war. Denn seit er nach der Sache mit Katie Bell den Kummer in ihrem Gesicht gesehen hatte, so war ihm der letzte Abend daheim nicht mehr aus dem Kopf gegangen. "Wer hat sie denn hierhergebracht?", fragte Hermione an Madame Pomfrey gewandt. "Eine Slytherin - oh ja, es war Miss Laison", erinnerte sich die Frau wieder. Harry, Ron und Hermione tauschten sich bestürzte Blicke aus. "Hat sie gesagt, warum Mariah Schmerzen hatte?" "Nein", antwortete Madame Pomfrey auf Harrys Frage. Der Gryffindor wandte sich nun von Mariah ab und sah seine beiden Freunde eindringlich an. "Sagt Remus Bescheid, ich suche Laura", sagte er. Ron und Hermione nickten, Sirius wunderte sich eher über diese Entschlossenheit in Harrys Stimme. "Habt ihr einen Verdacht?", fragte er daher. Harry überließ seinen Freunden das Antworten und verließ eilig den Krankenflügel. Sein Wunsch, Laura zu finden und ihr endlich all die Fragen zu stellen, die ihn sogar bis in die Träume mit all den Bildern von Hermiones rausgesuchten Zeitungsartikeln verfolgt hatten, war nun nicht mehr zu unterdrücken. Es war solch ein Drang wie damals, als Mariah während der Verhandlung zusammen gebrochen war, und ihn all diese schrecklichen Fragen gequält hatten. Wie Remus gesagt hatte, es war sehr früh und so war Harry sich sicher, dass Laura und Malfoy noch in ihrem Geheimraum waren. Doch wo war dieser Raum nur und wie sollte er Laura ansonsten finden? Diese Frage erübrigte sich, als er schließlich die Gänge, die an den Verwandlungsinnenhof grenzten, betrat und dort auf einer der vielen Steinbänke die beiden Slytherins vorfand. Laura lag halb in Dracos Armen und sah sehr deprimiert und besorgt aus. Sprach sie sich vielleicht soeben über Mariah aus, wie sie sie letzte Nacht in den Krankenflügel gebracht hatte? Zielstrebig schritt Harry auf die beiden zu und Draco empfing ihn mit einem nicht gerade freundlichen Blick. "Ähm", brachte Harry daher erst nur zustande. "Was willst du, Potter?", knurrte Draco. Erst jetzt sah Laura zu dem Gryffindor auf, welchem sofort auffiel wie müde sie aussah. "Ähm", begann er erneut, "könnte ich kurz mit dir sprechen, Laura? Allein?" Harry war sich sicher, niemals vernünftig mit ihr reden zu können, solange Draco in der Nähe war, den dieser gab wiederholt ein aggressives Knurren von sich. Laura löste sich aus der inzwischen festeren Umarmung und sah ihren Freund bittend an. Der seufzte daraufhin, küsste sie noch einmal und entfernte sich schließlich, nachdem er Harry noch einmal einen eiskalten Blick geschenkt hatte, auf den der junge Gryffindor nur allzu gerne verzichtet hätte. "Was willst du denn, Harry?", fragte Laura und bot ihm den nun freien Platz neben sich an, auf den er sich auch niederließ. Er beschloss, nicht lange zu fackeln und gleich zum Punkt zu kommen. "Du hast Mariah letzte Nacht zum Krankenflügel gebracht ...", sagte er ruhig und er sah sofort, wie die Müdigkeit von ihr abließ. "Was ist geschehen?" Er realisierte nun, dass dies inzwischen ihr drittes großes Gespräch über Mariah sein würde. Im ersten hatte Laura ihm erklärt, wer die beiden waren und was sie vor allem vorgehabt hatten. Das zweite lag gerade mal einige Tage zurück und nun saßen sie schon wieder zusammen. Doch diesmal ließ Lauras Antwort lange auf sich warten. "Ist sie ... schon aufgewacht?" Harry schüttelte den Kopf und wartete auf die richtige Antwort, welche dennoch nicht folgte. "Laura", versuchte er es noch einmal, "was ist gestern mit Mariah passiert? Sie hatte doch wieder Kopfschmerzen ... Sind das nur Nachwirkungen von der Verhandlung oder -" Er stoppte, denn nun schüttelte sie langsam den Kopf. Doch schwieg sie noch immer und das machte Harry beinahe wahnsinnig. "Nun gut", murmelte er ungeduldig, "dann könntest du mir vielleicht etwas über Jason Flemming sagen?" Harry erhoffte sich, so vielleicht ihre Zunge zu lösen und zu seiner Überraschung erlebte er nun zum ersten Mal, wie sie ihn völlig entgeistert ansah. "Wie-wie kommst du auf ihn?", flüsterte sie noch immer sehr zurückhaltend. Harry rückte mit all dem Wissen raus, welches Hermione und Ron an ihm weitergegeben hatten. "Er war doch auch ein Gefangener der Todesser, oder? Und ... kennst du ihn?" Laura wirkte beschämt, während sie nickte. "Und ... Mariah auch?" Diesmal wirkten ihre Augen plötzlich so dunkel, fast wie im zarten Zorn. Dennoch sah sie ihn nun endlich richtig an. "Du willst alles hören?", fragte sie. Harry sah sie zuerst perplex an wegen dieser unerwarteten Bereitschaft, endlich zu reden und antwortete dann entschlossen: "Ich will alles hören." Laura nickte und sah nun etwas hinauf in den stark bewölkten Himmel, als sie anfing, zu erzählen. "Ja ... Mariah und ich ... wir kennen Jason ..." Schon allein dieses Bekenntnis entfachte tausend neue Fragen in Harry, doch er hielt sich zurück; wollte sie auf keinen Fall unterbrechen, wo er sie doch endlich zum Reden gebracht hatte. "Mit elf haben wir ihn kennen gelernt ... und vor vier Jahren das letzte Mal gesehen ... Du weißt, wer sein Vater war, nicht?" Harry nickte. "Es ist wahr ... er wurde tatsächlich von Todessern entführt. Einer von ihnen nahm ihn bei sich auf; es haben sich damals viele um das Kind des brutalsten Auroren bemüht ..." "Also", wagte Harry nun doch, sie zu unterbrechen, "ist es wirklich wahr, dass er einfach nur Menschen und vor allem ... Kinder in der Nähe von Todessern getötet hat?" Ein Schaudern durchlief ihn, als sie nickte. Er hatte nicht glauben können, dass soetwas im Rahmen des Ministeriums tatsächlich passiert war, dass ein Auror unschuldige Menschen getötet hatte. "Was ... geschah mit Jason?", fragte er. "Schließlich setzte sich einer durch und wurde sein ... Meister ..." Laura wirkte für einen kurzen Moment, als wollte sie sich übergeben. "Doch Jason gelang es nach einem halben Jahr während einer Feier zu fliehen ... Kurz darauf lernten wir ihn kennen ..." "Und warum kann Mariah sich nicht mehr an ihn erinnern?" Schon wieder dieses nervenzerfressende Schweigen, was Harry so rasend machte. "Ich habe sie gestern gefragt, ob sie ihn kennt", verriet er ihr, "und sie meinte, sie würde es nicht. Hat sie mich angelogen oder was?" "Nein!", presste Laura hervor. "Warum weiß sie dann bitteschön nichts davon, dass ihr beide Jason kennt?!" Seine Ungeduld war nun deutlich in seine Stimme übergegangen und er hatte auch nicht mehr vor, sie zu verbergen. "Weil ..." Laura schluckte schwer. "Weil meine Mutter ihr die Erinnerung daran genommen hat ..." Harrys Kopf fühlte sich für einen Moment wie von allen Gedanken befreit. Und die darauffolgende Erkenntnis war mächtig. "Was?", keuchte er. "Aber ... du sagtest doch, dass deine Mutter nur -" "So ist es auch Harry", bestätigte Laura ihm ruhig. "Meine Mutter hat ihr allein die Erinnerung an Allmewas Tod genommen ... Und somit auch die an die erste Begegnung von Mariah und Jason ..." "Haben sie sich etwa am selben Tag kennen gelernt?" Laura nickte und räusperte sich. "Ich erzählte dir ja, dass wir Mariah damals auf einem Feld nahe Allmewas Haus gefunden haben ... Doch in Wahrheit fand Jason sie und brachte sie, auf ihren Wunsch hin, zu uns. Er hat sie Kilometer weit zu unserem Haus getragen und blieb auch einige Tage bei uns ..." Sie sah flüchtig zu Harry, welcher jedoch, mit diesen Erzählungen wohl leicht überfordert, auf den Boden starrte. "Meine Mutter hatte keine Wahl", fuhr Laura fort , "... und da dieses ... Ereignis und die Begegnung mit Jason fast zur selben Zeit stattfanden, wurde auch diese Erinnerung verändert." Nun schaute Harry wieder zu ihr auf. "Aber ... du sagtest doch, ihr hättet euch ein Jahr lang gekannt ... Konnte sich Mariah die ganze Zeit über nicht an ihn erinnern?", fragte der Gryffindor. "Ja ... und nein", begann Lauras rätselhafte Antwort. "Er blieb nicht lange bei uns, da meine Mutter sich nicht um drei Kinder kümmern konnte. Er war dennoch schon sehr selbstständig und schlug sich gut durch das Leben. Sehr oft besuchte er uns, immerhin sorgte er sich um das Mädchen, welches er völlig verstört vorgefunden hatte." Lauras Stimme wurde mit jedem Wort bitterer. "Doch jedes Mal, wenn er zu uns kam und Mariah gegenüberstand, erinnerte sie sich nicht an ihn. So dauerte es einige Stunden, bis sie ihn wieder beim Namen rief und sich an die letzten Besuche erinnern konnte. Jason ließ sich nie etwas anmerken, doch es hat ihn natürlich sehr mitgenommen, dass sie ihn immer wieder aufs Neuste vergaß ..." Das konnte Harry sehr gut nachvollziehen, er wollte es sich gar nicht ausmalen, wenn Mariah ihn jeden Tag erneut fragen würde, wer er denn sei... "Warum habt ihr ihn seit vier Jahren nicht mehr gesehen? Und was ist währenddessen mit ihm passiert?" "Ihm war es gelungen, einige andere Sklaven zu befreien und mit ihnen zu flüchten ... Ich selbst habe ihn vorgestern auf die letzten Jahre angesprochen, in der Bibliothek", erklärte sie. "Er erzählte mir, während der Flucht hätte sich die Gruppe aufgelöst. Einige starben an Krankheiten, einige gingen einfach so ihren eigenen Weg; er weiß nicht, was aus ihnen geworden ist ... Jedenfalls fand er dann schließlich Zuflucht bei einer älteren Frau. In der Zeit hatte er sich mit gestohlenen Zauberbüchern von seinem Meister ein gewisses Maß an Magie angelernt. Die alte Frau weihte er nicht ein, doch schließlich fand er raus, dass sie eine Squib war und somit abgeschotten von der Zaubererwelt lebte. Er blieb all die Jahre bis zu diesem Sommer bei ihr und lernte immer mehr. Auch nahm er fremden Eulen Zeitungen ab, um etwas von der Zaubererwelt zu erfahren ... Schließlich las er natürlich auch, dass wir hier in Hogwarts sind und dass Voldemort vernichtet wäre ... Und so kam er hierher ..." Sie seufzte nun, wirkte noch erschöpfter als vor diesem Gespräch, welches offensichtlich sein Ende erreicht hatte. Harry holte ein paar Male tief Luft und versuchte, all diese Neuigkeiten zu verdauen. "Und nun ... nachdem bereits die Erinnerung an Allmewa zurückgekehrt ist ... wird sie sich auch ganz wieder an Jason erinnern?", flüsterte er und es schwang so etwas wie Furcht in dieser Frage. Laura zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, doch ... es ist nicht auszuschließen ..." Sie sah nicht auf, als Harry ohne ein weiteres Wort aufstand und sofort zum Krankenflügel zurück ging. So bemerkte er auch nicht, wie Draco hinter einer Steinsäule hervortrat und sich wieder seiner Liebsten näherte. "Du kleine Lügnerin", schnurrte er und umarmte sie, "warum hast du ihm denn das Wichtigste vorenthalten?" Laura antwortete nicht, sondern erhob sich nun ebenfalls und rannte Harry hinterher. *** Jason Flemming öffnete leise und vorsichtig die schwere Tür zum Krankenflügel. Madame Pomfrey war nirgends zu sehen, sowie auch keine weiteren Besucher, die das junge Mädchen aus dem Schlaf reißen konnten. Dies hatte er selbst auf keinen Fall vor und näherte sich anmutig und mit lautlosem Atem ihrem Bett. Er beobachtete ganz genau, wie ihre Augenlider zuckten, als würde sie einen Traum durchleben. Liebevoll legte er seine Hand auf ihre Stirn und näherte sich ihr beträchtlich. "Mariah", flüsterte er sanft und strich nun auch durch ihr weiches Haar. Sie seufzte gedämpft, regte sich jedoch kaum. "Bitte ... erinnere dich wieder an mich ... und vergesse mich nie mehr ..." In diesem Moment hörte er, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde. ***************************************** Ihr denkt, ich bin fies^^? Stellt euch vor, ich hätte mich nicht extra für euch beeilt, sonst hättet ihr dieses Kapitel erst in zwei Wochen nach meinem Urlaub lesen können *ätsch*. Es hat endlich wieder mehr Handlung und ihr merkt sicher schon, dass der vorerst geplante Titel 'Erinnerungen' gar nicht so recht gepasst hätte. So wird nämlich das nächste Kapitel heißen ^-^. Wie Hermione Harry ihre Nachforschungen präsentierte, schrieb ich mir bereits vor einem halben Jahr in einer Chemiestunde auf. So merkt man mal wieder, wie weit man damals schon geplant hat. In diesem Kapitel sind außerdem viele Hinweise versteckt, was in den nächsten Kapiteln noch so alles passieren wird. Obwohl ihr es sicher selbst ahnt, warne ich euch vor, dass noch nicht alles von Jason erzählt wurde. Manches kommt sogar erst im allerletzten Kapitel raus *sich schon freu*. So melde ich mich hier für zwei Wochen ab und freue mich schon auf eure Kommentare und erwähnt bitte Lieblings- und/oder Hasszenen *lol*. Ich wünsche euch noch schöne Ferien und viel Lesespaß^^. Kuss, eure Maru. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)