Behind Brown Eyes von urania-chan ================================================================================ Kapitel 7: Ziele ---------------- Hejhej, meine Lieben! Wieder einmal habt ihr bestimmt nicht mehr damit gerechnet, dass noch mal ein neues Kapitel kommt, aber doch, hier ist es schließlich. Es ist ziemlich lang (über 6000 Wörter) und naja, ich hoffe es gefällt euch, es hat mir jedenfalls Spaß gemacht es zu schreiben. Naja, dann lest mal schön. :) Am Ende vom Kapitel sag ich noch was, Zeichen sind wie immer und mir gehört nur meine Fantasie. Achja, doch, eine Sache noch. Diese Story ist ab diesem Kapitel absolut AU, weil ich eben echt nur 12 Folgen gesehen habe, sorry, aber so habt ihr vielleicht auch einfach noch mal ‘ne andere WR Version, okay? (Ist ja nicht mein Fehler, wenn ich mir die DVDs nicht leisten kann ... oder mir lieber House kaufe! :P) HEY-HO, LET’S GO!! Kapitel 7: Ziele Eintönig. Es war so schrecklich eintönig. Tag ein, Tag aus immer dasselbe. Lange würde er das nicht mehr aushalten ohne völlig durchzudrehen. Wie konnte es denn die Möglichkeit sein, dass jemand so schweigsam war? Er hätte es sich wirklich denken können! Kiba war ohnehin schon nicht der Gesprächigste, aber nach der ganzen Sache mit Tôboe war er noch stiller geworden und jetzt da Tsume weg war, war es eindeutig aus mit jeder Form von Unterhaltung! Hige atmete tief ein und ließ den längsten Seufzer, den er je von sich gegeben hatte hören. Weder Kiba noch Cheza drehten sich zu ihm um. Wahrscheinlich waren die beiden an Stille gewöhnt oder vielleicht konnten sie irgendwie mental und ohne Worte kommunizieren. Aber sowas, nein das war nicht Higes... Stil. Er bauchte Gespräche und wenn nur Schweigen um ihn herum war, hielt er das schlicht nicht aus, dann fing er an selber zu reden. Das meiste, was er in diesen Fällen von sich gab war purer Schwachsinn, aber wenigstens versuchte er eine Unterhaltung zu starten. Ganz anders als Kiba, der es schaffte jede Unterhaltung im Keim zu ersticken. Hige erinnerte sich dunkel daran, dass er ganz zu Anfang dieser Reise mit Kiba allein gewesen war und das hatte ihn nicht im geringsten gestört. Okay, jetzt war die Situation ein wenig anders, Cheza war schließlich bei ihnen. Aber das konnte kein Grund sein, so stumm zu werden wie ein Stockfisch. Hige vermutete, dass diese Veränderung von Kiba etwas mit Tsume und Tôboe zu tun hatte, aber richtig klar und schlüssig war ihm die ganze Sache nicht, immerhin hatte Kiba Tsume einfach gehen lassen und Tôboe sogar fortgescheucht. Doch trotzdem, selbst wenn Kiba es nicht zugab, es konnte ja wahr sein. Wenn man auf jemanden vertraut, und der einen dann verrät, ist das niemals leicht, da kann man noch so sehr versuchen es zu unterdrücken, es hat Auswirkungen. Verrat. Dieses Wort jagte Hige einen Schauer über den Rücken. Verrat gehörte definitiv zu den negativsten Wörtern, die existierten und doch reichten diese sechs Buchstaben bei weitem nicht aus, um die ganze Scheußlichkeit ihrer Bedeutung auszudrücken. Wer behütet aufgewachsen ist und ein friedliches Leben führt, kann diese pure Abneigung allein gegen dieses Wort nicht verstehen, aber für all jene, die einmal betrogen und verraten worden sind, ist solch eine Reaktion mehr als klar. „Verrat”, ganz leise flüsterte Hige es in den kühlen Wind, der sanft über die weite Ebene strich. Es erinnerte ihn an etwas, erinnerte ihn an vergangene Zeiten, erinnerte ihn an Geschehnisse, die er verdrängt zu haben glaubte. Er hatte gedacht, er hätte die Vergangenheit überwunden, doch im Moment fühlte es sich nicht danach an. Die Geister der vergessenen Erinnerungen suchten ihn heim. Hige holte einmal tief Luft und hielt dann ungefähr zehn Sekunden den Atem an. Die frische Luft strömte in seine Lunge und er glaubte wahrhaftig zu spüren, wie sich der Sauerstoff den Weg durch seine Arterie suchte und sich durch jede Ader in seinem Körper ausbreitete. Energisch schüttelte er den Kopf, als wollte er einen lästigen Mückenschwarm vertreiben, wartete noch bis seine Gedanken sich wieder klärten und lief schließlich zügig weiter. „Kiba, hey, könnten wir nicht mal wieder eine Rast machen?”, versuchte Hige zum x-ten Mal ein Gespräch anzufangen, doch bei Kiba stieß er auf Granit, der warf ihm nämlich nur einen Blick zu, der von „Gute Idee” über „Jetzt noch nicht, du Schlappschwanz” bis „Wusstest du, dass es Käse in der Tube gibt?” alles heißen konnte und somit für Hige schwer bis unmöglich zu interpretieren war. Völlig entnervt von dem erneuten Scheitern eines Kommunikationsversuchs stapfte er wütend weiter und rammte seine Pfoten geradezu in den Boden um seinem stummen Zorn den nötigen Ausdruck zu verleihen. Stumm, er lachte sich innerlich selbst aus, stummer Zorn passte ja wohl nicht zu ihm, also warum ihm nicht durch Worte Ausdruck verleiehen? Gerade wollte der braune Wolf zum reden ansetzen um gehörig loszumeckern, als Kiba sprach. Diese Stimme schien er ja eine Ewigkeit nicht mehr gehört zu haben und erst hätte er begeistert gejubelt... bis er hörte, wem die Stimme galt. „Was meinst du, welche Richtung wir einschlagen sollten, Cheza?” Die Blumenjungfrau drehte ihren Kopf so schnell in allle Richtungen, dass ihre fliederfarbenen Haare nur so flatterten und mit ihren roten Augen suchte sie eifrig die nähere, sowie auch die fernere Umgebung ab. „Ich weiß nicht genau, hier scheint alles so gleich in alle Richtungen, als wären wir in einem Meer aus Spiegeln”, sagte Cheza mit ihrer mädchenhaften, sanften Stimme. Und wirklich, bis zum Horizint bot sich ewig nur das gleiche Bild, eine weiße Wüste aus Schnee und Eis, jeder normale Mensch würde sich hier hoffnungslos verirren, doch sie waren keine normalen Menschen, eigentlich waren sie überhaupt keine Menschen, aber das war ja nicht der Punkt. Cheza wirbelte noch einmal rasch um ihre eigene Achse bis sich ein Lächeln auf ihren zarten Lippen ausbreitete und sie mit ausgestrecktem Arm in ungefähr nördlche Richtung deutete. Kiba nickte anerkennend und die beiden trabten Seite an Seite weiter, immer das Ziel vor Augen. Hige unterdessen kochte innerlich schier vor Wut. Da hatte dieser Vollidiot endlich mal etwas von sich gegeben und wem hatte es gegolten? Cheza natürlich. Die sagte ja meistens auch keinen Ton und so sah sich Hige gleich zwei unnachgiebigen, schweigenden Fronten gegenüber. Aber mit Cheza wollte er auch nicht wirklich unbedingt sprechen. Diese Welt war voller Ungerechtigkeit. Er gab sich so Mühe mit guter Konversation, doch dankte man es ihm? Nein! Wütend auf Kiba, Cheza und die Welt im allgemeinen trottete er dann doch hinter den beiden Scheinstummen her. Das kleine Rudel ging weiter, immer weiter, auf den weit entfernten Horizont zu, ohne dass sich die Landschaft auch nur minimal veränderte. "Vielleicht hat Cheza sich ja doch geirrt, niemand ist perfekt", dachte Hige verbissen, ja hoffte es vielmehr. Doch als sich eine graue Masse vom Himmel abzuheben begann, zerschlug sich auch dieser Wunsch. Je näher sie kamen, desto klarer, fester, wurden die Umrisse. Soweit Hige das beurteilen konnte, war es eine Stadt. Aber was für eine, es war die schrecklichste Stadt, die er je gesehen hatte, und als sie den äußeren Besiedlungsring erreicht hatten, wurde er in seiner Meinung nur noch mehr bestärkt. Der vielleicht grausamste Anblick seines Lebens ragte meterweit vor ihm auf und lag meilenweit vor ihm. ~*~*~*~*~ Tôboe keuchte etwas, erhöhte seine Geschwindigkeit noch weiter und musste daraufhin wieder japsen, heftiger als zuvor. Das Tempo, das Tsume angeschlagen hatte, konnte man wirklich nicht mehr wölfisch nennen, eher gepardisch. Aber was wusste Tôboe schon über Geparden? Überhaupt wusste er, wenn man es näher betrachtete erstaunlich wenig, er wusste zum Beispiel nicht einmal, warum sie hier wie von der Tarantel gestochen durch die Gegend rannten. (Über Taranteln wusste er auch außerordentlch wenig, bemerkte er.) Die einzigen Anhaltspunkte, die er hatte, hatte er ja vom hetzenden Tsume selbst bekommen und die hatte er ja nicht einmal genau verstanden... akkustisch! Irgendwas mit dem ‘Gefühl verfolgt zu werden’ – was Tôboe als Paranoia abtat – und etwas von ‘man sollte sich besser beeilen’ – was ihm wie eine Ausrede vorkam, keine besonders gute. Aber er hatte ja doch keine Wahl gehabt und nun stürzte er in viel zu schnellem Tempo hinter Tsume her, der keine Anstalten machte langsamer zu werden. Überzeugt bei längerem Beibehalten dieser Geschwindigkeit zusammenzubrechen, wagte Tôboe es schließlich doch das Wort an Tsume zu richten. „Wie lang... müssen wir noch so... durch die Gegend sprinten?”, brachte er gereade noch so hervor. Schlagartig blieb der Angesprochene stehen, so schlagartig, dass Tôboe nur geringfügig langsamer rennend auf ihn aufprallte. „Bist du ein Wolf oder ein Wurm, Kleiner? Kannst du diese Gangart etwa ernsthaft nicht mithalten?” Wütende Augen funkelten den Jungwolf beinah herausfordernd an, was diesen sichtlich beunruhigte. Nachdem er sich vom Aufprall erholt hatte, begann er nervös von der einen auf die andere Pfote zu treten. Als er nach einer kleinen Weile immernoch keinen Ton herausgebracht hatte, eingeschüchtert von dem bohrenden Blick kristallklarer Augen, wurde er abermals angeblafft. „Warum bremst du uns, wenn du sowieso nicht vorhast etwas Konstruktives von dir zu geben?” „Ähhh...” „Dacht ich’s mir doch!” Und schon war Tsume wieder losgestürmt, auch wenn Tôboe meinte, dass es doch einen Tick langsamer war. Er lächelte vor sich hin. Tsume war eben doch nicht der große, böse Wolf. ~*~*~*~*~ Innerlich zitterte Hige, er wusste nicht einmal genau warum. War es Respekt, Ehrfurcht oder Angst? Wahrscheinlich eine Mischung aus allen dreien. Große, schwarze Fensteröffnungen klafften in den betongrauen Fassaden, wie tote, starrende Augen. Breite, dunkle Straßenschluchten führten tiefer in die Stadt hinein, schwarzen Löchern gleich, bereit jeden zu verschlingen, der sich ihnen näherte. Es lief Hige eiskalt den Rücken herunter. Er warf Kiba einen kurzen Seitenblick zu, neugierig, ob dieser vielleicht etwas ähnliches fühlte, doch waren seine Mimik und seine Körpersprache genauso beherrscht wie immer. Der braune Wolf wandte seinen Blick wieder zurück zu den monströsen Betonkästen. Städte waren selten schön, aber diese hier war besonders hässlich, sie schien beinah eine abgrundtief böse Aura auszustrahlen, die ihm merkwürdig bekannt vorkam, doch er konnte diese Ahnung momentan nicht zuordnen. Er sah aus dem Augenwinkel wie Kiba sich in Bewegung setzte, wobei man ihm keine Anspannung ansah, aber Hige glaubte ihn zögern zu spüren. Also war selbst Kiba, dem mutigen Leitwolf, diese ganze Sache nicht völlig geheuer. Cheza folgte ihm, ihr jedoch sah man ihre jedoch Unsicherheit deutlich an. Kein Zögern, es war ein seltsamer Anblick, als würde die Blumenjungfrau gleichzeitig angezogen und abgestoßen werden, als wollte sie nicht in diese Stadt, aber durch sie hindurch, weil ihr Ziel dahinter lag und auf sie wartete. Hige kämpfte mit sich endlich eine Pfote vor die andere zu setzen, aber etwas hielt ihn ab, wie eine üble Vorahnung, die über ihm schwebte. Gerade hatte er die linke Vorderpfote gehoben, als der Wind umschlug. Er wehte ihnen aus der Stadt entgegen und mit trug er den Geruch von modriger Erde, verbrannten Knochen und verwesendem Fleisch. Er schlug Hige entgegen wie eine Steinwand, er trieb ihm den Sauerstoff aus der Lunge und füllte sie stattdessen mit dem Gestank von Verrottendem. Heftiger Husten schüttelte ihn, er röchelte, spuckte, versuchte alles um diesen Geschmack aus seinem Maul, aus seinem ganzen Körper, zu vertreiben, doch nichts half. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in seinem Kopf aus, es fühlte sich an, als würden alle Geräusche und Gedanken durch eine dichte Watteschicht gefiltert. Er kniff krampfartig die Augen zusammen und schüttelte heftig den Kopf, warf ihn von einer Seite auf die andere, immer wieder, um dieses lähmende Gefühl zu vertreiben. Es wurde nicht besser, nur schlimmer, Schmerz durchzuckte seinen Kopf wie ein Blitz und einen Augenblick lang erstarrte er vor Pein, bis sie sich veränderte, dumpf in seinem Kopf pochte und schließlich alles war, was er noch spürte. Hige merkte, wie er auf seinen Beinen zu schwanken begann, doch es fühlte sich für ihn eher an, als würde der feste Boden unter seinen Pfoten verrückt spielen. Er konzentrierte sich durch seinen Kopfschmerz hindurch nur auf einen Gedanken: "Nicht einknicken!" Seine Muskeln verkrampften sich und er hörte das Blut tosend in seinen Ohren rauschen, das einzige, auf das er noch horchen konnte. Als er in seinem Maul einen scharfen metallischen Geschmack wahrnahm, der sogar den gräßlichen verwesenden überlagerte, riss er reflexartig die Augen auf. Er dachte nur eins: "Blut!" Er konnte seine Kraft nicht mehr aufs Stehenbleiben verwenden und taumelte panisch einige Schritte nach vorne. Seine Beine gaben unter ihm nach, als ihn der Würgereiz überkam. Auf die Seite gestürzt röchelte er noch ein, zweimal und erbrach sich schließlich auf den reinen, weißen Schnee, der nun beinah so aussah, als würde sich ein üppger, kleiner Teppich aus roten Blumen neben Higes Maul ausbreiten. Mit letzter Kraft hob er die Lider. Seine Sicht war gräulich stumpf und wurde nach außen hin immer dunkler. Vor seinen Augen vermischte sich rot uns weiß zu farbigen Wirbeln und er verlor das Bewusstsein. Hige sah nicht, wie Kiba sich umdrehte, das Gesicht scheinbar frei von jeder Art Besorgnis, doch jemand mit hervorragender Beobachtungsgabe hätte sie doch entdeckt. Er sah nicht, wie Cheza zu ihm tänzelte und sich erschrocken über ihn beugte. Er sah nicht, wie die frischen Blutblumen wieder vom Schnee verschluckt wurden. ~*~*~*~*~ Tsume kam sich geradezu vor, als würde er wie eine Schnecke durch die Landschaft schleichen. Oder eher wie eine Schildkröte? Schnecken hatten nun wirklich gar nichts mit ihm gemein. Sie waren schleimig, winzig und überaus unförmig. Egal wie langsam, nichts würde ihn dazu bringen sich mit etwas so glitschig ekligem zu vergleichen! Also gut, Tsume kam sich geradezu vor, als würde er wie eine Schildkröte durch die Landschaft schleichen. Ah, schon besser! Schildkröten waren zwar auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber unter Garantie besser als Schnecken! Wirklich! Tsume schnaubte verächtlich über diesen Gedankengang. Seit wann dachte er solch einen Unsinn? Er schüttelte den Kopf. Das lag ganz sicher an diesem Schneck-... ähhh... Schildkrötentempo. Unauffällig warf Tsume einen Blick über seine Schulter. Tôboe schien jetzt wenigstens ganz gut klarzukommen, wenigstens etwas. Er würde zwar wirklich lieber schneller laufen, aber was tat man nicht alles für sein Karma? Pah, Karma! Als wäre er so dumm an so etwas zu glauben! Aber... warum tat er es dann? Er dachte eine Weile darüber nach und versuchte den Grund für seine plötzliche Gutmütigkeit zu finden, was zwar die Langeweile etwas vertrieb, ihn aber andererseits frustrierte, da er keine befriedigende Antwort bekam. Eigentlich war es ja auch völlig egal, am besten, wenn er es einfach ignorierte. Um sich etwas abzulenken, ließ er seinen Blick über die weite Ebene schweifen.Doch leider war da nichts! Also, natürlich war da nicht nichts, aber zumindest nichts außergewöhnlich aufregendes... Ein paar Steine, wobei man die meisten nicht sah, sondern nur erahnen konnte, da sich eine zentimeterdicke Schneeschicht überall ausbreitete und somit die mögliche Abwechslung einfach verschluckte. Hin und wieder sah man einen Strauch, verdorrt und gefroren, viele Äste unter dem Gewicht des Schnees gebrochen. Während des Laufens legte Tsume den Kopf in den Nacken um im Himmel vielleicht etwas Ablenkung zu finden, der jedoch war noch viel eintöniger als die Ebene über die sie liefen. Eine schiefergraue Masse. Keine schönen Schäfchenwolken, in die man lustige Formen hineindenken konnte. Nein, der Himmel lag über ihnen da wie ein staubblinder Spiegel. Wenn er wenigstens schneller laufen könnte, dann läge diese Einöde bald hinter ihnen. Aber nein! Dieser kleine, schwächliche Welpe musste ja schleichen wie eine Schnecke! Tsume lachte innerlich und war überaus zufrieden mit diesem Gedanken. Ihm war überhaupt nicht klar, wie kindisch das war und genau das war wahrscheinlich auch besser so, weil er kindische Dinge ja nun gar nicht leiden konnte und wenn er sich selbst so benahm, würde das seine Stimmung sicher nicht gerade heben. Er wäre noch mürrischer und unausstehlicher und hätte Tôboe bei dir nächsten sich bietenden Gelegenheit heruntergeputzt. Dann wäre die Atmosphäre angespannt und gereizt und Tsume hätte sich noch mieser gefühlt. Aber so war er überaus... zufrieden (Kindisch!) mit sich und es half ihm sich kurz abzulenken, wenn auch nur sehr kurz. Besser als gar nichts. Was könnte er jetzt wohl tun? Es wäre ja nicht so, als würde er sich schnell langweilen, aber letztendlich tat er es doch. Er könnte ja mal versuchen ein Gespräch zu beginnen. Nicht die beste Idee, aber sicher auch nicht die schlechteste. Und auf jeden Fall besser als gar keine. „Kleiner?” Es entstand eine kurze Pause bis Tôboe schließlich antwortete. „Ja, was ist los?” Es klang ziemlich atemlos, was Tsume irgendwie ärgerte. Da lief er schon so langsam und dann nützte es nicht einmal, dann war dieser Schwächling trotzdem außer Atem! „Sag bloß, dieses Getrödele ist dir immernoch zu schnell”, fuhr er den jüngeren Wolf äußerst gereizt an. Das war doch nocht die Möglichkeit! „Ich-” Tôboe hustete röchelnd „Ich... weiß auch nicht genau. Normalerweise...” Er brach ab, scheinbar wusste er selbst nicht genau, wie er sich seine Schwäche erklären sollte. Normal war es schließlich sicher nicht als Wolf bei diesem Tempo nicht problemlos mithalten zu können, egal wie untrainiert man war. Manche Talente hatte man einfach in den Genen und als Wolf gehörten Ausdauer und Schnelligkeit nunmal dazu. War das etwas worüber man sich besser sorgte? Unsinn, er war einfach nur außer Übung! Dieses ganze Rumgeliege in diesem... Raum, vielleicht waren seine Muskeln ja verkümmert. Da Tôboe nicht weiter darüber nachdenken wollte, gab er sich einfach mit dieser Erlkärung zufrieden. Er merkte gar nicht, dass er noch vor einem Tag viel schneller gelaufen war, ganz ohne Probleme... Er dachte nicht mehr an mögliche Ursachen, an Tests, an sterile Räume, an Spritzen und an unbekannte Substanzen. An all das dachte er nicht mehr. Stattdessen dachte er an überaus unwichtigen Kram, daran ob Schnee immer von demselben Weiß war und Regenwolken immer von demselben Grau. Als Tsume einfach weiterlief ohne eine Antwort erhalten zu haben, dachte Tôboe daran, ob er diese Schwäche, dieses Geschleiche, nicht doch besser erklären sollte. Diese Idee war zwar theoretisch überaus gut, weil sie einige Dinge klarer machen würde – auch für ihn selbst – und außerdem die Stimmung seines Weggefährten bessern würde und wenn sie sich nicht bessern würde, dann würde sie wenigstens... – naja, schlechter konnte es nicht mehr werden. Leider war an dieser brillianten Idee ein Haken, ein nicht unwichtiger: Er hatte nämlich nicht die geringste Ahnung. Er wusste die Ursache nicht, wusste nur die Wirkung. Das würde sicher weder ihn, noch Tsume zufrieden stellen, die Wirkung kannten sie beide ja mehr oder weniger: außerordentliche Langsamkeit. Tôboe wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. Wo es eine Wirkung gab, da musste es auch eine Ursache geben, das stand außer Frage! Aber da er sich weigerte an Tests, an sterile Räume, an Spritzen und an unbekannte Substanzen zu denken, würde er auch fürs Erste nicht auf die Lösung dieses, bei näherer Betrachtung gar nicht mehr unerklärlichen, Phänomens, das eines lahmen Wolfes, kommen. Also was blieb ihm übrig außer schweigend neben Tsume herzulaufen und sich weiter Gedanken über die Farbgebung der Natur zu machen? Und was blieb also eben dem übrig, außer stumm und verärgert ohne Erklärung weiterzulaufen und sich mit Steinen und erfrorenen Büschen zu beschäftigen? Nichts. Nichts. Also liefen sie hintereinander her und schwiegen. Und hofften beide, dass Tôboes Zustand sich bessern würde, damit sie schneller sein konnten, damit sie schneller Antworten finden konnten... und das Paradies. ~*~*~*~*~ Als Hige die Augen wieder öffnete stand er auf einem belebten Marktplatz. Die Menschen wuselten um ihn herum und schienen keine Notiz von ihm zu nehmen. In ihren Gesichtern spiegelten sich die verschiedensten Emotionen, Konzentration, Freude, Trauer und noch Dutzende mehr. Hige meinte manche Gesichter wiederzuerkennen, doch sie wandten sich zu schnell wieder von ihm ab, um sicher zu sein. Aber irgndetwas sagte ihm mit vollkommener Sicherheit, dass er diesen Ort kannte, dass er schon einmal hier gewesen war, aber wirklich daran erinnern konnte er sich nicht. Er konnte dieses Gefühl des Wiedererkennens nicht mal beschreiben, aber es war unleugbar da. Jeder Blick, jeder Schritt, jeder Atemzug war ein Déjà-Vu. Unsicher bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, nicht mehr als einem vagen Gefühl folgend. Es war wie ein leichtes Ziehen an seinem Herzen, das ihm sagte in welche Richtung er zu gehen hatte und dem er sich nicht widersetzen konnte. Langsam ging er weiter, entfernte sich vom bunten Treiben des Markts und wandelte durch düstere Gassen, doch das Ziehen seines Herzens verließ ihn nie, genau wie das Gefühl, dass er schon einmal hier gewesen war. Als er am Ende einer Sackgasse einen schwarzen Wolf stehen sah, stellten sich all seine Nackenhaare auf. Er stand ganz ruhig, schien nicht einmal zu atmen, sondern beobachtet Hige nur mit seinen grün funkelnden Augen, als schaue er ihm direkt in die Seele. Er selbst konnte seinen Blick nur schwer von den lauernden Augen losreißen und nahm nur schwach war, dass rechts neben dem Schwarzen ein mindestens zehn Meter hoher Maschendrahtzaun stand. Und hinter ihm war ein Schuppen, dorthin zog es ihn. Er konnte sich nicht weigern und selbst wenn er an diesem anderen Wolf vorbei musste, er wollte in dieses kleine, verfallene Gebäude.Als er sich zur Eingangstür wandte und hindurchschreiten wollte, traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Das konnte nicht sein, das konnte einfach nicht sein! Hige hatte das alles hinter sich gelassen, er hatte sich geschworen nie wieder daran zu denken, geschweige denn wiederzukommen. Aber kein Zweifel, er war wieder hier. Und dieser Bastard von einem Wolf, dieser Verräter stand vor ihm. Doch wie konnte das sein? Es musste ein Traum sein, ein böser, böser Traum. Das war die einzige Erklärung, die es gab. Wie sollte er überhaupt hier her gekommen sein? Und wie hätte sich dieser Abschaum wieder in die Stadt wagen können? Dann fing Hige an sich zu erinnern, an die grauenvolle Stadt, an den Gestank und daran, dass er zusammengebrochen war. Vielleicht war er jetzt bewusstlos, oder er halluzinierte und in Wirklichkeit stand er in einer anderen Gasse in einer anderen Stadt. ...Stadt... Natürlich! Es war dieselbe Stadt! Aber dennoch... die Stadt, vor der er zusammengebrochen war, war völlig verlassen gewesen, leer und tot, aber jetzt war sie laut und voller Menschen, genau wie damals. Und der schwarze Wolf, dessen Namen er nicht kannte war da, genau wie damals. Also war das hier seine Erinnerung? In diesem Traum wanderte er also durch sein Gedächtnis? Entschlossen ging Hige an dem anderen Wolf vorbei und setzte ein Pfote durch die Schuppentür um seiner Vergangenheit zu begegnen. ~*~*~*~*~ „Hige! Hige, komm zu dir!” Kibas eindringliche Stimme hallte über die weite Ebene und brach sich an den Fassaden der Hochhäuser. Cheza lehnte über dem braunen Wolf, hatte ihren Kopf an seine buschige Halskrause gelegt und weinte leise. „Wach auf!” Doch Hige wachte nicht auf, sooft Kiba ihn auch anschrie, er blieb einfach leblos liegen. Je mehr zeit verstrich, desto mehr Panik konnte man aus Kibas Stimme heraushören und desto verzweifelter wurden Chezas Schluchzer. Jede vergehende Sekunde machte ihnen klarer, dass Hige sie vielleicht nie wieder begleiten könnte. Praktisch lebte er zwar, aber die Frage war: wie lange noch? Hige sah nicht besonders gut aus, oder besser: Es sah nicht besonders gut für ihn aus. Sein Atem ging flach und sein Herz schlug viel zu schnell, so schnell, dass Kiba meinte es hören zu können. Der braune Wolf hatte eine große Menge Blut auf den Schnee erbrochen und weiteres sickerte immernoch aus seinem leicht geöffneten Maul. Das Fell um seine Augen war verklebt von noch mehr Blut, es war ein schrecklicher Anblick und weder Kiba, noch Cheza konnten sich erklären, wie es zu Higes Zustand gekommen war. Er war plötzlich zusammengebrochen. Ohne jedes Vorzeichen. Kiba hatte begonnen immer wieder hin und herzulaufen, scheinbar war er ratlos und auch Cheza vermochte nichts zu tun. Sie konnten nur hoffen, dass sich etwas ändern würde, dass es besser würde. Der weiße Wolf legte den Kopf in den Nacken und heulte. ~*~*~*~*~ „Hörst du das auch?” „W...was?” „Dieses Heulen...” Tôboe hielt inne und lauschte. Ja, da war etwas. Ganz fern und ganz leise, doch es war da. Und er kannte es irgendwo her. Doch er konnte es nicht zuordnen, denn immer wenn er sich aufs Zuhören konzentrierte, war sein Nachatemhecheln so laut, dass er sonst nichts mehr hören konnte, aber er versuchte es dennoch. Erst nach einiger Zeit, als er sah wie Tsume ihn böse anstarrte, merkte er, dass er immernoch keine Antwort gegeben hatte. Hastig antwortete er, obwohl es jetzt ja eigentlich auch keinen Unterschied mehr machte. „Ja, ja, ich kenne es... aber ich weiß nicht genau woher...” „Ich aber”, sagte der graue Wolf mit Verachtung in der Stimme, die wohl aber nicht Tôboe, sondern dem Heulen galt. „Was? Wer ist es denn?” Doch Tsume war schon losgerannt und gab keine Antwort. Er lief so schnell er konnte, so schnell wie eigentlich jeder Wolf laufen können sollte, aber der Jungwolf konnte es nicht. Noch bevor er losrannte. Noch bevor er losrannte hatte er schon das sichere Gefühl, dass er das nicht konnte, fast wie eine üble Vorahnung. Er spürte es regelrecht, er würde es nicht schaffen, aber was blieb ihm anderes übrig? Wenn er jetzt zurückblieb, dann würde er wieder alleine sein und davon hatte er genung! Das wollte er nie wieder! Also stürmte er los, so schnell er eben konnte, Tsume hinterher. Er hatte recht, schon nach wenigen Schritten in dem schnellen Tempo war er völlig außer Atem. Er zwang sich weiterzulaufen, er redete sich ein früher auch nicht so langsam gewesen zu sein, er war auch niemals so kurzatmig gewesen. Er musste es schaffen, er musste mit Tsume Schritt halten, er musste! Und er tat es. Er wusste nicht wie, aber er tat es. Sein Herz raste schon nach fünfzig Metern als müsste es zerspringen und seine Lunge schmerzte als würde sie unter dem Druck des Sauerstoffs kollabieren. Und obwohl sich Tôboe sich so verausgabte, vergrößerte sich der Abstand zwischen den beiden Wölfen stetig. „Tsume... Tsume, warte! Warte!” Doch der hielt nicht an und ließ ihm keine Chance zum Aufholen. „Tsume, bitte!” Noch ein paar Schritte und Tôboe würde zusammenbrechen, das fühlte er mit jeden Atemzug deutlicher. Endlich hielt der graue Wolf an und wartete bis der andere keuchend bei ihm eintraf. „Tsume, entschuldige, aber... aber ich kann nicht schneller. Wenn du dieses Tempo weiterhin vorlegst, dann... dann werde ich nicht mithalten können. Entschuldige.” „Wir haben immerhin schon ein gutes Stück Weg geschafft, wir sollten es auch bei diesem Tempo noch rechtzeitig schaffen”, erwiederte der Angesprochene mürrisch, aber es klang, als hätte er die Entschuldigung akzeptiert. „Wer hat da überhaupt geheult?”, fragte Tôboe leicht verunsichert. „Das wirst du noch früh genug sehen.” Tsumes Stimme war beinah tonlos, nur ein geübter Zuhörer konnte abermal eine Spur Abscheu, diesmal gemischt mit noch etwas anderem, undefinierbaren heraushören. Und das waren die letzten Worte, die in nächster Zeit gesprochen werden sollten. Die weitere Strecke legten sie schweigend zurück. Der jüngere Wolf wollte zwar immer mal etwas sagen, doch er traute sich nicht, der seltsame Ton in Tsumes Stimme hatte ihn stark verunsichert. Er wusste nicht warum, aber er konnte jetzt nichts sagen, nicht zu Tsume, nicht wenn diese Anspannung in der Luft lag. Sie schwiegen, schwiegen, als wäre nie etwas passiert, als hätten sie niemals dieses verzweifelte Heulen gehört. ~*~*~*~*~ Die Zeit schien nicht zu vergehen. Minuten wurden zu Stunden und Stunden zu Tagen. So lange konnten sie nicht unterwegs sein. Tsume hielt diese Anspannung nicht aus, am liebsten wäre er so schnell ihn seine Pfoten trugen losgerannt, aber er musste ja auf diese lahme Ente warten. Er war Tôboe suchen gegangen, hatte wegen ihm Hige allein gelassen – jedenfalls so gut wie –, dann musste er jetzt eben auch auf den Kleinen warten. Und wenn er ganz ehrlich zu sich war, dann machte er sich auch ein wenig Sorgen um ihn, immerhin war es wirklich seltsam, wenn ein Wolf solch eine miese Kondition hatte. Vielleicht war Tôboe ja doch nur ein verwöhntes Schoßhündchen, so wie er immer geglaubt hatte. Aber eingehend dachte er darüber auch nicht nach, er bekam den Gedanken an dieses Heulen nicht mehr aus dem Kopf. Etwas daran war einfach falsch gewesen. Was war da nur los? Er fand keine Antwort... – Bis sie trotz des langsamen Tempos einen Hügelkamm überquerten und Tsume in der Ferne drei vertraute Schatten ausmachte... mit denen aber irgendetwas nicht stimmte. Und dann sah er weitere Schatten, vielleicht ein Dutzend. Und nach langer Zeit bekam Tsume wieder einmal Angst in seinem Leben. ~*~*~*~*~ Das Licht in dem Schuppen war diffus und ein Mensch hätte vielleicht einen Moment warten müssen bis seine Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt hätten und er klar sehen könnte, aber die Sicht eines Wolfes, Higes Sicht, sollte sofort scharf sein. Was sie aber nicht war. Es war ein wirklich seltsames Erlebnis, wie er es das letzte Mal erlebt hatte, als er als Welpe das erste Mal seine Augen geöffnet hatte. Gegenstände schälten sich langsam aus den düsteren Ecken und Umrisse gewannen zusehends an Schärfe. Bis zu diesem Moment hatte Hige nicht einmal gewusst, dass es auch so sein konnte, dass nicht jeder mit Wolfsaugen gesegnet war. "Es ist nur ein Traum", sagte er sich in Gedanken immer wieder, "Nur ein Traum." Unsicheren Schrittes streifte er in dem Raum umher und erkannte alles wieder, jeder Karton sah aus wie damals, die Decke hing genauso wie damals schräg über dem Stuhl und in der hinteren Ecke des Schuppens saß auf einem kleinen Sofa genau wie damals... – Das konnte nicht sein! Nein! Nein! Nein! So etwas konnte nicht einmal im Traum sein! Das sollte nicht sein! Aber trotzdem... es war alles genau wie damals und genau wie damals saß der alte Mann auf dem kleinen mossgrünen Sofa, seine Augen strahlten freundlich und in seinen Mundwinkeln zuckte ein Lächeln. Genau wie damals ahnte er nicht, was in wenigen Sekunden geschehen würde. Hige hielt den Atem an, voller Furcht vor der Zukunft, die schon längst Vergangenheit war. „Komm her”, sagte der Mann und klopfte auf den freien Platz neben ihm, wo man durch das Polster schon einige Sprungfedern sehen konnte. Langsam folgte er der Aufforderung, schlich zu ihm und sprang schließlich auf die Kissen. Und wartete. Wartete auf den Moment des Grauens, wenn das Sterben begann, wenn das Gas kam. Das Gas kam und er spürte es, wie es um ihn floss und ihn einhüllte. Aber er konnte es nicht riechen, nicht schmecken, wie beim letzten Mal. Der alte Mann sackte diesmal auch nicht leblos in sich zusammen, sondern er begann Higes Fell zu kraulen. Der Wolf war wie paralysiert. Gedanken, Erinnerungen jagten an seinem inneren Auge vorbei. Er sah, wie er damals gerannt war, so schnell ein Wolf nur rennen konnte. Er sah sich, wie er endlich die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatte und spürte beinah wieder, wie reine, gesunde Luft seinen Körper füllte. Aber diesmal geschah nichts von alledem, keine Menschen, die plötzlich tot umfielen, keine Wölfe, die es nicht schnell genug geschafft hatten, diesmal war alles friedlich. Der alte Mann lächelte weiter und klopfte ihm einmal sachte in die Flanken, bevor er aufstand und zur Tür zeigte. „Komm mit, Junge.” Hige fiel es schwer aufzustehen, seine Muskeln waren verkrampft und seine Gelenke steif, doch schließlich gelang es ihm doch hinter dem Mann her ins Freie zu trotten. Die Sonne schien fahl vom Himmel und die Umgebung wirkte, als hätte jemand die Zeit angehalten. Kein noch so leises Geräusch war zu hören, keine noch so sachte Bewegung zu sehen. Es war seltsam, eigentlich hätte Hige die Schritte des Mannes auf dem Asphalt hören müssen, aber es war totenstill. Hige schaute sich nervös um, spähte nach dem schwarzen Wolf, doch er war verschwunden. Genauso wie der Maschendrahtzaun, dahinter führte die Straße einfach weiter, lang und schnurgerade durch den Dunst ins Nichts. Und der Alte ging sie entlang. Obwohl kein Lüftchen wehte, sah es so aus, als würde der Mann von dem Weg angesaugt werden und nun spürte auch Hige es wieder, dieses Ziehen in seiner Brust. Er wusste nicht, was er tun sollte, dem Drang folgen oder wieder umkehren, denn er hatte das Gefühl er würde etwas Wichtiges zurücklassen, auch wenn er sich gerade nicht daran erinnerte. Es zerrte ihn zwar ins Ungewisse, gleichzeitig hielt ihn etwas Anderes zurück. Er schaute sich immer wieder um, hinter ihm lag eine schlafende Stadt und etwas Wichtiges, etwas, was er noch zu erledigen hatte. Vor ihm stand der alte Mann und winkte, dass er ihm folgen solle, in etwas Neues, Ungewisses, das an ihm zog und zerrte. Sollte er gehen oder umkehren? ~*~*~*~*~ Das Radar piepte in gleichmäßigen Abständen leise und ein Mann mit langem, braunem Mantel klopfte einem anderem, der eine Fleecejacke trug anerkennend auf die Schulter. „Gut gemacht, Cliff.” „Was meinst du jetzt, die Sache mit dem Peilsender oder meine absolut geniale Idee mit dem lähmenden Gift?” Cliff grinste und entblößte dabei eine reihe nikotingelber Zähne. „Vielleicht eine Kombination aus beidem.” „Tja”, sagte Cliff nur und sah dabei sehr selbstzufrieden aus. Nach einer kürzeren Pause fragte er: „Wer ist eigentlich damals auf diesen Einfall mit den Giftgasen gekommen?” Der andere Mann wirkte verwirrt. „Was für Giftgase?” „Ach, du weißt schon, Chester, die Sache mit der Stadt, vor der jetzt einer dieser dreckigen Wölfe verreckt.” „Ach, die Sache! Das ist doch alles schon ewig her, warscheinlich war es Ben oder so.” Bei Chester war jetzt anscheinend der Groschen gefallen, doch anstatt mehr darüber zu sagen, stapfte er weiter durch den Schnee. „Chester...” Die Stimme von Cliff war quengelnd. „Jetzt heul nicht gleich, wir sollten die anderen eher mal einholen, guck mal, wie weit die schon vorn sind.” Während er sprach deutete Chester lustlos nach vorne, so als wüsste er schon, dass er die alte Geschichte doch erzählen musste. „Ja, ja, aber du kannst ja beim Gehen reden, oder?” „Is’ ja gut”, knurrte der Angesprochene und schlurfte wütend weiter. Warum benahm sich Cliff nur immer wie ein kleines Kind? Das war einfach nur zum Kotzen! „Vor ein paar Jahren, ich weiß nicht mehr genau wann, ist ja auch egal, kam so ein windiger Bursch zu uns und wollte uns Informationen verkaufen. Normalerweise machen wir bei sowas ja nicht mit, aber da... naja, seine Infos hatten Hand und Fuß und bestätigten uns in einigen Dingen, also haben wir den Deal eben gemacht. Mann, ich habe dieses Typ nie wieder gesehen, trotzdem, die Augen werde ich nie vergessen, gruselig wie aus einem Horrorstreifen, grün und stechend.” Chester Verzog das Gesicht als wäre ihm diese Erinnerung irgendwie unangenehm. „Jedenfalls... wo war ich? Achja, er erzählte uns, dass es in dieser Stadt hier eine, ja man konnte schon sagen Wolfsplage gebe und dadurch waren nicht nur die Menschen in der Stadt gefährdet, sondern auch alle anderen. Manche von diesen Drecksäcken in der Stadt hielten sich diese Bestien sogar als Haustiere. Das konnten wir natürlich nicht dulden, verstehst du?” Cliff nickte eifrig. „Da beschlossen ein paar von uns ihnen einfach den gar auszumachen, das war eine nötige Maßnahme. Natürlich mussten wir die armen Leute, die in Angst und Schrecken dort lebten warnen. Das haben wir natürlich gemacht. Aber die, die sich mit diesen Kötern anfreunden sind genauso wenig wert, wie ihre lieben Tierchen, also konnten die ruhig auch dran glauben. Als alle Unschuldigen geflohen waren, haben wir das Gas in die Stadt geleitet, es hatte einen ziemlich guten Effekt, hat unsere Erwartungen echt noch übertroffen, hat fast alle getötet, die sich noch in der Stadt aufgehalten haben, aber ein paar konnten abhauen. Tse...”, er schnalzte mit der Zunge, als würde er sich immernoch darüber ärgern. „Und dann hatte Ben einen Plan, einen Plan, wie ihn nur ein echter Jäger haben kann. Und weißt du, wie dieser Plan aussah?” Cliff schüttelte den Kopf, er war begierig darauf es zu erfahren. Er war noch nicht lange bei der Jagd-Oragnisation und musste dringend alles darüber wissen. „Einen Tag später gingen Ben und wir anderen zurück zur Stadt und leiteten ein anderes Gas in die Stadt, das schwerer war als das erste und sich deshalb nicht verflüchtigt hat. Und wieso? Weil Benn wusste, dass ein paar von den ausgerissenen Tölen zurückkommen und nach ihren Besitzern suchen würden. Und jetzt kommt das Beste erst, das neue Gas wirkt nur auf die, die mit dem vorigen schon Kontakt hatten, das ist irgend so’ne Antikörpersache, kapier ich nich’ genau... Is’ ja auch egal. Und genau das is’ es jetzt, woran dieses Viech da vorn verreckt.” Chester deutete abermals nach vorne, auf einen braunen Wolf, bei dem die ersten ihrer Kolonne schon angekommen waren, aber diesmal grinste Chester. ~*~*~*~*~ Kiba sah die Männer viel zu spät kommen, er war zu beschäftigt gewesen, zu versuchen Hige zu helfen. Er hatte ihn immer wieder angestupst und Cheza gesagt, sie solle etwas tun. Aber nichts hatte geholfen. Hige lag immernoch leblos auf der Seite mit blutigem Maul. Dann standen die Jäger wenige Meter vor ihnen, sie hatten Gewehre geschultert und Fangschlingen an ihren Gürteln. Der Vorderste zog sein Gewehr und lud es. ~*~*~*~*~ Das Zerren, das Hige leiten wollte wurde immer stärker, es war da und redete ihm ohne Worte ein, dass er mitkommen müsse. Doch er konnte sich nicht entschließen diesem Gefühl zu folgen. Er hatte längst vergessen, was er anfangs noch wusste, hatte vergessen, dass er vor wenigen Minuten noch gewusst hatte, dass das jetzt nicht wirklich war sondern nur eine Illusion, dass er mit Kiba und Cheza vor der Stadt gestanden hatte. Er erinnerte sich nicht, aber etwas hielt ihn zurück, etwas ließ ihn noch nicht den Weg in den Dunst gehen. ~*~*~*~*~ In aller Ruhe legte der Jäger an und zielte direkt auf Higes Herz. ~*~*~*~*~ Tsume rannte los, ihm war egal, ob Tôboe mithalten konnte, der würde zur Not schon aufholen. Tsume sah was ihm Geschehen war und wollte es verhindern, er rannte und rannte und rannte. Schnell. ~*~*~*~*~ Hige sah sich immer wieder um, das Zerren war stark, aber noch konnte er umkehren. Er hatte zwar etwas vergessen, aber er könnte auch einfach rausfinden, was es war, was ihn hinderte einfach zu gehen. Noch konnte er sich entscheiden: Gehen oder umkehren? ~*~*~*~*~ Der Jäger drückte ab, das Echo der Kugel durchschnitt die Stille. „Gnadenschuss”, grinste er. ~*~*~*~*~ Und Hige ging. ~*~*~*~*~ tbc... Hasst mich nicht! *arme in die Luft streck* Ich weiß, ich hab kein Warning davorgeschrieben, aber ich finde das nimmt dann immer schon Storyelement vor weg und das find ich einfach dämlich! Naja... Hauptsache ihr hasst mich jetzt nicht. Nicht hassen, bitte! Achja, das nächste Kapitel is’ wahrscheinlich das letzte und dann kommt noch ein Epilog. Mal sehen was wird. *g* Und wenn’s geht schreibt mir noch ‘nen Kommentar, Feedback ist mir wahnsinnig wichtig. Dankesehr, bis bald, ich liebe euch, urania-chan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)