Zuviel Nähe kann gefährlich sein von Karuhmaus ================================================================================ Kapitel 2: Schmerzhafte Erinnerung ---------------------------------- 2. Kapitel: Schmerzhafte Erinnnerung Kai ließ sich auf einem noch von der Sonne aufgewärmten Felsen am Strand nieder. Sein kalter Blick ruhte auf dem Meer, ließ sich von den Wellen mitziehen, weit hinauf auf den offenen Ozean, dort wo die Welt in Ordnung war. Der Wind brachte die Sandkörner zum Tanzen, sie streichelten sanft über seine Wangen und gaben ihm so ein tröstendes Gefühl von Geborgenheit. Der endlose Strand war menschenleer, es war auch schon viel zu spät zum Baden und außerdem lag dieser Teil abseits, noch ein Grund dafür, dass hier nie viele Badegäste waren. Ein einsames Fleckchen Erde, geschaffen für einen einsamen jungen Mann. Das Meer war stürmisch, die Wellen peitschten hoch und dunkle Wolken zogen über den dämmrigen Himmel. Kai verlor sich in seinen Gedanken, er tauchte in sie ein wie in ein Meer, ein Meer aus Sorgen. Noch immer war ihm unbegreiflich was diesmal anders war. Diese Frau, Cat, war aus irgendeinem Grund als seine bisherigen Opfer. Sie hatte Mitgefühl gezeigt, für ihn. Niemand hatte das getan, keines seiner Opfer hatte sich um seine Gefühle gekümmert. Für all diese Frauen war er nur ein gefühlsloses Wesen, kein Mensch mit Sorgen. Hatte er denn Sorgen? Nein. Vielleicht. Ja. Ein Geräusch aus nächster Nähe ließ den jungen Killer aufschauen. Jemand ritt am Meer entlang, war schon fast bei ihm. Es war eine junge Frau auf einem weißem Pferd. Wer sollte das schon anderes sein als Kais Opfer? Cat sprang vom Pferd und ließ sich neben Kai in den noch warmen Sand sinken. Ihr Pferd hielt sie locker am Zügel. Sie blickte nicht Kai an, nein, die junge Frau sah auf das Meer hinaus. ihre Gesichtszüge wirkten so entspannt, während Kai so langsam unruhig wurde. Er verstand die Beweggründe dieser Frau nicht, suchte sie seine Nähe oder war dieses Zusammentreffen nur Zufall? Wenn sie nur wegen ihm hier her gekommen war, warum tat sie das? Sicher nicht weil er ihr so sympathisch war, nein, es musste einen anderen Grund geben. "Das Meer ist um diese Zeit wunderschön." Cat sprach dem Meer zugewandt. Ihre helle Stimme klang beruhigend und auch ihre blosse Gegenwart ließ den Killer schließlich ruhiger werden. Wer bist du, Cat? dieser Gedanke wirbelte, vom sanften Wind getrieben, in seinem Kopf herum. Er sah Cat an, wie sie da saß, die Frische des Meeres genießend. Ihr Pferd stand brav neben ihr, offenbar war es gewöhnt hier hier strand zu stehen und zu warten. "Wie wunderbar das Meer doch ist, standhaft und bewegt zu gleich, stark und doch so schwach. Einzigartig." Cat wandte Kai den Kopf zu und lächelte ihn kurz an. Ein warmes Sonnenlächeln. Befreiend, erfrischend, belebend, und doch viel zu nah. Lange Zeit saßen die beiden jungen Leute so nebeneindaner da, zufällige Beobachter könnten denken, die zwei wären ein Paar, passten sie doch sie schön zusammen. Die Sonne versank als blutroter Ball im Meer und auf dieses Zeichen hin, erhob sich Cat. "Kommen Sie ruhig mal vorbei, falls Sie unser Gespräch fortsetzen wollen." Mit diesen Worten stieg sie auf ihre Pferd und ritt davon. Kai sah ihr hinterher, auch dann noch als die zwei längst verschwunden waren und die Dunkelheit der Nacht sie verschlcukt hatte. Sie war mutig, das war klar. Lud einfach so einen fremden Mann zu sich nach Hause ein. Woher sollte er überhaupt wissen, wo sie wohnte? Und vorallem, was sollte er dort tun? Sie töten? Zu auffällig, viel zu auffällig. Was sollte er jetzt weitermachen? Hier sitzen bleiben und womöglich erfrieren? Obwohl, zum Erfrieren war es schon etwas zu warm, aber kalt würde es in der Nacht schon werden. Oder sollte er Cat besuchen? Nein, auf keinen Fall. Egal was auch kommen würde, Kai durfte nicht zu ihr gehen. Kai spazierte langsam durch das kleine Dorf. Der Kies knirschte unter seinen Füßen und kleine Staubwolken stiegen bei jedem seine Schritte auf. Ein Schwarm Stechmücken umsurrte ihn und ließ sich mit einer verscheuchenden Handbewegung vertreiben, um einen Moment später wieder zurück zu kommen. Lästige kleine Tiere. Wie konnten die Menschen es hier nur aushalten? Vielleicht waren sie schon daran gewöhnt, dauernd von Mücken gestochen zu werden. Kai war auf der Suche, doch nach was eigentlich? Das Haus dieser jungen Frau, seines Opfers? Was sollte er dort? Sie töten? Mit ihr reden? Fragen über Fragen und keine Antworten darauf. Kopfschüttelnd ging der junge Killer weiter. Die Häuser um ihn herum waren klein, sehr klein. Das Dach war bei den meisten aus dunklem Schilf, das einen starken Kontrast zu den weiß getünchten Hausmauern bildete. "Na Jungchen, findest du ihr Haus etwa nicht?" Eine alte Frau, der Hautfarbe nach zu urteilen eine Zigeunerin, in zerschlissenen Kleidern, stand urplötzlich vor Kai. Überrascht blieb er stehen und sah die Alte an. Diese lachte und entblösste dabei einige Zahnlücken. "Geh einfach diese Straße entlang, bis zum letzten Haus." Die Frau kicherte und verschwand in einer dunklen Seitengasse. Verwundert blickte Kai ihr nach. Woher wusste diese verrückte Frau, dass er auf der Suche nach Cats Haus war? In Gedanken versunken ging Kais weiter, bis die besagte Straße zu Ende war und vor einem etwas größeren Haus stand. War das etwa Cats Haus? Ein kleiner Garten umgab das Haus und dahinter konnte Kais Teile eines Pferdestalles erkennen. Es wirkte auf den ersten Blick sehr freundlich und einladend. Dieses Haus gefiel Kai. Es erinnerte ihn an etwas aus seiner Kindheit. Ein Hund bellte und sofort schossen drei Tiere hervor und sprangen bellend am Gartenzaun hoch. Die Hunde machten zwar einen Riesenlärm schienen aber freundlich zu sein. Einen kurzen Augenblick später kam ein Schwein aus dem Haus und sprang ärgerlich grunzend neben den Hunden auf und ab. Ein seltsamer Anblick. Bevor sich Kai weitere Gedanken über das seltsame Haustier der jungen Frau machen konnte, kam Cat aus dem Haus, freundlich lächelnd, wie immer. "Seid sofort ruhig." Die Tiere hörten augenblicklich auf zu bellen und verschwanden hinter dem Haus. "Kommen sie herein." Er stand da und sah sich um, ohne wirklich etwas zu sehen. Cat war in der Küche verschwunden um Tee zu machen und hatte ihn in ihrem Wohnzimmer zurück gelassen. Die Möbel darin waren alt, wirkten aber nicht abgenutzt. Zwei große Fenster sorgten für genügend Licht und ließen den Raum größer wirken als er eigentlich war. Ein paar Fotos standen auf der dunklen Anrichte, darunter auch ein Bild eines kleinen Mädchens, offenbar Cat in ihrer Kindheit. Ein kleines Mädchen saß auf einem winzigen Schlitten, vor dem ein dickes schwarz-weißes Pony gespannt war. Neben ihr im Schnee kniete eine hübsche Frau, die große Ähnlichkeit mit Cat hatte. Offenbar ihre Mutter. Die beiden schienen glücklich zu sein, sie lachten dem Betrachter des Bildes fröhlich zu. Die Landschaft erinnerte Kai stark an Russland, seine Heimat. Traurig lächelnd nahm Kai das Foto um es genauer betrachten zu können. Cat kam herein, sah ihm über die Schulter und lächelte, wobei ihre Augen so unendlich traurig aussahen. "Erinnerungen können sehr weh tun." Cats Stimme klang so zerbrechlich, wie dünnes Glas. Kai drehte sich zu ihr um, sah ihre schmale Gestalte im Licht stehen, leicht abgewandt von ihm. Irgendwie hatte er das Gefühl etwas sagen zu müssen, egal was, nur sollte es die drohende Stille durchbrechen. "Wo wurde diese Aufnahmen gemacht?" Noch bevor der junge Killer zu Ende gesprochen hatte, wusste er, dass er mit dieser Frage alles nur noch schlimmer machen würde. Außerdem verkürzte diese persönliche Frage die natürliche Distanz zwischen seinem Opfer und ihm. "In Russland. Ich bin dort bei meiner Großmutter aufgewachsen." Sie sprach beinahe normal, nur etwas leiser als sonst. Kai zuckte zusammen, nicht äußerlich, nein, nur innerlich. Diese Frau, sein Opfer, war in seinem Heimatland aufgewachsen, vermutlich war sie sogar zur Hälfte Russin. Doch was bedeutete das schon? Zwei seiner früheren Opfer waren ebenfalls aus Russland gewesen und damals hatte es ihm nicht das Geringste ausgemacht. Warum sollte es jetzt anders sein? Weil diese Frau nicht wie alle anderen Menschen war, darum. Sie war etwas Besonderes. "Sie sind Russe, nicht wahr?" Cat ging langsam zum Fenster, drehte sich für einen kurzen Moment zu ihm um und lächelte. "Ihre Art hat Sie verraten. Nur ein echter Russe kann seine Gefühle so gut verbergen. Leider" Dieses ''leider'' war für Kai fast nicht mehr hörbar, sie hatte es nur geflüstert. Russland war ein Land der Kälte, und genauso wie das Land waren auch die Menschen kalt, das wusste Cat nur zu gut. Leider. Kai blickte Cat überrascht an und machte ein paar Schritte auf sie zu. Ja, Russland war seine Heimat und seine Gefühle zeigte er keinem mehr seit... X FLASHBACK X Alles um ihn herum war weiß, weiße Wände, weißer Boden, weiße Einrichtungsgegenstände und grelles, weißes Licht. Wo war er hier? Und warum war er ganz alleine? Was war geschehen? Eine ältere Frau kam eilig auf ihn zu. "Er ist jetzt wach, Doktor." Ein Arzt kam an sein Bett und untersuchte ihn halbherzig. "Wird schon wieder werden." Der Arzt tätschelte ihm den Arm und verließ zusammen mit der Krankenschwester hastig das Zimmer. Er blieb allein zurück. Sie ließen ihn allein, mit all seinen Ängsten. Warum war er hier an diesem geschäftigen, unpersönlichen Ort? Was war passiert? Sie ließen ihn stundenlang dort alleine, in diesem weißen Bett, das in diesem kalten, grellen Raum stand. Er war alleine, doch warum? Was hatte er getan, dass sie ihn alle alleine ließen?? Warum antwortete niemand auf seine lautlosen Schreie? Irgendwann kam eine stark geschinkte, schon etwas ältere Frau in sein Zimmer. Ihre langen Nägel waren knallrot lackiert und wirkten für ihn wie die Krallen eines Raubvogels. "Na Schatz, erzähl mir doch was passiert ist." Ihre grellroten Lippen verzogen sich zu einem gezwungen Lächeln, während sie ihn zum Sprechen aufforderte. Diese furchteinflössende Frau setzte sich an sein Bett und versuchte ihm halbherzig den Kopf zu streicheln. Ihr Atem roch nach Zigarettenrauch und abgestandenem Bier. "Lass deine Gefühle zu, Kleiner. Deine Eltern sind tot und du hast alles verloren. Weine ruhig, Schatz." Kais Augen weiteten sich entsetzt, sein Pulsschlag bescleunigte sich und er began am ganzen Körper zu zittern. Diese Frau beugte sich über ihn und war gerade im Begriff ihn zu umarmen, als er plötzlich Angst bekam. Diese Frau war böse, sie erzählte ihm Lügen über seine Eltern. Oder waren sie wirklich tot? Warum ließen ihn denn nur immer alle alleine? Er floh panisch aus dem Krankenhaus, lief hinaus auf die Straße und sah sich dort verzweifelt um. "Mama? Papa?", rief er verzweifelt, doch es kam keine Antwort. Das Letzte, das er sah, waren die katzenaugenähnlichen Lichter eines Busses, der nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte und so den 5-jährigen Jungen überfuhr. X FLASHBACK END X Diese Erinnerungen waren schmerzhaft für ihn. Beinahe siebzehn Jahre hatte er es geschafft sie in der hintersten Ecke seines Herzens zu verstecken und durch Cat waren sie wieder hervor gekommen. Warum gerde jetzt, bei dieser Frau? Wie schafftes sie es derartige Gefühle in ihm zu wecken? Weil sie selber schmerzhafte Erinnerungen hatte? Vielleicht, doch warum war sie dann immer so freundlich zu ihren Mitmenschen? Mit leerem Blick trat Kai auf auf die junge Frau zu. Sie dreht sich um, sah ihn an, sah den grenzenlosen Schmerz in seinen Augen. "Es tut mir leid." Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie langsam die Hand ausstreckte und sie auf Kais Arm legte. Erst jetzt bemerkte der junge Mann, dass er zitterte, sogar sehr stark zitterte. Wie konnte ihm das passieren? Gewöhnlich blieb er äußerlich und innerlich kalt, ohne jegliche Gefühlsregungen, doch jetzt war alles nur ein einziges Chaos. Verzweifelt hob er den Kopf und blickte Cat hilflos an. "Lass deine Gefühle zu." Dieser Aufforderung kam Kai nach, wenn auch ungwollt.Er brach weinend zusammen. Cat ließ sich neben Kai auf dem Boden nieder und legte sanft den Arm um seinen bebenden Körper. Er ließ diese Nähe zu, unfähig eine klaren Gedanken zu fassen. Die Trauer hatte die Herrschaft über sein Denken übernommen. Wann hatte er das letzte Mal geweint? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)