The beloved 'Loveless' von LeS ('Loveless' is 'Endless') ================================================================================ Kapitel 11: WARLESS ------------------- Die Dimension bestand aus violetten, zuckenden Blitzen, und schien keinen Boden zu haben, auf dem man hätte stehen können. Wohin man auch sah, es war kein Horizont zu entdecken. Zu sagen, in welchem Abstand man sich von einem der Blitze befand und wo sie wohl aufhörten, war nicht möglich. Yamato schüttelte sich. Die Elektrizität war stark zu spüren und ging durch Mark und Bein. Sie sah sich nach ihren Freunden um, welche aber weit und breit nicht zu sehen waren. Nur schemenhafte Bilder, die, umso länger sie die Augen geöffnet hielt, schärfer wurden. Jedoch wollte sie am liebsten gar nicht hinsehen, als sie erkannte, was sie zeigten. Ein kleiner Ritsuka, vielleicht vier Jahre alt, saß weinend im Garten, Seimei neben ihm. Er kniete und hielt einen kleinen Vogel in der Hand. Grob hatte er ihn an den Krallen gepackt und kopfüber hochgehalten. Ob Ritsuka deswegen weinte? Yamato versuchte die Geräusche zu unterscheiden, die sie hörte, doch das meiste kam bei ihr nur als undeutliches Rauschen an. Der kurze, nicht ganz fertige Satz "ist tot" reichte ihr allerdings, um zu verstehen, weshalb Ritsuka so unglücklich aussah. Der Vogel war tot. Mausetot, wie sie Seimei einen Moment später grinsend hörte. Ihr lief Magensäure in den Mund, doch sie weigerte sich, sich zu übergeben. Auch die Stimmen wurden mit der Zeit klarer. Falls es so etwas wie Zeit in dieser Dimension gab. Sie hätte nicht sagen können, ob sie eine halbe Stunde oder nur eine halbe Minute dastand, ehe sie genau hören konnte, was Seimei zu Ritsuka sagte, wohl ein Versuch, ihn zu beruhigen. "Er hat es nicht anders verdient. Er musste sterben, damit das Leben weitergeht." "Versteh ich nicht", sagte der kleine Ritsuka und holte zitternd Luft. "Wenn er tot ist, ist das Leben vorbei." "Für ihn, nicht für denjenigen, der ihn verspeisen wird." Seimei tätschelte Ritsukas Kopf – mit der Hand, in der er den toten Vogel hielt. Ritsuka schreckte zurück und brüllte noch lauter. Wo waren nur die Eltern der beiden? Ihr jüngster Sohn schrie erbarmungswürdig und aus voller Kehle, und noch niemand war aus dem Haus in den Garten gestürmt, um nachzusehen, was denn los war. Zwar hatte Yamato selbst nie solcherlei Eltern besessen, aber aus ihrer gesammelten Erfahrung hatte sie ein recht gutes Gefühl dafür, wie sich eine Mutter in so einer Situation verhalten würde. Nicht dass sie jemals mit Ritsukas Mutter sympathisiert hätte. Für sie war sie stets eine Schreckschraube gewesen, doch da Ritsuka ihr mehrfach versichert hatte, sie sei nicht immer so gewesen (was sie verwunderlich fand, da er ja nicht mal so genau wusste, wer er selbst war und wie er gewesen war, bevor der Zwischenfall mit Seimei passierte). Falls er damit nicht komplett falsch gelegen hatte, stimmte hier etwas nicht. Yamato bekam nicht mehr Zeit, darüber nachzudenken. Das Bild verschwand, und ein neues trat an seine Stelle. Ritsuka war schon etwas älter. Seimei und er standen an einem Zebrastreifen. Der ältere Bruder lächelte glücklich und hielt Ritsukas winzige Hand, der wiederum eher traurig wirkte. Yamato blinzelte, die Blitze zuckten grell und ließen ihr regelmäßig die Sicht verschwimmen. In der Mitte des Zebrastreifens lag eine weiße Taube. Scheinbar schon mehrfach überfahren, ignorierten die Auto- und sogar Motorradfahrer sie vollkommen und fuhren immer wieder darüber. Das Bild dauerte an, bis die Taube platt war und Ritsuka zwischenzeitlich in lautes Gebrüll ausgebrochen war. Seimei drückte seinen heulenden Bruder an sich und strich ihm übers Haar. Er grinste, wie sie es Minuten zuvor in ihrer Welt schon gesehen hatte. Gerade als ihr einkam, wieso sie denn nicht über die Straße gingen, und sie sich dies überlegen wollte, wurde sie an den Haaren gepackt und weggezogen. Ein wortwörtlich stummer Schrei kam ihr über die Lippen. In ihren Ohren rauschte das Blut, ein paar Tränen rannen ihr über die Wangen, als einzelne Haare entwurzelt wurden. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie, wie sich immer mehr der ausgerissenen Haare aufstellten und wie Blitzableiter den Strom anzogen, aber nicht weitergaben. Es brutzelte und zuckte, aber bis auf das immer wieder auftretende Ziepen spürte sie nichts. Nicht mal wer sie da so grob durch die Gegend schleifte konnte sie sehen, geschweige denn wohin. Hier sah für sie alles gleich aus. Über ihr schimmerten Bilder vergangener Tage. Seimeis grinsende Fratze kam in allen vor. Bis auf einem, das wohl immer im Hintergrund mitlief, in einer leisen Dauerschleife. Man konnte nichts davon hören, aber wenn man sich genug konzentrierte, waren die Konturen immer klar zu erkennen. Besonders wenn die eine Erinnerung zu einer anderen wechselte. Mit den mosaikgleichen Andachten, die über ihr schwebten, wollte sie sich vom brennenden Schmerz ablenken, der auf ihrem Kopf tobte. Sie fragte sich, ob sie schon ein Glatzkopf war, und ob es in Japan denn Shampoo für so etwas gab. Oder wenigstens irgendeinen überteuerten Yakuza-Wissenschaftler, der ihr das wieder würde richten können. Ihre Arme waren schwer und schliffen über etwas, das sich anfühlte wie Boden, nur weicher als Erde. Wie die Oberfläche einer Nuss, einer Haselnuss vielleicht, dachte sie. Da wurde es auch schon wieder uneben. Ihr Körper wurde losgelassen, und sie hörte irgendeine ferne Person erschrocken aufkeuchen. "Yamato!", rief irgendwer, von irgendwo. Sie erkannte nicht mal, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war. Oder Ritsuka, den sie als weder-noch ansah. Lächelnd ließ sie den Kopf auf dem Untergrund, der nicht da war, ruhen. "Yamato!", brüllte ihr jemand direkt ins Ohr, und sie schrak augenblicklich auf. "Kouya?" Yamato saß gestochen grade da und blickte ihrer Freundin ins Gesicht. "Was... wieso!?" Kouya sah verwahrlost aus. Ein weites Männerhemd hing ihr gerade noch so über der Brust, war völlig zerschlissen. Die Jeans ebenso, vollgesuhlt dazu mit etwas, das zunächst aussah wie Matsch, aber bei näherem Hinsehen zweifelsfrei Blut war. Yamato nahm geistesgegenwärtig wahr, dass Kouya ihren Kopf an sich drückte und vor Tränen bebte. Mit zitternder Hand strich sie ihr durchs verfettete Haar. "Es ist so schön, dass du lebst." Alles auf die Zunge beißen half nichts. Auch ihr kamen nach und nach immer mehr die Tränen, bis sie wie Kouya zitternd dasaß und sich an die andere klammerte. Als sie sich endlich von ihr löste, wieder mehr imstande, klar zu denken, fiel ihr ein, dass sie nicht alleine hergekommen war. "Hast du Ritsuka gesehen? Soubi? Youji, Natsuo? Und ein schwangeres Mädchen?" "Nein", sagte Kouya kopfschüttelnd. "Ich weiß ja auch nicht, wie ich plötzlich hier hergeraten bin!" "Dann hast du mich nicht an den Haaren hergezogen?" Kouya rieb sich das Gesicht mit den verkratzten Händen trocken. "Wieso sollte ich denn so was tun?" Sie klang ein wenig vorwurfsvoll. "So meinte ich das nicht! Aber irgendwer muss mich ja hergezerrt haben, und da ich eben nur dich hier sehen kann, war das meine erste Vermutung. Ich dachte ja auch schon, dass das eigentlich nicht sein kann." Sie seufzte und lehnte sich gegen Kouya. "Das würdest du nie tun, das weiß ich doch." "Aber ich habe dich wirklich nicht gezogen", sagte sie leise. "Weißt du denn wenigstens, wieso du hier bist?" "Seimei wollte uns in eine andere Dimension bringen. So ein Psycho." "Oh, Seimei..." Yamato reckte den Kopf und hob skeptisch eine Augenbraue an. "Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Hat nicht er dich so zugerichtet?!" "Doch, schon, aber was soll ich denn sagen... ich weiß es ja nicht, ich weiß überhaupt nichts mehr, und... Seimei!" Yamato wandte sich um. Vor ihnen stand eine lebensgroße Projektion Seimeis, der niederträchtig grinsend auf sie herabstarrte. Yamato richtete sich auf, auch wenn ihre Knie nachgeben wollten. "Traust dich nicht mal selbst her, hm?" "Ach, ich würde ja. Aber leider bin ich mit euren kleinen Freunden hier schon so beschäftigt. Es wäre wohl besser, ihr kommt zu mir. Nicht dass ich es noch mit dem Spielen übertreibe – oh, Ritsuka, was machst du denn da? Blut spucken ist gar nicht gesund!", sagte Seimei, während er sich zur Seite wandte, wo für sie und Kouya nichts zu sehen war, augenscheinlich aber an dem Ort, an dem Seimei steckte, Ritsuka war. "Du...", begann sie, wurde aber von ihm gestoppt. "Falls ihr nicht binnen einer dreiviertel Stunde hierher findet, kann ich euch nicht versprechen, dass die Jungs noch am Leben sein werden." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und grinste überheblich. "Das ist doch nur wieder eine von deinen leeren Psycho-Drohungen." Blut spritzte an Seimeis Hand und tropfte langsam davon herunter. Dann verschwand die Projektion im Nichts. "Es scheint tatsächlich dringend zu sein, hm?" Sie sah zu Kouya, die schnaufend am Boden saß. Ihre Hose war an den Knien mit Blut durchnässt. "Kannst du laufen?" Kouya zuckte die Achseln. "Ich weiß nicht." Vorsichtig stützte sie die Arme auf den unsichtbaren Boden, drückte sich nach oben und stand auf wackligen Beinen, die Arme weit von sich gestreckt, als würde sie über einen besonders schmalen Barren balancieren. Yamato beobachtete sie argwöhnisch. "Stütz dich auf mich." "Du bist doch selbst verletzt", sagte Kouya. "Wenn wir beide umfallen bringt uns das nichts. Ritsuka und den anderen noch weniger." Sie nickte seufzend. "Ganz wie du meinst. Aber wenn es nicht mehr geht..." "Melde ich mich schon." Sie nickte ihr zu, wie sie es immer tat, wenn kein Widerspruch geduldet werden würde. Wie sehr Yamato diese Gesten vermisst hatte. In einem kurzen Rauschmoment packte sie Kouyas Kopf und zog ihn zu sich. Der Kuss wurde zunächst verdutzt wahrgenommen, und Kouya hatte Schwierigkeiten, die Lippen auseinander zu bekommen, so verzweifelt wie Yamato sie küsste. Doch schließlich konnte sich Yamato von Kouyas Mund wärmen lassen. Sie schmeckte bitter, als hätte sie sich erbrochen, dennoch löste sie den Kuss erst, als neben ihnen ein lautloser Blitz einschlug. Sie sollten sich beeilen, dachte sie. Wenn das mal kein Zeichen gewesen war. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Seimei diese Dimension vollständig kontrollierte und die Blitze einerseits dazu nutzte, sie zu irritieren, andererseits aber auch ihre Wege zu leiten. Yamato sah dem langsam verblassendem Blitz nach, der sich wegzubewegen schien. "Lass uns jetzt los." "Das hab ich ja schon vor Stunden gesagt", witzelte Kouya. Jedoch war ihre Stimme so schwach, dass Yamato nicht zum Lachen zumute wurde. Sie hoffte nur, Kouya hörte sich noch wegen dem Kuss so erschöpft an, und nicht, weil sie bald in Ohnmacht fallen würde vor Schmerz. Immer wieder blickte sie zur Seite. Kouyas Händedruck war stark, doch die Haut eiskalt und mit Kratzspuren übersät. Ob sie sich diese selbst zugefügt hatte? Womöglich, da Yamato bezweifelte, dass Seimei so scharfe Krallen besaß, geschweige denn sie auf diese Weise einsetzen würde. Nein, im Gegenteil schien er es nicht auf Handgreiflichkeiten anzulegen. Wozu auch, war er doch den meisten überlegen, oder hatte zumindest so gute Argumente, dass er nicht angegriffen wurde. Die Blitze teilten sich, verschwanden, und stießen sie immer wieder in die richtige Richtung. Oder was Yamato hoffte, dass der richtige Weg sein würde. Eine andere Wahl hatten sie nur leider nicht, und Kouya schienen die Sinne zu schwinden. Ihr Kopf neigte sich immer weiter nach unten. Wie weit sie schon gelaufen waren, wurde Yamato erst bewusst, als sie zurückblickte. Weit in der Ferne schimmerte etwas hellgrün. Sie betrachtete Kouyas blutende Knie -- auch dort fluoreszierte die Körperflüssigkeit. Als sie ihren Blick nach vorne wandte, spritzte ihr leuchtendes Grün ins Gesicht. Einen Moment lang schummerte ihr der Kopf, sie sah nur noch lila Mischmasch. Dann drückte sie Kouyas Hand und zog sie zu Boden. Seimei stand vor ihnen und gestikulierte wild mit den Händen. Ritsuka lag in einer Blutlache, aber augenscheinlich noch atmend, vor ihm. Soubi stand heftig atmend hinter seinem leblosen Körper, und die ZERO-male lagen, ebenfalls bewusstlos (allerdings wohl unverletzt, da sie nicht grün leuchteten), ein Stück weiter entfernt. Reika war nirgends zu sehen. "Bleib hier", flüsterte sie Kouya zu, die nur nickte und sich auf den Boden drückte. Yamato sah mit Schrecken, dass Kouya stark schwitzte. Der Schweiß leuchtete bläulich in der lila Dunkelheit, und wenn es blitzte, stach das Blau in die Augen als wäre es ein Schwerthai. Sie schüttelte ihre momentane Blindheit ab und robbte zu Seimei. "Hasta la vista!", schrie sie, als sie ihm mit der flachen Hand auf die Kniekehlen schlug. Seimei stürzte augenblicklich nach vorn. Soubi zog Ritsukas Körper gerade noch rechtzeitig weg, ehe Seimei mit voller Wucht auf ihn knallen konnte. Fluchend richtete sich dieser wieder auf, wandte sich in einem geschmeidigen Zug um und streckte die Finger nach Yamato aus. "Du kleines Biest!" "Och!", sagte sie, während sie rückwärts von ihm wegrobbte. Konnte nicht endlich mal wer angreifen, solange Seimeis Beine ihn noch nicht tragen wollten? "So was sagt man nicht. Ich bin ein Mädchen. Sei gefälligst etwas netter zu mir." Er packte ihre Schuhe. "Du und ein Mädchen, hm... glaubst du, das bist du wirklich? Müsstest du dazu nicht erst mal menschlich sein?!" "Dann bist du auch kein Mann", sagte Kouya, die sie mit letzter Kraft gepackt und fortgezerrt hatte. Zitternd lagen ihre Hände um Yamatos Bauch, der sich ruckartig zusammenzog, immer wenn sie zischend Luft holte. Eine Sekunde länger, und Seimei hätte ihren Fuß abgeschnitten. Ebenfalls mit der flachen Hand, so wie sie ihm sie in die Kniekehlen gerammt hatte. Das war seine Dimension, durch und durch. "Spiel lieber mit Typen, die dir das Wasser reichen können." Reika packte Seimeis Hundeohren, hielt sie zusammen und riss sie mit einem geübten Ruck vom Kopf. Sein glühendmooriges Blut spritzte in alle Himmelsrichtungen. Seine Augen waren weit aufgerissen. Stöhnend hob er die Hände und betastete die Kahlen stellen. Ein wenig Fleisch und Haut hatte sich an seiner Kehle festgepappt. Mit rasendem Blick wandte er sich an Reika, die seine Ohren skeptisch betrachtete. "Hattest du Läuse?" Sie wedelte mit den Ohren. "Oder kann man seit neuestem schuppiges Fell haben?" Seimei betrachtete sie schnaufend. Yamato konnte quasi sehen, wie ihm die Augenhöhlen vor Schmerz die Pupille schmal brannten. Unglücklicherweise war er kein Mensch, für den sie Mitleid empfinden konnte. Auch nicht wenn ihm der halbe Kopf in den Kniekehlen hing. Irgendwann fing er sich wieder und machte einen Satz nach vorn. Doch Reika war behände zur Seite ausgewichen. Die Ohren hatte sie ins Blitznichts geworfen. Als sie von einem der lila-stummen Ungetüme getroffen wurden, schmorte das Fleisch. Einige Sekunden lang schwebten sie in der Luft, dann fielen sie in die Tiefe. Also konnte man nicht überall auf festem Boden stehen. "Bleib gefälligst, wo du bist!", krächzte Seimei. Seine Stimme klang, als hätte man sie durch den Aktenvernichter gezogen, in aggressivem Kloreiniger eingelegt, und dann im Eiswind aufgehangen. Oder einfach, als hätte er jahrelang ein Alkoholproblem gehabt. "Fällt mir ja nicht im Traum ein." Lächelnd sprang Reika von rechts nach links, je nachdem, wo Seimei gerade hingriff. Er erwischte sie nicht. Obwohl sie schwer sein musste, bewegte sie sich, als wäre sie eine Feder. Anscheinend machte ihr der Druck dieser Dimension nichts, wogegen alle anderen aus den Ohren, der Nase oder dem Mund bluteten. Auch um die ZERO-male sah man nun leuchtende Blutspuren. Gerührt hatten sie sich nicht. Genauso wenig wie Soubi, auf den Yamato mit Kouya zuhumpelte. Sie hatte sich das Bein verdreht, wie sie merkte, wann immer sie versuchte darauf zu stehen. Ihr Gewicht wollte es nicht mehr tragen. Kraftlos ließ sie sich neben Soubi sinken, der dabei war, die ZERO-male ebenfalls herzuziehen. So lagen sie in einer Reihe nebeneinander, Yamato auf ihre Unterarme gestützt, Youji und Natsuo eiskalt neben ihr. Die Augen hatten sie geschlossen, doch dem Zucken zu schließen waren sie nur eingeschlafen. Wie auch immer man schlafen konnte, wenn einem Blut aus dem Mund lief. Kouya und Soubi hievten erst Youji und dann Natsuo in die stabile Seitenlage. Yamato strich gedankenverloren durch Natsuo struppiges Haar. Normalerweise schlug es doch so weiche Wellen, die glänzten, wenn die ersten Sonnenstrahlen auf sie fielen. Jetzt wirkte es verfilzt, als hätte er es wochenlang nicht gewaschen, während er seiner Arbeit als Metzger nachgegangen war. Youji sah nicht viel besser aus, doch waren seine Haare nicht gar so versträhnt. Dafür war sein Oberteil in der Mitte durchgerissen und legte den Blick frei auf seine Brust, die mit einzelnen Kratzspuren bedeckt war, die nicht größer waren als eine 1-Yen-Münze, insgesamt aber alles bis zum Hosenbund abdeckten. Seimeis Stöhnen drang an Yamatos Ohr. Ruckartig sprang sie auf. Was in ihre Richtung geflogen kam, war nicht Seimeis, sondern Reikas Körper. Geräuschlos knallte er auf. Reika wand sich nicht vor Schmerz, sondern blieb ruhig liegen. Es war nicht schwer zu erkennen, wo Seimei sie getroffen hatte. Um ihre Beine herum sog sich der Stoff mit Flüssigkeit voll. Erst mit durchsichtiger, die ihn schlicht dunkler machte, dann mit roter, die durchschimmerte und ebenfalls grün zu leuchten begann. Yamato hätte gerne darüber gelacht. In jeder anderen Situation hätte sie es wohl auch getan. Jetzt jedoch krabbelte sie zu Reika und schrie sie an. Da der Raum kein Echo hervorbrachte, war es nicht so laut, wie sie es sich gewünscht hätte. "Reika! Verdammt, mach die Augen auf! Dein Baby!" Blut lief Reika übers Kinn, waagrecht bis zum Shirt, und fraß sich dort in die Fäden. Reikas Kopf kippte zur Seite, die Augen hatte sie halb geöffnet. "Oh, scheiße", entfuhr es Yamato. Soubi beugte sich über sie und Reika. Als ob er nie etwas anderes getan hätte, suchte er nach ihrem Puls. Er nickte zwar, doch sein sorgenvoller Blick auf Reikas Unterleib bestätigte ihre Ahnung. Reika rollte sich zur Seite und weinte mit leeren Augen. Die Pupillen waren bis zum Äußersten geweitet. Keine Farbe war mehr sichtbar. "Bastard!" Yamato sprang auf und mit drei großen Schritten war sie bei Seimei angekommen, der überheblich grinsend dastand. "Du Bastard!" "Wieso? Noch lebt sie ja. Reg dich nicht so auf. In ein paar Minuten darfst du dich aufregen, meine Liebe." Er riss ihr Oberteil vom Körper und strich über eine frische Narbe. Yamato erstarrte, einerseits wegen Seimeis kalten Fingerkuppen, andererseits weil das ZERO-Zeichen wieder auf ihrer Brust erschienen war. Sie atmete zischend ein und schlug Seimeis Hand weg. "Ich habe damit meine Kräfte wieder, nehme ich an." "Auch wenn das eher Feststellung denn Frage war, aber ja, das hast du wohl." "Wieso... auf einmal?" Sie fühlte die Konturen nach. "Oh, ich kann auch nicht alles wissen", sagte er, den Blick auf das Zeichen geheftet. Kouya trat neben sie. "Das heißt, wir sind jetzt wieder im Spiel, Yamato." Sie ergriff ihre Hand. Obwohl sie kaltgeschwitzt war, hielt sie sie fest. "Und wenn wir im Spiel sind, ist es unüblich, dass irgendjemand anders gewinnt. Nicht wahr?" "Wie wahr." Sie ging einen Schritt zurück. "Oh, aber keine Sorge, Seimei. Wir sind nicht wie du. Wenn wir dich töten, wird es relativ schmerzlos ablaufen." "Ach, es gibt die Option, mich nicht zu töten?" Er warf den Kopf nach hinten und zeigte Zähne. Viele davon liefen spitz zu, wie die eines Tieres. Yamato nickte, zog Kouya zu sich und küsste sie. Sie leckte ihr über die Lippen, dann teilte sie Seimei mit: "Wenn du den Freitod wählst." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)