Zerbrochene Seelen von abgemeldet
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Kapitel 4: 2 mal Flucht
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Die Verzweiflung trieb Draco aus seinem Bett. Wie immer wenn er in dieser
Verfassung war, lief er ziellos durch sein Zimmer. Es war inzwischen Dunkel
draußen. Wo war sein Vater? Normalerweise wartete er nie so lange mit seinen
Bestrafungen. Das warten war fast schlimmer, als die Schläge selbst. Die
Gewissheit, das er auch an diesem Abend leiden würde trieb ihn fast in den
Wahnsinn. Er ging nicht in die nähe der Tür, doch nach einiger Zeit beäugte
er sie argwöhnisch. Irgendetwas war anders. Zwischen Wand und Tür hatte sich
ein dünner Streifen Licht gebildet, doch die Tür ging nicht weiter auf. Es
dauerte eine ganze Weile, bis Draco begriff, das seine Mutter die Tür nicht
verschlossen hatte.
Das war seine Chance. Schnell suchte er seine Sachen zusammen. Schlüpfte in
eine frische Jeans und ein neues T-shirt. Nahm seinen Zauberstab und öffnete
die Tür nur einen Spalt, durch den er die Eingangshalle sehen konnte. Als er
niemanden sah, öffnete er sie gerade so weit, das er hindurch schlüpfen
konnte, ohne an den Türrahmen zu stoßen.
Er war unsicher auf seinen Beinen, doch die Hoffnung gab ihm Kraft, die
Schmerzen und die Erschöpfung zu verdrängen. Ganz leise schlich er zur
Eingangstür. Aus dem Schlafzimmer seiner Eltern vernahm er ein leises
Schluchzen. Es war ihm egal, er wollte nur hier raus. So leise es ging öffnete
er die schwere Hautür. Frische Abendluft wehte ihm entgegen, als er endlich im
Vorgarten stand. So nah war er der Freiheit noch nie gewesen. Immer noch leise
setzte er einen Fuß vor den anderen, durch den Vorgarten, direkt auf den hohen
Zaun zu. Wie er über denn kommen sollte wusste er nicht, doch da fiel ihm sein
Besen im Schuppen ein. Er machte einen Schlenker seitlich am Haus vorbei und auf
den Schuppen zu. Die Tür war offen, schließlich wollte aus diesem Teil des
Anwesens niemand fliehen, es war also keine Vorsicht geboten.
Draco sah seinen Besen. Er hatte bei dem Sturz sehr gelitten. Seine Borsten
waren verbogen und das Holz des Stieles splitterte leicht, doch er würde ihn
von hier fort bringen. Vorsichtig schwang er ein Bein über den Stiel, als er
draußen war und setzte sich nur sehr vorsichtig. Sofort durchzuckte ihn wieder
der Schmerz im Unterleib, doch diesmal war es ihm egal.
Er stieß sich in die Höhe und flog davon. Er hatte es geschafft. Er war
endlich frei. Der Schmerz in seinem Unterleib wurde fast unerträglich. Irgendwo
in einer Vorstadt Londons ging er in den Sinkflug. Es trennten ihn nur noch
wenige Zentimeter vom sicheren Boden, als ihn erneut die Dunkelheit übermannte
und er Bewusstlos in ein gut gepflegtes Beet fiel.
Am nächsten Morgen wurde Draco von einem entsetzten Schrei aus der Dunkelheit
gerissen. Er rappelte sich sofort hoch. Im ersten Moment wusste er nicht, warum
er in einem Blumenbeet und nicht in seinem Bett in seinem Zimmer, seinem Käfig,
aufgewacht war. Nur seine Schmerzen am ganzen Körper waren ihm so bewusst, dass
er gar nicht auf den Gedanken zu kommen, das er träumte. "Malfoy? Bist du das?"
Er erkannte die stimme sofort, die mit einer Mischung aus Besorgnis und
Misstrauen an sein Ohr drang. "Harry!"
Als er aufschaute, sah er direkt in die schönsten grünen Augen der Welt, die
hinter runden Brillengläsern misstrauisch funkelten. Sofort legte er seinen
Blick in die Ferne, aus Angst der junge Mann vor ihm könnte seine wahren
Gefühle in seinen Augen lesen.
Was hatte das Schicksal nur gegen ihn, warum war er ausgerechnet in seinem
Vorgarten abgestürzt? Was glaubte er wohl, wenn er all seinen Schmerz in den
Augen las und die vielen Wunden sah? Draco schämte sich vor dem jungen Mann.
"Was machst du hier?", der junge Mann machte einen Schritt auf ihn zu und hob
seine Hand. Draco wich vor dem jungen Mann
zurück und hob reflexartig seine Hände vors Gesicht. Wusste er was er wirklich
für ihn empfand? Hasste er ihn deswegen so sehr, das er ihn auf offener Straße
schlagen würde? Warum schlugen nur alle Leute, die er liebte zu oder
enttäuschten ihn? Es gab nur drei Menschen, die er wirklich liebte und alle
schienen ihn zu verachten.
"Draco ist alles in Ordnung? Was ist mit dir? Warum hast du die Hände vor dem
Gesicht? Und woher kommen all diese Verletzungen?" Echte Besorgnis schwang in
der Stimme des jungen Mannes mit, so das Draco langsam die Arme sinken ließ.
Hatte er sich vielleicht geirrt? Hasst er ihn vielleicht doch nicht? Er spürte
eine sanfte Berührung an der Schulter und zuckte unter dem Schmerz den diese
auslöste zusammen. Im kamen echte Zweifel, mochte Harry ihn vielleicht doch?
Aber was machte das für einen Unterschied? Sie würden nie Zusammensein
können! Es gab einfach zu viele Gründe die dagegen sprachen. Sein Vater würde
ihn mit Sicherheit zu Tode prügeln, wenn er mit einem Mann zusammen wäre, vor
allem wenn dieser Mann Harry Potter war, der Erzfeind aller Todesser, wie sein
Vater einer war.
"Lass mich los!" die Kälte in seiner eigenen Stimme erschreckte Draco, genauso
wie Harry, der einen Schritt zurück wich. Hoffentlich hatte er nicht den Hauch
von Trauer in seiner Stimme herausgehört. Er wollte ihn verletzen, damit er ihm
nicht folgte. Er spürte wie ihm Tränen in die Augen stiegen, also drehte er
sich um und rannte los.
Er rannte durch die ausgestorbenen Straßen der Vorstadt, geradewegs zu den
belebten Straßen der Londoner Innenstadt. Ohne das er es bemerkte wandelten
sich die kleinen Einfamilien Häuser in große graue Mietskasernen. Das Laufen
tat ihm gut, denn es ließ ihn seine Schmerzen vergessen, vielleicht war es auch
einfach eine Schutzfunktion des Körpers, auf jeden Fall spürte er keine
Schmerzen so lange er lief.
Erst als er sich sicher war, das Harry ihm nicht folgte, oder ihn nicht einholen
konnte, verlangsamte er seine Schritte. Gleichzeitig kam auch der Schmerz
zurück. Er traf ihn wie ein Faustschlag ins Gesicht, so das er leicht taumelte,
als er seinen Weg fortsetzte.
Er wanderte noch eine ganze weile langsam durch die Straßen, wobei seine
Schrizze von den Wänden wiederhallten. Menschen liefen an ihm vorbei, hektisch
und nur sich sehend, ihn nicht beachtend. Er war nur eine störendes Objekt in
ihrem Leben und bedeutete nichts. Sie alle sahen nicht seine verletzte, graue
Seele, sein gebrochenes Herz, dass noch in seiner Brust schlug, ihn aber doch
nicht wirklich am Leben hielt. Sie alle übersahen seine Verletztheit, selbst
jetzt, da er die Striemen offen am Körper trug. Genau wie seine Freunde sonst
verschlossen sie die Augen. Seine Freunde, die darüber scherzten, weil sie nie
seine Striemen gesehen hatten, taten seine seelischen Veränderungen als
Stimmungsschwankungen ab, als eine Folge des Leistungsdruckes oder als
unzählige Ausreden, die sie erfanden um sich selbst zu beruhigen und sich nicht
mit diesem Problem beschäftigen zu müssen. Alles nur, damit ihre kleine heile
Welt nicht in Scherben zersprang.
Er richtete seinen Blick auf den Himmel, der von den großen grauen
Häuserfronten verdeckt wurde. Würde sich das Blau für ihn je wieder blicken
lassen? Zum Neuanfang anregen?
Irgendjemand rempelte ihn an, so das er ins stolpern geriet. "Kannst du nich
besser aufpassen?!" fauchte ihn eine mit Ärgernis durchzogene Stimme an und
hinterließ einen tiefen Schnitt in seiner Seele. Was machte er eigentlich
falsch? Warum musste seine Seele so leiden? Was hatte er getan? Er kannte die
Antwort. Er hatte geliebt Das hatte sein Vater ihn früh gelehrt. Seine Schritte führten ihn
weiter, weg von den Menschen, die ihn nicht kannten, die er gar nicht kennen
wollte. Zum Schutz vor ihren Blicken zog er sich sein blondes Haar tiefer ins
Gesicht, so das nur seine blauen Augen matt und leblos hervorblitzten.
Nein, er wollte weder unter Fremden, noch unter Freunden sein, die ihn doch alle
nur als den Sohn des großen Lucius Malfoy sahen und nicht als den Menschen, der
er wirklich war, der verletzte Mensch, der unter der Maske des glücklichen
Jungen verborgen lag. Niemand zuvor hatte sie durchschaut, um seine wahre Seele
zu sehen... nur er, der einzige Mensch, dem er nie sein wahres Ich zeigen wollte
hatte es geschafft. Wieder schüttelte ihn ein heftiger Weinkrampf. Wieder traf
ihn der Schmerz wie ein Faustschlag, diesmal sang er an einer Hauswand,
erschöpft und mit schmerzenden Gliedern in sich zusammen. Er war unendlich
müde... vor allem des Lebens müde. Die Tränen die unaufhaltsam über seine
Wangen flossen waren für die Außenstehenden unsichtbar.
Wie lange war er jetzt schon in der lang ersehnten Freiheit? 10? Vielleicht 11
Stunden? Er wusste es nicht, eigentlich war es auch egal, sie hatte ihm nicht
gebracht, was er ersehnt hatte. Trotzdem würde er für jede Stunde, die er
nicht in seinem Käfig verbrachte furchtbar leiden müssen.
Ohne es zu wollen strömten noch einmal die Erlebnisse des Morgens auf ihn ein.
Er sah alles genau vor sich.
Schluchzend vergrub Draco sein Gesicht in seinen blassen Händen, die Tränen
bannten sich ihren Weg und tropften in gleichwährenden Abständen auf den
staubigen Asphalt. Trotz der drückenden Hitze des Sommers stieg eine
unerklärliche Kälte in ihm hoch, legte ihre eisigen Finger um den schmalen
Körper am Boden. wieder ein lautes Schluchzen, ein
weitere missbilligender Blick eines Passanten, ein weiterer Riss in seiner
Seele. Wie lange musste er diese Last noch ertragen? Wie lange musste er sein
Leben, seine Liebe noch ertragen?
Er kauerte sich zitternd enger zusammen. Wie hatte es nur so weit kommen
können? Wie konnten drei Menschen sein Herz, seine Seele so leicht zerbrechen?
"Wieso?" Draco flüsterte nur, so leise, dass es keiner der umhereilenden
Passanten hörte. "Wieso, muss ich ausgerechnet dich so lieben, Harry?", erneut
Tränen, die über die von der Sonne verbrannten Wangen liefen. So viele
Tränen, vergossen für nur einen einzelnen Menschen, von dem er nicht mal
wusste, ob er so fühlte wie er!
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