Skysword von Jadzia (It's hard to love. It's hard to live.) ================================================================================ Kapitel 8: Verloren ------------------- ...............................................Lady Tenouh Haruka..................................................................... Die Sonne strahle über die weiten, sanftfallenden grünen Hänge, auf denen sich das Gras im Wind wellte und wogte. Am absolut klaren, blauen Himmel stand nicht eine einzige Wolke, das Blau war einfach perfekt und rein. Die Bäume schwenkten ihr dichtbelaubten, smaragdgrünen Kronen und Äste im Wind, voll blühende Mimosen strahltend leuchtend gelb in der Sonne und ihr schwer süßlicher Geruch vermischte sich mit dem Geruch der Ginsterbüsche. Um einen Holzzaun rankten sich dunkelrote, voll blühende Rosen, die einen sehr feinen, unaufdringlichen Duft verströmten. Die Sonne strahlte war und angenehm, es schien ein perfekter Sommertag zu sein. Eine Gestalt in der Ferne, kaum mehr als ein Strich am Horizont, warf einen Falken hoch in die Luft, woraufhin dieser mit einigen schrillen Schreien seine Kreise am Himmel zog. Die Sonne strahlte durch seine braungefiederten Flügel und liebkoste jede einzelne Federn mit warmen, hellen Fingern. Der leicht gebogene Schnabel streckte sich dem Himmel entgegen, als wolle der Falke mit ihm verschmelzen. Ja, es war wirklich ein schöner Tag, angenehm warm, strahlende Sonne und keine Wolke ... Doch in den Augen der Gestalt, die halb verbogen im kniehohen Gras lag, halb verborgen in den hoch aufgeschossenen Halmen und den Blumen, war es einer der schlimmsten Tage in ihrem Leben. Während sie dem Falken aus zusammengekniffenen strahlend blauen Augen nachstarrte, ihr goldenes Haar, das sich bei jedem Atemzug auf der Brust hob und senkte, mit dem Wind spielen wollte und die Sonne ihre warmen, liebevollen Lichtfinger nach ihr ausstreckte, wurde ihr in ihrem Inneren kalt, eiskalt. Es war, als wäre sie in ihrem bisherigen Leben in einem Dauerfrühling gewesen und jetzt in eine Eiswüste geschickt worden. Ihr roter Kimono mit Goldstickerein saß locker und ausgebreitet im Gras, manchmal blitzte das Gold in der Sonne auf, genau wie das satte Blond ihrer Haare. Mit stahlblauen Augen, in denen eine außergewöhnliche Weisheit saß, verfolgte sie den Flug des Falkens, die feingliedrigen weißen Hände lagen untätig im Gras. Lady Tenouh Haruka seufzte leise und wischte sich eine Haarsträhne aus den Augen. Sie war dem Unterricht seit einigen Tagen ferngeblieben, war ihrem Vater aus dem weg gegangen, sämtliche Audienzen, Termine und Verabredungen nicht eingehalten. Nichts in ihrem Leben schien noch Sinn zu machen, da war nur Kälte. Kälte und ... Einsamkeit. Der Falke flog eine scharfe Kurve und stieg wieder auf gen Himmel. Der Anblick trieb Tenouh Haruka die Tränen in die Augen. Der tote Körper jeannes, völlig zerfleischt, unzählige Federn im dunkelroten, in der Sonne glitzernden Blut ... sie presste die Hände auf die Augen. Warum nur? Der Anblick der toten Jeanne verfolgte sie wie ein zweiter Schatten, griff nach ihr, ließ sie nicht los, wenn er sie gepackt hatte. Er verhinderte jedes Glücksgefühl, jede Empfindung. Sie war taub, völlig empfindungslos. Da waren nur überall diese Erinnerungen an Jeanne, die an ihrem inneren Auge vorbeizogen, Wie sie sich mit Jeanne gestritten hatte, wie sie in der Sonne gelegen hatten, gemeinsam gelacht und einander getröstet hatten – tot! Tot! TOT! Jeanne war tot, nicht mehr! Und obwohl sie das doch wusste, glaubte Tenouh Haruka immer wieder, Jeannes Stimme im Wind zu hören, irgendwo gereizt ihre Flügel zucken sehen, schrie ein Falke musste es Jeanne sein!! Tot ... “Lady! Da seid ihr ja, dem Himmel sei Dank!” Tenouh Haruka fuhr auf. “Jeanne?!” Sie sah einer alten Dienerin ins Gesicht, die sich zum Gehen auf einen feingeschnitzten Mahagoniestock stützte. Ihre schneeweißen Haare hatte sie mit einer einfachen Klammer hinten zusammengesteckt, damit sie nicht in ihr Gesicht fielen. Einige lockige Strähnen fielen ihr auf die Schultern, die sehr schmal und feingliedrig waren. “Wer bist du? Was tust du hier?” Tenouh Haruka funkelte die Frau an. “Mein Name ist Kohaku. Ich soll Euch nach Hause bringen.” Entgegnete diese gelassen. Haruka fuhr sich durchs Haar. “Ich wünsche nicht gestört zu werden, dazu bin ich hier! Geh fort und lass mich in Frieden. Ich komme nicht mit.” Sie schob herausfordernd das Kinn vor und schürzte die Lippen. “Dann muss ich Euch wohl zwingen, Lady.”, antwortete die Dienerin ruhig. “Mich zwingen?” wiederholte die Lady spöttisch und verschränkte die Arme. “Da bin ich ja mal gespannt, wie du das bewerkstelligen willst!” Die Dienerin hob die Hände und beschwor einen starken Windzauber. “Wie Ihr wollt.” Haruka grinste und hob eine einzelne Hand. Ein kleiner Wirbelwind entstand in ihrer Hand, der sich rasend schnell um die eigene Achse drehte. Die Dienerin schloss die Augen und konzentrierte sich. Der Wind nahm die Gestalt eines Pferdes mit langen Horn an, das auf Haruka zu galoppierte. Die Erbprinzessen lächelte, als sie das sah. Ohne mit der Wimper zu zucken riss sie die Hand hoch, ihr Wirbelwind raste auf das Pferd zu, zerriss es und raste auf die Dienerin zu. Diese riss die Augen auf und hob nur abwehrend die Hände, doch sie hatte keinerlei Möglichkeit mehr, sich zu schützen. Ganz kurz bevor der Wind Kohaku dann erreichte zog Haruka die Hand ruckartig nach unten und ballte eine Faust. Der Wind wehte als leichte Brise davon. “Merk dir das und verschwinde.” Kohaku schluckte. “Wie... Ihr befiehlt, Eure Majestät.”, flüsterte sie, dann zog sie sich zurück. Haruka ballte auch weiterhin die Fäuste. Es war nicht mehr als ein Zufall, ein lächerlicher, dummer Zufall, als Tenouh Haruka sich kurz umsah. Genau in dem Moment stand der Falke in seiner menschlichen, männlichen Gestalt nicht weit von ihr auf einem Abhang. Sine Haut war stark gebräunt, die Haare schwarz – aber seine Flügel! Tenouh Haruka riss sich von Kohakus Anblick los, rannte auf ihn zu, stolperte über den herabhängenden Kimonogürtel und stürzte. Der Mann stieß sich ab, wurde wieder zum Falken und flog davon. Der Erbprinzessin liefen Tränen übers Gesicht, sie krallte sich mit beiden Händen ins Gras. Eine Dunkelheit erfasste ihr Innerstes, riss sie in einen Strudel aus Schwärze – verursachte Übelkeit und ein widerwärtiges Schwindelgefühl. “Jeanne! Jeaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanne!!” Sie schrie aus Leibeskräften, doch es half nichts: Der Mann mit den Flügeln Jeannes war fort. Ihre Stimme erstickte und sie weinte hemmungslos, bis sie entkräftet niedersank, in einen Strudel von Schwärze fiel. Niemand konnte niemals die Toten zurückholen. Nie, nie würde Jeanne zurückkehren. Jeanne war tot! Tot ... Ein Schrei durchbrach die Stille. “Verräterin!” ”Du, Jeanne?” “Ja, was ist denn?” “Bleibst du eigentlich immer bei mir?” “Um Gottes Willen, bloß das nicht!” “Magst du mich nicht?” “Wie kommst du denn darauf?” “Immer sagst du solche Sachen und machst so Andeutungen. Ich hab allmählich das Gefühl, du magst mich überhaupt nicht.” “Das ist doch völliger Stuss. Und das weißt du!” “Warum sagst du dann immer so was?” “Haruka...” “Das tut so weh! Wenn Menschen, die mir viel bedeuten, so etwas zu mir sagen tut es mir hier in der Brust immer total weh!” “Ha...” “Warum tut das so weh? Und warum nur bei den mir wichtigen Menschen? Was ist das für ein Schmerz? Jeanne, ich will das wissen! Ich verstehe das alles nicht!” “Das, Haruka ... Das ist der Schmerz der Liebe.” “Ich verstehe das nicht! Was ist “Liebe”?” “Das ist das absolut Wundervollste auf der ganzen Welt.” “Ich verstehe es immer noch nicht.” “Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als die Liebe. Sie ist ein ganz warmes Gefühl, dass sich hier in der Brust ausbreitet, das Eis der Einsamkeit schmilzt und für Wärme und Glück sorgt.” “Und wie kriege ich solche Liebe?” “Du bist doch noch so jung, Haruka.” “Was hat das damit zu tun? Ich will alles wissen!” “Alles?” “Ja, alles!” “Und mit alles meinst du...?” “Ja, einfach alles! Erklär es mir Jeanne! Ich kann doch nur dich fragen.” “Das stimmt doch überhaupt nicht, Kleines.” “Jetzt antworte mir, auf der Stelle!” “Du musst einem Menschen, der dir alles bedeutet, das Herz öffnen, ihn mit allen Macken und Ungewöhnlichkeiten, Eigenschaften und Fähigkeiten, annehmen.” “Und dann liebt dieser Mensch mich auch?” “Nein, nicht unbedingt. Wenn dieser Mensch es auch tut, dann wirst auch du geliebt.” “Und was macht man dann?” “Was?!” “Wenn man sich dann gefunden hat und weiß, dass man einander liebt! Was macht man dann?” “Ääääh... Dafür bist du jetzt eindeutig zu klein!” “Jeanne! Ich will’s wissen!” “Nein. Das wirst du schon irgendwann herausfinden.” “Du bist gemein.” “Du bist noch so jung und hast so ein langes Leben vor dir. Du wirst noch so viel erfahren, lass es doch einfach mal auf dich zu kommen!” “Hm...” Als Haruka die Augen öffnete, herrschte um sie herum nur Dunkelheit. Sie wusste nicht, ob das hier ein Traum war oder die Realität. Es war so dunkel, dass sie nicht einmal ihren eigenen Körper sehen konnte, dass es keinen Unterschied machte, ob sie die Augen auf oder geschlossen hatte. Sie war sich plötzlich nicht einmal mehr sicher, ob sie die Augen wirklich auf hatte, oder geschlossen – hatte sie überhaupt Augen? Sie fühlte überhaupt nichts, nicht einmal das Gefühl des Schwebens. Wer weiß, vielleicht ist das sogar der Tod? Als dieser Gedanke erst einmal ausformuliert war, konnte sie ihn nicht mehr verdrängen. Wenn das wirklich sterben war, tat es ja nicht einmal weh. Warum hatten denn dann alle Menschen Angst vor dem Sterben? Plötzlich bemerkte sie, wie ein Licht sich näherte. Sie konnte jetzt erkennen, dass sie auf einem roten Sessel mit Samt überzogen saß. Sie war völlig nackt, doch sie schämte sich nicht. Sie kannte ihren Körper und wusste, dass sie sich für nichts schämen musste. “Richte deinen Blick nach Vorne.” Eine Stimme hallte in der Stille nach, sie schien von überall und nirgendwoher zu kommen. Tenouh Haruka beschloss, der Anweisung fürs Erste Folge zu leisten. Sie sah eine riesige Fläche, die aus einem Glas oder einem Spiegel hätte bestehen können. Für ein Glas war es zu undurchsichtig, wäre es ein Spiegel, hätte man sich in ihm spiegeln müssen. “Stell keine Fragen.” Sie sah sich um. Konnte er ihre Gedanken lesen? Dann zog die Fläche ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie sah, wie tausende von Bildern auf ihm aufblühten. Sie konnte sie alle gar nicht schnell genug erkennen. Immer wenn sie vermeinte, ein Detail ausgemacht zu haben verschwand das Bild, ersetzt durch ein Anderes, so dass sie sich nicht sicher war, ob sie es wirklich gesehen hatte. Plötzlich verschwammen die Bilder, sie verliefen in einander und lösten sich zu teils auf. Es sah aus als würde eine riesige große Hand mit einem Löffel in den Bildern umrühren. Ab und zu schien diese “Hand” ein paar Bilder aus der Tiefe zu ziehen, doch das richtige Bild schien nicht dabei zu sein. Tenouh Haruka wartete, angespannt und neugierig, darauf, dass ein bestimmtes Bild zu Vorschein kam. Schließlich richtete sie sich auf. “W...” Sie wurde sofort unterbrochen. “Schweig.” Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch und lehnte sich wieder zurück. “Sieh her.” ”Du, Jeanne?” “Was ist denn jetzt schon wieder?” “Hast du eigentlich vor etwas Angst?” “Angst?” “Na ja ... Fürchtest du dich vor irgendetwas?” “Hm... Ich weiß nicht genau.” “Was?!” “Es ist nicht so, dass ich da jemals darüber habe nachgedacht.” “Wieso denn das nicht?” “Ich denke, ich habe mir nie die Zeit dazu genommen.” “Und wenn du sie dir jetzt nimmst?” “Du stellst da eine sehr schwierige Frage. Wenn ich so nachdenke ... Ich hab Angst vor der Einsamkeit.” “Vor der Einsamkeit?” “Ja, ich denke schon.” “Was ist Einsamkeit, Jeanne?” “Das ist wenn du für sehr, sehr lange Zeit ganz alleine und traurig bist.” “Und was bewirkt das?” “Es... ist kein schönes Gefühl. Kein Mensch auf der Welt, kein Tier, einfach niemand sollte einsam sein.” “Mhm.” “Warum so schweigsam?” “Ich denke nach. Wenn niemand einsam sein will, wenn niemand verletzt werden will ...” “Ja?” “... Warum verlieben sich die Menschen dann?” “Aber Liebe bedeutet doch keine Einsamkeit!” “Natürlich tut sie das. Wenn man nicht beim geliebten Menschen sein kann, fühlt man sich einsam. Man ist traurig und allein. Man verletzt sich gegenseitig, wenn man sich verliebt, manchmal ohne es zu wollen.” “Ja, das ist richtig.” “Warum also verliebt man sich? Wenn es doch so oft wehtut, wenn man sich so einsam fühlt!” “Die Liebe kann dich natürlich schwer verletzen. Sie kann seelische Wunden hinterlassen, die vielleicht niemals heilen... Aber...” “Aber?” “Sie kann dich auch aus diesem Schmerz, aus dieser Einsamkeit befreien. Und deswegen verlieben sich die Menschen.” “Und dann werden sie glücklich?” “Wenn du mit jemandem zusammen bist, wärst du dann nicht glücklich?” “Ich glaub schon.” “Dann weißt du doch schon alles, Haruka.” Tenouh Haruka schluckte, blinzelte mehrere Male und schwieg. Als alles wieder dunkel wurde, schloss sie erneut die Augen. Immer wieder spielte sich in ihr dieses Gespräch ab. Sie erinnerte sich wieder an Einzelheiten, die sie längst vergessen hatte. Sie ballte eine Faust. Sie hatte in dieser Dunkelheit einen Entschluss gefasst. Jetzt, wo sie wieder in ihrem Schlafzimmer lag, auf dem Futon und in das Dunkel starrte, wusste sie genau, was sie entschlossen hatte: Wer auch immer Jeanne umgebracht hatte, wo auch immer dieser Jemand war – sie würde ihn kriegen. Sie würde ihn zu seiner Strafe bringen! Niemand konnte sie davon abhalten! Absolut niemand! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)