Das Ende alles Bösen von abgemeldet (Shinji x Natsuki) ================================================================================ Kapitel 3: Sindbads Wiederauferstehung -------------------------------------- An den Webmaster: Ich möchte diesen Fanfic unter dem Pseudonym "El Jugador" veröffentlichen. Danke. Tja, was soll ich sagen? Die Figuren gehören nicht mir, sondern Arina Tanemura, erreichbar bin ich unter g.girlinger@aon.at und jetzt halt ich euch nicht mehr länger auf... Das Ende alles Bösen Kapitel 3: Sindbads Wiederauferstehung Die Situation war nun doppelt so schlimm wie zuvor. Chiaki fluchte. Vorhin hatten sie nur Miyako beruhigen müssen, aber jetzt war Marron ebenso verzweifelt wie ihre Freundin und Yamato und er konnten nichts tun, um sie zu beruhigen. Dabei müssten sie jetzt eigentlich nach Natsuki suchen. Er drückte Marron dennoch fest an sich, auch wenn alles in ihm danach schrie loszulaufen und dieses Mädchen nach Hause zurückzuschleifen. Natürlich sorgte er sich auch um sie. Schließlich war er ihr Vater, egal, wie ihre Beziehung im letzten Leben gewesen war und außerdem erinnerte sich Fynn ohnehin nicht mehr an ihre Feindschaft. Aber momentan würde er Natsuki am liebsten übers Knie legen. Sie hatte sich wahrhaft keinen schlechteren Zeitpunkt zum Weglaufen aussuchen können! "Wo kann sie nur sein, Chiaki?", wimmerte Marron unter Tränen und durchnässte sein Hemd noch mehr. Ihre Beziehung zu ihrer Tochter war noch viel tiefer als die seine, da sie in ihr gleichzeitig Fynn und ihr eigenes kleines Mädchen sah. Er wusste, dass sie es nicht ertragen würde, die Kleine zu verlieren. "Schhhh", murmelte er beruhigend und streichelte ihr Haar. "Sie wird schon nicht lange wegbleiben, du wirst sehen. Sie hat kein Geld und bestimmt sieht sie bald ihren Fehler ein." "Und wenn nicht?" Marron schniefte. "Du weißt doch, wie dickköpfig sie ist. Und wenn sie noch dazu verzweifelt ist, dann könnte sie etwas Dummes anstellen." Chiaki wurde mulmig bei diesem Gedanken. Stimmt, Natsuki war ausgenommen starrköpfig und wenn sie etwas anfing, beendete sie es auch. Sie brauchte länger, um Fehler einzusehen, als andere Leute. Und deshalb musste er sie jetzt suchen, sofort! Aber dazu brauchte er Hilfe. "Miyako", wandte er sich an die schwarzhaarige Frau, die sich zwar äußerlich wieder beruhigt hatte, aber noch immer an Yamato gelehnt still dasaß - bei der stets energiegeladenen Miyako ein schlechtes Zeichen. Dieser wusste offenbar auch nicht mehr, was er noch tun sollte und hielt sie einfach fest. Auf den Ruf hin sah sie jedoch auf. "Hast du irgendwo die Nummer deines Vaters?", fragte Chiaki eindringlich. Himuro Toudaiji arbeitete zwar nicht mehr aktiv bei der Polizei, aber er hatte noch immer einen Schreibtischposten im Präsidium, soweit Chiaki wusste. Diesmal musste Sindbad der Dieb auf die Dienste der Polizei zurückgreifen. "Sicher", meinte Miyako zögernd. "Denkst du, er würde Natsuki suchen lassen? Würde er sie denn in so einer großen Stadt finden?" "Wir müssen alles versuchen, Miyako", meinte Chiaki. "Ruf ihn an, bitte. Dafür versuche ich mein Glück noch einmal bei Shinji." Er bedeutete Yamato, dem sichtlich unwohl dabei war, sich um Marron zu kümmern und stand auf. Das hatte auch noch einen anderen Grund als den, seine Frau nicht allein zu lassen. Denn diesmal würde er nicht mit Shinji sprechen... sondern mit Access Time. Langsam ging er die Treppe hinauf. Er konnte den Schmerz des Jungen verstehen... er selbst hatte kurze Zeit dasselbe gefühlt, als er Marron das erste Mal mit Hijiri Shikaido gesehen hatte... Noyn Claude. Aber jetzt konnte er darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Jetzt mussten sie Natsuki finden, und das schnell! "Shinji!", rief er und pochte an die Tür. Er wartete kurz, obwohl er keine Antwort erwartete. Ärgerlich schürzte er die Lippen und schlug mit der Faust an das Holz. "Access Time!", rief er lauter, aber wohlweislich so leise, dass man es unten nur undeutlich verstehen würde. "Antworte mir!" Einen Moment lang geschah wieder nichts, aber dann erklang Shinjis leise Stimme: "Lass mich in Ruhe, Chiaki. Das ist lange vorbei." "Aber die einzige Möglichkeit, mit dir zu reden", stellte Chiaki fest. "Hör endlich auf, in Selbstmitleid zu baden, wir brauchen dich jetzt." "Wieso kannst du nicht verstehen, dass mein Leben keinen Sinn mehr hat?" "Diesen Sinn verlierst du vielleicht ganz, wenn du nicht endlich den A**** zusammenkneifst und rauskommst!" Chiaki wurde langsam wütend, unschwer an seiner blumigen Ausdrucksweise zu erkennen. "Natsuki ist weggelaufen, verdammt!" Ein Augenblick des Staunens folgte, dann folgten schnelle Schritte zur Tür. Nachdem er sie aufgeschlossen hatte, sah Chiaki ein bleiches Gesicht mit rotgeränderten Augen, die jedoch wieder einen Funken Lebenswillen zeigten. "Weggelaufen? Wieso?" "Woher soll ich das wissen? Vielleicht macht sie sich ja doch langsam Gedanken wegen dir! Aber wenn wir sie nicht finden, dann erfahren wir das nie!" "Schon gut, ich komme." Shinjis Gesichtsausdruck veränderte sich nicht merklich, aber Entschlossenheit kehrte darin ein. "Ich bin in ein paar Minuten unten." "Gut." Auch Chiaki kniff seine Augen entschlossen zusammen. "Aber wenn du nicht kommst, trete ich dir Tür ein, das schwöre ich dir!" "Keine Sorge." Zufrieden wandte sich Chiaki um und ging die Treppe hinunter. Miyako kehrte zur selben Zeit wieder zurück wie er. Ihre Augen blickten ihn fragend an und er antwortete ebenso stumm mit einem Nicken. Das darauffolgende Lächeln ließ die Frau beinahe wieder wie ein junges Mädchen erscheinen. Dann setzte er sich wieder zu Marron, die zwar nicht mehr weinte, aber noch immer von stummen Schluchzern geschüttelt wurde. "Wie ist es gelaufen, Miyako?", fragte er. "Seltsam", lautete die Antwort. Miyako runzelte die Stirn. "Papa hat zwar versprochen, den Polizisten Natsukis Beschreibung zu geben, aber er hat durchklingen lassen, dass in letzter Zeit sehr viele Leute verschwunden sind, und das nicht nur hier." "Stimmt, davon habe ich gehört", schaltete sich Yamato ein. "Es ist zwar nicht vielen Leuten bekannt, aber mein Geschäftspartner hat erwähnt, dass in vielen Ländern Leute auf unerklärliche Weise verschwinden und deshalb seine Versicherungsgesellschaft Verluste hinnehmen musste." "Und was heißt das?" Miyako wirkte unglücklich und warf Marron einen besorgten Blick zu. "Das heißt, dass wir von der Polizei nicht sehr viel Hilfe erwarten können. Sie haben zu viel zu tun." "Heißt das, sie können uns nicht helfen?" Das war Shinjis Stimme. Der Junge war eben die Treppe herabgekommen und starrte in die Runde. "Dann müssen wir sie also allein suchen?" "Shinji!" Miyako stand mit einer Behändigkeit, die alle überraschte, auf und umarmte den Jungen so fest, dass er keuchte. "Geht es dir gut?" "Mama!", röchelte er protestierend. "Du erdrückst mich noch." Sofort ließ der Druck nach, aber Miyako ließ ihn noch immer nicht los. "Wo fangen wir mit der Suche an?" "Am besten bei ihren Lieblingsplätzen", schlug Chiaki vor. "Kennst du einige?" Shinji runzelte die Stirn und dachte konzentriert nach. "Sie könnte bei Yumemi und Seijuro sein. Außerdem in der Turnhalle. Im Vergnügungspark hat sie sich öfter mit Freundinnen getroffen." Er warf Marron einen raschen Blick zu bei dem Gedanken, dass ihre Tochter genau wie sie vielleicht in den Vergnügungspark geflüchtet war. "Nein, bei Kagura und Yashiro sind sie nicht", entgegnete Yamato. "Dort haben wir angerufen. Und die Turnhalle ist zu heute." "Und beim Vergnügungspark haben wir bereits nachgesehen!", erschallte Yumemis Stimme von der Tür. Als die Erwachsenen und Shinji sich nach ihnen umdrehten, verbeugten sie und ihr Bruder sich kurz und gingen dann ins Zimmer. "Tut uns Leid, dass wir so hereinplatzen, aber wir wollen auch bei der Suche helfen." Sie senkte den Kopf und biss sich auf die Lippen. "Es ist zum Teil unsere Schuld, dass sie weggelaufen ist." "Tatsächlich? Warum?" Das Mädchen schluckte. "Weil wir ihr gesagt haben... dass sie nicht mehr zu uns kommen soll, bis sie sich wieder mit Shinji versöhnt hat." Marron sah das Mädchen giftig an, aber Chiaki kam ihr zuvor. Viel zuviel war schon gesagt worden, was Katastrophen verursacht hatte, da sollte sich seine Frau nicht auch noch dazugesellen. "Das ist jetzt nicht von Belang. Wichtig ist, dass wir sie finden und dazu müssen wir erst mal damit beginnen zu suchen!" Inzwischen war Seijuro unauffällig hinter seiner Schwester geblieben. Jetzt trat er vor. "Richtig. Ich habe das Gefühl, dass sie etwas sehr Dummes anstellt, wenn wir nicht bald etwas unternehmen." Sein Blick fiel auf Shinji und er wurde noch blasser. "Shinji... du musst mir glauben, dass ich sie nicht küssen wollte. Das heißt, ich wollte es schon, aber sie..." Shinjis Gesicht war steinern gewesen, als er die beiden gesehen hatte, aber er schluckte und zwang sich, Seijuro zumindest nicht feindselig anzusehen. "Schon... gut. Ich glaube dir, dass du so etwas nicht vor meinen Augen machen würdest. Aber ich habe eine Frage." Er sah dem anderen Jungen fest in die Augen. "Liebt sie dich?" Seijuro seufzte, teils befreit, teils verwundet. "Nein, du Idiot", brach es aus ihm heraus. "Sie liebt nur dich!" Er ballte die Fäuste. "Sie hat mich nur geküsst, weil sie dich bemerkt hat und dir wehtun wollte, damit du sie in Ruhe lässt." "Ja", stimmte Yumemi zu und scharrte mit den Füßen. "Und wir haben ihr dann unsere Freundschaft aufgekündigt, bis die Sache wieder in Ordnung ist. Deshalb möchten wir helfen, weil... sie wahrscheinlich weggelaufen ist, weil sie drei Freunde an einem Tag verloren hatte." "Klingt logisch", meinte Miyako, die nun sichtlich aufblühte, während Marron still an Chiaki gelehnt blieb. "Gut, dann müssen wir andere Orte finden, an die sie vielleicht gehen würde. Irgendwelche Vorschläge?" "Bemüht euch nicht", erklang eine leise Stimme aus dem hinteren Teil des Zimmers. "Der Ort, an dem Natsuki sich befindet, ist für euch unerreichbar." Alle Köpfe flogen augenblicklich herum. Zunächst nahmen sie allerdings nur einen verschwommenen Schatten wahr, der an der Wand lehnte. Der Schatten stieß sich ab und ging langsam auf das Licht zu. Und als er es erreichte und sein Gesicht sichtbar wurde, keuchten alle bis auf Shinji erschrocken auf. "Zen!", rief er aus. "Bist du das?" "Zen?" Yamato runzelte die Stirn. "Hieß so nicht dieser Junge, der damals im Krankenhaus lag und vor deinen Augen gestorben ist, Marron?" Diese konnte nicht antworten, weil sie den Jungen vor ihr fassungslos anstarrte. Zen war nicht einen Tag gealtert, seit er diese Welt verlassen hatte, aber dennoch hatte er sich verändert. Der sture Zug in seinem Gesicht war einem weisen und heiteren Lächeln gewichen, mit dem er sie beschenkte. "Marron", sagte er leise. "Es ist lange her, nicht wahr?" "Zen", hauchte sie fassungslos. Durch Shinji war sie zwar vorgewarnt gewesen, aber diese Veränderung konnte sie nicht begreifen. Tränen schimmerten in ihren Augen, als ihr klar wurde, dass der Junge sie trotz ihres Alters immer noch liebte. "Warum...?" "Ja, warum bist du gekommen?", beendete Chiaki den Satz. Er legte seine Arme besitzergreifend um seine Frau und blickte den jungen Engel gleichzeitig herausfordernd und unsicher an. Er war es gewesen, der den Dämon gebannt hatte, und dadurch war Zen gestorben. Der logische Teil in ihm sagte ihm zwar, dass Zen niemals Engel hätte werden können, wenn er Chiaki dafür hassen würde, aber die Unsicherheit blieb trotzdem. Das Lächeln wich aus Zens Gesicht und wich einem ernsten Ausdruck. "Es ist seltsam", meinte er und wich damit der Frage aus. "Du warst derjenige, wegen dem ich gestorben bin und dennoch komme ich hierher, um dich um Hilfe zu bitten. Gottes Wege sind wahrhaft unergründlich." "Wovon redet dieser Typ?", brauste Yamato auf. Es ging ihm gegen den Strich, dass offenbar jeder hier wusste, wer dieser Junge war, nur er nicht. "Könnte mir vielleicht mal jemand verraten, was hier gespielt wird?" Seijuro und Yumemi nickten zustimmend. Auch sie hatten Zen noch nie gesehen. Zen sah ihn einen Augenblick an, dann seufzte er. "Ihr habt es ihm nie gesagt, nicht wahr?", fragte er Marron und Chiaki. "Das verkompliziert die Sachlage etwas. Nun gut. Ich bitte euch drei, jetzt ruhig zu bleiben, besonders dich, Yamato Minazuki." "Was haben..." Weiter kam Yamato nicht, denn in diesem Moment trat Zen endgültig aus den Schatten. Und das große Paar weißer Flügel an seinem Rücken wurde ebenso sichtbar wie die Konturen seines Heiligenscheins. "Er ist ein Himmelsengel!", rief Yumemi überrascht aus. Sie und ihr Bruder verneigten sich tief vor der eindrucksvollen Gestalt, während Yamato sie lediglich mit offenstehendem Mund anstarren konnte. Auch Miyako war von der Gestalt des Engels beeindruckt, auch wenn sie von Marron und Chiaki zumindest vorgewarnt gewesen war. Und selbst diese beiden, die Zen noch als kränklichen Jungen in Erinnerung hatten, waren starr von Staunen über seine von himmlischer Macht schier strotzende Gestalt. "Fürchtet euch nicht", deklamierte Zen leise. "Denn der Herr schickte mich nur als Bote zu euch. Kein Leid soll euch widerfahren, auch dich nicht, Chiaki." Das entspannte den Arzt ein wenig, aber dennoch hielt er Marron fest. Sie hatte heute schon einen schweren Tag gehabt und er wusste nicht, wie sie nun auf Zens Erscheinen reagieren würde. Und sie war es auch nicht, der die nächste Frage stellte, sondern Shinji. "Was meinst du damit, Natsuki sei an einem Ort, an dem wir sie nicht erreichen können?", wollte er misstrauisch wissen. "Hat Gott sie etwa zu sich geholt?" "Moment mal!" Yamato rang sichtbar nach Fassung. "Shinji, dieser Mann ist kein echter Engel! Er hat sich lediglich ein Paar Flügel angeklebt und dazu die Ähnlichkeit mit diesem Zen, damit Marron und Chiaki ihn für echt halten, aber..." "Nein, Yamato." Diese ungewohnt leise Stimme kam von Miyako. Offenbar kostete es sie große Überwindung, diese Sätze zu sprechen. "Dieser Junge ist tatsächlich ein Engel. Shinji weiß das, weil er selbst einmal einer war." Yamato drehte sich zu seiner Frau um und bemühte sich, das zornige Funkeln in seinen Augen zu unterdrücken. Er legte seine Hände auf Miyakos Schultern und begann sanft: "Hör mal, Schatz, ich weiß, dass du heute einen sehr schweren Tag hattest, aber..." "Mutter hat Recht, Vater!" Diese klare Stimme stammte von Shinji, der sich umgedreht hatte. "Ich war wirklich einmal ein Engel, ebenso wie Yumemi, Seijuro und Natsuki. Wir sind alle hier wiedergeboren worden, weil Natsuki unsere Freundin war und wir sie nicht verlassen wollten. Chiaki kann dir bestätigen, was ich sage." Yamato stand kurz vor einem Ausbruch. "Jetzt hör mir mal zu, mein Junge..." "Yamato!" Chiakis Stimme klang so befehlsgewohnt, dass der Geschäftsmann abrupt verstummte. Chiakis Augen blitzten. "Yamato, wir sind doch schon sehr lange Freunde, oder?" Als Yamato stumm nickte, fuhr der Arzt fort: "Und habe ich in all dieser Zeit Anzeichen von Verrücktheit gezeigt? Ich meine RICHTIGE Anzeichen, nicht gelegentliche Späße zu deinen Lasten. Nicht, oder? Dann lass mich dir versichern, dass es Engel wirklich gibt und dass dein Sohn die Wahrheit sagt. Er und ich kennen uns noch aus der Zeit, in der er einer der Himmelsboten war. Und sieh dich jetzt nicht nach Verbündeten um", meinte er, als Yamato sich panisch umzublicken begann. "Jeder hier kennt die Wahrheit - außer dir, alter Freund." "Verrückt", murmelte Yamato und rückte von Miyako weg. "Ihr seid ja alle komplett verrückt! Da taucht ein kostümierter Clown auf und ihr alle dreht völlig durch!" "Kostümierter Clown!", empörte sich Seijuro und stemmte die Arme in die Hüften. "Dieser Mann ist ein Himmelsengel - einen Grad, den nur wenige Leute mit viel Energie erreichen! Seien Sie gefälligst etwas..." In diesem Moment spürte er die Hand seiner Schwester auf der seinen. Sie schüttelte den Kopf. "Lass es, Seijuro", bat sie. "Wenn er seinen Freunden nicht glaubt, wird er uns erst recht nicht glauben." Damit wandte sie sich an Zen. "Ich glaube, Ihr selbst müsst ihm beweisen, wer Ihr seid, Zen-sama." Zen lächelte. "Du musst nicht so förmlich sein... Cersia", bat er. "Du bist kein Engel mehr, also bist du mir nicht unterstellt. Du siehst sogar älter aus als ich. Aber du hast Recht." Sein Blick richtete sich auf Yamato, der immer noch hastig nach allen Seiten sah, als befürchte er, seine Freunde würden sich auf ihn stürzen. "Er muss es begreifen." "Was begreifen?" Yamato war nun langsam der Panik nahe. "Was haben Sie vor?" Zen antwortete nicht. Statt dessen machte er eine schnelle Bewegung und war plötzlich an seiner Seite. Bevor der überraschte Mann irgendetwas tun konnte, legte ihm Zen seine Hand auf die Stirn. Yamato erstarrte. "Fühlst du es, Yamato Minazuki?", fragte Zen leise. "Fühlst du die Macht Gottes, die mich durchfließt? Den Kamikaze, den Wind Gottes, der die ganze Schöpfung des Herrn bewegt? Glaube, Yamato, denn dieser Glaube ist es, den der Herr braucht - jetzt nötiger als je zuvor." Als Zen seine Hand zurückzog, fiel Yamato seufzend nach hinten. Miyako schrie erschrocken auf und beugte sich über ihren Mann, der das Bewusstsein verloren hatte. Kampflustig blickte sie den jungen Engel an. "Was hast du mit Yamato gemacht?" "Ihm fehlt nichts", versicherte ihr der Junge. "Er wird gleich wieder aufwachen. Ein Mensch kann die Macht Gottes nicht fassen, auch wenn in mir nur ein unbedeutender Teil davon ist. Aber wenn er aufwacht, wird er die Wahrheit akzeptieren." "Miyako, bitte lass ihn." Alle Augen wandten sich zu Marron, die sich nun aus Chiakis Armen löste. Entschlossenheit zeigte sich auf ihren Zügen. "Zen würde niemals einem Menschen schaden, nicht wahr?" Der Junge nickte ihr zu. "Aber du hast Shinjis Frage noch nicht beantwortet, Zen. Wo befindet sich Natsuki? Wo ist mein Kind?" Zens Miene wurde schlagartig ernst. "Bitte erschrick nicht, Marron", bat er. "Aber ihr habt doch schon davon gehört, dass viele Menschen in den letzten Tagen aus unerklärlichen Gründen verschwunden sind, nicht? Diese Menschen wurden gefangengenommen. Von Dämonenrittern." "Aber wie kann das sein?", platzte Chiaki heraus. "Satan wurde besiegt! Wieso kann es dann noch Dämonenritter geben?" "Satan?" Miyako wich das Blut aus dem Kopf. "M-meinst du damit etwa..." "... den Teufel, ja", beendete Zen den Satz. "Er wurde vor rund 25 Jahren besiegt... von Gottes stärkstem Krieger." Er warf Marron einen raschen Blick zu, was Miyako aber zum Glück nicht auffiel. "Aber das Böse lebt solange weiter, bis auch der abgespaltene Teil von Gott, der ihn geboren hat, unschädlich gemacht wird, Chiaki. Solange Gottes Schmerz existiert, wird es auch Dämonenritter geben." "Gottes Schmerz?", hakte Yumemi nach. Ihre Augen waren weit aufgerissen. "Heißt das, die vermissten Personen befinden sich..." "... im Garten Eden?", beendete Seijuro ehrfürchtig den Satz. "So ist es", bestätigte Zen nickend. "Gott glaubt, dass seine Nemesis die Menschen als Geiseln benutzen will, so wie damals Satan Chiaki. Und sie sucht nach einem passenden Körper, um die Erde betreten zu können. Einem Körper, den Gottes Krieger nicht angreifen werden, auch Kaito Jeanne und Kaito Sindbad nicht." Er sah zu Chiaki und Marron hin. "Und sie hat ihn gefunden." Marron keuchte entsetzt und schlug die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, was der junge Engel gemeint hatte. Chiaki schlang geistesgegenwärtig seine Arme wieder um sie und presste sie fest an sich. Auch in seinem Gesicht stand die nackte Panik geschrieben. "Natsuki?", rief Marron aus. "Diese... Kreatur will Natsuki?" Hinter ihr stießen auch Shinji, Yumemi und Seijuro Laute des Entsetzens aus, aber sie achtete nicht darauf. Ihre Aufmerksamkeit war nur auf Zen gerichtet, der seinen Blick abwenden musste. "Ja", gab er zu. "Das vermuten wir." Einen Moment lang herrschte entgeisterte Stille. Hätte jemand eine Nadel fallen lassen, jeder im Zimmer hätte das Geräusch gehört. Dann jedoch brach die Stille. Chiaki drückte Marron an sich und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr, obwohl auch er unter Schock stand. Diese starrte teilnahmslos auf den Boden. Nichts hätte sie mehr erschüttern können als das. Seijuro, Shinji und Yumemi redeten gleichzeitig auf Zen ein, der ihnen jedoch auch nicht viele Fragen beantworten konnte. Schließlich schaltete sich auch noch Miyako ein. "Zen!", rief sie laut, damit er sie auch hörte. "Marron hat mir gesagt, Kaito Jeanne und Sindbad gäbe es nicht mehr!" "Das stimmte auch, solange Gott ihnen keine Kraft mehr verlieh", bestätigte der Engel. "Aber ein Engel wie ich könnte die beiden wiedererwecken." "Das war auch dein Hauptauftrag, nicht wahr", knurrte Chiaki, während er sanft Marrons Haar streichelte. "Darum hat dich Gott hergeschickt. Damit wir die Dämonenritter bannen. Mit deiner Kraft als Himmelsengel würden Jeanne und Sindbad auch sie schlagen können." "Ja", gab Zen zu. "Das ist richtig. Wenn die Dämonenritter nicht aufgehalten werden, dann wird Gott nur noch eine letzte Möglichkeit bleiben, um seine Nemesis aufzuhalten." Shinji erbleichte. "Aber... das könnte er nicht tun. Er würde doch nicht...?" "Doch. Er würde die letzten Krieger wecken. Die Reiter der Apokalypse." Wieso fühlte sie sich hier nur so unwohl? Der Urwald war wunderschön, sofern man Pflanzen mochte. Es gab keine gefährlichen Tiere hier, soweit sie gesehen hatte, nicht einmal Moskitos, die Sonne war angenehm warm, aber nicht tropisch heiß, wie sonst üblich und sie ließ sie Blätter, auf denen sich der Tau gesammelt hatte, in allen Regenbogenfarben erstrahlen. Warum also hatte sie so ein schlechtes Gefühl, fragte sich Natsuki Nagoya, während sie auf einem Baumstamm saß und verschnaufte. Seitdem dieser Irre sie gekidnappt hatte, hatte sie keine Menschenseele mehr gesehen. Sie war in diesem Wald aufgewacht und ihr war schnell klar geworden, dass sie hier völlig allein war. Sie war eine gute halbe Stunde marschiert, aber bis jetzt hatte sie lediglich ein paar Tiere gefunden, die sie neugierig und ohne eine Spur von Furcht gemustert hatten. Possierlich, ohne Zweifel, aber auch sie schienen Natsuki irgendwie... bedrohlich zu sein, auch wenn nichts ihr etwas angetan hatte. Als würde irgendetwas hier die friedliche Atmosphäre überlagern. Was soll nur aus mir werden? Natsuki fühlte, wie sich Tränen in ihren Augen bildeten. Mama! Papa! Bitte helft mir! Die geliebten Bildnisse ihrer Eltern erschienen vor ihren Augen. Nicht einmal die Angst vor ihrem Vater Chiaki war geblieben. Momentan würde sie mit Freuden jede Strafe der Welt auf sich nehmen, wenn sie nur wieder zuhause wäre. Sie würde sogar auf der Stelle zu Shinji gehen und ihn um Verzeihung bitten. Du enttäuschst mich, Mädchen, erklang plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf. Sie sah sich sofort nach allen Seiten um, obwohl sie fast erwartete, niemanden zu sehen. Diese Worte hatte sie nicht wirklich gehört... sie waren direkt in ihrem Kopf entstanden! "Wer bist du?", rief sie laut aus und lauschte gespannt. Ich dachte, du wärst stärker, fuhr die Stimme bedauernd fort, ohne sich um ihre Frage zu kümmern. Kaum bist du eine Stunde allein, willst du schon wieder zu denen zurück, die dich dein Leben lang verraten haben. "Verraten? Was redest du da? Und sag mir endlich, wer du bist!" Ich bin jemand, der mehr über deine Freunde weiß als du selbst, Natsuki. Die Stimme schwieg einen Moment. Ich bin der Herr des Mannes, der dich hierher gebracht hat. Natsuki kniff die Augen zusammen. Das war also der mysteriöse Herr, von dem dieser muskelbepackte Zauberer gesprochen hatte. "Und wo ist hier?", wollte sie wissen. Dies ist mein Rückzugsort, erklärte die Stimme sanft. Sie schien von überall her zu kommen. Hier kann ich mich ganz ungestört mit den Leuten unterhalten, die mich besuchen. Die meisten von ihnen möchten lieber allein sein, deshalb zeige ich mich ihnen nicht. Die Sache kam Natsuki immer komischer vor, allerdings wurde sie auch langsam neugierig. Was war das für ein seltsamer Typ? "Und was soll ich hier?", verlangte sie zu wissen. "Was haben Sie mit mir vor?" Ich? Die Stimme klang überrascht, aber vielleicht tat sie auch nur so. Etwas mit dir vorhaben? Du wurdest hierher gebracht, weil du meine Hilfe brauchst. "Ihre Hilfe? Wobei sollte ich Ihre Hilfe brauchen? Es... es geht mir gut!" Trotzig schob sie ihr Kinn vor, obwohl ihr in diesem Moment die Erinnerungen an Shinjis Gespräch mit ihrer Mutter wieder durch den Kopf schossen. "Ich liebe nicht Natsuki!", hallte seine Stimme durch ihre Gedanken. "Ich liebe Fynn!" Sie konnte nicht verhindern, dass ihr zwei verräterische Tränen die Sicht trübten. Das stimmt nicht und du weißt das auch, widersprach die Stimme. Ob es nun das Verständnis darin war oder der sanfte Ton, irgendetwas daran zog Natsuki an. Glaub mir, ich weiß nur zu gut, wie es ist, wenn sich eine geliebte Person von dir abwendet. Ich weiß, wie weh Shinji dir getan hat. Natsuki blinzelte, um die Tränen aus den Augen zu bekommen. "Aber er hatte jedes Recht dazu", murmelte sie und senkte den Kopf. Rasch fuhr sie sich mit der Hand über die Augen, um nachkommenden Tränen wegzuwischen. "Ich habe ihn zuerst verletzt." Natürlich, beeilte sich die Stimme zu sagen. Aber hast du nicht gehört, was er gesagt hat? "Ich habe die ganze Zeit nur Fynn geliebt." Gibt dir das nicht zu denken. Das Mädchen sank zu Boden und hielt schluchzend die Hände an die Ohren. "Hör auf!", schrie sie. "Wieso lässt du mich nicht in Ruhe?" Weil dir nur so geholfen werden kann, Natsuki, antwortete die Stimme. Nur wenn du dich dem Schmerz stellst, erhältst du die Kraft, ihn zu beseitigen. Eine kurze Pause folgte. Soll ich dir zeigen, wie Fynn aussieht? Als Natsuki den Kopf hob, erblickte sie vor sich ein Mädchen. Es war nicht echt, denn es bewegte sie nicht. Aber ihr Bildnis traf Natsuki bis ins Herz. Fynn hatte lange grüne Haare, die ihr bis zu den Hüften hinabfielen. Ihr ebenmäßiger Körper wurde nur an den wichtigsten Stellen von einem enganliegenden, schwarzen Kostüm verborgen, welches an der Hüfte von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ein weißes Tuch war modisch darin eingeklemmt und umflatterte ihre langen Beine, auf welchen ein seltsames Tatoo zu sehen war, ein Lorbeerkranz, in dessen Mitte ein schwarzer Punkt war, der von einem unvollständigen Kreis umschlossen wurde. An ihren Armen und ihrem Hals trug Fynn schwarze Bänder, die wie die manikürten Fingernägel zu ihrem aufregenden Äußeren beitrugen. Ihr Lächeln war irgendwie... siegesbewusst, als könnte sie die besiegte Natsuki sehen. (Anm. des Autors: Stellt euch Fynn als gefallenen Engel vor, nur ohne Flügel und Edelstein an der Stirn) Natsuki schluckte schwer. Diese Fynn sah aus, als könnte sie jedem Mann den Kopf verdrehen. Kein Wunder, dass Shinji ihr verfallen war. Sie ist schön, nicht? flüsterte die Stimme in ihren Gedanken. Erregend wie die personifizierte Sünde. Glaubst du, sie hat Shinji verführt? Oder hat er sich zuerst von ihr angezogen gefühlt? "Bitte hör auf", bat Natsuki leise. "Es tut so weh." Dir muss aber klar werden, dass er dich schon immer betrogen hat, Natsuki, wandte die Stimme hart ein. Dass er dir hinterhergejagt ist, war nur Spielerei. Wahrscheinlich haben er und Fynn gewettet, wie lange es dauern würde, bis er dich herumgekriegt hat. "Nein!", rief Natsuki und krallte die Fingernägel in den Waldboden. "Das würde er nicht tun! Niemals!" Bist du dir sicher? Du hast Fynn gesehen, Natsuki. Glaubst du nicht, SIE wäre in der Lage, so etwas zu tun? Und Shinji ist ihr völlig verfallen. Er hat dich betrogen, Natsuki! Ebenso wie deine Eltern! "Meine Eltern? Wieso sollten sie mich betrogen haben? Ich glaube dir nicht!", schrie Natsuki. Wut brodelte in ihr hoch. Hast du dich denn nie gefragt, wieso dir deine Eltern immer ausweichen, wenn du sie fragst, wie sie zusammengekommen sind? wollte die Stimme wissen. Soll ich dir verraten, warum sie das nicht preisgeben wollen? Weil sie ein dunkles Geheimnis vor dir haben, Natsuki. Marron und Chiaki waren früher Kaito Jeanne und Kaito Sindbad! "Das ist eine Lüge!" Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen. Wie konnte diese Stimme es WAGEN, alle, die sie liebte zu verleumden? "Völlig absurd! Wieso sollten sie das tun?" Vielleicht des Geldes wegen? schlug die Stimme vor. Marron war sehr lange von ihren Eltern getrennt und Chiaki ist von zuhause fortgelaufen, wie du weißt. Die beiden hatten allen Grund, sich um ihre Zukunft Sorgen zu machen. Das ist nichts Schlimmes, Natsuki. Die beiden brauchten Geld und die, welche die Bilder besaßen, hatten mehr als genug davon. Und als sie geheiratet haben, haben sie das Stehlen ja auch aufgegeben. "Verschwinde!", brüllte Natsuki und hielt sich die Ohren zu, obwohl sie genau wusste, dass das nichts bringen würde. "Hau ab! Hör auf, meine Eltern zu beschuldigen! Das hätten sie NIEMALS getan!" Gut, ich lasse dich jetzt allein, teilte die Stimme mit. Ich sehe, dass es zuviel für dich war. Aber ich glaube, du wirst bald erkennen, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Und dann musst du nur nach mir rufen. Zusammen haben wir die Kraft, ALLES zu erreichen. Dann wirst du deine Eltern zur Rede stellen können... und Shinji ebenfalls. Nach diesen Worten war die Stimme verschwunden. Zurück blieb nur ein weinendes, kraftloses Mädchen. "Kaiki-sama?" Der Direktor des Krankenhauses drehte sich um. Er sah zwar noch immer gut aus, aber die Zeit forderte dennoch langsam ihren Tribut von ihm. Einige seiner Haarsträhnen waren bereits grau geworden und ihm fehlte die Gelenkigkeit von früher. Trotzdem wollte er seinen Beruf so lange ausüben, bis sein Sohn das Krankenhaus übernehmen wollte. Kaiki Nagoya lächelte. Chiaki und er hatten sich nicht immer gut verstanden, aber er billigte die Entscheidung des Jungen, erst das Krankenhaus zu übernehmen, wenn er einige Jahre als Arzt praktiziert hatte, voll und ganz. So lange würde er wohl noch durchhalten, dann würde er sich den wohlverdienten Ruhestand gönnen. Er sah den Mann an, der schon so lange Jahre sein Sekretär und Freund war. Bei Kagura war er sich nicht sicher. Es war gut möglich, dass der ebenfalls schon einigermaßen betagte, auch wenn er Kaikis Alter noch länger nicht erreichen würde, Kagura auch noch weiterarbeiten würde, wenn Chiaki der Leiter des Krankenhauses wurde, aus Wertschätzung. Er würde mit Kagura reden müssen. Der Mann arbeitete nun schon so lange für die Familie Nagoya, dass er es beinahe als heilige Pflicht sah. Auch er musste sich einmal Ruhe gönnen. "Ja, Kagura?" "Ihr Sohn hat eben angerufen. Er hat gesagt, er kann heute nicht kommen." Kaiki Nagoya runzelte die Stirn. Chiaki liebte seine Arbeit als Arzt. Er, sein Vater, hatte bisher sicher keine 20 Tage erlebt, an denen sein Sohn nicht zur Arbeit erschienen war. Manchmal musste ihm sogar seine sehr resolute Frau befehlen, daheim zu bleiben. Kaiki schmunzelte. Marron war zwar eine sehr verletzliche und sanfte Person, aber das hieß nicht, dass sie sich nicht durchsetzen konnte, wenn es sein musste. Das hatten er und Chiaki schon des öfteren erleben müssen. "Hat er gesagt, warum er nicht kommen kann?" "Ja, Herr Direktor." Kaiki sah auf. Kagura nannte ihn sehr selten "Herr Direktor", meist nur, wenn es erforderlich war. Wenn er es diesmal tat, musste etwas sehr Unangenehmes passiert sein. "Geht es ihm nicht gut?", fragte er besorgt. "Oder fehlt Marron etwas?" "Nein, den beiden geht es gut." Kagura atmete tief durch. "Aber anscheinend... ist Natsuki von zuhause weggelaufen." "Weggelaufen?" Kaiki sprang von seinem Stuhl auf, was seine Muskeln protestieren ließ. Kurz verzog er schmerzhaft das Gesicht, aber er machte eine abwehrende Geste, als Kagura ihm zu Hilfe kommen wollte. Noch war er kein hilfloser alter Greis. "Wieso das?" "Das weiß ich nicht. Er hat nur gesagt, dass er und einige Freunde nach ihr suchen wollen und er deshalb frei nehmen möchte." "Meinen Segen hat er. Los, sag es ihm schon. Er soll keine Minute verlieren!" Kagura nickte ernst und rannte los. Kaiki setzte sich vorsichtig wieder. Natsuki? Weggelaufen? Das konnte er fast nicht glauben. Das Mädchen war doch immer so lebenslustig, wenn er seinen Sohn und Marron besuchte. Er konnte sich nichts vorstellen, was es so sehr bedrückt haben konnte, dass es davongelaufen war. Er hoffte, dass Chiaki und Marron sie bald fanden. Langsam faltete er die Hände und schloss die Augen. "Gott", betete er ernst. "Ich weiß, dass ich nicht der eifrigste Gläubige bin... aber wenn ich dennoch eine Bitte äußern darf, dann bring meine Enkeltochter wieder sicher zu ihren Eltern zurück." Als er seine Augen wieder öffnete, war er sich nicht ganz sicher, ob dieses Leuchten um das Kreuz, welches in seinem Büro hing, wirklich der Sonne zuzuschreiben war. "Also gut", meinte Chiaki, als er den Hörer wieder aufhängte. "Mein Vater hat mich entschuldigt. Aber was sollen wir jetzt eigentlich machen? In die Hölle spazieren und Natsuki zurückholen?" "Die Hölle gibt es doch gar nicht mehr, oder?", warf Yumemi ein. "Wenn es den Teufel nicht mehr gibt." "Na schön, dann eben in den Garten Eden. Hast du eine Landkarte dabei, wo er eingezeichnet ist?" Chiaki war ziemlich gereizt wegen der ganzen Situation. Konnte denn dieser Kampf nicht einmal ein Ende haben? "Wir können nicht dorthin, Chiaki", wandte Zen ernst ein. "Für Engel gibt es keinen Weg in den Garten Eden. Wir würden dort getötet werden, bevor wir auch nur in die Nähe von Natsuki kämen." "Aber wir müssen doch irgendetwas tun können!", rief Marron, die einem neuerlichen Anfall nahe war. "Wir können Natsuki doch nicht diesem Monster überlassen! Kann Gott denn nichts dagegen unternehmen?" "Was denn?", fragte Seijuro bitter. "Soll er einen Teil von sich selbst vernichten? Wie soll das gehen? Wenn er einen solchen Kampf begänne, dann könnte er die Schöpfung nicht mehr im Gleichgewicht halten und alles würde im Chaos versinken." "Das heißt also, selbst Gott kann uns nicht helfen?" Yamato schüttelte den Kopf. "Ich dachte immer, Gott sei allmächtig." "Falsch", entgegnete Shinji, der ebenso kribbelig war wie Chiaki. "Denn dann müsste sein Schmerz es auch sein. Und dann gäbe es die Menschheit längst nicht mehr. Was willst du jetzt gegen die Dämonenritter unternehmen, Zen?" "Ich gar nichts", erwiderte der Engel. "Das können nur Marron und Chiaki." "Wieso gerade sie?", wollte Yamato wissen und kniff misstrauisch die Augen zusammen. "Yamato, bitte lass es gut sein", unterbrach ihn Miyako müde und legte ihre Hand auf seine. "Du willst es gar nicht wissen, glaub mir. Begnüg dich einfach damit, dass wir nicht alles über sie wissen." "Aber..." "Bitte, Vater, lass es. Du hast heute doch schon genug Unglaubliches erlebt, oder?", warf Shinji ein. Yamato kratzte sich am Hinterkopf. "Nun, das stimmt wohl." "Ich kann dir nicht helfen, Zen", flüsterte Marron leise und sah weg. "Momentan habe ich einfach nicht die Kraft..., die ich benötigen würde." "Und selbst wenn, würde ich dich nicht gehen lassen, Marron", bekräftigte Chiaki ernst. "Du hast damals schon genug gelitten. Ich werde nicht zulassen, dass du noch einmal in diese Kämpfe hineingezogen wirst!" Ein scheues Lächeln zeigte sich auf Marrons Lippen. "Glaubst du denn, du könntest mich aufhalten, wenn ich wirklich kämpfen wollte, Schatz?", fragte sie amüsiert. "Vermutlich nicht", stimmte Chiaki schräg grinsend zu. "Aber ich würde es versuchen, schon der alten Zeiten wegen." "Sollte ich jetzt wissen, wovon die beiden reden?", fragte Yamato seine Frau. "Lieber nicht." "Dann bleibst nur noch du, Chiaki", stellte Zen fest. "Traust du dir zu, noch einmal mit so viel Energie umzugehen?" "Ich werde alles tun, was nötig ist, um Natsuki zurückzuholen", entgegnete dieser grimmig. "Dann gehen wir." Als die beiden sich zur Tür wandten, hob Seijuro die Hand. "He, wartet! Und was sollen wir machen, bis ihr zurückkommt?" Zen drehte sich um und sagte ernst: "Betet, dass Chiaki es schafft. Denn sonst wird die Apokalypse nicht mehr aufzuhalten sein." Damit verschwanden die beiden Männer. "Wirklich sehr ermutigend", brummte Yumemi und setzte sich neben ihren Bruder. Dann sah sie sich um. "Wo ist eigentlich Shinji?" "Ich weiß nicht." Miyako sah sich um und ihre Miene verdüsterte sich. "Kann dieser Junge denn nicht wenigstens jetzt in unserer Nähe bleiben?" "Ist er nicht vorhin in der Garderobe verschwunden?", fragte Marron und eine leise Ahnung ließ ihre Stimme düster klingen. Yamato sprang auf. "Soll das heißen, er ist mit den beiden mitgelaufen?" "Sieht so aus. Wir können nur hoffen, dass er sie rechtzeitig erreicht, bevor ihn einer der Dämonenritter erwischt." "Sind die Kinder schon wieder zurück?", fragte Kagura und hängte seinen Mantel auf. Er war jeden Tag froh darüber, nach Hause zu kommen. Auch wenn er es Kaiki-sama gegenüber niemals zugeben würde, fiel ihm seine Arbeit nicht mehr so leicht wie früher. "Nein, noch nicht", entgegnete Yashiro aus der Küche. "Ich dachte, du würdest sie unterwegs abholen." "Und ich dachte, sie hätten ihr kleines Problem bereits behoben", hielt Kagura dagegen und zog seine Schuhe aus. Dann ging er auf die Küchentür zu. "Na, sie werden vermutlich noch irgendwo hin gegangen sein, um ihre neuerstarkte Freundschaft zu begießen." "Wie ungemein poetisch ausgedrückt", spöttelte seine Frau und drehte ihm den Kopf zu. "Ich hoffe nur, dass die beiden dann wieder normal sind." Mit einem Male sah sie sehr ernst aus. "Sie waren sehr bedrückt heute. Ich hoffe, dass sie ihr Problem wirklich überwinden können." "Sei unbesorgt", meinte Kagura lächelnd und ging auf sie zu. "Ich bin sicher, das werden sie. Ich habe heute mit Seijuro geredet. Er und Yumemi waren wegen eines Streits mit Natsuki Nagoya so deprimiert." Er stellte sich hinter seine Frau und flüsterte ihr verschwörerisch ins Ohr: "Stell dir vor, Seijuro war lange Zeit lang in dieses Mädchen verliebt, aber sie hat ihn nicht beachtet. Kommt dir das nicht bekannt vor?" Yashiros Haut nahm eine leicht rötliche Färbung an. "Sei lieb", murmelte sie. "Schließlich HABEN wir doch geheiratet, oder?" "Aber erst, nachdem du mich lange Jahre hast zappeln lassen", fuhr Kagura unerbittlich, aber mit zärtlicher Stimme fort. "Soll ich dir aufzählen, was du mich alles hast durchmachen lassen, bis du bereit warst, dir einzugestehen, dass du mich liebst?" "Hör auf damit!", schimpfte seine Frau und stieß ihn weg. Sie drehte sich um, um die immer noch vorhandene Röte in ihrem Gesicht zu verstecken. "Das wirst du mir wohl ewig nachtragen, oder?" Kagura lachte. "Aber nicht doch!", rief er aus. "Ist es mir denn nicht einmal mehr erlaubt, dich ein wenig zu necken?" Sanft fasste er Yashiro an der Schultern und drehte sie zu sich herum. Sie schmollte immer noch ein wenig und funkelte ihn kampflustig an. Er erwiderte diesen Blick mit reiner Zärtlichkeit. "Ich habe dir alles an dem Tag verziehen, an dem du meinen Antrag angenommen hast, Yashiro. Ich könnte dir gar nicht böse sein, selbst wenn ich es wollte, wenn du mich so ansiehst." Einen Moment lang schaffte Yashiro es noch, ihren störrischen Ausdruck aufrechtzuerhalten, dann durchbrach ein Lächeln ihre Gewittermiene. Langsam fuhr sie Kagura durch die glatten, schwarzen Haarsträhnen. Dann zog sie sein Gesicht zu sich herunter und gab ihm einen langen Kuss. "Entschuldige", hauchte sie, als sie sich wieder voneinander lösten. "Man sollte meinen, ich würde im Alter vernünftiger werden, nicht wahr?" "So alt bist du doch noch gar nicht, Yashiro." "Lüg mich nicht an", entgegnete sie, aber sie lächelte dabei. "Ich weiß doch, wie eine Vierzigjährige aussieht." "Für mich hast du deinen Zauber niemals verloren." "Nein, wie reizend", erklang eine trockene Stimme hinter den beiden. "Da könnten einem wirklich fast die Tränen kommen." Yashiro fuhr schnell herum, aber Kagura war noch schneller und stand bereits vor ihr, um sie zu schützen. Beide sahen gespannt auf die ziemlich mysteriös wirkende Gestalt, welche vor ihnen stand und sie abschätzend musterte. Es war eine Frau. Ihre roten Haare fielen ihr in langen Strähnen bis über die Schultern hinab und waren hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Haarspitzen waren schwarz gefärbt worden und glänzten im Licht der Lampen. Sie trug enge, nachtschwarze Jeans, die mehrere Male aufgeschnitten worden waren und ein knappes Top in derselben Farbe. Den Abschluss bildete eine schwarze Lederjacke. Sie benutzte anscheinend kein Make-up, und sie brauchte auch keins, denn ihr Gesicht drückte auch so genug aus. Momentan verrieten ihr spöttisches Grinsen und die funkelnden, beunruhigend gelben Augen Spaß und Verachtung. "Wer sind Sie?", fragte Kagura angespannt. "Und was wollen Sie in unserem Haus? Wir haben hier kein Geld!" "Was denn?", fragte die junge Frau belustigt. "Seh' ich etwa aus wie eine Einbrecherin?" Sie sah an sich hinab. "Nun, man könnte eventuell den Eindruck bekommen", gab sie zu. "Aber ich komme nicht wegen Geld. Sondern wegen euch." Kagura wurde diese Frau langsam unheimlich. Er war zwar schon über 40, aber das hieß nicht, dass er ein kraftloser alter Opa war. Im Gegenteil hatte er sich immer in Form gehalten und dieses Mädchen schien nicht sehr stark zu sein. Waffen konnte er auch keine entdecken. Wieso war sie also so selbstsicher? "Warum?", wollte er wissen. "Oh, es ist nichts Persönliches", versicherte die Person. "Mein Herr möchte nur auf Nummer Sicher gehen. Und das heißt, dass er euch in seiner Nähe haben will, wenn der Weltuntergang losbricht." "Sind Sie auf Drogen?", fragte Kagura misstrauisch. "Nicht doch", wehrte das Mädchen ab und verneigte sich spöttisch. "Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin die Dämonenhexe Akiko. Und ihr beide werdet mit mir kommen, ob ihr nun wollt oder nicht." "Sie sind ja verrückt!", rief Yashiro und klammerte sich an Kagura fest. "Verschwinden Sie aus unserem Haus!" "Ihr glaubt mir nicht?" Akiko besah sich noch einmal. "Na schön, ich sehe ja nicht grade wie eine Hexe aus, aber für elegante Kostüme sind altertümliche Typen wie Noyn zuständig, nicht ich. Vielleicht braucht ihr eine kleine Demonstration meiner Fähigkeiten." Kagura ging in Kampfstellung, als er das hörte, aber die Dämonenhexe holte lediglich zwei Stücke Papier aus ihrer Tasche hervor. Jedenfalls sah es so aus, deshalb reagierte Kagura zu spät, als sie das Majufu (Beschwörungszettel, wie Noyn sie benutzt) in seine Richtung warf. Als er es berührte, verschwand er spurlos. Yashiro schrie angsterfüllt auf. "Was hast du mit meinem Mann gemacht?" "Nur keine Sorge", erwiderte die Dämonenhexe grinsend. "Du wirst ihn gleich wiedersehen." In der nächsten Sekunde berührte ein weiteres Majufu Yashiro und auch sie verschwand. "Zwei weitere Geiseln für den Meister", bemerkte Akiko zufrieden. Dann setzte sie eine nachdenkliche Miene auf. "Wenn ich nur wüsste, warum er gerade an diesen beiden so interessiert war." Dann verschwand auch sie. "Glaub mir, Chiaki, es ist besser so", erklärte Shinji, während er neben seinem Freund und Zen hertrabte. "Sieh es doch mal so: Wenn du mich jetzt nach Hause schickst, werde ich dir nur wieder nachlaufen, und du kannst nicht wissen, ob mich dann nicht ein Dämonenritter schnappt, oder?" "Spar dir deine Logik", brummte der Mann übellaunig. Er fand es schon schlimm genug, wieder in den alten Gut-Böse-Konflikt hineingezogen zu werden, und dass er sich jetzt auch noch um Shinji Sorgen machen musste, stimmte ihn nicht grade fröhlicher. "Sonst überrede ich deine Mutter, dir nie wieder Pfannkuchen zu machen!" "Das würdest du doch nicht tun, oder?" Shinjis Augen wurden groß vor Schreck. "Dann tu ab jetzt, was ich von dir verlange." "Wie wollen wir die Dämonenritter überhaupt aufspüren, Zen?", wandte sich Shinji an den Engel, als er einsah, dass er jetzt besser nicht mit Chiaki reden sollte. "Ich kann sie spüren", erklärte der Junge, der einen leicht abwesenden Gesichtsausdruck zur Schau trug. "So wie du früher Dämonen aufspüren konntest. Und jetzt sei bitte still! Ich muss mich konzentrieren." Shinji brummelte etwas, das wie "langweilige Opas" klang, hielt aber den Mund. Stattdessen dachte er an Natsuki. Wenn sie tatsächlich in der Gewalt von Gottes Nemesis war, dann musste er sie irgendwie retten. Es musste doch einen Weg geben, in den Garten Eden zu gelangen, ohne gleich die Apokalypse heraufzubeschwören! Aber ihm fiel keiner ein. Dann zuckte Zen zusammen. Als Chiaki und Shinji zu ihm hinsahen, deutete der Junge nach rechts, breitete seine Flügel aus und flog los. Chiaki und Shinji, die nicht über solche Hilfsmittel verfügten, bahnten sich fluchend und entschuldigend ihren Weg durch die Menschenmengen, die momentan auf den Straßen waren. Beide bemühten sich, Zen nicht aus den Augen zu verlieren, aber dennoch blieben sie hinter dem Jungen zurück. Dann ging der Engel einige Blocks weiter runter. Und Chiaki schluckte, als er bemerkte, in welcher Gegend Zen den Dämonenritter ausgemacht hatte. "Was wollen Sie von mir?" Kaiki Nagoyas Stimme klang fest und bestimmt, auch wenn ihm angesichts der dunklen Gestalt, die ihm den Weg in sein Haus versperrte, einigermaßen unwohl zumute war. Wäre nicht der ernste Gesichtsausdruck seines Gegenübers gewesen, hätte er ihn für irgendeinen Typen gehalten, der den Fasching verpasst hatte. Allerdings wirkte das Outfit aus schwarzer Hose, schwarzer Weste, silbernem Gürtel und bodenlangem, innen rotem Cape nicht wie ein billiges Faschingskostüm. Auch das grobschlächtige Gesicht des Mannes wirkte ernst, auch wenn eine Sonnenbrille seine Augen verdeckte. "Könnt ihr Menschen nicht auch einmal etwas anderes fragen?", seufzte der Typ. "Ihr haltet euch für entschieden zu wichtig für meinen Geschmack. Aber das wird sich ohnehin bald ändern." "Was soll das heißen, ,ihr Menschen'?" Kaiki bekam langsam wirklich Angst, aber noch ließ er sie sich nicht anmerken. "Wenn Sie nichts von mir wollen, dann lassen Sie mich in mein Haus und entfernen Sie sich von meinem Grundstück!" "Nein!", entgegnete der Mann und streckte seine Hände aus, um zu verdeutlichen, dass er Kaiki nicht vorbeilassen würde. "Sie warten schön hier. Sie dienen mir lediglich als Köder, guter Mann. Wenn derjenige, auf den ich warte, gekommen ist, dann empfehle ich Ihnen, schnellstens von hier zu verschwinden! Denn wenn ich mit Zen fertig bin, werde ich mich um die Menschen hier kümmern." "Zen?" Der Name kam Kaiki bekannt vor, aber ihm fiel momentan nicht ein, wieso. "Wer soll das denn sein?" "Ich." Kaiki stockte der Atem, als er instinktiv dort in die Höhe sah, von wo die neue Stimme hergekommen war. Im Licht der Nachmittagssonne schwebte langsam ein Mann, nein, noch ein Junge zu Boden. Zen, wenn er es war, schien das genaue Gegenteil des Mannes in Schwarz zu sein: Wo dessen Gesichtszüge arrogant und kalt wirkten, merkte man Zen nur Entschlossenheit und Ruhe an. Außerdem trug er helle, luftige Kleidung, die ihn fast zerbrechlich wirken ließ, ganz im Gegensatz zu dem schwarzgekleideten Bodybuilder. Möglicherweise wäre Kaiki eben wegen diesem zerbrechlichen Körper aufgefallen, wen er vor sich hatte, aber damit endete das normale Aussehen auch schon. Denn der Junge, oder was auch immer er war, besaß ein Paar großer, weißer Flügel, mit denen er hier gelandet war. Außerdem konnte Kaiki über seinem Kopf ein eigenartiges, kreisrundes Leuchten ausmachen. Der sonderbar vertraute Junge war ein Engel! "Lass den Mann aus dem Spiel, Massato!", befahl der Junge. "Du bist doch nur meinetwegen hier, nicht wahr?" "Größtenteils", stimmte der blonde Hüne zu und seine Fäuste ballten sich. Sein Lächeln sah unheilverheißend aus. "Du bist meinem Herrn langsam ein Dorn im Auge, Zen. Wenn ich dich besiegt habe, dann wird er mich zum höchsten aller Dämonenritter machen!" "Du bist doch wahnsinnig!", begehrte Zen auf. "Gottes Schmerz will die Vernichtung der Menschheit, nicht mehr und nicht weniger! Und wenn sie stirbt, dann sterben wir alle, Dämonen und Engel, sogar Gott!" Das Muskelpaket zuckte mit den Schultern. "Ich lebe schon seit Jahrtausenden, Zen", belehrte er den Jungen. "Ich habe schon längst keine Angst mehr vor dem Tod. Ich will mich zuvor nur noch amüsieren, am liebsten mit dir. Also lass uns kämpfen!" Massato nahm die Sonnenbrille ab und ließ sie achtlos fallen. Kaiki konnte sich natürlich irren - schließlich sah er auch schon Engel vor sich - aber es schien ihm, als hätte der blonde Kerl keine Pupillen. Dann ging der Dämonenritter in Kampfstellung. "Hast du Marrons Tochter entführt?", fragte Zen stattdessen. Aber auch sein Körper war angespannt, als würde er jeden Moment mit einem Angriff rechnen. "Die wiedergeborene Fynn Fish?" Der Dämonenritter lachte. "Ja, habe ich. Mein Herr war sehr an ihr interessiert. Willst du jetzt endlich kämpfen? Oder fürchtest du dich, weil du noch nicht genug Macht hast, um mich bannen zu können?" Das Grinsen Massatos wurde hämisch. Aber Zen lächelte lediglich überlegen. "Stimmt", gab er zu. "Ich kann dich nicht besiegen. Aber das muss ich auch gar nicht. Dazu habe ich Verstärkung mitgebracht." Er wies mit der Hand hinter sich, wo Chiaki und Shinji gerade erschienen waren. "Chiaki?" Kaiki riss die Augen auf. "Was machst du hier, Junge?" "Verschwinde, Vater!", entgegnete dieser, ohne die Augen von dem Mann in Schwarz zu nehmen. "Hier ist es viel zu gefährlich! Shinji, bring ihn in Sicherheit!" "Ist gut!" Der Junge hatte den Ernst der Lage erkannt und gehorchte. "Kommen Sie, Nagoya-sama", sagte er zu dem vollkommen verwirrten Mann. "Ich bringe Sie hier weg." "Und was ist mit Chiaki?" "Der kann sich selbst helfen. Kommen Sie, gleich wird's hier ungemütlich!" Als die beiden im Haus verschwunden waren, herrschte einen Moment lang Ruhe. Dann stellte Massato fest: "Du willst Adam für dich kämpfen lassen, Zen? Lächerlich! Er ist alt. Er kann mir nichts entgegensetzen!" "Ich würde an deiner Stelle das Maul nicht so weit aufreißen", warnte Chiaki den Dämonenritter. "Noch bin ich nicht gebrechlich!" "Unterschätze ihn nicht, Chiaki", warnte Zen und beachtete Massato nicht, was diesen wütend zu machen schien. "Selbst mit meiner Kraft wirst du kein leichtes Spiel mit ihm haben." Mit diesen Worten drückte der Junge ihm sein altes Kreuz in die Hand. Dann konzentrierte er sich und das Gotteszeichen, insbesondere der Edelstein in der Mitte, begann vor Energie zu strahlen. "Ich kann dir in diesem Kampf nicht mehr helfen. Gib dein Bestes, Chiaki." "Gib mir nur die Kraft", entgegnete dieser unwillig. "Was ich zu tun habe, weiß ich selbst! Ich hab das schon mal gemacht, weißt du?" "Ja", meinte Zen lächelnd, als er sich an sein und Sindbads Treffen erinnerte. "Viel Glück, ... Adam." "Ich wünschte, sie würden mich mit meinem richtigen Namen anreden", brummte Chiaki, während Zen einige Meter zurückflog. Dann fixierte er den Dämonenritter, der anscheinend nicht wusste, ob überhaupt noch jemand Notiz von ihm nahm. "Fertig, Großmaul?" Massatos Gesicht verzog sich zur Fratze. "Wie kannst du es WAGEN?", brüllte er den noch immer ruhig dastehenden Chiaki an. "Für diese Anmaßung werde ich dich leiden lassen! Und nach dir kommt der Engel dran!" Dann rannte er auf Chiaki zu. Dieser hielt schnell das schimmernde Kreuz vor sich. Er hatte fast vergessen, wie es war, von himmlischer Energie durchdrungen zu werden. Seine Kleidung wechselte blitzschnell, das Stirnband band seine nun silbergrauen Haare zurück und sein Dolch erschien an der Seite, aber was viel wichtiger war, blieb für die Augen unsichtbar: Die alternden Muskeln und Gelenke von Chiaki wurden von jugendlicher Vitalität durchdrungen und sein gesamter Körper straffte sich, als Gottes Energie ihm die übermenschlichen Kräfte von Kaito Sindbad verlieh. Als Massato ihn erreicht hatte und in blinder Wut nach ihm schlug, sprang Sindbad leichtfüßig in die Höhe und landete einige Meter hinter dem Dämonenritter. Dieser geriet dadurch nur noch mehr in Rage, und mit einem bestialischen Schrei stürzte er sich wieder auf den Dieb, der ihn ruhig erwartete. Erst im letzten Moment wich er wieder zur Seite aus und rammte sein Knie in den ungeschützten Magen Massatos. Dieser keuchte, mehr überrascht als verletzt, und versuchte, nach Sindbad zu greifen, aber der war schon längst wieder weg. "Na, schon genug gespielt?", fragte der Dieb spöttisch, als Massato sich langsam umdrehte und dabei seinen Bauch rieb. "Können wir jetzt ernsthaft kämpfen?" "Nimm den Mund nicht zu voll, Adam!", knurrte der Dämonenritter. "Du bist schnell, das gebe ich zu. Aber jetzt bin ich gewarnt. Ich werde dich nicht mehr unterschätzen." Chiaki spannte sich, als Massato in die Tasche seiner Hose griff. Er fühlte sich großartig, noch besser als damals, als er jünger gewesen war und mit Jeanne gekämpft hatte. Zen musste unglaublich viel Energie besitzen. Aber es stimmte, er musste vorsichtig sein. Massato war kein normaler Dämon, was hieß, dass er vermutlich ebenso wie Noyn seine Pins zerstören konnte. Er musste das Schachmatt also unbemerkt setzen und den Dämonenritter vorher schwächen. Es war beinahe die Entscheidung des Kampfes, als Massatos Hand blitzschnell aus der Tasche fuhr und ein Majufu nach Sindbad warf. Dieser merkte nur durch einen erschrockenen Ausruf von Zen, dass etwas nicht in Ordnung war und machte einen Handstandüberschlag nach hinten. Im nächsten Moment war Massato auch bereits heran und schlug nach dem Dieb, welcher nur mit Mühe ausweichen konnte. Das Lachen des Dämonenritters war ebenso wahnsinnig wie triumphierend, während er Sindbad vor sich herscheuchte. Schließlich wurde es Chiaki zu bunt. Er machte einen großen Satz nach hinten und zog sein Kreuz hervor. Massato folgte ihm wie besessen und bemerkte die Falle erst, als Sindbad einen Pin erscheinen ließ. Es kostete den Dämonenritter große Mühe, gleichzeitig den Pin abzuwehren und seinen Flug zu bremsen, was Sindbad die Gelegenheit gab, über ihn hinwegzuspringen und seinen Dolch zu ziehen. Wie ein Racheengel fuhr er mit erhobener Klinge auf Massato nieder, der zwar noch ausweichen konnte, aber einen Schnitt am abwehrenden Arm in Kauf nehmen musste. "Verdammt!", presste der blonde Hüne zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Du bist wirklich noch besser, als ich dachte, Adam!" "Danke! Aber halten wir uns nicht mit langen Reden auf", bemerkte Chiaki, während er seinen Dolch kampfbereit erhoben hielt. "Ich muss heute noch meine Tochter retten, weißt du." "Wenn du so weit kommst. Aber bitte, machen wir weiter." Mit diesen Worten ließ der Dämonenritter ein Schwert erscheinen, das zwar kein meterlanges Breitschwert war, aber doch beträchtlich länger als Chiakis Dolch. Dieser sah sofort seine Unterlegenheit kommen und hob sein Kreuz. Massato ließ ihm jedoch nicht genug Zeit, um einen Pin zu erschaffen, sondern griff gleich an. Sindbad ließ den größten Teil der Wucht der Schläge seines Gegners abgleiten, aber es war trotzdem klar, dass er so nicht lange durchhalten würde. Massato kämpfte wie ein Besessener und war trotz seines groben Aussehens ein guter Fechter. Schließlich kam es, wie es kommen musste: Massato täuschte einen Angriff auf die linke Seite von Sindbads Körper vor und dieser versuchte abzuwehren. Allerdings riss der Dämonenritter seine Waffe im letzten Augenblick zur Seite und zielte nun auf die rechte Schulter seines Gegners. Als letzten Reflex hob Sindbad das Kreuz vor seinen Körper, welches aber gegen ein Schwert eine jämmerliche Waffe war. Ein normales Kreuz jedenfalls. Als das Kreuz und das Schwert des Dämonenritters aufeinander prallten, glühte der Edelstein im Gottessymbol auf und sein Licht fuhr über die Waffe auf Massatos Hände zu. Der Dämonenritter kreischte auf, als das Licht seine Hand verbrannte und wich sofort zurück. Das Schwert ließ er jedoch nicht los. Keuchend blieb er etwa einen Meter entfernt von Sindbad stehen. Dieser war vollkommen überrascht von diesem Ereignis gewesen, aber er hatte nicht vor, den Vorteil ungenutzt verstreichen zu lassen. Hastig ließ er seinen Dolch fallen und einen Pin aus dem Kreuz erscheinen. Dann sprang er, den Pin in der linken, das Kreuz in der rechten Hand, auf den Dämonenritter zu. Dieser war einen Moment lang unentschlossen, worauf er sich konzentrieren sollte, auf das Kreuz oder den Pin und das nutzte Sindbad aus. Er hieb mit dem Kreuz nach Massatos Schwert und als sich der Dämonenritter vor Schmerz krümmte, hob er den Pin. "Schachmatt!", schallte Sindbads triumphierende Stimme über den Garten des Anwesens, als er den Pin direkt über dem Herzen seines Gegners in die Brust rammte. Dieser erstarrte. Der kleine Stich, den der Pin verursachte, konnte ihm unmöglich so wehgetan haben, aber trotzdem begann Massato zu schreien. Er ließ sein Schwert fallen und fiel auf die Knie, während er nach dem Pin griff, aber es war zu spät: Seine Hände lösten sich bereits in Staub auf, ebenso wie seine Füße. Nach nicht einmal einer halben Minute war von dem stolzen Dämonenritter nur noch eine Handvoll Staub übrig. Und die Pferd-Schachfigur, die in der Mitte lag. Chiaki hatte nicht einmal gemerkt, dass Zen herangekommen war, aber der junge Engel war da und hob die Schachfigur auf. "Die Mission ist beendet!", verkündete er grinsend. "Ehrlich, ich bin schwer beeindruckt, Chiaki. Hätte ich dir nicht mehr zugetraut, bei deinem Alter." Sindbad keuchte. Auch wenn er den Dämonenritter besiegt hatte, hatte ihn der Kampf angestrengt, göttliche Energie hin oder her. Er war eben nicht mehr der Jüngste. Aber bevor er das diesem jungen Kraftbündel gegenüber zugab, gab Kagura seinen Job freiwillig auf! "Mit dir... nehme ich's immer noch auf... du Strahlemann!", verkündete er schnaufend. "So wie damals, als du ihn getötet hast, nicht wahr?" Beide, Engel wie Dieb, fuhren beim Klang dieser bekannten Stimme herum. Und Chiakis Ohren hatten ihn nicht getrogen: In den Ästen des nächsten Baumes saß niemand anders als der Dämonenritter Noyn! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)