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Wintersonett

Which dreamed it?
von

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Konzert III - WILD FLOWERS, 1. Satz, Vivace non molto Ces-Dur


 

𝄡
 

„Wie lange wird es dauern?

„Alles ist so weit vorbereitet. Ich muss nur noch einige Dinge überprüfen, dann kann ich mit der Herstellung weitermachen.“

„Reichen die Daten dafür aus?“

„Ich denke schon. Doch es wird Zeit brauchen, bis sie vollendet sind. Das Herz eines Menschen ist selbst in unserer heutigen Zeit und mit dem heutigen Wissensstand ein komplexes Mysterium.“

„Wir und die Digiwelt verlassen uns auf Euch. Wir können uns keine weiteren Fehler leisten.“

„Ich werde euch nicht enttäuschen.“

 
 


 

Der geheime Gang schloss sich hinter ihr. Die Schwärze und das, was darin war verschwand hinter grauem Stein. Erleichtert atmete sie auf, schaute nach links und rechts, ob jemand etwas gesehen hatte. Dies war jedoch nicht der Fall. Das Chaos, was sich jedoch im Zentrum der Bibliothek sammelte wollte sie nicht sehen. Sie hatte auf ein Wunder gehofft, dass es vielleicht verschwunden wäre bis sie wiederkäme, aber nichts dergleichen. Nun, da sie einen umfassenderen Blick darauf werfen konnte, sah es noch schlimmer aus, wie sie es in Erinnerung hatte.

Ein Seufzen kam über ihren Lippen und sie lehnt sich gegen das Bücherregal, hinter dem die Steinmauer und dahinter das Geheime lag. Sie würde Zeit brauchen, hatte sie gesagt, was nicht ganz korrekt war, mit aber nur einem Wort leicht zu beheben:

Sie würde viel Zeit brauchen.

An das Digizoid für den ersten Teil zu kommen war aufgrund seiner Seltenheit bereits schwer gewesen, die Herstellung dafür simpel. Der zweite Teil jedoch war dafür das genaue Gegenteil. Oder im Gegenteil, wie Jijimon gesagt hätte. All das, was sie über Alchemie und die Gewalten in und zwischen der Digiwelt studiert hatte half ihr nicht weiter. Sie übersah irgendetwas, verlor sich in Texte, die sie dazu verleitete in andere Themen abzudriften und ehe sie sich versah hatte sie wieder einen Tag verschwendet.

Der Weg war nicht leicht, man hatte sie mehr als deutlich gewarnt. Aber dies hier war wichtig. Sehr wichtig und das machte diesen Weg nicht nur schwer, sondern geradezu lebensbedrohlich.

Sie begann einige der Schriftrollen, die sich auf Tisch und Boden verteilt hatten aufzurollen und in brauchbar und nicht weiter von Belangen zu sortieren, als ihr Blick an einen großen Glas hingen blieb, indem eine einzige, kleine weiße Seerose schwamm. Vielleicht von den Baby-Digimon, die mal wieder einen Spaziergang um den Berggipfel unternommen hatten, obwohl sie dies ohne Begleitung eigentlich gar nicht sollten. Aber der schöne Anblick der weißen Blüten zauberte ihr ein Lächeln auf ihre Lippen, die unter ihrem roten Halstuch verborgen waren.

Sechs Schriftrollen und drei Bücher erklärte sie für belanglos und begann damit sie wieder in die verschiedenen Regale aus dunklem Holz einzuräumen, noch bevor sie die schnellen Schritte hörte, die auf den Stein durch fast sämtliche Flure hallte und immer näher kam.

Meister!“

Cho-Hakkaimon raste, Nein, fiel in den Raum. Ihr erster Gedanke, als sie den Schrei ihres Schülers hörte war, dass sie sich mal wieder mit irgendeinem Digimon Ärger eingehandelt hatte. Vielleicht mit den Swanmon. Vielleicht auch schon wieder mit Gokuwmon.

Aber als sie Cho-Hakkaimon auf dem Boden knien sah, ihr Schweinekostüm zerrissen und ihre humanoiden Hände, Beine und Gesicht mit Schrammen verseht, wusste sie, dass es eine ganz andere Form von Ärger war, den sie sonst gewohnt war.

„Meister, wir haben Besucher. Da sind plötzlich ein ganzer Haufen Geist-Digimon im Vorhof aufgetaucht, und die machen ganz schön Stress. Ihr Anführer sagt, er will zu Jijimon und Babamon.“

Sie fragte nicht einmal, wie diese Gestalten es auf die Spitze von Grey Mountain geschafft hatten, geschweige denn, diese in diesem Nebel überhaupt das Schloss finden konnten.

Piedmon, sie dachte an Piedmon und dass er sie gefunden hätte und wusste, wer hier in diesem Schloss war und was man hier tat. Aufgeregt lief sie zum einzigen Fenster der Bibliothek, von dem sie aus zwar nicht bis zum Vorhof schauen konnte, dafür aber das Licht von Blitzen. Das waren Gokuwmons Attacken.

„Das darf nicht wahr sein!“

Sie rannte los, Cho-Hakkaimon folgte ihr, wenn sie auch langsamer war und nach einigen Schritten schon zurückfiel. Die Echo des Kampfes drang durch das halbe Schloss, durch Pfade in absoluter Dunkelheit, in Zimmer die nur Schein waren und über Gänge, die überall und nirgendwo hinzuführen schienen und keine Schwerkraft kannten. Sie rannte, bis sie endlich in der Haupthalle ankam. Unterhalb der hellgrauen, steinigen Treppe krümmte sich eines der Sistermon, Sistermon Blanc, die sich sogar im Awaken Mode befand, vor Schmerzen. Kaum dass sie neben dem Digimon, mit der Erscheinen einer unschuldigen, weißen Nonne kniete um ihre Wunden zu begutachten - keine schweren Wunden, aber schmerzhaft - sprang das schwere Haupttor auf und ihre Schwester, Sistermon Noir klatschte schreiend zu Boden und landete neben ihrer sogenannten Schwester.

„Blanc! Noir! Seid ihr in Ordnung?“

Vorsichtig hob sie den Kopf von Sistermon Noir (ebenfalls im Awaken Mode) und in dem Augenblick, als sie die Hände ihres Meisters spürte überkam eine angenehme, warme Welle ihren Körper, der ihr etwas von ihrer verloren Kraft zurückgab und die Schmerzen erträglicher machte. Sistermon Noir sah zu ihrem Meister auf.

„Meister Sanzomon“ , stöhnte sie, sie war trotz der Heilkräfte doch noch geschwächt.

„Rede nicht. Wer hat dir das und deiner Schwester angetan?“

„Diese Digimon, die hier aufgetaucht sind -“

Die Antwort kam von Sistermon Blanc. Cho-Hakkaimon kam endlich hinzu, war aber so aus der Puste, dass sie auf einer der unteren Stufen, direkt neben Sistermon Blanc Platz nahm.

„Ihr Anführer ist unglaublich stark. Er will Jijimon und Babamon sehen. Als wir ihm sagten, dass dies nicht ginge und dass sie gehen sollen, haben uns seine Schergen angegriffen.“

Sanzomon konnte, nun, da das Tor sperrangelweit offen stand auch nun endlich sehen, was im Vorhof vor sich ging und sah als erstes ihre beiden Schüler, Gokuwmon und Sagomon. Sie standen Schulter an Schulter, ihre Waffen erhoben und fixierten das Phantomon vor ihnen, die Sense in der Hand und hinter ihm dutzende und aberduzende Bakemon und Soulmon. Phantomon waren starke Geist-Digimon, es war naheliegend, dass er der Anführer war. Aber, die immer noch ungeklärte Frage, wie fand er hierher? Zu Piedmon gehörte er wohl jedoch nicht, denn wenn es so wäre...

Irgendwas, vermutlich Drohungen warfen sie sich an den Kopf, Gokuwmon schrie nicht, er bellte regelrecht vor Wut. Gokuwmon rannte auf Phantomon zu, der Kampfstab und die Sense trafen sich in der Mitte und jeder versuchte mit reiner Kraft den anderen zu entwaffnen. Sanzomon hörte ein erneutes Schimpfen und Fluchen von Gokuwmon und Blitze schossen wild umher und traf schließlich auch beide Kämpfer, jedoch hatten sie Gokuwomon, der sie auch beschworen hatte mehr geschadet, als Phantomon. Dieser versuchte mit seiner an der Sense befestigten Kette und der Eisenkugel Gokuwmon einzufangen, das wurde jedoch von Sagomon und einer heraufbeschworenen Wasserfront verhindert.

„Sofort aufhören!“, rief Sanzomon hinaus, doch man reagierte nicht. Die Sistermon und Cho-Hakkaimon protestierten, konnten aber das Vorhaben ihres Meisters nicht verhindern nach drauße zu gehen. Als Sanzomon aus dem Schloss trat wurden die zuvor streitenden und kämpfenden Digimon still.

„Schluss damit! Ich dulde auf diesem Schloss keine Kämpfe!“

„Meister Sanzomon, wir -“

Im Augenwinkel sah Sagomon, wie Phantomon seine Sense schwang und direkt auf Sanzomon zuwarf. Sie hob ihre Hand, ehe Sagomon oder Gokuwmon ihre Waffen ziehen konnten, nur Zeigefinger und Mittelfinger ausgestreckt und mit einer halbkreisförmigen Bewegung prallte nicht nur die Sense an ihr und ihren Schülern ab, sondern wurde zurück zu Phantomon geworfen. Die eigene Kette wickelten sich um seinen aus Leinen bedeckten Körper und machten ihn bewegungsunfähig.

„Steht nicht rum, holt mich hier raus!“, keifte er die Bakemon an, die sich bisher zurückgehalten hatten und diese begannen an de Ketten zu ziehen, machten es aber nur schlimmer. „Ihr Dummköpfe, zieht nicht so!“

„Aber die Kette ist zu fest.“

Eine wohl unzulässige Entschuldigung, denn Phantomon begann zu toben und zu schimpfen.

„Wenn du versprichst deine Hand nicht mehr gegen meine Schüler zu richten, helfe ich dir“, bot Sanzomon ihm an. Überraschend schnell stimmte Phantomon mit einem kräftigen Nicken zu, auch die Bakemon, die nicht aussahen, als hätte diese Geste einen feindseligen Hintergedanken.

Sanzomon richtete wieder Zeige- und Mittelfinger auf Phantomon, senkte sie aber dieses Mal und die Kette glitten von seinem Körper, als hätte man seinen Körper in Öl getränkt. Kurz warteten Sanzomon, Gokuwmon und Sagomon - im Gegensatz zu ihrem Meister blieben sie misstrauisch - ob Phantomon die Chance doch nutzen würde, aber er hielt sich an die Abmachung. Zwar griff er nach seiner Waffe, doch mit leicht gesenkten Schultern wich er zurück, die Bakemon und Soulmon mit ihm.

„Ich bin erfreut, dass ihr euch so kooperativ zeigt. Aber sagt mir, wie seid ihr alle hierher gekommen und was sucht ihr hier?“

„Ich und meine Kameraden sind nur Diener des großen Meister Myotismon. Er bittet um eine Audienz mit den Schlossherren, Jijimon und Babamon“, antwortete Phantomon ihr, seine Haltung blieb weiter reumütig geduckt. Sanzomon hob aufmerksam den Kopf.

„Ich bin die Schlossherrin. Und wenn euer Meister eine Audienz wünscht, soll er bitte selbst vortreten.“

Schrille, hohe Laute ertönten über ihren Köpfen. Fledermäuse flogen kreuz und quer, ihr hoher Gesang hatte etwas von einem unheimlichen und spöttischen Lachen. Die Bakemon und Soulmon und schließlich auch Phantomon wichen zur Seite um ihrem Meister den Weg frei zu machen. Dieses hochgewachsene und schlaksige Digimon, dass einen Teil seines Gesichtes mit seinem Umhang verdeckte, zusammen mit den Fledermäusen, die unheilvoll über ihnen flogen löste Unbehagen unter ihnen allen aus.

„Meint Ihr, er gehört zu Piedmon, Meister Sanzomon?“, fragte Gokuwmon, den Kampfstab schon leicht erhoben. Sanzomon antwortete nicht, was beide Schüler wunderte, man sah ihr jedoch an, dass sie dieses Digimon zu studieren versuchte und ihn von oben bis unten betrachtete. Sie blieb an seinen Augen, die hinter der Maske verborgen waren hängen. Oder viel mehr an dem Abgrund darin.

Er hatte sein violettes und weißes Fell verloren. Von seinen kleinen Fledermausflügeln war nichts mehr da, nur dunkelblondes Haar zierte seinen Kopf. Ein Irrtum wäre durchaus möglich, aber für Sanzomon reichte allein der Blick in sein Gesicht und sie wusste, sie hatte Recht.

„Du?“

Ihre Stimme klang viel höher, viel aufgeregter, nicht so behaglich und ruhig wie sonst.

„Ihr kennt dieses Digimon, Meister Sanzomon? Persönlich?“, hakte Sagomon nach, fixierte aber weiter diese unheimliche Gestalt vor ihnen.

„Ich glaube ja. Nein, ich bin mir sogar absolut sicher.“

Diese Augen hätte sie unter Tausenden wiedererkannt.

Auch Phantomon blickte, ebenso verwirrt wie Sanzomons Schüler, zu seinem Meister. Dieser schien sich wohl auch gefragt zu haben, was aus diesem kleinen Ding geworden war und wann sie ihre Flügel und die unpraktische Kleidung gegen eine Priestertracht ausgewechselt hatte. Sein ganzes Gesicht war nun zu sehen und entblößte damit sein Lächeln, dieses alles andere als freundliche Lächeln mit den viel zu langen Eckzähnen.

„Sieh an. Du bist also auch endlich digitiert. Aus dem Bücherwurm ist eine Priesterin geworden.“

Seine Stimme hatte sich verändert. Man hörte nicht mehr die Wut und den Widerwillen gegen alles und jeden darin. Was dafür nun in seiner Stimme lag, klang mehr wie die Ruhe vor einem Sturm, so tief, so bedacht sie auch war.

Nicht nur die Bakemon hatten angefangen zu tuscheln. Sie machten sich nicht einmal Mühe es groß zu verbergen. Zwar hörte man kein Wort, aber man konnte ihnen ansehen, was sie sagten und dachten und etwas sagte Sanzomon, dass sie wohl auch nicht wussten, dass ihr Meister hier bereits bekannt war.

Auch die beiden Sistermon, die sich nun wieder hinaus getraut hatten, nachdem kein Geräusch mehr zu hören war, dass irgendwie daraufhin deutete, dass ein Kampf stattfand, redeten und auch hier war die Distanz zu groß um etwas zu verstehen.

„Die meisten Digimon belassen es bei Sanzomon, und ich wäre erfreut, wenn du dich dem anschließen würdest“, sagte sie streng und verschränkte die Arme leicht vor ihrer Brust. „... Myotismon.“

„Du hast dich wirklich sehr verändert. War das auch Teil von Babamons Unterricht?“

„Ich habe den Unterricht zumindest durchgezogen und bin allein dadurch stärker geworden. Im Gegensatz zu anderen Digimon.“

Sie klang erzürnt, dass hatte das Getuschel der Bakemon nur mehr angeheizt.

„Meister Sanzomon, verzeiht, aber sagt und endlich einmal wer dieses Digimon da ist. Das Getuschel wird immer schlimmer.“

Gokuwmon behielt Recht, selbst das Gerede der beiden Sistermon, die wohl versuchten Cho-Hakkaimon auszuhorchen, ob sie etwas wusste, wurde aufgeregter und lauter.

„Er ist wie ich ein ehemaliger Schüler von Jijimon und Babamon“, erklärte sie widerwillig und erzürnt. Gokuwmon wechselte rasche Blicke zwischen ihr und Myotismon aus. Cho-Hakkaimons fassungsloses Ächzen erklang hinter ihr, Sagomon bemühte sich als Einziger, etwas von seiner Fassung zu bewahren.

„Du bist doch nicht immer noch wütend darüber, dass ich meine eigenen Mittel und Wege gefunden habe um an Stärke und Intelligenz zu gewinnen?“

„Ich bin wütend, weil du hier einfach hereinspazierst und meine Schüler angreifst.“

Sanzomon ging etwas näher auf Myotismon zu, unter den leisen Protesten ihrer besagten Schüler. Auch Myotismon kam ihr etwas entgegen, bis sie beide sich mit kaum einem Meter Abstand gegenüberstanden und sie war nervös. Nicht mal wegen der Augen, aber wegen der Zähne. Sanzomon wusste, was Myotismon für Digimon waren, was sie mit ihren Zähnen taten und unfreiwillig überlegte sie, ob ihr Halstuch, dass bis über die Nasenspitze ging auch richtig saß.

„Entschuldige für den Angriff auf deine Diener, meine Truppen pflegen einen etwas harschen Umgang mit anderen Digimon. Sie haben bis ich kam ganz allein für sich gelebt und waren der Spielball der Meister der Dunkelheit. Habe ich Recht, Phantomon?“

„Ja, Meister Myotismon.“

Phantomon ging noch tiefer in seine Verbeugung hinein. Sanzomon war etwas erstaunt, für so devot hatte sie Digimon wie Phantomon nie eingeschätzt. Ihr Blick war schnell wieder zu Myotismon gehuscht. Wie hatte Tsukaimon, der so störrisch und launisch war es nur geschafft, zu so einem Digimon zu werden?

„Zudem -“, sprach Myotismon, immer noch mit diesem spöttischem Lächeln auf den Lippen, „- hegen sie wie ich eine starke Aversion gegenüber Digimon ohne Manieren.“

„Ihr habt uns doch zuerst angegriffen!“, schrie Cho-Hakkaimon hinüber. Sie hatte ihre Schmerzen vergessen, stattdessen blitzen ihre Augen unter dem pinken Schweinekopf. Sie wäre vermutlich auch auf Myotismon gestürmt, hätte Gokuwmon sie nicht, deutlich genervt von ihrem Gezeter, am Kragen gepackt und sie über seine Schultern geworfen, wo sie nicht viel Schaden anrichten konnte.

„Ich weiß, ich hätte vorher fragen sollen, ehe ich sie hierher nach Grey Mountain bringe. Aber meine Diener sind sehr anhänglich und konnten nicht warten, bis ich die Formalitäten geklärt hätte.“

Sanzomon stempelte das als faule Ausrede ab, schließlich müsste gerade Myotismon wissen, wie man hier auf Grey Mountain untereinander verkehrte und was mit unerwünschten Gästen geschah. Die Bakemon und Soulmon tuschelten nicht mehr, sondern blickte beschämt drein, wie kleine Kinder, die etwas ausgefressen hatten. Ihre Hoffnung lag wohl nur darin, dass ihr Herr das für sie wieder geradebog.

„Wie seid ihr unbemerkt an den Rabbitmon und Butterflymon im Wald vorbeigekommen? Normalerweise hätten wir längst wissen müssen, dass du auf dem Weg hierher bist.“

„Ich habe sie ganz sanft -“, Myotismon legte eine kurze Pause ein, „ - beiseite geschoben. Nichts Ernstes, keine Angst, du kannst gerne nachschauen Aber du solltest dir bessere Kämpfer suchen, wenn du Überraschungsgäste so verabscheust. Meine Truppen geben ihnen gerne Nachhilfe.“

„Sehr zuvorkommend. Aber die Rabbitmon und Butterflymon sind schlicht Wachen, keine Kämpfer.“

Sanzomon versuchte jede Regung in seinem Gesicht zu analysieren und kam zum Schluss, dass er die Wahrheit sagte und den Digimon wirklich nichts getan hatte.

„Was ist mit den Goatmon auf den unteren Ebenen? Hast du ihnen etwas angetan?“

„Mitnichten. Ich habe sie nur schlafen gelegt, als sie uns nicht passieren lassen wollten.“

„Was ist mit den Swanmon, die an den Wasserstellen und am Fluss leben?“

„Nicht eine Feder habe ich ihnen gekrümmt. Sie vergnügen sich mit Raremon, es gehört wie alle untoten Digimon auch zu meinen Untergebenen. Ich hoffe, das stört dich nicht.“

Doch, es störte sie, sagte dies aber nicht.

„Was ist mit den Reppamon und Kyubimon, die die obere Bergkette bewachen?“

„Oh, ich denke sie werden mit meinen Devidramon einig. Sie werden ihnen aber nichts tun. Du siehst, ich komme in friedlicher Absicht.“

Sanzomons Blick huschte wieder kurz zu den Bakemon und Soulmon, die die selbe unterwürfige Haltung die Phantomon annahmen.

Sie sahen eigentlich ungefährlich aus, im einzelnen zumindest, in Gruppen wurden Bakemon gerne übermütig und schlugen wild um sich, wenn sie mit einer Situation überfordert waren. Vielleicht war das der Grund für diese Auseinandersetzung gewesen.

Myotismon reichte ihr die Hand und erwartete, sie würde das Gleiche tun um so zu zeigen, dass sie die Erklärung und die eher magere Entschuldigung annahm. Sanzomon spürte die Blicke aller in ihrem Rücken, die ihrer Schüler, die der Geist-Digimon, sogar die verdammten Fledermäuse, die sich in den dunklen Ecken der steinigen Mauern verkrochen schienen sie anzustarren.

Jeder hat eine zweite Chance verdient, hörte sie Jijimon in ihren Erinnerungen sagen. Das galt für jedes Digimon. Und vielleicht war es wirklich nur ein Missverständnis.

Mit diesem Gedanken streckte sie ihre Hand Myotismon entgegen, doch dann ergriff er diese - Sanzomon konnte irgendwo immer noch nicht glauben, dass das die gleichen Hände waren, die sie früher weggeschubst hatten, wenn sie zu aufdringlich geworden war - um sie an seine Lippen zu führen.

„Wenn du also gestattest, würde ich gerne mit Jijimon und Babamon sprechen.“

Sie war zu perplex um zu antworten, ihre Hand fröstelte, als sein kalter Atem ihre Haut streifte, ihr ganzer Körper schien zu Eis erstarrt zu sein. Sanzomon dachte, Myotismon würde sich von ihr entfernen, dabei war sie es, die ihre Position verließ. Panisch und auf die Zähne fixiert riss sie ihre Hand weg und trat einige Schritte zurück. Die beiden Sistermon zogen Sanzomon noch weiter on Myotismon weg. Cho-Hakkaimon, Gokuwmon und Sagomon sprangen vor ihren Meister.

„Etwas mehr Respekt vor unserem Meister, kapisché?“, meckerte Cho-Hakkaimon. Die vorher so harmlos aussehenden Bakemon waren nun gar nicht mehr so harmlos und unter ihren lakenähnlichen Körpern zeigten sich ihre dürren, aber langen Krallen, die fast die selbe Leichenblässe hatten, wie die Haut ihres Herrn. Myotismon, offensichtlich verärgert wie Cho-Hakkaimon mit ihm sprach hob aber nur die Hand und schon waren die Klauen von allen Bakemon und Soulmon wieder unter ihrem weißen, zerfledderten Körpern verschwunden.

„Ich frage nun erneut. Wo sind Jijimon und Babamon? Ich möchte mit ihnen sprechen.“

„Das geht nicht“, antwortete Cho-Hakkaimon schnippisch und mit gestemmter Brust. Ein Einschüchterungsversuch, der fruchtlos blieb, außer dass es Myotismon mehr verstimmte.

„Und wieso nicht?“

„Jijimon und Babamon -“, Sagomon hielt kurz inne, „- sind nicht mehr hier.“

Myotismon verstand, was das hieß. Er fragte nicht einmal, wo sie denn seien oder warum sie ihr geliebtes zu Hause verlassen hätten. Es war offensichtlich, dass sie tot waren.

„Piedmon, nehme ich an? Weiß er auch von Grey Mountain und dem Schloss?“

„Nein. Würde er das, würde hier kein Stein mehr auf dem anderen stehen.“

Gokuwmon legte sein Gesicht in tiefe Falten und verengte die Augen, so dass sein affenähnliches Gesicht mit der grauen Mähne ihn älter wirken ließ, wie er war, wäre sein athletischer Körper nicht. Sein Gesicht wirkte immer grimmig, selbst wenn Gokuwmon eigentlich gut gelaunt war. Aber Sanzomon kannte ihn lange, er war schließlich ihr erster Schüler. Sie erkannte die minimalen Unterschiede und wusste somit gleich, dass Gokuwmon Myotismon kein Stück Vertrauen entgegen brachte. Und Myotismon wusste das, wohl deswegen schenkte er Gokuwmon auch keine Beachtung, genauso wenig wie Cho-Hakkaimon, die nun sogar auf ihren Zehenspitzen stand, um größer zu wirken, oder Sagomon, dessen üppige Federpracht sich unterhalb seines Schnabel aufgestellte.

Er ignorierte die drei misstrauischen Schüler und konzentrierte sich nur auf Sanzomon, die an jedem Arm noch das Gewicht je eines Sistermon hängen hatte.

„Dann hast du also damit offiziell ihre Nachfolge angenommen?“

„Ganz richtig. Ich bin jetzt für das Schloss und seine Bewohner verantwortlich und führe Jijimons und Babamons Tradition fort.“

„Das heißt, du nimmst genau wie sie heimatlose Digimon auf?“

Erst begriff sie nicht, verstand aber dann, auf was er wohl hinaus wollte, wenn sie sich die Bakemon ansah und mit dem Wissen, dass Bakemon nicht einfach durch die Gegend wanderten, zumindest nicht grundlos.

Das war der Grund, warum er hier war. Natürlich. Er kam nicht aus reiner Freundlichkeit oder Sehnsucht. Sie hatte damals die Hoffnung schnell verloren, dass Tsukaimon je zurückkommen würde, ohne einen plausiblen Grund für solch eine Rückkehr zu haben.

„Und wenn es so ist?“

„Aus diesem Grund bin ich hier. Wir haben ein wenig Ärger mit den Meister der Dunkelheit und ich bin daher auf der Suche nach einer Bleibe, für mich und mein Gefolge.“

„Und führt die Meister der Dunkelheit praktisch hierher?“

Sagomons Schrei ähnelte mehr einem Krächzen und klang befremdenden. Von Gokuwmon und Cho-Hakkaimon war Sanzomon solch eine Lautstärke gewohnt.

Auch das hatte Myotismon nicht im geringsten interessiert und der Argwohn unter ihren Schülern ihm gegenüber wuchs. Würde er weiter nur so hämisch lächeln, würde das noch in einer Katastrophe enden, darin war Sanzomon sich sicher.

„Nicht doch, ich habe meine Spuren gut verwischt. Ich möchte keinem der Meister der Dunkelheit begegnen. Sie interessieren mich nicht. Leider beruht dies nicht auf Gegenseitigkeiten.“

„Warum haben sie es eigentlich auf Euch abgesehen?“

„Vielleicht mögen sie mich nicht besonders.“

„Ich frage mich nur warum“, flüsterte Cho-Hakkaimon zu Gokuwmon. Warum sie überhaupt zu flüstern versucht hatte verstand Sanzomon nicht, gehört hatte sie nämlich jeder.

Und Sanzomon musste sich selbst korrigieren - Es war bereits eine Katastrophe.

Obwohl er sein lustloses und zorniges Gesicht, dass er als Tsukaimon ständig zog gegen ein fast unheilvolles Lächeln ausgetauscht hatte, sah Sanzomon ihm an, dass sich in seinem Kopf immer mehr Mordgelüste zusammentrugen. Es war damals schon in Streitereien geendet, wenn seine Geduld eine gewisse Toleranzgrenze erreichte und - wenn sie auch die Sorgen ihrer Schüler vollkommen verstand - früher oder später würde es ein Desaster geben und es gab dieses Mal keine Babamon, die Stockhiebe verteilte, wenn es denn nicht endlich Ruhe gab.

Warum musste er gerade zu diesem Zeitpunkt hier aufkreuzen? Es hätte keinen Schlechteren geben können.

„Piedmon und ich kommen nicht gut miteinander aus. Vielleicht sieht er mich als Konkurrenz oder als Bedrohung, wer weiß das schon? Diese Digimon wurden von den Meister der Dunkelheit ausgebeutet und gequält und suchten bei mir Schutz. Digimon wie ich sind die Herrscher der Untoten. Für sie bin ich ein König und als solcher trage ich eine gewisse Fürsorgepflicht.“

Myotismon ging einen Schritt zur Seite, damit die misstrauische Gruppe vor ihm einen umfassenden Blick auf die Bakemon und Soulmon werfen konnten, deren Stimmung noch wechselhafter war wie das Wetter, anders konnte man sich diesen plötzlich wehleidigen Anblick nicht erklären. Ihre gekrümmte Haltung und ihr ausgezerrter Anblick nach solch einer erschwerlichen Reise weckte jedoch Mitleid. Sie waren erschöpft.

„Sie tun mir ja irgendwie Leid“, sagte Sistermon Blanc traurig.

„Wenn das stimmt, haben sie sicher viel durchmachen müssen“, sagte Sistermon Noir, genauso von diesen Anblick eingenommen. Beide Schwestern waren vom Awaken Modus wieder zurück in ihrer normalen Form und wirkten wieder so unschuldig und unscheinbar wie die meiste Zeit.

Auch in Sanzomons drei Schülern hörte man regelrecht die Gedanken kreisen und ihren damit verbundenen Unwillen, Myotismon zu vertrauen, andererseits dafür eben jener Wille diese Geist-Digimon - und was ihr Herr sonst noch mitgeschleppte - nicht ihrem Schicksal überlassen zu wollen.

„Meine Kräfte für meinen eigenen Schutz allein reichen aus, um gegen die Meister der Dunkelheit anzukommen, was ich von ihnen nicht behaupten kann“, sprach Myotismon weiter. „Und bei Tage bin sogar ich machtlos. Sie brauchen einen sicheren Ort, unabhängig von mir.“

„Und Ihr dachtet, Jijimon und Babamon hätten nichts dagegen und würden Euch und Eure Schergen mit offenen Armen aufnehmen?“, fasste Gokuwmon zusammen. Sein Blick hing immer noch an den Bakemon und Soulmon fest und Phantomon hatte ihm zustimmend zugenickt.

„Nun, da sie nicht mehr sind, hängt die Entscheidung von eurer ehrfürchtigen Hohepriesterin ab. Ich wäre natürlich auch zu einer Gegenleistung bereit.“

Jedes anwesenden Digimon, dass im Vorhof dieses alten, steinigen Gemäuers stand, das mit dem Berg verschmolzen schien und dessen Mauern noch Efeu hing, starrte auf Sanzomon und wartete, teils sogar ungeduldig auf eine Antwort. Unter normalen Umständen wäre die Antwort einfach gewesen und sie hätte keine Einwände gehabt.

Doch die Umstände waren alles andere als normal und es waren so viele Digimon auf einmal, die sie aufnehmen würde. Wenn einer von ihnen nur herausfinden würde, was hinter den Mauern geschah?

Aber sie fortschicken konnte sie auch nicht. Es würde gegen alles verstoßen, was man ihr beigebracht hatte und wofür sie stand.

„Sanzomon!“, riefen hohe Stimmen hinter ihr, die immer näher kamen. Es waren drei Digimon, Kokomon, Pagumon und SnowBotamon, die aufgeregt auf sie zugehüpft kamen. Der Schlaf und die Müdigkeit war ihnen noch ins Gesicht geschrieben. Die beiden Sistermon gingen in die Knie, ebenso Sanzomon und reichte einem von ihnen die Hand, in das sich auch gleich SnowBotamon schmiegte.

„Sanzomon, wir haben Krach gehört. Ist etwas passiert?“, fragte das Pagumon ganz außer sich. Unter dem Eingangstor hatten sich noch mehr der Baby- und Ausbildungs-Digimon gesammelt. Sie konnte nur raten, wie viel sie mitbekommen hatten, vielleicht nicht alles, aber sicher genug.

„Nein, es ist alles in Ordnung“, antworte Sistermon Noir anstelle von Sanzomon. Aber es reichte nicht, die Kleinen zu beruhigen. Digimon wie sie, die unter welchen Umständen auch immer ihren Weg hierher fanden waren überaus misstrauisch und leicht zu ängstigen.

„Wer sind die?“

„Die sind gruselig“, jammerten Pagumon und Kokomon schmiegten sich immer näher an die Sistermon und an Sanzomon. Was sie jedoch eher sagen wollten, aber nicht taten war, dass sie allein Myotismon so gruselig fanden, da sie auf die Bakemon kaum reagiert hatten und erst beim Anblick ihrer Anführers zitterten.

„Gäste. Das sind Gäste.“

„Gäste? Dann bleiben Sie hier?“

„Bleiben die ganzen Digimon lange hier?“

Nun auch die Blicke ihrer Schützlinge zu spüren machte das imaginäre Gewicht auf Sanzomons Schultern unerträglich. Man wartete auf eine Antwort und man erwartete, es wäre eine einfache Entscheidung mit einer ebenso einfachen Antwort.

Die Blicke der kleinen Baby-Digimon, die Sanzomon großzog, wie Babamon sie einst großzog und denen sie beizubringen versuchte wie wichtig Gleichberechtigung und Akzeptanz war, schafften es, dass das Gewicht zusammenbrach.

„Ja. Sie werden länger hier bleiben.“

Die Worte über ihre Lippen zu bringen war ebenso schwierig, wie diese Entscheidung nur in ihrem Kopf zu fällen. Sanzomon hörte, wie Gokuwmon beide Hände in sein Gesicht schlug, während der Rest sich nur auf ein schwermütiges Seufzen beschränkte.

Einzig Myotismon schien wirklich vollkommen zufrieden zu sein.

„Ich sehe, wir werden uns doch noch einig. Wir können alles weitere ja drinnen besprechen“, sagte er, noch höflich, kaum aber dass er sich seinen Schergen zuwandte, kehrte seine Strenge wieder zurück. „Bedankt euch bei Sanzomon für ihre Großzügigkeit.“

Phantomon trat schließlich vor, da der Rest entweder doch noch zu argwöhnisch oder (eher weniger, aber nicht gänzlich unwahrscheinlich) zu schüchtern war. Aber Phantomon bewahrte einen gewissen Abstand, Angesichts von Cho-Hakkaimon, Gokuwmon und Sagomon, die weiter eng und mit erhobenen Waffen um Sanzomon standen und den beiden Sistermon, die die Baby-Digimon auf ihren Armen trugen und dicht an sich schmiegten. Erst als Phantomon sich vor ihnen verbeugte, entspannte sich die Haltung aller.

„Wir danken, dass Ihr uns in Eure Obhut aufnimmt, Sanzomon.“

Phantomon hatte sich bereits erhoben, als er das deutliche Räuspern seines Meisters vernahm. Er verbeugte sich erneut vor Sanzomon, sogar noch tiefer als beim ersten Mal.

„... Meister Sanzomon.“

Sanzomon entgegnete ebenfalls mit einer leichten Verbeugung, ihr fehlte jedoch weiter der Atem etwas zu sagen. Zwar herrschte weiterhin Misstrauen unter ihren Schülern, aber sie verbeugten sich ebenso, wenn auch tiefer wie Sanzomon.

Nun zeigten auch die Bakemon und Soulmon keine Angst mehr, ihre Schüchternheit war ebenso schnell verflogen wie jede andere ihrer Gefühlsregungen und sie kamen in Zweier- und Dreiergruppen auf sie zugeschwebt.

„Danke, Meister Sanzomon. Ihr seid sehr freundlich.“

„Gern geschehen.“

Ihre Stimme klang zittrig und es hatte mehr nach einem Stöhnen geklungen, als dass es ernst gemeint gewesen wäre. Sie fühlte erst Erleichterung, als die Bakemon auch ihren Schülern ebenso ein respektvolles Danke entgegenbrachten und die Soulmon sogar ihre schwarzen Spitzhüte vom Kopf nahmen. Noch entscheidender für Sanzomon waren jedoch die Baby-Digimon, die auch ihre Furcht überwunden hatten und stattdessen ganz neugierig den vielen neuen Gästen hinterher sahen.

„Gibt es bei euch etwas zu Essen?“

„Ja, wir sterben vor Hunger.“

„Wie könnt ihr Hunger haben? Ihr seid Geister!“, meckerte Cho-Hakkaimon die Bakemon an und hielt erst inne, als sie Sanzomons Hand auf ihren schmalen Schultern spürte.

„Hinterfrage es nicht. Bereite einfach etwas mit Sirenmon für sie vor. Sistermon Blanc, bring die Kleinen bitte zu Bett. Sistermon Noir, zeig unseren Gästen ihre Räumlichkeiten.“

„Sehr wohl, Meister!“

Die drei nickten und bemerkten erst dann, dass die drei Baby-Digimon weg waren. Sie waren den Bakemon hinterhergelaufen und mit den Digimon, die die ganze Zeit nur alles aus der Ferne beobachtet hatten sprangen sie aufgeregt um die Geist-Digimon auf und ab. Ein Frimon und ein Yuramon hangen sich an die herabhängenden Fetzen eines der Soulmon und missbrauchten es als eine Art Schiffschaukel. Es musste sicherlich weh tun, aber das Bakemon beschwerte sich nicht, zumindest nicht lauthals und wäre diese Szene nicht so bizarr, wäre es fast amüsant.

Sanzomon wollte erleichtert nach Luft schnappen, wenn da nicht noch Myotismon wäre, der immer noch nur Skepsis von ihren Schülern erntete. Ihn hier irgendwie zu integrieren war die wirkliche Herausforderung.

„Ich fürchte nur, dass wir nichts haben, was deinen Geschmäckern entsprechen könnte, alter Freund.“

Sanzomons Blick ruhte wieder auf seinen langen Eckzähnen.

„Schon gut. Rotwein und Fleisch tut es auch. Ich werde meinen Diener außerhalb der Mauer sagen, dass ihr mit unserer Anwesenheit einverstanden seid.“

Sein langer Umhang wickelte sich um seinen Körper, eher dieser mit den immer länger werdenden Schatten des Schlosses verschmolz. Nach wenigen Sekunden deutete nichts mehr auf Myotismons Anwesenheit hin, nur die Fledermäuse krochen aus ihren Ecken und flogen in die verschiedenen Himmelsrichtungen. Ihre hohen Rufe erzeugten ein Echo und es dauert lange, bis es vollkommen still wurde und alles um sie herum wieder so erschien, als wäre niemals etwas passiert.

„Sagomon“, rief Sanzomon und packte ihren Schüler am Arm, ziemlich fest sogar. „Hol bitte Rotweinflaschen aus der Speisekammer. So viel wie du tragen kannst.“

„Wollt Ihr ihn abfüllen, Meister?“

„Ich dachte eher an mich. Ich fürchte, das wird ein langer Abend.“

Wieder seufzte sie laut. Sie rieb sich dabei mit den Händen über das Gesicht.

„Sanzomon, ist alles in Ordnung? Ihr seid so blass“, bemerkte Cho-Hakkaimon. Sie versuchte ihrem Meister in die Augen zu schauen, jedoch, und dass war für Sanzomon ungewöhnlich, wich sie dem aus.

„Schon gut. Es ist nichts. Das alles kommt nur gerade sehr überraschend.“

„Sicher, dass das eine gute Idee ist, sie hier zu lassen?“

„Ich habe entschieden, Sagomon. Sie bleiben. Zumindest will ich hören was… ihr Meister als Gegenleistung anbietet. Also, bitte… helft mir das alles vorzubereiten.“

Und für Sanzomon ebenso ungewöhnlich wartete sie keine Antwort ab, sondern ging los. Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon schaute ihr fragend hinterher. Sie sprach voller Tatendrang, aber wie sie von ihnen weglief, glich es mehr einer Flucht.

Sanzomons Bauch zog sich zusammen, ihr Digikern, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

Er war tatsächlich zurückgekehrt.

 
 


 

Es wurde ein entsetzlich langer Abend, was in erster Linie daran lag, dass Myotismon sich ebenso entsetzlich viel Zeit ließ, bis er überhaupt wieder aufkreuzte.

Der Speisesaal war ein langer wie ebenso schmaler Raum, der auf der Schattenseite des Schlosses lag, weswegen Sanzomon ihn immer großzügig beleuchtete. Nur an diesem Abend verzichtete sie darauf, da sie nicht abschätzen konnte wie lichtempfindlich ihre Gäste waren und beschränkte sich nur auf drei Kerzen auf dem Tisch. Sie saß am oberen Ende des Tisches, Cho-Hakkaimon zu ihrer Linken, Gokuwmon und Sagomon rechts von ihr und sie beobachteten die Geist-Digimon, die entlang der beiden längeren Tischseiten saßen und sich auf das Essen gestürzten, dass die Sistermon mit Sirenmon, die die meiste Zeit in der Küche verbrachte vorbereitet hatten. Auf der Seite, wo Sanzomon, Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon saßen stand nur eine Flasche Rotwein und darum vier volle Gläser, aber keiner traute sich einen Schluck zu nehmen.

Während sie auf Myotismon warteten, beobachteten sie die Bakemon und Soulmon beim Essen und rätselten über deren Hunger, da es im Vergleich zu ihren bisherigen Bild von Geist-Digimon keinen Sinn ergab. Aber wann hatten sie schon Geist-Digimon getroffen? Und wenn man bei Jijimon und Babamon aufwuchs, merkte man schnell, das etwas wie Sinn und Logik überbewertet war.

Merkwürdig blieb es und sie beobachteten dabei Phantomon, dessen Speisen nicht mal wirklich zerkaut wurden (alle vier begannen sich zu fragen, ob er überhaupt Zähne besaß), sondern einfach im Schatten seiner Kapuze verschwand.

Gerade als Sagomon sich entschloss doch einen Schluck zu trinken, waren die Fledermäuse wieder zu hören und sofort legte er seine Hände wieder auf den Schoß.

Myotismon erschien von der einen auf die andere Sekunde im Stuhl auf der anderen Seite des Tisches, direkt gegenüber von Sanzomon, als hätte er dort schon die ganze Zeit gesessen.

Die Geist-Digimon, die die Reihe entlang zwischen ihnen saßen hatten ihr Esstempo verringert und hatten teilweise gänzlich aufgehört und warteten darauf, ebenso wie Myotismon, dass jemand etwas sagen würde.

„Ich möchte noch einmal auf deine Gegenleistung zu sprechen kommen. Wie hast du dir das vorgestellt?“, begann schließlich Sanzomon. Ebenso wie mit seinem Erscheinen ließ er sich mit seiner Antwort Zeit und während sie beobachtete, wie Myotismon selbst erst von dem Rotwein trank, fühlte sich ihre Kehle trocken an.

„Ich hatte eine Theorie, die sich durch dieses Treffen bewahrheitet hat. Jijimon und Babamon haben dieses Schloss immer so geheim wie möglich gehalten. Der Nebel ist undurchdringlich, und das Schloss regelrecht unsichtbar, wenn man nicht weiß, wonach man Ausschau halten muss. Der Berg ist hoch, außerhalb des Nebels denkt man, es sind einfach Wolken, die über eine flache Bergkette ziehen."

„Das wissen wir bereits“, murmelte Cho-Hakkaimon neben Sanzomon. Zumindest diesmal hatte sie sich die Mühe gegeben auch wirklich zu flüstern.

„Sie haben uns damals nicht einfach vor irgendeinem ominösen und namenlosen Feind beschützt, wie er in Babamons unsinnigen Kinderreimen existierte. Die Meister der Dunkelheit hatten es damals schon auf die beiden abgesehen. Sie glaubten an jene Philosophie, dass Digimon Seelen hätten und propagierten ihre Ideale heimlich, nicht zuletzt durch ihre Kinderstube, die wir beide schon genossen haben.“

Auch das war ihr zwar bekannt, aber Sanzomon musste sich trotzdem wundern, woher er das so genau wusste. Sie ließ einige Sekunden vergehen, überlegte erneut und dann ergab es auch Sinn. Wenn Myotismon wirklich irgendwann einmal den Weg der Meister der Dunkelheit gekreuzt hatte, wusste er automatisch auch, dass sie Jijimons und Babamons Nachfolger suchten. Die Frage war nur, wusste er warum man sie und das Schloss wirklich suchte?

Nicht alles, alles konnte er nicht wissen, auch wenn er hier aufgewachsen war. Aber vielleicht wusste er etwas, oder hatte eine leise Vorahnung, was der Grund sein könnte.

„Ich weiß noch nicht was ihre Motive waren, aber es würde mich sehr interessieren und vielleicht komme ich hinter das Geheimnis, wenn ich mich etwas im Schloss hier umsehe. Vielleicht können wir beide ein paar interessante Dinge ans Tageslicht bringen. Dich interessiert es doch sicher genauso sehr, was unsere Zieheltern alles zu verbergen hatten, nicht?“

„Vergiss es!“

Sanzomons wütender Schrei ließ jeden im Raum zusammenzucken. Sie hatte ihre Worte lauter ausgesprochen, wie sie sich das in ihrem Kopf eigentlich vorgestellt hatte, aber jedes rationale Denken hätte sie nicht dazu bringen können sich zurückhalten. Sie schlug mit geballter Faust auf die Stuhllehne, obwohl sie das ebenso wenig wollte.

Selbst Myotismon, selbst ihre eigenen Schüler sahen sie überrascht an bei diesem plötzlichen Gefühlsausbruch, auch wenn diese den Grund (anders wie ihre Gäste) kannten. Sanzomon erhob selten ihre Stimme und die Situationen, in denen das passiert war, konnten sich die meisten Ausbildungs-Digimon an einer Hand abzählen und blieben nicht wirklich im gedächtnis hängen. Sanzomon fehlte es einfach jeglicher dominanten Ausstrahlung und nun, da sie Myotismon gegenübersaß, der nur mit seiner Anwesenheit mehr Superiorität ausstrahlte wie alle anderen anwesenden Digimon zusammen, merkte man es umso mehr.

„Ehemaliger Schüler hin oder her, du bist immer noch ein Fremder und ein Gast. Jijimon und Babamon haben mich darum gebeten ihre Tradition genauso fortzuführen, wie sie zu Lebzeiten. Du kannst dich umsehen, schließlich sollst du dich hier wieder wie zu Hause fühlen. Aber Gast ist Gast und wie jeder Gast hast du dich an Regeln zu halten. Und eine ist, dass du dich vorerst nur da aufhältst, wo ich es erlaube.“

Während Sanzomon sprach, wurde ihre Stimme wieder etwas leiser, bis sie wieder zu ihrer gewohnten Tonlage zurückkehrte. Das amüsierte Lächeln blieb auf Myotismons Gesicht.

„Wieso so viel Misstrauen? Das schickt sich nicht für eine alte Freundin.“

„Ich habe Verantwortung, schließlich habe ich viele junge Digimon hier, die ich versorge. Meine Schüler haben für ihren jetzigen Status hart gearbeitet. Dir werde ich diese Privilegien nicht einfach zuschreiben und dich im Schloss machen lassen was du willst, trotz der alten Zeiten. Selbiges gilt auch für deine Diener. Hier sind wichtige Schriftstücke, an denen Babamon lange arbeitete. Vieles musste neu geschrieben werden, manches ist gar verboten. Und manches könnte mich auch in Schwierigkeiten bringen und damit auch jedes Digimon, was hier lebt.“

„Sanzomon, wir kennen uns doch.“

„Gerade deswegen solltest du verstehen, warum ich so vorsichtig bin. Ich habe Jijimon und Babamon ein Versprechen gegeben und wie du dir denken kannst, ist mir dies heilig. Genauso heilig wie mein Schwur gegenüber jedem Digimon hier, dass hier lebt und mir Vertrauen schenkt. Darum musst du vorerst damit rechnen, dass ich dir genauso viel Skepsis entgegenbringe wie jedem anderem Neuankömmling.“

Niemand sagte etwas. Selbst das Atmen wurde unterdrückt. Hinsichtlich der Situation wirkte jedes Wort, jeder Laut fehlt am Platz, unangemessen und peinlich.

Auch Myotismons Lächeln war fort. Sie hatte seine Toleranzgrenze angekratzt.

„Du solltest mir aber vertrauen. Wenn ich das richtig gesehen habe, seid ihr vier die Einzigen auf dem Ultra-Level. Ein paar wenige Champions, aber sonst sind eure Ressourcen mehr als nur bescheiden. Und ich nehme Gift darauf, das keiner von ihnen in Jijimons und Babamons geheime Künste eingeweiht ist. Selbst deine Schüler scheinen nicht annähernd an das Potenzial zu kommen, das wir beide haben.“

„Dieser -“, knurrte Gokuwmon, aber Sagomon schubste ihm vorsichtig mit den Ellenbogen gegen den Arm, schüttelte den Kopf und warf einen ebenso kurzen Blick auf die vor Wut kochende Cho-Hakkaimon. Er hatte begriffen, dass Myotismon sie drei nur aus Spaß anstachelte und provozierte.

„Wenn die Meister der Dunkelheit auch nur hier irgendwo in der Nähe auftauchen sollten -“, setzte er fort, als hätte er die feindseligen Blicke von Sanzomons Schülern und von ihr selbst nicht bemerkt, was er aber definitiv hatte, „- sehe ich schwarz für euch. Piedmon wird nicht ruhen, nur weil Jijimon und Babamon tot sind. Sie waren Sympathisanten der vier Souveränen, die immer mehr Anhänger auf Server gewinnen. Dies gilt als Verrat und deswegen tötete er sie. Und vielleicht weiß Piedmon ja, dass sie eine sehr begabte Schülerin hatten, die die Nachfolge übernimmt und vielleicht trägt ihre Schülerin genau diese Ideologie weiter und macht sich damit Freunde beim Widerstand. Oder was meinst du? “

Er bluffte, schoss es ihr durch den Kopf. Darauf zu kommen war nicht besonders schwer und doch verkrampfte sich Sanzomon immer mehr in ihrem Stuhl, während sie sich gleichzeitig fragte, wie Myotismon so gerade, mit rausgestreckter Brust und erhobenen Kopf sitzen konnte, ohne das es unnatürlich wirkte.

Irgendwas an ihr hatte Myotismon wohl verraten, dass er mit seinen Vermutungen auf dem richtigen Pfad war. Vielleicht war es ihrer Haltung, die im Gegensatz zu seiner gezwungen aussah, vielleicht die Tatsache, dass ihr Weinglas immer noch randvoll war, anders wie seines. Durst kam hoch und Sanzomon hätte gerne das Glas mit einem Zug leer getrunken, befürchtete aber so zu offenbaren, wie schrecklich nervös sie eigentlich war.

Stattdessen versuchte sie sich auf ihre Atmung zu konzentrieren.

„Komm zum Punkt.“

„Der Punkt ist, ich suche eine Bleibe und du brauchst mehr Digimon, die euch im Kampf helfen könnten. Meine Armee ist groß und im Kampf erfahren, auch wenn selbst einige von ihnen nur Champions sind. Natürlich werde ich mich auch selbst am Schutz von Grey Mountain beteiligen. Mir ist es persönlich egal, in welchen politischen Kreisen du verkehrst, solange ich keinen Nachteil habe.“

Keines der Bakemon oder Soulmon aß mehr auch nur einen Brotkrumen, sondern blickten den Tisch hoch zu ihren Gastgebern. Erneut wartete man auf eine Antwort. Sanzomon sah erst zu Gokuwmon und Sagomon, dann zu Cho-Hakkaimon. Die vier dachten alle das Gleiche.

„Dein Angebot ist mehr als großzügig“, und Sanzomon schnaufte einmal durch, eher sie fortfuhr. „Aber mein Entschluss bleibt. Selbst wenn ich zustimme, bist du nur ein Gast. Vorerst also keine Spaziergänge hier im Schloss und ohne mein Wissen wirst du den Berg nicht verlassen, selbiges gilt für deine Diener. Und sie werden meinem Willen genauso Folge leisten wie deinem.“

Jeder konnte spüren, dass sich irgendwo, genau in der Mitte des Raumes Spannung ansammelte, dass einem die Haare hätten zu Berge stehen können und es war zu präsent und so fest, dass man es greifen hätte können. Aber es wagte keiner auch nur irgendwie darauf aufmerksam zu machen, aus Angst, wie bei einer Ladung elektrischen Strom, die sich bei Unwetter staute eine gewischt zu bekommen. Man wartete nur ab, ob das Gewitter auch ausbrechen oder sich wieder legen würde.

Es brach mit einem ohrenbetäubenden Donnergrollen aus. Und dieser Donnergrollen war Myotismon selbst, der von der einen auf die andere Sekunde verschwand und vor Sanzomon wieder auftauchte, mit seinem Körper über sie gebeugt wie ein großes und dunkles Untier, dass sie verschlingen wollte. Ihre Handgelenke wurden von seinen Händen auf das Holz der Stuhllehnen gepresst und jeder Versuch von Sanzomon, den Griff irgendwie zu lockern scheiterte.

Der Sturm, der mit diesem Donnergroll aufgezogen war hatten den Tisch umgeworfen, Geschirr fiel klirrend zu Boden und zerbrach. Der Geruch von Verbrannten lag in der Luft, die Kerzen hatten bei ihrem Fall etwas in Brand gesteckt, aber Cho-Hakkaimon konnte mit den Bakemon etwas schlimmeres verhindern, indem sie Wasser drauf kippten oder solange drauf trampelten, bis die kleinen orangenen Flammen erloschen.

Sanzomon konnte davon jedoch nichts sehen, nur hören, denn sehen konnte sie nur Myotismon und den Stoff seines dunklen Umhanges, der sie in Dunkelheit einzuhüllen und die Welt um Sanzomon herum zu vergessen versuchte, bis es nur noch sie und dieses große, bleiche Digimon gab, das zwar bedrohlich war, aber doch etwas anziehendes an sich hatte.

Genau wie damals...

Sie wehrte sich weiter gegen die Kraft, die auf ihren Handgelenken lag, aber sie konnte sich nicht rühren. Selbst wenn, hätte sie nicht aufstehen können, dafür war Myotismon zu nah. Viel zu nah, so nah, dass Sanzomon befürchtete, dass er ihren viel zu schnellen Herzschlag hören könnte, während dieses gehässige Lächeln wieder seine dunkelblauen Lippen zierte, das seine Zähne so hervorhob.

„Du schläfst wenig, habe ich Recht? Die Augenringe stehen dir nicht.“

„Das geht dich nichts an.“

Ihre Worte, die sie zwar leise, aber versuchte drohend klingen zu lassen bewirkten nichts. Stattdessen senkte Myotismon seinen Kopf weiter zu ihr herab. Sein Atem roch nach dem Rotwein und nach der Luft, die die Wälder umgab, wenn diese ihr Blattwerk verloren hatten und vom goldenen Herbst in den kalten, weißen Winter wechselten.

„Du hast viel von Babamon gelernt und übernommen, wie ich sehe. Ich wette, tagsüber kümmerst du dich um die kleinen Baby-Digimon, studierst die Schriften und nachts stehst du draußen und kreist deine Arme unter dem Himmel, damit bloß niemand diesen Ort findet, genau wie sie damals. Oder kämpfst am Fuße des Berges zusammen mit deinen Schülern gegen feindliche Digimon, die dem Berg zu nahe kommen, damit sie nicht verraten können, wo euer Kaninchenbau ist. Nein, du wirst nicht kämpfen, so wie ich dich kenne. Du wirst sicher irgendwelche Zaubern kennen, die sie vergessen lassen, was sie erblickten und wieder wegschicken. Aber wie lange geht das wohl noch gut? Leider werden die Truppen der Meister der Dunkelheit mit jedem weiteren Tag größer, stärker und aggressiver. Ob ihr dem so lange standhalten könnt? Es wäre zu tragisch, würde den Kleinen etwas passieren.“

Bei dem Gedanken bebte Sanzomons Körper und ihre Fingernägel krallten sich in das Holz. Er wusste, was er sagen musste und er wusste ebenso, dass er damit Erfolg hatte.

Myotismon beugte sich noch weiter hinunter, noch näher, so erschreckend nah, dass gerade einmal ein Blatt zwischen ihnen beiden Platz gefunden hätte und Sanzomon nichts mehr sehen konnte, außer dem tiefen Blau in seinen Augen.

„Weil wir alte Freunde sind, komme ich dir etwas entgegen. Vorerst werde ich nur jene Räume betreten, denen du mir das auch gestattest. Grey Mountain verlassen werde ich wann und wie ich will. Zumindest nachts. Aber keine Sorge, ich bleibe in der Nähe. Ohne Sarg komme ich nicht allzu weit. Wo wir schon dabei sind, hätte ich gerne ein Zimmer für mich alleine. Möglichst dunkel.“

In ihrem Verstand versuchte Sanzomon irgendwelche bissigen Kommentare zusammen zu bekommen, um sie ihm mit einem ebenso scharfen Ton an den Kopf zu werfen, aber sie schaffte es nicht einmal einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Stattdessen biss sie sich auf ihre Unterlippe.

Die Kraft, die ihre Handgelenke festhielt ließ nach, doch mangelte es Sanzomon an eigener, um sich aus dem Griff zu befreien. Ihr ganzer Körper fühlte sich im Anblick dieses Digimon ohnmächtig an.

„Sollte ich bis zum Morgengrauen nicht zurück sein, kannst du dich beschweren, soviel du willst. Tagsüber bevorzuge ich es ohnehin zu ruhen. Die Sonne bekommt mir nicht, wie du dir denken kannst. Solltest du etwas von meinen Untergebenen wollen, geht das über mich.“

Er wäre ihr wohl noch näher gekommen, hätte nicht etwas an seinem Kragen aufgeblitzt. Der glänzende Stahl von Gokuwmons Stab und Sagomons Klinge kreuzten sich direkt an Myotismons Hals und ihm blieb nichts, als die ohnehin schon kaum vorhandene Distanz zwischen ihm und Sanzomon zu erweitern.

Das matte Licht, dass der Stahl reflektierte, holte Sanzomon aber in die Realität zurück und ihr war wieder klar geworden, dass sie gar nicht allein mit ihm gewesen war, sondern dass um sie herum viele Digimon standen, die auf den Ausgang dieses Gewitters warteten.

„Schön. Die unteren Etagen sind für dich und deine Diener frei begehbar. Sollten sie meinen Schülern oder den Kleinen etwas tun, werde ich mich allerdings ihrer annehmen und sie werden es bereuen, hier auch nur einen Fuß hinein gesetzt zu haben. Das gilt auch für dich.“

Endlich hatte ihre Stimme die Tonlage und die Lautstärke, die sie die ganze Zeit angestrebte, sie schaffte es sogar eine Hand freizubekommen. Myotismons Blicken auszuweichen fiel ihr schwerer, aber versuchte sich auf Phantomon und die Schar Geist-Digimon um und hinter ihm zu konzentrieren.

„Sie werden sich genauso an der Versorgung der Baby-Digimon beteiligen, als auch Lieferungen aus den Nachbardörfern besorgen, genau wie meine Schüler. Sie werden alle Digimon, die im und außerhalb der Mauern leben respektieren und achten. Und auch wenn du ihr König bist, bleibe ich die Schlossherrin. Was am Tag geschieht obliegt allein meiner Entscheidung und der meiner drei Schüler. Die Nacht gehört dafür euch, solange ihr euch an die Regeln haltet“, sagte sie, sehr bestimmt, sehr streng, dass ebenso ungewohnt war wie ihr emotionaler Aufschrei zuvor. Kurz schwieg Myotismon.

„Ihr habt gehört, was Sanzomon gesagt hat?“

„Jawohl, Meister Myotismon.“

Myotismon warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass jeder von ihnen auch mitgehört und auch verstanden hatte, was er gesagte, vielleicht auch um zu prüfen, ob irgendjemand von ihnen auch nur im geringsten den Anschein weckte, er würde sich darüber beschweren wollen, was aber keiner von ihnen tat. Dann wandt er sich wieder der erzürnten Sanzomon zu, die noch immer steif in ihrem Stuhl saß. Jedoch kam er ihr nicht mehr so nah wie zuvor. Gokuwmons Kampfstab direkt unter seinem Kinn zu spüren war wohl einer dieser Gründe, seinen typischen, zwielichtigen Gesichtsausdruck hatte es allerdings nicht beeinflusst.

„Zutritt zu Jijimons und Babamons Bibliothek erlaubst du mir sicherlich auch. Du kannst dir vorstellen, dass ich die Bücher sehr vermisste habe.“

„Du darfst die Bibliothek betreten. Die Bücher, die du lesen darfst wähle allerdings ich vorher aus. Sollte ich dich beim herumschnüffeln erwischen, hat dies schwerwiegende Konsequenzen für dich, alter Freund.“

Erneut sah sie, wie seine leichenblasse Fassade hinter seiner Maske wich und nicht nur Unmut und Ungeduld zum Vorschein kam, sondern Zorn. Darüber, dass sie es einfach wagte zu widersprechen. Wieder staute sich das Gewitter, nicht so groß und bedrohlich wie zuerst, aber genauso erdrückend und wieder starrten Myotismon und Sanzomon sich nur schweigend in die Augen.

Es war ein Machtkampf um die Oberhand und über das Schloss, dass selbst nur ein hübsch verziertes Puppenhaus war, aber unter sich etwas verbarg, dass man besser nicht an die Oberfläche tragen sollte. Nur war das hier ihre eigene Art diesen Kampf auszutragen, den Kampf um das Machtwort, den Myotismon nur von den triebhaften Dobermon kannte, die ihn so angewidert hatten und Sanzomon von den launischen Tinkermon, deren Sinn für Schadenfreude sie nie nachvollziehen konnte.

Nicht einmal ein Blinzeln riskierten sie und jeder um sie herum befürchtete schon, sie wären zu Stein erstarrt, doch es war schlicht der Drang, nicht als Erster ihren Blickkontakt zu unterbrechen und damit automatisch diesen Streit zu verlieren.

Es war Myotismon, der schließlich nachgab, weniger aber, weil er Sanzomon als Schlossherrin akzeptierte, sondern vielmehr aus einem anderem Grund, einem, der ihr jedoch noch nicht ersichtlich schien. Tsukaimon wäre lieber tot umgefallen, als sich das gefallen zu lassen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Myotismon anders war. Aber er lachte nur.

„Also gut. Alles was die ehrfürchtige Hohepriesterin wünscht. Vorerst.“

Sanzomon würde in den kommenden Tagen diesen von ihm so betonten Titel noch mehr hassen lernen, wie sie es in diesem Augenblick schon tat.

Der Sprung in die gedämpfte Helligkeit war kurz und ihre Augen taten weh, aber Sanzomon wagte es nicht sie nur ein einziges Mal zu oft oder zu lange zu schließen. Sie wagte es nicht einmal auf ihre Arme zu schauen, als sich Myotismons Gewicht vollständig von ihnen löste, aber sie konnte sich vorstellen, dass ihre Handgelenke rot verfärbt waren. Seine Statur vermochte es nicht zu erahnen, aber er besaß eine immense Kraft, wie Sanzomon zu spüren bekam.

Die Waffen von Gokuwmon und Sagomon lagen nun wieder ruhig und weniger drohend in ihren Händen und sie spürte Cho-Hakkaimons Hand auf ihrer Schulter. Myotismon beachtete keinen von ihnen mehr, sondern schien nur noch Augen für seine Untergebenen zu haben und doch hatte Sanzomon das Gefühl, er würde sie weiter beobachten, selbst wenn er ihr den Rücken kehrte.

„Ihr zieht euch zurück und sammelt eure Kräfte. Ab Morgen teile ich euch in Gruppen auf. Ein Teil wird Wache im Wald um Grey Mountain halten zusammen mit Phantomon. Eine Gruppe bleibt hier und hilft Sanzomons Dienern. Auch wenn ich euer alleiniger Herr bleibe, zollt ihr Sanzomon ebenso viel Respekt wie mir. Sollten mir Beschwerden zu Ohren kommen, werdet ihr dafür bestraft.“

Keine Widerworte. Kein Protest.

Sanzomon glaubte die Sistermon zu hören, vermutlich hatten sie den Krach mitbekommen und an der Türe gelauscht. Was sie gesagten, nachdem sie sich dann doch endlich trauten die Tür zu öffnen (eher Sistermon Noir hatte sich getraut, Sistermon Blanc stand immer noch, scheu wie sie eben war hinter ihr), hatte Sanzomon nicht verstanden, dafür waren ihre eigenen Gedanken und das Pochen in ihrem Kopf zu laut, aber die Bakemon und Soulmon waren ihnen nach draußen gefolgt. Myotismon bildete mit Phantomon das Schlusslicht, doch bevor er den Raum verließ, warf er einen letzten Blick auf Sanzomon. Sie hatte sich kaum bewegt, ihre Haltung war immer noch steif und ihr Funkeln in den Augen noch immer derselbe.

Sein hoher Kragen versperrte ihr zumindest den Blick in sein Gesicht, aber sie konnte sich vorstellen, wie er sie ansah. Sehr gut sogar.

Die große Holztür schloss sich fast von selbst, nachdem Phantom als letzter den Speisesaal verließ. Die Vier warteten, bis wirklich nichts mehr zu hören war und erst als sie sich sicher waren, dass keiner ihrer neuen Gäste noch mal zurückkommen würde, fingen alle vier gleichzeitig wieder an normal nach Luft zu holen.

Ächzend knieten Gokumon und Sagomon zu Boden und auch Sanzomon ließ sich in ihren Stuhl sinken. Als sie ausatmete, hatte sie das Gefühl um ein, zwei Zentner leichter geworden zu sein und nicht einmal dass ihre Krone ins Gesicht gerutscht war störte sie besonders.

Cho-Hakkaimon lehnte sich an Sanzomon Stuhl und schnappte so hastig nach Luft, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Unter ihrem Kostüm, mehr Fesseln als Kleidung, musste die warme Luft unerträglich sein.

„Meister Sanzomon. Ihr wisst, ich würde niemals eine Eurer Entscheidung hinterfragen. Aber glaubt Ihr wirklich, dass das gut geht?“

„Es ist einen Versuch wert“, antwortete sie Sagomon. Ihr Gesicht lag in ihrer Hand und sie konnte fast nicht glauben, wie fertig sie klang. Sagomon war aber auch der Einzige von ihnen, der sich wieder etwas fasste, während Gokuwmon und Cho-Hakkaimon noch dasaßen, als hätten sie den härtesten Kampf ihres Lebens hinter sich.

„Urteile niemals über ein Buch, ohne es gelesen zu haben. Jeder der Hilfe braucht, ist willkommen, egal woher er kommt oder was für ein Digimon er ist. Diese Digimon haben ebenso eine Chance verdient wie ihr drei.“

Beschämt blickten sich die drei Schüler an, oder zumindest schienen sie sehr nachdenklich.

„Ich zweifle nicht an den Bakemon oder Soulmon. Ihr etwa?“, fragte Sagomon Gokuwmon und Cho-Hakkaimon, beide schüttelten nur die Köpfe.

„Ich auch nicht“, begann Gokuwmon. Er hatte tatsächlich noch Restwein in seinem Glas gefunden und trank es so schnell aus, als ob er befürchten müsse jemand wolle es ihm wegnehmen.

„Die sind mir gleich und ich befürchte vor ihnen nichts. Mit Phantomon scheint man reden zu können. Selbst Devidramon sind kein Grund zur Sorge, wenn man ihnen klar macht, das man stärker ist als sie und sie keinen Hunger haben.“

Er fand weiteren Wein noch in einer der umgekippten Flasche mitten im diesen Chaos und goss sich reichlich nach. Ehe Gokuwmon aber selbst trank, reichte er erst Cho-Hakkaimon neben sich, dann Sanzomon und schließlich Sagomon, aber jeder von ihnen lehnte ab, erst dann nahm er selbst noch einmal einen großen Schluck.

Sanzomon sah sich dass von Myotismon hinterlassene Chaos an. Wenn Sirenmon das sah, würde sie durchdrehen.

„Ich zweifle einzig an ihm. Ihr wisst, was man über Digimon wie Myotismon erzählt, Meister.“

„Ich weiß es. Aber ich weiß, wie er ist. Ich kenne ihn seit er ein Rookie war. Er hat hier gelebt. Er hat die gleichen Dinge gelernt wie ich. Babamon hat sicherlich keine Digimon ausgebildet, die sie als gefährlich empfunden hätte.“

Wenn nur dieses Gerede von diesem Abgrund nicht gewesen wäre, hätte diese Entscheidung damals sich auch nicht so zweifelhaft angefühlt. Sie hatte es als Tinkermon nie verstanden. Tsukaimon sprach zwar davon, aber sie hatte sich nie erklären können, wie in einem Digimon ein Abgrund sein konnte, der dunkel, aber nicht leer war. Als sie ihm jedoch in die Augen sah, hatte sie es verstanden und es war beängstigend, aber irgendwo auch faszinierend. Ein Abgrund, gleich einem leeren Grab. Graben. Vergraben. Ausgraben. Sanzomon sah sich ihre Hände an und fragte sich ob dies Zufall war.

Sagomon begann Geschirr und Glas vom Boden aufzusammeln.

„Seid trotzdem vorsichtig, Meister Sanzomon. Wie er Euch angesehen hat gefiel mir gar nicht.“

„Er hat ja was Interessantes an sich", murmelte Cho-Hakkaimon vor sich hin. Wohl hatte sie, wie so oft an diesem Tag schon wieder nicht bemerkt, dass sie lauter sprach,wie es angemessener gewesen wäre. Gokuwmon und Sagomon zeigten in ihren Gesichtern Unverständnis.

„Aber Sagomon hat Recht. Die stillsten Wasser sind schließlich die Tiefsten und Stürmischsten.“

„Kein Wasser. Ein Abgrund.“

Die drei warteten, ob Sanzomon die Bedeutung dieser Allegorie noch erklären würde, doch nichts kam und sie ließen es dabei, dass ihre Worte sicher irgendwo eine Bedeutung hatten, die sie nur bisher, da sie eben Schüler waren nicht ganz erfassen konnten. Das oder Nachwehen von Babamons Nonsens.

„Aber ihr habt Mut bewiesen, Meister“, sagte Gokuwmon. Der Wein zeigte Wirkung, er klang ruhiger.

„Nicht jeder hätte eine solche Entscheidung getroffen und noch genug Mumm gehabt, sich mit einem solchen Digimon so zu messen.“

„Ich weiß nicht, ob gerade das so gut war. Er stimmte zwar zu, aber begeistert war er nicht.“

Sanzomon schnaufte einmal auf, aber gleichzeitig fuhr ein leises Lachen aus ihrer Kehle.

Mut.

Vielleicht war das doch nicht so ein Fehler gewesen. Vielleicht würde sie es in dieser Nacht schaffen.

Sirenmon betrat den Speisesaal von der Tür aus, die hinter Sanzomon lag und ebenso zur Speisekammer führte und wie sie befürchtet hatte, schrie sie bei diesem Durcheinander sofort auf und ließ eine Schimpftriade im Kanon los.

Sanzomon würde in dieser Nacht auch nicht schlafen, da war sie sich sicher, dafür machte sie sich über ihre Gäste zu viele Gedanken. Und ob das gut gehen würde.

Es ging gut. Vorerst.

 
 


 

„Sanzomon! Wir müssen reden.“

Es war Neumond gewesen, als Myotismon mit seiner Anhängerschaft auf Grey Mountain aufgetaucht war und wenn man es optimistisch sah, ging es wirklich gut. Nun war der Neumond wieder dabei an Fülle zuzulegen und das Durcheinander war geringer, wie Sanzomon geschätzt hätte, was nicht hieß, dass es nicht existierte.

Eigentlich sah man Myotismon nur am frühen Abend und am frühen Morgen, damit er so wenig wie möglich etwas von der Sonne abbekam. So ungewöhnlicher war es, ihn bei bereits angebrochenem Tage zu sehen.

In den frühen Morgenstunden traf sich Sanzomon mit Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon zum Unterricht, auch immer kurz vor Sonnenuntergang. Unterhalb des Schlosses flossen Wasserströme durch ganz Grey Mountain, nur an wenigen Stellen trat das Wasser in Form von Flüssen und Teichen (und den ein oder anderen mittelgroßen See) nach oben. Gar nicht so weit weg vom Schloss auch fand sich eine gute Stelle, die sich dafür eigneten in Ruhe ihre Sutras zusprechen und ihre eigenen Lehren und Gedanken ihren Schülern zu übermitteln und sie sich im Geiste einzuverleiben. Oder auch zusammengefasst könnt man sagen, dass Sanzomon, dass was ihr durch den Kopf ging – mal mehr philosophisch, mal mehr politisch - kund tat und ihre Schüler dies aufnahmen. Was sie mit diesem geistigen Gut taten blieb ihnen überlassen, doch sollte diese Entscheidung weise sein. Darum saßen sie auch hier. Um sich Gedanken zu machen. Sich klar zu sein, wer man man war und was man wollte.

Unter dem eiskalten Wasserfallen eines solchen Teiches saßen die vier Digimon und meditierten, meist nicht lange – die Arbeit rief – aber sie hatten auch schon ganze Tage dort gesessen. Wenn jemand sprach, dann nur Sanzomon.

Sie öffnete die Augen als Erste und Einzige. Myotismon stand am Rande des Teiches, zu seiner linken ein Soulmon, zu seiner rechten ein Bakemon, dass einen großen, schwarzen Sonnenschirm hielt. Auch wenn die Nebelwand dick war, an sehr sonnigen Tagen ragten vereinzelte Lichtstrahlen hindurch. Für die Pflanzen eine willkommene Abwechslung, Myotismon hingegen konnte gut darauf verzichten.

Myotismon sah verstimmt aus, so schenkte Sanzomon es sich zu fragen was sein Anliegen war, sondern stand gleich auf. Ihre Schüler hoben ihre Köpfe nicht, öffneten nur die Augen, um ihrem Meister nachschauen zu können. Als sie diese zu sich winkte, standen sie auf.

„Ich wünsche auch dir einen Guten Morgen“, begann Sanzomon, Myotismons Laune ignorierend, während sie durch das Wasser lief. Sagomon, als ein auf einen Wasser-Dämon basierendes Digimon machte der Widerstand des Wassers kaum etwas aus, daher war er auch der Erste, der am Ufer ankam und schließlich Sanzomon und Cho-Hakkaimon beim herausgehen half, indem er ihnen die Hand reichte.

Nun am Ufer angelangt sah Sanzomon auch Sirenmon etwas abseits stehen und sie wirkte eingeschüchtert. Nicht wunderlich, Myotismon mochte Sirenmon nicht, beziehungsweise ihren Gesang. Wenn Sanzomon ihm zwar sagte, er soll es bitte unterlassen ihrer Köchin Angst einzujagen und sie singen lassen, hatte Sanzomon ihr ebenfalls geraten, sich damit zurückzuhalten, zumindest wenn er in der Nähe war.

„Er wollte wissen, wo er Euch finden kann, also habe ich ihn hierher geführt. Verzeiht die Störung, Sanzomon“, erklärte Sirenmon und verbeugte sich leicht.

„Du musst dich nicht rechtfertigen, Sirenmon. Und was kann ich für dich tun, zu so früher Stunde?“

Vor Myotismon stehend – er war ein Kopf größer als sie, Sanzomon musste ihren eigenen leicht in den Nacken legen um ihn überhaupt anschauen zu können - und umringt von ihren drei Schülern und Sirenmon wartete sie ab. Schweigen herrschte zwischen beiden, dann aber sprach er das Soulmon an, dass die ganze Zeit unbeteiligt neben ihm schwebte.

„Zeig es ihr.“

„Muss ich, Meister?“

„Ja!“

Soulmon nahm, wenn auch etwas widerwillig seinen spitzen, schwarzen Hut ab. Neben seinem Gesicht, dass haargenau aussah wie das eines jeden Bakemon, offenbarte es auch das Innere des Hutes. Darin bewegte sich etwas, etwas glänzendes und graues. Knopfaugen richteten sich auf die gespannte Meute, dann ragten drei Köpfe kleiner, junger Choromon aus dem Hut.

„Oh, da habt ihr euch also verkrochen“, sagte Cho-Hakkaimon ganz überrascht.

„Also wirklich, man verkriecht sich nicht unter die Hüte fremder Digimon. Das ist nicht höflich!“ schimpfte Sirenmon, die Federn an ihrem Kragen bauschten sich vor Aufregung auf.

„Ja, seid so gut und kommt da bitte wieder raus. Soulmon ist das unangenehm“, sagte Sanzomon. Die drei Choromon sahen erst sie, dann Soulmon an, dem das mehr wie unangenehm zu sein schien. Ohne den Hut auf den Kopf fühlte es sich irgendwie entblößt. Fiepend sprangen die drei Baby-Digimon aus dem Spitzhut, krabbelten auf dem Boden entlang und an Sanzomons Gewand hoch, um es sich auf ihrem Arm bequem zu machen.

Schnell zog Soulmon seinen Hut an und atmete erleichtert auf, zumindest bis es seinen Meister ansah. Myotismon schien immer noch nicht erfreut.

„Haben alle deine Findelkinder diese schreckliche Angewohnheit?“, fragte er abfällig. Die Choromon spürten, trotz ihres noch mangelhaften ausgeprägten Intellekts, dass dies ihnen galt. Sie fuhren zusammen, bis Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon jeweils einem über den Kopf tätschelten und Sanzomons Arme sich enger um sie legten.

„Sie meinten es nicht böse. Ich denke, du bist mit der gesellschaftlichen Lage ebenso vertraut wie ich und kannst dir denken, woher diese Digimon stammten“, erklärte Sanzomon. Myotismon sagte nichts, aber er kannte die Antwort. Sanzomon hatte sie gefunden, wie sie ihn schon gefunden hatte. Nur dass diese Digimon nicht einfach da waren, wie er damals, sondern eine Geschichte hinter sich hatten.

„Wenn sie trotz allem, was ihnen zugestoßen ist so viel Nähe zu anderen Digimon suchen, finde ich, sollte man das auch nicht unterbinden. Ihnen so viel Vertrauen zu geben, dass sie selbst überhaupt vertrauen können hat lange gedauert.“

„Meine Truppen sind Soldaten, keine Babysitter“, entgegnete er scharf. „Und zu einer Erziehung gehört auch, Digimon klar zu machen, dass sich eine gewisse Distanz gehört man und sich nicht an jeden Rockzipfel hängt, der einen freundlichen Ton übrig hat. Baby-Digimon hin oder her.“

Wieder zuckten die Choromon kurz und Sirenmon flog auf Gokuwmons Schultern, um so näher bei ihnen zu sein. Mit einer sachten Bewegung eines Flügels, gestikulierte sie den drei Baby-Digimon, dass alles gut sei und ruhig bleiben sollten. Es gelang, nicht zuletzt, da sie ja auch bei Sanzomon waren. Und bei Sanzomon waren sie sicher. Das hatten sie nach langer Zeit auch gelernt.

„Es war aber vereinbart, dass deine Truppen sich nicht nur den Regeln, sondern auch den Pflichten und den Aufgaben innerhalb des Schlosses widmen.“

„Und meine Aufgabe und die meiner Truppen war, dass wir nachts das Schloss, die Berge und den anliegenden Wald vor Feinden bewahren, damit ihr seelenruhig schlafen könnt. Oder erwartest du etwa, dass ich auch noch ein Auge auf deine Schar Baby-Digimon werfe und mich um sie kümmere?“

Man sah Gokuwmon, Cho-Hakkaimon, Sagomon und auch Sirenmon an, dass sie versuchten sich genau das vorzustellen. Da dies aber zu absurd und vor allem gruselig war, warfen sie diesen Gedanken schnell in ihren mentalen Papierkorb.

„Das erwarte ich weder von dir, noch von Phantomon. Du als König und er als dein Hauptmann haben sicherlich genug andere Dinge zu erledigen“, sprach Sanzomon weiter ruhig. Oder eher klang sie so, ihr Rücken war hingegen steif und die Haltung gezwungen. Vor Myotismon zu stehen und ihn so lange anzusehen machte sie nervös. Mit jedem Tag mehr.

„Aber die Bakemon und Soulmon werden zumindest kurz vor ihrem Dienstantritt den Kleinen etwas Zeit schenken können. Wir sind alle an der Sicherheit wie auch an der Entwicklung dieser Digimon beteiligt. Außerdem mögen sie deine Truppen, was also spricht dagegen? So können sie auch lernen, wie man sich Geist-Digimon gegenüber verhält und sie nicht wie einen Fehler oder eine Krankheit behandelt, wie es heutzutage immer noch zu viele Digimon bevorzugen. Wäre das nicht auch in deinem Interesse?“

„Mögen?“, wiederholte das Soulmon überaus ungläubig und unterbrach Sanzomon dabei erstaunt.

„Ja, die Kleinensind ganz verrückt nach euch“, antwortete Gokuwmon. „Merkt ihr das nicht?“

„Vielleicht erinnert ihr sie an Bettlaken. Sie haben vielleicht nie Geist-Digimon gesehen und halten euch für eine Decke, in der man sich verstecken und schlafen kann“, schlussfolgerte Sagomon.

„Aber wir sind Geist-Digimon. Die meisten Digimon haben Angst vor uns.“

„Tja, wie es aussieht, stört die Kleinen das herzlich wenig“, sagte nun Sirenmon, aber Soulmon schien das immer noch kaum zu glauben. Es sah die drei Choromon an und sie Soulmon, gespannt und achtsam, aber nicht ängstlich. Ganz perplex wandte es sich an das Bakemon, dass die ganze Zeit Myotismons Sonnenschirm hielt und sich bisher an dieser Konversation nicht beteiligte.

„Die sagen, die mögen uns.“

„Die mögen uns? Sicher?“, fragte das Bakemon selbst ganz erstaunt, dann sahen beide Myotismon an. „Meister, habt Ihr gehört? Die mögen uns.“

„Ich habe es gehört“, antwortete Myotismon unbeeindruckt. Dann drehte sich Soulmon zu den Bäumen und nun merkten Sanzomon und die anderen auch, dass zwischen den Bäumen Phantomon war, der darauf wartete, dass sie ihre Diskussion zu Ende bringen würden.

„Phantomon, hast du gehört? Die mögen uns!“

„Wir haben es alle mitbekommen!“, rief er ein wenig genervt zurück. „Seid ihr jetzt fertig? Es ist schon lange hell.“

Soulmon, nun mehr wie nur zufrieden schwebte direkt zu Phantomon. Bakemon hielt noch kurz inne, auf seinen Meister wartend, aber da der Nebel sich weiter verdichtete und nun weniger Licht auf die Erde fiel signalisierte Myotismon ihm mit einem kurzen Handzeichen, dass es fürs erste von seinem Dienst befreit war, dann schwebte es Soulmon nach, ehe er sich noch einmal Sanzomon widmete.

„Ich bin damit alles andere als einverstanden, damit du es weißt.“

„Es war Teil der Abmachung. Wir sorgen gerne dafür, dass du und deine Truppen bekommen, was ihr für euer Wohlergehen benötigt. Dafür müsst ihr euch aber genauso in unseren Alltag integrieren.“

„Wie überraschend diplomatisch und fordernd von dir.“

Ein kurzes, tiefes Lachen. Sanzomon wurde noch nervöser und sie wusste nicht einmal wirklich warum, aber alle Digimon um sie herum schienen es regelrecht zu riechen, dass sie sich Unbehagen vor kam. Schon wie Myotismon einen Schritt näher auf sie zuging, rückten Gokuwmon, mit Sirenmon auf der Schulter sitzend, Cho-Hakkaimon und Sagomon näher an ihren nervösen Meister.

„Kein Vergleich mehr zu früher.“

„Wir entwickeln uns eben alle irgendwann einmal...“, antwortete sie. Sanzomon fuhr sich unter ihrem Halstuch über die Lippen. Ihr Mund, ihr ganzer Hals fühlte sich trocken an.

„Ich frage mich ja, wie aus so einem kleinen, schüchternen Digimon so etwas werden konnte,“ sagte Myotismon, grinsend und Sanzomon war nun nicht nur nervös, sondern wie erstarrt. Sie bemerkte, dass er sie von Kopf bis Fuß eindringlich musterte, aber konnte nicht sagen, was ihm durch den Kopf ging. Sie würde gerne wegschauen, traute sich dies aber nicht. Das konnte sie sich nicht erlauben. Und doch keimte ein Funken Freude in ihr auf. Kein Vergleich zu früher. Sie war nicht wie früher und es war ihm aufgefallen. In seinen Augen war sie verändert, kein Vergleich zu damals. Damals, als er nichts mit ihr zu tun haben wollte…

Myotismon schaute über seine Schultern. Phantomon stand mit dem Bakemon und dem Soulmon unter dem Schatten der Bäume und warteten darauf, wieder gehen zu können. Der Morgen war längst angebrochen und normalerweise schliefen die Geist-Digimon um diese Zeit bereits, nachdem sie ihre Nachtschicht hinter sich gebracht hatten.

„Ich würde ja gerne länger hier verweilen, aber mein Gefolge wirkt sichtlich ungeduldig.“

„Sag mir nur noch, ob in der Nacht irgendetwas vorgefallen ist.“

„Das können wir beide gerne bereden.“

Kaum dass er das sagte, verschwanden seine Hände hinter dem Rücken und beugte sich leicht zu ihr hinunter. Sanzomon musste zwar nicht mehr so weit hochschauen, dafür hatte sie an Distanz eingebüßt. Die drei Choromon spürten, welch Unbehagen es Sanzomon bereitete, Myotismon so direkt anzuschauen. Vielleicht war es auch seine unheimliche Aura, die die drei Baby-Digimon ebenso nervös machte. Er besaß eine Art an sich, absolut überzeugt von sich, die man selten antraf.

„Du kannst mich gerne zurück ins Schloss begleiten, dann können wir beide alles allein und in Ruhe besprechen, ehrfürchtige Hohepriesterin.“

„Alleine? Warum?“, sagte Sanzomon und sie erschrak selbst darüber, wie sie es ausgesprochen hatte (die Bemerkung, dass sie diesen Titel nicht leiden konnte hatte sie mit ihrer Empörung vergessen). Und sie hoffte, man sah nicht wie ihre Lippen unter ihrem roten Halstuch zitterten. Sie glaubte sogar, Myotismon war ihr näher gekommen.

Gokuwmon war schließlich derjenige, der den Abstand zwischen ihnen vergrößerte, indem er Sanzomon an den Schultern berührte und sachte wegschob.

„Wenn Ihr so viel zu berichten habt, könnt Ihr das auch hier machen“, sagte er und so argwöhnisch Gokuwmon ihn anfunkelte, so sah Myotismon auch ihn an. Er würdigte Gokuwmon schließlich nicht einmal mehr eines Blickes, sondern konzentrierte sich nur auf Sanzomon.

„Pardon, aber ich rede nicht mit Fußvolk.“

„Du wirst es aber nicht vermeiden können“, fügte Sanzomon hinzu, diesmal gefasster. „Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon sind als meine Schüler meine direkten Vertreter. Sollte ich verhindert sein, so sind sie der nächste Ansprechpartner. Alles was im und um das Schloss passiert verwalten sie ebenso wie ich. Wenn du also etwas zu berichten hast, gehen diese Informationen auch an sie.“

Von dem charismatischen Lächeln war nichts mehr zu sehen. Stattdessen starrte er Sanzomons Schüler an, die noch näher an ihren Meister traten.

„Ja, erzählt. Wir sind ganz Ohr“, lachte Cho-Hakkaimon und es war viel zu offensichtlich, dass sie es, genau wie Gokuwmon (Sagomon eher weniger) genoss, wie Myotismons Gesicht immer weiter entgleiste. Zuletzt blieb er wieder an Sanzomon hängen.

„Die Nacht war ruhig“, sagte er zwar gefasst, aber da war nicht die Ruhe dahinter, die er sonst besaß. Er war wütend und mit diesem überaus schnippischen Kommentar machte er sich schließlich auf zu gehen. Doch kaum unter der Sicherheit der kühlen Schatten, drehte er sich noch einmal zu der Truppe um. Gokuwmons Arm lag lässig auf Sanzomons Schulter, Cho-Hakkaimon lehnte sich an sie und grinste wie ihr Freund schelmisch. Sagomon hingegen fühlte sich von ihrem provokanten Posieren eher peinlich berührt. Myotismon ignorierte es, sah nur Sanzomon an, die Choromon und dann wieder sie.

„Wehe dem, ich finde eines davon in meinem Sarg.“

„Keine Sorge. Sie sind nur neugierig, nicht lebensmüde“, rief Cho-Hakkaimon ihm zu, was ihr einen Schubs von Sagomon bescherte und ein mahnendes Kopfschütteln von Sanzomon.

„Er ist wirklich ein Herzblatt“, grummelte Gokuwmon, ohne dabei Myotismon aus den Augen zu lassen, der zielstrebig auf die Schatten der Bäume und damit zu Phantomon, Bakemon und Soulmon gingen. Sie verschwanden nicht sofort, sondern beredeten etwas, was aber von den anderen keiner aufgrund der Ferne hätte hören können.

„Könntet ihr bitte aufhören Öl ins Feuer zu gießen?“, flüsterte Sanzomon Gokuwmon und Cho-Hakkaimon zu. „Vor allem du, Gokuwmon? Ich sehe dir an, dass du ihn nicht magst.“

„Wir machen nur Spaß. Ihr wisst, hier macht sich doch jeder über jeden ein wenig lustig. Niemand meint die Streitereien und Seitenhiebe wirkt ernst“, entgegnete Cho-Hakkaimon und winkte die Vorwürfe mit beiden Händen ab.

„Ja, aber das sollte ihm auch vorher jemand sagen. Zudem bezweifle ich, dass er euren Humor teilt, so wie ich ihn kenne.“

„Er war schon früher so… allerliebst, Meister?“, fragte Sagomon und Sanzomon wollte erst nicht glauben, dass er nun auch noch auf diesen Zug aufsprang.

„Weniger“, sagte Sanzomon und schnaufte. „Er war früher etwas griesgrämiger.“

„Noch mehr?“, fragte Sirenmon mit weit aufgerissenen Augen. „Und was noch?“

„Nichts weiter. Einfach anders eben.“

„Anders? Was heißt anders, Sanzomon?“

„Eben anders. Anders wie andere Digimon. Auch nicht wie wir. Er ist eben, wie er ist. Das macht ihn schwierig, aber gleichzeitig irgendwie... interessant.“

Die fragenden Gesichtszüge blieben. Unbemerkt blieb, wie Cho-Hakkaimon erst ihren Meister ansah, kurz zu Myotismon hinüber lugte, der mit Phantomon sprach und dann wieder zu Sanzomon, während diese sich immer noch Gedanken machte. Darüber, wie ein Digimon wie Tsukaimon zu so einem Digimon wie Myotismon werden konnte. Wie viel von dem Tsukaimon, dass sie kannte noch da war oder ob er alles abgelegt hatte. Nun, alles vermutlich nicht, sonst hätte sie ihn nicht so schnell wiedererkannt. Wie sein Blick zum Beispiel. Und andere Dinge vielleicht. Dachte er noch genauso wie früher? Bestimmt. Ob sich seine Welt der Gedanken vergrößert hatte nach all der Zeit? Und wie und in welche Richtung?

Zu gerne würde Sanzomon es wissen, wie viel Altes und was an Neuem dazugekommen war. Ob er immer noch dieses Digimon war, dass sie stets wegschubste, andererseits ihr erlaubte, mit ihm in einem Bett zu liegen und nie von ihr wich. Er war eben immer eigen gewesen. Aber gerade wegen dieser Art fühlte sie sich schon damals zu ihm hingezogen.

„Gehen wir?“, sagte Sirenmon.

„Oh ja, ich sterbe vor Hunger“, stöhnte Cho-Hakkaimon. „Wer ist eigentlich heute mit den Feldarbeiten dran?“

„Ich bin an der Reihe“, antwortete Sagomon und streckte sich. „Die Ausbildungs-Digimon warten sicher schon, dass ich mit ihnen losgehe.“

„Du kannst eben gut mit den Kleinen.“

„Ich bin es nur gewohnt eine tobende Menge in Zaun zu halten“, antwortete Sagomon Gokuwmon. Man hatte seinen Schnabel kurz klappern hören.

Die Digimon folgten Sirenmon schließlich kommentarlos, nur Sanzomon lief sehr langsam und warf einen Blick zurück. Zurück zu den untoten Digimon, die noch immer im Schutz des Schattens standen. Zurück zu Myotismon, den sie nur von der Seite sah und während sie sein humanoides Gesicht analysierte, fragte sie sich die gleichen Fragen erneut. Dann stockte ihren Gedanken, als Sanzomon merkte, dass sie abgedriftet waren, in dem Moment als sie sich selbst fragte – weiter Myotismon anstarrend – wie sich seine Haut, anstelle des kurzen Fells von früher anfühlte. Dazu die Erinnerung an die Nächte, die sie nebeneinander gelegen hatten und plötzlich fühlte sich das mehr wie nur peinlich und unangemessen an. Irgendwo in ihrem Gedächtnis hörte sie Babamon, die Sanzomons Anstand hinterfragte und sie ausschimpfte. Damals konnte sie diese Predigt nicht ganz nachvollziehen, waren sie doch Freunde und die anderen jüngeren Digimon lag doch auch immer in Gruppen zusammen, wenn sie einsam waren. Nun aber, wo sie darüber nachdachte kam ihr Babamons Kritik mehr als berechtigt vor. Und doch sehnte sie sich an diese Abende zurück.

Sanzomon beschleunigte ihr Tempo, als die drei Choromon in ihren Armen fiepten, bis sie zwischen Sagomon und Gokuwmon herlief.

„Ist alles in Ordnung, Meister?“

„Ja. Mir geht es blendend. Keine Sorge“, antwortete Sanzomon Gokuwmon, ohne ihn dabei aber anzusehen. Die Skepsis keimte in ihren Schülern auf. Die Wortwahl und der Ton verrieten schon, dass nicht alles in Ordnung war. Sanzomon hoffte nur, dass Myotismon nicht bemerkt hatte, wie sie ihn geistesabwesend angestarrt hatte.

Sie hatte Pech. Er hatte es bemerkt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
An der Stelle sei vorneweg gleich gesagt, dass eine Digitationslinie von Tinkermon zu Sanzomon nicht im Canon möglich ist (Tinkermon hat so wie ich das herausgefunden habe bisher gar keine Digitationslinie). Die bisher aber einzige bekannte Digitationslinie für Sanzomon wäre über Gatomon.
Ich denke, ich muss nicht erklären auf wie vielen Ebenen das absolut falsch wäre und... Nein. Einfach nein. Daher hab mich für eine andere Digitationsreihe entschieden. Komplett anzeigen

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