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Wintersonett

Which dreamed it?
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
[UPDATE 11.1.20]
Abschnitt # bis 𝅗𝅥 ist gänzlich neu.

Einige Sätze des Folgeabschnitts sind etwas umgeändert. Komplett anzeigen

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Konzert III - WILD FLOWERS, 2. Satz, Allegro molto E-Dur


 

𝄡
 

Der Mond war voll und rund, als eines der drei Butterflymon Hilfe schreiend zu Boden gingen. Der Ewige Wald war jedoch großflächig und sie waren fern aller Stützpunkte. Sie waren zwar zu dritt, doch gegen mehrere Mekanorimon und Guardromon hatten sie keine Chance. Eines, das versuchte zu fliehen wurde im Flug abgeschossen und fiel neben seine Kameraden ins Gras.

„Hey, hey, sachte, ja?“, rief ein Goblinmon und kletterte aus einem der Mekanorimon. „Hört auf, auf die Flügel zu schießen. Beschädigte Ware lässt sich schwer verkaufen.“

„Ihr als Maschinen-Digimon müsstet das doch hinkriegen“, meckerte ein weiteres Goblinmon, dass eine Augenklappe trug und aus einem anderem Mekanorimon herauskletterte.

„Ihr sagtet nicht, dass wir nicht auf die Flügel schießen sollen“, erklärte eines der Guardomon ohne jede Emotion oder Verständnis in der Stimme.

„Is’ das nicht klar, wenn wir euch zum Beutezug mieten?“

„Es stand nicht explizit im Vertrag.“

„Ach, wie auch immer.“

Das Goblinmon mit der Augenklappe spuckte ins Gras und ließ die Maschinen-Digimon stehen. Es griff nach einem der weißen Flügel eines der geschwächten Butterflymon, das schmerzhaft ächzte. Der Vollmond erhellte die Nacht, die Flügel erschienen durchsichtig, ihre Muster funkelten wie eine Geode voller Amethyste im Inneren.

„Das gibt ordentlich Kohle auf 'm Schwarzmarkt“, freute sich das Goblinmon mit der Augenklappe. Mit einem Pfiff rief es zwei Tekkamon her. Ihr Gesicht grinste breit vor Freude auf diese wertvolle Beute. Ihre Dolche waren lang, breit und scharf. Die Butterflymon versuchten noch einen Fluchtversuch Anbetracht ihres tödlichen Schicksals, dass sie früher oder später ohne Flügel ereilen würde, doch waren zu schwach. Sie konnte nicht mehr. Es war vorbei.

Schatten bewegten sich zwischen den Bäumen. Etwas großes streifte durch die Hecken, aber das konnte nicht sein, so etwas Riesiges würde man hören oder die Erde beben spüren. Und doch sprang wie aus dem Nichts ein Ungetüm aus den Büschen und Sträuchern, lautlos, aber schnell. Es schnappte nach den Tekkamon, Goblinmon ließ beim Angriff Butterflymon los und wurde weggeschleudert. Die Butterflymon hielten das Ungetüm, dass die Tekkamon zermalmte wie Kaubonbons zuerst für ein Devidramon, aber es sah zu hundeartig aus, war aber kein Digimon.

„Scannen. Scannen. Unbekannt. Ziel Unbekannt. Scannen. Ziel erfasst. Roter Laser!

Die beiden Mekanorimon trafen das unbekannte Monstrum frontal, es rannte auch nicht fort, ließ sich treffen und löste sich damit auf, jedoch nicht in Daten. Es zerfiel in schwarze Flammen, die in den Himmel aufstiegen, die schrille Laute von sich gaben und über den verwirrten Digimon in alle Richtungen flogen und sie zu verspotten schienen.

„Fledermäuse?!“, riefen die Goblinmon erstaunt auf. Die schwarze Schar flog über ihnen und keiner der Mekanorimon oder der Guardomon konnte sie ins Visier nehmen. Es waren zu viele, sie waren viel zu schnell und in der Dunkelheit verschmolzen diese zahllosen Tiere zu einer einzigen Masse.

„J-J-Jetzt steht doch nicht rum und schießt!“, befahlen die Goblinmon, also schossen die Guardomon und Mekanorimon, wenn sie auch nicht wussten auf was oder wohin, aber Befehl war Befehl. Ein Guardomon schoss Raketen auf den Fledermaus-Schwarm, doch die Geschosse erreichten nicht einmal die Höhe der Baumkronen, als sie stattdessen einen großen Bogen zogen und wieder hinunterrasten. Beide Geschosse peilten nun die Mekanorimon an und ehe die Digimon wussten, was sie tun sollten, überfordert mit solch einen Manöver und für dessen Fall sie nichts in ihrer Datenbank besaßen, traf je eine Rakete mitten ins Auge im Rumpf der beiden Maschinen-Digimon und explodierten. Die Explosion war klein, sie genügte aber um alles Innere der Maschinen zu zerstören und mit dem Zusammenbruch aller Schaltkreise und Betriebssysteme dauerte es nur Sekunden, bis auch die Mekanorimon in Einzelteile zersprangen und sich auflösten.

Die Goblinmon und Butterflymon waren regelrecht zu Stein erstarrt über das was geschah und dem Fehlen jeder Ursache für dies alles, nur die Guardomon suchten im Rauch nach etwas, das verriet, was sie angriff. Doch nichts, mehrmaliges Scannen der Umgebung, noch die Wärmebildsicht ließ sie etwas erkennen. Die Rauchschwarten spielten ihnen Streiche und sie wirkte lebendig, erdrückend, schien sie zu umzingeln. Der Rauch hatte ein System, ein System dass für eine Maschine wie ihn zu berechnen war und fand das Zentrum dessen.

Granate!“, rief es, doch es konnte nicht einmal die Rakete zünden. Guardomon sah nur rotes Licht, dann verlor es beide Arme.

Gruselflügel!“

Die am Himmel kreisenden Fledermäuse, zu einer finsteren undefinierbaren Einheit wieder verschmolzen attackierten beide Guardomon. Obwohl sie doch so kleine Tiere waren, einzeln kaum stark genug um einen Stein zu heben, waren ihre Zähne dafür scharf und rissen Löcher in das Metall der Blechkörper, bis sie auch die Kabel zerbissen. Die beiden Maschinen-Digimon prallten gegen dicke Bäume und blieben liegen.

Der Rauch verzog sich schlagartig, verkroch sich ins Unterholz und wie ein zur Seite geschobener Vorhang gab er die Bühne für Myotismon frei.

Nur flüchtig widmete er sich den Guardomon. Sie lösten sich noch nicht auf, aber bald würde ihr System zusammenbrechen. Sie waren keine Gefahr mehr, die Goblinmon schon gar nicht. Sie erschaudernden bei seinem Anblick. Bibbernd saßen die beiden Goblinmon da, konnten ihren Augen nicht trauen und schrien auf, als sie feststellen mussten dass Myotismon nun sie ins Visier nahm. Um ihr Leben bangend kauerten sie im Gras, zwar nicht wissend, was das für ein Digimon war, sich aber sicher Legend und Gerüchte über solche wie ihn gehört zu haben, als sie die langen Zähne sahen.

„Bitte… tut uns nichts…“, winselte eines der beiden Goblinmon. „W-W-Wir wollten nur Geld. Wir wollten nur abhängig von den Meistern der Dunkelheit Geld verdienen.“

„Und wandert mit ihren Truppen herum? Was für eine erbärmliche Form der Unabhängigkeit soll das sein?“

Weiter wollten die Goblinmon sich verteidigen, aber angesichts Myotismons und der Tatsache, dass er sie sicherlich umbringen würde und sie nichts dagegen tun konnten blieben ihnen die Worte aus. Die Albtraumkralle erschien in Myotismons Händen, ihr Licht warf blutrote Flammen in seine eiskalten Augen. Er war sich nur noch unschlüssig wie er es tat. Schnell am besten, nur beide auf einmal, oder einen nach dem anderen?

Myotismon überlegte, konnte sich aber nicht konzentrieren, denn da war dieses Piepen im Ohr, was für ein entsetzlicher Ton, der immer lauter und lauter wurde, wie grässlich, was -

Maschinen-Digimon hatten die besondere Eigenschaft, nicht nur sonderlich robust zu sein, sondern konnten auch sehr lange überleben, auch wenn ihre Daten schon so weit beschädigt waren, dass jedes andere Digimon längst dahingeschieden wäre. Es gehörte viel dazu ein Maschinen-Digimon zu vernichten. Ws konnte lange dauern, bis ihr Betriebssystem endgültig den Geist aufgab. Oft aber rafften sich ihre Schaltkreise noch einmal auf, so wie dieses Guardomon es noch tat und obwohl nur noch ein Auge funktionierte und dabei flackerte, führte es seinen Auftrag weiter aus und wie Myotismon feststellte, kamen diese schrecklichen Geräusche von diesem Digimon.

„-nnen… Scannen… Scannen... Code erkannt. Code 709, Schneewittchen - senden. Code 709, Schneewittchen - senden. Lokalisierung erfasst. Bericht erstellen. Code 709, Schneewi-“

Ein sauberer Schlag mit Myotismons Albtraumkralle trennte den Oberkörper des Guardomon von seinem Beinen. Die untere Hälfte löste sich sofort auf, der Torso überschlug sich mehrmals in der der Luft, knallte auf den harten Boden, ließ es Schrauben, Zahnräder und Daten regnen, dann erst verschwand er im Nichts.

Ein fast tonloses Aufatmen entwich aus Myotismons Kehle. Und keine Sekunde zu spät, wie er auch erkannte. Es dürften keine Daten versendet worden sein, zumindest nicht ausreichend. Der Ewige Wald war zu weit vom nächsten Stützpunkt der Meister der Dunkelheit entfernt.

Sein nächster Schritt war es gewesen, dass die Goblinmon selbiges Schicksal ereilen sollte, doch sah Myotismon im Augenwinkel die Butterflymon, die angesichts solch einer Kraft und Geschwindigkeit fast noch mehr schlotterten, als die Goblinmon, die wesentlich mehr Sorge hatten um ihr Leben zu bangen. Normalerweise wäre ihm dies gleichgültig, doch in Anbetracht dessen, dass hier das wenige Vertrauen auf dem Spiel stand, dass er sich hat aufbauen können unter den Digimon des Waldes, entschied er sich dagegen diese Digimon zu töten. Sie schienen nicht wie Soldaten der Meister der Dunkelheit, nur Mitläufer ohne jedes Rückgrat.

„Haut ab. Wenn ihr auch nur einen Ton über das hier verliert, werde ich euch finden, selbst wenn ihr an den Rand der Digiwelt flüchtet und werde euch häuten, nachdem ich euch aufgespießt habe. Habt ihr verstanden?“

Nicht einmal zu nicken trauten sich die beiden Goblinmon. Bis sie es schafften sich aus der Starre zu lösen, den Kopf zu sinken und wieder anzuheben verging viel Zeit. Dafür sprangen sie ruckartig und fast problemlos auf und rannten in regelrechter Todesangst davon. Myotismon konnte ihnen nur verächtlich hinterher sehen, aber es sollte Wirkung erzielt haben. Sanzomon pflegte einen harmloseren Umgang mit solchen Digimon, indem sie ihren Willen brach, regelrecht zähmte und ihnen die Erinnerungen an das hier löschte. Durchaus war sie damit erfolgreich und rein theoretisch könnte Myotismon dies auch so handhaben – für was aber Kraft für Magie verschwenden, wenn es mit Angst genauso effektiv war?

„Also… ist es wahr?“

„Ein untotes Digimon verweilt hier und kämpft mit uns?“, ächzten die Butterflymon, die sich gegenseitig stützten. Sie sahen schwer verletzt aus.

„Ich bin nur die Nachtschicht“, erklärte Myotismon. Die Worte selbst klangen bescheiden, Myotismons Gestik jedoch zeigte deutlich, dass Bescheidenheit für ihn eher ein Fremdwort schien.

Verängstigt, aber erstaunt starrten die Butterflymon ihn an, nicht glauben wollend, dass so ein Digimon ihnen wirklich das Leben rettete. Von dem Einzug diverser Geist-Digimon hatte man gehört und sie auch unterrichtet, aber jede Einheit für sich nahm es anders auf. Anders wie die Digimon, die im Schloss lebten, waren die Gruppen die im und um den Ewigen Wald und Grey Mountain lebten eher eine Zweckgemeinschaft. Man hatte Regeln, an die man sich hielt, man half sich, wenn möglich, aber wirklich eng waren sie nie miteinander. Solange Sanzomon und ihre Gefolgschaft sorgte, dass sie sicher waren, war alles in Ordnung. Die Sache mit den Geist-Digimon löste jedoch bei einigen großen Unmut aus, unter anderem auch bei den Butterflymon. Über Virus-Digimon konnte man reden, waren Gokuwmon und Sagomon trotz ihres Typus sehr hilfsbereite Digimon, aber Geist-Digimon waren sehr speziell und ihr negativer Ruf hatte Gründe. Negatives Karma. Überbringer von Krankheiten. Okkulte Magie. Verbindungen zu anderen Dimensionen. Kannibalismus. Und dann so ein Digimon.

Aber dieses Digimon hatte sie gerettet und wirkte trotz der kühlen Art nicht feindlich gesinnt. Und da die Butterflymon Sanzomon vertrauten, blieb ihnen nichts, wie durchzuatmen und dankbar zu sein, dass ihre Flügel nun nicht irgendwo hinter dunklen Gassen für viel Geld verkauft wurden.

„Steht nicht herum. Meine Diener bringen euch zu Sanzomon. Sie kann sich um euch kümmern“, forderte Myotismon sie auf und neben den Butterflymon erschienen wie aufs Stichwort zwei Bakemon.

„Mein Herr“, rief eines der Butterflymon ihm nach, da Myotismon eine andere Richtung wie sie einschlug und offensichtlich nicht gewillt war sie zu begleiten, hatte er schließlich noch genug Arbeit und eine lange Nacht vor sich.

„Wir danken euch. Eure Hilfsbereitschaft ehrt uns.“

Sie verbeugten sich sehr tief, noch ein wenig mehr und sie würde nach vorne fallen oder mit ihren Köpfen den Boden berühren. Myotismon nickte ihnen zu, als Zeichen der Kenntnisnahme, wenn ihm ihr Dank auch wenig rührte. Dann brachten die Bakemon sie fort und Myotismon blickte noch einmal umfassenden durch die Bäume. Er hätte die Goblinmon lieber getötet. Er hoffte, hier waren keine weiteren Truppen der Meister der Dunkelheit mehr. Es wäre fast schief gegangen.

Sie durften ihn und das alles hier nicht finden. Niemals.

 
 

 

Am dritten Tag des Vollmondes begann Sanzomon Myotismon zu beobachten. In den Sachen von Jijimon hatte sie ein altes Fernglas gefunden, mit dem sie von den Schlossmauern oder von Fenstern aus nach ihm Ausschau zuhalten konnte, um besser zu sehen, was er die Nächte überhaupt trieb. Sanzomon kam sich zwar schäbig vor ihm erst so viel Vertrauen zu schenken, nur ihm dann später zu observieren, aber es ging schließlich auch um das Wohl ihrer Gefolgschaft, auch wenn sich das Misstrauen so langsam legte, seit der Rettung der Butterflymon vor zwei Nächten. Er sammelte zwar Pluspunkt damit bei ihnen, dennoch war es für sie seltsam ein untotes Digimon, dessen Art nun einmal eine lange Liste von Albträumen und bösen Prophezeiungen auf seinen Schultern trug um sich zu haben. Es wirkte für sie zu bizarr und die Digimon außerhalb der Schlossmauern pflegten nicht selbige Mentalität wie Sanzomon, ihr Gefolge oder ihre Findelkinder.

Die Bakemon wie die Soulmon stellten sich schnell, wie Gokuwmon schon prophezeit hatte, als recht simpelgestrickte Gesellen heraus und solange man sie nicht zu sehr verärgerte auch in keinster Weise aggressiv. Als Spielkameraden für die jungen Digimon eigneten sie sich zumindest hervorragend (sehr zu Myotismons Ärgernis) und Sanzomon hegte den Verdacht, dass es ihnen weniger etwas ausmachte, wie sie zugaben. Vielleicht genossen sie es sogar von kleineren Digimon umzingelt zu sein, die dafür keine Angst und wenig Scheu vor fremden Digimon hatten, nicht einmal wenn sie untot waren. Auch hatten die beiden Sistermon, die Fell und Staub aus ihren Laken klopften und Knitterfalten glätteten einen großen Sympathiebonus bei ihnen erhaschen können.

Phantomon erwies sich als umgänglicher wie erwartet, wenn es ihn auch störte, dass er die ersten Nächte mit einen von Sanzomons Schülern zusammen die abendlichen Patrouillen schob. Insbesondere Cho-Hakkaimon fraß an ihm einen Narren, aus Gründen die sich Sanzomon nicht ganz erschlossen (sie selbst beteuerte lediglich, dass sie Phantomon nur helfen wollte sich besser zu integrieren).

Am meisten überraschte es Sanzomon, dass die Swanmon sich so schnell an Raremon gewöhnten, auch wenn sie ganz unterschiedliche Teile der Gewässer für sich beansprucht hatten. Während Raremon sich meist unter Wasser befand und gegen die Strömungen im Berg selbst schwamm, die unterirdisch durch die gesamte Bergkette flossen, blieben die Swanmon oberhalb der wenigen Wasserstellen direkt am Berg und halfen im Schloss wenn nötig. Man musste aber betonen, dass dieses untote Ungetüm sich erfolgreich bei den Swanmon, die eine gewisse Eigensinnigkeit besaßen eingeschmeichelt hatte, indem es ihnen einen Teil der Algen brachte, die tief am Grund lagen und an die sie selbst nie herangekommen wären, dabei waren das die Besten (hatte man Sanzomon zumindest gesagt). Raremon selbst sprach kaum und Sanzomon hatte dubiose Geschichten über diese Digimon gehört. Myotismon beteuerte aber, dass es für andere Digimon, wie auch für seine Umwelt harmlos sei und es schwächeren Digimon nichts täte. Sie glaubte Myotismon. Schließlich kannte sie sich nicht mit untoten Digimon aus. Kamen die Baby- und Ausbildungs-Digimon zum Spielen in die Gewässer und halfen Sanzomon oder den Sistermon bei der Seerosen-Ernte, blieb es unbemerkt und ruhig am Grund.

Brenzliger erwies es sich bei den Reppamon und Kyubimon, die ihr Gebiet hoch oben am Berg mit den Devidramon teilten, da sie alle das Revier für sich beanspruchen wollten und allgemeines Misstrauen herrschte, sei es weil Reppamon und Kyubimon heilige Tierdigimon waren oder weil Devidramon, was ihre Beute betraf nicht wählerisch waren.

Schlussendlich haben Sanzomon und Myotismon selbst eingreifen müssen. Die Reppamon und Kyubimon hatte Sanzomon umstimmen können und sie plädierte auf ihre Vernunft, da es auch um ihren Schutz ginge. Wie Myotismon allerdings seine Verhandlungen mit den Devidramon pflegte wusste sie nicht, zumal deren Intelligenz auf einem ganz anderen Niveau war.

Letztendlich kam Myotismon zum Schluss, zwei der Devidramon in Stein zu verwandeln, während das dritte Wache hielt und alle drei, vier Tage wechselte er unter ihnen. Nicht zuletzt auch um Ressourcen zu sparen. Devidramon hatten einen mehr wie gesunden Appetit, wie Sanzomon miterleben durfte und waren nun mal keine Digimon, die gerne teilten, sei es unter sich oder unter anderen Digimon, sei es Essen oder Revier.

Und auch bei ihnen fiel Sanzomon, wie ihren Schülern auf, wie viel Respekt diese Digimon alle vor Myotismon hatten. Wenn selbst Devidramon vor ihm krochen, ohne ein Brüllen von sich zu geben, musste er mehr wie deutlich demonstriert haben, dass er weit über ihnen stand. Das hieße, er musste eine unheimliche Stärke haben wie den Intellekt, diese Gruppe beisammen zuhalten und zu kontrollieren.

Man wusste, wie Digimon wie Myotismon sein konnten, das waren Sagomons Worte und die der Butterflymon, die zwar dankbar waren, aber genauso eingeschüchtert. Sie hatten nicht Unrecht damit. Auch wenn Sanzomon ihrem alten Freund niemals das geringste Übel unterstellen wollte - generell keinem Digimon, so schlimm die Gruselgeschichten auch sein mochten - , musste sie ihre Rationalität bewahren. Das war sie ihren Schülern schuldig. Sie war es jedem Digimon hier schuldig, dass sich ihrer anvertraut hatte und ihr auch bereit war zu helfen.

Sie wusste selbst nicht wirklich was sie erwartete, was Myotismon heimlich des nachts, wenn er seine Patrouille anstelle von Sanzomon hielt. Vor allem, hier? Direkt vor ihrer Nase? Selbst für ein Digimon wie ihn, das scheinbar gerne seine Grenzen austestete, wie schon als Rookie, wäre das mehr wie riskant. Nein, es wäre schlicht dumm.

Hin und wieder wechselten ihre Ziele auch auf die Bakemon und Soulmon, einige bereits bei ihrer Arbeit und wurden in Gruppen von Phantomon eingeteilt, andere spielten noch mit einigen Baby- und Ausbildungs-Digimon, ehe es für sie Zeit war zu Bett zu gehen. Sie ließen sich von den Bakemon durch die Lüfte tragen, was einige von ihnen sogar nicht einmal etwas ausmachte, auch wenn vier oder fünf an ihm hingen.

Jene von ihnen, die nicht durch die Wälder am Fuße des Berges Wache hielten nahm Gokuwmon sich unter die Fittiche. Dagegen hatte Sanzomon an sich nichts und freute sich bis sie verstand, dass diese geradezu freundliche Tat nur auf Gokuwmons immensen Ego zurückzuführen war, dass er nie ganz ablegen konnte und sich dieses Training ausdachte, um ihnen seine Stärke zu demonstrieren und seine Kampftriebe ausleben zu können. Und um auszutesten, was sie so aushielten. Sanzomon würde ihm in naher Zukunft mehr mentales Selbsterkenntnis-Training aufbrummen müssen.

Während Phantomon immer in der Nähe des Schlosses blieb, war Myotismon in der Nacht ständig unterwegs, flog vom einem Ende der Bergkette zu anderen, um dafür zu Sorgen, dass der Nebel die Bergspitze weiterhin bedeckt hielt, während er am Tage in seinem eigenem Raum in seinem Sarg schlief (wo immer er den her hatte und ehrlich gesagt wollte Sanzomon es so genau auch nicht wissen).

Alles in allem schien nichts davon verdächtig oder besorgniserregend, im Gegenteil, Myotismon schien seine Position sehr ernst zu nehmen und war erpicht darauf, dass niemand, der auch nur irgendwie zwielichtig schien Grey Mountain zu nahe kam. In der Nacht hörte sie den Schrei seiner Gruselflügel und sah die Blitze der Albtraumkralle am Horizont und wusste damit, dass er in diesen Augenblicken nicht einfach nur ein Digimon bekämpfte, der schlicht verdächtig aussah. Sondern Digimon, die zu den Meister der Dunkelheit gehörten, auf der Suche nach Volksverrätern, Befürworter der vier Souveränen, potenziellen Sklaven und Beute und nun zu nah an den Berg und an den Nebel kamen, die Umrisse des Schlosses sahen und nur eins und eins zusammenzählen mussten um zu wissen, das dort etwas oder jemand war, der auf gar keinen Fall entdeckt werden wollte. Das Myotismon sie bekämpfte missfiel ihr genauso, so wie es ihm missfiel dass sie solche Digimon schlicht wenn Willen nahm, auch nur die Hand gegen irgendein Digimon zu erheben, ihnen die frischen Erinnerungen nahm und sie in ihrem Delirium meist wieder fortschickte.

Und wie üblich hörte der eine nicht auf das, was der andere sagte und regelte die Dinge weiter auf seine Art. Myotismon vergewisserte aber, dass er keinem Digimon schadete, dass kein Soldat der Meister der Dunkelheit war und Sanzomon glaubte dies (nach diversen Nachtschichten, die sie mit ihm anfangs führen musste).

Dennoch beobachtete Sanzomon Myotismon weiterhin, Nacht für Nacht. Zur Sicherheit. Das sagte sie sich zumindest. In Wahrheit wartete sie nicht darauf, dass er etwas verdächtiges tat sondern einfach irgendetwas, das sie analysieren konnte und ihn somit besser verstehen könnte. Sie wollte nicht wieder den selben Fehler begehen wie damals. Und sie wollte verstehen, wo sie bei ihm stand.

„Wieso beobachtet Ihr Myotismon eigentlich die ganze Zeit, Meister Sanzomon?“

Cho-Hakkaimon stand mit ihr im Schatten der äußeren Burgmauern, hinter Efeu versteckt, während Sanzomon mit ihrem Fernglas weiter ihr Hauptziel beobachtete. Sanzomons Schülerin stand schon eine ganze Weile neben ihr, sie hatte das unverkennbare Geräusch ihrer künstlichen Hufe erkannt und wie diese neben ihr zum Stillstand gekommen waren.

Ihre Frage hatte einen ebenso eigenen, verspielten und stichelten Unterton. Das hieß, dass Cho-Hakkaimon eigentlich schon die Antwort wusste, sie aber noch nicht aussprach. Sie war ein verspieltes und lautes Digimon, aber nun einmal gewiss nicht unaufmerksam.

„Es ist Teil meiner Aufgabe. Es gibt noch Digimon unter uns, die skeptisch sind. Ich möchte nur sicher gehen, dass alle ihre Sorgen unbegründet sind und ich ihnen dies auch beweisen kann.“

„Es ist aber durchaus verdächtigt, dass Ihr nur Myotismon beobachtet.“

„Das tue ich nicht.“

Das tat sie, dass wusste sie schon, noch bevor Cho-Hakkaimon es anmerkte. Jedoch war es Sanzomon selbst, die das nicht merken wollte und Erklärungen erfand und mit sich selbst im Reinen zu bleiben. Jedoch stellte ihre eigene Logik und ihre eigenen Vorstellung sie überhaupt nicht zufrieden. Stattdessen bewegten sich ihre Gedanken immer wieder im Kreis.

„Und warum kontrolliert Ihr nicht die Bakemon? Oder Raremon? Es ist die ganze Zeit unter Wasser, wer weiß schon, was es da unten treibt?“

„Und sie alle unterliegen Myotismons Befehlen. Darum widme ich die meiste Zeit auch ihm. Und du weißt, ihm gilt das meiste Misstrauen, nicht seinen Soldaten.“

Sanzomon wartete nur auf irgendeine schnippische Bemerkung, dass das ein dummes Vorgehen war und dass Myotismon - wie Sanzomon schon selbst herausgefunden hatte - entweder nicht sehr weit gedacht oder sehr risikofreudig sein müsste, um ein Verhalten zu riskieren, dass Misstrauen wecken könnte. Andererseits – Nein, Im Gegenteil, dass Im stark betont, so hätte es Jijimon gesagt - wann verhielt er sich nicht so... eigen?

Sie sahen sich eigentlich kaum. Sanzomon war am Tage mit zu vielen Dingen beschäftigt. Mit der Erziehung der aufgenommen, kleinen Digimon, mit dem Training und dem Unterricht ihrer Schüler, ihren Gebeten, den Patrouillen um den Berg und ihren Studien, Forschungen und Büchern, die bis tief in die Nacht gingen.

Vorher hatte sie noch bis spät in die Nacht den Nebel beschworen, dass dieser alles bis auf die höchste Bergspitze einnahm und führte auch ihre Patrouille nachts durch, auch hier um die gesamte Bergkette, die nicht gerade klein war. Die genaue Länge hatte Sanzomon nie gezählt, aber sie wusste, das es zu Fuß einen halben Tag benötigen würde, um vom einem zum anderen Ende zu gelangen (im Flug natürlich viel schneller), und dies war nur eine Ebene.

Digimon wie Dokugumon und Grizzlymon haben sich den dichten Nebel zu Nutze gemacht, um sich zwischen den Abhängen, Schluchten und Höhlen ein sicheres zu Hause aufzubauen. Aber sie waren zu weit weg um zu wissen, dass auf dem höchsten Punkt irgendwo ein Schloss war, aber sie wussten, dass der Nebel das Werk eines Mönch-Digimons war, dass hier irgendwo mit seinen Schülern lebte. Und auch weil sie arme Seelen waren wollte sich Sanzomon vergewissern, dass es auch ihnen gut ging und nicht das Opfer von räuberischen Digimon wurden.

Zwar beschwerte sich Myotismon, warum sie fremde Digimon beschützte, die ihr nicht halfen und keinen Nutzen für sie hatte und dass es Kraftverschwendung sei, aber er akzeptierte es kopfschüttelnd, nachdem sie stur blieb.

Alles was die ehrfürchtige Hohepriesterin eben verlangte und Sanzomon hasste diesen Titel immer mehr, je öfter Myotismon diesen Aussprach und vor allem wie er es aussprach. Myotismon entlastete sie aber dadurch, dass er ihr Arbeit abnahm und sie rechnete ihm dies hoch an, also ließ sie ihm den Spaß. Es war hauptsächlich seine Magie, die den Nebelschleier aufrecht erhielt. Selbst am Tage, wenn er schlief, wie immer er das umsetzte.

Am Tage trafen sie sich nie, nur zur Dämmerung oder wenn sie nachts länger aufblieb. Und hin und wieder sah sie Myotismon, wie er im Türrahmen stand und sie beobachtete, während sie ihre Bücher las, Texte aufschrieb, übersetzte oder markierte. Die meiste Zeit tat Sanzomon so, als würde sie ihn nicht bemerken, bis dann doch der Drang in ihr hochkam zu fragen, ob er etwas von ihr wollte. Eine Antwort bekam sie nie darauf, nur Schweigen und anschließend ging Myotismon wieder seiner Arbeit nach oder legte sich zurück in seinen Sarg.

Am Himmel über Sanzomon und Cho-Hakkaimon kreiste eines der Devidramon. Anfangs hatte dieser Anblick in allen Schlossbewohnern Unbehagen ausgelöst, nun hatte man sich ein wenig daran gewöhnt und kaum, dass Myotismon ihm Aufmerksamkeit schenkte und ihnen ein kurzes Handzeichen gab, flog es in die von ihm angedeutete Richtung.

Wer hätte gedacht, das irgendein Digimon auf Grey Mountain mal froh darüber sein würde, dass Devidramon hier ihre Nester errichteten und ihre Bahnen so knapp über dem Schloss zogen?

Endlich auch hatte sich Sanzomon dazu entschlossen das Fernglas bei Seite zu legen, sich Cho-Hakkaimon zu widmen und bereute es im selben Moment. Ihre Mundwinkel waren weit nach oben gezogen und Sanzomon wusste, was es hieß. Es war jenes Grinsen, dass sie Sagomon gab, wenn er in Verlegenheit geraten war und dies nicht offen zeigen konnte, weil er sich wohl schämte oder wenn Gokuwmon dabei war in einer Diskussion den Kürzeren zu ziehen, dies auch wusste, aber nicht zugeben wollte.

Genau dieses Grinsen sah nun Sanzomon auf Cho-Hakkaimons Gesicht.

„Sagt, Meister Sanzomon, wie standet ihr noch einmal zueinander?“

Sie tat, als würde sie die Frage nicht verstehen, hatte sich aber dann doch verraten, indem sie einen verstohlenen Blick zu Myotismon warf. Ohne das Fernglas war er in der Dunkelheit der Nacht kaum zu erkennen. Und Cho-Hakkaimon war ihrem Blick gefolgt und allein das reichte ihr, um Bestätigung zu verschaffen für jede ihrer Theorien und Vermutungen der letzten Tage.

„Willst du irgendetwas andeuten, Cho-Hakkaimon?“

„Ich habe nur gefragt.“

Nein, sie fragte nicht einfach. Sie stachelte, bis sie das zu hören bekam, was sie hören wollte.

„Ich habe es bereits erklärt, wir beide wurden von Babamon und Jijimon aufgezogen und irgendwann haben sich unsere Wege getrennt.“

„Und seid ihr Freunde gewesen?“

„Nun -“

Sanzomon nahm das Fernglas wieder in die Hand und dachte einen Augenblick nach, ehe sie es wieder ansetzte.

„So in etwa.“

„Ich verstehe schon.“

Ihr Grinsen war noch breiter geworden, was Sanzomon eigentlich für unmöglich hielt.

„Was verstehst du?“

„Schon in Ordnung, ich verstehe, dass Ihr darüber nicht reden wollt.“

„Das habe ich überhaupt nicht gesagt.“

„Oh doch, Ihr habt So in etwa gesagt. So in etwa heißt soviel wie Eigentlich sind wir etwas ganz anderes, aber es ist zu kompliziert um es zu erklären.“

„Du redest Unsinn. Wir waren damals Rookies, wir haben uns ständig wegen Nichtigkeiten gestritten.“

„Aber nun seid ihr beide auf dem Ultra-Level. Dinge und Sichtweisen verändern sich. Manche Dinge sollte man mehr als einmal betrachten.“

Sanzomon schnaufte leise und fragte sich, warum ihre Schüler, ihre Freunde ihre Lehren immer nur dann auswendig wussten, wenn es zu Sanzomons Nachteil war? Zu einem anderen Zeitpunkt wäre das sicherlich lobenswert gewesen. Und egal was Sanzomon darauf antworten würde, es hätte kläglich und erbärmlich geklungen.

Und Recht geben musste sie Cho-Hakkaimon, ob es ihr gefiel oder nicht. Sie hat Tsukaimon nie vergessen können, als Tinkermon nicht und später, als D'arcmon, als sie nach langem Training unter Babamons strenger Führung durch Server ging um hatte sie sich immer gefragt, was ihm widerfahren und ob er überhaupt noch am Leben war. Mal waren diese Gedanken präsenter, manchmal weniger, aber nie ganz fort.

Myotismons Anblick löste etwas Unbekanntes in ihr aus, insbesondere als Sanzomon jenes Tsukaimon in ihm erkannte, doch sie war glücklich nun auch zu wissen, was aus ihm geworden und ihm nichts schlimmes zugestoßen war.

In dem Zusammenspiel aus dunklen Blau und Schwarz blitzte etwas Weißes auf und nahm Sanzomons ganze Sicht ein, die sie mit dem Fernglas erfassen konnte und sah eines der Swanmon, dass vor ihr und Cho-Hakkaimon in der Luft flog, als sie das Fernglas abnahm.

„Ich grüße Euch, Meister Sanzomon. Auch dich, Cho-Hakkaimon. Verzeiht meinen Besuch zu so später Stunde“, sagte Swanmon und landete sanft und grazil direkt vor ihnen.

„Du störst nicht. Wichtige Anliegen brauchen nicht zu warten. Aber sag dennoch, was führt dich hierher?“

Vorsichtig blickte Swanmon um sich, in jede Richtung, sogar nach oben zum Himmel schaute es, wo man zwischen den verschiedenen Nebelschichten noch lückenhaft das Dunkelblau des Himmels und vereinzelte, einsame Sterne sah. Erst dann griff es unter sein Federkleid.

„Das kam heute in einer Glasflasche an. Raremon fand es bei einem seiner tieferen Tauchgänge und überreichte es mir ungeöffnet.“

Dieses Vertrauen gegenüber einem wildfremden Digimon wirkte immer noch so surreal, aber Sanzomon nahm das Stück Papier an, dass Swanmon unter den Federn seines Flügels versteckte. Das Stück Papier war ein Brief und er war mit Siebenschläfer unterzeichnet worden. Er war von Pixiemon.

Schnell öffnete Sanzomon den Brief. Sie hatte schon ewig nichts mehr von ihren geheimen Verbündeten fernab von Grey Mountain gehört. Sich in diesen Zeiten Nachrichten zukommen zu lassen, wenn man sich öffentlich dazu bekannte die Menschenwelt als unverzichtbaren Teil der Digiwelt zu sehen und Vertrauen in die Souveränen legte war schwierig. Besonders wenn man von den Meistern der Dunkelheit gesucht wurde und manchmal lagen zwischen zwei Briefen mehrere Monate. Sie war sich nicht einmal sicher, ob noch alle, die heimlich gegen die Meister der Dunkelheit und ihr Terrorregime kämpften und sich für die vier Souveränen stark machten noch am Leben waren, oder ob ihre Briefe irgendwo auf einer Zwischenstelle verharrten.

Nur von Piximon (Siebenschläfer), Datamon (Hutmacher) und Centarumon (Einhorn) hörte sie noch etwas.
 

An:

- weiße Königin, schwarzer Springer, roter Turm, schwarzer Bischof
 

Wer erschoss ihn, den rot' Robin und, ich, rief der Fisch, mit Fauch und Zisch .

Wer grub ihn aus, als alles war aus, und, ich, rief die weise Eule, und flog in die Bläue.

In ihrer Eiche sie kaum spricht doch hört mehr als sie kann.
 

Die kleine Schildkröte sitzt in der Schachtel, fort vom Spatz im Baum, mit Schrei und Fuchtel

Doch keine Katz am Feuer, fort und dahin, wo ist sie hin, wenn nicht zur weißen Königin?

Sitzt ihr auch alle brav unter der Pfann'?
 

Die Herzkönigin verlangt, dass Ihr zum Krocket erscheint.
 

- Siebenschläfer
 

Das waren alles keine guten Neuigkeiten, aber Sanzomon hatte auch nicht erwartet nach so langer Zeit etwas Gutes zu hören. Der letzte Satz, der sogar unterstrichen war gefiel ihr am allerwenigsten.

Erst hieß es, die Herzkönigin, mit dem Hang zu rollenden Köpfen wäre erfreut, würde sie zum Krocket antreten. Dann hieß es, die Herzkönigin wünsche, dass sie zum Krocket käme. Und dann, dass die Herzkönigin will, dass sie zum Krocket erschien.

So nett die Worte der Herzkönigin auch klingen mochten, waren sie nichts als Drohungen und der Freibrief, sie zu finden, gefangen zu nehmen oder gleich zu töten. Das war der Herzkönigin mittlerweile egal, denn seine Geduld war am Ende. Alle Digimon auf diesem Kontinent wussten, dass die Herzkönigin ein Sturm war. Nicht nur ein Gewitter oder Unwetter, sondern ein tosender, alles vernichtender Sommersturm, der sich nicht zurückhielt.

„Keine guten Nachrichten, Meister?“, fragte Cho-Hakkaimon vorsichtig und Sanzomon schüttelte nur den Kopf, der in Anbetracht der Lage wie kraftlos an ihrem Hals hing.

(Wer erschoss ihn den rot' Robin)

Sie musste vorwärts kommen, so schnell wie möglich.

Noch bevor Sanzomon den Schatten neben ihr überhaupt bemerke, nahmen lange Finger in dunklen Handschuhen ihr den Brief aus der Hand. Zwar versuchte sie noch nach dem Stück Papier zu greifen, aber Myotismon, der einfach aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien, hielt den Brief zu weit über ihr, als dass sie auch nur ansatzweise rangekommen wäre.

Aber er verstand offensichtlich nicht, was dieser in Tinte verfasste Nonsens bedeuten sollte, daher machte sich Sanzomon auch keine Sorgen. Sicher erinnerte er sich nicht mehr an Babamons alte Reime. Grob, wenn überhaupt. Auch nicht an die albernen Geschichten, er würde nichts davon wirklich verstehen, da war sie sicher.

„Du benutzt Babamons alte Kinderreime für verschlüsselte Botschaften?“

„Das sind keine verschlüsselten Botschaften“, sagte Sanzomon, aber so wie sie es sagte hätte sie das selbst nicht einmal geglaubt. Sie klang zu verspannt, zu offensichtlich ertappt.

„Es gibt nur zwei Arten von Digimon, die solche Texte verfassen. Die, die verrückt sind und die, die etwas zu verbergen haben. In manchen Fällen sogar beides.“

„Wo er Recht hat -“, murmelte Cho-Hakkaimon hinter Sanzomon, kurz darauf folgte ein „Aua!“. Swanmon hatte ihr den Flügel in die Seite gerammt.

Von Cho-Hakkaimons unüberlegten Kommentaren war er genervt und ihm störte ihre Anwesenheit, aber zumindest vor Sanzomon wollte er so tun, als ließe die Kurzsichtigkeit iher Gedanken gänzlich kalt, wie er auch gewisse andere, für ihn negative Eigenschaften von Gokuwmon und Sagomon ignorierte. Sanzomon schien sogar als Einzige das Privileg zu genießen, von ihm überhaupt eines Blickes gewürdigt zu werden. Und es gab Tage, da wünschte sie sich es wäre nicht so. Immer wenn sie sah oder spürte, dass seine Blicke auf ihr lagen, bekam sie eine Gänsehaut.

Als Myotismon ihr ihren Brief zur Rückgabe reichte, sah er sie genauso an und es schauderte sie. Sie wollte ihm den Brief so schnell sie konnte aus der Hand reißen, wenn da nicht die Hitze in ihrem Gesicht wäre. Es wurde schrecklich warm unter ihrem Halstuch und trotzdem wollte Sanzomon es sich noch weiter über das Gesicht ziehen, während Myotismon sie weiter ansah, offensichtlich amüsiert darüber, dass sie an Babamons alten Kinderreimen hing.

„Und ich denke, verrückt, wie Jijimon und Babamon es waren bis du nicht. Oder, ehrfürchtige Hohepriesterin?“

„Sicher nicht“, antwortete Sanzomon. Das Papier steckte immer noch zwischen seinem Zeige- und Mittelfinger und wartete darauf, dass es wieder zu seinem eigentlichen Besitzer zurückkam. Doch das Pochen in ihrer Hand hielt Sanzomon davon ab. Sie dachte nicht einmal mehr an Pixiemons Brief und was darin stand, nur an Myotismon Hand, die ihre eigene am Tag seiner Heimkehr gehalten hatte und in ihr blühte der Wunsch, diese Berührung noch einmal fühlen zu können, um sich diese Berührung in ihrem Gedächtnis einzuprägen, was sie beim ersten Mal verpasst hatte.

Nein, es müsste nicht einmal die ganze Hand sein. Wenn sie nur kurz seine Fingerspitzen streifen könnte, würde ihr das genügen.

Nur einen kurzen Moment.

Und würde er etwas sagen, irgendwas Zynisches würde sie es als einen dummen Reflex betiteln oder als ein Versehen, dass sie gar nicht bemerkt hätte. Aber sie konnte die Kraft dazu nicht aufraffen und Sanzomon wurde mit der immer mehr zunehmenden Wärme in ihrem Kopf schwindelig.

„Vielleicht bin ich es ja doch. Und ich weiß es nur noch nicht.“

Sanzomon stützte sich erschöpft - von was auch immer sie erschöpft war - mit der offenen Hand an der Steinmauer ab und schüttelte den Kopf über ihre eigene Unfähigkeit. Myotismon zeigte hinter seiner Maske leise Andeutungen, dass er fragend eine Augenbraue hob und Swanmon versank in Verwirrung. Cho-Hakkaimons Grinsen musste mittlerweile so gigantisch sein, dass es eigentlich vollkommen unmöglich war und ihr Mund einreißen müsste.

„Sagt mal, Myotismon“, fragte sie, während sie den Brief an sich nahm und an Sanzomon weiter gab. Ihr fuhr ein Schauer durch den Körper, als sie diesen Ton von Cho-Hakkaimon hörte, ähnlich ihrem Sticheln zuvor.

„Habt Ihr Phantomon irgendwo gesehen?“

„Wieso diese Frage?“

„Na, weil ich doch heute dran bin mit euch Nachtwache zu halten. Und, habt Ihr?“

Mit einem Kopfnicken deute Myotismon zur Außenseite des Schlosses, rechts von ihm. Wenn man von dort über die Reihen einiger dunklen mahagoniroter und grauen Dachziegel sah, blickte man auf dichte Bäume und steinige Wege dazwischen, die ins Tal zwischen den Erhöhungen der Bergketten führte. Und auf einem von ihnen schlich sich tatsächlich Phantomon herum, die Sense eng an seinen Körper gepresst und nervös in alle Richtungen blickend.

„Juhuuu, Phantomon! Was schleichst du dich denn hier draußen so alleine rum?“

„Verfluchter Mist!“, schrie er auf, als er Cho-Hakkaimons quietschende Mädchenstimme hörte und sein zuvor schleichendes Tempo nahm rasend zu.

„Hey, warte doch mal! Swanmon, hilf mir mal rüber!“

Ohne Vorwarnung packte Cho-Hakkaimon Swanmon und sprang damit von der Mauer, während es, überrumpelt wie es war, seine gesamte Kraft in seine Flügel steckte, damit sie nicht zusammen in die Tiefe stürzten. Knapp über der Brücke ließ Cho-Hakkaimon sich fallen und rannte dem panischen Phantomon beängstigend verzückt hinterher. Swanmon flog schnaufend über ihnen und schrie „Unverschämtheit! Welch Unverschämtheit!“ nach.

Myotismon und Sanzomon sahen ihnen lange nach und warfen sich einen kurzen Blick zu.

„Sie meint es nicht so. Das ist nur Cho-Hakkaimons Art zu zeigen, dass sie jemanden ganz gut leiden kann. Wenn es mir für Phantomon auch Leid tut.“

„Mein Mitleid ist etwas bescheidender. Es schadet ihm nicht, wenn deine Schüler ihn auf Trab halten. Und, im Gegenteil, würde es ihn wirklich so immens stören, wie er behauptet, hätte er längst zugeschlagen.“

Es war still, bis Sanzomon plötzlich zu kichern anfing, aber bei Myotismon nur auf Unverständnis stieß.

„Was ist so witzig?“, harkte er mit einer hochgezogenen Augenbraue nach, nicht amüsiert darüber, dass sie sich auf seine Kosten einen Spaß erlaubte.

„Du hast Im Gegenteil gesagt. Du klingst wie Jijimon“, kicherte sie weiter, aber sie versuchte zumindest damit aufzuhören, da er ihren Humor – deutlich durch den Ansatz eines Lippenkräuselns und den verengten Augen - mehr als nur offensichtlich nicht teilte.

„Ich werde es mir für die Zukunft abgewöhnen.“

„So schlimm ist das doch gar nicht gewesen. Ich verrate es auch keinem, wenn es dir so unangenehm ist.“

„Ich schäme mich nicht. Aber ich lege nun einmal Wert auf mein Auftreten, da wirkt das Vokabular, das an ein altes und verwirrtes Digimon erinnert nicht sehr überzeugend.“

„Und was denkst du, was geschieht wenn es noch jemand mitbekommt? Dass die Bakemon dich nicht mehr respektieren?“

„Ich dachte an deine Schüler.“

Er blickte zurück in die Richtung, in die Phantomon und Cho-Hakkaimon verschwunden waren. Ihnen war, als hätten sie irgendwo in der Ferne das Echo ihrer Streitereien gehört. Es hätten aber auch Reppamon sein können, die sich eben darüber beschwerten.

„Sie scheinen ja nicht sehr angetan von mir zu sein.“

„Du bemühst dich ja auch nicht ihnen gegenüber freundlich zu sein.“

„Sollte ich?“

Statt über die Dächer, sah Myotismon wieder Sanzomon an, als wollte er fragen, ob das ein Witz war. Offensichtlich nicht, erbost wie Sanzomon schaute.

„Sie machen wirklich nur Späße. Alle drei sind ein raues und einfaches Umfeld gewohnt. Aber sie sind anständige Digimon und ich verdanke ihnen sehr viel, also habe zumindest so viel Anstand und respektiere sie, wie es angemessen ist.“

Irgendwo unter ihnen hörte man Gokuwmons euphorisches Brüllen. Er hatte sich einige der Bakemon geschnappt, die gegen ihn kämpfen sollten und sie, gar nicht mal so dumm, taten sich zusammen und verschmolzen zu einem riesigen Geist. Gokuwmon fluchte und jubelte gleichzeitig darüber seid langem einen so interessanten gegner zu haben, an dem er Kampftecniken ausprobieren konnte, während Sagomon sich über den Krach beklagte, da er gerade meditierte.

„Geht das auch etwas leiser, hier sind auch noch andere Digimon!“, schimpfte Sagomon und „Na warte, komm doch her und zeig mal wie du es gegen diesen übergroßen Windbeutel aufnimmst!“, schrie Gokuwmon zurück und „Wir sind kein Windbeutel, das war gemein“, beklagten sich die Bakemon.

Sanzomon legte ihr Gesicht beschämt in beide Hände und schüttelte sachte den Kopf.

„Wo genau hast du diese drei Witzfiguren eigentlich aufgegabelt?“

„Es sind keine Witzfiguren“, sagte sie, immer noch in Scham versunken. „Sie sind meine Freunde.“

„Freunde?“

Nun war es Myotismon, der lachte, aber es klang mehr nach Schadenfreude und er zeigte auch keinen Anstand, sich zurückzuhalten, egal wie verärgert Sanzomon darüber war.

„Ihr befindet euch nicht einmal auf der gleichen autoritären Stufe, wie willst du da überhaupt etwas wie Freundschaft aufbauen?“

„Wären sie nicht, würde ich hier nicht stehen. Wir trafen uns und sie blieben bei mir. Aus freien Stücken und wir helfen einander, fernab von Autorität. Mich Meister zu nennen war ihr Wunsch, der Überzeugung das meine Worte Gewicht haben und meine Gedanken weitergetragen werden sollen.“

Man hörte immer noch Gokuwmon und Sagomon streiten. Sirenmon war dazugekommen und moserte, dass sie sich alle benehmen würden wie frisch aus dem Digiei geschlüpft. Aber diesmal schmunzelte Sanzomon darüber.

„Kann Piedmon dich wegen dieser Worte und Gedanke nicht leiden? Mit dieser ominösen Herzkönigin ist er doch gemeint.“

„Das spielt keine Rolle. Und wenn du wüsstest, was in meinen Büchern steht, würdest du nicht fragen.“

„Ich interessiere mich nicht für Sophismus.“

Mit den Armen vor der Brust verschränkt drehte Sanzomon Myotismon den Rücken zu. Es fröstelte sie, obwohl die Nacht selbst nicht kalt war, schließlich war Sommer, aber immer wenn sie nur einen Gedanken an dieses Digimon verschwendete, zog sich ein Schauer über Mark und Bein. Piedmon war der Einzige der Meister der Dunkelheit, den sie je persönlich traf und dieses einzige Treffen reichte ihr.

Sanzomon empfand bereits genug Nervosität gegenüber Myotismon. Vor Piedmon jedoch hatte sie aber nicht nur Angst, sondern regelrechte Panik.

Myotismon Blick fiel nochmal auf den Brief, den Sanzomon in ihren Ärmel stopfte.

„Du musst zugeben, diese Einladung zum Krocket klingt schon sehr, nun - unheilbringend?“

„Er rief Jijimon und Babamon mit der gleichen Einladung zu sich. Es hat mit ihrer Niederlage geendet.“

„Du warst dabei, als sie starben?“

Sie antwortete nicht. Sanzomon war entsetzlich kalt geworden und rieb mit ihren Händen über ihre Schultern. Lange war Sanzomon still und wich Myotismons Blicken aus, hoffend, es würde ihm irgendwann idiotisch vorkommen und er würde gehen.

Er blieb, geduldig wartend, ob Sanzomon etwas sagte. Sie überlegte noch, dann sprach sie:

„Babamon und ich haben uns gestritten, kurz bevor sie vernichtet wurde.“

Man hörte kurz den Wind heulen. Efeu raschelte in den Ecken, bewegt durch eine Sommerbrise. Myotismon runzelte verwundert die Stirn.

„Ihr? Gestritten? Verzeih, aber es ist rückblickend auf dein Verhalten von damals überaus merkwürdig, das zu hören“, sagte er und klang, als hielte er auch das wieder für einen Scherz. Doch ein Blick in Sanzomons Gesicht reichte, um zu wissen dass es nicht nur kein Scherz war, sondern ihr doch nahe ging. Streit hin oder her, ob sie sie nun oft triezte und ausgeschimpfte, Babamon war für Sanzomon die Inkarnation einer Mutter gewesen.

„Weswegen habt ihr euch gestritten?“

„Ich kann es nicht so genau sagen.“

Hätte sie schon, dabei hätte Sanzomon jedoch ein unliebsames Detail preisgeben müssen. Nämlich, dass Tsukaimon bei diesem Streit eine nicht unbedeutende Rolle gespielte. Es war so offensichtlich, dass Tinkermon Tsukaimon vermisste. Sehr vermisste sogar. Aber ihr war klar, dass Tsukaimon diese Ansicht nicht unbedingt teilte. Sie wusste, dass er nett zu ihr war, weil Jijimon ihn darum bat. Sie hatte das Gespräch damals mitgehört. Doch die Zeit mit Tsukaimon war die Schönste, die sie bis dahin erlebte und sie wollte nicht mehr das eingeschüchterte, jammernde Digimon bleiben. Also büffelte sie noch mehr wie ohnehin schon, lernte mehr, wie man von ihr verlangte und lernte Zauber, von denen Babamon eigentlich meinte, dass sie dafür noch nicht das Potenzial hätte, sie überhaupt zu begreifen.

Es hatte sich ausgezahlt. Sie war zu D'arcmon digitiert und sie wollte weiter und mehr lernen. Also ließ Babamon ihre Schülerin ziehen. Jedoch...

„Ich glaube, Babamon war nicht glücklich darüber, zu was ich digitiert bin. Sie sagte, das hier passt nicht zu mir. Ich sei zu etwas geworden, dem ich hinterher weinte, nicht aus Überzeugung. Sie glaubte, ich hätte ihre Lehren verunglimpft. Ich würde mein Innerstes verschließen und stattdessen immer noch meinen geschwistern hinterher weinen. Bevor ich digitierte, stritten wir sehr viel, weil ich immer öfter widersprach. Zur Strafe ignorierte sie mich.“

„Ist dem denn so?“

Sanzomon merkte erst nicht, wie dunkel es um sie herum geworden war oder wie groß ihr Schatten auf dem Boden plötzlich aussah. Sie war so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, dass sie nicht mal merkte, wie nah Myotismon ihr gekommen war. Er stand direkt neben ihr, wenige Millimeter befanden sich zwischen ihnen und seine imposante Gestalt verdeckte Sanzomon vollkommen. Nicht einer der wenigen Mondstrahlen, die sich ihren Weg durch die Nebelwand gebahnten streifte sie. Unheimlich. Und trotzdem...

„Ich gebe zu, ich habe Babamons Lehren bezüglich Emotionalität hinterfragt und gewisse Punkte kritisiert, weil es wieder nur eine Entweder-Oder-Sicht war. Schwarz oder Weiß. Genauso borniert wie die serumischen Thesen und Lehren. Aber ich habe Babamons Worte in ihrem Kern immer vor anderen Digimon verteidigt, weil sie einen guten Ansatz inne hielten. Doch schien sie unzufrieden darüber, dass ich zu Sanzomon geworden bin.“

„Dabei sollte sie froh sein. Schließlich bist du nun ein Serum.“

Sanzomons Kopf, der mit jedem Satz in sich gesunken war, schreckte vor Empörung auf. Myotismon stand so dicht neben ihr, dass es fast erdrückend war.

„Was willst du damit sagen?“

„Du hast doch immer darunter gelitten, dass du ein Virus-Typ warst. Du hättest sicher viel getan, um wie deine Geschwister sein zu können. Es freut mich für dich, dass sich dein Traum erfüllt hat.“

Sanzomon sagte immer noch nichts, aber ihr Mund stand offen. Die Worte an sich waren freundlich gewählt, klangen aber überhaupt nicht aufrichtig. Das und als machte sich Myotismon darüber lustig.

„In gewisser Weise klingst sogar schon wie die Hohen Digimon der Typus-Apartheid, Sanzomon. Die haben auch nicht an reine Emotionalität geglaubt.“

Was er sagte glich einem Stich ins Herz, aber es half ihr mehr, als dass es schadete. Die Schüchternheit die Sanzomon sonst überkam, wenn sie Myotismon zu lange ansah verwandelte sich in Wut. Ihre Angst vor seiner Nähe war entschwunden. Sie griff nach seinen Kragen und zog ihn zu sich hinunter, damit sie ihn, wütend wie sie war direkt ins Gesicht sehen konnte.

„Unterstehe dir so einen Vergleich! Weißt du eigentlich, dass du genau wie Babamon klingst? Meine Lehren und die der Hohen Serums sind nicht gleich!“

„Nicht? Ich sehe da durchaus gewisse Parallelen. Dazu verurteilst du ein Digimon, ohne seine Motive zu kennen.“

„Wenn das eine Anspielung auf Piedmon sein soll -“

Sanzomon merkte wieder, dass sie begann laut zu werden. Sie holte kurz Luft, um nicht noch mehr die Stimme zu heben. Myotismon grinste schon wieder und die Freude würde sie ihm nicht gönnen.

„- dann wisse, dass ich ihn nicht wegen seinem Typus verurteile, sondern wegen dem, was er tut!“

„Und was tut er? Warum tut er es, ist das nicht die wichtigere Frage? Wer bestimmt schon was richtig und falsch ist? Geschweige denn, was gerecht ist? Bestimmst du dies? Dann erkläre mir doch einmal, wo die Grenze liegt.“

„Da siehst du die Grenze!“

Sanzomon ließ Myotismon los und deutete mit ihrem Finger hinunter in den Hof, wo Sistermon Blanc Frimon hinterher rannte, dass mit KyouKyoumon und Budmon Fangen spielte.

„Diese Digimon haben niemanden etwas getan und doch haben sie alles verloren. Ihre Freunde, ihr zu Hause, Digimon die sich um sie gekümmert haben und sie wurden schutzlos zurückgelassen. Du hast sie nicht verletzt und verhungert in den Wäldern oder am Fuße des Berges aufsammeln müssen und dir Sorgen machen müssen, ob sie die Nacht überstehen. Nacht für Nacht werden sie von erinnerungen geplagt. Sie konnten rein gar nichts dafür, was ihnen zugestoßen ist. Sie können nichts für das, was vor Generationen geschah. Wie boshaft muss man sein, um seine Wut an Unschuldigen auszulassen?“

„Vielleicht kann ein Digimon wie Piedmon auch nichts dafür. Manche Digimon sind nun einmal so, wie sie sind, eben weil sie so sind. Das nennt man innere Triebe. Im Grunde sind wir alle Gleich. Wir sind Daten. Festgelegte Daten. Ohne höheres Sein, ohne einen Sinn, ohne Bedeutung. Nicht mehr. Und je ein Digimon sich von der Vorstellung löst, ihm stünde ein bestimmtes Schicksal zu, ein Sinn, ein Platz in dieser Welt, ein Recht auf eine Persönlichkeit, umso besser.“

„Verzeih, wenn ich mich nicht für deinen Nihilismus begeistern kann.“

Abrupt versteifte Sanzomon ihre Haltung, hob die Brust nach vorn und den Kopf hoch. Die Haltung fühlte sich so unnatürlich an, wie sie aussah, anders wie bei Myotismon und irgendwie beneidete sie ihn dafür. Wie er das wohl geschafft hatte in all den Jahren?

Von ihm selbst bekam Sanzomon nur ein genervtes Seufzen.

„Du glaubst also ernsthaft an diesen Schwachsinn von einem Ich von einem digitalen Wesen? Einen Sinn, fernab unserer Daten?“

„Offensichtlich. Möchtest du etwas daran anzweifeln?“

Ihr Abstand hatte sich wieder verringert, wie auch immer das noch gehen sollte. Myotismon stand direkt vor ihr, noch immer mit dieser gebeugten, hochnäsigen Haltung, den Armen hinter dem Rücken verschränkt und jenem pseudocharmanten Lächeln, von dem Sanzomon sich manchmal wünschte, dass es aus seinem Gesicht verschwinden würde. Wenn es nicht manchmal heißen würde.

„Eine ganze Menge sogar. Aber dann stünden wir die ganze Nacht hier.“

„Von mir aus“, sagte Sanzomon, sehr überzeugt, sogar zu Myotismons Überraschung. „Vor Diskursen fürchte ich mich nicht, solange es sich nicht um eine sinnlose Debatte mit einem Orkan handelt.“

„Orkan?“, fragte er kurz. „Ah, verstehe, was haben ein Orkan und die Herzkönigin gemeinsam. So kamst du auf diesen Spitznamen.“

Myotismon lachte. Ehe Sanzomon aber fragen konnte, was ihn denn zum lachen brachte, sah er ihr wieder direkt in die Augen.

„Und was bin ich?“

Es war still um sie geworden, was sicherlich nicht sein konnte. In diesem Schloss hörte man immer irgendetwas oder jemanden, sei es Sirenmons Lieder oder das Lachen der kleinen Digimon. Oder eben ihre zankenden Schüler. Diese Totenstille war das Resultat davon, dass Sanzomons Sinne sich nur auf Myotismon zu konzentrieren schienen und jeden anderen Reiz als unwichtig abstempelten, damit keine einzige Regung in seinem Gesicht von ihr unbemerkt blieb.

„Dieser Blick...“, hauchte er kaum hörbar. Hätte Sanzomon sich nicht so intensiv auf ihn fokussiert, hätte sie es nicht einmal mitbekommen, genauso wie diese Veränderung in seinen Augen. Sie sah den Abgrund, von dem er früher schon immer gesprochen hatte, aber dass, was darin war konnte sie nicht deuten. Ob er herausgefunden hatte, was er bedeutet und wo er herkam? Und was dort unten war?

„Weißt du, was ich überhaupt nicht ausstehen kann? Digimon die glauben, sie könnten es in irgendeiner Weise mit mir aufnehmen. Im Kampf, wie mental. Sie alle haben genau diesen Blick in ihren Augen. Augen voller Träume und Hoffnungen. Rebellische Augen. Genau vor denen sollte man sich besonders in Acht nehmen. Darum traue ich solchen Digimon mit solchen Augen nicht eine Sekunde über den Weg.“

Er machte sich über sie lustig, davon war Sanzomon absolut überzeugt. Er sah sie an wie die Digimon, die D'arcmon schon auf ihrer Reise durch Server für verrückt hielten. Und obwohl Sanzomon an Myotismons Augen festhing und versuchte Tsukaimon zu finden, sah sie in ihrem Kopf nur seine langen Eckzähne, mit der Frage, was er mit diesen Zähnen schon getan hatte. Sie wollte an so etwas nicht denken, aber die Worte ließen sie nicht los.

(wie viele Digimon hat er schon gebissen wie vielen hat er das Blut ausgesaugt hatte er es überhaupt er zeigt davon nichts verbergt er es hat er schon Digimon getö-)

Ihre Gedanken verflogen, als Myotismons rechte Hand, die Sanzomon kurz zuvor noch berühren wollte ihr Gesicht streifte und seine Finger in ihr blondes Haar fuhren.

„Aber diese Augen stehen dir gut.“

„Sag so was nicht!“, rief Sanzomon entsetzt, dann schlug sie seine Hand mit ihrer eigenen fort. „Was soll jemand denken, der dich so reden hört oder der uns so sieht?“

„Hast du Angst davor, dass andere Digimon dabei schlecht über dich denken?“

„So was gehört sich einfach nicht!“, rief sie weiter schockiert auf, hoffend, niemand hatte sie nun gehört. „Ich habe eine Vorbildfunktion! Und ich kann es nicht ausstehen, wenn man versucht mich mit Süßholzraspel zu umgarnen.“

Sanzomon presste ihre verschränkten Arme noch dichter an ihren Körper. Obwohl sie versuchte von ihm zu weichen, ging Myotismon ihr einfach nach, ohne dass sich seine Haltung änderte.

„Dann haben dir noch andere Digimon solche unangemessenen Komplimente gemacht? Oder bin ich der Erste?“

„Das spielt keine Rolle!“, keifte sie zurück und klang schon wieder viel aufgebrachter, wie sie wollte. Und noch mehr ärgerte sie es, dass Myotismon offensichtlich Spaß daran hatte. Aber...

„Das ist wohl deine Lieblingsantwort. Aber ich kann solche überzogenen Schmeicheleien auch nicht leiden. Auch wenn es der Wahrheit entspricht.“

Myotismons Finger berührten erneut ihre Wange, aber statt sich zu wehren, versuchte Sanzomon sich das Gefühl dieser Berührung bis in kleinste Detail einzuprägen. Wie erst nur seine Fingerkuppen und dann seine ganze Hand auf ihrer Haut lag, wie unerwartet dünn der Stoff seiner Handschuhe war und wie kalt es sich anfühlte. Dann prägte sich Sanzomon aber nicht mehr nur diese Berührung ein – sie fing an, es zu genießen und anschließend sich zu erinnern, warum sie früher immer so gerne bei Tsukaimon war, obwohl er sie meist ignorierte und als störend empfand.

Ihre Sinne kehrten jedoch wieder zurück, als Sanzomon spürte, dass Myotismon versuchte ihr Halstuch herunterzuziehen und sie schlug seine Hand erneut weg, diesmal aber fester.

„Hast du nichts zu tun?“, schimpfte sie, ignorierte sein Knurren und kehrte ihm wieder den Rücken. Auch als sie seine Schritte hörte, die sich von ihr weg bewegten rührte Sanzomon sich kein Stück. Und doch tat es ihr, obwohl sie wütend war und sich bloßgestellt vorkam irgendwie Leid.

„Myotismon.“

Sie wagte über ihre Schultern zurück zu ihm zu schauen. Verärgert sah er aus, aber nicht so wütend, wie sie erwartet hätte. Wenn Sanzomon es nicht besser wüsste könnte man glauben, er wäre frustriert.

Es muss zu viel Zeit vergangen sein, ungeduldig nickte Myotismon kurz mit dem Kopf und seine Hand kreiste in der Luft, eine Geste um ihr zu sagen, dass sie weitermachen sollte. Dabei hatte Sanzomon längst vergessen, was sie wirklich sagen wollte und versuchte sich an einer Alternative.

„Pass auf dich auf, ja?“

Myotismon zog wieder die Augenbrauen hoch und Sanzomon wünschte sich, allein zu sein um sich selbst eine reinhauen zu können, ohne dass man dabei an ihrem Verstand zweifelte, wenn sie das aber auch schon selbst zu genüge tat.

„Machst du dir Sorgen?“

„Das gehört sich einfach“, antwortete Sanzomon hektisch, Myotismon schnaufte kopfschüttelnd.

„Natürlich, ehrfürchtige Hohepriesterin.“

Der schwarze Umhang erhob sich wie dicker Qualm und löste sich in einem Schwarm Fledermäuse, zusammen mit seinem Träger, auf. Noch bevor sie ganz in der Dunkelheit verschwanden, ließ Sanzomon sich zu Boden fallen und atmete ein-, zweimal kräftig ein. Ihr Gesicht war immer noch ganz warm.

„Sanzomon, Sanzomon!“, trällerten die Stimmen junger Digimon. Ein Kyubimon, mit Sistermon Noir auf dem Rücken, diese wiederum mit zwei Pinamon und Puffmon auf dem Schoß, kamen die Reihen der Mauer entlang gelaufen und sprangen schließlich hoch zu Sanzomon.

„Huch, alles okay, Meister?“, fragte Sistermon Noir, schockiert über Sanzomons puderrotes Gesicht, dass man trotz Halstuch, ebenso rot, doch gut erkennen konnte.

„Sanzomon, wir haben Seerosen für Euch geholt“, sagte Puffmon ganz stolz, ohne Sanzomons Scham undAufregung anzuerkennen.

„Ja, wir haben nur die Schönsten ausgesucht.“

„Sistermon und Kyubimon haben uns dabei geholfen“, fügten die beiden Pinamon hinzu. An jeder Seite von Kyubimon hingen, mit Seilen befestigte Steintöpfe. Sistermon Noir nahm einen davon ab und reichte es Sanzomon, nachdem sie den mit Mosaik verzierten Deckel wegnahm. Der, zugegeben nicht gerade leichte Steinkrug war fast bis zum Rand mit klarem Wasser gefüllt und überdeckt mit schneeweißen Seerosen.

Die Pflanze hatte einst Jijimon hier heimisch gemacht. Wachsen tat sie überall auf Server, aber mit den Jahren und durch die gute Pflege entwickelte sie mit der Zeit einen deutlichen, süß-blumigen Geruch. Die Pflanze selbst war jedoch scharf und bitter, getrocknet aber eigneten sich die Blüten hervorragend für Medizin, Tee und, wie Sirenmon herausfand als Gewürz. Also ernteten Sanzomon und die beiden Sistermon regelmäßig davon, um die getrockneten Blüten zu verarbeiten und damit auch handeln zu können.

Aber in dieser Form, in weiß und rosa füllte Sanzomon das Schloss damit, um etwas Natur und Schönheit in die dunklen und kahlen Schlossmauern zu bringen.

„Ich danke euch. Das ist so lieb“, seufzte Sanzomon, alle fünf Digimon blickten verlegen zu Boden. Nur konnte Sanzomon sich nicht auf die reine Farbe oder den Geruch konzentrieren, den sie sonst eigentlich mochte (im Gegensatz zu ihren Schülern, die ihn zu penetrant fanden). Nur wie kühl das Wasser wohl war im Vergleich zu ihrem Gesicht.

Dann, urplötzlich, tauchte Sanzomon ihr Gesicht, das gerade so in das Loch des Kruges passte, in das Wasser, unter den überraschten Blicken der anderen Digimon. Schweigend sahen sie zu, aber keiner sagte etwas und je mehr Zeit verstrich, in der Sanzomon nur ihr Gesicht unter Wasser hielt, um so nervöser wurden sie.

„Sistermon Noir, mach etwas, sonst ertrinkt sie noch!“, forderte Kyubimon sie auf, aber ehe Sistermon Noir sie auch nur anfassen konnte, riss Sanzomon mit einem lauten Schnappen nach Luft ihr Gesicht wieder aus dem Wasser. Zwei kleine Seerosenblüten verfingen sich in ihrem Haar und alles um sie herum war klitschnass geworden.

Aber das war nötig gewesen.

„I-I-Ist alles in Ordnung mit Euch, Meister Sanzomon?“

„Blendend“, sagte Sanzomon zu Sistermon Noir fast monoton, ohne sie aber dabei anzusehen. Ihre Gedanken waren ganz woanders.

„Mir geht es absolut blendend.“

 
 


 

Die Kaktuswüste war in den richtigen Regionen und zur richtigen Zeit ziemlich schattig und in der Nacht kühl zu Phantomons Glück. Der Ewige Wald lag hinter ihm und er hoffte Cho-Hakkaimon endlich los zu sein, nicht ahnend, dass sie ihm immer noch dicht auf den Fersen war. Sie war ihm die ganze Schicht über gefolgt, schließlich war es Sanzomons Order, dass ihre Schüler im Wechsel etwas auf die Geist-Digimon aufpassten, immerhin waren sie neu. Dass Cho-Hakkaimon übereifrig war war ja bekannt, aber Phantomon fühlte sich eher belästigt (und bekam von seinem Meister wenig Mitgefühl, doch wen wunderte es).

Und nun am Rande des Waldes holte sie ihn wieder ein, geradezu freudestrahlend, bis seine Sense fast ihren Bauch berührte und sie vielleicht sogar durchbohrt hätte, wäre das Digimon im Schweins-Kostüm nicht rechtzeitig und mit weit ausgestreckten Armen stehengeblieben.

„Hast du eigentlich gar keinen Funken Anstand oder Respekt? Was soll dieses kindische Verhalten? Was für ein Ultra-Level willst du eigentlich darstellen?“, keifte Phantomon sie ungehalten an, aber Cho-Hakkaimons Gesicht, wenn auch fragend blieb strahlend und unbedarft, frei von jedem Schuldbewusstsein.

„Sanzomon sagte, wir sollen uns gut um euch kümmern. Sie sagt, Geist-Digimon haben es heutzutage gar nicht so leicht und sind sehr unbeliebt“, erklärte sie und, wie Phantomon merkte war dieses Digimon auch frei von jeglichen Taktgefühl. „Also sollen wir euch möglichst gut und respektvoll behandeln und euch so gut wie es geht in unseren Alltag integrieren.“

„Was hat dein aufsässiges Gehabe mit Integration zu tun?“

„Absolut gar nichts“, antwortete Cho-Hakkaimon mit trällernder Stimme. Phantomon schwieg und sie lächelte weiter. Zu gern hätte sie ja gewusst wie er unter seiner Kutte aussah, aber da die Bakemon und Soulmon selbst schon regelrecht scheu waren und sich nicht ohne ihre Laken oder im Falle der Soulmon nicht einmal ohne Hut zeigen wollten, konnte sie sich denken, dass Phantomon es nicht lustig finde würde, würde sie versuchen einen Blick zu erhaschen. Angeblich sollte unter der Kleidung ein riesiges schwarzes Loch sein und kurz überkam Cho-Hakkaimon die Angst, sie könnte dort hineingezogen werden. Jedoch, wenn es so wäre, wie sollte dann der Stoff halten, schließlich sogen Schwarze Löcher alles in sich hinein?

„Was soll das heißen, nichts?“

„Ich mag Digimon, die Temperament haben. Du wirkst zudem ulkig. Das mag ich.“

„Ulkig? Ulkig?!“, wiederholte Phantomon immer wütender, aber auch leiser. Erst als er auf dem Boden lag, erkannte Cho-Hakkaimon den Grund. Hinter den Sandhügeln der Kaktuswüste stieg allmählich die Sonne auf, die Mammutkakteen verschmolzen in der Ferne mit dem weißgoldenen Morgenlicht.

Cho-Hakkaimon überkam Müdigkeit. Für Nachtschichten war sie nicht gemacht und wenn sie früher Nächte durch machte, mit zwielichtigen Gesellen und viel Alkohol. Sie freute sich auf ihr Bett, wissend jedoch, dass dieser Schlaf nicht lange sein würde. Gegen Mittag rum würden die Baby-Digimon sie aus dem Bett werfen und anschließend zu Sanzomons Unterricht müssen. Meditation am Morgen, Theorie am Nachmittag. Sie hasste Theorie.

„Digimon wie ihr wisst gar nicht, wie so ein Leben ist“, nuschelte Phantomon in den Sand. Cho-Hakkaimon ging in ihre Knie um ihn besser hören zu können. Er klang wirklich sehr schwach, je heller es wurde.

„So viele Kriege, so viele Kämpfe... Aber sich damit beschäftigt, wie es ist wie wir zu sein hat sich niemand. Der Tod ist ein unangenehmes Thema in der Digiwelt. Niemand will darüber nachdenken was Tod eigentlich bedeutet. Nicht wiedergeboren zu werden ist eine Schmach. Viele haben uns Geistern ein besseres Dasein versprochen. Integration? Tse. Für sie waren wir billige Soldaten. Wenn einer von uns draufgeht, ist es nicht schade. Wir sind ja nur kaputte Daten.“

Eine etwas stärkere Böe wirbelte Sand auf, der auf Phantomons Kutte fiel, den Cho-Hakkaimon aber sofort wegklopfte. Und plötzlich fiel ihr auf, dass sie außer dem Stoff des Kleidungsstückes nichts von Phantomon spürte. Als existierte er gar nicht. Nur der Stoff, der vage etwas von dem Digimon einfing, dass ihn trug.

„Wir mögen untot sein, aber wir sind nicht frei von Schmerzen. Für viele sind wir keine richtigen Digimon. Mir ist es gleich, doch meine Brüder leiden unter ihren kaputten Daten. Wir sind nicht wie ihr. Aber das verstehen solche wie ihr nicht. Uns kann man nicht einfach so integrieren.“

„Hat's denn je einer versucht?“, fragte Cho-Hakkaimon gänzlich unbedarft und direkt in ihrem Ton. „Von euch Geist-Digimon hört man ja auch nie viel. Ihr seid nur unter euch, verkriecht euch und seid jedem gleich feindlich gesinnt. Außerdem findet man euch immer nur in den dunkelsten und deprimierensten Ecken, die ihr nie verlasst. Kein Wunder, das ihr so griesgrämig seid. Dabei könnt ihr doch auch ganz anders sein. Myotismon war doch auch keiner von euch, aber ihr akzeptiert ihn als König.“

„Das ist nicht vergleichbar...“

„Doch. Ist es.“

Phantomons Gesicht hob sich nicht mehr. Er schnaufte nicht einmal mehr genervt und als Cho-Hakkaimon das bewusst wurde, trübte sich ihre Mine. Und es tat ihr Leid. Vielleicht war Phantomon es einfach nicht gewohnt unter lebenden Digimon zu sein. Und was er sagte stimmte durchaus – Geist-Digimon wurden wirklich nicht gut behandelt. Vermutlich hing Phantomon genauso sehr an Myotismon wie sie an Sanzomon, weil sie ihnen eine Alternative schenkten.

„Weißt du, Phantomon, mein Meister vor Sanzomon glaubte auch, ich integriere mich niemals irgendwo hin. Und Virus-Typen hat sie gehasst und sie lehrte uns, wie durchtrieben sie seien. Aber ich mag Gokuwmon und ich mag Sagomon. Und ich bin froh Meister Sanzomon getroffen zu haben. Ich finde wir passen gut zusammen und wir helfen einander. Auch wenn ich die Partys vermisse. Und ihr Geist-Digimon passt auch zu uns, dass kannst du mir glauben.“

Wieder gab Phantomon keine Antwort. Zarter Morgenwind trug Sand von der Wüste an den noch in schwacher Dunkelheit getauchten Waldrand, über dessen Bäume und Sträucher nach und nach die Strahlen strichen und aus seinen Schlaf rissen.

„Phan... tomon..?“

Vorsichtig berührte Cho-Hakkaimon die Kutte Phantomons. Erst tippte sie ihn nur an, dann zog sie vorsichtig an ihm, doch er rührte sich nicht und Cho-Hakkaimon bekam es mit der Angst zu tun. Wenn Myotismon Sonne abbekam löste er sich zwar nicht sofort auf, aber er erzählte direktes Sonnenlicht sei, als würde man ihm Quecksilber über die Haut gießen und er war schon sehr stark. Ob Phantomon -

„Hat man dir nicht beigebracht, dass man Geist-Digimon nicht unter die Kutte schaut?“, baffte Phantomon schließlich, als sie seine Kapuze leicht anhob, woraufhin Cho-Hakkaimon brüllte:

„Ey, entschuldige, ja? Ich dachte gerade du stirbst!“

„Ich sterbe nicht wegen dem bisschen Licht.“

Zuerst stützte Phantomon sich mit den Armen ab und hob den Oberkörper wieder, dann schwebte er wenige Zentimeter über dem Boden, doch er torkelte dabei wie ein Betrunkener. Cho-Hakkaimon sah dem eine Weile zu, dann schnappte sie Phantomon an seiner Kapuze und zog ihn zu sich. Kaum Widerstand, dazu wog er so gut wie nichts (als Geist vermutlich logisch). Besagtes Geist-Digimon brummte etwas vor sich hin, dass Cho-Hakkaimon ignorierte und schwang ihn fast wie ein nasses Handtuch um ihre Schultern.

„Komm, ich bring dich nach Hause. Dann kannst du in deinem Zimmer weiter schmollen. Und Morgen probieren wir es einfach nochmal. Wir kriegen noch unsere lustige Nachtschicht.“

„Bitte nicht“, murmelte Phantomon beinahe schon deprimiert. Nun spürte Cho-Hakkaimon auch Gewicht auf ihrer linken Schulter, genau da wo Phantomon seinen Kopf ablegte, doch das bisschen Gewicht kam einzig vom Stoff seiner Kapuze. Von dem Digimon selbst spürte sie nicht wirklich etwas. Geist-Digimon waren wirklich gruselig.

Vorsichtig ging Cho-Hakkaimon erst einen Schritt zurück, machte dann auf dem Absatz kehrt, nur aber bei der Hälfte ihrer Bewegung zu erstarren. Im Augenwinkel bemerkte Cho-Hakkaimon wie die Kaktuswüste durch eine aufkommende Staubwolke ihrer frühmorgendlichen und verschlafenen Anmut beraubt wurde. Das Naheliegenste wäre gewesen, dass irgendeine Horde von Digimon – Monochromon oder Mammutmon – in Scharen vorbei rannten, doch Metall glänzte zwischen dem Sandböen. Der Boden vibrierte durch die Räder und ein geradezu ekelhafter Laut nahm der Kulisse letztlich jede harmonische Ausstrahlung.

„Ist das ein Zug?“, fragte Cho-Hakkaimon irritiert, als glaubte sie nicht, was sie sah, obwohl dieser Zug immer näher kam, aber dem Kurs zu urteilen an ihnen vorbeifahren würde.

„Schlimmer“, ächzte Phantomon, als er die aufgemalte, affenähnliche Fratze auf dem Zug sah. „Das ist der Karren, mit dem Etemon durch die Gegend fährt.“

„Was macht der hier?“

Ohne weitere Worte, denn eine Antwort hatte keiner von beiden parat (und auch weiter etwas besorgt wegen Phantomon), verkroch sich Cho-Hakkaimon weiter in den Wald und ging hinter einem Strauch in die Knie. Durch die Blätter, an denen noch der Morgentau haftete beobachtete sie den großen Laster, der am Ewigen Wald vorbeifuhr. Doch kann schoss etwas aus dem Zug heraus und flog wie eine Rakete davon, aber fiel nach wenigen Metern wieder steil hinab. Was erst wie eben eine Rakete aussah und schließlich über den Sand schlürfte, stellte sich als ein Digimon heraus.

„Ist das ein Datamon? Ich sehe das bei dem Licht kaum“, harkte Phantomon nach und kniff die Augen zusammen. Cho-Hakkaimon nickte lautlos. Sie hielt sich den Mund zu, ehe ihr etwas herausrutschte.

Der Zug blieb stehen, eine Tür klappte nach oben auf und Gazimon sprangen nach und nach heraus. Sie rannte zu dem Datamon, dass sich im Sand kaum fortbewegen konnte, da es auf diesem Untergrund keinen Halt fand und die Sandkörner zudem die Getriebe verstopften. Wenn auch offensichtlich geschwächt und verletzt, konnte Datamon die Gazimon mit nur wenigen Digibomben überwältigen.

Wieder behinderte eine Sandwolke die Sicht und gerade als Cho-Hakkaimon der Verdacht aufstieg, genau zu wissen was für ein Datamon das war und Erleichterung verspürte es zu sehen, sogar noch den Mund öffnete um nach ihm zu rufen flog Datamon durch die Wolke und mit voller Wucht auf den sandigen Boden. Es zerschellte. Scherben seines Helms und Metallstücke flogen umher und landeten neben dem regungslosen Körper. Es war nicht tot, natürlich nicht, sonst hätte es sich aufgelöst, aber so beschädigt wie Datamon war, war es absolut handlungsunfähig.

Cho-Hakkaimon und auch Phantomon standen da, erstarrt. Die Münder weit auf, genau wie die Augen.

Wie Etemon auf Datamon zuraste und dieses Datamon mit nur einem Faustschlag durch die Gegend schleuderte hatten Cho-Hakkaimon und Phantomon gar nicht realisieren können, bis das affenähnliche Puppen-Digimon neben dem Maschinen-Digimon stand, erst grinsend und dann laut lachend. Auch wenn die beiden wie Etemon Ultra-Level waren, konnten sie erst gar nicht glauben, dass so ein Digimon so eine Kraft haben konnte. Ein einziger Fausthieb. Mehr nicht. Dazu diese enorme Geschwindigkeit. Geradezu abnorm, selbst für ein Etemon.

„Nein...“

Cho-Hakkaimon hatte sich erst nur halb aufgerichtet, da drückte eine andere physische Kraft eines anderen Affen-Digimon sie wieder hinunter und noch tiefer in das Gestrüpp. Als sie und Phantomon aufsahen, blickte Gokuwmon zu ihnen hinunter. Er schüttelte den Kopf und legte einen Finger auf die Lippen.

„Ich suche euch schon eine halbe Ewigkeit. Sanzomon macht sich schon Sorgen, verschlimmere also die Situation nicht, Cho-Hakkaimon.“

„Willst du nur zusehen?“, maulte Cho-Hakkaimon mit gedrückter Stimme. „Wenn sie ihn -“

„Willst du dich mit denen anlegen? Selbst wenn wir mit Etemon mithalten können, willst du riskieren, dass sie unser zu Hause finden? Das ist zu gefährlich. Denk allein an die Kleinen.“

Entrüstet, aber sich eingestehend, dass ihr Mitschüler und Kamerad Recht hatte, biss Cho-Hakkaimon sich auf die Lippen und beobachtete dabei, wie die Einzelteile von Datamon unter Etemons Kommando von den Gazimon eingesammelt und zurück in den Zug getragen wurden.

„Und denk mal an Phantomon. Dir geht’s echt dreckig, oder?“

„Redet nicht so viel. Mein Kopf schmerzt“, ächzte Phantomon. Er zog dabei seine Kapuze so tief herunter, dass man nicht einmal seine Augen mehr sah.

Hilfesuchend und noch mit dem Gewissen ringend – Gokuwmon und Sagomon hätten dies bizarr gefunden, da sie lange glaubten Cho-Hakkaimon hätte keines – wechselte sie zwischen Gokuwmon und dem davonfahrenden Zug Etemons hin und her und da sie keine Anstalten machte zu gehen, drückte Gokuwmon sie noch weiter zurück.

„Jetzt starr keine Löcher in die Luft und bring den Ärmsten wieder zurück. Am Ende fängt er noch Feuer. Und ich hab’ keine Lust noch Ärger mit Myotismon zu bekommen“, sagte Gokuwmon mit einem recht resignierten Blick auf Phantomon.

„Und du?“

„Ich seh mir das an. Ich will schon wissen, was so ein Digimon hier macht. Und normalerweise machen die Meister der Dunkelheit keine Gefangenen.“

„Du weißt aber, wenn du geschnappt wirst, helfe ich dir auch nicht“, motzte Cho-Hakkaimon mit gerümpfter Nase.

„Was anderes würde ich gar nicht von dir oder den anderen verlangen. Aber ich lass mich nicht schnappen.“

Dreimal schlug Gokuwmon mit dem Ende seines Stabs auf den Boden, dabei fing dieser an Funken zu sprühen. Dann stieg Dampf auf, was Phantomon selbst erst für eine Fata Morgana hielt oder die Sonne stand mittlerweile schon so hoch, dass der Tau verdunstete – dass dies unmöglich war, kam ihm erst später.

Der Dunst wurde zu Rauch und dieser Rauch zu einer Wolke und Phantomon traute auch weiter seinen Augen nicht, als Gokuwmon sich einfach auf die Wolke setzte um dem Zug mit einem gewissen Sicherheitsabstand hinterherzufliegen.

Phantomon hatte so etwas nie gesehen und durch die Helligkeit erschlagen, überraschte ihn das tatsächlich und kam zum Schluss, dass das einfach eine Halluzination war.

Er halluzinierte. Genau. Seine Gedanken schwammen und nahmen Dinge gar nicht oder falsch auf.

Genau. Sein Kopf spielte ihm einen Streich. Das was er sah und hörte war nicht die Realität. Die Sonne und die ganze Atmosphäre drückten auf seinen Verstand. Dazu kam, dass Sanzomon ihren Findelkindern ständig aus ALICE IM WUNDERLAND vorlas. Ja. Das machte Sinn. Er hörte schon den merkwürdigsten Quatsch. Aber bis sie wieder zurück im Schloss waren, würde Phantomon dieses Gebrabbel von eben wieder vergessen haben.

„Sag, war das Hutmacher? Hat die Herzkönigin unseren Hutmacher wirklich gefangen genommen?“

 
 

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„Wir hatten es schon befürchtet. Hutmacher sitzt im Kerker“, sagte ihr Gokuwmon eines abends, in einer Halbmondnacht, im Vertrauen und ganz leise, während er und Sanzomon durch die Gänge liefen und sie wusste gleich, was es hieß. Sanzomon hatte sich schon gewundert, warum so lange nichts mehr von Datamon kam.

„Und wie ist es passiert?“

„Der Zaunkönig hat ihn in Einzelteile zerschlagen.“

Zaunkönig war Etemons Deckname, dass wohl, wie Sanzomon erfuhr auch zu Piedmon gehörte, da er selbst Digimon als Untergebene hatte und einen sehr vertrauten Umgang mit den Meister der Dunkelheit pflegte. Nicht zuletzt auch, weil er sich öffentlich zu ihnen bekehrte. Viel wusste Sanzomon von ihm nicht, nur dass er sehr laut und überheblich sei. Mit der Krähe Devimon, dem Käfer Machinedramon, dem Fisch MetalSeadramon und dem Spatz Puppetmon waren sie zusammen mit der Herzkönigin Piedmon an der Spitze nun also zu sechst.

Cho-Hakkaimon kam sehr aufgebracht am frühen Vormittag zurück und berichtete von dem, was sie und Phantomon am Waldrand sahen. Phantomon selbst war erschöpft und einem Zustand ähnlich eines Delirs nichts zu den Erzählungen beitragen.

Gokuwmon kam am Nachmittag des selben Tages zurück. Er war ihnen bis zu einer Pyramide gefolgt, die Etemon gehörte und sahen wie Datamon, verletzt vom Kampf dort einsperrt wurde. Und so wie sie vermutete, war dieses Datamon wirklich jenes, mit dem Sanzomon bereits drei, vier Briefe und Informationen austauschte. Gokuwmon und Sagomon hatten am Folgetag mehrmals die Pyramide aufgesucht und versucht herauszufinden, was dort vor sich ging und eventuell einen Rettungsversuch zu starten. Dieses Gebilde wurde jedoch rund um die Uhr von den Schergen Etemons bewacht und dabei hielt er noch Unterstützung von der Technik Machinedramons.

Bisher aber hatte sich nichts getan. Einzig was sie sagen konnte war, dass dieses Datamon wirklich Hutmacher war.

„Kann man nichts tun?“

„Unmöglich. Der Zaunkönig hat Kabel um die Pyramide gelegt. Vermutlich ist er direkt mit ihr vernetzt. Wenn wir da einbrechen, fliegen wir auf. Zudem sind dort zu viele Fliegen, die die Tat hätten sehen können.“

Fliege war ihre gängigste Bezeichnung für die Lakaien der Meister der Dunkelheit gewesen.

„Ob sie herausgefunden haben, dass er mit der Weißen Königin Kontakt hatte?“, fragte Sanzomon besorgt.

„Selbst wenn, lieber würde der Hutmacher sich köpfen lassen, als etwas Sinniges zu sagen. Er, Siebenschläfer und alle schworen beim Mann im Mond. Und sie würden nicht wollen, dass die Weiße Königin sich deswegen schämt.“

Er legte den Kopf zu Seite, so dass Gokuwmon direkt in Sanzomons Gesicht schauen konnte, auch wenn Sanzomon ihren Blick senkte. Ein Blick voller Schuldgefühle.

„Oder ihr Reich in Gefahr bringt. Dass sie nicht Schachmatt geht ist wichtig. Denkt an die Kleinen. Was sollen sie ohne die weiße Königin machen, Meister?“

Gokuwmon sagte das immer, aber jedes Mal fühlte sich Sanzomon schlecht dabei. Sie wollte helfen, aber durfte nicht. Sie hatte es als Weiße Königin und Nachfolgerin der Roten Königin dem Mann im Mond geschworen. Ihre Schüler waren die Einzigen die das wussten, vor dem Rest verschwieg sie es. Die meisten ihrer Briefkontakte wusste nicht einmal, was für ein Digimon die Weiße Königin überhaupt war. In Zeiten wie diesen war es besser so.

Gokuwmon war auch der Einzige, der Sanzomon ungeniert den Arm reichte, dass sie sich dagegen lehnen konnte, trotz dass sein Fell kratzig war. Aber es hatte ihr noch nie etwas ausgemacht.

Opfer waren nicht Sanzomons Art, dass wusste Gokuwmon. Sie wollte, gutmütig und pazifistisch wie sie war für alle das Beste, auch wenn sie selbst wusste, dass so etwas meist unmöglich war. Aber darin lag ihre doch noch verträumte Ader, die sich nach Schönem und Friedlichem sehnte und gleichzeitig alles sehen, hören und fühlen zu wollen, egal wie verdorben und hässlich es war, um darin etwas zu finden, was ihr Wunderland bereichern könnte.

Doch merkte man, dass es Sanzomon an Durchsetzungskraft mangelte. Als Tinkermon war sie wesentlich ängstlicher, aber ganz los wurde sie diese Eigenschaft nicht, auch wenn sie hart an sich gearbeitete. Manche Last wurde man nie los. Sie wusste das aber, genauso wie ihre Schüler wussten, die alle drei erfahrene Krieger waren, dass Sanzomon eben kein Digimon war, dass an eine Front gehörte. Oder in Angelegenheiten wie diese hier. Sie kämpfte nicht einmal, sondern hoffte, ihre Fähigkeiten, die Kampfeslust wie auch Wut tilgten reichten, um unentdeckt zu bleiben, was sie bisher auch taten. Die Erziehung und Pflege heimatloser Digimon und das Schreiben lagen ihr eher.

Seit diese Fledermaus aber hier war...

„Ihr wirkt in letzter Zeit ohnehin so abwesend, Meister Sanzomon“, sagte Gokuwmon, er drosselte sein Schritttempo, so dass Sanzomon, die sich an ihn lehnte Schritt halten konnte.

„Ich bin in meine Arbeit vertieft, mehr nicht.“

„Und ihr habt keine Fledermaus unter Eurem Hut?“

Sanzomons Gewicht entfernte sich von Gokuwmons Arm. Sie begriff zwar, dass Gokuwmon nur einen Kinderreim aufgesagte, wie sie es für alles taten was nicht laut ausgesprochen werden sollte, aber sich für dass, was er damit aussagen wollte einen zu Offensichtlichen rausgesucht hatte.

„Fiel dir kein besseres Synonym ein?“

„Aber Ihr habt mich verstanden“, fügte Gokuwmon hinzu und ging noch einige Schritte, bis er merkte, dass Sanzomon stehen geblieben und wieder zurück in die Dunkelheit der steinigen Schlossgänge gelaufen war.

Dass die Holztür zur Bibliothek offen stand, hätte man noch einfach so abtun können. Das schwache Kerzenlicht, was darin brannte auch. Aber nicht, dass die Fledermaus nicht unter dem Hut, sondern da drin war, ohne dass Sanzomon etwas davon wusste.

Myotismon lehnte gegen einen der Tische, wenig gestört von dem Chaos, dass Sanzomon bei ihrer Arbeit verursacht hatte und hielt eines von ihren etwas dünner geratenen Büchern in der Hand, mit dem Titel, in einer anderen, alten Schrift aber grob übersetzt, EINFLÜSSE DER DIGIWELT AUF NATUR UND GEIST.

„Meister San-“

„Schon gut. Ich kümmere mich darum. Alleine.“

Sie merkte, dass Gokuwmon mit ihr gehen wollte. Er akzeptierte ihren Wunsch nur ungern, ging aber weiter durch die Gänge, für ihn aber ungewohnt langsam, wie Sanzomon auffiel. Sie wartete, bis Gokuwmon aus dem Sichtfeld verschwunden war und sie das Echo seiner Schritte nicht mehr hörte.

Myotismon schien ihr Eintreten keine Beachtung zu schenken, selbst als sie direkt neben ihm mit verschränkten Armen stand und ein gezwungen höfliches „Guten Abend“ von sich gab. Sie wollte es wiederholen, bis er ihr selbst nur ein „Guten Abend“ schenkte, aber dabei nicht so wirkte, als hätte er ihre Anwesenheit wirklich erfasst.

„Darf man fragen, was du da machst?“

„Sieht man das nicht?“, antwortete er, ohne seinen Blick von den Seiten zu nehmen. Sie schwiegen einander an, bis Myotismon schließlich doch zu Sanzomon sah und merkte, dass ihr irgendetwas nicht gefiel. Und da er von selbst nicht darauf zu kommen schien, schaute Sanzomon auf das Buch und dann wieder ihm ins Gesicht. Er blinzelte kurz.

„Das ist nicht dein Ernst?“

Es war ihr voller Ernst. Zwar lachte er noch darüber, aber es verging ihm, als Sanzomon ihm die offene Hand entgegenhielt. Wütend klatschte Myotismon das Buch wieder zu und schlug es ihr regelrecht in die Hand.

„Das ist erniedrigend, weißt du das?“

„Wir hatten eine Abmachung und an diese hast du dich zu halten. Du darfst die Bücher lesen, die ich dir erlaube.“

„Und mit welchem Sinn?“

Sanzomon versuchte ihn zu ignorieren. Auf dem Tisch standen noch mehr Bücher, die meisten davon von der Sorte, die ihrer Meinung nach nichts in seiner Nähe zu suchen hatten (DIGITATION DES LEBENS – DAS ES UND DAS ÜBER-ICH, THEORIE DER EMOTIONEN UND DIGITATIONEN, DIE BEDEUTUNG VON LICHT UND DUNKELHEIT IN DER DIGIWELT, RATIONALITÄT UND EMOTIONALITÄT, KRITIK AM REINEN DENKEN, TRIEBE UND GEWISSEN – WAS IST KRANKHEIT UND WAS ENTWICKLUNG?). Sie konnte nur hoffen, dass er nicht ihre Unterlagen gefunden hatte. Myotismon würde vermutlich nicht verstehen, was darin stand, aber man konnte nie wissen.

„Es reicht, wenn ich den Sinn und Zweck kenne.“

„Und was steht da alles so Wichtiges darin, dass ich vorher dich um Erlaubnis bitten muss?“

Sanzomon griff nach den Büchern auf den Tisch und ein paar Schriftstücken, die daneben lagen, die meisten davon Sternkarten.

„Wichtige Dinge eben.“

„Sehr aufschlussreich“, knurrte Myotismon verächtlich und sie ging an ihm vorbei, um ihre Bücher wieder dorthin zu stellen, wo sie hingehörten. Vielleicht war es der falsche Zeitpunkt um mit Aufräumen zu beginnen, es wäre auch viel einfacher gewesen mit Telekinese alles auf einmal wieder einzuordnen, aber sie brauchte eine Nebenbeschäftigung, auf die sie sich konzentrieren konnte, um nicht an Myotismon zu denken, dessen Blick sie im Nacken spürte. Und auch wenn sie nicht gerade das ordentlichste Digimon ihrer Sorte war, aber das Wissen, dass die Bücher an ihrem Platz waren, statt in Myotismons Hand war beruhigender und tatsächlich überlegte sie, ob sie Talismane anbringen sollte. Aber dann wäre alles viel zu offensichtlich und ihrem alten Freund gegenüber unfair.

„Du nutzt deine Position aus, nur um mich klein zu halten und ich darf mich nicht einmal kritisch äußern, weil ich und mein Gefolge von dir abhängig sind. Ist das deine Rache, weil ich damals abgehauen bin?“

„Fang nicht damit an. Du wolltest deinen Weg gehen und ich habe dich gehen lassen, obwohl Jijimon und Babamon alles andere als begeistert davon waren. Dass du mir so etwas unterstellst ist demütigend.“

Mittlerweile legte Sanzomon die Bücher nicht mehr, sondern warf sie zurück auf ihren ursprünglichen Platz und dann war es auch noch zu dunkel hier drin. Warum hatte er überhaupt nur eine einzige Kerze an? Wer konnte so lesen?

Myotismons Schatten tauchte neben ihrem auf und der Raum wirkte gleich noch viel dunkler, wie er es ohnehin schon war. Nicht mal genug Mondlicht kam durchs Fenster. Sanzomon musste ihn nicht mal anschauen, sie wusste, welch erbostes Gesicht Myotismon zog.

„Du demütigst dich nur selbst. Glaubst du wirklich, diese wichtigen Dinge, die du da auf Papier kritzelst verändern irgendetwas in der Digiwelt?“

„Was soll ich deiner Meinung nach sonst tun?“, zischte Sanzomon, weiter nur auf ihre Bücher schauend.

„Du könntest aufhören, dich wie eine Traumtänzerin aufzuführen. Wir leben hier in der Digiwelt! Einer digitalen Welt! Allein der Name impliziert schon die Sinnlosigkeit deiner Lektüre. Sinn für Moral und Mitgefühle - Ich habe nie einen schlechteren Witz gehört.“

„Also soll ich deiner Meinung nach gar nichts tun und mich einfach meiner digitalen Natur hingeben? Sieh mich an, ich bestehe nur aus Daten, ich habe weder Willen noch Persönlichkeit, denn alles was ich tue ist vorprogrammiert. Ich bin nur die Kopie der Kopie der Kopie.“

Während sie das sagte, gestikulierte Sanzomon wild mit ihren Hände. Anschließend hatte sie sich dazu aufraffen können kurz zu Myotismon zu schauen, um schließlich zu merken, wie er sein Gesicht noch mehrvon Wut verzerrt war, wie sie sich es vorgestellt hatte.

„Wir Digimon bestehen schon lange nicht mehr nur aus einer Aneinanderreihung von Daten und einprogrammierten Trieben", erzählte sie weiter. „Wir haben einen Willen, wir sind fähig zu fühlen und zu verstehen. Wenn sie keinen Denkanstoß bekommen, wie soll sich jemals etwas zum Besseren in der Digiwelt ändern? Was soll die Digiwelt sonst lernen? Oder wie? Und wenn eben keiner diese starren Muster hinterfragt, die in der Vergangenheit nur ärger gebracht haben, dann tu ich es eben. Auf meine Art.“

„Und subjektive Emotionen sind deine Lösung?“

„Empathie! Empathie um Triebe zu hinterfragen und den Willen stärken, die reine Logik durch Sinne zu erweitern. Und wenn die Meister der Dunkelheit sich durch das bisschen Philosophie angegriffen fühlen, können sie nicht sonderlich von ihren eigenen Idealen überzeugt sein.“

Myotismon sagte nichts, schnaufte nur. Er und Sanzomon stierten sich an, dann widmete sie sich wieder dem Aufräumen der Bücher. Sie dachte, Myotismon hätte genug von dieser Diskussion, da sie voraussichtlich nirgendwo hinführte. Sanzomon hatte sich damit abgefunden, dass sie beide komplett andere Ansichten vom Leben besaßen.

Dann aber kam Myotismon noch ein Stück näher.

„Du hältst dich wohl für etwas Besseres, weil du kein Virus mehr bist, sondern zu Sanzomon digitiert bist. Ein Serum-Digimon mit heiligen Status, dass Digimon wie die Meister der Dunkelheit oder eben wie mich verabscheut.“

Das letzte Buch, dass Sanzomon noch in ihrer Hand gehalten hatte, was gleichzeitig das Dickste war schlug sie mit aller Kraft ins Regal zurück. Der Gegenstoß spürte sie sofort in ihrem Handgelenk. Einige Bücher aus den oberen Reihen fielen heraus und landeten irgendwo in ihrer Nähe verteilt.

„Fang nicht wieder mit dieser Rassen- und Typus-Geschichte an! Das hat damit nichts zu tun!“

Ihr Schrei musste lauter wie alles andere gewesen sein, was sie jemals mit ihrer Stimme zustande gebracht hatte. Sanzomons Kehle begann zu kratzen und dann spürte sie den Knoten darin, dass sie fast kaum atmen konnte. Ihre Finger, die sich tief in das Leder der Buchrücken krallten taten weh. Wer weiß, vielleicht hätte sie im Affekt Myotismon, der wie erwartet erbost und verärgert auf sie herabblickte sogar das Buch an den Kopf geworfen, wäre ihre Brust nicht so schwer geworden und würde ihr Schreien sie schon alles an Kraft berauben, was sie in ihrem zierlichen Körper besaß.

„Dass ich zu Sanzomon digitiert bin ist unbedeutend. Ich weiß doch selbst nicht, warum ich zu so einem Digimon geworden bin. Aber ich bin ich, egal ob ich ein Virus geblieben wäre oder wie jetzt zu einem Serum geworden bin! Also hör auf mir so etwas zu unterstellen! Ich wurde nicht gefragt, welchem Typus oder welcher Rasse ich angehören will!

Irgendwie hatte Sanzomon es geschafft den Knoten in ihrem Hals runter zu schlucken, wenn auch mit viel Überwindung. Dann wurde ihr klar, was sie hier tat. Sie hatte die Beherrschung verloren und ihren alten Freund direkt ins Gesicht gebrüllt. IhreWut wandelte sich in Entsetzen. Ihr Entsetzen zu Scham.

Seufzend lehnte sie ihren Kopf gegen die im Regal stehenden Bücher und ließ den Blick gesenkt. So emotional und unbeherrscht kannte sie sich nicht. Vielleicht lag es an dem, was Datamon passiert war. Vielleicht an allem, was die letzten Tage geschehen war.

Sanzomon kam sich so schwach vor. Und erschöpft.

„Entschuldige. Ich bin in letzter Zeit etwas überarbeitet.“

„Nicht zu übersehen. Das Licht in deinem Arbeitszimmer brennt fast die ganze Nacht“, sagte Myotismon, seine Stimme klang ungewohnt vorsichtig. Sanzomon schüttelte den Kopf.

„Einige der kleinen Digimon, die hier leben erging es genauso wie mir. Kennst du den alten Kinderreim von damals noch? Der, wenn ein Digimon ihn gesungen hat, von Jijimon und Babamon Haue bekam, selbst wenn es nur ein Schabernack war? Es gibt immer noch Teile in der Digiwelt, in denen man glaubt die Apartheid hätte Ordnung und Gerechtigkeit in die Digiwelt gebracht.“

„Das hat sie. Allerdings nur bis zu einem sehr schmalen Grad. Und zum Laster vieler anderer Digimon, die weder die Chance an Beteiligung, noch an Veränderung hatten.“

Ihre Arme versagten genauso, wie ihr Nacken es schon tat und Sanzomon ließ sie wie ihren Kopf hängen. Irgendwo aus ihrem tiefsten Inneren kamen die Ferse hoch, die sie vor sich hinmurmelte wie ihre allmorgendlichen und abendlichen Sutras.

„Aus was sind Serums gemacht? Aus Fleiß und klar'm Verstand, Glanz und fein'm Gewand. Aus was sind Dateien gemacht? Aus Schwarz' Stahl und Dreck, Weiß 'Asch' und Schreck.“

Sie schnappte nach Luft, doch diese brachte ihr keinen klaren Kopf, sondern rief nur wieder diesen Druck in ihrer Kehle hervor. Sie erinnerte sich an ihre Artgenossen. Geschwister. Wenn sie es je waren...

„Aus was sind Viren gemacht? Aus spitz' Krall und Dorn, dunk'l Nebel und Zorn...“

„Die Version der Viren ist genauso geschmacklos wie die der Serums, wenn dir dieses Wissen hilft. Ich persönlich empfinde jedoch die der Dateien als die schlimmste Version. Sie grenzt an Obszönität“, sagte Myotismon beinah angewidert. Sie sparte sich zu fragen, woher er die anderen Versionen dieses Kinderreimes kannte.

„Warum...“, hauchte Sanzomon, stoppte, als sie das Gefühl hatte, ihr liefen jeden Moment Tränen aus den Augen. „Warum ändert sich nichts an der Digiwelt? Die Apartheid hat nichts Gutes gebracht, warum also existiert sie immer noch in den Köpfen der Digimon? Warum kehren diese Dinge immer und immer wieder zurück? Warum ist die Digiwelt heute immer noch wie vor Jahrhunderten?“

„Weil wir Daten sind.“

Zwar wollte Sanzomon widersprechen und ärgerte sich einerseits, dass er wieder damit anfing. Diesmal jedoch wartete sie, ob Myotismon noch mehr zu sagen hatte, wie nur das. Eventuell war sie auch den Widerspruch leid. Sich immer wieder zu erklären erschöpfte.

„Du weißt doch sicher, dass die Apartheid nicht die erste Kriegsära war?“, fragte er und Sanzomon nickte.„Davor gab es viele Epochen, die sich bekriegten und schließlich versagten. Vor der Apartheid gab es die Beta-Ära, davor die Alpha-Ära. Und wer weiß, was davor noch war. Keine hielt sich. Sie alle strebten nach Ordnung und versanken im Chaos. Aber etwas anderes kann die Digiwelt nicht. Die Digiwelt ist eine Welt, die nicht lernt. Sie begeht immer und immer wieder die gleichen Fehler. Drei verschiedene Typen zu erschaffen war einer der Gravierendsten. Der Krieg zwischen den Typen ist einer von vielen missglückten Versuchen, Ordnung zu schaffen. Und weil die Digimon selbst nur Daten sind, die dem folgen, was sie beinhalten, wird sich das auch nicht ändern. “

„Warum gibt es dann Digimon, wie...“

Ein Schluchzen unterbrach Sanzomon. Schließlich aber sprach Myotismon genau das aus, was ihr auf der Seele lag.

„Digimon wie dich und mich, die nicht in dieses Muster passen?“, fragte er, statt ihrer. Sanzomon zögerte mit ihrer Antwort, aber nickte erneut.

„Ja...“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht stimmt mit unseren Daten etwas nicht. Oder wir sind verrückt.“

Nicht sein typisches Lächeln, aber ein Schmunzeln lag auf Myotismons Lippen. Sanzomon sah es, aber konnte sich nicht dazu aufbringen. Sie schüttelte nur wieder den Kopf.

„Nonsens“, zischte sie, ihr Haar hing in ihrem Gesicht wie ein dichter, goldener Vorhang. „Alles Blödsinn. Ein Typus sagt nichts über den Charakter aus. Der Typus sagt nichts darüber, wer Ich bin. Babamon hat mich durch Server geschickt und ich war Monate unterwegs. Vielleicht waren es auch Jahre, damit ich mein Ich finde. Sie hat es nie gesagt, aber ich bin davon überzeugt, dass es so war.“

„Hast du denn etwas gefunden?“

„Ja. Ich habe einen Außenseiter gefunden.“

Sanzomon nahm ihr letztes bisschen Mut und traute sie sich ihren Blick zu heben, um schließlich rechts neben ihr Myotismon zu erblicken, nachdem sie ihn wie eine Furie angeschrien hatte und sich dafür immer noch schämte. Er lehnte sich mit verschränkten Armen an das Bücherregal und stützte sich mit seiner Schulter und dem Kopf ab. Seine Gesichtszüge waren entspannt. Nun konnte sie gar keine Emotion in ihm sehen.

Sanzomon seufzte schwer. Sie wünschte, die blöde Kerze würde einfach ausgehen.

„Ich habe eingesehen, dass ich anders bin. Ich war unter den Tinkermon ein Außenseiter, ich war es unter den D'arcmon und unter den Sanzomon bin ich es vermutlich immer noch. Ich habe ihre Lektüre angefangen zu lesen, hoffend, dass ich ihnen etwas ähnlicher bin. Aber ich kann mich mit ihren Vorstellungen vom Leben auch nicht anfreunden. Dass das Leben nur Leid sein soll. Das der Wille Ich zu sein, die Begierde nach Existenz und Leidenschaft der Ursprung allen Leid sein soll. Dass das, was mir wichtig ist unvernünftig sei. Ist das nicht genauso schrecklich, wie sich und alles Leben in der Digiwelt nur auf Daten zu reduzieren?“

Sie wartete auf eine Aussage, einen Widerspruch um genau zu sein. Aber sie sahen sich nur an.

Er dachte nach. Und Sanzomon sah, dass Myotismon wirklich darüber nachdachte. Die blaue Farbe seiner Augen wanderte kurz nach oben und er kräuselte leicht die Lippen. Sein Gesicht war immer noch absolut entspannt.

Myotismon nahm das, was sie sagte ernst und tat mehr, wie sich darüber lustig zu machen oder es als etwas abzustempeln, dass die Nachwirkungen von Jijimons und Babamons Unsinns-Sprüchen hätte sein können. Allein dass er das tat, bewusst oder nicht rührte Sanzomon so sehr, dass ihr warm ums Herz wurde. Ihre Niedergeschlagenheit war weg, ein wenig zumindest.

„Aber dann ist es so. Ich bin ein Außenseiter. Das bin ich. Und sicher hat das einen gerechten Sinn. Etwas wollte, dass ich so bin. Wer weiß, vielleicht hätten sich meine Freunde mir nie angeschlossen, wenn ich kein Außenseiter wäre. Sie sind Außenseiter, wie ich. Gleich und gleich gesellt sich gern.“

Auch über diese Worte dachte Myotismon intensiver nach, als sich über das Wort Freunde zu amüsieren. Aber diesmal bekam Sanzomon auch etwas von ihm zurück.

„Ist es denn so furchtbar, ein Außenseiter zu sein? Manchmal kann man nirgendwo dazugehören. Als Dobermon war ich stets von Unruhe getrieben und dem Gedanken, dass ich irgendwo hin müsse. Hätte ich dieses Vorhaben nicht aufgeben, mich von alle dem gelöst wäre ich vermutlich nie auf das Ultra-Level digitiert. Man akzeptiert die Unbedeutsamkeit des Daseins. Wenn du Bedeutung willst, dan schaff dir diese selbst, mit den Ressourcen, die du Dank deiner Daten hast. Manche Digimon versagen. Andere wie ich, wissen es zu nutzen. Glaube mir, es kann befreiend sein, wenn man sich an nichts bindet und nicht ständig auf der Suche nach jenem Ort ist, wo man glaubt hinzugehören. “

„Ist es das? Du bist hierher zurückgekommen. Und deine Diener hängen an dir, nur du distanzierst dich. Machst du dich nicht eher selbst zum Außenseiter?“, fragte Sanzomon zurückhaltend. Keine Regung in seinem Gesicht, aber seine Haltung, die Aufmerksamkeit andeutete zeigte, dass Myotismon gerne eine Antwort von ihr hören würde. Nun wurde Sanzomons Herz nicht nur warm, es schienen ihm nun auch zarte Schmetterlingsflügel zu wachsen, die wild in ihrer Brust flatterten.

„Du bist nicht wie andere Digimon. Bestimmt nicht einmal wie andere Myotismon. Du hast irgendetwas an dir und ich bin mir sicher, dass es mehr wie nur Daten sind. Ich weiß nicht genau was es ist, aber es ist da und man spürt es.“

„Du redest von Abgründen?“, fragte Myotismon, aber Sanzomon, von der Euphorie der Schmetterlinge in ihrem Innern komplett eingenommen, überhörte sie den Argwohn und schüttelte den Kopf.

„Nein, etwas anderes. Ich weiß nur nicht was. Das und dass ich deine Augen immer gemocht habe. In ihnen erkennt man dieses… Etwas.“

„Ich dachte, solche Komplimente gehören sich nicht. Stell dir vor jemand hört dich so reden, Sanzomon.“

Es war Sanzomon peinlich, ihre eigenen Worte aus seinem Mund zu hören, oder dass sie sich zu so einer unangemessenen Bemerkung hat hinreißen lassen. Aber irgendwie fand sie es auch lustig und sie lachte darüber. Myotismon lachte zwar auch, aber es war kein belustigtes. Es war dieses Hämische, Zwielichtige, dass Sanzomon nicht leiden konnte, weil es ihr Angst machte und sie sich vorkam wie ein Beutetier.

Nun stand Myotismon auch nicht mehr neben, sondern vor ihr und presste sie mit wenig Kraft und Mühe mit dem Rücken gegen das Bücherregal. Die Dunkelheit seines Schattens, nein, seiner ganzen Anwesenheit nahm sie ein, als wollte er, dass niemand weiß, dass sie hier stand. Seine Hände stützte er an den Büchern ab, mit ihrem Kopf genau dazwischen. Sanzomon sah seine Eckzähne im matten Licht aufblitzen, als sich ihre Gesichter näher kamen.

„Sind meine Augen denn immer noch so wie früher?“

„Ich -“, stammelte sie, fand zunächst nicht einmal die Luft dafür weiter zu reden, „- bin nicht sicher.“

„Du hast Angst, nicht? Vielleicht nicht einmal, weil ich jetzt ein großes, böses Virus-Digimon bin. Wenn du sagst, dir sei der Typus egal, glaube ich dir das.“

Kalte Luft umgab sie, die allerdings nicht von draußen kam und schien sich um Sanzomons Hals zu schnüren wie Seidenstoff, um sie zu erwürgen.

„Vielleicht ist es aber eher, weil du dir nicht ganz sicher bist, ob in den Augen doch ein Abgrund ist und das darin etwas sein könnte. Wie ein Sturm. Eine ganz andere Art von Sturm, vor dem man sich fürchten sollte. Aber du würdest gerne wissen, was für ein Sturm es ist.“

(Ein Schneesturm)

Wenn es wirklich ein Sturm war, der in diesem Abgrund lag, dann war es ein kalter und unbarmherziger Schneesturm, so kalt wie seine Hand, die, während Sanzomon dieses Bild vor Augen hatte, ihr Halstuch herunterriss und zu Boden warf. Und als sein Daumen über ihre nun entblößten, roten Lippen fuhr kam ihr der Vergleich in den Sinn, dass Schnee, wenn man ihn zu lange in der Hand hielt dieser die Haut nicht gefrieren ließ. Sie brannte.

„Ich merke, wie du mir nachschaust. Ich sehe in deinen Augen, was du über mich denkst.“

„Ich schaue dir nach, weil das meine Aufgabe als Schlossherrin ist“, sagte sie, zittrig und unsicher, Myotismon brachte es nur zum Schmunzeln.

„Für ein Sanzomon, dass Leidenschaft nicht als Übel sieht, scheinst du aber nur wenig Ahnung davon zu haben. Aber ich teile mein Wissen gerne mit dir.“

Sein Kuss kam plötzlich und war im ersten Moment wie ein Stück kalter Schnee auf den Lippen, der genauso wie dieses weiße, kalte Etwas auf ihrer Haut zu brennen begann. Doch dieses Stück Schnee fing an sich auf ihren Lippen zu bewegen und sich immer fester an sie zu pressen. Sanzomon konnte Myotismons Zähne fühlen, die Spitze seiner Zungen schmecken und sie konnte sein schadenfrohes Grinsen spüren.

„Hör auf!“

Sanzomon versuchte ihn wegzustoßen, konnte aber den Raum zwischen ihnen nur minimal vergrößern.

„Hör auf damit! Sofort!“

„Dann schau weg. Schau einfach weg und ich werde sofort aufhören.“

Ihr Hände, die noch versucht hatten Myotismon von ihr wegzuschieben, hatten sich fest in den Stoff seines Anzuges gekrallt, drückte ihren Oberkörper an seinen, statt weiter Abstand zu gewinnen. Sein Grinsen zierte immer noch sein Gesicht und sie hasste es, und konnte doch nicht wegschauen. Es ging nicht. Wegzuschauen fühlte sich in dieser Situation an, wie eine dreiste Lüge.

„Du hast irgendwas mit mir gemacht, gib es zu. Ich weiß von den Tricks, die deinesgleichen benutzt um andere Digimon zu manipulieren.“

„Verzeih, wenn ich dich enttäusche, aber ich habe damit nichts zu tun. Erzwungene Leidenschaft hat einen überaus faden Beigeschmack. Ich manipuliere dich nicht, noch zwinge ich dich zu etwas. Das bist du ganz alleine, ehrfürchtige Hohepriesterin.“

Myotismon sprach ihren Titel, den er ohnehin nur in den Mund nahm, um sie damit zu provozieren mit so viel Hohn in der Stimme aus, dass es Sanzomon fast rasend machte. Doch ihre Hände blieben wo sie waren.

„Und solange du mich mit diesem Augen anschaust, werde ich auch nicht aufhören. Sieh mich an, Sanzomon.“

Myotismons Lippen fühlten sich nicht mehr wie Schnee an. Sie waren noch kühl, hatten aber die Wärme, die von Sanzomon ausgegangen war in sich aufgenommen und die Kälte, die ihren Körper beherrscht hatte schmolz dahin. Ihre Lippenbewegungen folgten seinen und Sanzomon ließ zu, dass er mit seinen Zähnen zubiss und seine Zunge sich in ihren Mund stahl. Sein Speichel schmeckte wie pures Gift, dass die Sinne benebelte, gleichzeitig brachte es ihren Körper zum zittern.

Und als sich ihre Blicke für einen Moment trafen, musste Sanzomon sich eingestehen, dass sich diese Augen in all der vergangenen Zeit, in der sie an dieses Digimon dachte, dass sie schon immer mehr wie nur mochte, nicht verändert hatten und dieser sagenumwobene Abgrund zu verführerisch war, um nicht hinein fallen zu wollen.

Sie wollte hineinfallen, wenn sie Myotismon ansah, wollte ihn schmecken, seinen Geruch tief einatmen, sein tiefes Seufzen hören, wenn sie mit ihren Händen sein Gesicht und durch sein Haar fuhr, sie wollte ihn anfassen, einfach nur überall anfassen, jeden Zentimeter der unter seinem dunklen Kleidern versteckt war, einfach alles.

Es störte nicht, dass der Raum zwischen ihnen immer schmaler wurde, bis er gänzlich fort war. Es störte sie auch nicht, als seine Hände unter ihrer Robe verschwanden. Doch seine Zähne...

Diese langen Eckzähne, die Sanzomon während ihres Kusses kaum gespürt hatte, sich aber auf der dünnen Haut ihres Halses messerscharf anfühlten und seine Atemluft, die sie in sich aufgenommen hatte nicht mehr wie der Winter roch, sondern wie das Verderben selbst.

Und ganz plötzlich war Sanzomons Kraft wieder in ihren Gliedern, genug Kraft um sie auf ihren Füßen zu halten, genug um Myotismon von ihr fortzustoßen und genug um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Der Schlag war fest gewesen, vielleicht fester wie Sanzomon es sich vorgestellt hatte. Es hatte gereicht, damit Myotismon von ihr wegtaumelte und die aschfahle Wange für einen Moment gerötet blieb. Selbst sie spürte das Brennen noch auf ihrer Handfläche, als sie ihren Hals nach Bissabdrücken abtastete. Sie fand nichts.

Myotismon berührte, noch überrumpelt von dem Schlag, die betroffene Gesichtshälfte ab und sah Sanzomon an, die schwer atmend dastand und nur seine Zähne in ihren Fokus nahm. Er begann zu lachen, nicht nur so leise wie sonst, es war ein regelrechtes Gelächter. Er lachte sie aus und wenn man ihn so gut kannte, wie Sanzomon es zu denken vermochte, hörte sie einen Anflug von Wut.

„Widerspenstig wie eh und je. Mir war klar, dass du nicht so leicht um den Finger zu wickeln bist. Aber das gerade du mich schlägst, damit hatte ich gewiss nicht gerechnet.“

Es reichte nur ein Schritt, dann stand Myotismon wieder direkt vor ihr. Sanzomon presste sich gegen das Bücherregal, die Hand, mit der sie zugeschlagen hatte in ihrer anderen und an die Brust gedrückt.

„Dabei dachte ich, du seist Pazifist. Da gehört sich so etwas aber nicht.“

Nicht wissend, was Sanzomon sagen sollte, geschweige denn was sie überhaupt tun sollte, kniff sie die Augen zu, schwieg aber weiter.

„Hast du Angst vor mir?“

Keine Antwort. Nur ein Schauer, der Sanzomon über den Rücken lief. Sie drehte den Kopf weg, die Augen weiter geschlossen.

„Wie bedauerlich. Wir beide sind doch alte Freunde. Ich wollte nicht mehr, wie dir etwas Gutes tun. Als eine Art Dankeschön, dass du mein Gefolge aufgenommen hast“, flüsterte Myotismon ihr ins Ohr. Ein eisiger Hauch streichelte Sanzomons Hals und Nacken. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und doch, auch wenn es vielleicht riskant war, hätte sie genau diesen Atem zu gern noch einmal auf ihren Lippen gespürt.

„Aber ich habe versprochen aufzuhören, wenn du wegschaust. Wobei deine Augen sicher etwas ganz anderes sagen würden. Du bist nicht das erste Digimon, dass mich so ansieht, Sanzomon. Ich ging nur davon aus, dass du einfach zu scheu und zu dogmatisiert bist, um deiner Neugierde ihren Lauf zu lassen. Dabei ist es so befreiend, wenn man hin und wieder alles, was man auf sich lastet ablegt...“

Nicht nur Luft, auch einer seiner schlanken Finger zeichneten die Konturen ihres Halses nach.

„Und befriedigend.“

„Geh...“

Ihre Stimme ging zwischen ihren Atemzügen unter, Sanzomon hatte sich selbst kaum gehört. Und Myotismon hatte es auch nicht beeindruckt. Nicht einmal die Ohrfeige reichte, sonst würde er ihr nicht wieder so nahe kommen. Es lag vielmehr Spott in seinem Gesicht, mit dem Triumph, Sanzomons Willen ins Schwanken gebracht zu haben, den Blick auf ihre Lippen gerichtet, die dunkelrot und geschwollen waren.

„Das werde ich auch. Ich denke, du hattest genug Leidenschaft für einen Abend.“

Sanzomon dachte, er wollte sie wieder küssen und ging mit ihren Kopf zurück, bis dieser an die Bücher hinter ihr stieß und kniff ihre Augen so fest zusammen wie sie konnte.

Der Geschmack kam in ihren Mund zurück, der Geschmack seines Atems, der wie Spätherbst- und Frühwinterliche Luft schmeckte. Und dazwischen irgendwo hatte Sanzomon diese Süße bemerkt von der man leichtgläubig hätte denken können, sie wäre gleich der von Frühlings- und Sommerblumen, dabei verdeckten sie nur geradezu penetrant, woher diese Süße wirklich kam.

Die Süße, gleich etwas Verrotteten, dass man lieber nicht sehen und nicht ausgraben sollte.

Und ein kleiner Teil in Sanzomon wollte, so sehr sie sich ängstigte und ekelte, es ausgraben.

„Wir sollten das bei Gelegenheit wiederholen.“

„Geh. Jetzt.“

Die Spuren ihres Schlages war aus seinem Gesicht verschwunden, das sah Sanzomon als erstes, als sie die Augen wieder öffnete. Mit diesem hämischen, verhassten Lächeln trat Myotismon von ihr weg. Er machte sich nicht einmal Mühe es zu verbergen, obwohl er deutlich sah, dass nun in Sanzomon die Wut hochkam (auch wenn sie immer noch wie zur Salzsäule erstarrt ihren Körper an die Bücher lehnte) und sie den Drang entwickelte, ihm noch eine zu verpassen. Myotismon stand im Türrahmen und sah sie an, als wäre nichts passiert, nichts außer vielleicht ein paar wenigen, unordentlichen Haarsträhnen deutete darauf hin, was eben passiert war, anders wie Sanzomon, die aussah wie von einem Sturm überrascht und wutentbrannt an ihrem Platz stand.

„Und wage es nie wieder, mir ungefragt zu nahe zu kommen“, war das Einzige, was Sanzomon durch ihre zusammengepressten Zähne herausbrachte. „Hast du verstanden?“

„Aber wenn ich vorher frage ob ich dich wieder küssen soll, ist das in Ordnung, ehrfürchtige Hohepriesterin?“

Hau ab!“

Sanzomon griff nach dem Erstbesten, was sie mit ihrer Hand zu fassen bekam und warf es Myotismon hinterher, der hatte jedoch die Tür hinter sich bereits geschlossen. Das Buch prallte mit einem lauten Knall gegen das dunkle Holz, und blieb aufgeschlagen auf dem Boden liegen, zusammen mit einer Sternkarte und einem Zirkel, die mit im Regal standen und Sanzomon mitgerissen hatte. Ihre ganze restliche Energie hatte sie in diesen Wurf gesteckt und nun fehlte ihr eben diese, um ihren wackligen Körper zu halten.

Sie rutschte langsam zu Boden. Ihr Herz pochte in ihrer Brust und kam lange nicht zur Ruhe, fast die ganze Nacht nicht. Selbst als die Kerze ausging und nur das Licht des Mondes etwas Helligkeit schaffte, blieb Sanzomon auf dem Boden sitzen, mit dem Rücken an die Bücher gelehnt. Sie wollte denken, darüber denken, aber ihr Kopf war absolut leer. Sanzomons einziger Gedanken war nur, dass das nicht das Tsukaimon war, dass sie kannte. Aber er war es. Aber er hatte sich so verändert. Und sie wusste nicht, was sie nun denken sollte. Fest stand für Sanzomon nur, dass ihr der Kuss gefiel. Vielleicht war das sogar noch schlimmer.

So blieb sie sitzen, bis Gokuwmon sie am nächsten Morgen, noch immer so in dieser Position fand. Als er fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei, antwortete Sanzomon nur, dass es ihr blendend ginge.
 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Brief vom Siebenschläfer setzt sich aus mehreren verschiedenen Mutter-Gans-Reimen zusammen, dieser und die Pseudonyme für die Meister der Dunkelheit entstammten aus dem Reim von der Beerdigung von Rot Robin. Im Fall der Herzkönigin existiert eine Art Doppelte Verbundenheit. Obwohl in Kontext die Herzkönigin aus Alice im Wunderland gemeint ist, entspringt die Herzkönigin selbst ebenfalls aus einem Mutter-Gans-Reim (wenn man sich etwas auskennt merkt man schnell, dass ziemlich viele Figuren und Anspielung aus Alice im Wunderland von Mutter-Gans-Reimen kommen).

Der "Spottreim" den Sanzomon entstammte dem Mutter-Gans-Reim "What are little boys made of?". Darin heißt es u.a. dass Jungen aus Schnecken und Hundeschwänzen gemacht werden, Mädchen aus Zucker und Seide. Schon ziemlich gemein, wenn man mich fragt. Komplett anzeigen

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