Wintersonett von Rakushina (Which dreamed it?) ================================================================================ Konzert VII - OFF WITH THEIR HEADS, 2. Satz, Vivace libero a due [innocente] ---------------------------------------------------------------------------- 𝄡   „Sanzomon, bist du wieder wach?“ Der blaugrüne Blumenstrauß wanderte noch in ihrem Gedächtnis, gleichzeitig schaute sie in die großen silbernen Augen beider Pinamon und in die ebenso riesigen Augen Viximons. Sanzomon erschrak kurz, nicht mal über die Tatsache, dass sie in ihrem Bett lag. Dass sie zuvor mit Sagomon bei einer Besprechung zwischen Grizzlymon und Moosemon war fiel ihr erst einige Sekunden nach ihrer Verblüffung wieder ein. Nur warum all ihre Findelkinder um sie herumstanden wunderte sie. Sie wollte sich aufrichten, aber Sunmon, Moonmon und Kokomon, die auf ihrem Bauch lagen, stemmten sich gegen ihre Brust, um so Sanzomon wieder hinunterzudrücken. „Du sollst noch liegen bleiben, Sanzomon!“, schimpfte Kokomon. „Sagomon sagte, du hast dich überanstrengt und müsst dich ausruhen!“ „Und Gokuwmon sagte, wir sollen darauf achten, dass du dich gaaaaanz viel ausruhst“, sagte Sunmon, die restlichen Digimon nickten kräftig und zustimmend. Sanzomon blickte, wenn auch noch etwas ungläubig und benommen in das Gesicht jedes einzelnen Digimon und sah sich, ohne den Kopf zu bewegen in ihrem Zimmer um. „Und wo sind Sagomon und Gokuwmon?“ „Wissen wir nicht“, quietschte Kyaromon, dann warf Budmon ein: „Sie wollten doch Cho-Hakkaimon holen.“ „Und wo ist Cho-Hakkaimon?“ „Wissen wir nicht“, sagten alle Digimon gleichzeitig. „Bestimmt machen die Erwachsenenkram und lassen uns nicht mitspielen. Voll fies“, nuschelte Yaamon, Torikaramon zwitscherte zustimmend. „Lass sie doch, wir haben dafür die wichtige Aufgabe uns um Sanzomon zu kümmern“, sagte Moonmon lächelnd. „Wir passen auf dich auf, so wie du auf uns aufpasst.“ „Ihr seid so süß“, seufzte Sanzomon gerührt. Auch wenn der rote Stoff im Weg war, sahen sämtliche Baby- und Ausbildung-Digimon ihr Lächeln und blickten entweder ebenso verzückt in ihre Augen, oder schauten geniert nach unten. Sich fragend, wo ihre Schüler waren rieb sich Sanzomon über die Schultern. Es war kalt im Raum. „Sanzomon friert!“ „Schnell, wir müssen sie wärmen!“, riefen sie durcheinander und warfen sich Sanzomon allesamt um den Hals. An sich waren sie Leichtgewichte, doch in der Menge konnte Sanzomon sich nicht halten und ließ sich in ihr Kissen fallen. „Sind wir zu schwer, Sanzomon?“ „Nein, ist gut.“, seufzte sie schwer, Kyokyomon und Yuramon hatten sich so eng um ihren Hals geschlungen, dass ihr kurz die Luft wegblieb. Die kleinen, unförmigen Körper ließen sich auf und neben ihrem eigenem nieder. Einige von ihnen schienen sogar sofort einzudösen, wie die Choromon oder die Pupumon. Sie waren so energiegeladen in einem Moment und im nächsten hatten sie alles schon wieder verbraucht. Sanzomon konnte jeden einzelnen, kleinen Puls, jeden flachen oder tiefen Atemzug dieser kleinen Wesen spüren, während um sie herum alles so ungewohnt ruhig war, als würde das Schloss selbst mit ihnen friedlich schlummern. Nicht mal den Wind hörte man, höchstens das Schnaufen eines Ausbildung- oder Gemurmel eines Baby-Digimon. Müde war sie selbst nicht mehr, aber sie ließ die Augen geschlossen. Ob diese acht Digimon, die nur darauf warteten, dass sie schlüpften auch so energisch und anhänglich sein würden? Sie konnte es kaum abwarten, wenn es wohl auch noch sehr, sehr lange dauern würde. Man hörte, wie die Zimmertür langsam aufging. „Boogymon!“ SnowBotamon hüpfte auf und ab, die anderen Digimon rührten sich nur fast schüchtern. Sanzomon musste ihre Augen nicht öffnen um zu wissen, wem dieser schwebende Gang gehörte und während sie versuchte, die aufkommende Müdigkeit wieder beiseite zu schieben, stand Myotismon, in gewohnter Haltung und einem Bakemon neben ihm an ihrem Bett. „Sieh an, Mutter Gans mit ihren vierundzwanzig Amseln. Ist Sanzomon wieder wach?“ „J-Ja, Myotismon“, sagte Yaamon, weiterhin schüchtern, obwohl es nicht mal mehr so viel Angst vor Myotismon hatte wie einst. Allgemein hatte sich die Furcht vor dem großen, bösen Digimon von Grey Mountain unter ihnen gelegt – geheuer war er ihnen dennoch nicht (wobei SnowBotamon eine Ausnahme war). „Aber Sanzomon muss sich ganz viel ausruhen“, sagte Paomon, ebenso ungewohnt scheu. „Dann solltet ihr ihr aber auch etwas Ruhe lassen.“ „Aber wenn es ihr wieder schlechter geht, muss doch einer hier sein. Hat Gokuwmon gesagt.“ „Genau!“, stimmte die Truppe synchron Pagumon zu. Sanzomon hörte ein lautes, überzogenes „Hm“, ehe Myotismon den Kleinen antwortete. „Wisst ihr, ich könnte doch nach ihr sehen. Sollte es ihr schlechter gehen, weiß ich was zu tun ist. Ich bin schließlich auch ein Ultra-Digimon und damit etwas erfahrener.“ „Leuchtet ein“, murmelte das andere Pagumon. „Aber was machen wir dann? Wir müssen uns auch um Sanzomon kümmern.“ „Wieso geht ihr nicht zu den Swanmon und holt Sanzomon ein paar Seerosen? Ihr habt ihr schon lange keine mehr mitgebracht.“ „Hm, Recht hat er. Jetzt sind auch wieder ganz viele da“, rief Viximon. „Aber wir dürfen nicht alleine so weit weg gehen.“ „Meine Bakemon begleiten euch gerne und werden dann noch ein wenig mir euch spielen, bis Schlafenszeit ist.“ „Ja, genau“, stimmte das Bakemon zu, dann pausierte es seine Freude und ächzte fragend, „Hä? Wollten wir das?“ Die Baby- und Ausbildung-Digimon jauchzten jedoch so laut vor Freude, dass Sanzomon nicht hörte, was Myotismon zu Bakemon sagte. Nur, dass es bereits mit der Meute überfordert war, die ihm aus dem Raum folgte. Sanzomon fror kurz, als die Wärme von zweiduzend Digimon ihren Körper verließ, lauschte dem Echo ihres Jubels, der selbst nachdem die Tür ins Schloss fiel noch lange zu hören war und als er verstummte konnte sie wahrnehmen, wie die Matte ihres Bettes unter Myotismons Gewicht sank. „Du kannst aufhören so zu tun, als würdest du schlafen. Ich sehe dein Grinsen.“ Langsam öffnete Sanzomon erst ein, dann beide Augen, um direkt in Myotismons schadenfrohes Lächeln zu blicken, während er auf der Bettkante saß. „Du scheinst nichts aus deiner Lektion gelernt zu haben.“ „Ich bin nur etwas erschöpft.“ „Diese Information ist mir nicht neu“, antwortete Myotismon lächelnd, Sanzomon dafür weniger. „Bist du nur hier, um dich über mich zu amüsieren?“ „Das tue ich oft genug. Ich dachte, ich schaue nach dir, nachdem deine Dienerschaft meine Ruhe gestört hat. Und ich stehe schließlich nicht für jedes Digimon früher auf.“ „Ich fühle mich geschmeichelt“, scherzte Sanzomon und auch bei ihr machte sich ein Lächeln bemerkbar. Beide schwiegen, nichts hörte man, nicht mal wie Sanzomons Hand über das Laken zu Myotismons eigener wanderte und erst stillstand, als er ihre ergriff. Sie schwiegen weiter und Sanzomon hatte wieder an die Wahnvorstellungen zurückdenken müssen. An die Pilze und das Gelächter. An die Nächte, an denen sie als Cupimon allein unter einem Baum schlief oder zwischen Steinen, während ihre Geschwister zusammengekuschelt beieinander lagen und sie versuchte nicht darüber nachzudenken, sondern vielmehr was sie für Bilder und Figuren in den Sternen und Wolken sah. Und an den Mutter-Gans-Reim, der ihr im Ohr rumspukte. (Blauer Lavendel und grüner Rosmar'in sei mein König und ich deine Königin) „Kannst du, bis es Nacht wird bei mir bleiben?“ „Ich dachte, du bist erschöpft“, antwortete Myotismon ihr und – immer noch lächelnd – rückte er näher an sie. „Du möchtest also der ehrfürchtigen Hohepriesterin einen Wunsch abschlagen?“ „Niemals würde ich das.“ „Würdest du dich auch zu mir legen?“ Myotismon sagte erst nichts, auch nicht, als er schließlich doch zu ihr rutschte und so lange näher kam, bis er neben Sanzomon lag. Sein Arm legte sich um ihre Schultern, damit sie ihren Kopf auf diesem absetzen konnte. .Mit dem bisschen Kraft, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch gaben, legte Sanzomon ihre Hände auf sein Gesicht und zog Myotismon näher an sich, Stirn berührte Stirn, seine blonden Haarsträhnen fielen in ihr Gesicht. „Ich war nicht ehrlich zu dir“, sagte sie, nachdem wieder Momente des Schweigens und des Anstarrens vergangen waren. „Ich habe dir so viel verheimlicht. Ich hätte dir so vieles gerne eher gesagt, aber ich konnte nicht.“ „Was hast du mir verheimlicht?“ „Ich -“, begann Sanzomon, hielt aber inne. Ihr war die Luft weggeblieben und vielleicht hätte sie wirklich fast alles gestanden, wenn sie nicht genau wüsste, was sie Gennai versprochen hatte. „Ich kann es noch nicht sagen. Aber man versprach mir, dass ich nicht mehr schweigen müsste. Und ich kann dir endlich sagen, was hinter diesen Mauern vor sich geht.“ „Es ehrt mich, dass du dir so viele Gedanken um mich zu machen scheinst. Sei unbesorgt, ich verurteile dich sicher nicht dafür. Schließlich müssen wir alle unsere Karten verdeckt halten.“ Ihr Herz klopfte, trotz der Erleichterung, so stark, dass Sanzomon Angst hatte es würde aus ihrer Brust springen. Es mochte die noch leichte Kraftlosigkeit sein, aber, so wie sich ihre Augenlider schlossen und sie sich an diesen schlaksigen Körper drückte, lockerten sich nicht nur ihre Muskeln, auch ihre eigene Zunge. Bestimmte Dinge zu sagen, allein die Idee es auszusprechen erschien gar nicht mal so hinderlich. So leicht. Warum hatte sie sich solche Sorgen gemacht? Es war doch nicht falsch. Es war sogar mehr als nur ehrlich. Sie sollte es sagen. Einen besseren Augenblick würde es kaum geben. Sie wollte es sagen. Sie wollte es ihm sagen, dass sie ihn, schon die ganze Zeit - „Nur sag, wann wolltest du mich deinen Freunden in den weißen Kutten vorzustellen, Volksverräterin?“ Dann stand ihr Herz still. Im Anblick der absoluten Verzweiflung strickte das Gehirn aus den wenigen Fäden, die es zusammen hielten eine neue Realität, eine ultimative Lüge, um damit der bevorstehenden Hysterie und den Zusammenbruch von allem, was man glaubte zu entgehen. Trotz, dass jede mögliche Sinneswahrnehmung zu der Sanzomon fähig war das Gegenteil nur bestätigte und dieser Blick in dem aschfahlen Gesicht keine Zweifel oder Zweideutigkeit zuließen - Sie glaubte zu wissen, dass Myotismon etwas ganz anderes gesagt hatte, statt dem, was nur einem Digimon über die Lippen kommen würde, das zum Feind gehörte. Ihr Körper, der sich gerade erst entspannt hatte zog sich zusammen. Sanzomons Gesicht war starr. „Das ist nicht wahr...“ „Wird dir das erst jetzt bewusst? Eigentlich hätte ich erwartet, dass mein Talent am Klavier mich längst verraten hätte. Dass Piedmon uns sieben als Orchester bezeichnet, hat schließlich seinen Grund.“ „Sieben?“, wiederholte sie atemlos. Sechs, zu sechst waren sie doch. Aber Piedmon hatte einen Pianisten erwähnt und dieser Nebensatz war so banal gewesen, dass Sanzomon nicht eine Sekunde nachgedacht hatte, die Bedeutung noch einmal zu hinterfragen. Ein Pianist, ein Digimon mit dem Talent auf dem Klavier zu spielen, wie Myotismon es konnte, der sie angrinste. „Kamst du etwa deswegen hierher, weil Piedmon das wollte?“ „Ja und Nein. Zwar sind wir ein Orchester, aber jeder von uns hat sein eigenes kleines Solo. Ich bin aus völlig eigenem Interesse hier und zufällig überschneiden sich meine mit Piedmons Plänen.“ Sie hatte versucht sich loszureißen und aufzustehen, aber es gelang Sanzomon nicht, was aber nicht an ihrer Schwäche lag. Myotismon lag halb auf ihr, sein Arm unter ihren Nacken hielt ihre Schulter so fest, dass sie ihren eigenen nicht bewegen konnte, der andere war zwischen ihren Körpern eingezwängt. Sie war in dieser Pose gefangen. „Du... Meine Schüler! Die Kleinen! Wo sind sie? Hast du etwa -“ „Da sind wir zwei einmal ungestört und du denkst wieder nur an andere. Aber ich schwöre dir, dass sie alle noch leben. Sie schlafen nur ein wenig. Ich habe bei deinen Schülern nur etwas zu stark zugebissen...“ Wenn Myotismon etwas gesagt hatte, hatte Sanzomon es nicht mitbekommen. Zu groß war ihr Entsetzen gewesen, dass wie ein Blitz in ihre Nervenbahnen einschlug, als seine Zunge über die blauen Lippen fuhr. „Keine Angst. Mein Gift ist nicht tödlich. In kleinen Dosierungen entspannt es nur, fast wie deine dämlichen Blumen.“ „Warum..?“, hauchte Sanzomon mühselig aus ihrem Hals. „Sag schon, warum, von allen Digimon dieser Welt, warum ausgerechnet du?“ „Weil ich nun einmal so bin. Kannst oder willst du nicht verstehen, wie Digimon wie ich funktionieren?“, fragte Myotismon sie, mit dem Hohn, der immer in seiner Aussprache lag. Er hatte sie ausgelacht. Die ganze Zeit, weil sie nichts bemerkt hatte. „In deinem kleinen Wunderland hast du nicht einmal daran gedacht, dass es auch Digimon gibt die gerne so sind, wie die Digiwelt es ihnen vorschreibt. Daten sind nicht nur Triebe. Du kannst noch so sehr versuchen ihnen etwas von Gefühlen, Träumen und Hoffnungen zu erzählen, es verändern nichts. Selbst deine sogenannte Bereicherung durch Liebe, Freude, Trauer und Wut haben überaus hässliche Seiten, die alles andere als erstrebenswert sind.“ „Und wieso hast du uns nicht schon alle getötet?“, widersprach Sanzomon wütend, jedoch war ihre Stimme so zittrig, dass sie sie selbst kaum wiedererkannte. „Weil ich nun einmal Prinzipien habe. Außerdem bist du zu kostbar, um einfach ausgelöscht zu werden. Glaube mir, ich tue dir das hier nicht gerne an. Aber ich habe Ziele. Und wer wäre eine bessere Hilfe, als du?“ Ein tiefes, leises Lachen. Ihr Magen drehte sich, die Kehle war zu und Sanzomon spürte, wie die Tränen hoch krochen. Insbesondere, als erst die kühlen Fingerkuppen und dann die ganze Hand ihre Wange streifte, diese Berührung, die sie sich so sehr eingeprägt hatte. Das konnte nicht wahr sein. Das alles musste ein Albtraum sein, dass versuchte Sanzomon zumindest sich zu sagen. Es half nicht. Dies war ein wahr gewordener Albtraum. Der Kloß im Hals war jedoch kaum zu ertragen. Ihr Brustkorb fühlte sich an wie zugeschnürt, das Gesicht warm. Der Kontrast zu Myotismons kalten Lippen, die ihre Wangen küssten war dafür um so deutlicher. „Pscht, ist gut. Weine ruhig. Was ich dir angetan habe ist sicher ein Schock für dich. Aber ich bin nicht dein Feind, Sanzomon.“ „Wie kannst du das sagen...?“, sagte sie fassungslos. „Nach allem was du -“ „Was habe ich getan? Ich habe dich nie angelogen, nie unsere Vereinbarung gebrochen. Selbst deine Arbeit habe ich unterstützt. Piedmon habe ich nichts von alledem hier erzählt. Ich habe alles getan, damit niemand dein kleines Nest findet. Ich habe nur meine Geheimnisse für mich behalten. Du wolltest stets, dass ich dir vertraue. Das habe ich hiermit.“ Der warme Atem hatte sich nach vielen und hastigen Zügen der Angst unter ihrem Halstuch gestaut, umso besser war es, als Myotismon den Stoff von ihrem Gesicht zog. Ein Kuss wie von einem Stück Eis. Aber es war angenehm. Sehr angenehm. „Ich habe dir mein Geheimnis anvertraut und selbiges möchte ich auch von dir. Außer dass wir verschiedenen politischen Strömen folgen, ist doch nichts zwischen uns“, sprach er weiter, so ruhig, dass es fast paradox schien. Sanzomons Kopf war immer noch leer. Aber sie spürte, wie Myotismon durch ihre Haarsträhnen fuhr und seine Arme um sie sich etwas lockerten. „Du musst keine Angst haben. Nicht vor mir. Nicht einmal vor Piedmon. Solange du mir vertraust, gibt es nichts, wovor du dich fürchten oder grämen musst. Ich bin das einzige Digimon, dem du dein Herz ausschütten kannst. Kein Digimon weiß dich so zu würdigen wie ich...“ „Spar dir dein Süßholzraspel! Du weißt genau, dass ich das nicht ausstehen kann!“, schimpfte Sanzomon. Sie schaffte es ihren Arm wieder zu bewegen, der aber von Myotismon sogleich gepackt und runter gedrückt wurde. Ihr Handgelenk, dass er festhielt tat weh, seine Hand war direkt auf ihren Armreifen und das Metall drückte sich ins Gelenk, aber sie sah ihm ins Gesicht. Mit genau dem Blick, den Myotismon auf den Tod nicht ausstehen konnte. „Ich weiß nicht was dir widerfahren ist, bevor ich dich damals gefunden habe oder was geschehen ist, nachdem du gegangen bist. Aber ich weiß, dass du rein gar nichts von der Digiwelt verstanden hast!“ Die Nässe in den Augen war noch zu spüren, aber Sanzomon widerstand den Bedürfnis, auch nur eine Träne zu vergießen. Nicht in diesem Augenblick. „Du bist so sehr von dir überzeugt, dass du nicht einmal merkst, dass du selbst das lebende Beispiel deines eigenen Widerspruches bist.“ „Ein Widersprüche würde bestehen, wenn das, was du glaubst zu sehen etwas greifbares wäre, doch du rennst fadenscheinigen Moralvorstellungen und Träumen hinterher, die weder Wert noch Potenzial besitzen.“ „Ich glaube nur daran, dass wir mehr sind wie nur das, was du glaubst.“ „Ich weiß es. Willst du behaupten, ein anderes Myotismon hätte dies hier nicht getan? Oder ein anderes Sanzomon hätte mich weniger belogen?“ „Andere unsereins hätten anders gehandelt, weil ihr Charakter ein anderer ist. Andere hätten sich sofort getötet, wie Viren und Serums es tun... Und wir beide liegen hier.“ Myotismon ließ ihr Handgelenk los. Statt aber erneut zu versuchen ihn wegzustoßen, suchte Sanzomons Hand nun seine, um sie selbst festhalten zu können. Die Geste wurde erwidert. „Wenn es so ist wie du sagst, wieso liegen wir dann zusammen hier?“, fragte sie und Sanzomons Stimme wurde zarter. „Weil wir verrückt sind, ganz einfach. Wir sind nur... verrückt.“ Myotismon schwieg. Sehr lange, genauso wie Sanzomon. Verkrampfte Gesichtsfalten lösten sich und man stellte fest, dass es zwar seltsam war, sich aber auch gut anfühlte, so beieinander zu liegen. Sich anzusehen, feststellen, dass der Funke in den Augen noch immer da war. Wie auch, dass das Digimon, wenn auch auf der anderen Seite ihres politischen Spektrums, war noch immer das gleiche Digimon. Wie Myotismon sie ansah war genau wie die ganze Zeit schon. Sein Geruch, den Sanzomon so gern hatte war gleich. Das Klopfen in ihrer Brust war wie vorher. Und es war warm. Schrecklich warm. Die Temperatur stieg und die Luft wurde dünner, wie länger sie sich ansahen. Myotismon lachte. Ganz leise. „Angst?“, hauchte er, Sanzomon schüttelte den Kopf. „Du bist ganz schön mutig, ehrfürchtige Hohepriesterin. Aber das gefällt mir an dir.“ „Ich bin verwirrt“, sagte Sanzomon in gleicher schwacher Lautstärke. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll...“ „Denk einfach an nichts. Sei es einfach um diese leidige Politik. Wir brauchen Politik nicht, genauso wie Ethik, Gesetze oder Vernunft. Nicht hier. Wir sind absolut gegensätzlich, aber das magst du doch an mir, richtig?“ Sanzomon nickte diesmal und ließ zu, dass Myotismon ihre Haarsträhnen aus den Gesicht strich. „Alles was ich möchte ist dein Vertrauen, Sanzomon. Dafür schenk ich dir all dass, nachdem du dich schon immer gesehnt hast.“ Ein Kuss nahm Sanzomon schließlich die Möglichkeit etwas zu sagen. Ein langer Kuss und Myotismons Hand, die über Sanzomons Bauch fuhr. Ihre Beine wurden schwach und weich. War seine Augen immer schon so eindringlich gewesen? Und der Abgrund schon immer so tief? „Diese Agenten haben dich sicher nicht nur aufgesucht, weil du so ein hübsches Stimmchen hast. Was wollten sie von dir? Erzähl mir alles...“ Sanzomons Zimmer war in der Schwärze verschwunden. Eigentlich war alles dunkel. Die Außenwelt existierte nicht mehr. Es gab nur noch sie beide. „Sag schon. Du wolltest doch keine Geheimnisse mehr vor mir haben.“ „Sie...“, murmelte Sanzomon, ehe die Worte aber aus ihrem Mund kamen, biss sie feste auf ihre Lippen. „Entspann dich, Sanzomon. Ich sagte doch, dass du nichts fürchten musst. Vergiss die Ideale und Dogmen, die dich fesseln. Sieh mich an.“ Sanzomon begann zu frieren. Es war kalt, aber bei Myotismon war diese Kälte einfach auszuhalten. Eine surreale, kalte Wärme ging von ihm aus. Schneeflocken fielen aus der Schwärze auf sie hinab. So weiß, aber so dunkel. „Sie wollten, dass ich die Wappen für die acht ausgewählten Kinder erschaffe. So wie Jijimon und Babamon es davor getan haben...“ „Gut. Siehst du, es geht ganz einfach.“ Die Hand, die auf Sanzomons Bauch erst ruhte fuhr weiter ihren Körper hinunter. Zwischen ihre Beine. Seine Finger, seine ganze Hand bewegte sich. Ein Keuschen entwich aus ihrer Kehle, viel zu laut und mit zusammengepressten Lippen lehnte Sanzomon beschämt ihr Gesicht gegen Myotismon Oberkörper, die Finger in den Anzug gekrallt. „Fühlt sich gut an, nicht?“ „Ja...“ seufzte sie, dabei wurde ihr Gesicht immer wärmer. „Erzähl mir mehr, dann sorge ich dafür, dass es sich richtig gut anfühlt. Ich will alles hören, was du weißt. Ich will es aus deinem Mund hören.“ „Sie wollen, dass ich die auserwählten Digimon großziehe...“ „Wer von deinen Findlingen sind denn die auserwählten Digimon?“ „Keines... Sie sind noch nicht geboren...“ Ihr Atmen wurde lauter und schwerer, aber ihr Körper war so leicht und ihr Kopf wie mit Watte gefüllt. Statt sie weiter fest im Griff zu halten, hatte Myotismon sie auf den weichen Untergrund abgelegt, den Oberkörper über sie gebeugt, seine Hand weiter zwischen ihren Schenkeln. „Nicht aufhören, du machst das gut. Mach weiter, Sanzomon. Dein Stöhnen wird die schönste Symphonie sein, die die Digiwelt je zu hören bekommen hat.“ „Nein!“, rief sie, wenn es auch weiter nur wie ein Stöhnen klang. „Ich werde nicht weiter reden! Ich werde meinen Eid nicht brechen!“ Sanzomons Lippen waren nur noch ein schmaler Strich, ihre Augen aber fixierten ihn weiterhin. Myotismon nahm die Hand fort. Das Pochen blieb jedoch. „Wie grausam du bist. Du weißt doch, dass ich dir gerne beim Reden zuhöre. Wenn deine Sturheit auch etwas sehr reizvolles hat“, hauchte Myotismon ihr ins Ohr. „Aber es ist in Ordnung, wenn du nicht reden möchtest. Niemals würde ich dir einen Wunsch abschlagen. Um an das Wissen zu kommen, was ich brauche habe ich auch andere Mittel und Wege. Du bist zu geschwächt und dein Kopf ist nun ein offenes Buch für mich. Ich kann dein Wissen sehen. Und schmecken.“ Sanzomon hatte gar nicht bemerkt, dass sich Myotismon auch seiner Handschuhe entledigt hatte – bis sie seine fast schon krallenartigen Fingernägel in die weiche Haut ihres Handgelenks schnitt. Ein kurzer, scharfer Schmerz, nicht sehr tief, aber ausreichend, dass ihr Blut erst wie kleine, rote Blüten austrat und schließlich ineinander zerflossen. Regelrecht ausgehungert sog Myotismon ihr Fleisch in seinen Mund, fuhr mit der Zunge über die rötlich glänzende Wunde, leckte jeden einzelnen Bluttropfen auf. Er biss in ihre Haut, aber nur kurz, nicht tief genug, hielt aber inne, als er Sanzomons Zittern spürte und feststellen musste, dass sie ihn direkt ansah. Obwohl ihr erst schlecht wurde Myotismon dabei zuzusehen, war sie gefesselt davon. Ihr Pflichtbewusstsein und ihr damit verbundenes Gewissen waren verstummt. Verschlungen von der Dunkelheit um sie herum. Einzig was diese zurückgelassen hatte war Sanzomons Neugierde. Und die Lust. Myotismons Zungenspitze streifte über den Schnitt an ihrem Arm. Die Umgebung um die Wunde war violett geworden, zeigte leichte Abdrücke von Myotismons Zähnen. Seine Zunge verließ ihren Arm, um nur kurz über Sanzomons Lippen zu streifen. Sie konnte ihr eigenes Blut schmecken. Küsse legten sich auf ihren Hals. Sanzomon zuckte kurz. „Keine Angst. Das Beste hebe ich für den Schluss auf. Wir wollen das hier doch noch etwas genießen. Ich werde dir nicht wehtun...“ Myotismons spöttisches Lachen klang so fern, die zarte Berührung an ihrem Hals kam nur als kalter Luftzug in ihrem Kopf an. Es fiel mehr Schnee. Nur kleine, weiße Punkte, aber dicht genug, dass Sanzomon nicht sicher war, ob ihre Welt nun schwarz oder weiß war. Er half Sanzomon ihren Schal und ihr Obergewand über den Kopf zu ziehen und dies samt ihrer Krone beiseite zu legen. Myotismons schwerer, schwarzer Umhang glitt zu Boden. „Du weißt gar nicht, wie köstlich dein Blut ist. Es schmeckt nach all deinen kleinen Geheimnissen. Dass die Gespenster, die wir damals sahen die Agenten waren, die Jijimon und Babamon vor ihren Findelkindern versteckt hielten. Das hier ein Tor ist, dass in andere Welten führt. Dass die Karten, die Jijimon vor meinen Augen anfertigte der Schlüssel für dieses Tor sind. Und weißt du, was ich noch schmecken kann?“, flüsterte Myotismon und griff ihre nackten Beine, um sie um seine Hüfte zu legen. „Dass du das hier willst.“ Sanzomon, benommen von Myotismons Hypnose und dem warmen, prickelnden Gefühl, dass seine Berührungen auf ihrer Haut und in ihrem Bauch verursachten, ließ zu, dass er ihr weißes Gewand öffnete. Seine Hände streichelten ihre entblößten Brüste, das Gesicht war ganz nah an ihrem. Und wie Magnete zogen Myotismons Augen ihre an. Sie konnte nicht wegschauen. Sie wollte nicht wegschauen. „Dein liebliches Blut schmeckt nach deiner Neugierde. Dein Blut hat mir alles verraten. Sie träumt nachts davon, hat es mir gesagt. Die ehrfürchtige Hohepriesterin träumt von ganz verdorbenen Dingen, die man ihr am Tage gar nicht zutrauen würde. Wie es wäre, wenn dieses Digimon nachts zu ihr kommen würde. Und dieses Ziehen im Unterleib, jedes Mal wenn sie diesem Digimon nur in die Augen sieht, du weißt es, sag es, sag das es so ist, sag dass du es kaum mehr aushältst.“ Sanzomon wollte, aber als ihr Mund sich öffnete, kam nur einen Stöhnen heraus. Myotismons Hände packten sie, streichelten sie, während er sich schwer seufzend an ihrem Körper rieb, Gesicht an Gesicht, Arme um Taille, Hüfte ganz eng an Hüfte. Kein einziges Stück Stoff bedeckte Sanzomon mehr. In ihrem Ohr hörte sie das Geräusch der Knöpfe, die Myotismon versuchte zu öffnen und allein der Gedanke an seine Haut brachte sie dazu, sich aufzurichten. Er zögerte selbst, aber nur für einen Augenblick. Mit einem tiefen Seufzen lösten sich die Verspannungen seines Körpers und überließ es Sanzomon selbst erst die Knöpfe und dann mit einem kräftigen Ruck seinen Anzug runter zu reißen. Sie betrachtete die totenbleiche Haut, die zum Vorschein kam, erfüllt von der Verzückung sie anfassen zu können, Schultern, Brust, Rücken, den ganze Körper, den verboten süßlichen Geruch einatmen und mit den Lippen den bitteren Kontrast schmecken zu können. Das Klappern seiner Gürtelschnallen holte Sanzomon kurzzeitig aus ihrem Rausch. Ihr Mund war wie taub, das Gesicht glühte. Sie sah Myotismons Lächeln, dieses verdammte gehässige Lächeln, dass sie nicht hassen konnte. „Dass ich der Feind bin hat zwischen uns nichts verändert. Du willst es. Ich sehe es in deinen Augen. Du wolltest die ganze Zeit, dass ich mich zu dir lege. Und den Wunsch erfülle ich dir.“ Sanzomon sah ihn mit so großen Augen an, mit einer Faszination, als hätte sie Myotismon nie zuvor wirklich betrachtet, sondern immer nur durch milchiges Glas. Es stimmte. Es hatte sich an dem, was sie für Myotismon empfand nichts geändert. Nicht der weiße Dunst in ihrem Kopf, sondern sie war es. Es waren allein ihre Finger, die den Stoff von seinen Hüften zogen. Allein ihre Beine, die sich enger um Myotismon schlangen, der zwischen ihnen kniete.  Alles, was um sie herum war, war fort. Hier wo sie sich befand gab es keine Pflichten und Aufgaben, die sie zu erfüllen hatte. Nichts, was dagegen sprach, dass sie hier bei Myotismon blieb. Es war wie er sagte, außer der verdrehten Politik der Digiwelt sprach hiergegen nichts. Hier war nichts, was sie trennen konnte. Hier waren sie frei. Ihre Arme kreuzten sich über seinem Nacken, während sie tief in die blauen Augen sah. Um sie herum nur endlose Schwärze. Und Schnee. „Schau mich an und sag mir, was du willst, Sanzomon.“ „Dich...“ „Sag es noch einmal.“ Ein Seufzen kam aus ihrem Mund, als Myotismons Finger, die sich noch zwischen Sanzomons Schenkeln befanden von ihr abließen, um anschließend festzustellen, dass sie mehr davon brauchte. „Ich will nur dich...“ „Dann sag mir, was soll ich mit dir machen?“ Sie zu sein machen. Alles, damit sie bei ihm bleiben konnte. Dass Myotismon sie mitnahm, wo auch immer er war. „Nimm mich...“ Er sollte sie mit in den Abgrund nehmen. In Abgründen lagen so viel verborgene Dinge. Wenn sie dort hineinfiel, könnte sie graben. Die fast tödliche Kälte spüren. Alles spüren. Alles... „Lass dich fallen. Es gibt keinen Grund sich festzuhalten. Pflichten, Regeln, was bedeuten sie schon, wenn im Tod doch alles nichtig ist? Im Tod sind wir alle gleich. In meinem Wunderland aus Frost und Gräbern gibt es keine Außenseiter wie uns beide mehr. Lass dich fallen. Bleib bei mir.“ Und Sanzomon ließ sich fallen. Ihr Geist fiel in die endlose Schwärze, die ihren Verstand auf den Kopf stellte, während Sanzomons physisches Selbst unter Myotismon lag. Ihre Hände krallten sich in den blonden Haarschopf und sie spürte, wie seine kalte, feuchte Zunge über ihren Hals fuhr. „Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich danach gesehnt habe. Ich habe darauf gewartet, dass du dich mir hingibst. Und nun bist du mein. Du bist mein, Sanzomon, nur mein, hörst du, nur mein, ganz allein mein...“ Myotismons Zähne nagten an ihrem Nacken, weiter ihre Kehle entlang und fuhren zu ihren Lippen. Kalte Lippen verließen ihre und Myotismon biss zu, in ihre Schulter, der Ansatz ihres Halses, hinterließ Male auf ihrer Haut, während er dabei weiter die Luft aus ihren Lungen trieb. Es war genau, wie Myotismon es erwartet hatte. Die Wollust, die Sanzomons Augen zum leuchten brachte und ihr Gesicht rosig färbte stand ihr. Ihr Stöhnen zu hören, das ganz anders war als ihr sonst so sachter, erhabener Klang war befriedigend. Dies und ihr Betteln nach mehr. Nach mehr von seinen Lippen und seiner Zunge, mehr von diesem süß-verdorbenen Speichel in Sanzomons furchtbar trocken gewordenen Mund. Mehr davon wie sich Myotismons kalte Haut unter ihren Fingern anfühlte und seine Hände auf ihrem Körper. Der Gedanke, jede seiner Bewegungen fühlen und jeden einzelnen Muskel ertasten zu können löste ein Stechen in Sanzomons Nervenenden aus, erregend und intensiv und half ihr, ihre anfängliche Hemmung abzulegen. Myotismon hatte Recht behalten. Es begann sich gut anzufühlen, richtig gut, der Takt und der Rhythmus in dem sie sich beide kurz verloren, die Augen schlossen und treiben ließen, ohne daran zu denken was zuvor geschehen war. Keine Moral. Keine Politik. Schmale Finger fuhren über ihre Brüste, über ihre schmale Taille, um weiter genau die Klänge zu erzeugen, die Myotismon schon die ganze Zeit von ihr hören wollte. „Hör nicht auf damit. Hör niemals auf nach mir zu schreien, Sanzomon. Sing weiter für mich...“ Sanzomon versagte bei diesem Versuch. Sie bekam nur einzelne Silben heraus, ansonsten wurde sie von ihrem eigenem Aufstöhnen unterbrochen. Und Myotismon selbst machte es ihr nur schwerer. Er tat es mit Absicht. Er küsste sie absichtlich genau an den Stellen, wo sie am empfindlichsten war, um sie weiter zum schreien zu bringen. Wenn sie glaubte, er wollte ihr einen Kuss geben, wichen seine Lippen ihr aus. Er spielte mit ihr. Machte sie wahnsinnig. Ihre Fingernägel krallten sich tiefer in Myotismons Rücken. Ein kurzer Aufschrei, ein Zucken und Zittern seines Körpers in ihren Armen. Er hielt inne, ließ den Schmerz vergehen und als Myotismon sich wieder entspannte, kratzten Sanzomons Nägel über seine Haut. Er grinste. „Du magst also die harte Tour.“ „Das war für die Bisse...“, antwortete Sanzomon, selbst mit der Andeutung eines Lächelns. „Das hält mich nicht davon ab weiterzumachen. Ganz im Gegenteil werde ich das...“ Sanzomons Finger lockerten sich, nur um an anderer Stelle wieder die Nägel in Myotismons Rücken zu schlagen. Kein Schrei, aber ein Zischen. Myotismon packte ihr Gesäß, zog sie näher (tiefer) zu sich, näher an den Abgrund, in dem Sanzomon graben wollte, so sehr wie sie (graben) das hier wollte, sich so nah und fest an seinen kalten Körper pressen, fester noch wie ihre Fingernägel in seinem Rücken, die rote Bahnen zwischen den Schulterblättern zogen. Sie musste (tiefer graben) in den Abgrund blicken. In diese Augen sehen. „Myotismon... Deine Augen... Bitte. I-Ich will dich ansehen. Bitte, Myo-“ Sanzomon schrie leise. Ihr Nägel zeichneten noch mehr Kratzer. Es war zu hart. Und gleichzeitig brauchte sie diese Härte genauso, wie Myotismons Blicke und wie er schließlich mit rauer Stimme flüsterte: „Tu das. Sieh mir in die Augen. Sieh mich an, Sanzomon.“ Fast zeitgleich mit ihm schlug Sanzomon ihre Augen auf, sah direkt in das blasse Gesicht. Blonde, kurze Strähnen hatten sich gelöst. Sanzomon hielt seinen Kopf fest, mit seinen Ohren zwischen ihren Fingern, zog Myotismons Gesicht so nah wie es ging an ihres, dass sie nichts anderes mehr sehen konnte, nur die tiefblaue Farbe und den unheimlichen, kalten Glanz. (im Abgrund graben) Sanzomon konnte in ihrem ekstatischen Verstand den Boden sehen. Sie konnte ihn fast schon berühren, die festgefrorene Erde und das unter dieser etwas war, etwas Unaussprechliches. Sie musste (tiefer graben) weiter in diese Augen blicken, nur weiter (graben) in diese Augen sehen. Sie kraulte Myotismon hinter den Ohren, streichelte sie, zog dran. Aber ihr Augenkontakt hielt, selbst als es Myotismons Keuchen war, das lauter wurde, selbst als er einen Kuss auf ihre Lippen presste. Selbst als sie sich, ineinander verschlungen auf den Laken wälzten, bis Sanzomon auf seinem Schoß saß. Ihre Haarsträhnen waren im Weg, aber sie sah Myotismon amüsiert lächeln. „Verruchtes Ding...“ Sanzomon war schwindlig geworden vor Erregung, sie musste ihre Arme um Myotismon legen und sich an ihn lehnen, um nicht ihren Halt zu verlieren. Sie fühlte sich unsicher. Erst, als Myotismons Hände sanft über ihren Rücken strichen, löste sich diese Unsicherheit auf. Sein Gesicht vergrub sich in ihrem Haar und sie hörte, wie er leise ihren Namen murmelte. Ein leichter Zug an ihren Haarschopf brachte Sanzomon dazu, ihren Kopf in den Nacken zu legen, spürte kalten Atem und dann die genauso kalte Zungenspitze auf ihrer Haut, vom Schlüsselbein langsam hinauf, um ihr anschließend die Küsse zu geben, nach denen sie so süchtig war, süchtig wie sie es nach (graben) Myotismons Augen war, die sie durch die Maske hindurch fast zärtlich ansahen, ehe er ihr in die Lippen biss, fest genug das Blut heraus quoll. Eine warme und dunkelrote Spur lief bis zu ihrem Kinn und noch ehe auch nur etwas heruntertropfte oder sich auflöste fuhr Myotismon mit seiner Zunge darüber, saugte an der aufgebissenen Lippe und warf Sanzomons Körper wieder auf den Rücken. Ein Kuss, ein kurzer blutiger Kuss und Myotismons Zunge fuhr zurück zu Sanzomons Hals, die Zähne über der weichen Haut schwebend. Und komplett von der Lust eingenommen, die Sanzomon jede Kontrolle über ihre Glieder nahm, vergaß sie die Zähne über ihrer Haut, die noch immer so nah waren, um sie tief (graben) in ihren Hals zu rammen, noch tiefer wie (graben) Sanzomon kam mit einem leisen Schrei, ihr gesamter Körper bebte, die Finger in Myotismons Haar und die Arme und Beine um ihn verschlungen. Sie war von ihrem eigenem Orgasmus zu benebelt um zu merken, dass Myotismon statt in ihren Hals, was er mehr wie nur wollte, in eines der Kissen gebissen hatte. Ihr Keuchen erfüllte den Raum und Myotismon blieb weiter über Sanzomon gebeugt. Sie lag unter ihm, zu erschöpft, um sich weiter an ihm festhalten zu können. Erst, als sie ihre Hände nach ihm ausstreckte ließ er sich – obwohl er ja nie ein Freund von so etwas war – in ihre Umarmung sinken, die Augen geschlossen haltend. Dann, mit Myotismon in ihren Armen, teils auf, teils neben ihr liegend, fielen auch Sanzomons Lider zu. Stille. Nur lautes Atmen, dass immer leiser wurde. Ihr war kalt. Die Welt um Sanzomon war immer noch nur ein Dualismus aus Schwarz und Weiß. Der Schnee war nicht echt, dennoch fror sie. Sanzomon zitterte, bis Myotismon nach der Decke griff und sie bis zu ihren Schultern hochzog. Viel besser... Sanzomon sah weiter dem Schneefall zu, war aber so weit wieder klar um sich zu fragen, wo dieser überhaupt herkam. Aber Myotismon hielt sie ja fest, also würde sie so schnell nicht frieren. Solange er sie hielt, war alles gut. Er sollte niemals damit aufhören, sondern bei ihr bleiben, Myotismon sollte sie weiter halten, so wie in diesem Moment und ihr zuhören, bleiben, für immer bleiben, bleiben - „Bleib bei mir...“, flüsterte Sanzomon, ihr Atem war immer noch rasch. „Natürlich werde ich das. Ich habe dir doch versprochen, dass ich jeden Tag deinen süßen Worten lausche. Dir wird nie mehr ein Leid geschehen. Und wir beide können jede Nacht so zusammenliegen. Soll ich dir diesen Traum erfüllen?“ Sanzomon hatte etwas gesagt, aber der Teil ihres Gehirns, der dies in ihrem Gehör verarbeiten sollte setzte aus, genauso wie der, der dieses Unheilvolle in Myotismons Stimme hätte bemerken müssen. Sie nickte. Und er lachte leise. „Du weißt, was Digimon wie ich dafür verlangen. Dann bist du frei und du kannst für immer bei mir bleiben, ehrfürchtige Hohepriesterin.“ Wie ihr Nicken schon, spürte Sanzomon kaum, wie sie ihren Kopf, während sie noch irgendwo zwischen Traum und Erregung schwankte, zu Seite legte. In ihren halbgeöffneten Augenwinkel sah sie nichts weiter, als die langen, weißen Eckzähne, die ihrem Hals langsam immer näher kamen. Sie sah, wie Myotismon auf sie herabblickte, mit dem blanken Wahnsinn darin. Obwohl Sanzomon den Kuss genoss, drifteten ihre Gedanken ab, war aber nicht in der Lage, diese in ihrem Delir zu ordnen. Sie hatte etwas vergessen. Nur was? Es war etwas Wichtiges gewesen. Ein ungewohnt zärtlicher Kuss legte sich auf ihren Hals, eine eiskalte Zunge fuhr über die Haut und über jene Abdrücke, die Myotismons Eckzähne bereits hinterlassen hatten. Es fiel ihr nicht ein, was es war. Was war gewesen, bevor Myotismon ihr Zimmer betreten hatte? Jemand anders war bei ihr gewesen. Wer nur? Nun, da ihr auch einfiel, dass es da noch mehr Digimon in ihrem Leben gab fragte Sanzomon sich, was diese von Myotismon unterschied. Dann fiel es ihr wieder ein. Sie wollte etwas sagen, genierte sich aber viel zu sehr davor, diese Worte auszusprechen. Warum? Es fiel ihr schwer. Ihr Körper war wie gelähmt. Ihr Verstand wie betäubt. Aber sie. Musste es. Doch sagen. Sie. Musste... los... l a  s s e n . . . (ich liebe dich) Zwar hatte Sanzomon schon den kalten Atemhauch gespürt, jedoch statt wie lange ersehnt endlich in ihren Hals zu beißen blieben Myotismons Zähne von ihr fern. Nichts geschah. Sie fühlte sich nur leichter. Wenn es etwas gab, was ihr Herz noch schwerer und kaum tragbar gemacht hatte, als all die Geheimnisse des Mann im Mondes, dann das. So simple Worte, aber mit so viel Gewicht. Sanzomon war sich nicht sicher, ob sie es gesagt oder nur gedacht hatte, aber gehört wurden ihre Worte, dass war das Wichtigste. „Unsinn. Eine Einbildung deiner idealistischen Vorstellungen, mehr nicht.“ Der Schnee in ihrem Kopf war noch immer zu dicht, sonst hätte Sanzomon gehört, dass dieses Unheilvolle versiegt war. Etwas hatte es bei Myotismon ausgelöst. Zwar lagen seine langen Zähne weiterhin gefletscht über ihrer Halsbeuge – aber er zögerte. Er hatte sie gehört. Und dachte nach. (ich liebe dich) „Du kannst es so oft sagen, wie du willst, es ändert nichts. Das ist nicht echt. Wir sind nur Daten. Lege deine Pflichten und Ideale ab, dann erfülle ich dir all deine Wünsche.“ (ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich) „Wieso hörst du nicht einmal auf einen guten Rat? Das, was in deinem Kopf existiert bereitet dir doch nur Ärger, also warum hältst du daran fest? Wieso willst du nicht verstehen, wie die Digiwelt funktioniert?“ (ich liebe dich ich liebe dich seit wir Rookies waren ich liebe dich seit dem Tag an dem du wieder zurückgekommen bist ich liebe -) „Ich will dir doch nur das ersparen, was ich und meine Kameraden erleben mussten. Die Digiwelt war schon damals verrückt und es wird mit jeden Tag schlimmer. Du hast es doch an Jijimon und Babamon gesehen! Sie wussten es, oder? Sie wussten wer ich bin, deswegen wollten sie nicht, dass du dich mit mir abgibst. Sie wussten es. Weißt du es auch?“ (dich ich liebe dich egal was du mit mir machen wirst egal zu wem du gehörst egal welchen Weg du gehst ich liebe dich ich - ) „Weißt du wer ich wirklich bin?“ (- liebe dich ich liebe dich und wenn Tausende deiner Art vor mir stehen würden würde ich dich unter ihnen allen wiederfinden ich liebe dich ich liebe dich) „Genug jetzt!“ Eisiger Atem streifte ihren Hals wie eine Klaue. Myotismons Hände hielten Sanzomon an den Schultern fest. Dann spürte sie das Zittern. Sein ganzer Körper bebte. Dann, als Sanzomon schon glaubte, die Zeit sei stehengeblieben, ließ er von ihr ab, um anschließend in ihr Gesicht zu sehen. Myotismons Augen waren weit aufgerissen, während Sanzomon sich schwer tat, ihre überhaupt offen zu halten. Es reichte aber um ihr zu zeigen, was ihrem Gegenüber durch den Kopf ging, das Unverständnis darüber, warum seine Zähne sich nicht längst in ihr Fleisch gebohrt hatten und das nicht eingestehen, dass er bereits wusste, wieso er diese groteske Lobotomie noch nicht durchgeführt hatte. Dabei war die Antwort so schrecklich simpel: Weil sie das nicht wollte. Das nicht. Sanzomon konnte ihre eigene, wenn auch nur leise Stimme wieder hören. „Ich liebe dich...“ Keine Regung in seinem Gesicht. Keine einzige. „Wieso?“, fragte er, mit einer Stimme, die wie sein Gesicht jede Emotion verloren hatte. „Wieso tust du das? Wieso glaubst du immer noch, ein Digimon wie ich könnte etwas tun, was seinen Daten widerspricht? Jedes andere Digimon, jedes andere Sanzomon hätte es längst verstanden. Wieso du nicht?“ „Weil ich nun einmal so bin. Auch wenn du das nicht verstehen kannst oder willst.“ Lange hatte Myotismon gezögert, lange genug, dass zumindest wieder eine Regung in seinen Augen entstehen konnte. Um so schneller waren wieder seine Zähne an Sanzomons Hals. Sie spürte die Spitzen seiner Zähne und sie zitterten auf ihrer Haut. Eine unsichtbare Gewalt ließ jedoch keine Bewegung seines Kiefers zu. Er konnte sich kaum rühren. Er konnte nicht zubeißen. „Ich... kann das nicht...“ Myotismons Zähne verschwanden von ihrem Hals. Was dort blieb waren die Nachwehen kaltem Atems, der sich nun vor ihrem Gesicht sammelte. Mit letzter Kraft hielt sich Sanzomon an ihm fest. „Bleib... bitte...“, flüsterte Sanzomon schwach. Die Nachwirkungen der Hypnose machten sie schläfrig, aber statt dass ihr Verstand weiter zugeschneit wurde, wurde es neblig. „Bleib bei mir... Bleib bei uns...“ „Uns..?“, wiederholte Myotismon, wenn Sanzomon auch nicht klar sagen konnte, wer uns war. Sie wusste es. Ihr fielen die Digimon nicht ein, aber sie war überzeugt, würde sie die Namen hören und die Gesichter sehen wüsste sie, wer uns war. „Natürlich... Es sind deine Schüler und deine Mündel! Sie sind es. Du glaubst immer noch, dass es sich lohnt an Träumen zu glauben, wegen ihnen! Sie reden dir das Tag für Tag ein.“ Dann schlossen sich Sanzomons Augen. Sie konnte sich nicht halten und fiel zurück, mit Myotismon in den Armen, auf den weichen Untergrund, unsicher ob es Stoff oder Schnee war. Ein sachter, aber langer Kuss. „Warte hier. Ich weiß nun, was ich wissen wollte. Ich werde dafür sorgen, dass uns keiner mehr stört, weder Digimon noch irgendwelche Aufgaben, die deinen lästigen Idealismus fördern. Und wenn du erst einmal davon befreit bist, kannst du auch hier mit mir bleiben.“ Dann erhob sich Myotismon und zog sich aus der Reichweite ihrer Hände. Er hatte sie losgelassen.   ×|   Ihr Geist driftete dahin. Sie träumte. Ziemlich bizarres Zeug, das war ihr selbst im Traum klar. Ein Strudel aus Farben und Flecken, blau und grün, weiß und rosa, bis alles schwarz und wieder reinweiß wurde. Der Abgrund. Erde, die sie beiseite schaufelte. Schnee lag noch darauf, doch den größten Teil hatte sie schon umgegraben, mit Resten von Lavendel und Rosmarin. Sie kam sich so klein und schwach vor in ihrem Traum. Was war sie? War sie noch Sanzomon? D'arcmon? Tinkermon? Oder gar wieder Cupimon? Sie hatte zumindest Hände, mit denen sie graben konnte, Puttimon konnte sie also schon einmal nicht sein. (Graben weiter graben weiter tiefer graben) Sanzomon saß ganz tief im Abgrund und über ihr toste der Schneesturm, der ihre Hände immer wieder mit Eis bedeckte. Noch weiter über ihr war das Loch, der Ausgang zu ihrer kleinen Welt, ihrem Wunderland aus Blumen, ein buntes Land aus Träumen, Hoffnungen und Erinnerungen, Nonsens und irgendwo dazwischen Vernunft. Sie musste weiter graben. (weiter weiter weiter tiefer graben weiter weiter) Ihre Finger waren blau, während sie Brocken von Frost, Eis und schwarzer Erde beiseite schob. Sie hörte Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon zu ihrer Rechten, dass es vergebens sei. Sie hörte Babamon zu ihrer Linken, dass Neugier noch ihr Tod sein würde. Sie sah Myotismon vor sich liegen, schlafend, wie der Schwarze König im Alice-Märchen. Er war unter der Erde begraben worden und Sanzomon saß hier und versuchte ihn herauszuholen, während er weiter schlief. Seinen Kopf hatte sie von Frost und Erde befreit, seinen Kragen, seine linke Schulter. Die goldene Fledermaus an seinem Kragen funkelte sie an, Teile seines Umhangs ragten aus dem Boden wie erfrorene, groteske Pflanzen. Sie war dabei die andere Schulter auszugraben, ehe sie weiter seinen Torso befreite. Aber etwas hielt ihn fest. Etwas unter der Erde. Sie bekam Myotismon nicht heraus. (graben graben graben) Von irgendwoher erklang noch eine Stimme, die Sanzomon nicht kannte. Sie kam von überall. Kindlich klang sie. Erbost. War dass die Stimme von diesem Irgendetwas? Wie konnte sie davon träumen? Weil sie Daten waren, fiel ihr ein. Sie hatte sich fallen lassen. Sie hatte noch tiefer hineingeblickt. Wer weiß, welche Daten auf sie übergingen, als sie beide, körperlich wie im Geiste vereint waren? Sie hatte schon in viele Augen geblickt und genug furchtbare Dinge in den Herzen der Digimon gesehen. Aber bisher in keinen solchen Abgrund. Sie war aber bisher auch nie einem Digimon so nah gewesen. Deswegen auch diese Kinderstimme, die Sanzomon nicht kannte, die nun hinter ihr war und über ihre Anwesenheit nicht erfreut schien. „Verschwinde! Eine Primadonna hat in einem Orchester nichts verloren. Das ist unser Wunderland. Er ist der Pianist und ich bin der Kapellmeister. Er ist der Schwarze König und ich bin Alice, nur von mir träumt er. Die Weiße Königin spielt auf der anderen Seite des Schachbretts. Hau ab, bevor du erfrierst!“ Die Weiße Königin war sie, das stimmte in gewisser Weise. Die Weiße Königin war so verrückt, dass sie noch vor dem Frühstück auf sechs unmögliche Dinge kam. Das hier war aber eine Nummer größer, dies hier war verrückter wie sechs unmögliche Dinge. Aber sie war ebenso verrückt und sie war stolz darauf sie zu sein. Dann war sie eben verrückt, weil sie den Feind in ihr Schloss gelassen hatte, den Feind liebte, weil sie verrückter war wie die Weiß- (ausgraben) Weiß. Da war weiß. Etwas weißes und es war kein Schnee, es war etwas weißes unter der Erde und es war dieses Irgendetwas, dass Myotismon festhielt. Sie musste weiter graben. Sollte Alice schimpfen. Was immer das Irgendetwas war, es musste heraus. Dann würden sie beide, sie und Alice sich den Abgrund im Wunderland eben teilen müssen. Dafür spielten sie beide schließlich auf der gleichen Seite des Spielfeldes. (graben ausgraben graben ausgraben) Mehr Weiß. Sanzomon erkannte Struktur, nicht nur mehr Farbe. Das war Haut. Ganz weiße Haut. Vielleicht war das das Irgendetwas. Vielleicht nur ein Teil davon, wie diese zornige Stimme ein Teil davon war. Oder Alice. Oder der Kapellmeister. Ein Teil von irgendetwas, aber was? Was waren alle diese Dinge? Oder waren sie gar alle eins? (grabengrabengrabengrabengrabenausgrabenausgraben graben AUSGRABEN) Sanzomon grub es aus und in ihrer Vorstellung schmerzten ihre Finger vom vielen Graben und von der Kälte. Wenn das Entsetzen nicht so groß wäre, wären es weit schlimmere Schmerzen gewesen, die sie sich einbilden würde. Es war wirklich schneeweiße Haut unter der Erde, dass die Lippen zu diesem ebenso weißen Gesicht so unnatürlich rot erschienen ließ, wie im Kinderlied der armen, ertrunkenen Clementine. Das hellblonde Haar war wirr, nass und gefroren, mit Eis an den Spitzen. Die blauen Augen waren halboffen. Der Mund nur ganz leicht. Eine der dünnen, weißen Hände war zu einer Knospe verkrampft. Die andere hatte sich um Myotismons rechten Arm verschlungen. Nein, nicht verschlungen. Sie hielten sich fest. Sie hielten sich gegenseitig im Arm. (Und Alice fiel in einen tiefen Abgrund, fiel, fiel, fiel, ohne zu wissen wie und ob sie jemals wieder hinaufkommen würde) Im Abgrund lag eine Kinderleiche begraben.   ♭𝅝   „Am Anfang war der gesamte Himmel mit Fledermäusen bedeckt...“ Myotismons rechte Hand bewegte sich im Halbkreis von seiner Brust nach außen und die Seite des Buches, das vor ihm lag blätterte um. Anders wäre es nicht gegangen, dieses Buch war schließlich zehnmal so groß wie er. Im Vergleich zu der Einrichtung hätte Myotismon sich auf zwei Zoll geschätzt (und das ganz ohne Pilze oder dubiose Flüssigkeiten, die wie Truthahnsoße, Kirschtorte, Sahne und Toast schmeckten). Auf seiner Reise vom Friedhof nach Grey Mountain machte Myotismon hier und da mit seinen Truppen mehrere Zwischenstopps – gezwungenermaßen, Tageslicht mochten sie schließlich alle nicht –, wo sie verharren und er in Ruhe die Informationen, die er zusammentrug auswerten konnten. Das Ergebnis war ernüchternd. In allen Büchern die er fand stand das Gleiche. Die selbe Prophezeiung, immer und immer wieder und die einzige Abwechslungen waren bestimmte Umlaute oder die Wahl diverser Synonyme, aber der Inhalt selbst war identisch. Nirgendwo stand, wo das Tor war, dass ihn in die Welt der Menschen bringen konnte. Nirgendwo, wer die Engel von Hoffnung und Licht waren (Licht war besonders kritisch, den das Licht stand unter dem Symbol des Tifaret). Auch in diesem Exemplar nicht. „Wieder nichts?“ „Nein“, antwortete Myotismon Phantomon weniger schlecht gelaunt als geschätzt. Phantomon erhaschte noch einen kurzen Blick auf das Geschreibsel, ehe Myotismon das Buch mit Telekinese zuschlug. Die alte Schrift – Digimojis und dazu kaum lesbar, geschweige denn zu entziffern. Phantomon kannte selbst nur noch ein paar wenige Zeichen, da während der Typuskriege hinweg die Digimojis durch die Schrift der Menschen verdrängt wurde. Myotismon aber hatte keine Probleme. Auch schon nicht, als er noch bei Jijimon und Babamon war. Myotismon ließ das Buch wieder in das Regal wandern und tauschte es gegen ein anderes aus. Er gab nicht auf, schließlich musste hier irgendetwas sein und wenn es versteckt in einem Nebensatz war. Derweil richteten die Bakemon alles in diesem übergroßen Haus (GIGA-HAUS, wenn man dem Schild vor der Türe glauben mochte) so ein, dass sie noch ein paar Tage hier verweilen konnten. Dieses Giga-Haus war der Unterschlupf eines Jewelbeemon und seinen Anhängern gewesen. Myotismon hatte ihn um sein Einverständnis gebeten, etwas Zeit hier zu verbringen, damit seine Untergebenen sich von der Reise erholen konnten. Er und Jewelbeemon hatten sich gut verstanden. Haben viel über Wissenschaft, auch über Politik geredet und wie Myotismon war auch Jewelbeemon kein Freund von Demokratie, wenn er den Souveränen auch nicht abgeneigt war. Wen wunderte es, war er schließlich auch ein Anhänger des Widerstandes. Als Myotismon Jewelbeemon dabei ertappte, wie er heimlich Digizoid verpackte und an eine der vielen versteckten Stationen der Rebellen versenden wollte, kam es zum Kampf. Er hatte keine Chance gegen Myotismon. Seine Dienerschaft war geflüchtet oder wurde von den Bakemon und Soulmon eingefangen. Zwei Fanbeemon standen nicht weit entfernt, zitternd von Bakemon umzingelt. „Meister, darf ich fragen, was genau Ihr eigentlich sucht?“, fragte Phantomon nachdem er Myotismon lange beobachtet hatte. „Nach Hinweisen, das weißt du doch.“ „Aber nach bestimmten Hinweisen? So, wie Ihr die Bücher immer studiert, scheint Ihr etwas Bestimmtes zu suchen“, stellte Phantomon fest. „Ich weiß eben genau, nach was ich Ausschau halten muss. Diese Prophezeiung zeigt zwar den Weg und das Ziel, aber nicht, was konkret dafür benötigt wird. Aber irgendwo muss etwas stehen.“ „Was macht Euch so sicher?“ „Ich habe zuverlässige Quellen“, antwortete Myotismon knapp und ließ allein durch seine Betonung Phantomon anmerken, dass er zu viel fragte. Phantomon hatte schon früh den Verdacht, dass Myotismon Geheimnisse hatte und eigentlich könnte es ihm ja egal sein. Die Erfüllung der Prophezeiung über den König der untoten Digimon war schon immer das Ziel aller Myotismon gewesen, auch von Phantomons vorherigen Meister. Während sie aber schlicht große Stärke anstrebten, war dies für Myotismon eine eher untergeordnete Sache. Er suchte, schien genau zu wissen was er suchen musste und Phantomon fragte sich woher. Selbst wenn Myotismon geheime Informationen hatte, die Phantomon nicht kannte und nicht in der Prophezeiung vermerkt waren, woher sollte er sie haben? Myotismon haben stets nur unter sich gelebt und haben nicht einmal ihren eigenen Artgenossen vertraut. Jede Informationen haben sie, im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Grab genommen. Woher sollte also er solche Informationen haben, er, der nie zuvor ein untotes Digimon war? „Meister, seid Ihr eigentlich schon einmal auf das Ultra-Level digitiert?“, fragte Phantomon plötzlich. Myotismon sah über die Schultern. Die Frage gefiel ihm nicht, dennoch antwortete er. „Es ist das erste Mal, dass ich zu Myotismon digitiert bin.“ „Und Ihr seid nie im Krieg gewesen?“ „Ich war nie an den Typus-Kriegen beteiligt“, antwortete er und widmete sich wieder dem Buch. Phantomon schwieg, es war die Antwort, die er erwartet hatte. So kryptisch wie immer. Myotismon umging den wesentlichen Punkt, den eigentlichen Kern der Frage. Lügen war ihm ja bekanntermaßen zuwider. Myotismon hörte auf zu blättern, als er Briefe zwischen ein paar Seiten fand. Sechs Umschläge und auf einigen war eine Schachfigur gezeichnet. Eine Königin in rot. Er nahm sie in die Hand und widmete sich nun den beiden verängstigten Fanbeemon. „Was ist das?“ „D-Das sind Briefe vom Widerstand“, antwortete eines der beiden Fanbeemon zitternd und mit zugekniffenen Augen. „Von wem genau?“ „Wir kennen das Digimon nicht, nur dass es immer mit Rote Königin unterschreibt.“ „Selbst Meister Jewelbeemon wusste nicht, wer dieses Digimon ist.“ Es klang glaubwürdig. Myotismon nahm ein paar der Briefe aus ihren Umschlägen und warf einen flüchtigen Blick auf die Nachrichten. Die Handschrift war grässlich, Satzbau und Klang furchtbar. Reime. Worte, die es nicht einmal gab. Es dauerte aber nicht lange, bis Myotismon die Wortwahl und die Handschrift wiedererkannte. Babamon. Nur sie schrieb so. Wer hätte gedacht, dass so ein betagtes Digimon noch das Zeug zu einer Aktivistin hatte? Er sah sich auch die anderen Briefe an, hoffte etwas zu finden, dass er nicht erst mühselig entschlüsseln musste. Beim letzten Brief runzelte Myotismon schließlich die Stirn. Die Schrift des letzten Briefes war ganz anders. Ein kompletter Stilbruch. Die Schrift war nicht krakelig, sondern geschwungen. Unterschrieben war der Brief mit Weiße Königin und als er so überlegte, erkannte Myotismon, dass dies Tinkermons Handschrift war. „Sieh an, sieh an“, murmelte Myotismon, als hätte er vergessen, dass noch andere Digimon um ihn herum standen. Ein Grinsen erschien auf Myotismon Lippen und verriet Phantomon, dass sein Meister gerade Pläne schmiedete. Wieder auf das Buch konzentriert, befahl Myotismon: „Macht mit eurer Arbeit weiter. Wir werden über Tag hier bleiben. Bei Nachtanbruch brechen wir Richtung Nord-Westen auf.“ „Was habt Ihr vor, Meister?“, fragte Phantomon, Myotismons Grinsen wurde breiter. „Wir gehen eine alte Freundin besuchen.“ „Und...“, nuschelte Phantomon, denn das, was er eigentlich fragen wollte war ihm entfallen, zu sehr dachte er darüber nach, wo der Zusammenhang zu seines Meisters Plänen und dieser Freundin war. Zumal er sich nicht vorstellen konnte, dass es wirklich Digimon gab, die Myotismon freiwillig als Freunde bezeichnen würde. „Und die zwei?“, fragte ein Bakemon anstellen von Phantomon. „Lasst sie hier.“ Myotismon sah zum ersten und letzten Mal zu den beiden verängstigten Fanbeemon, denn keine Sekunde später wurde ihnen schwindlig und sackten schlafend in sich zusammen. „Ich habe noch nichts gegessen“, sagte er fast desinteressiert und las weiter. Ohne, dass er etwas sagen musste gingen die Bakemon wieder ihrer vorherigen Arbeit nach, Phantomon folgte ihnen, um das alles zu überwachen, doch sah noch einmal zu Myotismon zurück, der, immer noch grinsend weiter las und sich gleichzeitig vorstellte, wie dieses Wiedersehen ablaufen könnte. Tinkermon würde zumindest kein Hindernis sein. Tinkermon war unsicher und schwach. Babamon würde ihr sicher einige Tricks beigebracht haben, entsprechend musste er etwas vorsichtig sein, aber sie noch mehr zu verunsichern würde nicht schwer werden. Sie wäre keine Gefahr. Ganz sicher nicht. Davon war Myotismon überzeugt.   𝅗𝅥♯   (Ich liebe dich) Myotismon blieb stehen, mit dem Körper an der Wand gelehnt und aus dem Fenster blickend. Es dämmerte. Orangenes Licht lugte durch die Löcher der Nebelwand, warfen ebenso orangene Kreise auf die Steine und Dächer des Schlosses. Sie würde noch etwas halten. Ein paar Stunden, mehr aber nicht. Er schnaufte. Das war nicht gerade alles so gelaufen wie erhofft. Nein. Überhaupt nicht. Was war nur in ihn gefahren? Das hatte sich Myotismon schon einige Mal gefragt, nachdem er sich wieder angezogen und Sanzomon, eingekuschelt in ihrer Decke, in ihrem Zimmer zurückließ. Aber er wusste es nicht. Irgendwie, als Myotismon Sanzomon so unter sich liegen sah, die Augen leuchtend, Lippen und Wangen so rosig und so warm, war ihm auf einmal alles andere absolut gleichgültig geworden. Stattdessen hatte er sich, mit ihrem Geruch in der Luft und ihrem Geschmack im Mund hinreißen lassen. Fast noch schlimmer wie die Tatsache, dass er sich hat von einem primitiven Gefühl und seinen Fantasien verführen lassen und sich gehen ließ, war, dass Sanzomon so ungehindert graben konnte. Sie. Hatte. Gegraben. An ihm. Er spürte regelrecht noch, wie Sanzomon das tiefste Innere seiner Seele berührte – und noch tiefer hineinsah. Und dann sagte sie auch noch solche Worte. (Ich liebe dich) „Dummes Geschwätz... Sie ist irre. Einfach nur verrückt“, versuchte Myotismon sich selbst zu überzeugen. Er sollte froh sein. Er hatte Recht gehabt mit dem, was er vermutete und Sanzomon schmackhaftes Blut hatte ihm alles gesagt, was er wissen musste. Das Tor in die andere Welt, dass er so lange gesucht hatte war hier im Schloss. Öffnen musste man es mit Karten, doch wie man diese herstellte wusste Sanzomon nicht. Aber Jijimon. Die Karten, die er von Tsukaimons Augen erschuf waren der Schlüssel. Er hatte zugesehen, er würde es also schaffen selbst welche herzustellen. Neue Digiritter. Die Opposition hatte die nächste Generation auserwählt. Sanzomon hatte die Wappen gemacht. Das hatte sie die ganze Zeit verheimlicht. Die Wappen und die auserwählten Digimon waren hier und eines war bestückt mit dem Wappen des Lichts! Am besten er zerstörte die Digieier und die Wappen sofort. Dann konnte ihn auch keiner mehr aufhalten und er konnte Sanzomon zum krönenden Abschluss von ihrem Wahnsinn heilen. Dann hatten sie endlich Ruhe und er hätte Sanzomon für sich allein. (Ich liebe dich) Die Kratzspuren auf Myotismons Rücken brannten. Das Gefühl ihrer Arme lag noch immer auf seinem Körper. Sanzomons Geruch hing an ihm. Er roch nach ihr, nicht mal so sehr nach Seerosen, einfach nur nach ihr. Nach Wärme. Nach Sex. Myotismon fühlte sich schlapp, aber nicht kraftlos. Es waren Sanzomons Fähigkeiten, die seinen Antrieb gedrosselt und seinen Willen dämmte, alles was ihm gefährlich werden könnte zu vernichten. Stattdessen wollte Myotismon sich wieder hinlegen. Aber nicht in seinen Sarg, allein beim Gedanken an diese Klaustrophobie und die Kälte pochte sein Kopf. Er hätte bei Sanzomon liegen bleiben sollen. Bei Sanzomon bleiben... Gedankenverloren warf Myotismon seinen Blick zurück in den Korridor, aus dem er gekommen war. Irgendwo hinter dieser Düsterheit war die Treppe, die hoch in Sanzomons Zimmer geführt hätte. Bei ihr bleiben, das klang sogar sehr gut. Der Gedanke gefiel ihm eigentlich. Sich einfach neben ihren warmen Körper legen und dort auf die Dämmerung warten. Sich an sie schmiegen und wenn sie sich ausgeruht hatte ihren süßen Worten lauschen um sich anschließend noch ein zweites Mal der Lust hinzugeben, um das Spielchen am nächsten Abend zu wiederholen. Er hatte ihr wirklich einen großen Schreck eingejagt, das arme Ding und nun ließ er sie auch noch ganz alleine, wie bedauerlich, dabei würde er wirklich lieber bei ihr liegen bleiben statt diese Flure weiter zu gehen und weiter nach dem Takt des Herr Dirigenten spielen. Dieses elendige Digimon, dass sich als ihr absoluter Maestro aufspielte, für den er diesen Plan ausführen musste, wo er doch eigene und bessere Ziele hatte, er musste weiter machen, anders konnte er nicht, noch nicht, aber dann und wenn es länger dauern sollte so sei es, er hatte Sanzomon und und und - und sie würde bleiben. Sie hatte es geschworen. Sie würde bleiben und er würde bei ihr bleiben, alles hätten sie für sich und das konnte ihnen keiner wegnehmen, kein Orchester, kein Dirigent, kein Kapellmeister (-ki) würde sie ihm wegnehmen, nichts und niemand würde das, er konnte tief schlafen und träumen so wie früher, während schöner Wintertage, Tage die er mit Alice verbracht hatte ( -ki -ki -ki) bevor der Herr Dirigent kam, nein, bevor Humpty Dumpty in den Abgrund fiel und sie ihm später folgten und der Herr Dirigent hatte Erbarmen und ließ sie im Abgrund leben denn der Herr Dirigent war großzügig und der Herr Dirigent war allmächtig und lasset dem Herr Dirigent danken für diese Barmherzigkeit dass man weiter träumen durfte und er sollte artig horchen und dankbar für dieses zweite Leben sein und dass der Herr Dirigent ihm nicht köpfte wenn der Herr Dirigent von diesem falschen Klavierspiel erfuhr so bete dass der Herr Dirigent es nicht erfuhr bete bete und dann könnte er weiter träumen durfte mit seiner Primadonna von Alice im Wunderland denn Alice war -ki und -ki war grausam und der Herr Dirigent gütig der Herr Dirigent ließe ihn nicht allein im Wunderland und verschwand nicht hinter den Spiegeln so wie -ki -ki war grausam und ließ ihn zurück wo er doch immer nur von -ki träumen konnte -ki -ki -ki „Nein!“ (Er träumt jetzt, sprach Babamon, und wovon meinst du träumt er?  -ki sprach: Das kann niemand erraten.  Na von dir! rief Babamon aus und klatschte triumphierend in die Hände Und wenn er aufhört von dir zu träumen wo glaubst du wärst du dann?  Wo ich jetzt bin natürlich! sprach -ki  Nicht du! gab Babamon verächtlich zurück Du wärst nirgendwo Ho du bist doch nur ein Wesen in seinem Traum!) „Nein verdammt! Nein! Nein!“ Seine Stirn hätte beinah Bekanntschaft mit dem harten Steinboden gemacht, als Myotismon schließlich, nachdem er versucht hatte gefasst zu bleiben auf die Knie ging. Stimmen kamen von überall her, Geflüster von Fersen aus diesem bescheuerten Alice-Märchen, die Stimmen von Didel Dum und Didel Dei – oder doch Jijimon und Babamon? - die Myotismon weiß machen wollten, dass es alles nur ein Traum sei, kein guter, aber auch kein besonders böser Traum. Einfach nur ein Traum. „Kein Traum. Mein Kapellmeister ist kein Traum. Mein Kapellmeister ist -“ Sein Mund fühlte sich an wie mit Asche gefüllt. Es war unmöglich es auszusprechen, diese Vorahnung in seinem Inneren. Das Wissen, was im Abgrund war und warum der Schneesturm nie stillstand. „Tsukaimon. Bist du es?“ Myotismons Blick hob sich nur langsam. Er hatte gehofft sich diese Stimme nur eingebildet zu haben und ja, er bildete sie sich ein, aber selbst für eine Sinnestäuschung klang sie zu echt. Erst sah er die Schuhe und dann die dünnen Beine und die weiße Haut, nicht einfach hellhäutig wie gewohnt, sondern kreidebleich. Schwarze Erde hing an allen Gliedern und der Frost war überall, an den Fingern, die schon fast bläulichen waren, in den hellblonden Haaren und diese Blässe, diese Totenblässe, sie war das Schlimmste. Sie ließ die schwarzen Ringe um die Augen viel tiefer wirken und die Lippen viel röter, obwohl keine Wärme in ihnen war. Es war ein Geist, der vor Myotismon stand, ein Virus in seinen Daten, den niemand löschen konnte. Nur beerdigen. Nun aber hatte Sanzomon den Kapellmeister ausgegraben. „Alice...“, sagte Myotismon so leise, dass es kaum zu hören war, mit einem Entsetzen im Gesicht, das an Traurigkeit erinnerte. „Du nennst mich immer noch so? Ist es dir so zuwider, meinen echten Namen auszusprechen? Dabei hat Sanzomon sich so viel Mühe gegeben mich auszugraben, nachdem du die Wahrheit unter der kalten Erde bedeckt hast. Obwohl ich sie davor gewarnt habe, hat sie weitergemacht. Sie liebt dich wirklich sehr.“ Die Bewegungen dieser dünnen, blassen Hand klangen fürchterlich, als sie sich nach Myotismon ausstreckte. Die Gelenke waren gefroren, jedes Zucken brachte das Geräusch von brechenden Holz und Glas mit sich. Wie das Geräusch wenn Knochen brachen. Ehe diese fahle, mit schwarzer Erde und weißen Schnee beschmierte Hand und ihre langen, angewinkelten Finger ihn berührte, sprang Myotismon wieder auf seine eigenen Füße und wich von dieser Fata Morgana vergangener Tage weg. „Verschwinde! Du bist nicht echt, du bist -“ „Was? Ein Traum, möchtest du das sagen, Schwarzer König? Eine Einbildung? Beides? Gar nichts? Existiere ich etwa nicht? Oder, Tsukaimon, bin ich -“ „Sei still!“ Noch bevor die Albtraumkralle dieses morbide Hirngespinst aus einem ebenso abnormen Wunderland auch nur streifen konnte, war es wieder verschwunden. Nur der Boden selbst löste das bekannte Geräusch des Peitschenhiebes aus. Von Alice war nichts mehr da, außer dem Gefühl kalter Winde, die von überall zu kommen schienen, aber eigentlich nicht da waren. Wie die Stimme des Kapellmeisters eigentlich gar nicht da war. Sie existierte nur in seinem Kopf, die Myotismon nur das Offensichtlichste zu erzählen hatte. Nämlich dass er verrückt war. „Ja... Ich bin verrückt.“ Und würde neben der Stimme des Kapellmeisters nicht auch die der Primadonna sein, hätte Myotismon an Ort und Stelle losgelacht. Es beschränkte sich jedoch auf ein sehr leises Kichern, dass nicht weniger manisch klang, wie der aufkeimende Wahnsinn, der ihm aber zumindest vorgaukelte, Sanzomon riefe ihn. Myotismon wollte noch einmal zu ihr gehen. Nur ganz kurz. Sanzomon reden zu hören war wie Balsam für seinen zerrütteten Geist. Und sobald er hier fertig und alle Digimon los war, die sie stören könnten, würde er sich wieder seinen Plänen widmen und Sanzomon würde Teil dessen sein, er würde sein frostiges, totes Wunderland errichten, ohne Apartheid, ohne Krieg, ohne Politik, ohne das Streben nach Sein und Sinn und es mit ihr teilen. „Blitzkanone!“ „Wasserfontäne!“ Der Angriff kam nicht einmal sonderlich überraschend. Die Blitze waren zu grell und das Wasser zu laut. Myotismon hatte nur seine offene Hand heben müssen, um den Angriff abprallen zu lassen. Dennoch hatte die Kraft der Attacken ihn von der Stelle gerissen. Mit den Füßen auf den Boden, wurde er wenige Meter weggetragen. Gokuwmon und Sagomon standen vor ihm was eigentlich nicht sein dürfte. Wie Cho-Hakkaimon hatte auch er die beiden aus dem Hinterhalt überfallen, er hatte sie bewusstlos geschlagen und so kräftig wie es ging in den Nacken gebissen, dass das Blut regelrecht herausschoss und die Bakemon und Soulmon hatten sie fortgeschleppt. Sie dürften, selbst wenn Myotismon auch nur kurz zugebissen und sehr wenig von ihrem widerlichen Blut getrunken hatte nicht mehr wie willenlose Marionetten sein. „Ihr habt mich reingelegt?“, knurrte Myotismon die beiden Digimon an und dabei fiel ihm auf, dass er fast wieder wie Dobermon klang. „Reine Vorsichtsmaßnahmen. Ihr habt Euch die letzte Zeit zu seltsam verhalten. Dennoch hatte ich gehofft, dass ich nur paranoid wäre und meine Mitschüler umsonst Sorgen bereite“, sagte Sagomon. Er zog, wie Gokuwmon auch, etwas von seinem Nacken. Infusionsbeutel. Sie hatten sie sich um umgebunden. Das Fell und die Federn, die daran befestigt waren, waren blutgetränkt und ehe sie in ihre Ursprungsdaten zerfielen, sah Myotismon noch die Löcher, die seine Zähne in diese hineingebohrt hatten. „Was zum Teufel...?“ „Ihr staunt. Tatsächlich war es Sanzomons Idee. Wir haben sie nur zweckentfremdet und unsere eigenen Daten abgezapft“, sagte Gokuwmon triumphierend. „Meister Sanzomon hat dieses Infusionsbesteck und Kühlboxen von einem überaus zwielichtigen Vademon abgekauft. Sie wollte, sobald alles offenbart war, sich selbst Blut abnehmen und den Vorrat in den Beuteln und Boxen lagern. Damit Ihr nicht weiter hungern müsst. Sie hatte Sorge, Ihr leidet an Mangelerscheinungen. Aber scheinbar war diese Sorge unbegründet.“ Man sah Myotismon den Ärger an. Seine Fäuste ballten sich. Er hätte es merken müssen und unter normalen Umständen hätte er das auch, hätte Myotismon sich dabei in der Gegenwart befunden, statt in der Vorstellung, welche Befriedigung es wäre wenn er endlich Sanzomon beißen würde. Nun aber malte sich Myotismon eher aus, wie es wäre seinen aufkommenden Blutrausch an diesen beiden auszulassen. Aber diese stupiden Kreaturen waren nun einmal Sanzomons geliebte Schüler, als würde er sich beherrschen. Beherrschen. Ihr zuliebe. Be. Herrschen. „Wo ist Meister Sanzomon?“, knurrte Gokuwmon mit erhobenen Stab, an dessen Spitze sich bereits wieder elektrische Funken sammelten. „In ihrem Zimmer. Sie schläft, also lasst sie. Der Krach, den ihr veranstaltet ist nicht zum aushalten.“ „Was habt Ihr mit ihr gemacht?!“ „Nichts, was sie nicht auch wollte.“ Über sein eben noch erbostes Gesicht huschte ein flüchtiges, schelmisches Grinsen. Sagomon hielt Gokuwmon zurück, der sich von dieser Provokation anstacheln ließ. „Ihr gehört zu den Meister der Dunkelheit, oder? Ihr seid dieser Pianist, den Piedmon einmal erwähnte. Von Anfang an wolltet Ihr uns allen an den Kragen.“ „Meine Motive sind nicht so plump wie die der sogenannten Herzkönigin“, antwortete Myotismon Sagomon und sein Blick wanderte von dem zornigen Affen-Digimon weg. Aber auch wenn ihn die Anwesenheit von Gokuwmon und Sagomon mehr als missfiel, klang er gelassen. „Es ist unter meinem Niveau einfach ziellos Digimon den Kopf abzuschlagen, nur weil mir gerade danach ist. Tod und Zerstörung hat schließlich auch etwas erhabenes und ästhetisches, mit dem man aber sparsam umgehen sollte. Daher ist dies meine erste und meine letzte Forderung an euch – verschwindet von hier. Und zwar sofort.“ „Und Euch unser zu Hause überlassen?“, schrie nun auch Sagomon. Zum ersten Mal überhaupt hatte Myotismon von ihm gehört, dass er überhaupt zornig wurde. „Glaubt nicht, dass wir oder Meister Sanzomon Euch Grey Mountain einfach so überlassen!“ „Wer redet davon? Ihr geht. Sanzomon bleibt hier.“ Überrascht hoben sich die Augenbrauen der beiden Digimon und während Gokuwmon noch von Unverständnis geplagt wurde, erkannte Sagomon diesen bestimmten Funken in Myotismons Augen wieder. Von Gier und irgendetwas anderem. „Sanzomon gilt in meinem Orchester als Volksverräterin, eine Aktivistin die nur zum Fall unserer ohnehin wackligen Gesellschaft beiträgt und die Tatsache, dass wir nun einmal nur Daten sind und es besser ist, nur Daten zu sein verleugnet. Sie verblendet wie die vier Souveränen das Volk und behindert damit die Möglichkeit, dass die Digiwelt jemals eine eigenständige und stabile Struktur aufbaut, unter der alle Digimon gleich sind.“ „Sie hat einzig erkannt, dass auch Daten wie wir eine Seele haben! Aber was versteht Ihr schon davon?“, schimpfte Gokuwmon weiter, aber Myotismon würdigte ihn weiterhin keines Blickes. Er war überraschend ruhig, wenn seine Augen auch etwas ganz anderes sagten. Myotismon sah den Kapellmeister zwischen den beiden stehen, ihn weiter traurig musternd. „Weit mehr, wie ihr zu denken glaubt. Aber ich kann nicht leugnen, dass ein paar ihrer Ansätze durchaus interessant sind. Sie hat Talent darin, ihrem Nonsens den richtigen Ton zu verleihen. Es wäre schade, wenn ein intelligentes Digimon wie sie wegen wahnwitzigen und schädlichen Gedankengut unter ständiger Verfolgung leben müsste. Sie wird hier bei mir bleiben. An meiner Seite wird kein Digimon es wagen ihr auch nur ein Haar zu krümmen. Ihr wird nichts passieren. Ich werde sie hüten wie meinen Augapfel.“ „I-Ihr seid doch verrückt! Als ob sie das wollen würde!“, brüllte Sagomon entsetzt auf, sein Schnabel klapperte dabei fast ununterbrochen. „Sie wird. Sie will sogar. Ich habe sie gefragt und sie hat Ja gesagt. Und wenn ihr nicht freiwillig geht, werde ich euch zum Gehen zwingen!“ Mit einem wutverzerrten Gesicht ging Myotismon einen Schritt auf Gokuwmon und Sagomon zu, die dafür mehrere zurückgingen. Ein Schreck lief ihnen über den Rücken. „Ihr, ihr alle, ihr stört! Ich überlasse Sanzomon weder den Meister der Dunkelheit, noch euch!“ „Meister Myotismon!“ Phantomon kam gerade durch die Wand hindurch zu ihnen geschwebt und Myotismon fragte sich, nachdem sich seine Tonlage wieder senkte, wie lange dieses Digimon schon dort draußen war und mitgehörte. Und wieso Phantomon nicht so überrascht darüber schien, Gokuwmon und Sagomon unversehrt zu sehen. Phantomon selbst blickte zu seinem Meister, wissend, dass er eben nicht so gut schauspielern konnte und dass wohl oder übel eine Strafe auf ihn wartete, unabhängig davon, was seine Motivation war, ob für seinen Herrn, der davor war etwas sehr Unüberlegtes zu tun oder ob aus Mitleid für die anderen Digimon. „Meister Myotismon, wir haben im Wald Soldaten von Machinedramon gesehen.“ „Wie bitte?“, ächzten Gokuwmon und Sagomon, zusammen mit Myotismon, wobei Letzterer deutlich leiser war. Wie hatte man sie aber gefunden? War ihm jemand gefolgt? „Um den Wald stehen zig Maschinen-Digimon, die alles unter die Lupe nehmen. Wenn die Nebelwand weiter zusammenfällt, finden sie uns“, sagte Phantomon weiter. Die Nebelwand... Düstere Gedanken stiegen hoch, wie schwarzer Rauch, während Myotismons Gesicht wie aus Stein schien, nur Gokuwmon und Sagomon in seinem Fokus. „Ver-schwin-det!“ „Nicht ohne unseren Meister. Meister Sanzomon würde nie zulassen, dass Ihr das, was wir alle für uns aufgebaut haben einfach zerstört.“ „Kampflos überlassen wir Euch unser zu Hause und unseren Meister nicht“, schimpfte beide Digimon, mit erhobenen Waffen, die Gesichter in tiefe Falten gelegt. Jeder einzelne Muskel war angespannt, während sich Myotismons Hand langsam hob, so weit wie es ging – jedoch zu spät merkten, dass dies kein Angriff sein sollte. „Ihr habt es ja so gewollt. Ihr seid selbst an eurem Unglück schuld.“ So langsam Myotismons Arm sich erhoben hatte, so schnell ließ er ihn wieder sinken und neben seinem Körper hängen. Und die Nebelwand fiel mit ihm, fast in Bruchteilen von Sekunden und mit Entsetzen blickten Gokuwmon und Sagomon hinaus zum Himmel, der bereits dunkel war und vereinzelte Sternen zeigte, während am Horizont der letztes Rest eines goldroten Streifens verschwand. Man hörte Gelächter. Erst von einem, dann von vielen, vielen Digimon, die aus den dunklen Ecken des Schlosses zu kommen schienen. Myotismon hörte Devimon. Und Etemon. Puppetmon. Machinedramon und MetalSeadramon und schließlich auch, als er selbst manisch zu lachen begann Piedmon. „Schnell, wir müssen die anderen holen!“, sagte Sagomon zu Gokuwmon und sie stürmten los, Myotismon ignorierend, aber er würde sich nicht die Mühe machen ihnen nachzugehen. Was mit ihnen geschah interessierte ihn nicht. Sie konnten bleiben und drauf gehen, sie konnten davon rennen und vielleicht entkamen sie. Je nachdem wie viel Glück ihnen vergönnt war. Selbst der ganze Berg könne in sich zusammen fallen, es war ihm gleich. Solange Sanzomon blieb. Sie wollte bei ihm bleiben, freiwillig, er sollte bei ihr bleiben, er sollte weiter machen, schrie, dass sie ihn wollte, dass er sie nehmen sollte, dass sie Sein sein wollte, Ja, Ja hatte sie schrien. Er würde dafür Sorgen, dass niemand sie ihm wegnahm. Dass sie, wie sie es wollte für immer bei ihm bleiben konnte. Sie würde ihn nicht verlassen. Nicht wie der Kapellmeister. Und als nächstes wäre der Herr Dirigent dran. Dann könnte Myotismon die Welten endlich so formen, wie sie von Anfang an hätte sein sollen, mit Sanzomon an seiner noch freien Seite. Sei es drum. Sei es um all diese Digimon. Solange Sanzomon sein blieb, sei es um sie alle.   𝅝   Zwar war Sanzomon bereits auf dem Weg des Erwachens, aber ihre Augenlider blieben geschlossen. Ihr war kalt an den Schultern, wohl weil im Schlaf die Decke verrutscht war und nur noch auf Hüfthöhe hing. Sie atmete einmal tief ein. Es roch nach gefrorener Erde und Laub. Sanzomon dachte im Halbschlaf, Myotismon würde neben ihr liegen und streckte den Arme aus, um sich an seinen Körper zu schmiegen, aber sie griff ins Leere. Nur das Laken, dass seinen Geruch behalten hatte. Langsam zog sie ihren Arm wieder zu sich, zusammen mit dem Laken und mit der Erkenntnis, dass sie alleine hier lag wurde Sanzomon augenblicklich kälter. Die Augen öffneten sich. Um sie herum nur dunkles Weiß. Schnee und der Abgrund, dem den Ort ihrer Kindheit doch sehr ähnlich war. Die Bäume, die sonst zwischen Frühling und Herbst festhingen, die Gräser, die Pilze, alles war farblos. Schwärze und Winter. Aber von dieser Wärme im Weißen war nichts hier, weil Myotismon auch nicht hier war. Sie fror mehr. Er käme sicher wieder um sie zu wärmen. Er würde sie nicht hier alleine lassen. Er hatte es versprochen. (Meister Meister seit Ihr hier wieso ist abgeschlossen bitte sagt etwas Meister Sanzomon) Die Stimmen dröhnten in ihrem Kopf und erzeugten ein schmerzhaftes Echo. Sie hörte einen Knall, Schritte, aber sah nur die endloses Schwärze, die den Schnee um, auf und unter ihr noch heller wirken ließ. (Lieber Himmel was ist passiert Hohepriesterin was ist mit Euch sagt etwas) Die Stimmen sollten ruhig sein. Sie wollte hier in Ruhe warten. Vielleicht noch ein bisschen schlafen, dass würde das Warten erleichtern. Und wenn sie erwachen würde, wäre Myotismon sicher zurück. (Meister sagt doch endlich etwas kommt zu Euch war er das hat dieser Mistkerl Euch das angetan?) Warum ließen sie sie nicht in Ruhe? Verstanden sie denn nicht, dass sie nun hier war? Wenn keine dieser Stimmen Myotismon war, hatten sie hier nichts verloren. Dieser Abgrund war ihr beider Wunderland. Das gehörte nur ihnen. Sie gehörte ihm. Sie war Seins, sie - (Blanc was tust du -) Den Schlag selbst hatte Sanzomon nicht gespürt, dafür war ihr Verstand zu weit weg gewesen und war mehr damit beschäftigt, dass Gefühl von Schnee, der nicht da war aufzunehmen und zu verarbeiten, als den Schmerz. Schmerzhafter war nur das Geräusch des Knalls, als die Ohrfeige ihre Wange traf. Cho-Hakkaimon hielt ihren Körper zwar in den Armen, jedoch war es Sistermon Blanc, die ihr die Ohrfeige verpasst und sie damit zurückgeholt hatte. Mit weit aufgerissenen Augen sah Sistermon Blanc auf ihre Hand, dann abwechselnd zwischen ihrer Schwester, Cho-Hakkaimon und Sanzomon hin und her. „E-E-Es tut mir Leid, Hohepriesterin Sanzomon. Aber ihr lagt da u-u-und habt nichts gesagt und wir wussten nicht w-was wir machen sollten“, stotterte sie wehmütig, dass sie schon fast weinte. „Quatsch, dass war genau richtig, was du getan hast. Schließlich hat es geholfen“, sagte Sistermon Noir und klopfte ihr auf den Rücken, dann verzog sie leicht das Gesicht. „Wenn es auch ein wenig zu fest war.“ „Eine Ohrfeige wird wohl das geringste Problem sein. Was ist mit Euch passiert, Meister?“ Cho-Hakkaimon sah blaue Flecken an den Schultern und den Handgelenk ihres Meisters. Und die Bissabdrücke. Aber keiner davon schien wirklich tief zu sein. Und schließlich merkte Sanzomon auch, dass die drei Digimon vor ihr rot anliefen, begriff den Grund aber erst, als Cho-Hakkaimon ihr die Decke entgegenhielt. Sie hatte nichts an. Sie lag nackt in ihrem Bett und ihre Kleider lagen zerstreut herum. Sanzomon entriss Cho-Hakkaimon die Decke, um ihren Anblick zu verdecken. Dann spürte sie ein Brennen. Der Schnitt, nur noch ein langer, roter Stich kratzte. Der Biss auf ihrer Unterlippe war noch zu spüren, wenn auch nicht mehr so deutlich wie der Nachgeschmack dieses Cocktails aus ihrem Blut und dem vergifteten Speichel. Die Fingerkuppen unter ihren Nägeln waren dunkelrot, doch nicht vom Graben, wie es ihre Traum-Persona erlebt hatte. Sie hatte Myotismon den Rücken zerkratzt und mit dieser Erinnerung folgten weitere, eine pornographische Diashow, die an ihr vorbeizog. Nur dass Sanzomon nicht Beobachter, sondern Teilnehmer gewesen war und sich ganz deutlich an jede einzelne Berührung erinnerte, die anschließende Befriedigung und das ebenso süße Gefühl, wenn es auch nur für einen Moment war Myotismon ganz für sich alleine im Armen zu halten. Bis Sanzomon einfiel, was davor geschehen war. „Euch ist nichts passiert“, seufzte Sanzomon erleichtert und drückte Cho-Hakkaimon so fest sie konnte an sich, bis sie laut schrie und vor Peinlichkeit rot anlief, so nah an ihrem unbekleideten Meister zu sein. „Auauauauauu, das tut weh, Meister!“ „Cho-Hakkaimons Rippe ist angeknackst!“, erläuterte Sistermon Noir. „Ja, dieser elende Mistkerl hat mich regelrecht zerquetscht“, fauchte Cho-Hakkaimon weiter. „Gut, dass Gokuwmon und Sagomon kamen und uns geholfen haben.“ „Myotismon hat dich also wirklich angegriffen?“, fragte Sanzomon, ihre Hände über Cho-Hakkaimons Brustkorb schwebend. Cho-Hakkaimon wimmerte, als die heilende Kraft durch den Körper floss, dann verging der Schmerz. „Ihr wisst es also? Dass Myotismon -“ „Er hat es mir gesagt.“ Beide Sistermon blinzelten verwundert, schließlich auch Cho-Hakkaimon, die genauso überrascht war. Mit großen Augen sahen sie zu, wie Sanzomon sich in Windeseile wieder anzog und sahen die Bissspuren. Er hatte sie gebissen. Hatte er Sanzomon auch so wie sie... „Meister, was hat er... Warum die ganzen Bisse?“ „Nichts. Wirklich nicht. Die Bisse sind harmlos. Es ist nur einfach über uns gekommen und haben uns... nicht zu beherrschen gewusst“, sagte Sanzomon, schaute den dreien dabei in die verlegenen Gesichter, dann wurde ihr eigens finster. „Er wusste, dass ich nicht nur mit den vier Souveränen sympathisiere, sondern dass ich auch für sie arbeite. Er wollte alles über den Mann im Mond und die acht Wunder wissen.“ „Der Mann im Mond?“, wiederholte Sistermon Blanc fragend. Sistermon Noir hatte diesen Namen öfter gehört, hatte aber die Metapher und die Bedeutung dahinter nie begriffen und dachte sich, dass es einen tieferen Sinn hatte, dass nur Sanzomon, Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon es verstanden. „Er sagte, er hätte euch gebissen.“ „Nein, wir haben ihn mit dem Infusionskram von Vademon ausgetrickst. Sagomon hatte schon länger den Verdacht, das etwas mit ihm nicht stimmt“, begann Cho-Hakkaimon zu erklären und half Sanzomon beim Aufstehen. „Und wo ist Myotismon nun?“ „Wir wissen es nicht“, sagte Sistermon Noir. „Wir müssen vorsichtig sein. Und Ihr solltet Euch auch von ihm fernhalten.“ „Nein! Ich muss mit ihm sprechen. Das ist alles nur aus dem Ruder gelaufen, dass kann man in Ruhe klären. Was immer in ihn gefahren ist, er -“ „Er hat die Nebelwand verschwinden lassen.“ Es war totenstill im Zimmer geworden. Unter Sanzomons Halstuch zitterten die Lippen, die Augen weit aufgerissen und Sistermon Noir anstarrend. Im Augenwinkel sah sie, dass es stimmte. Der Nachthimmel und die Sterne schienen durch das Fenster klar und deutlich und das sollte nicht sein. „Nein... Nein! Die Kleinen! Oh Nein, die Digieier! Gennai!“ Wieder plötzlich Herrin ihrer gesamten Kräfte rannte Sanzomon aus ihrem Zimmer, die Tür knallte laut, als sie diese aufschlug. Cho-Hakkaimon und die beiden Sistermon hielten mit ihr Schritt, liefen ihr nach und erkannten schon am Weg, dass Sanzomon auf den Weg Richtung Bibliothek war. Eingeholt hatten sie Sanzomon auch erst, als sie sich in besagten Raum befand. Sie stand vor einem der Regal, hatte einige Bücher herausgeworfen, hinter denen sich eine Steintafel mit zwei Zeigern versteckte. Sanzomon zog an beiden, doch rührten sich nicht, selbst als sie versuchte mit beiden Händen auch nur einen der Zeiger zu bewegen und Cho-Hakkaimon den anderen. „Wieso geht das nicht auf!“, fluchte Cho-Hakkaimon, stemmte einen Fuß noch zusätzlich dagegen, was jedoch nichts brachte, außer dass sie nach kurzer Zeit den Halt verlor und zu Boden fiel. „Das gibt es doch nicht! Gennai! Gennai!“, rief Sanzomon durch die Wand und hämmerte gegen die Bücherregale. „Gennai! Was ist da los?!“ „Oh, will man euch nicht bei der Party dabeihaben?“ Etemon war im Türrahmen aufgetaucht. Er stand, sichtlich belustigt und am Holz der Tür angelehnt da und breit grinsend betrachtete er die Digimon vor sich. „Der Zaunkönig!“, rief Sistermon Blanc erschrocken auf, hob dafür entschlossen ihren Stab, wie Sistermon Noir ihre Pistole und Cho-Hakkaimon ihren Hammer. „Zaunkönig? Ach stimmt, weil ihr 'n Kinderchor seid, gibt ihr uns alberne Namen aus alten Mutter-Gans-Liedern. Zwar bevorzuge ich es von meinen Fans mit Eure Majestät bejubelt zu werden, aber ich bin mal nich' so“, lachte Etemon wieder, richtete dabei seine Sonnenbrille. Man sah es wegen der dunklen Gläser nicht, aber er schien jedes der anwesenden Digimon anzuschauen und blieb schließlich bei Sanzomon hängen. „Ah, ich schätze mal, das Mönchlein ist die besagte Kantorka.“ „W-Was?“, stammelte Sanzomon. „Na, 'ne Sängerin. Die Primadonna, an die mein Freund der Pianist so einen Narren gefressen hat. Nett dich mal kenn' zu lernen. Zu dumm nur, dass sich Orchester und Chor in der Regel nich' so gut vertragen. Myotismon hatte schon immer 'nen sehr extravaganten Geschmack.“ „Was willst du hier?“, fauchte Cho-Hakkaimon ihn an, aber Etemon, wenn er auch tat, als hätte sie ihn eingeschüchtert, nahm sie nicht so sehr ernst. „Nur 'n kleines Konzert zum besten geben. Wir sieben haben schon lange nicht mehr vor Publikum gespielt. Und 'ne bessere Gelegenheit als die hier gibt's wohl kaum.“ Kaum dass Etemon wieder zu kichern begann, hörte man einen Knall. Das Geräusch einer Explosion und ein Beben, dass alle sich im Raum befindenden Digimon fast ihren Halt verloren. Es kam von unten. „Nein! Was habt ihr getan?!“ „Reine Vorsicht“, antwortete Etemon sehr gelassen, im Kontrast zu Sanzomons immer stärker werdenden Anspannung. „Wir können keine weiteren Volksverräter in dieser Welt gebrauchen. Wir wollen nur wissen, was du hier sonst noch in deinem Schloss veranstaltest, wie Babysitter zu spielen. Und wenn's nötig ist reißen wir eben das ganze Schloss ab.“ „Du elender-“, fluchte Sistermon Noir und schoss auf Etemon. Sie zielte genau zwischen die Augen, aber die Kugel wurde abgefangen, indem Etemon einfach nur zwei Finger hob und die Kugel zwischen ihnen stecken blieb. „Das gibt’s nicht!“ „Mehr habt ihr nicht drauf? Dunkles Netzwerk!“ Sistermon Blanc und Sistermon Noir stellten sich schützend vor die geschwächte Sanzomon und der ebenso noch immer angeschlagenen Cho-Hakkaimon, dafür bekamen sie jedoch die gesamte Wucht von Etemons Attacke ab. Die so klein aussehende dunkle Kugel aus grünen Funken und schwarzen Blitzen riss die beiden Schwestern von ihren Beinen und sie flogen gegen das Glas eines Fensters und von dort hinaus. „Blanc, Noir!“, riefen Sanzomon und Cho-Hakkaimon ihnen nach und wollten hinterher, jedoch stieß Etemon sie beide zu Boden, als er selbst losrannte und aus dem Fenster den beiden Sistermon nachsprang. Sie rappelten sich aber beide schnell wieder auf und schauten schließlich hinaus. Sistermon Blanc und Sistermon Noir waren unversehrt auf der Burgmauer gelandet und hatten in den Awaken Modus gewechselt. So waren sie zwar stärker, aber es war zu bedenken, ob sie, ein Rookie und ein Champion mit wenig Erfahrung im Kampf überhaupt eine Chance gegen ein Ultra-Level hatten. Jedoch hatten sie mit Gokuwmon und Sagomon gute Lehrer. „Jetzt halt endlich still!“, schrie Sistermon Noir, weiter auf Etemon schießend, zusammen mit Sistermon Blanc, die Blitze auf ihn niederschlagen ließ. Er selbst wich ihnen nur aus und es wirkte mehr nach einem überaus merkwürdigen Tanz. „Los, macht dieses Großmaul fertig! Links, Rechts!“, schrie Cho-Hakkaimon zu ihnen hinunter, wild mit dem Armen fuchtelnd, was Etemon immer noch nicht zu beeindrucken schien. „Ich sehe, ihr seid keine Fans von Tänzen. Vielleicht lässt sich der Chor ja mit einem kleinen Ständchen bezaubern. Als offizieller Cellist musste ich mein modernes Equipment zu Hause lassen, aber als Sänger bin ich auch nicht zu verachten, werte Chordamen! Serenadenschocker!“ Der Gesang, gleich mehr einem Geheule, dass Mark und Bein erschütterte. Die Sistermon gingen in die Knie, mit dem Gefühl dass jeden Moment ihr Trommelfell platzen würde und den Händen an den Ohren, was nicht half. „Da singt ja selbst Sagomon besser!“, schimpfte Cho-Hakkaimon laut und krümmte sich auf dem Boden. Das Gejaule endete, als ein roter Lichtstrahl Etemon am Kopf traf. Ein weiterer warf ihn schließlich von der Burgmauer hinunter und das Digimon fiel in das Gestrüpp unter ihnen. Ein Mekanorimon schwebte direkt über den Sistermon. Da es ein Maschinen-Digimon war, gehörte es wohl zu Machinedramons Truppen. Ehe sich aber Sanzomon fragte, während sie sich an Cho-Hakkaimon festhielt und zu den Sistermon hinunter auf die Mauer sprangen, warum dieses Digimon ihnen geholfen hatte, sah sie, dass es Digieier in seinen Armen hielt. Die Eier der auserwählten Digimon. Sanzomon und Cho-Hakkaimon schnappten scharf nach Luft, als sich die Glaskuppel des Mekanorimon öffnete. Es war Gennai. „Ist mit euch alles in Ordnung?“, rief er zu ihnen hinab. „Uns geht es gut. Aber was ist passiert?“ „Als die Nebelwand sich auflöste, stürmten die Truppen der Meister der Dunkelheit hierher“, erzählte er Sanzomon. „Alle Meister der Dunkelheit sind hier und haben es auf die Digieier und das Tor abgesehen. Sie sind dabei ganz Grey Mountain einzunehmen!“ Eine weitere Explosion und eine Schar Mekanorimon tauchte hinter den Steinmauern auf. Als sie Gennai sahen, steuerten sie direkt auf ihn zu. „Flieht, ehe sie euch erwischen! Ich bringe die Digieier in Sicherheit!“ „Sei vorsichtig!“, rief Cho-Hakkaimon ihm nach, sie, Sanzomon und die beiden Sistermon rannten ihm noch nach, bis zum Ende der Burgmauer. Die feindlichen Mekanorimon flogen über sie hinweg, Gennai hinterher. „Wir treffen uns beim Siebenschläfer!“, schrie Sanzomon ihm nach, während Gennai und seine Verfolger am Horizont immer kleiner wurden. Sie hoffte, er hatte es noch gehört. „Aua, lasst uns, wir haben überhaupt nichts gemacht!“ „Verschwindet!“, schimpften Stimmen, die eine klang nach Bakemon, die andere nach Swanmon. Besagte Digimon flogen durch das Gestrüpp unterhalb der Ebene, auf der sich das Schloss befand. Eine handvoll Swanmon jagte die kaum größere Gruppe Bakemon, schlug mit ihren Schnäbeln auf die jammernden Geist-Digimon ein, bis diese zwischen den Hecken abtauchten. Dafür erschienen zwischen den Bäumen folgend große, rote Augenpaare, die die Swanmon ins Visier nahmen, gerade als sie noch triumphierend mit ihren Flügeln schlugen. „Powerfluss!“ Eine riesige Wasserfontäne schoss aus dem Gehölz heraus, die Swanmon schreckten auf und wollten sich in sichere Reichweite begeben, doch waren zu langsam und zu überrascht, dass sie hätten rechtzeitig ausweichen können. Sanzomon war jedoch schnell bei ihnen gewesen, stand inmitten der Schusslinie, betend und mit ihrer Gebetskette in der Hand. Der Wasserstrahl prallte ab, wurde aber nicht wie von Sanzomon erhofft wieder zurückgeworfen. Sie hielt dem Druck stand, wenn auch gerade so. „Hohepriesterin, was -“ „Stellt keine Fragen, flieht! Warnt alle, sie sollen so schnell wie möglich von hier verschwinden!“, sagte Sanzomon zu ihnen, ohne zu zögern flogen sie auch los. Aus den Bäumen schossen die roten Augenpaare hervor, die zu MetalSeadramon gehörten auf die Swannmon zu, aber ehe er angreifen konnte, flog Cho-Hakkaimons Hammer dazwischen. Die Zeit, die MetalSeadramon sich nahm um auszuweichen, nutzen die Swanmon, um davon zu fliegen, wenn dieses Meeresungeheuer auch schon längst das Interesse an ihnen verloren hatte, sondern sich lieber den vier Digimon widmete, die vor ihm standen und es gewagt hatten, ihn anzugreifen. „Drachenflamme!“, zischte MetalSeadramon und wo vorher Wasser kam, schossen nun Feuer heraus auf die vier Digimon. Sie liefen den Weg entlang, von dem die Swanmon kamen, fliehend vor den Flammen, die ein Eigenleben zu haben schienen und die Hitze saß ihnen allen während ihrer Flucht bedrohlich im Nacken. Am Rande eines Abhanges, was gleichzeitig eine Sackgasse war kam Sanzomon schließlich zum stehen. Von dort konnte man hinunter zu dem Garten aus kleinen Teichen sehen, die zum Strom unter der Erde gehörten, der durch die Berge floss. Und in einer Ecke gekauert saßen alle ihre vierundzwanzig Schützlinge. Auch die beiden Sistermon kamen zum stehen, sahen das, was auch Sanzomon sah und wollten mit ihrer Hohepriesterin jubeln, bis dann Cho-Hakkaimon, die sich mehr um den Fisch Sorgen machte die drei Digimon anrempelte. Sie verloren den Halt und fielen hinunter, hatten jedoch Glück im Unglück. Sie waren auf Moos und damit einigermaßen weich gelandet. „Guckt mal, da sind Sistermon Blanc und Sistermon Noir!“, rief Kokomon als erstes und fassungslos. „Ja, sie sind hier! Und Cho-Hakkaimon!“ „Und Sanzomon!“, bemerkten Pagumon und Kyaromon und kamen auf die Digimon zugelaufen, die langsam wieder hoch kamen. „Sanzomon, wieso liegst du nicht im Bett? Du brauchst doch Ruhe“, sagte Budmon. „Egal. Ist euch etwas passiert?“ „Die Bakemon waren voll gemein“, moserte Yaamon. „Die haben uns einfach in unsere Zimmer geschickt und abgeschlossen, dabei waren wir ganz artig.“ „Und wieso seid ihr hier?“, fragte Sistermon Noir aufgeregt. „Gokuwmon und Sagomon kamen und haben uns wieder gehen lassen. Sie haben gesagt wir sollen aus dem Schloss gehen. Dann kamen wieder die Bakemon und wollten uns fangen, aber die Swanmon haben sie verjagt.“ „Und wo sind die beiden?“ Schreie unterbrachen Sanzomon. Sie mussten alle nur etwas aufsehen und sahen wie Gokuwmon und Sagomon durch die Luft geschleudert wurden. Von Fledermäusen. „Gokuwmon! Sagomon!“, rief Cho-Hakkaimon erschrocken auf, wollte den beiden aufhelfen, kam aber zum stehen, als Myotismon vor ihnen allen auftauchte, mit alles anderen als freundlichen Absichten und sie alle von dem imaginären Schneesturm in seinen Augen erfasst wurden. Auch, wenn sie es wusste, wenn es schon längst alle wussten, es nun wahrlich zu sehen, brachte es auf eine weitere Metaebene und für Sanzomon gleich ein Stich ins Herz. Die Fledermäuse flogen pfeifend und fauchend über ihnen ihre Kreise, gingen nicht nur auf Sagomon und Gokuwmon los, sondern nun auch auf Cho-Hakkaimon, die ihnen helfen wollte. „Hör auf!“, rief Sanzomon. Die Fledermäuse ließen von ihren Schülern ab und bauten Abstand auf. Mit von sich gestreckten Armen stand Sanzomon zwischen Myotismon und ihren Schülern. „Sag mir bitte, dass es nicht so ist, wie es aussieht“, sagte Sanzomon mit zitternder Stimme. „Das ist einfach nur ein großes Missverständnis. Das ist nur wieder einer deiner komplexen Gedankengänge, dem ich nicht folgen kann. Du hast gesagt, du würdest niemanden etwas zu Leide tun! Es sei nur diese verfluchte Politik, die zwischen allem steht, sonst nichts!“ „Zu Politik gehört immer eine Ideologie. Und dein Idealismus steht im Weg, vor allem dir selbst“, zischte Myotismon, umhüllt von einer Wolke aus Fledermäusen. „Es hätte alles ganz einfach und ruhig laufen können, wären deine Schüler und dein Mangel an Einsicht nicht. Sie hätten ohne eine einzige Schramme gehen können, während du weiter friedlich geschlafen und geträumt hättest. Dass es so kommen musste ist ihre Schuld, nun sollen sie auch die Konsequenzen dafür tragen.“ Die jungen Digimon verkrochen sich hinter Sanzomon, in sich gekrümmt, zitternd und winselnd. Ihre drei angeschlagenen Schüler standen wieder auf. Sanzomon selbst nun auch von Fledermäusen umgeben, die sie allerdings nicht attackierten, sondern nun schnappten und fauchten. Sanzomon sah durch die Tiere hindurch zu Myotismon, schüttelte verzweifelt und hoffend den Kopf – er reagierte nicht. Die Wellen eines tiefen Bass schlugen durch die Luft. Was für die Digimon ein unangenehmer Druck war, war es für die Fledermäuse so schrecklich, dass sie, wenn es sie nicht vernichtete von ihrer Beute wichen und an Myotismons Seite zurückkehrten, der sich selbst die Ohren zuhalten musste. „Dieser schreckliche Kanarienvogel...!“, fluchte Myotismon, weiter die Hände auf den Ohren und stellte fest, dass Sirenmon nun drohend vor ihm schwebte. „Als Musiker solltest du wissen, dass man sich mit einer Sängerin nicht anlegen sollte.“ „Tse. Albtraumkralle!“ Sirenmon flog höher, um so auszuweichen. Myotismon folgte ihr zwar, griff aber nicht mehr an, schien stattdessen etwas hinter sich bemerken und noch während Sirenmon sich wunderte, wurde sie von Spielkarten beschossen. Einigen wich sie noch aus, ein paar trafen sie. Ihre Kleidung bekam Risse und sie verlor einige ihrer Federn, wie auch ihren Halt im Flug. Sirenmon fiel, alle Digimon ihrer Flugbahn nach. Sistermon Noir sprang hoch und fing Sirenmon auf, ehe sie gegen die Steinwände knallte. „Sirenmon, Sirenmon!“, riefen die Baby- und Ausbildungs-Digimon durcheinander. „Alles okay. Danke, Sistermon Noir.“ „Schon gut“, sagte sie zur keuchenden Sirenmon und setzte sie auf dem Boden ab. Die Karten, die Sirenmon erwischt hatten fielen runter und blieben im Boden stecken. Alle zeigten die Herzdame, mit entstellten und zu Grimassen verzogenen Gesichtern. „Ich sagte zwar, dass das ein Kinderchor sei, allerdings ahnte ich ja nicht, wie recht ich damit hatte.“ Sanzomon warf panisch den Kopf zurück. Neben Myotismon schwebte Piedmon. Sanzomons Schützling, wenn sie nie dazu kamen Piedmon persönlich kennen zu lernen wussten jedoch instinktiv, was das für ein Digimon war und kauerten sich ängstlich zusammen. Die beiden Sistermon hielten zwar ihr Waffen, zitterten aber selbst wie die Baby-Digimon. Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon, die mit Sanzomon am weitesten vorne standen schnürte es bei der Erinnerungen an das Krocketspiel von einst automatisch die Kehle zu. Sirenmon, die Piedmon zum ersten Mal sah, schluckte zwar, wehrte sich aber dagegen, sich von ihrer Angst übermannen zu lassen, bis die Erde unter ihnen bebte und aus den Boden stieg Machinedramon hervor. „Noch mehr von denen?“, schimpfte Gokuwmon in sich hinein und würde von einem Gebrüll unterbrochen. MetalSeadramon kam aus den Wäldern über ihnen und zog Kreise wie ein Geier. Etemon sprang von MetalSeadramon herunter und landete auf Machinedramons rechter Schulter. Aus MetalSeadramons Schatten, der größer wurde sobald dieser sich weiter der Erde nährte, stiegen erst schwarze Flügel, danach Hörner und schließlich Devimon heraus, gleich als würde er aus schwarzen Wasser steigen und an ihm hielt sich Puppetmon fest. Er ließ erst los, als sie beide fast mit Piedmon auf einer Höhe waren. Sie waren hier. Alle Meister der Dunkelheit waren hier. Und sie selbst waren eingekesselt und ihnen, und vor allem Piedmon, der amüsiert auf sie hinab sah ausgeliefert. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, verehrte Weiße Königin. Seit unserem letzten Treffen hast du ja ganz schön Karriere gemacht und mächtig Zuwachs bekommen. Ich habe immer gehofft, du würdest meine Einladungen annehmen. Dass du mich abgewiesen hast stimmt mich traurig. Dabei wollte ich nur deine Krönung angemessen feiern.“ „Mit dem Mörder von Jijimon und Babamon möchte ich nicht einmal in der selben Himmelsphäre verweilen, geschweige denn mit einem Meister der Dunkelheit.“ „Meinen Pianisten aber hast du dafür mit sehr großzügigen Armen empfangen. Ich könnte fast neidisch werden.“ Einige der anderen Meister der Dunkelheit fingen an zu lachen, Sanzomon konnte nur nicht sagen wer von ihnen. Myotismon zumindest nicht, dieser funkelte Piedmon aufgrund dieser Bemerkung böse an, ehe er wieder zu Sanzomon hinunterblickte. Automatisch fuhr ihre Zungenspitze über die kleine Wunde an ihrer Lippe. Sanzomon kam Schamgefühl hoch. Sie wich Myotismons Blicken aus, versuchte ihn auszublenden. Gleichzeitig spürte sie, wie ihre Schüler näher an sie traten. „Was machen wir nun mit ihnen?“, fragte Machinedramon und sein Schatten war so groß, dass darin die gesamte Truppe versank. „Nehmen wir sie als Geisel, Piedmon?“ „Ich bin nicht so der Typ für Gefangene. Was sagt ihr?“ „Sollen sie doch rennen, wir sehen dann, wie weit sie kommen“, zischte MetalSeadramon. „Ich bin dagegen. Machen wir sie lieber alle gleich kalt.“ „Wäre auch eine Idee“ murmelte Piedmon bei Devimons Vorschlag, bis Myotismon sich laut räusperte und ihn aus seiner Planung riss. „Ja, ja, ist gut, ich habe unseren Deal nicht vergessen.“ „Wieso darf unser Pianist Gefangene machen? Ich will auch ein neues Spielzeug, die anderen gehen immer so schnell kaputt“, meckerte Puppetmon und prüfte mit einem strengen Blick jedes Digimon vor ihm. „Der Affe, das Ferkel und dieser Krähenkopf sehen aus, als halten sie was aus.“ „Pass auf was du sagst!“ „Wir sind keine Spielzeuge!“, keiften Cho-Hakkaimon und Sagomon, wurden aber von Puppetmon nicht ernst genommen, wie auch von Piedmon gänzlich ignoriert, als dieser prüfend durch die Reihen sah und bei Sistermon Blanc und Sistermon Noir hängen blieb. „Teilt sie euch auf, wie ihr wollt. Ich nehme mich gerne den Sistermon an, wenn ihr erlaubt.“ „Wenn du denkst, dass wir uns von dir gefangen nehmen lassen, hast du dich geschnitten!“ „Wir dienen bestimmt nicht dem Digimon, dass unsere Heimat zerstört hat“, protestierten die beiden. „Eh, immer die gleiche Leier…“, sagte er ermüdend und winkte die Drohung der beiden Schwestern ab. „Jedes Digimon, dass ich aufnehme, sagt das. Dir diene ich nicht, ich werde sicher nicht deine nächste Gespielin, eher sterbe ich, blah, blah, blah… Aber am Ende sind sie doch glücklich darüber, an meiner Seite sein zu dürfen. Das hat eure Schwester auch schon verstanden.“ „Eine unserer Schwestern?“, wiederholte Sistermon Blanc, fragende Blicke mit Sistermon Noir wechselnd, bis Piedmon zu lachen anfing. „Dieses Sistermon Ciel war genauso stur wie ihr beide, hatte aber etwas mehr Mumm als ihr oder die anderen Sistermon, die abgehauen sind und für die sie sich aufgeopfert hat. Nun, da sie Dank meiner Wenigkeit digitieren konnte, geht es ihr als LadyDevimon sehr gut bei mir. Sie wird sich sicher freuen euch zu sehen.“ „Du... Du hast unsere Schwester...?“ „Du Scheusal!“, schrie Sistermon Noir und zielte mit ihrer Pistole auf das Clown-Digimon. Sanzomon jedoch legte ihre Hand auf die Waffe und schüttelte den Kopf. Etwas zögerte Sistermon Noir noch, aber dann, als Tränen unter ihrer Maske hervorkamen ließ sie ihre Pistole sinken. „Glaubt nicht, ihr könntet mit uns umspringen, wie es euch beliebt.“ „Und wer will uns daran hindern? Du? Eine jämmerliche Traumtänzerin?“ „Digimon wie du und dein Orchester sind es die nicht verstehen! Seid doch selbst gegen die alte Politik und tut doch nichts als Terror und Kummer zu verbreiten, wie es in der Apartheid und während der Typus-Kriege Gang und Gebe war.“ Wieder lachen. Diesmal jedoch lachten alle sieben. Sie lachten Sanzomon aus und niemand freute sich mehr darüber wie Piedmon. „Willkommen im Krieg. So funktioniert die Welt. Wir haben das begriffen, daher ist uns die Digiwelt auch so egal und jedes einzelne Digimon, dass hier existiert. Wir genießen nur das Privileg, es zu unserem Gunsten zu wenden. Was kümmert uns Verluste und Tränen? Uns ist egal, ob die Welt brennt, aus der Asche steigt doch ohnehin nichts, was es wert wäre, erhalten zu bleiben.“ Das Lachen wurde lauter und hallte in dieser Welt, die um Sanzomon herum dunkler erschien. So dunkel wie die Tiefe des Abgrund es war. Sie sah ihn. In allen sieben Augenpaaren dieser Digimon, bereit die gesamte Digiwelt dort hineinzuziehen, in denen sich verschiedene Jahreszeiten tummelten, sonst das Sinnbild von Leben und Zeit auf das Grässlichste entstellt. Und vermutlich mit dem gleichen abscheulichen, unaussprechlichen Inhalt, den sie bei Myotismon gesehen hatte. Sieben Abgründe, sieben Gräber, sieben Digimon, sieben, sieben gleiche Augen, sieben, sieben Tugenden, sieben Chakren, sieben... „Ihr macht euch alle so wichtig, dabei ist jeder einzelne von uns vollkommen unbedeutend. Ob einer, sieben, oder einhundert sterben, es interessiert niemanden.“ „Jene, die uns etwas bedeuten, unser zu Hause interessiert es“, widersprach Sanzomon weiter. „Darum sind wir hier, um den Ort zu finden, wo wir hingehören. Auch wenn die Welt nicht um uns weint, einzelne werden es tun.“ „Noch mehr von deinem Wunderland-Geschwafel?“, rief Myotismon dazwischen. Piedmon schien weniger begeistert, dass man seine Rede unterbrochen hatte, ließ Myotismon aber reden. Nur um zu sehen, ob und wie Sanzomon in Liebeskummer versank, wenn das Digimon, dass ihr so viel bedeutete ihr in den Rücken fiel. „Wie lange willst du noch an Träumen festhalten? Diese besonderen Ort existieren in deinem Kopf, aber in der Realität, wie sehen da diese Orte aus die du zu Hause nennst? Ein Ort mit Digimon, die sich Geschwister schimpfen, aber sich heimlich über dich lustig gemacht haben, nur um dann in dem einer alten Hexe zu landen, die dich nur gelobt hat, wenn du brav horchtest?“ „Das ist so nicht und ich weiß das! Auch wenn sie immer schimpfte, mein Herz weiß, dass Babamon mich...!“ Sanzomon schwieg, als der Kloß im Hals größer wurde. Myotismon ging nicht auf sie ein, sondern wandte sich an Gokuwmon, Cho-Hakkaimon und Sagomon. „Deine Schüler sind kein Deut besser. Belügt euch doch nur selbst, um mit eurem Gewissen im Reinen zu bleiben. Ein schönes Wunderländer hast du da, Sanzomon. Und seine Bewohner sind das erbärmliche Gesindel der Welt.“ „Was weiß einer wie du schon davon, der die Suche danach aufgeben hat?“ „Ich erkenne Verrückte, wenn ich sie sehe. Die Irren wissen nicht, dass sie irren. Sie wissen nicht, was gut für sie ist, darum haben sie nur zwei Wege, die sie einschlagen können. Entweder sie horchen – oder sie fallen.“ Gokuwmon knurrte zwar, aber wie Cho-Hakkaimon und Sagomon knickte er bei der scharfen Kritik ein. „Hört ihm nicht zu!“, forderte Sanzomon die drei auf. „Wir haben uns gesucht und alles hineingesteckt, um das aufzubauen. Wir haben unseren Ort selbst erschaffen, wo selbst Verrückte an dem Arbeiten können, was sie träumen. Lasst euch das nicht kaputt reden. Nicht von denen, die nur Freude empfinden, wenn sie solche Orte in Schutt und Asche verwandeln können.“ Sie hörten Sanzomon zwar, aber ihre Worte hatten sie kaum erreicht. Ihre Unsicherheit amüsierte Piedmon, statt aber etwas auf Sanzomon zu geben, knöpfte er sich ihre Schützlinge vor. „Ihr seht, liebe Chorkinder, auf Vernunft und Hoffnung zu pochen ist vergeudete Mühe. Wer Träumen nachjagt, fällt in entsetzliche Abgründe und man kommt nie mehr hinaus. Und besser ihr lernt das jetzt, als wenn es schon zu spät ist. Ansonsten kocht dieser kindische Wahnsinn nur euren Verstand weich.“ „Ach sei doch still!“, riefen einige der Ausbildungs-Digimon durcheinander. Und nicht nur Piedmons Gesicht, sondern auch das seiner Mitspieler entgleiste und jedes Digimon, dass sich an diesem Ort versammelt hatte sah auf diese vierundzwanzig kleinen Kreaturen. „Ihr seid so fies!“, maulte Yaamon und es kam so überraschend, dass Sanzomon selbst ihre Fassung verlor. Ihre Schützlinge, erst allesamt eingeschüchtert gewesen, legten ihre Mienen in tiefe Falten, selbst die Baby-Digimon versuchten so entschlossen wie möglich dazustehen. „Ja, ihr seid total oberfies und gemein!“ „Auf euch hören wir bestimmt nicht!“ „Haltet ihr euch etwa für was besseres?“, riefen sie in einem lauten Kanonen, Cho-Hakkaimon versuchte noch mit Handzeichen ihnen klarzumachen, dass sie ruhig sein sollten, stattdessen wurden sie ungehaltener. „Vor solchen gemeinen und hinterhältigen Fieslingen lassen wir uns sicher nichts sagen!“, brüllten sie alle im Chor und streckten ihnen die Zunge heraus. Und wäre Sanzomon nicht wie erstarrt gewesen, hätte sie die Hände ins Gesicht geklatscht und sich gefragt, was sie in ihrer Erziehung falsch gemacht hatte, dass sie so etwas unvernünftiges und unüberlegtes taten, wie stärkere Digimon zu provozieren. Die Meister der Dunkelheit, von dem großen Mundwerk dieser kleinen Digimon doch etwas überrumpelt, warfen ihre Köpfe hin und her, um zu sehen wie jeder von ihnen darauf reagierte und festzustellen, dass sie alle etwas verdutzt waren. Sie schwiegen und das sogar recht lange, dann fingen sie schließlich alle gleichzeitig an laut loszulachen, teils sogar bis Tränen kamen. Nur Myotismon hatte sich nicht von dem Gelächter hinreißen lassen, sondern hatte an Sanzomons Stelle die offene Hand ins Gesicht geschlagen und schüttelte den Kopf, sich fragend, was Sanzomon bei den Kleinen falsch gemacht hatte. „Sie haben ganz schön Mumm in den Knochen. Fast zum Totlachen“, amüsierte sich Machinedramon, der einzige von ihnen (abgesehen von Myotismon) der nicht beinah an seinem eigenen gehässigen Lachen erstickte. Piedmon krümmte sich sogar so sehr vor Lachen, dass er, obwohl er schwebte, fast den Halt verlor und umkippte. Während er hin und her wippte beim Lachen, traf Licht in Sanzomons Auge. Da war etwas an Piedmons Anzug, dass es reflektiert hatte. Sie sah genauer hin. Sie sah Gold. Nein, Digizoid, aus dem die Amulette für die Digiritter bestanden und die nun, samt der Wappen von Piedmon an einer kleinen Schnalle seines roten Anzugs befestigt waren. „Oh, sie hat's gemerkt“, sagte Puppetmon kichernd und wischte sich eine Träne aus seinem hölzernen Gesicht. „Gefallen dir meine Souvenirs?“, lachte Piedmon, breit grinsend, nahm die Amulette in die Hand, um sich jedes von ihnen genau anzuschauen, während Sanzomon blass wurde. „Jemand hat sich wohl sehr viel Mühe gegeben. Da wäre Babamon aber stolz gewesen.“ „Es sind acht Stück, so viele wie es auserwählte Digimon gibt. Sie sollte die Wappen herstellen und anschließend auf diese Digimon aufpassen“, antwortete Myotismon nüchtern. Ehe Sanzomon sich fragte, woher er das nun auch wusste, fing ihre Wunde am Arm an zu brennen. Das Bild, wie er mit der Zunge darüberfuhr kam wieder hoch. „Raffiniert. Da sie ohnehin schon Digimon großzieht, wäre ein plötzlicher Zuwachs niemand verdächtig vorgekommen. Nun sind diese aber nicht mehr hier, man wird also keinen Nutzen mehr für sie haben, sie weder suchen, noch ihnen helfen. Ist bitter, wenn man benutzt und dann weggeworfen wird, oder Sanzomon?“ „Wir wurden nicht fallen gelassen“, zischte Sanzomon, die Fäuste so stark verkrampft, dass ihre Fingernägel sich in das Fleisch bohrten und Abdrücke hinterließen. „Das können wir ja austesten“, sagte Piedmon und der verspielte Ton gefiel Sanzomon gar nicht. „Die müssten doch wissen, dass ihr ziemlich tief in der Tinte steckt“, rief Etemon und rieb sich die Hände. „Wir können ja mal warten und sehen, ob jemand kommt und euch hilft, was sagt ihr?“ „Und so lange spielen wir ein bisschen mit euch.“ Myotismons Protest, der sich minimal in seiner Mimik abzeichnete wurde sowohl von Piedmon, als auch von den anderen Meistern der Dunkelheit ignoriert. Auch Sanzomon war es nicht aufgefallen. Sie versuchte nachzudenken, wie auch ihre Anhänger und Schützlinge hinter ihr, aber es schien aussichtslos. Es betraf kein besonderes mathematisches Wissen, um zu erkennen dass ihr Feind von Level und Stärke weit über ihren eigenen Durchschnitt stand und früher oder später würden sie den Kürzeren ziehen. Fliehen wäre eine Option, zumal auch die Sicherste, vor allem wegen der Kleinen. Aber sobald sie es versuchen würden, würde man ihnen den Weg abschneiden. „Machen wir daraus ein nettes Schachspiel. Weiß fängt an. Du hast also den ersten Zug.“ Sanzomon hatte ihre Gebetskette beschworen, erst nicht wissend, was sie tun sollte. Kaum dass sie die glatte Oberfläche der Perlen aber streifte, überkam sie der Geisterblitz und die Frage, ob das überhaupt funktionierte. Theoretisch wäre es, wenn ihre Schlussfolgerung stimmte. Wenn sie alle ein Orchester waren, alle mit Abgründen in Augen und Herzen, dann wohl auch mit identischen Inhalt. Aber sie würden nicht zulassen, dass Sanzomon graben konnte. Sie würden es nicht zulassen und auch so würde Sanzomon keinen Draht zu ihnen aufbauen können. Aber wenn sie nicht – oder der Gedanke überkam Sanzomon, als sie die Perle zwischen ihren Fingern hielt, die größer war wie die anderen – dann vielleicht (Tante Rhody alle ihre Gänschen sind nicht mehr) „Und nun?“ „Ich habe eine Idee. Es ist riskant und ich brauche dafür etwas Zeit“, antwortete Sanzomon Sagomon flüsternd. „Versucht es.“ „Ja, versucht es, Sanzomon“, feuerte Sirenmon hinter ihr sie an, auch die beiden Sistermon traten näher. „Wir geben Euch Rückendeckung.“ „Kampflos kriegen die keinen von uns.“ „Egal was geschieht -“, Gokuwmon, mit Schweißperlen der Nervosität stellte sich direkt vor seinen Meister, zusammen mit Cho-Hakkaimon und Sagomon, während die drei anderen an der Seite blieben, „- konzentriert Euch. Brecht um Himmels Willen nicht ab, was immer Ihr vorhabt.“ Auch wenn Sanzomon so viel Vertrauen ehrte, wurde ihre Hände feucht, die Perlen rutschten unangenehm aus den Fingern. Schwer atmend schloss Sanzomon die Augen, senkte den Kopf und mit Babamons Perle in den gefalteten Händen begann sie das Sutra zu sprechen, von dem sie hoffte, dass ihr half die Last von sieben Abgründen nicht nur auszugraben, sondern sie auch an die Oberfläche zu bringen. „Ein letztes Stoßgebet? Ein schwacher erster Zug. Herr Trompeter, du gestattest?“ Zweimal schlug Devimon kräftig mit den Flügeln. Der entstandene scharfe Windstoß flog an Sanzomon vorbei und traf Sistermon Blanc, die noch versuchte hatte mit einem eigenen Angriff diese Attacke abzuwehren. Doch die Meister der Dunkelheit waren bekanntermaßen außergewöhnlich starke Digimon und Sistermon Blanc, die zuvor schon nie gekämpft hatte, riss es von den Beinen. „So, dann bin ich dran. Dunkles Netzwerk!“ „Was? Nein!“, schrie Sistermon Noir, sprang in die Attacke von Etemon, die sonst ihre Schwester getroffen hätte. Auch sie wurde mitgerissen, Sistermon Blanc kam ihr noch entgegen, um sie aufzufangen, jedoch flogen schließlich beide Schwestern gegen die Felswand. Sie rutschten zu Boden, die Baby- und Ausbildung-Digimon rannten zu ihnen. Sanzomon begann zu zittern, widerstand aber ihr Sutra anzubrechen. „Hey, das ist unfair! Das wäre unser Zug gewesen!“ „Hast wohl nie ein richtiges Spiel gespielt. Blocken zählt auch ein Zug“, lachte Puppetmon Cho-Hakkaimon aus. Er lies sich fallen, holte dabei mit seinem Hammer aus, zeitgleich sprang Cho-Hakkaimon hoch und beide Hammer kreuzten sich. Sie versuchten den jeweils anderen wegzustoßen und wenn es auch kurz aussah, dass Cho-Hakkaimon die Oberhand gewann, stellte sich das nur als ein Trick von Puppetmon heraus, um so den Schwung zu gewinnen, um sie mit ihrer eigenen Kraft wegzuschleudern. Gleich direkt nach Puppetmon schoss MetalSeadramon mit einem Wasserstrahl auf die kleine Gruppe. Sagomon, als Wasser-Dämon konnte diesen Powerfluss abfangen, aber schaffte es nicht ihn zurückzudrängen. Die Gewalten drückten Sagomon weiter in die Knie, MetalSeadramons Angriff nahm noch einmal an Intensität zu. Als schließlich auch Machinedramon mit seinen Kanonen auf Sagomon feuerte, stellte sich Sirenmon an dessen Seite, erhob ihre Stimme und sang das Flower Duet in einem lautstarken Kanon, um dieses wacklige Schutzschild zu stärken. Das Kräftemessen ging lange und bei beiden Seiten gingen die Ausdauer zu neige. Schließlich brachen MetalSeadramon und auch Machinedramon ihren Angriff ab und im Vergleich zu Sagomon und Sirenmon, die zusammenbrachen, sah man den beiden keine Erschöpfung an. Myotismon versuchte noch mit seiner Albtraumkralle den beiden den Rest zu geben, aber Gokuwmon fing den Angriff ab. Er hielt sogar stand, stemmte den ganze Körper gegen diese Energiepeitsche und so sehr Myotismon es versuchte, schaffte er es nicht Gokuwmons Verteidigung zu durchbrechen. Erst, als Myotismon noch mit einer zweiten Albtraumkralle ausholte und Gokuwmon direkt am Kopf traf, konnte er nicht mehr standhalten und flog ebenfalls in einem hohen Bogen auf den Boden, zwischen den anderen geschwächten Digimon. „Schach, würde ich sagen“, sagte Piedmon, mehr oder minder beeindruckt. „Da man allerdings einen Zug verspielt hat -,“ dabei sah er erbost zu Myotismon. „- bist du an der Reihe, ehe wir diese Konzert beenden. Ode an die Freude wäre doch passend für einen würdigen Abgang, was sagt ihr, liebe Mitmusiker?“ Ein erneutes Lachen zeigte ihre Bestätigung und wieder war es Myotismon, der nicht mit einstimmte. Stattdessen packte er Piedmon am Arm, als dieser nach seinen Schwertern griff. Was immer die beiden mit bloßen Blickkontakt besprachen, Sanzomon bekam es nicht mit. Ihr Sutra, dass sie längst zu Ende gesprochen hatte wiederholte sich immer und immer wieder in ihrem Kopf. Sie war nicht mehr ganz Herrin ihres Körpers. Stattdessen glaubte sie, Babamon sei bei ihr und hielt ihre Hand und Sanzomon hörte ihre traurigen Rufe nach ihren Gänschen, die, wenn es stimmte, wenn sie Recht hatte, - (Tante Rhody all deine Gänschen sind hier) Langsam, wie in Trance verfallen hob Sanzomon die Hand, in der ihre Mala-Kette lag, die rosafarbene Kugel auf Augenhöhe. Und in ihr sah Sanzomon nicht die Meister der Dunkelheit, sondern andere Digimon. Sieben Rookie-Digimon. „Shi... shun... kyou...“ Babamons letzte Perle zerbrach.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)