Wintersonett von Rakushina (Which dreamed it?) ================================================================================ Konzert IX - WONDERLAND, 2. Satz, Vivace diminuendo Es-Moll [ summer ] ---------------------------------------------------------------------- 𝄢   Die Grenze. Bei dem Schlagwort zuckten viele Digimon zusammen, entfachte Albträume und heizte einzelne dazu an die wildesten Horrorgeschichten zu erzählen. Vieles war Produkt der eigenen Interpretation oder schlichtweg übertrieben, aber gefährlich war es dort allemal. Die Grenze, die Ländereien genau zwischen dem Breitengrad Assiah und dem Übergang der Gefahren-Zone – Gehenna genannt – waren verlassen. Dörfer glichen Geisterstädten. Der Grund war, dass Viren immer wieder einmal die Grenzen überschritten, raubten, plünderten, zerstörten und wieder gingen. Die andere, dass sich auch die Truppen der Serums einschalteten, um eben diese Digimon zu vertreiben, aber wenig Rücksicht auf die Zivilisten nahmen und sich mehr darauf konzentrierten, dass alles innerhalb der freien Gebiete, von Jezirah bis hinauf nach Atzilut seine Ordnung hatte, anstatt das wieder aufzubauen, was ohnehin verloren war. Doch die Grenze war der einzige Ort für geflüchtete Digimon, die sich den Gesetzen der Apartheid nicht unterwerfen wollten. Das galt für Viren, die der Registrierung oder dem Neustart entgehen wollten, wie auch für Serums und Dateien, die Kritik an der aktuellen Politik ausübten. Labramon – das zur zweiteren Sorte gehörte – rannte durch die Reste eines Dorfes, dass wie alles andere auch an der Grenze zerstört und verfallen war. Der Geruch von Asche, Staub und Kämpfen juckten in der Nase. Dicht hinter ihm das Beben, verursacht durch die Schritte eines Tuskmon. Es konnte gerade so hinter die Wand eines verfallenen Hauses springen, ehe Tuskmon es einholte. Doch das Digimon roch seine Beute, die zitternd in einer dunklen Ecke kauerte und suchte langsam alles ab. Bei jedem Schritt bebte die Erde, Steine sprangen in die Höhe. Labramon schlug die Pfoten über seinen Kopf, sah schon den Schatten näher kommen und wusste, dass es sein Ende war. „Klingensturm!“ Der Schatten verschwand mit einem zweiten. Labramon hörte Knurren und Bellen zusammen mit Attacken und als es wagte durch die Steine zu schauen sah es ein Sangloupmon mit Tuskmon kämpfen. Das Zittern wurde stärker. Nicht noch ein Digimon, dass es fressen wollte und verängstigt wie Labramon war kauerte es sich wieder in die Ecke, wissend, dass es hier nicht mehr wegkam. „Hey, du. Steh nicht rum, beweg dich!“, rief eine Stimme neben Labramon. Als es wagte hinzuschauen, flog ein Patamon neben ihm her. „A-Aber die zwei da...“ „Sangloupmon ist auf unserer Seite. Er versucht uns zu helfen. Also komm, wenn du nicht gefressen werden willst“, motzte Patamon weiter. Ziemlich ungehalten, wie Labramon fand, jedoch wusste es nicht warum es einem solchen Digimon misstrauen würde und folgte ihm daher. Patamon flog voraus, Labramon lief so schnell wie möglich nach, wohin auch immer, Hauptsache fort. „Alice! Wir müssen weg hier, es gibt Probleme!“, rief Patamon, da zeigte sich Alice auch schon und Labramon blieb abrupt stehen. Alice kam aus einer Seitengasse gerannt und was immer es war, es war kein Digimon. Große, blaue Augen fixierten Labramon, doch nervös wie es war ging es langsam wieder zurück. „Was bist du?“, wimmerte es. „Das ist Alice. Das ist mein Partner und er wird dir helfen.“ Ungläubig sah Labramon im Wechsel Patamon und Alice an, dieser versuchte freundlich zu Lächeln, ging in die Knie und streckte seine Hand entgegen, in der Hoffnung Labramon würde zumindest vor Neugier zum Schnuppern kommen, wie Alice es von den Hunden in seiner Welt kannte. Es blieb misstrauisch, ging zurück, aber rannte dann doch zu Alice, als Tuskmon hinter Labramon auftauchte. Sangloupmon kam angerannt, sprang auf Tuskmon, biss ihm in die Schulter, das Dinosaurier-Digimon aber schlug ihn zu Boden. „Sangloupmon!“, rief jemand, der auf das Digimon zulief. Es war Humpty Dumpty, der dann neben Sangloupmon kniete, während Tuskmon auf sie zulief. „Tsukaimon, hilf ihnen, schnell!“, rief Alice, das Digivice, dass er aus seiner Hosentasche holte leuchtete bereits. „Tsukaimon, digitiert zu – Piddomon!“ Labramon riss die Augen weit auf, während es sich hinter Alice versteckte. Im ersten Moment bekam es Angst. Die letzten Engel-Digimon, die Labramon zu Gesicht bekam hatten es aus seiner Heimat gejagt. Es bekam nicht einmal mit wie Piddomon sich über die Reste orangener Farbe auf seiner Kleidung beschwerte. „Bemalen wir dich, damit du nicht auffällst! Hast du noch mehr solch großartiger Ideen, H- , Alice?“ „Du kannst dich zu Hause beschweren, sehen wir erst einmal zu, dass wir das Tuskmon loswerden!“ Besagtest Digimon rannte auch gerade auf Piddomon zu, mit den Hörner voraus. „Feuerfeder!“ Mit einem kräftigen Flügelschlag fingen Piddomons Flügel Feuer, dann flogen Federn wie kleine Meteoriten auf Tuskmon zu. Es blieb stehen und brüllte durch den Schmerz der Verbrennungen. Es war zwar in die Knie gegangen, richtete sich aber schnell wieder auf. Seine Bewegung erstarben, als Sangloupmon, mit Humpty Dumpty auf dem Rücken sitzend sich zu Piddomon stellte. „Geh. Wir lassen dich in Ruhe“, rief Piddomon zu Tuskmon rüber, doch es knurrte nur. Dann aber fixierte es Humpty Dumpty, dass einen Bund Obst, die entfernt Ähnlichkeit mit Pampelmusen hatte hochhob. „Hier, kannst du haben“, rief Humpty Dumpty, holte aus und warf das Obstbündel fort. Tuskmon sah ihm nach und lief augenblicklich hinterher. Seine vorherige Beute war komplett uninteressant geworden. „Gehen wir, ehe wir noch mehr Gesellschaft bekommen“, sagte Sangloupmon. Mit einem großen Satz drehte er sich um und sprintete los. „Wir gehen auch. Du kommst mit uns“, sagte Alice zu Labramon. „Was? Nein! Lass mich!“ „Wir wollen dir nichts tun. Wir bringen dich nur hier weg. Wir leben am Rande von Assiah, gar nicht mal so weit vom Puppenland entfernt. Dort sind auch Tante Rhody und Onkel Remus und sie sind sehr nett zu Digimon, die Hilfe brauchen.“ Labramon verstand zwar nicht, wer das sein sollte, aber allein der Klang am Rande von Assiahwar beruhigend. Das war nicht die große Grenze und wenn diese Gestalten sich tatsächlich aus den sicheren Zonen rausgemogelt hatten, konnte sie sicher auch wieder hinein. Alice sah Labramon weiter mit Erwartung an und je länger Labramon diesen Menschenjungen ansah, um so netter wirkte er. Seine Augen strahlten. Sein Lächeln war aufrichtig. „Also... Okay. Ich danke euch.“ „Gern geschehen“, sagten Alice und Piddomon, dann nahm er seinen Partner und Labramon in die Arme und flog Sangloupmon hinterher.   𝅗𝅥   Man hatte sich nicht die Mühe gemacht die einzelnen Tage zu zählen, aber wenn man schätzen müsste konnte man sagen, dass die Kinder schon über ein Jahr in der Digiwelt verweilten. Vielleicht sogar etwas mehr. Steckbriefe der Kinder zierten einige Dörfer, aber sie waren überaus schlecht getroffen und man konnte mit Fug und Recht behaupten, ein Vierjähriger hätte bessere Zeichnungen zu Stande gebracht. Damit hatten die Kinder mehr Glück als sonst etwas. Das Menschen aber in der Digiwelt waren machte ihre Runden und Ausschau hielt man nach ihnen. Rosemon beharrte weiter darauf, dass sie Gänschen seien und da Digimon den Unterschied zwischen Gans und Kind immer noch nicht verstanden, umgingen sie damit der Peinlichkeit sich irgendwie herauszureden. In den Monaten nach dem Aufstand in der Hauptstadt von Beriah waren sie alle über den Kontinent gewandert und auf eine Halbinsel geflohen, nicht zu weit, aber auch nicht zu nahe am Puppenland oder einem Gebiet, dass von der heiligen Armee oder den Säuberungstruppen kontrolliert wurde. In einem Nadelwald versteckt lag eine recht pompöse Villa, die Rosemon vor Jahren schon entdeckte und mit Wisemon bewohnte. Nun war dies ihre Basis. Ihr Zuhause. Und dies vieler anderer Digimon. „Wir sind zurück“, rief Dracmon in die große Empfangshalle, nachdem Kouta die große Tür geöffnete. Hisaki, mit Labramon dicht an sich angelehnt und dem mit Farbe verschmierten Tsukaimon traten direkt nach Dracmon hinein. Es war dunkel draußen geworden, doch hier brannten alle Kerzen schon, aus der Küche hörte man die Geräusche von Töpfen, aber es lag noch kein Essensgeruch in der Luft. Touko und Natsu saßen mit ihren Digimon auf den Treppenstufen, Touko selbst hielt ein Märchenbuch in der Hand und las der Gruppe Digimon vor, die um sie saßen. Es war DIE REISE NACH WESTEN. „Ah, ihr seid da? Ist alles gut gegangen?“, rief Renta zu ihnen rüber. Er saß bei Kana und übte etwas an dem Cello, wie Kana an der Flöte. Man wusste nicht, woher Rosemon und Wisemon die Instrumente hatten, aber beklagen tat sich keiner. Die Kinder konnten wieder spielen, wenn die Lust sie überkam und ihre Digimon konnten nicht nur daneben sitzen, sondern auch mit ihnen üben, wie auch an diesem Abend, als sie so auf der Treppe verteilt oder vor dem hübschen Gemälde mit dem Engel saßen (Wisemon interessierte sich für Kunst und es da hingehängt, er selbst malte schließlich auch). Koemon hantierte etwas mit dem Cello umher, um die einzelnen verschiedenen Töne der Sainten zu erfassen, Floramon blies in die Flöte, bewegte ihre Lippen etwas und blies wieder hinein, um selbst die richtige Atemtechnik zu finden. „Soweit ja. Und schau, wen wir mitgebracht haben“, sagte Hisaki und trat zurück, um Renta Labramon zeigen zu können, dieses jedoch starrte die Digimon an, die bei Touko und Natsu saßen. Neben Candlemon und Betamon hörten Touko noch ein Clockmon, zwei Hagurumon, vier Numemon, ein Gladimon und ein PetitMamon Pärchen zu. „Oh, guckt mal, Alice und Humpty Dumpty sind wieder da.“ „Habt ihr uns was mitgebracht?“, fragten die PetitMamon neugierig und grinsten etwas zwielichtig. „Wenn ein neuer Freund dazu zählt.“ Kouta schob Labramon etwas nach vorn, damit jedes es sehen konnte. Es zitterte jedoch. „Du musst keine Angst haben. Die Digimon sind alle nett.“ „G-Gehören die alle zu euch?“, fragte Labramon Tsukaimon und Dracmon. „Sozusagen. Sie sind alle in der Gefahrenzone herumgeirrt“, erklärte Tsukaimon. „Wir haben sie daraufhin hergebracht. Das machen wir schon ein paar Monate. Wenn's den Digimon wieder besser geht, machen sie sich wieder auf den Weg“, fügte Dracmon hinzu. Etwas ungläubig blieb Labramon. Es waren viele Virus-Typen hier und das bereitete ihm Unbehagen. Doch sie machten weder einen furchterregenden, noch aggressiven Eindruck. Gladimon kam auf Labramon zu und da sah es, dass dieses Digimon Risse in der Rüstung hatte. „Du kannst diesen Gänsen ruhig vertrauen. Mich haben sie auch aus der Gefahrenzone gerettet. Ich wurde verletzt und bin zurück digitiert. Gut, dass sie mich gefunden haben.“ „Gänse?“, wiederholte Labramon und wirkte noch skeptischer. Kouta und Hisaki, die sich als Humpty Dumpty und Alice vorgestellt hatten versuchten gelassen dreinzuschauen. „Was machen Gänse in der Digiwelt? Woher kommt ihr?“ „Aus der Märchenwelt“, antwortete Hisaki und Kouta nickte, Labramon stutzte. „Ja, wir sind aus den Märchenbüchern. In Märchen tut man Gutes und hilft den Schwächeren. Wir helfen den Digimon, die wegen der Apartheid leiden.“ „Genau. Ich bin aus einer Mutter-Gans-Geschichte. Und Alice ist aus dem Wunderland. Und eigentlich sind wir alle ein Orchester.“ „So...?“ Immer noch ungläubig fixierte Labramon wieder die Digimon der Kinder, diese nickten fast übertrieben mit dem Kopf. Labramon war seit langem das erste Digimon, dass dieser Geschichte wenig Glauben entgegenbrachte. Nach dem Aufstand hatte nicht nur die Kunde über die Existenz von Menschen ihre Runden gedreht, auch schienen die Erzählungen der Kinder, die sie ihren Digimon vortrugen sich auszubreiten. Die Bücher, einst leer füllten sich gemächlich mit Worten. Erst nur die Lieblingsgeschichten der Kinder und je mehr sie erzählten, je mehr Digimon davon hörten und je mehr Lieder und Reime man ihnen beibrachte, um so mehr nahm die Digiwelt diese auf und schenkte ihnen eine Form. Die Fabeln und Reime drehten ebenso ihre Runden. Und weil sich die Kinder als eben jene Figuren vorstellten, verlor sich oft die Spur, wenn die Säuberungstruppen diese einmal ausfindig machen konnten. Die Digimon wussten nichts von Menschen und Digirittern, nur von ein paar Märchenfiguren, die mal ihren Weg kreuzten und ihnen geholfen hatten und so manches war sich dann auch nicht mehr sicher, ob diese wirklich waren oder auch nur eine willkürliche Manifestation von Dingen in der Digiwelt ohne großen Sinn, wie die Instrumente, Telefonmasten, Straßenbahnen, die Villa und sonstigen Kram. In ihren Verkleidungen liefen die Kinder selten umher, denn spätestens wenn sie einen Artgenossen oder ein artverwandtes Digimon trafen flog ihre Tarnung auf. „Und die anderen Gänse sind auch Märchenfiguren?“ „Richtig, Labramon. Das sind Momo, Bilbo, Krabat, Gretel und -“ Hisaki stockte, riss die Augen auf und sah sich den Raum an, aber er sah weder Soichiro noch Dorumon. „Wo ist Hänsel?“, fragte er und kaum dass Hisaki diese Frage stellte, hörte man Krach und Schimpfe aus der Küche. Die Tür schlug auf und Soichiro und Dorumon rannten durch den Speisesaal in die Empfangshalle. Sie wichen gerade noch einem Topf aus, der nach ihnen geworfen wurde. „Und bleibt draußen!“, schimpfte Digitamamon – nicht jenes, dass sich später mit Sirenmon anfreunden würde, nur eine seiner Existenzen davor – dann verzog er sich wieder in sein Domizil aus Herdplatten und einer großzügigen Messersammlung. Wie gut dass er diese nicht warf, aber das tat Digitamamon weniger aus Rücksicht, sondern weil gute Messer eben teuer waren. „Warum lasse ich mich eigentlich immer zu so doofen Ideen hinreißen?“, seufzte Dorumon. „Wieso doofe Idee? Wir wollten nur helfen.“ „Ja, so wie die letzten paar Male?“, fragte Renta deutlich abfällig. Die letzten paar Male lagen allen noch gut im Gedächtnis und dass Digitamamon mittlerweile einen Gemütsstatus erreicht hatte, der ihn über dieses Chaos, was diese Gänse immer hinterließen hinweg sehen ließ. Bedingt zumindest. Das und weil er berechtigterweise Angst vor Rosemon hatte. Diese hatte schon mehr wie deutlich gemacht, dass sie Omelett aus ihm machen würde, sollte er ihren Gänschen etwas tun. „Hey, Clockmon, funktioniert deine Uhr wieder?“, fragte ihn Kouta, Clockmon aber schüttelte nur den Kopf. „Nicht wirklich.“ „Es tut sich nichts.“ „Der Schaden ist scheinbar zu groß“, seufzten die beiden Hagurumon. Clockmon klopfte einmal gegen das Blech seiner Uhr, die sein Unterleib darstellte. „Mann, dabei dachte ich, mit der Butter könnte es klappen“, sagte Hisaki nachdenklich mit verschränkten Armen. „Ich habe doch gesagt, du musst Öl nehmen“, entgegnete Touko. „Aber es war gute Butter. Wenn Butter flüssig wird, ist es auch wie Öl!“ Die Gesichter der anderen Kinder verzogen sich, die Digimon selbst rätselten. Außer Tsukaimon, der seinen Partner ansah und den Kopf schüttelte. „Weißt du, dein Name passt zu dir... Alice“, sagte Soichiro in einem zweideutigen Ton. „Ich denke halt auch mal in eine andere Richtung. Man muss auch mal improvisieren. Und das mit der Uhr kriegen wir schon hin, Clockmon. Was ist denn genauso schmierig wie Öl?“ „Wir wär's mal mit, na ja, ÖL?!“ Die Zustimmung hielt sich weiter begrenzt. Touko murmelte genervt „Jungs...“, dann schaute sie wieder ins Buch hinein. Doch als sie gerade weiter lesen wollte, kam Wisemon aus dem Speisesaal heraus gelaufen. Der Geruch von frischen Tee begleitete ihn und verteilte sich im Raum. „Kommt, trinkt Tee. Tee beruhigt die Seele.“ „Au ja!“, jubelten die Digimon und rannten zum Tisch, nur Tsukaimon wurde im Flug von Hisaki abgefangen. „Du noch nicht. Du musst erst baden.“ Tsukaimon ließ die Flügelohren hängen. Die Idee, Tsukaimon Orange zu färben war Wisemons Idee und weiß der Geier, was er da für eine Paste zusammengebraut hatte (warum Wisemon ihn nicht einfach verzauberte erschloss sich beiden nicht, aber Wisemon sagte, Verwandlungen hätten ihre Tücken und ihnen blieb nichts wie es hinzunehmen). Fest stand, dass das Aufschmieren ganz leicht war, es jedoch wieder runter zubekommen jedoch eine Kunst für sich. Für Tsukaimon sogar schmerzhaft. Aber Hisaki war es lieber fast täglich sein Digimon ordentlich zu baden und zu schrubben, als dass er wieder in das Fadenkreuz der Serumischen Armee geriet und sie ihn mehr wie nur streiften. Statt in die Thermalbäder setzte Hisaki Tsukaimon in einer kleinen Wanne ab. Seifenschaum quoll über die Ränder und das Digimon kniff die Augen fest zusammen. Mit hochgekrempelten Ärmeln kniete Hisaki daneben, versuchte so sanft wie möglich die Farbe abzuwaschen, was sich als schwierig erwies. „Wieso bin ich der Einzige, der so was ertragen muss?“ „Jetzt sei nicht so. Die Kostüme, die die anderen tragen müssen sind auch lästig und unbequem.“ Tsukaimon schaute weiter mürrisch drein. Sein Fell sah mittlerweile gesprenkelt aus, das Wasser war orange verfärbt. „Außerdem weißt du, dass die Idee auch Betamon zu einem Otamamon zu färben nicht funktioniert hat.“ „Ja. Der Glückspilz“, brummte Tsukaimon und blies Schaumblasen, die von seiner Stirn ins Gesicht liefen weg. „Du wirst dich auch noch dran gewöhnen. Ich weiß ja mittlerweile auch, wie ich es am besten abbekomme.“ „Wäre es dir lieber, wäre ich ein Patamon, Hisaki?“ Die Kanne, die Hisaki in die Hand nahm um nochmal frisches Wasser über Tsukaimon zu schütten setzt er sofort wieder ab. Erst glaubte Hisaki sich verhört zu haben, nicht unbedingt wegen der Worte, sondern wegen des Tons. Tsukaimon klang so betrübt. Ein Vorwurf, aber sich selbst gegenüber. Das war neu und so kannte Hisaki sein Digimon nicht. So nachdenklich. „Wäre es dir lieber, wäre ich ein Serum- oder ein Datei-Typ? Dann müsstest du das hier nicht machen.“ „Quatsch mit Soße. Mir macht das überhaupt nichts aus“, sagte Hisaki empört. „Du kannst doch nichts dafür, dass du ein Virus bist. Und an den kranken Gesetzen kannst du ja auch nichts. Ich muss mir halt überlegen, wie ich dich vor den Truppen beschütze.“ „Aber ist das nicht meine Aufgabe?“ „Wer sagt das?“ Sie schwiegen kurz, wie so oft, wenn Tsukaimon über Hisakis Worte intensiver nachdenken musste. „Niemand.“ „Siehste. Wir sind doch alle ein Team und in einem Team passt man gegenseitig auf sich auf. Du beschützt mich und ich beschütze dich. Egal was oder wer du bist.“ „Egal was ich bin...?“, wiederholte Tsukaimon. Seinem Gesicht zu urteilen, war er mit dieser Aussage ein wenig überfordert. In der Digiwelt war das, was man war der Maßstab seines Wertes und selbst diese sieben Digimon verstanden dieses Prinzip, wenn auch die Umstände ihrer Erschaffung und die damit verbundenen Daten eine andere war. Ebenso die Daten, die sie ausmachten. Aber die Digiwelt kannte nichts anderes, warum sollte sie bei ihnen anders sein? Sie waren immer noch Digimon dieser Generation. Und dann zu hören, dass genau das eigentlich vollkommen gleichgültig für den eigenen Wert war, war paradox. „Hisaki?“, rief Tsukaimon, und er musste rufen, denn wie er selbst dachte Hisaki kurz an etwas anderes. Hisaki dachte an zu Hause, und während er daran dachte verlor seinen Augen ihren Glanz. Er wirkte nicht nur betrübt, sondern traurig. Aber nicht sehnsüchtig. Tsukaimon empfand es ohnehin als komisch, dass Hisaki nie von seiner Welt sprach. Nur von ihren Märchen, Kinderliedern und Fabeln. „Hisaki, alles gut?“ „Ja, alles gut. Ich habe nur an etwas denken müssen“, antwortete er und da sich seine Laune nicht gebesserte, wagte es Tsukaimon auch nicht zu fragen. Just in dem Moment ging die Tür auf. Kouta hatte sie zwar geöffnet, aber es war Dracmon, der als erstes hineingestürmt kam. „Na? Wieder hübsch sauber?“, fragte Dracmon verspielt. Tsukaimon gab nur ein grimmiges Brummen von sich, was im ersten Moment von Dracmon ungeachtet blieb. „Guck doch nicht so böse, sonst bleibt dein Gesicht noch so. Warte, ich sing dir was vor – Wasch dein Ohr, putz die Ohr, hör nur es gibt schon Tee, spiel im Chor, spiel mit Humor, dann gibt’s auch viel Schnee.“ „Ging das nicht anders?“, fragte Kouta, mehr oder minder angetan von der Eigenkomposition eines alten Mutter-Gans-Liedes. „Solange es sich reimt...“, entgegnete Hisaki, dann beobachteten Kouta und er weiter die Digimon. Tsukaimons Gesicht hatte sich noch mehr verzogen, aber diesmal war es Dracmon aufgefallen, dass er nicht das Ergebnis erreicht hatte, was er eigentlich angestrebte. Dracmon mochten dämonische Digimon sein und an dass, was die Digimon in der Hauptstadt über ihn gesagten war einiges dran. Aber Koutas Dracmon war ein verspieltes Kerlchen, der lieber Kuchen aß und sich von seinem Partner Mutter-Gans-Reime beibringen ließ, die er gerne mal umschrieb. „Du magst scheinbar keine Reime. Na, dann eben etwas anderes“, dann steckte Dracmon seine Hand einmal ins Schaumwasser. Die Krallenspitzen von Daumen und Zeigefinger berührten sich und formten einen Kreis, durch diesen Dracmon sachte pustete. Und wider jeder Logik – wobei Hisaki wie auch alle anderen schon bemerkt hatten, dass die Digiwelt hier und da ihre eigene Logik hatte – bildete die Lauge sich zu einer Blase, löste sich und stieg hoch in die Luft. Wieder eine und noch eine, unter Tsukaimons strenger Beobachtung. Dann entspannte er sich etwas und mit offenem Mund starrte er den Seifenblasen nach. Zahllose Seifenblasen flogen umher, groß, wirklich richtig groß und rund und auf ihrer Oberfläche tanzten Farben. „Dracmon hatte das ja schnell drauf“, sagte Kouta, Hisaki erfasst die Aussage nicht gleich, er hatte sich von den Seifenblasen ablenken lassen. „Hast du ihm das beigebracht?“ „Eigentlich unsere Bläser. Soichiro, Kana und Natsu wissen ja am besten, wie man seinen Atem kontrolliert. Und irgendwie hat Dracmon sich inspirieren lassen.“ Fasziniert sah Hisaki den beiden Digimon zu, insbesondere Tsukaimon. Er sah den Seifenblasen nach, war gänzlich erfasst von ihrer zierlichen Gestalt, dass er seine aktuelle Situation vergaß. „Gefällt dir das, Tsukaimon?“, fragte Hisaki sein Digimon und er nickte. „Die Farben erinnern mich an das Polarlicht über dem Schneefeld.“ „Ein Schneefeld? Was für ein Schneefeld?“, fragte Dracmon. Tsukaimon schien ihn vergessen zu haben und trotzdem gab er Dracmon eine Antwort. „Das Schneefeld, wo ich war, als ich geschlüpft bin und ich Hisaki das erste Mal gesehen habe.“ „Ah, verstehe. So ein Ort ist was ganz besonderes, nicht wahr? So wie das Puppenland, mit der Stadt des Ewigen Anfangs. Da bin ich nämlich geboren worden und habe Kouta getroffen.“ Gespannt hörte Tsukaimon zu, die beiden Jungen hielten sich raus. Dass Tsukaimon mal so gesprächig gegenüber anderen Digimon wurde war eine Seltenheit, obwohl sie alle zusammen eine Gruppe waren. „Klingt interessant.“ „Ist es auch“, freute sich Dracmon, besonders darüber, dass Tsukaimon ihn interessiert ansah. „Irgendwann zeig ich dir, wie schön es dort ist. Aber dafür will ich auch mal dieses tolle Schneefeld sehen mit den bunten Lichtern.“ „Von mir aus können wir das“, antwortete Tsukaimon ohne zu Zögern und Hisaki wie auch Kouta waren begeistert davon. Als Tsukaimon merkte, sie die beiden Jungen ihn und Dracmon anstrahlten, versank er so tief im Wasser, dass man nur noch seine Augen und den Ansatz seiner Flügel zwischen den Schaumhäufchen sah. Auf Labramon reitend kamen wenig später noch Floramon, Koemon und Candlemon hinzu, Dorumon selbst trug Betamon umher. Ihr eigentlicher Plan war eine Runde Räuber und Gendarme, aber sie stellten fest, als sie in das Bad stürmten, dass die Seifenblasen, von denen Dracmon kontinuierlich immer mehr in die Luft blies viel spannender waren. Die dazugehörigen Kinder folgten keine Minuten später und als Rosemon später nach ihnen suchte, fand sie alle im Bad sitzen, die Digimon alle im Wasser spielend, der Schaum am überquellen – Dracmon hatte sämtliche Seife ins Wasser geschmissen, um mehr Schnee erzeugen zu können – und die Kinder daneben. Die eine Hälfte hatte ihren Spaß, die andere machte sich bereits Gedanken, wie sie das wieder sauber bekämen, ehe Tante Rhody – der Name war Kanas Idee, da Rosemon sie alle immer noch als Gänse bezeichnete – es bemerken würde. Rosemon entschied sich die Kinder am nächsten Tag erst auszuschimpfen und ging kopfschüttelnd. Die Begeisterung in Tsukaimons Gesicht war geblieben und die Begeisterung ging über seine Musikstunden hinaus. Mit reingewaschenem Fell saß er auf Hisakis Schoß, die Augen leuchtend, während er dabei zusah wie spielend leicht und gekonnt Hisaki in die Klaviertasten tippte, entzückt von den Klängen, die dabei rauskamen. „Mach genau dass, was ich mache“, redete Hisaki auf ihn ein, tippte in einen gemächlichen Tempo auf die Tasten, damit Tsukaimon ihnen folgen konnte. Er lachte. Er jauchzte. So ausgelassen sah Hisaki sein Digimon selten. Zwar war Tsukaimon noch sehr langsam und ungeschickt, aber seine Fehler würden sich legen, wie bei den anderen auch. So wie Floramon und Dorumon, die erst einmal ihre Lungen richtig trainieren mussten, geschweige den bei Candlemon, bei dem während er in die Trompete blies die Flamme jedes Mal ausging. Wie Betamon, der erst noch lernen musste mit dem verlängerten Bogen, den Touko für ihn gemacht hatte streichen zu können oder wie Dracmon es schaffte, mit seinen Krallen nicht die Saiten der Gitarre zu zerschneiden, da er sie auch fast jedes Mal ins Gesicht bekam. Sie waren Anfänger und spielten echt noch sehr schlecht. Aber sie würden sich bessern und auch irgendwann vor Publikum stehen, dass aus mehr Digimon bestand wie Rosemon, Wisemon und einer handvoll politischer Flüchtlinge. „Kinder, ihr spielt wunderbar“, jubelte Wisemon, wie alle Digimon, die an den Abend und den folgenden zuhörten. „Wie heißt dieses Lied?“ „Stand by me! Das war das erste Stück, dass wir alle zusammen für unsere Schulband gespielt haben“, erzählte Touko stolz. „Ja, auf dem Schulfest damals. Wisst ihr noch, wie nervös wir alle waren?“, lachte Soichiro los. „Ganz besonders Natsu.“ „Ich war ja auch in der ersten Klasse, da darf man Angst haben“, motzte dieser, widerstand aber dem Drang die Zunge rauszustrecken, sondern blies mit Candlemon einmal kräftig in die Trompeten. Von der weiteren Diskussion bekam Hisaki wenig mit. Lieber sah er Tsukaimon zu, wie er überglücklich weiterspielte.   𝅝   Rosemon hätte nie gedacht, dass sie sich einmal für Fabeln interessieren würde. Aber sie hätte so einiges in ihrem Dasein nicht erwartet, dass dachte sie immer, wenn sie morgens neben Wisemon aufwachte. Einerseits ärgerte sie sich über ihn. Hätte er nicht, als er eines Tages ihren Weg kreuzte so viel stumpfes Zeug von sich gegeben, hätte sie Ophanimon (die ihn eigentlich mit Geierkrallengift rebooten wollte) nicht solange bequatscht, bis diese Rosemon den Gefangenen großzügig übergab. Sie wusste nie wirklich, warum sie es getan hatte und dafür wurde sie vom Troubadour, wie die Kinder es nannten, für eine größere Sache auserwählt. Alles Wisemons Schuld und manchmal würde sie ihn dafür gern rauswerfen. Andererseits war Wisemon so trottelig und schusselig und so voller Faszination für alles, dass es fast schade darum wäre. Wisemon, der von sich behauptete aus Witchelny zu kommen, sagte, er suche ein zu Hause für sich und seine Ideen und Ruhe. Auch dass er genau diese empfand, als er Rosemon sah. Er wüsste zwar noch nicht genau, wo genau zu Hause war und wo die Tür, aber sie sei der Schlüssel. Kapiert hatte sie es nicht, aber sie behielt ihn einfach. Zu schade, wenn so ein Digimon unter dem Einfluss des Giftes alles vergessen würde, auch wenn er offensichtlich irre war. Hinterfragt hatte Rosemon die ganze Sache nicht, Hauptsache Wisemon sorgte dafür, dass sie sich nicht langweilte (Langeweile hatte Rosemon schließlich oft genug in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht). Der Aufstand damals in der Hauptstadt ging um, wenn auch langsam, weil die Truppen versuchten Gerüchte zu untermauern, aber das misslang. Der Gipfel dessen war, als QueenChessmon eines Tages vor ihrer Türe stand. Nicht gerade angenehm die Königin des Puppenlandes vor sich zu haben, die Rosemon früher mal, wie Ophanimon als Schwester bezeichnet hatte und aufgrund eines Waffenstillstandes unter Cherubimons Fittiche stand. Aber QueenChessmon – die Flatterhafte und Impulsivste von den dreien – hatte es nie mit festen Regeln, ähnlich wie Rosemon. „Ich hätte ja nicht erwartet, dass gerade du dich einmal niederlässt und dir so dubiose Gestalten hältst“, trällerte QueenChessmon fast übertrieben mädchenhaft und warf noch einen Zuckerwürfel in den Tee (das war bereits der vierte). „Aber du hattest ja schon immer einen Hang zu solchen Digimon.“ „Hätte ich gewusst, welchen Ärger sie bereiten würden, hätte ich zumindest noch eine gute Bezahlung ausgehandelt. Alles was ich bisher bekommen habe waren ein paar Gänse, eine Sammlung von Kinderbüchern und eine handvoll politischer Flüchtlinge.“ „Es hätte dich schlimmer treffen können.“ Während QueenChessmon einen Schluck ihres Tees trank und sich fragte, ob sie noch einen fünften Zuckerwürfel reinwerfen sollte, fiel Rosemon ein, dass es genau dieser Optimismus war, der sie immer davon abhielt sich länger mit QueenChessmon zu beschäftigen. „Was sagt Ophanimon eigentlich zu deinem kleinen rebellischen Aufstand, Rosemon?“ „Was soll sie sagen oder denken, außer dies, was sie schon immer von mir gedachte?“, schnaufte Rosemon und dachte kurz an den Sirupbrunnen zurück, als sie feststellen musste, dass sich QueenChessmon nicht nur einen fünften, sondern auch einen sechsten Zuckerwürfel in die Tasse warf. Eigentlich eine schöne Zeit in der Beta-Ära, jene Jahre vor der Apartheid, als sie einfach drei Puttimon waren. Dann waren sie Cupimon und obwohl der Sirup längst von ihnen abgeschleckt worden war, klebten sie einander wie richtige Schwestern. Dann wurde ein Cupimon zu Salamon und wurde von den damaligen Heiligkeiten auserwählt, um die Dämonen, die damals die Digiwelt bedrohten zu bekämpfen und war nun mit dieser diskriminierenden Politik nicht besser wie diese. Ein Cupimon wurde zu PawnChessmon White und wurde in die Armee gerufen, von KingChessmon zum Ritter geschlagen und dann zur Königin gekrönt. Das letzte Cupimon wurde zu Tinkermon, die einfach lebte, wie sie wollte und dabei mit überaus finsteren und zwielichtigen Digimon die Zeit vertrieb. So wurden die Schwestern aus dem Sirupbrunnen letztlich zu Rivalen. „Es wundert mich nur“, sagte QueenChessmon weiter, nippte an ihrem Tee und war über die Menge an Süße endlich zufrieden. „Wie ich nämlich hörte ist sie von den Heiligkeiten der Serumischen Demokratie das einzige Digimon, dass keine Soldaten auf die Suche nach dir oder deinen Anhängsel befehligt hat.“ „Ophanimon steht eben tief in meiner Schuld, nachdem ich für sie diese ganzen Myotismon ausgerottet habe.“ „Wie kaltschnäuzig. Ich stand mit einem von ihnen im guten Kontakt. Er war nicht aktiv in unserer Politik vertreten, aber er war ein guter Stratege. Ein sehr charmantes Digimon.“ „Und arrogant. Ich kann solche aufgeblasenen Digimon nicht ausstehen.“ Was Rosemon jedoch nicht daran gehindert hatte ihr Vorhaben für ein gemeinsames Schäferstündchen zu verschieben. Wie leichtsinnig von ihm. Jene die unter dem Schutz des Tifaret standen waren dazu in der Lage den König der Untoten zu Fall zu bringen, so die Legenden. Und paranoid wie Ophanimon nach einigen Schlachten war, hatte sie Rosemon gebeten, die besagtes Sefirot zierte, das gesamte Adelsgeschlecht, was sich mit anderen Geist-Digimon irgendwo jenseits der Grenzen breitgemacht hatte und das glaubte Anspruch auf die Krone der Digiwelt zu haben auszumerzen, ehe sie eine Bedrohungen wurden und dies hatte Rosemon getan. „Sie hat mir Land und Privilegien versprochen. Da sie aber magerer ausfielen wie erhofft, habe ich mir eben Wisemon noch gekrallt.“ „Als Leibeigener?“, fragte QueenChessmon, skeptisch wie stachelnd. „Er ist nicht mein Leibeigener. Wenn ich nicht gewusst hätte, wie scharf Ophanimon auf dessen Verurteilung war, hätte ich ihn nicht mitgenommen.“ „Wenn es nur das ist, warum behältst du ihn dann?“ Eigentlich wusste Rosemon das nicht wirklich. Wisemon hatte einen offensichtlichen Sprung in der Schüssel und Rosemon dachte sich, dass sein Geschwafel sie zumindest etwas länger unterhalten würde wie nur ein paar Tage. Nun waren aber aus diesen Tagen Monate geworden. QueenChessmon wartete weiter auf eine Antwort und würde auch nicht locker lassen, bis sie eine hätte. Rosemon wusste zwar keine, aber sie wusste, was sie sagen konnte, damit sie endlich ihre Ruhe hatte. „Er ist gut im Bett“, sagte sie trocken und nahm noch einen Schluck Tee. Wie erwartet schüttelte QueenChessmon sich. Zu Apartheids-Zeiten waren Beziehungen wie diese – sei es unter gleichen oder verschiedenen Typen – mehr wie nur nicht gängig und die überwiegende Anzahl von Digimon konnte es ohnehin nicht nachvollziehen, aufgrund von Rasse oder zu niedrigen Level. Und da sich aus solchen Verhalten weder Logik noch Sinn erschloss, waren sowohl QueenChessmon, als auch Ophanimon keine Freunde eines solchen Themas. „Ihr fleischigen Digimon seid widerwärtig. Nur zum Spaß die Leiber zusammenzustecken und das ohne jeden Nutzen?“ „Es ist ein vergnüglicher Zeitvertreib. Ihr Maschinen und Puppen baut euch eure eigenen Teile nach und steckt sie zusammen, wenn ihr sie im Kampf verliert. Das ist keine Perversion?“ „Wir tun das zum überleben. Fehlen Teile, fallen unsere Daten zusammen. Wir besitzen zumindest das Wissen uns selbst zu helfen, ohne aufwendige Medizin und Zeit zu verschwenden.“ QueenChessmon war mit ihrer Prahlerei vollkommen in ihrem Element. Genauso nervig, aber lieber dies, als dass sie Rosemon weiter mit persönlichen Fragen belästigte. Wisemon kam ins Zimmer, mit einer Teekanne in der Hand. Er bemerkte zwar, wie angeekelt QueenChessmon ihn anblickte, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. „Hier, Nachschub. Ich hoffe, es ist alles nach Ihrer Zufriedenheit, Eure Hoheit.“ „Ja, Ich... bin zufrieden“, antwortete QueenChessmon, immer noch mit stark verzogenen Lippen. „Was machen die Gänschen, Wisemon? Es ist so ungewohnt ruhig und das beunruhigt mich ein wenig.“ „Ach, die spielen nur.“ Die Ruhe wurde unterbrochen, als man Dracmon, Dorumon und Candlemon von weiten jubeln hörte. Labramon kläffte, es war aufgrund der Distanz schwer zu deuten, ob es ein drohendes oder ein verspieltes Bellen war. Drei der Kinder rannten ihnen nach, den Stimmen zu urteilen waren es Soichiro, Kana und Natsu. Hisaki rief ihnen irgendwas hinterher. Und Touko schimpfte: „Hört auf so zu rennen, ich habe eine Tierhaar-Allergie!“ „Das sind digitale Wesen, wie willst du da eine Allergie haben?“, fragte Hisaki. „Es sind trotzdem Tierhaare!“ „Dann red dir ein, dass es nur Daten sind!“ Fast vorwurfsvoll sah sie Wisemon an, der ihre aktuelle Stimmung nicht teilte. „Hach, so voller Elan. Ist das nicht schön, Rosemon?“, fragte Wisemon erfreut. Rosemon schnaufte, ehe sie wütend noch einen Schluck Tee trank. Zu was hatte sie sich nur überreden lassen? Sie war viel zu nett. Am Fenster sprang Tsukaimon von draußen auf und ab und klopfte mit seinen kleinen Händen nervös gegen die Scheibe. „Tsukaimon?“ „Was ist denn los?“, fragte Wisemon und ging ans Fenster, um es zu öffnen und um Tsukaimon hineinzulassen, der ganz außer Atem war. „Tante, Onkel, ich habe von oben gesehen, dass Digimon hierher kommen. Ganz viele!“ „Doch nicht etwa die Serumische Armee?“, rief Rosemon erschrocken auf. „Nein, aber ich habe Caturamon gesehen! Und da war ein riesiges Drachen-Digimon dabei.“ „Huanglongmon...“, sagte QueenChessmon sie ließ vor Schock ihre Tasse fallen. Noch ehe die Tasse den Boden berührte, war Rosemon aus ihrem Sessel gesprungen und aus der Tür gerannt. „Gänschen! Kommt her! Wir bekommen Besuch!“ Rosemons Ruf hallte durch die gesamte Villa, von jenen Digimon und Menschen, die eben noch fangen spielten, bis hin zu jenen, die in der Küche Essen machten oder in ihrem Zimmern saßen. Besuch war nicht nur nie gut, sonder bedeutete die höchste Alarmstufe. Von überall her hörte man schnelle Schritte, die allesamt Richtung Eingangshalle rannten. Wisemon hatte damals schon dort eine Falltür zu einem Kellergewölbe entdeckt und durch den Teppichboden sah man die Kanten kaum. Gut geeignet als Versteck und groß genug, dass alle, Digiritter, Partner und die aufgenommenen Kriegsflüchtlinge fürs Erste verharren konnten. Tsukaimon stürmte als letztes hinein, verkroch sich in Hisakis Arme und gerade als Rosemon und Wisemon die Falltür möglichst sachte schlossen, wurde die Eingangstüre aufgeschlagen. Ein Pajiramon und ein Indramon traten ein, blieben aber an der Türschwelle stehen. Und zwischen ihnen Caturamon. „Einen schönen Abend. Wir hoffen, wir kommen nicht ungelegen.“ „Keine Sorge, ihr kommt nie gelegen“, sagte Rosemon, schnaufte leise und hoffte, man merkte es nicht. Caturamon kam näher. „Auch schön Sie anzutreffen, QueenChessmon.“ „Ich besuche lediglich meine Schwester. Was ihr hier wollt fragen wir uns eher“, entgegnete sie kühl, die nichts von ihrer Flatterhaftigkeit preisgab. „Wir sind ein paar Gerüchten auf der Spur. Ihr habt doch sicherlich mitbekommen, dass die Nachfrage an Literatur und Geschichten stetig zunimmt. Digimon erzählen sich Märchen. Manche sogar sehr häufig. Nennen Namen wie Krabat, Bilbo und Alice. Und manches behauptet sogar, diese Fabelwesen gesehen zu haben. Ist das nicht interessant?“ „Ich interessiere mich nicht für so etwas.“ Rosemon wollte schlucken, hatte aber Angst, sich zu verraten. Sie glaubte, irgendjemand unter ihr hätte gehustet. Könnte eins der Kinder gewesen sein. Oder eins der Numemon. Sie hoffte nur, Caturamon, der noch näher herantrat, hörte es nicht. „Es könnte sein, dass eben die Ansammlung an Daten nicht nur die Bücher füllte, sondern sich dadurch auch neues digitales Leben entwickelte. Es wäre nicht wunderlich. Verdächtig jedoch ist, dass diese auch mit Digimon im Bunde sind. Es sind immer genau sieben Fabelwesen und sieben Digimon. Da fällt mir auf, wo sind denn Eure Gänschen?“ „Weiß ich nicht“, antwortete Rosemon scharf, aber versuchte weder zu laut, noch zu leise dabei zu klingen. Man sah Caturamon aber die Skepsis an und fixierte immer wieder Wisemon, dem Rosemon verboten hatte etwas zu sagen. Er würde sich nur wieder verplappern. „Ihr wisst es nicht? Ophanimon hat Euch trotz der kleinen Auseinandersetzung als Vormund dieser Digimon anerkannt. Es spricht nicht für Euch, wenn Ihr nicht wisst, wo sie sind.“ „Gänschen sind störrisch. Ich sehe sie in unregelmäßigen Abständen und sie erstatten mir Bericht, wie es ihnen geht. Wo sie sich aufhalten, dass kann ich jedoch nicht sagen. Ich kann auch nicht sagen, wann sie wieder kommen. Manchmal kommen sie alle paar Tage, manchmal sehe ich sie monatelang nicht.“ Obwohl in dem Gewölbe fast absolute Dunkelheit herrschte, starrten alle, die sich dort versteckten zur Decke. Digimon und Kinder saßen dicht beieinander, wagten es nicht einmal zu zittern. Es war Touko, die hustete und nieste, weil ihr die Tierhaar-Allergie noch zu schaffen machte, aber sie hielt sich mit aller Gewalt die Hände über Nase und Mund unter Bteamons besorgten Blicken. Kana klopfte ihr etwas auf den Rücken, in der Hoffnung es half, weiter den Blick Richtung Falltür, hoffend, sie öffnete sich so schnell nicht. „Hm, dann fürchte ich, wir haben hier ein kleines Problem.“ „Problem? Ich sehe keines“, sagte Rosemon weiter im gewohnten schnippischen Ton. Pajiramon trat näher. Es hielt ein Schriftstück in der Hand. „Wir haben den Befehl Eure Mündel mitzunehmen. Die Anzahl der auf Euch zugeschrieben Digimon überschreitet Eure Kapazität.“ „Was?“, brüllte QueenChessmon los, ehe Rosemon Luft holen konnte um selbst zu protestieren.“ „Was redet ihr da? Dieses Stück Land gehört zu meinem Reich. Und da ich unter Cherubimons Herrschaft stehe, leben wir nach seinen Gesetzen und diese erlauben, dass die Aufnahme für Mündel unbefristete und unbegrenzt ist.“ „Da seid Ihr leider schlecht informiert, Eure Hoheit.“ QueenChessmon knurrte, da Caturamon ihren Titel deutlich zynisch ausgesprochen hatte. Wisemon hielt sie aber zurück. „Jüngste Verhandlungen haben beschlossen, dass zum Wohle einer Einheitlichen Politik die Grenzen der Reiche aufgehoben werden und es daher auch für alle Zonen, die in den geschützten Bereichen sind einheitliche Gesetzesgebungen gibt. Bei diesen Verhandlungen hat sich Cherubimon auch für eine Obergrenze entschieden. Unterschrieben von Ophanimon, die auch den Befehl gegeben hat, sich um jene zu kümmern, die diese Grenze überschreiten. Dazu gehört auch Ihr, Rosemon.“ „Unter Euer Vormundschaft -“, begann Pajiramon und starrte auf das Stück Pergament, „- stehen vier Virus-Typen des Rookie-Levels, wovon eines wiederum zu einem Virus-Typ digitiert, ebenso gehört zu Euch ein Datei-Digimon, dass zu einem Virus digitiert. Nicht zuletzt befindet sich ein Ultra-Level mit Typus Virus in Eurer Obhut.“ „Ihr seht selbst, dass die Anzahl etwas zu hoch ist“, brummte Caturamon, aber in Rosemons Ohr klang es wie ein Lachen. „Also hat man uns befohlen, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. Also sagt uns, wo diese Digimon sind.“ „Ich weiß aber nicht, wo sie sich aufhalten.“ „Rosemon. Euch ist Eure Lage scheinbar nicht ganz klar.“ Caturamon kam noch einen Schritt näher. Er stand nun wie Rosemon auch genau auf der Falltür und Rosemons Herz schlug wie wild. Sie schluckte, in der Angst besagtes Organ, dass doch nur ihr Kern war, sprang gleich aus ihrem Hals. „Wir müssen diese Digimon mitnehmen und untersuchen, wenn nicht sogar notfalls rebooten, zum Schutz der Digiwelt. Wir können kein Risiko eingehen. Versteckt Ihr sie weiter, ist das Hochverrat. Und Ihr werdet weit mehr verlieren, wie Eure Privilegien. Nicht einmal Ophanimon wird dann mehr Partei für Euch ergreifen.“ „Ich weiß nicht, wo sie sind“, sagte Rosemon weiter, aber fürchtete, zu nervös, oder zu monoton geklungen zu haben. „Ich weiß auch nicht wann sie wiederkommen.“ „Dann warten wir eben hier“, sprach Indramon, dass noch immer an der Tür stand. „Wir warten und wenn heute niemand kommt, werden Morgen wieder Truppen erscheinen. Solange, bis wir diese Volksverräter geschnappt haben.“ „Na, klingt das nicht nach einem guten Plan, Rosemon?“ „Ihr könnt nicht jeden Tag hier aufkreuzen!“, mischte sich wieder QueenChessmon ein. „Dieses Stück Land gehört zum Puppenland und damit mir und ich erkläre hiermit, dass dieses Land meiner Schwester gehört! Und ihr dürft nicht einfach fremdes Land betreten!“ „Die Gesetze der Serumischen Politik stehen über allem“, erklärte Pajiramon kühl. QueenChessmon knirschte erbost mit ihren metallischen Zähnen. „Wir führen geltendes Recht durch. Ihr könnt auch gerne Widerspruch einlegen, wenn Ihr nicht mehr für sie bürgen wollt, Rosemon. Dann können wir offiziell die Verfolgung nach ihnen aufnehmen.“ Sie holte Luft und wollte diese auch gleich wieder ausamten, doch die Angst war zu groß und Rosemon befürchtete, dass selbst das zu verdächtig erscheinen könnte. Egal was sie nun tat oder sagte, alles würde verdächtig erscheinen. Selbst wenn sie nun gingen, kämen sie wieder. Aber wer sagte, dass sie die Villa nicht überwachen würden? Und wenn herauskäme, dass sie Kriegsflüchtlinge hier versteckte, teilweise auch Virus-Typen ohne Vormund? Rosemon konnte nicht riskieren, dass offiziell die Jagd nach ihnen eröffnet wurde. So konnten diese Kinder ihre Bestimmung nicht erfüllen.  „Warum plötzlich so still, Rosemon? Habt Ihr uns etwas zu sagen?“, fragte Caturamon stachelnd und sein Ton brachte ebenso alle Digimon wie Menschen, die sich unter ihm versteckten zum kochen, während Rosemon nur weiter hoffte, dass ihr Versteck nicht aufflog. Wenn man die Kinder erwischte – Wenn man ihre Digimon zu fassen bekäme, gebe es keine Hoffnung mehr. Es würden noch mehr Digimon wie ihre Schwestern werden. Dass, was in der Alpha- und Beta-Ära geschah wurde sich wiederholen, immer und immer wieder. Die Digiwelt würde wieder und für immer brennen. „Entschuldigung, aber dürfte ich fragen, wie genau eigentlich Euer Befehl lautet?“, fragte plötzlich ganz unerwartet Wisemon. Rosemon wollte ihm über den Mund fahren, aber Pajiramon war schneller. „Was interessiert dich das?“ „Rosemon ist auch mein Vormund und hat mich gelehrt, die Gesetze der Apartheid zu achten. Daher würde ich genau wissen, wie Eure Gesetze und Befehle lauten, damit ich sie gewissenhaft befolgen kann.“ „Nun -“, begann Pajiramon vorsichtig, „- Rosemon übersteigt ihre Kapazität für Virus-Typen zu bürgen. Das System erfolgt nach einem Punkteprinzip und sie ist weit über der neuen zugelassenen Grenze für Mega-Level.“ „Ich hörte von diesem Prinzip. Ein Ultra-Level ist so viel wie drei Champions oder sieben Rookies. Richtig?“ Die beiden Digimon nickten, aber waren weiterhin überaus misstrauisch. Ähnlich ging es QueenChessmon und Rosemon, bis Wisemon schließlich vorschlug: „Na, dann könnt ihr ja auch mich mitnehmen. Ich als Ultra-Level bin mehr wert wie diese Rookies. Das müsste doch ausreichen.“ „Was glaubst du, wer du bist, dass du einfach so über unsere Arbeit -“ „Caturamon, er hat Recht“, flüsterte Pajiramon, mit den Händen vor den Mund. „Bitte was?“ „Es steht in dem Dokument nicht explizit drin, dass wir diese Digimon mitnehmen sollen. Nur so viele, dass die Obergrenze nicht mehr überschritten wird und zwar umgehend. Ein Ultra-Level reicht bei weitem mehr, wie nur die vier Rookies.“ Caturamon stand weiter mit offenem Mund da und blickte sich fragend um, las sich sogar noch einmal das durch, was auf dem Stück Papier stand. Aber es stimmte. Auch Rosemon fiel die Kinnlade etwas hinunter und glaubte irgendwo, Wisemon machte nur einen Scherz. Er schien unbekümmert, aber es war sein Ernst. „Also, was sagt ihr? Ich stelle mich sogar freiwillig. Und Rosemon kann weiter Vormund für diese Digimon bleiben – wo immer sie sind, natürlich.“ „Wisemon, hör auf! Ist dir bewusst, was du da sagst?“, zischte Rosemon. „Ja, es ist mir bewusst. Ich weiß sehr genau, was ich hier mache, auch wenn du manchmal daran zweifelst.“ Rosemon schwieg, hielt ihn aber weiter an seiner Kutte fest. So viel Ernsthaftigkeit hatte sie Wisemon wirklich nie zugetraut. Auch nicht so viel Überzeugungskraft und Willensstärke. Sanft nahm er Rosemons Hand von seiner Kutte und hielt sie in seinen eigenen. „Der Tourbadour hat dich ausgesucht, Rosemon. Du bist für die Gänslein verantwortlich. Ich wurde nur mitgerissen, weil ich bei dir sein wollte. Aber für dies alles bin ich nutzlos. Wenn ich gehe, schadet es euch nicht.“ „W-Wie kannst du so etwas sagen?!“, schrie Rosemon und riss sich von Wisemon los. „Ich habe mit Ophanimon um dein Leben verhandelt! Du gehörst mir! Du kannst nicht gehen, ich erlaube dir das nicht!“ Obwohl Rosemon immer lauter wurde, lächelte Wisemon einfach weiter. Zumindest glaubte man das oder eher stellte Rosemon sich das vor. Dann ließ er ihre Hand los und fassungslos starrte das Feen-Digimon auf ihre Hand, die verloren in der Luft schwebte, während Wisemon zu Caturamon, Indramon und Pajiramon ging. „Das ist also dein Ernst?“ „Im Gegenteil, es ist mein voller Ernst“, entgegnete Wisemon und klang dafür, was ihn erwarten würde und praktisch neben seinen Henkern herlief viel zu euphemistisch. „Eine Bitte hätte ich aber doch. Eure Verliese mögen nicht bequem sein, aber wenn ich einen Tisch, Stuhl und Schreibmaterial haben dürfte, würde mir dies vollkommen genügen. Ich werde ein sehr bescheidener Gefangener sein.“ „Du kommst nicht ins Verlies, du wirst verurteilt und je nach Abstimmung gerebootet oder gelöscht“, keifte Caturamon angewidert, hielt aber Abstand, um nicht zu nah neben einem Virus-Typ herlaufen zu müssen, dass noch nicht gereinigt wurde. „Oh, dann hoffe ich aber nicht gerebootet zu werden, ansonsten erinnere ich mich ja gar nicht mehr an all das, was ich während meiner Gefangenschaft geschrieben habe.“ „Du kommst in kein Verlies, du wirst sofort verurteilt, du Schwachmat!“ Wisemon entwich nicht mehr wie ein weiteres „Oh“. Dann lief er weiter, hinaus mit den drei Digimon. Und Rosemon, immer noch fassungslos starrte ihm hinterher. Nicht einmal QueenChessmons Hand spürte sie auf ihrer Schulter. „Schwester...“ „Das könnt ihr nicht machen!“, schrie sie und rannte den vier Digimon nach. Sie waren schon draußen, standen vor der Villa und hielten erst, als sie den Schlag von Rosemons Peitsche hörten. „Er bleibt hier! Ich erlaube nicht, dass ihr Wisemon mitnimmt!“ „Ihr habt kein Recht dies zu entscheiden!“, rief Indramon zu ihr. „Außerdem wollte er freiwillig mitkommen.“ „Der Dummkopf weiß doch gar nicht, was er von sich gibt! Er ist verrückt!“ „Rosemon, hör auf!“, schimpfte nun auch QueenChessmon neben ihr. „Du machst es nur schlimmer!“ „Er kann nicht gehen! Sie können ihn nicht mitnehmen. Wisemon muss hierbleiben. Er – W-wir sind verheiratet!“ Die plötzliche Verwunderung unter allen Digimon (ganz besonders unter Wisemon) löste ein Schweigen aus, das sich selbst auf die Flora um sie herum ausbreitete. Hörbar war nur allein Rosemons lauter und flacher Atem. Ihr Körper selbst erstarrt von dem, was über ihre Lippen gekommen war. „Ver- was?“, wiederholte Indramon, was Rosemon dazu veranlasste, weiter zu schreien. „Ihr habt richtig gehört! Paare tun das, so steht es in den Fabeln, die sich immer mehr in der Digiwelt ausbreiten. Ich bin nicht sein Vormund, sondern seine Gattin! Er fällt aus dieser Zählung raus, also lasst ihn verdammt nochmal hier!“ „Rosemon, hör auf!“, brüllte QueenChessmon ihr direkt ins Ohr und packte Rosemon mit aller Kraft am Arm, als sie den Anschein erweckt auf die drei Tier-Digimon loszugehen. „Willst du für verrückt erklärt werden?!“ „Ich bin nicht verrückt! Ich – Ich...“ Rosemons Augen, verdeckt von ihrer Blütenkrone wurden feucht. Das, was sie sagten wollte hielt sie zurück. Sie hätte es vermutlich ohnehin nicht wirklich verstanden. Sie hätte nur einen Vergleich aus den Geschichten ziehen können, die die Kinder oft erzählten. Dass sie, wenn sie die Geschichten von verwunschenen Prinzessinnen und den Feenvölkern, wie auch die Mutter-Gans-Liedern, wo Junge und Mädchen spielten und sich eine Gute-Nacht-Kuss gaben etwas wie Verbundenheit empfand. Rosemon begann diese Komplexität dahinter zu begreifen, ein Zusammenspiel elektrischer Impulse und der Reaktion verschiedenster Daten. Diese erlaubten ihr, vollkommen irrational etwas wie einen Mutterinstinkt für ihre Gänslein zu entwickeln, die mit ihr am Tisch saßen, von ihr Tadel bekamen, doch sich manchmal nach ihrer Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit sehnten und für die sie bereitwillig ihren Kopf hinhielt. Und auch mehr für Wisemon zu empfinden. Er war kein Spielzeug gegen Langeweile. Kein Mittel, um Ophanimon zu ärgern. Er war... „Rosemon“, rief Caturamon, sein schadenfrohes Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. „Ich werde für heute einmal so tun, als hätte ich das eben nicht gehört. Und Ihr solltet dem Beispiel folgen, wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr wegen Gerede wie diesem entmündigt und ebenfalls gerebootet werdet.“ Aus Rosemons Mund kam nur ein Ächzen, dann versagten ihre Beine. Sie fiel auf die Knie, nur QueenChessmon bremste ihren Aufprall etwas, während weiter ununterbrochen Wisemon anstarrte. Man sah ihm an, trotz dem Mangel an Gesichtszügen, was er dachte und gerne sagen würde, doch letztlich entschied er sich mit gesenkten Kopf Rosemon den Rücken zu kehren. Auch die anderen drei Tier-Digimon gingen weiter, Rosemons Weinen ignorierend. „Lasst Onkel Remus gefälligst hier!“ Wie auch immer Rosemon unter ihrer Krone sehen konnte, ihre Augen waren zu durchnässt um Dorumon zu erkennen. Bis sie dies registrierte, sprang er an ihr vorbei und digitierte im Sprung zu Reptildramon. „Ha, ich wusste doch, dass man uns anlügt“, schnaubte Caturamon triumphierend. Neben Reptildramon tauchten nun auch Kiwimon, Sangloupmon, Flamewizardmon und Apemon auf. Piddomon und Seadramon schwebten über ihnen. Noch breiter grinste Caturamon, als um Rosemon auch noch die bekannten sieben Gänschen standen. „Lasst Onkel Remus gehen, sofort!“, rief Natsu trotzig. „Genau, oder ihr bereut es!“, schloss sich auch Hisaki an. „Bereuen also? Soldaten, greift sie a-“ „Caturamon! Hör auf, sofort!“ Zur Überraschung aller zwängte sich Labramon an den Kindern vorbei. Zur noch größeren Überraschung hielt Caturamon inne und zum ersten Mal sahen die Kinder, wie sein Grinsen in sich zusammenfiel. „Labramon? Was machst du hier? Du bist doch abgehauen.“ „Ich bin geflohen, nachdem man mich aus der Akademie für die Armee rausgeworfen hat! Und so etwas wie du schimpft sich Bruder, dabei stammten wir aus einem Ei!“, brüllte und knurrte Labramon schließlich, das Fell sträubte sich, während es Caturamon weiter fixierte und weder Mensch noch Digimon es wagte, sich zwischen sie zu stellen. „Du hast schlechte Leistung erbracht! Digimon die die Anforderungen nicht erfüllen haben kein Recht, in der Armee aufgenommen zu werden oder die Macht der Digi-Armor-Eier zu empfangen.“ „Das hasse ich so an euch! Jedes Digimon, dass nicht wie ihr denkt und nicht wählt, was euch in den Kram passt wird als Müll bezeichnet! Und das nennt ihr Demokratie?! Nimmt euch gefälligst ein Beispiel an diesen Digimon! Sie haben mich und diese anderen Digimon gerettet, ganz egal wer oder was wir sind.“ Mit Verachtung starrte nicht nur Caturamon, sondern auch Indramon und Pajiramon zu den sieben Champion-Digimon. Sie rührten sich kaum, außer Apemon, der ihnen ein Grinsen schenkte und winkte, aber damit auch sofort aufhörte, als diese Geste nicht erwidert wurde. „Wer sich gegen uns stellt, ist der Feind. Du weißt das. Zwinge mich nicht, dich anzugreifen.“ „Da musst du erst an uns vorbei“, bellte Sangloupmon. Und gerade, als sich diese Digimon anstierten, Waffen, Köpfe und Klauen hoben und Caturamon gerade den Befehl zum Angriff geben wollte, donnerte es über ihnen. Binnen kurzer Zeit hatten sich Wolken über ihnen gesammelt und ein Blitz schlug direkt hinter den drei Tier-Digimon ein. Dann stand da ein Digimon hinter ihnen. Ein großes Drachen-Digimon. Es schimmerte golden und Piddomon erkannte es als dass Digimon, dass er zuvor schon am Horizont erblickt hatte. „Meister Huanglongmon...“, sagte Indramon ehrfürchtig und verbeugte sich zusammen mit Pajiramon und Caturamon tief vor diesem Digimon. Die Kinder hörten von diesem Digimon, es war jedoch nicht viel. Er war das vierte Hohe Digimon der Apartheid und trotz, dass es ein Datei-Typ war, hieß es sogar es stünde über den drei Engeln, was nicht von ungefähr kam. Huanglongmon hatte im letzten Krieg der Beta-Ära, die Zeit vor der Apartheid gegen die dunklen Digimon gekämpft. QueenChessmon wie auch Rosemon waren am wenigstens erfreut, es zu sehen. Schließlich hatte es ihre Schwester als Salamon in den Krieg geholt und sie zu dem gemacht, was sie nun war. „Ihr seid also jene Digimon. Ein jämmerlicher Haufen“, schnaubte das große Drachen-Digimon. Seine Stimme hallte so stark, man glaubte, ein duzend Digimon würden gleichzeitig sprechen. Bei der abfälligen Bemerkung gab es unterschiedliche Reaktionen. Während Kiwimon, Flamewizardmon und auch Apemon etwas einknickten, zeigte sich der Rest in ihrem Stolz gekränkt. Am stärksten fiel es bei Piddomon auf, der nicht nur die humanste Erscheinung, sondern auch von allen das größte Ego besaß. „Ihr wollt trotzdem gegen Uns stellen und kämpfen?“ „Wir wollen nicht kämpfen, wir wollen nur der Digiwelt helfen“, erklärte sich Apemon.  „Das was ihr tut hilft nicht, also nehmen wir es selbst in die Hand“, entgegnete Piddomon, weiterhin erbost darüber, nicht für voll genommen worden zu sein und langsam zeigte sich dass auch in Seadramon, Reptildramon und Sangloupmon. „Der Digiwelt helfen, sagt ihr? Wie denn? Mit diesen Kreaturen?“ „Man sagte uns, wir werden gebraucht“, rief Kana hinüber, nachdem sie ihren Mut zusammengenommen hatte. „Wir und die Musik, die es schafft Herzen zu öffnen.“ „Was verstehen Menschen von der Digiwelt?“ „Nicht viel“, gab Soichiro zu. „Aber wir haben viel von der Digiwelt gelernt. Vielleicht kann sie auch von uns lernen.“ „Diese Fabelwesen haben uns viel erzählt“, verteidigte Gladimon sie, auch die beiden PetitMamon riefen synchron: „Ja, ganz viel und ganz ulkiges.“ Sie kicherten und lachten, nicht einmal bösartig, dennoch verengten sich Huanglongmons rote Augen. Verschüchtert versteckten sie sich hinter Gladimon und während sie schlotterten, blickten sie verängstigt über den Kopf des Krieger-Digimon. „Bitte, hört uns zu“, bat Kouta Huanglongmon inbrünstig und tatsächlich schenkte es dem Jungen Beachtung. „Im Kern wollen wir doch alle das Gleiche. Bitte, als einer der vier Gestirne der Serumischen Demokratie, erlaubt uns einmal mit euch vernünftig reden und uns beweisen zu können.“ „Und wie gedenkt ihr euch beweisen zu können?“ „Wir geben euch eine Kostprobe von unser Musik.“ Ein lautes „Hä!“ ertönte aus allen Richtung um Kouta herum, am lautesten von seinen eigenen Mitmusikern. Soichiro fragte ihn, ob er noch alle Tassen im Schrank hätte, Kana bat ihn darum, nicht solche unüberlegten Späße zu machen. Jedoch machte Kouta keine Scherze, dass wusste zumindest Hisaki. Er kannte seinen Freund lang genug um zu wissen, dass Kouta, genauso wie Hisaki selbst ein tiefes Wässerchen war und manchmal offenbarten diese Tiefen ganz besondere Dinge. „Wir haben diese Digimon hier schon damit erreicht. Vielleicht gefällt sie auch Euch und den drei Engel-Digimon.“ „Ja... Ja, bestimmt. In Beriah ist doch alles mit Instrumenten geschmückt“, erläuterte Touko, in der Hoffnung, das würde Koutas Idee überzeugender wirken lassen. „Bestimmt gefällt es ihnen zu hören, was diese Instrumente alles können. In unserer Welt lieben viele Geschöpfe Musik. Engel ganz besonders.“ „Das ist doch sicher eine Falle.“ „Ruhe!“, fuhr Huanglongmon an, jedoch nicht nur Pajiramon, dass diese abfällige Bemerkung von sich gab, sondern auch Caturamon und Indramon (zusammen mit Wisemon, den er immer noch festhielt) knickten ein. Huanglongmon blickte auf sie herab, solange bis sie sich wieder trauten, die Schultern zu senken und ganz ehrfürchtig dazustehen, wie es von ihnen erwartet wurde. Erst dann befasste es sich wieder mit diesen sogenannten Gänsen und Fabelwesen. Diesen Digirittern. „Da ihr ja von Überzeugung strotzt sind Wir gewillt, dem zuzustimmen, um zu sehen ob es nicht nur leeres Gerede ist. Zu verlieren haben Wir schließlich nichts.“ „Wir hätten da aber ein paar Forderungen“, mischte sich gleich Soichiro ein. Wieder knurrte Huanglongmon und es klang mehr wie ein Donner. Soichiro, mit ausgestreckten Arm wie Zeigefinger stand stocksteif da, auch als seine Schwester seinen Arm wieder runter drückte und ihm zu murmelte, dass man das nicht macht. Zu ihrem Glück aber schnaufte Huanglongmon nur einmal durch die Nase. „Wir hören.“ „Zuerst – lasst Wisemon wieder gehen.“ Es zögerte nicht lange. Huanglongmon schaute nur einmal kurz zu Indramon hinab, der bisher Wisemons Arme hinter den Rücken fixierte und festhielt. Dann gab Indramon Wisemon einen kräftigen Schubs, dass er nach einigen Schritten zu Boden fiel. Flamewizardmon und Kiwimon rannten als erstes zu ihm, da sie auch am nächsten bei ihm standen, als aber schließlich Rosemon mit großen Schritten angerannt kam, machten sie ihr sofort Platz. Sie fiel auf die Knie und nahm Wisemon in ihre Arme. „Du Dummkopf. Wag es nie wieder ohne meine Erlaubnis so etwas Dummes zu tun!“, schimpfte Rosemon, zog Wisemon am Kragen, packte ihn so fest sie konnte am Stoff seiner Kutte. Wisemon aber wehrte sich keine Sekunde, sondern sah sie nur weinen und wie glücklich sie schien, ihn wieder bei sich zu haben. Schließlich legte auch Wisemon seine Arme um Rosemon. „Hier. Er ist frei.“ „Das reicht aber noch nicht!“, protestierte Apemon lautstark. „Wir möchten, dass ihr die Digimon in Ruhe lasst! Keine Verbannungen, keine Lager, wo die Digimon gerebootet werden, keine Hinrichtungen.“ Wieder hörte man ein Donnern und die Erde schien diesmal mitzubeben. Von dem Selbstbewusstsein, dass Apemon zuvor noch präsentierte, war nicht mehr all zu viel übrig geblieben. Er vermutete, und so war es auch, dass Renta sich beschämt die Hand gegen die Stirn schlug. „... Für eine gewisse Zeit? Vielleicht ergeben sich ja andere Möglichkeiten, wie man eine funktionierende Gesellschaft bilden könnte“, mischte sich Sangloupmon ein, die Stimme ruhig und für seine Verhältnisse weich, was zu seiner aktuellen Erscheinung gar nicht passte. „Und hört auf uns oder unsere Digimon zu jagen“, fügte nun Renta ein. Die Kinder standen nun Seite an Seite bei ihren Digimon und blickten mit ihnen zu Huanglongmon hinauf, wartend und hoffend. Genauso gespannt waren Caturamon, Pajiramon und Indramon. Huanlongmon schenkte tatsächlich seine meiste Aufmerksamkeit Rosemon und QueenChessmon. Er kannte beide als überaus ignorante Digimon, die sich kaum um das Wohl anderer scherten, solange sie nicht zu kurz kamen. Und ausgerechnet Rosemon nun riskierte Kopf und Kragen für ein niederes Virus-Digimon und Kreaturen, die nicht einmal rechtmäßig in diese Welt gehörten. Selbst QueenChessmon, deren größte Priorität ihr Luxus und ihre Krone war, schien gewillt ihrer Schwester beistehen zu wollen. Sie freute sich sogar kurz für Rosemon. War das wirklich das Werk dieser Menschen? Hatte sie eine solch große Macht, die es sogar ihren Digimon ermöglichte, nach Belieben zu digitieren? „Gut. Wir akzeptieren. Zumindest bist zu eurer sogenannten Kostprobe.“ Erleichtertes Aufatmen in der Runde, das jeher wieder erstickt wurde, als Huanglongmon sich räusperte. „Zur Stunde der Tag- und Nachtgleiche erwarten wir Euch an der Spitze unserer Hauptstadt.“ „Das ist -“, Natsu hielt inne, seine Augen rollten etwas nach oben, während er kurz überlegte und alles zusammenrechnete, dann schrie er, „ - in einem Monaten!“ „Wie sollen wir in einem Monat ein ganzes Konzert organisieren?“, protestierte Hisaki mit, was Huanlongmon kein bisschen beeindruckte, sondern sich mehr zu freuen schien, dass die Kinder erschrockenen dastanden. „Mehr Zeit bekommt ihr nicht und Wir waren schon großzügig genug. Für sieben Gänse, die hier in die Digiwelt kommen und stolz von sich behaupten, etwas an ihr ändern zu können dürfte dies ja keine schwierige Aufgabe sein. Wir erwarten euch in Atzilut!“ Ein weiterer Blitz schoss vom Himmel und traf Huanglongmon. Das gleißende Licht war blendend und jeder schloss die Augen und hob die Arme schützend vors Gesicht. Der Donner war ohrenbetäubend und es blieb ein Rauschen im Gehör zurück, aber nur für wenige Sekunden. Als man aufsah, war Huanlongmon fort. Auch von Caturamon, Pajiramon und Indramon fehlte jede Spur. Es deutete nicht einmal etwas darauf hin, dass ein Blitz direkt vor allen in den Boden eingeschlagen hatte. Kinder und Digimon gingen noch einmal ein paar Schritte voraus, blickten durch die Bäume, aber auch dort war niemand. Labramon hob möglichst unauffällig die Nase um etwas riechen zu können, aber das Digimon, dass mal sein Zwilling war, war nirgendwo. „Es ist besser gelaufen, wie ich dachte.“ „Bist du bescheuert, Renta?“, krächzte Soichiro empört. „Wie sollen wir in einem Monat irgendwas auf die Beine stellen?“ „Was wollen wir überhaupt machen?“, fragte Natsu und starrte dabei nervös auf den Boden. „Die erwarten ein richtiges Konzert. Wir haben noch nie ganz alleine ein ganzes Konzert gespielt. Und hier in der Digiwelt gibt es keine Notenblätter oder etwas, was helfen könnte zu üben“ „Wir müssten eins spielen, das wir alle kennen.“ Nachdenklich senkten alle ihre Köpfe. Es war zu lange her, dass sie wirklich gespielt, statt geübt hatten. Insgesamt waren sie schon zwei Jahre in der Digiwelt und haben seither auch auf keiner Bühne gestanden, geschweige denn ernsthaft musiziert, sondern waren über Grenzen gewandert und haben geflüchtete Digimon aufgenommen, versorgt und wieder (illegal) in sichere Zonen geschmuggelt, oftmals verbunden mit tagelangen Märschen und Kämpfen. Da blieb für Musik wenig Zeit. Während Hisaki die Spitzen seiner Schuhe fixierte, kam ein warmer Wind auf. Blätter flogen an ihm vorbei, nicht mehr ganz grün, aber auch noch nicht wirklich rot. „Was ist mit Vivaldi und den vier Jahreszeiten?“, nuschelte er und merkte erst gar nicht, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte, bis Touko ihn mit ihrem Ellenbogen anstupste. „Vivaldi?“ „Das haben wir doch auf der Schulfeier kurz vor Weihnachten gespielt.“ „Aber das ist ein ganz langes Stück.“ „Eigentlich sind es zwölf verschiedene“, korrigierte Renta Kana, was gegen ihre Nervosität und Zweifel nicht half. „Aber wir können nicht alle. Ich kann nur den zweiten Teil vom Frühling. Und den dritten ein bisschen.“ „Ich kann auch nur ein Teil vom Herbst“, entgegnete Renta weiter und wurde schließlich auch nervös, als er diesen Gedanken kurz wirken ließ und zu der vorsintflutlichen Erkenntnis kam, dass das alles vielleicht doch eine dumme Idee war. „Dann machen wir halt ein Medley draus“, entgegnete Kouta. „Dann fällt es nicht so gravierend auf. Wir können uns ja untereinander die Sätze beibringen. Und wenn wir uns die Abschnitte einteilen, dann schaffen wir das alles auch am Stück.“ „Wir üben auch mit euch.“ Ihre Digimon, nun wieder Rookies, standen in einer Reihe, die Kopf erhoben und die Brust rausgestreckt. Gespannt sahen ihre Partner auf die kleinen Wesen, aber eher sie weitersprachen, schaute jedes der Digimon sich an und sie nickten sich zu. „Ihr müsst nicht alleine spielen.“ „Wir üben mit euch.“ „Ja, wir sind doch auch Musiker“, jauchzten Dracmon, Koemon und Floramon und auch in den Gesichtern der restlichen Digimon zeigte sich selbiger Elan. „Aber... kriegt ihr das denn hin?“, fragte Natsu. „Sicher. Ich kann schon Töne spielen, ohne dass meine Flamme ausgeht!“, sagte Candlemon stolz. „Ich treff auch die Noten, trotz dass meine Arme klein sind“, sagte Dorumon. „Kleine Hände sind doch kein Problem. Meine sind auch klein, aber ich kann mittlerweile gut auf zwei Oktaven spielen“, erzählte Tsukaimon mit deutlichen Stolz, dann mischte sich Betamon ein: „Und mit den Bogen, den Touko gebaut hat kann ich langsam ganz gut umgehen.“ „Seht ihr. Ihr müsst das nicht alleine machen. Wir sind alle ein Orchester“, jubelte Dracmon, der Rest mit. In den anfänglichen Gesichtern, gezeichnet von Unsicherheit bildeten sich Züge der Erleichterung und der Freude. „Wir helfen auch“, sagte Clockmon zu ihnen und kam mit den restlichen Geflüchteten auf sie zu. „Wir mögen keine Musiker sein, aber ihr habt uns geholfen. Es wird Zeit, dass wir uns revanchieren.“ „Was immer ihr braucht, sagt es uns“, forderte Digitamamon, ungewohnt höflich für ihn. „Und wir feuern euch an!“, lachten die Hagurumon, zusammen mit den Numemon und den PetitMamon. Letztlich kamen auch Rosemon, Wisemon und QueenChessmon. Rosemon hätte gern etwas gesagt, nämlich dass sie Zweifel an dieser ganzen Sache hatte, aber sie war zu erschöpft und insbesondere einfach nur erleichtert, dass Wisemon und sie sich im Arm hielten. „Ich würde auch etwas dazu beitragen“, sagte QueenChessmon, warf ihre silbernen Haare zurück und lachte. „Ich sah eure Instrumente und sie scheinen doch veraltet zu sein. Atzilut legt großen Wert auf Prestige und Ästhetik. Da wir nicht nur Puppen- sondern auch Maschinen-Digimon sind und unser Handwerk verstehen, werde ich meine Soldaten damit beauftragen euch richtige, edle Instrumente anzufertigen aus reinem Digizoid. Und natürlich auch Spezialanfertigung für die lieben Digimon, die euren Bedürfnissen entsprechen. Es stört doch mein Schwesterherz nicht, wenn ich meinen Patengänslein dieses kleine Geschenk mache?“ „Du machst doch ohnehin immer das, was du willst... Schwesterherz“, schnaufte Rosemon. Vorfreude kam unter den Digimon auf, Augen funkelten. Die Kinder staunten erst und wirkten sogar recht ungläubig. So viel Vertrauen, so viel Großzügigkeit und Freundlichkeit waren sie nicht gewohnt. So viel Glauben an sie, an ihre Weisheit und Entschlossenheit. Vielleicht brauchte die Digiwelt nicht nur sie. Vielleicht war die Digiwelt genau diese Wunschwelt nach der sich diese sieben Kinder immer gesehnt haben. Ein Ort, wo etwas wie Gerechtigkeit eine Chance hatte. „Danke. Wir danken euch allen.“   ♫   Man rechnete von vorne rein mit dem Schlimmsten. Hisakis hatte einen leichten Hang zum Schwarzsehen um am Ende, ging wirklich etwas schief nicht allzu überrumpelt zu sein. Unweigerlich schienen seine Freunde diese Eigenschaft übernommen zu haben, denn auch sie waren allesamt eher pessimistisch der Sache gegenüber. Es war auch alles zu viel auf einmal. Beriah war ja bereits beeindruckend gewesen, aber Atzilut... Sie bekamen nur einen kleinen Teil der Domäne der Hohen Digimon zu sehen, aber die ganzen Bauten aus weiß, tiefblaues Wasser, dass durch die Stadt floss. Und die Natur erst! In Atzilut schienen sich alle Jahreszeiten gleichzeitig zu tummeln, jede in ihrem eigenen Areal, um so perfekter schien es zu sein, dass sie vor hatten Vivaldis vier Jahreszeiten zu spielen. Einzig was Atzilut etwas von seiner Schönheit nahm, war die Tatsache das wenig Digimon hier lebten. Machte Sinn, nur besondere und auserwählte Digimon war es gestattet hier zu leben. Und all diese Digimon schienen in dieser dunklen Halle zu sitzen und hörten ihnen zu. Ihr Konzert fand in einem Saal statt, der mehr an eine Oper erinnerte, grauer Marmor, auf den das goldene Licht eines großen Kronleuchters traf und über ihnen allen zierte das Gemälde des Garten der Lüste die Decke. Das Paradies nahm eine gesamte Hälfte der runden Decke ein, Eden und die musikalische Hölle je ein Viertel. Das Abbild der Hölle machte alle Kinder, die hinter dem schweren, weinroten Vorhang versteckt waren Unbehagen. Im Hinblick dessen, warum sie hier waren wirkte es so vorsintflutlich. Hisaki kannte das Bild, es hing zu Hause und sein Vater erklärt ihm einst, was darauf zu sehen sein. Musik aus der Hölle. Instrumente als Foltermethoden. Schrecklich. Als der Vorhang sich hob, blendete sie Licht. Die Digimon vor ihnen waren kaum erkennbar, sie wussten nur, dass irgendwo in den vorderen Reihen Labramon, Gladimon, Clockmon, die PetitMamon, die Hagururmon und die Numemon saßen. Und ganz oben, auf einem der Balkone saßen Seraphimon, Ophanimon und Cherubimon. Rosemon und Wisemon standen mit auf der Bühne, aber am Seitenrand und drückten den Kindern die Daumen. Sie waren nervös. Ihnen war schlecht und es war mehr wie nur Lampenfieber. Hier ging es um so viel. Jedes Kind warf einen kurzen Blick auf sein Digimon. Jedes von ihnen sah aus, als fiele es gleich in Ohnmacht. Hisaki atmete tief durch. Tsukaimon, der das mitbekam ahmte ihm nach. Wie er sich schließlich beruhigte erfuhr Hisaki nie. Er selbst stellte sich vor, er sei einfach in der Schule. In ihrem Proberaum wo sie sich kennen lernten und immer saßen um nicht nur zu üben. Sonst gab es keinen anderen Ort, wo sie sich alle ungestört treffen konnten, doch der Proberaum der Musikgruppe war ihr Sanctum, voller Musik, voller Lachen, voller wilder Fantasien. Diesen Ort stellte Hisaki sich vor, als er begann zu spielen. Er ignorierte das Publikum, dass auf sie starrte, ignorierte sogar seine Mitmusiker. Mit Kana stieg er in dieses Konzert ein, spielte synchron mit Touko und wurde nach zwei Akkorden abgelöst, kam erst irgendwo im Sommer wieder dazu, spielte ein paar Klänge des Herbstes mit, bis schließlich der Winter kam, dessen Klänge er und das Klavier bis zum Schluss dominierten. Hisaki konzentrierte sich nur auf sich selbst und Tsukaimon, der neben ihm saß und auch selbst seine Nervosität vergaß. Hisaki stellte sich vor, er wäre wieder in der Eiswüste, wenn sie schon vom Winter spielten. Dort, wo das bunte Licht war, der klare Himmel und die weichen Schneeflocken. Und Hisaki war sich sicher, dass sein Digimon auch daran dachte. Die letzten fünf Takte spielten sie alle zusammen, dann verstummte jedes einzelne Instrument. Man hörte nichts. Man sah in der matten Dunkelheit kaum etwas. Sekunden verstrichen, Kinder und Digimon schluckten, während Finger über die Instrumente fuhren. Doch es vergingen immer mehr Sekunden. Es rührte sich nichts im Publikum. Langsam entstieg aus der Unsicherheit Enttäuschung. Köpfe wurden hängen gelassen, Digimon klopften Partnern aufmunternd auf Rücken oder an den Arm. Schließlich hatten sie es versucht, das zählte. Das Echo eines einzelnen Klatsches ertönte. Labramon saß auf den Hinterbeinen und bemüht das Gleichgewicht zu halten, klatschte es mit den Pfoten ausgiebig und so laut es konnte. Es ignorierte, das alle Digmon es anstarrten und dass es lange das einzige Digimon war, dass Beifall klatschte. Schließlich und auch endlich klatschten die Numemon mit. Kaum hörbar, da ihre Hände nur Stümmel waren und ihr Applaus entsprechend nicht sehr laut, aber sie taten es. Clockmon und Gladimon hingegen waren schon lauter. QueenChessmon applaudierte, die auf einen der Balkone saß. Und diese Digimon waren lange die Einzigen. Es war zugegeben nicht viel, aber dass diese Digimon ihnen so zujubelten freute sie und allein ihr Lächeln zu sehen machte diesen Abend lohnenswert. Mit diesem tröstlichen Gedanken abgefunden, war es für die Kinder fast noch überraschender, für Rosemon und QueenChessmon ganz besonders, als sich Ophanimon erhob und ebenfalls die Hände laut ineinander schlug. Unverständnis kam von Seraphimon und Cherubimon, doch nachdem Ophanimon weiter stehen blieb, klatschte und allen Anschein nach so schnell auch nicht aufhören würde, begannen auch sie zu klatschen. Wie ein Startschuss zog sich ihr Applaus durch das Publikum, vereinzelte Digimon und dann Gruppen stimmten mit ein. Der ganze Saal applaudierte. Über die erstaunten Kinder und Digimon huschte ein Lächeln beim Anblick dieser Gesichter. Auch aus dem dunklen Balkon hörte man ein Klatschten. Hisaki war vorher schon aufgefallen, dass einer der Balkone komplett zugezogen war, aber wenn man genau hinsah, sah man etwas golden aufblitzen. Er dachte sich nichts dabei, aber so wie es schien war dort hinter dem Vorhang etwas und es kam nun hervor. „Die Obrigkeit der Digiwelt scheinen Recht behalten zu haben. Ihr seid wirklich etwas besonderes.“ Mensch oder Gott, hatten sich die Kinder gefragt, bis ihnen wieder eingefallen war, dass sie immer noch in der Digiwelt waren. Aber dieses Digimon – es musste ein Digimon sein – war so humanoid und strahlend, dass es doch etwas schwer zu glauben war. „Ihr redet vom Troubadour?“, fragte Renta vorsichtig. Im Saal war es ruhig geworden, das Staunen war von Überraschung und Entsetzen abgelöst worden. Ganz besonders bei den drei Engel-Digimon. Wisemon, noch immer hinter dem Vorhand versteckt schlug sich sogar die Hand vor seinen kaum angedeuteten Mund. Man hörte, wie er „Shakamon...“ flüsterte. Dieses Digimon, auf einer Sonne sitzend, wenn auch nicht so heiß, schwebte über dem Publikum, während er auf die Kinder und deren Digimon hinunterblickte. Aber nicht wie Seraphimon. In Shakamons Gesicht sah man vollste Zufriedenheit. „Als ich davon hörte, das man die Fäden des Schicksals in Menschenkinder legte, war ich von Freunde und Zweifel gleichermaßen gepeinigt. Da ich aber nun euer Spiel hören durfte erstarben meine Zweifel. So vergibt mir, dass ich Zweifel in euch hatte, Digiritter.“ „E-Entschuldigen?“ „A-Aber, Ihr müsste Euch doch nicht -“, stotterten Touko und Kouta, auch Seraphimon war darüber entsetzt. „Ihr entschuldigt Euch bei ihnen? Es sind Menschen! Es sind Kinder, die in unserem System nichts verloren haben.“ „Ihre Musik mag annehmbar klingen - “, begann nun Cherubimon, „- aber hier geht es um den Erhalt der Digiwelt. Um Politik. Musiker haben im Krieg nichts verloren.“ „Krieg erschafft nur mehr Krieg, Leid, aber keine Lösungen. Ihr drei, die selbst einst in den Kampf gerufen wurden, bereits als junge Rookie-Digimon, behauptet also dass dies eure beste Entscheidung war? Nach so vielen Kämpfen und Opfern?“ „Es ist von Nöten! Seht Euch an, was mit den Heimaten in der Nähe der großen Grenzen geschah. Was über diese hinaus geschieht!“ „Und in all den Jahren verweilt die Digiwelt in diesem Zustand. Wollt ihr darauf bestehen, dass diesen Kampf weiter zu führen wie bisher die richtige Entscheidung ist?“ Cherubimon schwieg. Ophanimon und Seraphimon aber ließen sich weniger beirren. „Wollt Ihr sagen, dass unser Handeln sinnlos ist?“ „Nicht produktiv. Nicht dass, was die Digiwelt braucht“, antwortete Shakamon Ophanimon. „Das, was die Digiwelt braucht liegt in diesen Kindern und diesen Digimon. Dinge, die in ihren Herzen schlummern. Hoffnungen. Und Träume. Eigenschaften, die die Digiwelt lernen muss.“ „Und wie soll die Digiwelt das?“ „Vielleicht -“ Kouta unterbrach seinen Satz. Er wollte sich eigentlich gar nicht in diese Diskussion einmischen, aber er hatte diesen beiden Digimon intensiv zugehört, sich Gedanken gemacht und ihm war tatsächlich etwas eingefallen. Als aber er ins Zentrum der Aufmerksamkeit geriet, genierte er sich zu sehr, hoffte, man würde vergessen, dass er einen Mucks von sich gegeben hatte, was aber nicht geschah. Hisaki rückte näher zu ihm und gab ihm einen motivierenden Schubs gegen die Schultern. „Sag schon.“ „Ja, Kouta, was wolltest du sagen?“, feuerte ihn Dracmon an. „Also... I-Ich glaube, wenn man freundlich zu allen ist und auf sich Acht gibt, dann stärkt es den eigenen Glauben. Nicht nur an andere, auch an sich.“ „Ja, und Glaube ist auch wichtig!“, rief Kana dazwischen und sie glaubte erst selbst nicht, dass sie einfach in eine Unterhaltung reinplapperte. „Man muss ganz fest dran glauben, dass das, was man schaffen will auch gelingt.“ „Was du meinst ist Entschlossenheit, Schwesterherz.“ „Nein. Ich meine Glaube! So wie ich glaube, dass meine Antwort besser klingt.“ „Vielleicht stimmt ja beides“, warf Dorumon ein. Die Zwillinge starrten verblüfft einander an, dann, nach ein paar Sekunden nickten sie sich zustimmend zu. „Was hast du zu sagen, Natsu? Los, komm schon!“, ermutigte Candlemon den erst überraschten Jungen. Er stotterte und stammelte, die Schultern angehoben bis zu den Ohren. Erst als Renta ihm einen Schubs gab, ließ das nervöse Zittern nach. „Sag ruhig, Natsu. Ich zum Beispiel finde, dass man großzügig sein muss“, erklärte Renta sachte. „Im Leben sollte man immer mehr geben wie nehmen. Und jetzt sag, was du denkst.“ „Ja, sag!“, munterten ihn Candlemon erneut und Koemon auf. „Also... Ich finde, dass es wichtig ist, dass man anderen vertraut. Oder das andere einem vertrauen.“ „Vertrauen klingt gut“, lobte Touko ihn. „Und du, Hisaki? Sag auch was.“ Überrascht und auch überfordert schaute Hisaki sich um und jeden einzelnen seiner Freunde, zuletzt schließlich auch Tsukaimon, der erwartungsvoll auf eine Antwort wartete. „Ich glaubte, dass -“, begann er, ohne wirklich zu wissen, was er sagen sollte. Er wusste selbst nicht, was er gerne wollte. Oder sich wünschte. Wünschen... in einer Welt wie dieser. In einer Apartheid... „Gerecht sein. Man muss fair sein. Und alle gleich behandeln. Egal wer und was sie sind“, antwortete Hisaki sich selbst, aber für alle gut hörbar. Touko nickten ihm zu. „Gut gesprochen.“ „Und du, Touko?“, fragte Betamon wenn auch etwas zurückhaltend. „Ich? Nun, dass man nicht nur gerecht handelt, sondern auch immer überlegt und klug. Wenn man nachdenkt, kann man sehr viel lernen.“ Auch Betamon nickte Toukos Worte wohlwollend ab. Jedes Digimon, insbesondere Shakamon hatte den Kindern genau zugehört. Er schien mehr wie nur zufrieden zu sein, während die drei Engel noch Argwohn umgab. „Mit solchen Dingen gewinnt man keinen Krieg“, seufzte Seraphimon. „Dragomon lässt sich davon nicht beeindrucken und die Digimon, die er um sich sammelt auch nicht.“ „Kämpfe und Opfer allein haben es auch nicht“, entgegnete Shakamon. „Und ihre Eigenschaften allein vielleicht auch nicht. Aber eventuell sind diese mit dem offenen Kampf kompatibel.“ „Kompatibel?“, wiederholte Cherubimon fragend, doch Shakamon widmete sich dem nicht. Die Lichter und Zeichen, die um ihn kreisten glühten und mit ihnen die Digivice, die an Blusen, Hosenbund und Jacken hingen. Dann waren die Instrumente fort. Dass sie nicht ganz fort waren merkten die Kinder erst einen weiteren Moment später. Shakamon veränderte nur ihre Gestalt. Die verschiedenen Instrumente hatten eine einheitliche Form angenommen. Eine kleinere, die sie in den Händen hielten. Goldene Anhänger und in der Mitte zierte buntes Glas und ein Symbol, aus dem sie nur bedingt eine Bedeutung schließen konnten. Floral wirkten sie allesamt. „Wenn ihr Kinder so von euch behaupten könnt, dass diese Attribute der Digiwelt helfen können, so möchte ich euch hiermit beweisen, dass auch ich an eure Worte glauben möchte“, sprach Shakamon. „Diese Wappen sind Sinnbild für eure Hoffnungen und Träume und sie sollen euch helfen, dass eure Digimon auf das Ultra-Level digitieren können.“ „Was? Aber Shakamon -“, rief Ophanimon empört auf. „Wir wollen das Schicksal unserer Welt in Kinderhände legen? Wir brauchen sie nicht. Wir sind Mega-Level, wir sind viel mächtiger. Ihr seid viel mächtiger. Ein Götter-Digimon kann doch eher diesen Krieg beenden, als irgendwelche Gestalten aus einer anderen Welt.“ „Auch wenn Götter oder Engel, letztlich sind wir alle nur Digimon ohne absolute Macht.“ Und zum ersten Mal, als der Saal vollkommen still war, hörte man in Shakamons Stimme Trauer. „Neben uns allen gab es unzählige Digimon mit göttlicher Macht. Doch wir alle unterliegen dem Kreislauf von Feuer und Asche. Wir kennen keine andere Lösung als den Neustart. Wir lernen aus unseren Fehlern und Schicksalsschlägen nichts. Die Menschen jedoch sind anders. Und die Digimon, denen sie dieses Leben gaben haben das Potenzial ihrem Beispiel zu folgen. Ich vertraue, dass sie Dragomon aufhalten können, eher er erwacht und er die Digiwelt in Flammen steckt, um den nächsten Neustart zu erzwingen. Und der Tag wird kommen, da werden eure Herzen alle im selben Takt schlagen und ihr werdet eure vollkommene Stärke erfassen.“ „Ihr sprecht doch nicht etwa von -?“, begann Seraphimon, aber er wurde unterbrochen, als sich Shakamon nun den Digimon zuwandte, die überwältigt von dem allem auf ihren Plätzen saßen und sich unsicher waren, ob das wirklich alles gerade passierte. „Digimon. Wollen wir diesen Kindern und ihren Digimon einer Chance geben?“ Es folgte, diesmal ohne Zögern ein lautstarker Applaus. Zustimmendes Pfeifen und Jubel, während das Orchester noch immer mit offenem Mund dastanden. Die Digimon, die ein Kopfgeld auf sie gesetzt hatten bejubelten sie plötzlich. Es kam ihnen wie ein Traum vor. „Also gut. Ihr wollt der Digiwelt einen Dienst erweisen?“ Seraphimon blieb skeptisch und sollte es für den Rest seines Daseins auch bleiben. Die Frage, die er stellte galt nicht den Kindern, sondern den Digimon. Sie traten hervor, standen in einer Reihe, aber anders wie bei ihrem ersten Treffen verspürten sie keine Angst vor diesem Mega-Digimon. Ihnen war bewusst, egal was sie tun würden, diese Digimon würde sie für immer mit Verachtung strafen. Aber sie konnten beweisen, dass sie kämpfen konnten. Dass sie das Potenzial hatten etwas zu ändern. Es war dieser Moment und diese Worte, die sich für immer in das Gedächtnis der Meister der Dunkelheit brannte. „Dann beweist, dass ihr nicht nur Musiker, sondern auch Soldaten sein könnt.“   ♬   Gerechtigkeit hatte er gesagt. Gerechtigkeit ist etwas, was die Welt bräuchte. Wenn Hisaki jedoch eins aus der Realen Welt gelernt hatte, dann das die Welt ungerecht war. Die Reichen wurden reicher, die Armen blieben auf der Strecke. Wer Essen hatte fraß sich satt, wer keines hatte verhungerte. Wer Hilfe bräuchte, bekam sie nicht und der, der sie hatte nutzte sie aus. Welche Mächte sich solch ein System ausgedachten waren nicht ganz dicht gewesen. Deswegen auch gewannen in Märchen und Fabeln immer die Guten, die Mutigen, die Hilfsbereiten, die Klugen, die Ehrlichen, in stiller Hoffnung, jene Gute Nacht Geschichten, die sich ins Kinderherz brannten würden die Zeit des Heranwachsens überleben. Hisaki las Tsukaimon ALICE IM WUNDERLAND und ALICE HINTERN DEN SPIEGELN mit in etwa dem selben Hintergedanken und der selben Hoffnung vor, wenn auch das Hauptmotiv war, ihn etwas lockerer zu machen. Seine Freunde verstanden den Gedankengang nicht, aber dass verwunderte Hisaki nicht. So manche Ideen, die er hatte waren schwer zu folgen und auch Kouta, der Hisaki ja schon seit dem Kindergarten kannte rätselte über so manchen Schluss. Hisaki hatte in Alice immer ein Mädchen gesehen, dass die High Society Londons, ihre steife Etikette und den Spießertum satt hatte und sich daher ein Wunderland wünschte, in der ihre geliebte Welt aus Märchen, Reimen und Mutter-Gans-Liedern zur Teezeit lebendig wurde. Einfach mal fallen lassen eben, wie Alice ins Kaninchenloch. Aber die kindliche Einfachheit mit ihrer Absurdität wurde irgendwann stressig und der Wunsch nach elterlicher Logik und gesellschaftlicher, klarer Struktur wuchs, wohl darum erwachte Alice immer wieder aus ihren Träumen. Ein bisschen träumen war nicht falsch, solange man irgendwann wieder erwachte. Nur ein kleines bisschen wünschen. Das man mit anderen Träumen durfte. Das war doch nicht verkehrt? Aber wo war da die Gerechtigkeit? Was haben Gerechtigkeit und ein Traum gemeinsam? Tsukaimon döste vor sich hin. Er hatte das Richtige getan und den Mittag auf Hisakis Schoß sitzend verschlafen. Tsukaimon brummte und streckte sich, wurde aber ruhiger, als Hisaki ihn am Ansatz seiner Flügel kraulte. „Hast du Antworten, Alice?“, fragte Labramon zart. Es fragte anstelle von Kouta, der erst etwas wartete und sich dann neben Hisaki setzte. „Du hast dir ein schwieriges Attribut ausgesucht.“ „Ja. Aber es war das Erste, was mir einfiel.“ Hilfesuchend starrte er Kouta an, dann blickte er sich um. „Wo hast du Dracmon gelassen?“ „Er ist mit den Mädchen, Betamon, Floramon und Koemon weg. Ich hoffe nur, dass sie nichts dummes anstellen.“ „Momo und Floramon sind ja dabei. Da mache ich mir keine Sorgen“, sagte Hisaki. Kouta nickte zwar, es beruhigte ihn aber nur bedingt. Dracmon hatte nun mal viele Flausen im Kopf und in Kombination mit Koemon deutete es schon so gut wie auf eine Katastrophe hin. Tsukaimon schreckte sich noch einmal ausgiebig und gähnte laut. „Hey, Schlafmütze, wach auf“, rief Hisaki und tippte mit den Finger auf Tsukaimons Kopf. „Lass mich. Ich will schlafen.“ „Du schläfst schon den ganzen Mittag.“ „Die Sonne macht mich aber so schläfrig... Lass mich liegen...“ „Du bist schlimmer wie der Schwarze König, hat dir das mal jemand gesagt?“, schimpfte Hisaki weiter, sein Digimon schlief aber wieder. Er seufzte zwar, aber dann nahm Hisaki Tsukaimon an sich und legte ihn in seine Arme, damit er dort weiter schlafen konnte und tatsächlich schmiegte sein Digimon sich im Schlaf näher an ihn wie ein Säugling an seine Mutter. „Tsukaimon ist manchmal echt süß, wenn er nicht gerade so grummelig ist“, sagte Labramon kichernd. „So anhänglich kennt man ihn gar nicht“, witzelte nun auch Kouta. „Er ist schon von Geburt an so. Als wir in den Schneesturm geraten sind bekam er Angst. Wir wären beide fast erfroren und haben versucht uns gegenseitig warm zu halten. Nicht einmal von den Frigimon wollte er sich untersuchen lassen, obwohl er so krank wurde.“ Bei dem Gedanken an den Schneesturm, der sie am dritten Tag nach seiner Ankunft überraschte wurden Hisakis Finger wieder ganz taub. Als der Himmel klar war, war die Luft mehr frisch als wirklich kalt und sie hatten das Panorama, die bunten Polarlichter und die Straße mit den gefrorenen Wasser und Fischen bestaunen können. Dann wurde es kalt und alles nur noch weiß. Hisaki erinnerte sich, dass er Poyomon in seiner Weste trug, um ihn von der Kälte zu schützen. Er war bereits erkältet gewesen und hustete immer wieder. Hisaki brach irgendwann zusammen, Arme und Beine taub und hätte Poyomon nicht so laut geweint, hätten die Frigimon sie vielleicht nie gefunden. Obwohl keinem von beiden bewusst war, dass sie so etwas wie füreinander bestimmt waren, ließ Hisaki dieses kleine Baby-Digimon nicht einen Moment aus den Augen. Es war, als hätte er sich in dem Moment, als er dieses unförmige Ding in den Händen hielt in ihn verliebt. Er hielt ihm im Arm, schaukelte ihn hin und her und sei es die ganze Nacht gewesen und manchmal wäre er durchgedreht, weil Poyomon nicht aufhörte zu jammern. Hisaki las ihm vor, fütterte ihn und saugte den Schleim aus den verstopften Atemwegen (Hisaki hoffte, er könnte diese Erfahrung irgendwann verdrängen). So musste es sich anfühlen, wenn man plötzlich ein kleines Haustier oder ein Geschwisterchen hatte. Oder wenn man Vater wurde. „Ich kann Tsukaimon verstehen. Wie ihn ging es mir auch“, erzählte Kouta. „Ich war überfordert mit allen. Und Punimon, obwohl er selbst ein Baby-Digimon war hat mich beschützt, als die Chessmon uns mitnehmen wollten und hat mich aufheitern wollen. Er schien gespürt zu haben, wie verloren ich mir vorkam.“ „Aber ich war doch genauso überfordert und wusste nicht, was ich machen sollte.“ „Aber vielleicht konntest du besser damit umgehen, dich in einer fremden Welt zu orientieren... Was meinst du, Alice im Wunderland?“ „Achtung da hinten!“, rief Soichiro zu ihnen hinüber, ehe ein Fußball zwischen Hisaki und Kouta auf den Boden knallte. Labramon schrie auf, die beiden Jungen zuckten zusammen, wie auch Tsukaimon im Halbschlaf und drückte sich dabei näher an seinen Partner. „Entschuldigung, ist alles gut bei euch?“, fragte Dorumon, der sofort angerannt kam, Natsu, Candlemon und Soichiro hinterher. Das PetitMamon Pärchen und die Numemon, die auch mitgespielten blickten besorgt hinüber. „Könnt ihr nicht aufpassen?“, schimpfte Labramon, die beiden Digimon und die Kinder senkten beschämt die Köpfe. „Tschuldige. Mein Fallrückzieher hat nicht so funktioniert, wie ich wollte“, entschuldigte Soichiro sich, dann aber, als hätte er vergessen was er wollte, starrte er Tsukaimon an, der sich immer noch fest an Hisaki klammerte. Genauso gespannt schauten auch Natsu, Candlemon und Dorumon. „Hey, Tsukaimon, alles wieder gut? Soichiro war nur zu doof zum zielen.“ „Ich war nicht zu doof, ich hab mich verrechnet!“ „Wundert mich nicht, du hattest in Mathe schon immer schlechte Noten“, bemerkte Natsu ungewohnt sarkastisch. Tsukaimon, von Hisakis Worten beruhigt ließ locker und sah seinen Partner an, der ihm aufmunternd anlächelte. Tsukaimon lächelte selbst schüchtern, bis er das Publikum um sie herum bemerkte, aufschrie und sich mit finsterer Mine hinter Hisaki versteckte. „Wie lange gucken die schon?“ „Jetzt krieg dich ein. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass du in der Mittagssonne einpennst und dich von Alice rumtragen lässt wie ein Baby-Digimon“, bemerkte Candlemon, lachte, aber Tsukaimon wurde nur noch grimmiger. „Lass das Gekicher, Candlemon.“ „Komm Tsukaimon. Wir sind doch ein Orchester. Hier muss sich keiner für irgendwas schämen.“ Hisaki wollte nach Tsukaimon greifen, doch er duckte sich weiter nach hinten. Etwas missmutig schaute er um sich, erst dann hoben sich seine Flügelohren wieder, die er zuvor zurückgelegt hatte. „Sagt aber bloß nichts Dracmon davon, verstanden!“ „Machen wir nicht“, lachte Kouta, wissend, dass diese Bemerkung nicht von ungefähr kam. Auch wenn sein Digimon es eigentlich nur gut meinte, konnte Dracmon wirklich stachelnd und gemein sein. Und just in dem Moment hatte Kouta den Eindruck, sein Digimon gehört zu haben, das schrie: „Aus dem Weg da unten!“ Und es war wirklich sein Digimon, wie er ernüchternd feststellen musste, begleitet von einem klappernden Geräusch. Büsche wackelten und schließlich schoss ein Holzwagen durch das Gestrüpp. Kouta konnte gerade noch Dracmon und Koemon erkennen, eher er von Hisaki zur Seite gezogen wurde, ansonsten wäre er überfahren worden. Sie sahen nur knapp, dass der kleine Wagen beladen war mit Pflanzen und der Geruch war so markant, dass sie auch gleich wussten, mit was er bis zum Rand gefüllt war. Lavendel. Die PetitMamon und Numemon sprangen kreischend zur Seite, als der Wagen mit Dracmon, Koemon und Floramon vorbeiraste, gegen die Wand fuhr und dann in seine Einzelteile zerlegt wurde. Die drei Digimon lagen schließlich zwischen Holz und Pflanzen, jammernd und ächzend auf dem Boden. Eines der Räder rollte der Gruppe entgegen, die das alles mit Entsetzen beobachteten. Kouta schlug sich die Hand ins Gesicht, gerade als hinter ihnen Kana, Renta und Touko mit Betamon angelaufen kamen. „Hey, seid ihr noch heil? Floramon?!“ „Uns geht’s gut, Gretel“, keuchte Floramon. Sie klopfte sich Lavendelblüten von den Armen, ehe sie wütend zu Dracmon und Koemon sah, die sich die Köpfe rieben. „Ihr seid Schuld! Wir hätten uns was brechen können!“ „Aber es war doch witzig!“, protestierte Koemon, dann bekam er eine von Floramon übergezogen. „Witzig? Witzig?!“, schrie sie und widerstand dem Drang, Koemon am Kragen zu packen, während Betamon seufzte: „Gut, dass ich nicht mitgefahren bin.“ „Bist eben doch klug, Betamon“, sagte Tsukaimon zu ihm und nickte ihm freundschaftlich zu. „Nächstes Mal lass ich ihn zu Hause“, murmelte Renta leicht verärgert, dann erst lief er mit allem anderen zur Unfallstelle, wo die Numemon Dracmon und Koemon wieder aufhalfen. „Ich sagte doch, ihr sollt nicht so schnell machen.“ „Sorry, Krabat“, sagte Koemon wehleidig, dann knöpfte sich auch Kouta sein Digimon vor. „Und habe ich dir nicht gesagt, dass du keinen Ärger machen sollst?“ „Es war aber so lustig...“ „Du musst trotzdem auch auf andere Acht geben. Ihr hättet uns fast überfahren.“ „Ja. Hast Recht.“ „Und wieso habt ihr so viel Lavendel geholt?“, fragte Hisaki schließlich und sah sich den Berg aus blauen Blüten an. „Da ist nicht nur Lavendel dabei, sonder auch Rosmarin“, erklärte Kana. „Ja, und wofür braucht ihr das?“ „Na, für -“ Kana wurde unterbrochen, als Rosemon und Wisemon aus der Villa gerannt kamen. Sie schienen mit was Schlimmeren aber gerechnet zu haben, denn erst war sie recht besorgt hinausgestürmt, als sie aber sahen, dass Dracmon und Koemon nur wieder etwas ausgefressen hatten, wirkte sie entspannter. „Was habt ihr jetzt wieder angestellt?“ „Wir haben gar nichts angestellt!“, moserten die beiden Digimon, dass wurde aber von Rosemon gekonnt ignoriert. „Und wieso habt ihr das ganze Unkraut angeschleppt?“ „Das ist Lavendel und Rosmarin, Tante Rhody“, erklärte Touko. „Wir haben Dracmon und Koemon gebeten, dass sie mit Floramon welche suchen und abernten.“ „Wofür?“ „Für die Hochzeit.“ Alle Schwiegen und starrten die Mädchen an, insbesondere Touko, die das mit so viel Ernsthaftigkeit sagte, dass sich keiner traute zu fragen, ob sie nur scherzte, nicht einmal Rosemon. „Hochzeit? Was für eine Hochzeit?“ „Deine und Onkels Remus'“, fügte nun Kana hinzu und beide betroffenen Digimon schnappten überrascht nach Luft. „Unsere? Gänschen, was redet ihr?“ „Du hast zu Caturamon gesagt, ihr seid verheiratet“, sagte Floramon. „Oder nicht?“ „Ja, aber, dass habe ich gesagt, damit Wisemon bleibt.“ „Weil ihr zusammenbleiben wolltet, oder? Du wolltest nicht, dass er geht, sondern bei dir bleibt, richtig?“, fragte Betamon. Rosemon wusste nicht, was sie sagen wollte, denn es stimmte, es so zu sagen war aber unangenehm. Wisemon brachte voller Verlegenheit ohnehin nichts heraus und starrte nur mit (so vermutete man) Scham auf den Boden. „Krabat, was heißt Hochzeit?“, fragten die PetitMamon. „Das heißt, dass man sich sehr liebt und man sich das Versprechen gibt, für immer zusammen zu sein. Das kann man nur mit jemanden machen, mit dem man nicht verwandt ist. Und man muss erwachsen sein.“ „In unserer Welt machen das alle Erwachsenen, die sich sehr gern haben, damit sie Familien aufbauen können“, sagte auch Natsu. Die Digimon, auch die der Kinder hatten mit großen Augen und mit größter Aufmerksamkeit zugehört und ihre Reaktionen schwankten zwischen Warum sollte man das tun, bis dahin, dass das eigentlich ganz süß war. „Gänschen...“, begann Rosemon. „Es ist nett gemeint, aber in unserer Welt macht man das nicht. Da gibt es keine Hochzeiten oder Ehen.“ „Dann führen wir es halt ein“, antwortete Hisaki trocken. „Shakamon und der Troubadour haben gesagt, die Digiwelt soll von uns lernen. Also soll sie heute lernen, was eine Hochzeit ist. Irgendeiner muss doch mal damit anfangen.“ „Richtig“, stimmten alle Kinder zu und die Digimon, die sich darüber immer noch etwas uneinig waren stimmten vorsichtshalber einfach mit. „Aber -“ „Kein Aber, Onkel Remus“, unterbrach ihn Soichiro. „Wir gehen Morgen an die Front und wissen nicht, wann wir wiederkommen. Aber zu wissen, dass ihr euch das Versprechen gibt füreinander da zu sein, würde uns beruhigen. Wir machen uns um euch doch auch Sorgen.“ „Vielleicht versteht die Digiwelt und die Serums dann auch, dass eine Ehe weit mehr wert ist, wie eine Vormundschaft.“ Von Koutas Worten überrumpelt, wusste Rosemon nicht mehr, was sie dazu nun noch sagen sollte und beobachtete, wie Wisemon auch, wie Kana ein Bündel Lavendel mit etwas Rosmarin zusammensteckte. „Lavendel Blau und grüner Rosmar-in, wenn ich König bin, sei meine König-in“, sang sie, ehe Kana Rosemon den Strauß in die Hände drückte. „Wie im dem Mutter-Gans-Reim. Also machen wir uns ans Werk.“ „Und was sollen wir machen?“, fragte eines der Numemon. „Ihr könnt die Blumenkinder sein.“ „Was macht man da?“ „Ihr werft die Blumen durch die Gegend.“ „Klingt witzig. Okay, machen wir.“ Auch Labramon und die PetitMamon jubelten. Und unter den fragend wie überforderten Blicken Rosemons und Wisemons (denen das zudem sehr unangenehm war) sahen sie zu, wie Clockmon, Gladimon und Digitamamon den Kinder halfen, ihre Instrumente nach draußen zu befördern, während die Rookies versuchten, aus dem bisschen Grünzeug, was man gebracht hatte und dem, was sich in der Villa fand (darunter hunderte von Kerzen) eine einigermaßen feierliche Atmosphäre zu schaffen. Fertig wurden sie zur Dämmerung. Renta, als Ältester hatte sich bereit erklärt die Trauung zu leiten, während die anderen Digiritter und Digimon bei ihren Instrumenten standen. Und vor Renta stand Rosemon, mit ihrem Strauß in der Hand und Wisemon. Beide wirkten unbeholfen. „Und... was nun?“, fragte Wisemon, nachdem er fast eine Minute nur Rosemon angeschaut hatte. „Sagt einfach, was ihr fühlt. Und dann frage ich euch, ob ihr wirklich heiraten wollt. Das ist ganz einfach.“ So einfach stellten es sich aber die beiden Digimon nicht vor, zumal sie sich selbst nicht ganz im Klaren waren, wie und was sie fühlten. Also standen sie sich weiter schweigend gegenüber, beobachtet von so vielen Augenpaaren, die warteten dass sich etwas tat. Es dauerte etwas, bis Wisemon sich räusperte, sehr leise, dann immer lauter werdend, jedes Mal wenn er anfangen wollte, aber die Anfangsworte nicht fand. „Rosemon, ich -“ „Es ist gut, Wisemon.“ Wisemon schwieg sofort und im ersten Augenblick erschrak er durch Rosemons Aussprache. Sie klang so fremd und bekümmert. Sie klang nicht wie jemand, der glücklich war und gerade die Mädchen, die sich eigentlich darauf gefreuten, dass Rosemon endlich sich Wisemon öffnete, bekam Angst dass ihre Tante Rhody einen Rückzieher machte. Rosemon holte tief Luft und erstickte beinah an dem intensiven Lavendelgeruch. „Du hast mir in all der Zeit oft genug beteuert, wie sehr du mich verehrst. So oft, dass es allen schon fast zum Halse heraushing. Du warst nicht das erste Digimon, dass mich mit Komplimenten überhäufte und ewige Treue schwor. Aber du warst das erste Digimon, dessen Worte so aufrichtig klangen. Naiv und irgendwie infantil, aber ehrlich. Als ich sah, wie du dich für noch so jeden krummen Grashalm begeistern konntest, dachte ich, dass du verrückt sein musstest.“ Rentas Lippen wurden schmal, Kotemon, der neben ihm stand blickte nervös hin und her. Auch wenn er als Digimon keine Ahnung von so einer Zeremonie hatte, sagte etwas in ihm (nicht zuletzt Rentas Mimik) dass das nicht unbedingt das war, war man sich in so einer Situation sagen sollte. „Aber gerade dieses Verrückte mochte ich an dir. So vieles was du tust oder sagst ist absolut unsinnig und irrational. Die Welt deiner Gedanken erschließt sich mir kaum“, sprach Rosemon weiter, ihre Stimme klang schwer und auch zittrig. Und plötzlich, als sie ihr gesenktes Gesicht wieder hob und Tränen über ihre Wangen liefen, war zu erkennen, dass es keine Angst war die Rosemon so einnahm. „Aber es ist diese Welt, die mich mitreißt und zu dir zieht. Es existiert eine Anziehungskraft, die ich nicht beschreiben kann. Ich möchte jeden Tag von deinen verrückten Dingen sehen. Und wenn das diese Liebe ist, von der die Kinder immer in ihren Märchen berichten, dann bin ich froh, dass du es bist, in den ich mich verliebt habe.“ Wisemon schaffte es nicht mehr irgendetwas hinzufügen, da warf sich Rosemon ihm schon um den Hals. Ihren kleinen Strauß aus Lavendel und Rosmarin warf sie über die Schultern, ziemlich weit sogar und er landete direkt auf Tsukaimons Stirn. Er schüttelte sich, damit die Blüten, die in seinem kurzen Fell hingen abfielen und nachdem er sich wunderte, warum gerade Kana und Touko ihn so vielsagend ansahen, warf er den Strauß zu den beiden PetitMamon, die sich drüber freuten. Rosemon und Wisemon, weiter in den Armen des anderen hatten die Welt um sicher herum vergessen. Und je länger und öfter Wisemon beteuerte, ewig an der Seite seiner Roten Königin zu bleiben und Renta schließlich noch ein leises „Ich erklär euch zu... Gatte und Gattin“ von sich hinmurmelte, da er nicht mehr glaubte, dass die beiden noch etwas mitbekamen, lag nun auch das Auge der Digiwelt auf ihnen. Jede gefühlte Emotion, jede Regung und jede körperliche Reaktion wurde aufgenommen und analysiert. Ein komplexer Prozess der digitalen Natur, der sich erst bemerkbar machte, als jene neugewonnen Daten, die die Digiwelt durch die beiden gewann, sich zumindest in einem gewissen Rahmen ausbreitete. Die Erkenntnis was Liebe war gelang in die Köpfe aller Zeugen. Daten, die in die nächsten Generationen mit einfließen würden. Im Moment musste diese Generation aber noch diese neuen Erkenntnisse verarbeiten. Hisaki erschrak, als er Tsukaimon mit Tränen in den Augen sah. „Tsukaimon, weinst du?“ „Gar nicht! Das ist der Lavendel, der riecht streng!“, schrie er auf. Tsukaimon drehte sich um, aber Hisaki sah trotzdem, dass er versuchte die Tränen wegzuwischen. „Aber es rührt dich?“, fragte Hisaki nochmal vorsichtig und zu seiner Überraschung nickte Tsukaimon. „Ich freue mich für die beiden. Aber ich verstehe nicht, wieso mir dann die Tränen kommen.“ „Nennt man Freudentränen. Sieh dir Tante Rhody an. Sie weint, weil sie glücklich ist.“ „Weinen hat nichts allein mit Trauer zu tun. Tränen sind auch nur der oberste Maßstab dessen, wie stark und tief die Gefühle sind“, warf Kouta ein, der neben Hisaki stand. Er hielt Dracmon im Arm, dieser lehnte seinen Gesicht gegen dessen Brust. Als Dracmon und Tsukaimon sich ansahen, merkten beide dass der jeweils andere auch zu gerührt von dieser Szene war, um den Tränenfluss standzuhalten. Erst überlegten sie, ob es ihnen peinlich sein müsste, realisierten aber im selben Augenblick, dass auch Floramon zum Taschentuch griff, dass Kana ihr gab, Candlemon versucht sein Gesicht mit den Flammen in seinen Händen zu trocknen und Betamon, Dorumon und Koemon ließen dem allen ihren freien Lauf und hier und da hörte man ein Schniefen. Erleichtert sahen sie sich wieder das glücklich Paar an, wie sie sich in den Armen hielten, so fest, dass sie fast das Gleichgewicht verloren und aus dem Versuch es wieder zu finden waren sie nahtlos zum Tanzen übergegangen. Labramon sprang um sie herum, Jubel, hier und da fingen Digimon an sich mitzubewegen. „Schnell Leute, wir müssen spielen. Womit fangen wir an?“, rief Soichiro in die Runde. „Können wir mit dem Blumenwalzer anfangen?“, schlug Touko vor. „Etwas ruhiges zum Einstieg wäre nicht verkehrt.“ „Gute Idee eigentlich“, entgegnete Hisaki, war aber mehr damit beschäftigt, die Noten dafür in seinem Buch zu finden, Kouta und Renta sahen ihm dabei über die Schultern. „Und was haltet ihr vom Liebestraum?“ „Oh, ja. Und von Shostakovichs Walzer?“ Touko, Renta und Hisaki nickten Kouta zu. Die Bläser unter ihnen hatten bereits begonnen den Blumenwalzer zu spielen, der Rest von ihnen würde erst ab der Hälfte nach und nach einsteigen. Keiner wusste mehr, wann er eingeschlafen war. Der Trubel ging die ganze Nacht und Hisaki kam selbst kurz vor Sonnenaufgang zu sich. Es war noch dunkel, aber am Horizont zeichneten sich bereits die ersten weißgoldenen Sonnenstrahlen ab. Rosemon und Wisemon tanzten, oder vielmehr bewegten sie sich langsam, Arm in Arm im Kreis, der Rest war kaputt und schlief im Gras. Die anderen Kinder und ihre Partner schliefen alle noch. Auch Tsukaimon. Hisaki wusste nicht, was ihn plötzlich so sentimental werden ließ, aber als er Tsukaimon ansah wie er friedlich schlief, begann er sei Digimon an sich zu drücken. Hisaki schloss die Augen und döste noch etwas vor sich hin. Der Diensttag war zu Ende. In ein paar Stunden würden sie in den Krieg ziehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)