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Wintersonett

Which dreamed it?
von

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Konzert X - LOOKING GLASSES, 3. Satz, Grave morendo A-Moll


 

𝄢

 

„Ach, wie lästig“, schnaubte Babamon in die klare Ferne blickend. Die Helligkeit und die satten Farben waren ungewohnt, wenn diese auch der Digiwelt viel mehr schmeichelten. Sie wirkte sorglos. Keine Spur der Bürgerkriege.

Nun war es zwar alles etwas chaotisch, aber ohne diese Obrigkeit unter den Digimon, die vehement versuchte alles unter Kontrolle zu bringen schien die Digiwelt endlich die Zeit zu finden zu heilen. Wenn da nicht die Meister der Dunkelheit wären. Sie waren wenn nicht sogar die größten Schädlinge. Die Souveränen haben sie fürs Erste in die Flucht geschlagen. Sie werden sich von diesem Rückschlag erst einmal erholen müssen. Aber früher oder später würden sie wieder auf der Bildfläche erscheinen. Außerdem besaßen diese Digimon noch ihre Gefolgsleute. Die unzufriedenen kleinen Gruppen aus verschiedenen Meeres- und dämonischen Digimon verschmolzen zu Armeen, die ihren jeweiligen Landherr treu waren und alle die großen Töne, die die Meister der Dunkelheit von sich gaben glaubten. Die Digimon in den Wäldern fürchteten sich und Maschinen-Digimon folgten lediglich immer der Maschine mit der größten Kapazität.  

Ihnen war allen klar, auch den Souveränen selbst, dass sie gegen diese Macht, die die Meister der Dunkelheit in sich trugen, der Zorn und den Wahnsinn nicht allein beseitigen konnten. Sie brauchten Hilfe. Sie brauchten Verstärkung, ein Mittel der Wonne, wie Babamon sagte, die sich um die Wurzel des Übels unter der Sonne kümmerte. Wo war aber diese Wurzel? Etwa hinter der Feuerwand?

Missmutig schaute Babamon weiter drein, während Jijimon durch sein Fernglas die Petermon mit den Tinkermon beobachtete, die sich unerlaubt im Ewigen Wald herumtrieben und wenn Babamon etwas nicht leiden konnte, dann ungebetene Gäste, die Krach machten.

„Die Kriege hatten immerhin einen Vorteil – solche Digimon hatten wichtigere Dinge, um die sie sich kümmern mussten, statt aus Langeweile Unfug zu treiben und Unruhe zu stiften“, schimpfte Babamon und hatte ihren willkommenen Gast dabei fast vergessen. Baihumon kam neben Azulongmon am häufigsten zu ihren Zieheltern. Denn wie Eltern sich stets um ihre Kinder sorgten (seien es die eigenen oder adoptiert), machten sich auch irgendwann Kinder um ihre älter werdenden Eltern Gedanken. Und Jijimon und Babamon waren nun einmal schon lange nicht mehr so wie zu der Zeit, als sie die Souveränen als Baby-Digimon aufnahmen. Ihr heimlicher Aktivismus ließ sie rasend altern und schwächer werden.

Von Azulongmon war dieses Verhalten nicht überraschend, für Baihumon war es ungewohnt. Bearmon war immer ein Wildfang gewesen und trieb, zu Daigos Leidwesen oft Unfug, meinte es aber nie böse. Dass Baihumon nicht über Daigo sprach wunderte Babamon. Keiner der Souveränen tat das.

Die Kinder waren wieder in ihre Welt zurückgekehrt. Sie haben den Schleier der Dunkelheit vertrieben und das Ende der Welt verhindert und die Meister der Dunkelheit stark geschwächt, doch ihr Licht, dass sie dabei freisetzten nahm ihren Digivice und ihren Wappen die Kraft. Ihre Digivice waren Schrott, die Wappen zerstört. Die Kinder hierzulassen zu riskant. Man schickte sie wieder in die Reale Welt, ehe sich die Barrieren zwischen den Welten wieder stabilisierten. Ob sie je wieder in die Digiwelt fanden? Fraglich. Durch das Tor vielleicht, wenn die Sterne richtig standen und man das Tor ohne Bedenken öffnen konnte. Aber würden sie das wollen, nun, da der sinnlose Krieg der Digiwelt gegen sich selbst wieder ein Opfer gefordert hatte?

Jijimon schaute zu der Bergspitze hoch und winkte. Unimon kamen hinab geflogen und steuerten auf die Petermon und Tinkermon zu. Diese maulten und kriechen, aber ließen sich vertreiben.

„Und du? Hast du nichts zu erzählen, jetzt wo du uns kontrolliert hast?“, fragte Babamon Baihumon, der ruhig neben ihr stand.

„Ich kontrolliere euch nicht.“

„Heilige Digimon lieben Kontrolle“, sagte Jijimon und strich sich über seinen Bart. „Ich glaube dir aber, wenn du sagst, dass du es nicht deines Vorteils Willen, sondern nur aus Nächstenliebe tust.“

„Danke, Jijimon, dass du meine Geste anerkennst“, sagte Baihumon ehrfürchtig, für Babamon klang das immer noch fremd.

„Und um was sorgst du dich, Gänslein?“

„Um vieles.“

In erster Linie um Daigo, darauf hätte Babamon gewettet. Doch Baihumon versuchte zumindest sich nicht von der Trauer auffressen zu lassen und das Loch, dass Tapirmons Tod schon verursachte nicht größer werden zu lassen. Ihr armes Gänslein. Arme Maki, die Babamon bei ihrem Abschied nicht loslassen wollte.

Doch Babamon hatte der Abschied nicht so zerrissen. Vielleicht weil es diesmal einen Abschied gab. Ihre ersten Gänschen, ihnen konnte sie kein Lebwohl wünschen und sie nicht noch einmal umarmen. Diese Kinder und diese Digimon waren kein Ersatz für ihre erste Gänseschar. Sie waren anders. Alles war anders. Und wenn Babamon Baihumon so sah und ihn mit seinen metaphorisch gesehen älteren Geschwistern verglich, lagen Welten zwischen ihnen. Die Souveränen versuchten weiter zu machen, ohne ihre Partner klarzukommen und Babamon fragte sich, ob sie die Souveränen schlicht besser, schlechter oder eben auch einfach anders erzogen hatte. Das Verhältnis zu ihren Partner war auch ein anderes. Die fünf hatten als Baby- und Ausbildungs-Digimon unter Digimon gelebt. Dann, kurz bevor sie Rookies wurden, kamen ihre Partner und wurden ihnen übergeben.

Jijimon hatte andere Theorien. Die Digiwelt war immerhin auch eine andere. Die Typus- oder Rassen-Kriege waren ein Kampf um einen imaginären Thron, den die Souveränen fürs erste für sich entschieden. Die ständigen Bürgerkriege, die viele schreckliche und dunkle Digitationen ans Licht gebrachte waren chaotisch, angetrieben von Unzufriedenheit. Sie waren nicht so politisch, nicht so strukturiert, nicht so voller Arroganz und Ignoranz. Es war nicht die Apartheid und Jijimon und Babamon waren froh darum. Es reichte, dass sie den Souveränen von klein auf erklärten, dass es einst die Apartheid gab und etwas wie Rassismus noch immer existierte, wo man aber zwischen belanglos und gefährlich gut unterscheiden musste. Sie haben davon gehört. Sie haben gelernt. Sie haben es nicht erleben müssen.

„Und natürlich um euch beide. Ihr habt euch gut um uns gekümmert. Ihr seid ein Wegweiser für uns und um so mehr sehe ich es auch als Pflicht, mich um euch zu sorgen. Auch eure Kräfte neigen sich dem Ende.“

„Willst du sagen, ich wäre alt?“, schimpfte Babamon mit krächzender Stimme. Baihumon blieb auf seinem Platz, unbeweglich wie eine Statue, nur seine Ohren legten sich etwas zurück. Tadelnd hob Babamon ihren Besen.

„Ich altes Ding habe euch gefüttert, ins Bett gebracht und wir haben euch alles beigebracht, was wir wussten, trotz dass wir klapprig und alt sind. Und auch, dass ihr ehren sollt, was Generationen vor euch erbaut und erforscht haben. Selbst der unnützeste Krieg bringt Erfahrung. Souveränen oder nicht, ihr seid immer noch Gänslein! Und selbst wenn du eine Fusion aus gefallenen Engel oder Dämonenkönig wärst, hast du gefälligst auf mich zu hören!“

„Natürlich... Mutter Gans“, sagte Baihumon nüchtern. „Ich weiß deine Fürsorge und dein Wissen zu schätzen. Doch als ein Digimon wie ich es nun bin ist es doch sicherlich erlaubt zu fragen und die Sorge zu äußern, was mit diesen Wissen irgendwann geschieht.“

„Was meinst du?“,harkte Jijimon nach.

„Ich meinte, wir sind diese Generation. Doch was ist mit euch? Wer ist eure nächste Generation, wenn euch etwas zustößt?“

„Ist dein Glas immer halbleer? Selbst Daigo war nicht so vorsintflutlich“, bemerkte Babamon und sie schien lachen zu wollen, schluckte ihr Gelächter aber runter, als sie die Ernsthaftigkeit in Baihumons Gesicht sah.

„Ich weiß, ihr beide seid mächtig und lebt schon so lange. Doch ich habe viel gesehen in den Bürgerkriegen. Manchmal wurde an einem Tag in einer Region drei neue Könige ernannt, weil sofort nach der Krönung alle auf ihn losgingen. Nichts hält ewig. Und das Ende kommt nie wie geplant. Wer kümmert sich um dies hier, solltet ihr beide irgendwann sterben?“

„Ich sterbe nicht. Noch nicht“, zischte Babamon. Jijimon sah durch seine langen Haare, wie Babamons Finger krampften.

„Was heißt noch nicht, Mutter Gans?“

„Heißt, Ich-sterbe-ganz-gewiss-nicht. Es gibt eine Sache, die ich wissen muss, ehe ich abtrete. Und ich bin überzeugt, darauf nie eine Antwort zu kriegen“, sagte Babamon traurig, aber doch lachte sie dabei.

„Und wenn doch? Wenn du dich doch irgendwann entscheidest zu gehen? Jeder von uns würde es respektieren.“

„Hör auf so schwarz zu sehen. Darüber kann man sich Gedanken machen, wenn es so weit ist. Oder wer soll nach euch schauen? Ihr seid zwar Mega-Level und doch manchmal solche Kinder mit eurer Leichtfertigkeit. Gift, in einer dunklen Welt wie dieser, die mehr krank wie alles andere zu sein scheint.“

„Wir haben nur großes Vertrauen in die Digiwelt. Wir müssen ihr diese Chance geben. Wenn nicht, braucht es auch niemanden zu wundern, wenn sie sich zum schlechten wandelt. Ihr sagtet, Träume seien wichtig und Daigo hat mich immer wieder daran erinnert, selbst als Tapirmon starb. Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet ihr weder Vertrauen noch Träume zu haben scheint.“

Babamon unterdrückte das, was sie sagen wollte, Jijimon dachte es einfach und hoffte, dass seine Gattin sich am Riemen riss. Das Vertrauen in die Digiwelt hatte sie an dem Tag verloren, als ihre ersten Gänslein verschwanden und nie mehr auftauchten. Wenn nicht gar früher schon.

„Ich glaube, du solltest gehen. Ein Sturm zieht auf“, sagte Jijimon. Er hatte nicht unrecht, denn es zogen dunkle Wolken auf und man sah den Regenschauer bereits näher kommen. Hinter Jijimon stand ein großer Weidenkorb. Der Inhalt war mit einem Küchentuch abgedeckt, aber dem Geruch nach waren es Fleischtaschen.

„Große, heilige Kämpfer vergessen oft anständig zu essen, also haben wir euer Lieblingsessen gemacht. Nimm sie mit und teilt sie. Es sind genug für euch alle fünf da.“

„Fünf?“

„Na ja, du weißt... -“, begann Jijimon und sah in Baihumons fragendes Gesicht, „ - falls Tapirmon doch den Weg zurück finden sollte.“

Sie schwiegen. Baihumon ging nicht auf den Hauch von Traurigkeit ein, das würde Babamon auch nicht wollen. Sie plädierte zwar darauf Gefühlen ihren Lauf zu lassen, selbst aber konnte sie kaum zu ihren stehen. Man konnte es zurecht Doppelmoral nennen, aber ihre Findelkinder haben verstanden, dass dies ihr Selbstschutz war. Das und die Demenz, die durch ihre Daten wucherte.

„Aber bitte, Babamon. Denk darüber nach, was ich gesagt habe. Ihr seid alt, dass ist eine Tatsache und irgendwann muss das Alte seinen Platz für etwas neues und frisches räumen. Aber keiner von uns möchte in die Situation kommen euren Nachfolger zu wählen. Wenn, dann sollt ihr selbst wählen“, sprach Baihumon, nahm den Henkel des Korbes in sein Maul und mit einem letzten sorgenvollen Blick sprang er mit großen Sätzen über die Schluchten hinweg. Es dauerte keine Minute, bis Baihumon nicht mehr zu sehen war.

„Sie sind sehr reif geworden, findest du nicht, werte Gattin?“

„Es sind trotzdem Grünschnäbel, denen ich nicht einmal eine Porzellankanne anvertrauen würde“, meinte Babamon launisch. „Über eine aus Holz aber ließe sich reden.“

„Aber er hat Recht, Babamon. Wenn das Unverhoffte passiert? Wenn die Meister der Dunkelheit von uns erfahren und von dem allen hier? Denkt du, wir haben gegen sie eine Chance, gerade mit so vielen Kindern im Rücken?“

Die beiden sahen den Weg runter. Ihre Findlinge plantschten in einem der Teiche zwischen ein paar Unimon, die etwas tranken.

„Dann soll Gennai sich darum kümmern. Soll er bei irgendeinem anderen Digimon an der Tür klopfen. Der Mann im Mond hat uns auch einfach in alles reingezogen, ohne zu fragen und wir hatten auch niemanden, der uns alles erklärt hat.“

„Du möchtest also unser zu Hause, unsere Schriften und alles, was wir hier aufgebaut haben einem wildfremden Digimon überlassen, ohne vorher zu prüfen ob es auch gewissenhaft damit umgehen kann?“

Babamons Lippen wurden schmal. Ihr Gatte hatte Recht, aber das konnte sie nicht gestehen. Sie konnte das hier nicht einfach jemanden anders geben und schon gar nicht einfach sterben. Nicht bis ihre Gänslein wiederkamen. Nicht, bis sie nicht wusste, was mit ihnen geschehen war. Sie flog, wenn sie einen ihrer guten, klaren Tage hatte zu ihrer alten Villa, die sich auf File Island befand und nur noch ein Trümmerhaufen war, um zu sehen, ob eines ihrer Gänslein dort aufgetaucht sei. Erfolglos.

„Kinder, kommt, es gibt gleich ein Unwetter!“, rief Jijimon zu den Baby- und Ausbildungs-Digimon runter. Babamon erschrak kurz über den Ruf und die plötzliche Dunkelheit, als die dicken Wolken die untergehende Sonne bedeckten, so tief war sie in Gedanken.

„Kommst du, Babamon?“

„Natürlich doch.“

Als Babamon sich aber in Bewegung setzte, spürte sie einen Stich in ihrer Brust. Kein schmerzlicher, eher als hätte sie jemand angetippt. Sie hörte etwas, wie ein gedämpfter Schrei. Ein vertrautes Phänomen. Ein Digimon war irgendwo hier verloren gegangen und weil es keine Kraft mehr hatte zu schreien, rief dessen Geist um Hilfe.

„Ist etwas?“, fragte Jijimon und Babamon wunderte sich, warum er es nicht hörte. Sonst hörte er verletzte und verängstigte Digimon im Wald oder auf dem Berg eher wie sie. Etwas war faul an der Sache.

„Ich, ähm...“, fing Babamon an, brachte aber kein Wort raus. Etwas an dieser Situation machte sie nervös. Ihre Schützlinge waren bereits bei ihnen angekommen und standen um das alte Digimon-Ehepaar herum und schauten ebenso gespannt, was Babamon hatte.

„Babamon. Komm, der Sturm ist gleich da“, jammerte Yokomon, aber Babamon schaute weiter hinunter, während der gedämpfte Ruf in ihrem Kopf hallte. Dann sprang sie unerwartet auf ihren Besen, der sich mit ihr sogleich in die Lüfte erhob.

„Geht vor, ich bin gleich wieder da!“, rief sie. Jijimon hielt sie nicht davon ab und schaute fast ausdruckslos hinterher. Babamon flog nicht weit vom Berg fort und verschwand schnell unter das Geäst, ehe es zu regnen begann. Kaum, dass sie vom Besen stieg fielen erste Tropfen ins Gras und in Babamons Haare. Die Bäume standen zwar dicht beieinander, schützen aber nicht ausreichend vor dem Schauer.

Babamon, in wenigen Sekunden klitschnass lief erst durch einen Busch und den Weg entlang in eine überaus dunkle Ecke des Waldes. Über ihr und den Bäumen grollte Donner, einen Blitz sah sie aber nicht. Der Regen wurde stärker und das Gras unter Babamon wurde immer mehr zu einem nassen, grünen Teppich. Sie hörte oder vielmehr spürte den Schrei noch, sah aber niemanden. Vermutlich ein kleines oder sehr junges Digimon, dass sich verkroch. Nun musste sie also auch noch suchen.

Babamon schaute unter Hecken und größere Grasbüschel, tippte Steine und Moos an, im Glauben es wären getarnte Digimon.

„Das gibt es doch nicht. Verdammt, Baihumon hatte Recht. Ich bin alt“, schimpfte Babamon, dann wurde der Schrei noch einmal ganz laut in ihrem Kopf, dass sie sogar diesmal sagen konnte, von wo genau er kam. Zu Babamons Linken stand ein Baum mit einem großen Loch in seinem Stamm und etwas, was Babamon im Augenwinkel für eine Pflanze gehalten hatte schaute aus diesem Loch. Diese Pflanze aber war ein Digimon mit blonden Haaren, einer humanoiden Erscheinung und goldenen Flügeln.

Da lag ein Tinkermon im Baum. Ob sie zu der Gruppe gehörte, die sie verjagt hatten? Dies würde aber bedeuten, dass sie sie einfach hier gelassen hätten. Aber Petermon und Tinkermon lebten mutualistisch, ohne den anderen zu sein hielten diese Digimon kaum aus. Babamon glaubte es einerseits nicht, dass ein Petermon sein Tinkermon zurücklassen würde. Anderseits – die Digiwelt war grausam und besaß offenkundig einen sadistischen Humor.

Wieso musste ausgerechnet ein Tinkermon ihren Weg kreuzen? Hatte es deswegen nur sie gehört?

Babamon schnaufte und je länger sie das Feen-Digimon ansah, so unsicherer wurde sie darüber, ob Tinkermon schlief oder ihr Bewusstsein verloren hatte. Verletzt sah sie nicht aus. Aber erschöpft.

Babamon dachte sich nichts dabei, als sie ihren Rosenkranz abnahm und die Hand, in der die große, rosa Kugel lag Tinkermon entgegnen hielt. Mehr dass sie anfing ein wenig zu leuchten, während Babamon unverständliche Worte sprach geschah nicht, aber es brauchte nicht viel, um diesem Digimon genug Kraft zu geben, dass sie es zumindest schaffte ihre Augen wieder zu öffnen. Tinkermon stöhnte und fing erst an sich wieder etwas aufzurichten, ehe sie sich bemühte die Augen ganz zu öffnen.

„Was machst du hier?“, fragte Babamon schließlich, nachdem sie Tinkermon etwas Zeit gab sich zu sammeln. Sie hatte bis dato Babamon nicht einmal bemerkt, sondern sah sich die Stelle an, auf der sie gelegen hatte und sie schien überlegen zu müssen, wo sie eigentlich war. Dann fiel es ihr wieder ein und kurz war sie in Gedanken, bis sie dieses uralte Digimon wahrnahm und starrte.

„Schlechte Ohren wie mir scheint. Also noch einmal - Was treibt ein Digimon wie du ganz alleine hier? Wieso bist du nicht bei deinem Petermon, wo Winzlinge wie du hingehören?“

„Ich... ähm...“

Tinkermon zog die Schultern an. Sie kniete sich hin und versuchte gerade zu sitzen, aber mit den angespannten Schultern wirkte sie jämmerlich. Nichts an ihr deutete darauf hin, dass sie auch nur einen Funken Selbstbewusstsein hatte. Nicht mal auf die Bemerkung bezüglich ihrer Körpergröße zeigte sie eine Reaktion, dabei war dies eine typische Eigenschaft von Tinkermon.

„Ich habe mich einer anderen Gruppe Tinkermon angeschlossen, nachdem ich bei denen davor kein Glück hatte. Sie haben gesagt, ich hier auf sie warten. Aber sie kamen nicht. Und jetzt wo es so regnet, werden sie mich auch nicht holen.“

„Andere Gruppe? Du warst bei mehreren?“, wiederholte Babamon und das Feen-Digimon nickte stumm, ehe sie zu Boden schaute. „Wo warst du vorher? Keine Digimon, mit denen du aufgewachsen bist? Oder hast du die Stadt des Ewigen Anfangs alleine verlassen?“

„Nein. Ich und meine Geschwister haben die Stadt des Ewigen Anfangs zusammen verlassen.“

„Warum bist du nicht bei ihnen?“

Tinkermon steckte ihren Kopf noch tiefer zwischen die Schultern und hielt den Blick weiter nach unten.

Babamons Pony mochte lang sein, aber sie sah trotzdem recht gut und auch gut genug um festzustellen, dass Tinkermon ihren Lippen zusammenpresste und schluckte, ehe sie es schaffte weiter zu reden.

„Wir... ich weiß nicht, wie dieser Ort hieß, aber es war schön dort. Man hat uns Cupimon herzlich empfangen. Meine Geschwister sind alle zu Serums oder Dateien digitiert, nur ich bin so geworden. Und dann haben sie mich weggeschickt. Sie wollten keine Viren in ihrer Heimat. Viren bringen Unglück...“

(Zucht und Ordnung)

Babamons Herz machte einen Sprung. Tinkermon sprach das Wort zwar nicht aus, aber Babamon hatte es gedacht und es brachte ihre Hand, die sich um ihren Besen schloss zum zittern. Apartheid.

All die Jahre hatte sich Babamon für die Digiwelt nicht interessiert. Nicht direkt zumindest. An die Apartheid verschwendete sie keinen Gedanken mehr, schließlich war sie gefallen. Aber Ideologien ließen sich nicht aus den Köpfen verbannen, dass war ihr klar. Babamon war bewusst, dass es dort draußen immer noch war, dass hatte sie den Souveränen schon beigebracht. Streitereien, ein Anecken zwischen den Typen oder mal eine abfällige Bemerkung. Der Rassismus war über die letzten Jahrzehnte sehr verwaschen und die Mehrheit nicht mehr wie Geplänkel, dass man ignorieren sollte. Aber einige Ecken der Digiwelt blieben schrecklich konservativ und abergläubisch. Reste dieses Denkens gab es immer noch. Genauso wie Opfer.

„Ist das Ihr Wald?“, fragte Tinkermon schüchtern und zum ersten Mal sah sie Babamon richtig an. Selbst vor ihr, einem alten Digimon, dass zwar komisch, aber nicht unbedingt gefährlich aussah schien sie Angst zu haben.

„Kann man so sagen. Ich und mein Gatte leben auf der Spitze des Berges. Und in der Regel missfallen uns unerwünschte Besucher.“

„Oh, das tut mir Leid. Das wusste ich nicht.“

„Kannst du ja auch nicht, weil das niemand weiß. Also lass die Entschuldigungen, so klingen sie nur wie Heuchelei.“

Etwas verwirrt und auch etwas vor den Kopf gestoßen sagte Tinkermon nichts mehr. Man konnte ihr ansehen, dass sie sich wieder entschuldigen wollte, unterließ es und schaute noch beschämter drein. Babamon schnaufte, nicht wissend, ob sie diesen Anblick bemitleidend oder als nervig empfinden sollte.

„D-dürfte ich Sie dennoch um einen Gefallen bitten?“, fragte Tinkermon und ihre Stimme wurde dabei sehr hoch. „Wenn Sie mir erlauben hierbleiben zu können bis der Regen vorbei ist, wäre dies sehr freundlich. Dann werde ich auch verschwinden. Ihr werdet mich nicht mehr zu Gesicht bekommen.“

Tinkermon legte ihren Kopf auf den angezogenen Knien ab, die Flügel lagen eng am Körper. Sie spitzte noch die Ohren, als sie hörte, dass Babamon sich umdrehte und bereit war zu gehen, überhörte aber, wie sie nach einigen Schritten stehen blieb.

Babamon musste ihr nicht ins Gesicht sehen, um zu wissen, dass dieses Digimon am liebsten losgeheult hätte. Vielleicht schämte sie sich davor.

Wieder ein Tinkermon, dass von denen, die sie Familie nannte verstoßen wurde. Die Digiwelt hatte wirklich einen kranken Humor. Oder sie lernte wirklich nicht daraus.

Nur hatte dieses Tinkermon nicht das Potenzial, irgendwann einmal zu einer herrischen Königin zu werden wie Rosemon. Dieses Tinkermon war viel zu empfindlich und zu schwach. Ein Taugenichts, hätte ihre Schwester gesagt. Nicht geeignet für Politik oder den Kampf.

Genau das, was man früher auch zu ihr sagte, als Babamon noch Tinkermon war.

Der Regen wurde stärker und der Wind laut. Sein eigenes Wort hätte man nicht einmal verstehen können, trotzdem vernahm Babamon das leise Schluchzen dieses Digimon.

Sie sollte weiter gehen, ehe sie noch sentimental wurde. Das tat dem ohnehin langsamen Kopf nicht gut.

Im Augenwinkel beobachtete Tinkermon, wie Babamon zwischen den Büschen verschwand. Sie rieb sich über die Schultern. Ihr ganzer Körper war kalt.

Der Wind drehte sich und Regen kam Tinkermon entgegen, also ging sie tiefer in der Loch, wo sie zumindest weniger abbekam und legte sich auf den Boden, Arme und Beine eng aneinander. Sie würde die Zeit, bis der Regen aufhörte schon irgendwie ausharren. Danach würde sie darüber nachdenken, wohin sie gehen sollte. Doch diese Optionen wurden immer weniger und dort, wo sie bereits war hatte sie schließlich kein Glück gehabt. Vielleicht gehörte sie auch einfach nirgendwo hin.

Tinkermon hatte Probleme einzuschlafen, was einerseits an der Geräuschkulisse und an der Temperaturen lag. Und dann, gerade als sie ein wenig eingedöste wurde sie gepackt und aus dem Baum gezogen. Sie konnte sich nicht einmal Gedanken darüber machen welches Digimon sie herauszog und ob es sie hinauswarf, weil es den Unterschlupf für sich oder sie fressen wollte, denn da sah sie wieder Babamon.

„S-Sie?“

„Sieze mich nicht! Das macht mich älter, wie ich bin“, schimpfte Babamon mit ihr. Verdutzt schwieg sie und wehrte sich auch nicht besonders, obwohl Babamon sie wirklich grob festhielt. Genauso grob stopfte Babamon sie schließlich in den Kragen ihrer Robe.

„Halt dich gut fest, Kindchen. Das wird ein holpriger Flug“, ermahnte sie noch, aber ehe Tinkermon nachhaken konnte flog Babamon los. Sie flog nicht einmal besonders vorsichtig. Der Wind war stark, besonders um die Berge herum. Einige Male glaubte Tinkermon, der Wind würde Babamon von ihrem Besen werfen. Der Regen hatte eine enorme Kraft entwickelt und klatschte ihnen regelrecht ins Gesicht.

Babamon machte es weniger aus und war ohnehin zu beschäftigte damit, sich zu orientieren. Aber sie spürte hin und wieder, wie Tinkermon den Griff an ihrem Kragen fester spannte.

„So, Kindchen, das wird jetzt noch einmal etwas holprig. Gut festhalten!“, rief Babamon, kaum hörbar durch den Krach, den der Sturm verursachte. Sie raste hinab, dorthin wo sie glaubte, dass da irgendwo das Schloss sein müsste. Steil sauste sie hinunter, fixierte dabei irgend einen Punkt in der Dunkelheit und gerade als Babamon feststellte, dass dieser Punkt das Schlüsselloch des Eingangstores war, ging dieses auf. Was folgte war ein harter Wechsel von nassen, stürmischen Schwarz in einem gemütliches Orange. Babamon rutschte über den Boden und hatte Mühen zu bremsen, schaffte es aber gerade so noch, ehe sie gegen die Treppe geflogen wäre. Kaum dass sie zum Stillstand kam, richtete sie ihren Dutt und drehte sich zu Jijimon, der das Tor wieder schloss, beobachtet von zirka einer handvoll Ausbildungs- und Baby-Digimon, die noch nicht schliefen, weil sie auf Babamon warten wollten.

„Du wirst jeden Tag langsamer. Ich dachte für einen Moment, ich krache gegen die Türe.“

„Entschuldige, das Füttern hat länger gedauert“, sagte Jijimon ganz ruhig. Ein Koromon, dass einen Satz Handtücher auf seinem Kopf trug sprang zu Babamon.

„Hier, Babamon.“

„Danke sehr, Liebes.“

Babamon nahm eins an sich und warf es sich einmal über die nassen Haare. Dann griff sie noch nach einem zweiten und packte dabei Tinkermon an ihren Flügeln, um sie aus dem Kragen zu ziehen und ins das Handtuch fallen zu lassen. Gerade als Tinkermon eine Ecke des Handtuchs um sich legte, kam Jijimon mit den anderen Findlingen näher, dabei schrak sie auf.

„Ist sie der Grund, warum du noch einmal raus bist, werte Gattin?“, fragte Jijimon und kam noch näher, bis Tinkermon zu zittern anfing.

„Ja, und wie du siehst fehlt ihr nicht nur Fleisch um die Knochen, sondern auch der Mumm.“

„Also schätze ich, bekommt sie das übliche Menü?“, fragte Jijimon. Als Babamon zustimmend nickte, hoben sich Tinkermons Augenbrauen fragend.

„Du bekommst die Vier-Jahreszeiten-Suppen-Kur, damit aus dir überhaupt etwas wird. Das ist gesund und gibt Kraft und die wirst du hier brauchen. Den ersten Tag gibt es nur Gemüsesuppe für sich, dann einen Eintopf mit Fleischbeilage, dann passierte Rüben und am letzten Tag eine Kohlsuppe. Wobei...“

Nachdenklich ließ Babamon ihre Hand locker und mit Tinkermon darin hob sie sie etwas an und ließ sie auch wieder sinken.

„Vergiss was ich gesagt habe. Jijimon, wirf alles zusammen und mach einen anständigen Eintopf. Dieses Fliegengewicht kann es verkraften“, meinte Babamon nun und während ihr Gatte nickte, sah Tinkermon zu den kleineren Digimon, die die Gesichter bei dieser Nachricht verzogen. Nun, da sie einen guten Blick auf diese Gruppe hatte fiel ihr etwas auf: 

Babamon und Jijimon waren Datei-Typen, aber unter diesen Digimon waren Koromon, Pagumon, Zurumon, Yokomon, Mokumon und DemiMeramon. Es war verwirrend und befremdend für Tinkermon. Sie kannte alle diese Digimon, aber von dort, wo sie herkam mieden sich diese Digimon weitgehend und wenn sie mal aufeinandertrafen endete es immer in Streit und Kämpfen. Aus irgendeinem Grund kam Tinkermon der Gedanken in den Sinn, dass diese Digimon vielleicht Gefangene waren. Immerhin waren Babamon und Jijimon Mega-Digimon. Sie bibberte.

„Kindchen, wieso bibberst du wieder?“, fragte Babamon sie, wenn es auch mehr wie Schimpfe klang. „Du landest nicht im Eintopf, also hast du auch keinen Grund. Kinder, ich erlaube euch länger wach zu bleiben. Bringt Tinkermon ins Lesezimmer, bis ich komme.“

Die Ausbildungs- und Baby-Digimon freuten sich. Babamon warf Tinkermon sachte in die Luft. Sie blieb etwas unbeholfen in der Luft schweben, bis DemiMeramon sie lächelnd dazu aufforderte, ihnen allen zu folgen und dicht bei ihnen zu bleiben, sonst verliefe sie sich.

Jijimon Babamon folgten erst gut eine Stunde später. Die Digimon saßen im Kreis, sie lachten, aber keiner von beiden hatte mitbekommen über was. Tinkermon saß zwischen Yokomon und Koromon und war sichtlich mit der Situation überfordert. Babamon forderte die Meute auf schlafen zu gehen, es sei spät und gehorsam wie ihre Schützlinge waren, setzten sie sich auch in Bewegung und wünschten den beiden Mega-Digimon eine gute Nacht, während Babamon versprach später noch einmal nach ihnen zu sehen. Immer noch ungläubig sah Tinkermon ihnen nach.

„Komm her und iss endlich was“, forderte Babamon sie auf. Auf einen Tisch hatte sie eine kleine Schüssel mit dem spontan zusammengemischten Eintopf hingestellt und noch eine, vielleicht so groß wie eine Walnussschale, damit Tinkermon aus dieser schöpfen konnte. Vorsichtig sah sie sich die Brühe an, in dem diverse Gemüse und Kohlsorten schwammen, aber allein weil Jijimon und Babamon ihr gespannt gegenüber saßen würde es nicht wagen es abzulehnen. Also begann sie langsam zu essen. Die vielen verschiedenen Zutaten hatten sich nicht zwingend positiv auf das Essen ausgewirkt. Es wurde durchgehend geschwiegen, während Tinkermon aß und auch wenn es etwas Mühe kostete, hatte sie die Schüssel leer bekommen. Der Hunger war letzten Endes doch größer.

„Satt?“, fragte Jijimon und genauso knapp antwortete Tinkermon mit einem Nicken. „Schön. Gute Ernährung ist wichtig. Und, werte Gattin, was nun?“

„Tja, das frage ich mich auch. Ich weiß nicht, was man mit ihr machen könnte. Du weißt, für gewöhnlich nehme ich keine Rookies hier auf.“

Babamon verzog die Lippen, während sie angestrengt nachdachte. Jijimon hob verwundert die Augenbrauen. Dass der erste Gedanke seiner grumligen Gatten tatsächlich war, dieses Digimon zu behalten war untypisch, aber Jijimon begrüßte es. 

Tinkermon wurde wieder nervös und begann sich zu fragen, was die beiden damit meinten. Aber zumindest hatte sie nicht mehr den Eindruck, dass die anderen Digimon Gefangene wären.

„Aber für gewöhnlich weißt du auch, werte Gattin, das Ausnahmen die Regeln bestätigen.“

„Aber wenn man das öfter macht, wird noch die Regeln zur Ausnahme. Denk deine Gedanken erst weiter, ehe du sprichst.“

„Entschuldige“, seufzte Jijimon, dann widmete er sich wieder dem Feen-Digimon vor ihnen. „Woher kommt sie eigentlich?“

„Wenn ich richtig verstanden habe -“, fing Babamon an und unterbrach damit Tinkermon. „- aus einer der alten Gegenden. Du weißt, da, wo man noch nicht ganz mitbekommen hat, dass die Apartheid längst vorüber ist.“

„Ah. Ich sehe schon. Also bist du von Hause weggejagt worden?“

„Ja, Sir...“, sagte Tinkermon bedrückt. Sie senkte den Kopf und kniete sich auf den Tisch.

„Man wolle keine Virus-Typen in ihrem Land. Man sagte mir ich soll Richtung Osten, dort wären die Digimon etwas... anders. Ich glaube, das Wort hieß liber... liberal?“

„Hier mag man tatsächlich nicht so verklemmt und konservativ sein. Glaub aber nicht, das wäre ein Grund sich keine Mühe zu geben oder sich auf seinem Mitleid auszuruhen. Liberal oder nicht, die Digimon hier haben Probleme, wie anderswo auch. Darum lehre ich die Digimon, die ich großziehe hier auch keine Faulpelze zu sein!“

Babamons Predigt hatte Tinkermon sehr verschreckt. Der harsche Ton war einschüchternd und darauf legte Babamon auch Wert. Was sie aber auch sah war, dass Tinkermon überlegte. Und über was, dass hätte Babamon gerne gewusst.

„Also habe ich das richtig verstanden? Ihr kümmert euch um diese ganzen Digimon?“, fragte Tinkermon interessiert, nicht mehr so schüchtern und die beiden nickten. „Aber warum?“

„Warum nicht?“, antworteten die beiden absolut synchron.

„Wir sind alte Digimon und haben viel gesehen. Viel Gutes und Schreckliches. Wir genießen unsere Ruhe, aber ein Leben ohne Aufgaben und Struktur ist langweilig“, erzählte Jijimon und gähnte just in dem Moment, dann sprach Babamon weiter.

„Die Digimon, die du hier siehst haben alle kein zu Hause mehr. Die Meisten haben es wegen der Meister der Dunkelheit verloren. Bis sie alt genug sind bringen wir ihnen das bei, was sie brauchen.“

„Wir kochen zusammen, wir arbeiten zusammen. Wir lehren ihnen das Kämpfen und Anstand.“

„Also ist das hier eine Schule?“, fragte Tinkermon Babamon weiter und wieder hörte man nichts von ihre anfänglichen Angst.

„Schule wäre das falsche Wort. Wir sind wie eine Familie. In der Familie kümmert man sich eben untereinander und lernt von Älteren.“

„Natürlich arbeiten wir nicht nur. Die Kleinen dürfen genauso spielen wie andere Digimon auch. Und wenn sie brav waren, lesen wir ihnen auch etwas vor.“

„Lesen...?“, wiederholte Tinkermon. Nun klang sie nicht nur interessiert, sondern auch fasziniert.

„Ihr lest?“

„Ja, und wir schreiben sogar“, entgegnete Babamon, zwar deutlich sarkastisch, dies kam bei Tinkermon allerdings nicht wirklich an. Jijimon, der Tinkermons erwachtes Interesse bemerkte, fragte:

„Kannst du denn lesen und schreiben?“

„Ein paar Zeichen kann ich.“

„Also nicht“, warf Babamon ein und Tinkermon ließ den Kopf erst sinken. Überraschenderweise aber hob sie diesen auch schnell wieder.

„Aber meinen Namen kann ich schreiben! Ich habe sogar schon mit Feder und Tinte geschrieben. Und ich kann zählen! Bis einhundert! Und ich kann zuzählen und auch abziehen!“

Wenn das auch wirklich mehr war, wie man von einem durchschnittlichen Rookie erwarten konnte, blieben Jijimon und Babamon doch relativ unbeeindruckt. Was Babamon aber durchaus mehr fesselte war Tinkermons Ausstrahlung, von der sie bisher kaum etwas wahrgenommen hatte. Plötzlich war sie so euphorisch. Sie schien Lesen und Schreiben wirklich zu mögen und so etwas wie Gleichgesinnte vor sich zu haben brachte ihre Augen zum Leuchten, wie Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche.

„Was bringen dir Fähigkeiten wie diese, wenn du sie nicht nutzen kannst?“, entgegnete Babamon und Tinkermon, immer noch so entschlossen konterte. 

„Ich habe nur noch keinen gefunden! Ich finde aber ganz sicher einen Nutzen.“

„Brauchst du das denn? Ist das dein Ziel? Dein Traum?“

„Kannst du denn träumen, Kind?“, fragte Jijimon daraufhin. Tinkermon schaute nachdenklich und Jijimon rechnete damit, dass sie noch gar nicht wusste, was es hieß Träume zu haben. Wenige Digimon verstanden das.

„Ich glaube schon...“

„Gibt es etwas, was du nur in deinen Träumen siehst, du aber in der Realität gerne hättest?“, fragte Jijimon weiter und Tinkermon nickte ganz eifrig.

„Ja... Ich träume, dass ich ein zu Hause habe.“

„Und was ist zu Hause für dich?“

„Ich weiß nicht...“

Jijimon machte einen zufriedenen Eindruck nach den wenigen gewissenhaften und zielstrebigen Worten dieses Digimon. Babamon blieb nachdenklich, aber weniger skeptisch wie vorher. Das gerade ein Tinkermon ihren Weg kreuzte war vielleicht wirklich ein kranker Scherz, der jedoch ihr galt. Nicht zuletzt, weil Babamon auch nicht an Zufälle glaubte. Dann kamen ihr Baihumons Worte wieder in den Sinn.

Wenn sie wirklich irgendwann nicht mehr sein sollte? Sie war alt. Veraltet wollte man schon sagen. Ihre Gänslein kamen um ihrem Schicksal zu folgen, auf dass sie sie vorbereitet hatte. Kämpfer für die Digiwelt und es würden weitere Generationen folgen. Doch wer war ihre nächste Generation?

Nie hatte sich Babamon darüber Gedanken gemacht, bis dieses Tinkermon vor ihr stand. Ein Tinkermon, wie sie eines einst war. Von der Familie weggeschickt, wie sie von ihren Schwestern verlassen wurde. Das tatsächlich an Träume glaubte, wie sie, nachdem sie Wisemon und ihre ersten Gänschen getroffen hatte.

Die Digiwelt hatte wirklich einen absolut kranken Humor. Und dazu absolut plump.

„Weißt du, du scheinst ja ganz gescheit zu sein“, sagte Babamon ganz überrascht. „Einzig was fehlt ist das nötige Rückgrat und Optionen, wohin es dich mit dem, was du kannst verschlägt. Ich kann dir diese Optionen geben, welche du allerdings irgendwann wählst, ist deine Entscheidung. Verstanden?“

Tinkermon nickte. Jijimon machte einen fragenden Eindruck, schien aber einen Verdacht zu haben, was seine Gattin vor hatte, was aber für ihn noch mehr Fragen aufwarf.

„Du kannst hier bleiben, bis dir ein vernünftiges Rückgrat gewachsen ist. Ich kann dir lesen und schreiben beibringen. Dafür hast du aber ordentlich zu lernen und zu horchen. Du hilfst hier mit, wie alle anderen auch. Und am wichtigsten ist, dass du auf das hörst, was ich dir sage! Wenn ich etwas verbiete, hast du dich ohne Wenn und Aber daran zu halten. Hast du verstanden?“

„Ja. Ich habe verstanden.“

Zum ersten Mal stand Tinkermon gerade vor ihnen. Ein wenig steif, aber es war besser wie ihre hängende Haltung zuvor. Sie sah zufrieden aus und man hatte zurecht denken können, dass Tinkermon sich gerade noch so beherrschte, nicht vor Freude zu weinen.

 
 

 

Tinkermon nahm Babamons Worte sehr ernst. Sie horchte bedingungslos und jede Aufgabe, die Babamon ihr gab versuchte sie vollstens zu erfüllen. Das Schreiben war ihre Begabung. Sie lernte schnell, schrieb Buchstaben und Kanji. Darin und beim Lesen blühte sie auf. Sie hatte Freude daran.

Natürlich war es gut ein Digimon als Schüler zu haben, dass fleißig war und keinen Unfug trieb, dennoch wünschte sich Babamon, dass Tinkermon mehr Elan und Eigeninitiative zeigte. Sie hatte ihre eigenen Ideen, traute sich aber nicht diese auszusprechen, aus Angst anzuecken. Wie sollte sie so je Selbstbewusstsein entwickeln?

Genauso unterentwickelt war ihre soziale Kompetenz. Sie verbrachte Zeit mit den anderen heimatlosen Digimon, die Jijimon und Babamon betreuten, aber nicht zusammen mit ihnen. Tinkermon war mehr die große Schwester in ihrer Gemeinde, passte auf sie auf und versuchte ihnen dass beizubringen, was Babamon schon tat, wenn auch weit feinfühliger. Sie spielte nicht wirklich mit ihnen, schloss keine engeren Bindungen. Sie lernte wie besessen, aber nicht um in ihrer Entwicklung voranzukommen, geschweige denn für sich. Sie tat es, um Babamon zu gefallen. Nicht aus ihrer eigenen Überzeugung, dass richtige für sich selbst zu tun. Es war mitleiderregend und so konnte aus Tinkermon nie etwas werden. Fast bereute Babamon es sogar überhaupt in Betracht gezogen zu haben, sie zu ihrer Nachfolgerin zu machen.

Was Babamon jedoch dazu bewegte weiterhin an Tinkermon zu glauben waren die immer stärker aufkommenden mütterlichen Gefühle. Sie liebte Tinkermon, wie sie ihre Gänslein geliebte. Ein völlig fremdes, ordinäres Digimon, dem sie gegenüber keinerlei Pflichten hatte. Babamon tadelte sie fast jeden Tag, gerade weil sie sie liebte und auch deswegen wünschte sie sich eigentlich, dies nicht tun zu müssen. Tinkermon fehlte die Motivation. Ein Ansporn.

Den bekam sie. Doch die Form, die diese Motivation hatte ließ Babamon bereuen, dass sie diesen Wunsch je gehegte. Denn eines Tages, an einem besonders windigen und frischen Tag, aber dennoch die Sonne unbarmherzig durch die Nebelwand schien fand Tinkermon Tsukaimon, geschwächt und halbtot durch die Zeit in der Dunklen Zone.

Er, Koemon und Candlemon hatten sich wirklich lange gewehrt. Doch er war der Einzige, der bewusst spürte, was man mit ihm tat. Apokalymon verlor irgendwann die Geduld und nachdem nichts den Anschein erweckte, dass sie aufgaben warf er die drei Digimon wie Müll weg.

Nach ihrer Niederlage gegen die vier Souveränen verkrochen sie die Meister der Dunkelheit um wieder Kraft sammeln zu können und zu überlegen, was sie nun tun sollten. Die Souveränen hatten viel eingebüßt und von ihrer Macht waren sie sich ebenbürtig. Aber sie hatten andere Digimon hinter sich, die sie unterstützten. Nicht zuletzt auch Tante Rhody und Onkel Remus. Die Meister der Dunkelheit hatten ihre Armee, die jedoch für sie nicht mehr wie überschüssigen Kanonenfutter war. Mit den Souveränen konnten sie nicht mithalten. Sie waren schlicht zu wenige. Wenn sie nur mehr wären. Wenn das Orchester nur vollständig wäre.

Im festen Glauben, dass die anderen drei noch lebten und irgendwo in der Dunklen Zone umherirrten machte Piedmon sich auf die Suche, ohne Apokalymons Wissen. Er fand sie nicht. Nur groteske Figuren, der Konturen man in der endlosen Schwärze nicht erkennen konnte. Nur einer war vertraut. Ein Digimon, dass schon ewig verloren schien und unerreichbar zwischen den Welten lebte, als der Todesgott, der er war. Piedmon schien seinen alten Freund Labramon, dass zu Anubimon geworden war in der Dunkelheit zu hören. Seine Freunde seien nicht hier. Nicht mehr. Anubimon sagte, er hätte sie wieder dahin gebracht, wo sie hingehörten. Ob es jedoch die richtige Entscheidung war, zweifelte er. Piedmon sah, noch spürte er Anubimon wirklich. Vielleicht war Anubimon auch schon lange nicht mehr (wer wusste das schon bei einem Totengott?) und in der Dunkelheit sammelten sich nur Restdaten von ihm. Und doch sprach Piedmon seinen aufrichtigen Dank in die Düsternis und begann mit den anderen dreien den Rest ihres Orchesters zu suchen.

Candlemon kam zu Apartheids-Zeiten in einer dürftigen Steppe zur Welt, wo die Temperaturen nie unter dreißig Grad Celsius fielen. Von der mangelnden, trockenen Fauna war nicht mehr viel da nach all den Jahrzehnten, doch die Hitze und die Dürftigkeit war aber geblieben. Candlemon wurde von Maschinen-Digimon gefunden, die in einer neuerbauten Fabrik hausten, wo sie tagein, tagaus ihre sinnfreie Arbeit verrichteten, nicht wissend, dass diese Fabrik Machinedramon gehörte und es im Grunde nur darum ging, Energie für Machinedramons Maschinen und Computer zu erzeugen. Candlemon könnte bleiben, könnte auch arbeiten und sein Feuer war nützlich. Schon zu Beginn waren ihm die schwarzverfärbten Zahnräder aufgefallen, die in ihm Erinnerungen weckten, die er aber nirgendwo einordnen konnte. Sein Gedächtnis war leer, aber die Zahnräder erinnerten ihn an etwas. Er hatte sie schon einmal gesehen. Er erinnerte sich an Bilbo. Der kleine Hobbit, warum interessierte ihn dieses Geschichte so? Und wer war diese dämonische Kreatur, die Bilbo so viel Angst machte? Der Drache Smaug war es nicht. Das Auge über Mordor auch nicht.

Als sich Candlemon mehr mit diesen Zahnrädern befasste, kamen die Erinnerungen von selbst wieder. Der Herr Dirigent schien ihn zu rufen. Und eines nachts, als er auch diese dämonischen Figur wiedererkannte und sich an alles erinnerte, was damit in Verbindung stand digitierte er statt zu Flamewizardmon in eine ganz andere Richtung.

Bilbos Begeisterung für Basteleien hatte auf sein Digimon abgefärbt und mit den Restwissen über diese schwarzen Zahnräder programmierte Devimon die Maschinen-Digimon um, um mehr von diesen Zahnrädern herstellen zu können. Nur ein Andromon konnte fliehen. Und all das machte Machinedramon schließlich auf ihn aufmerksam, der ihren Trompeter gleich wiedererkannte und dieser ihren Klarinettisten. Das mit den schwarzen Zahnrädern behielten die beiden jedoch erst einmal für sich. Ihre Wirkung war denen der schwarzen Ringe von einst gar nicht so unähnlich. Könnte ja nützlich sein.

Koemon, einst im Dschungel geboren kam eben auch in jedem Dschungel wieder zu sich, wenn er auch nicht mehr all so tropisch, geschweige denn herbstlich war. Er war erschreckend licht und überwiegend von Gazimon bevölkert, die ihn auch bewusstlos fanden. Ursprünglich jedoch hatten sie ihre Städte und Dörfer in der Kaktuswüste, doch die Truppen der Meister der Dunkelheit hatten sie vertrieben. Und da sie schon während der Typus-Kriege nichts ausrichten konnten, hatten sie es auch hier nicht mehr versucht und flohen stattdessen.

Koemon war kein besonders guter Stratege und war allgemein etwas zu impulsiv, aber er hatte bereits für einen Rookie eine außerordentliche physische Kraft, die er zu nutzen wusste. Er mochte überstürzt, aber dafür effektiv handeln, was ihm zumindest den Gazimon half, sich zusammenzurotten und gegen Champion-Digimon anzutreten, was sie mit Koemons Hilfe tatsächlich auch schafften. Dafür ernannten die Gazimon Koemon zu ihrem Anführer und er, nie besonders verlegen gewesen, nahm den Ruhm dankend an. Mit Koemons weiteren Digitationen´- erst zu Apemon, jedoch auf dem Ultra-Level kam der Knick in eine andere Richtung - vergrößerte sich auch sein Gebiet und die zuvor unterdrückten Gazimon konnten tun und leben, wie sie wollten und handelten nun genauso rücksichtslos, wie man zuvor auch mit ihnen umgesprungen war. Dass Etemon der Musik mächtig war erkannte er schnell, genauso dass es Krabats Stimme und nicht die des Hexenmeisters war, die ihn rief. Und das Tagein, tagaus. Also mied er das Cello, wonach er sich sehnte und versuchte mit lauten, modernen Klängen das ständige Rufen und Singen, verführischer wie der Gesang der Kantorka beim Osterfeuer, aber wesentlich kindlicher, zu übertönen. Dazu kam der Hass auf das Meer, dass sich Etemon anfangs nicht erklären konnte, bis er sich an die Bohrinseln erinnerte.

MetalSeadramon wurde nur zufällig auf Etemons Krawall aufmerksam. Schließlich interessierte ihn das Land nicht, als jedoch eines seines liebsten AncientMermaidmon von Etemons Handlangern, einschließlich ihm selbst belästigt wurde, schaltete sich der Leviathan der Meere ein und war überrascht ihren Cellisten in dieser Form zu sehen.

Genau wie Tsukaimon anfangs hatten Candlemon und Koemon Amnesie, die mit der Zeit aber von selbst zurückging, als die Dunkelheit, die Apokalymon in ihnen sähte ausbrach. Nur bei Tsukaimon dauerte es viel länger. Vielleicht weil sich seine Geburtsstätte am stärksten verändert hatte. Der Schnee war geschmolzen, der Wasserspiegel gesunken, somit floss das Wasser nur noch unterirdisch. Die Wälder waren aufgetaut. Die Eisblumen, die einst aus dem Schnee ragten mutierten mit der Zeit. Ohne Schnee zogen sie sich ins Wasser zurück. Aus den Eisblumen, die Tsukaimon aus seinen Erinnerungen kannte wurden schneeweiße Seerosen.

So eine Theorie, die Jijimon und Babamon aufstellten über die Zeit, in der Tsukaimon bei ihnen war, sich allerdings nur nicht erklären konnten was für seinen Zustand verantwortlich war. Eine andere Theorie, die Jijimon äußerte, die Babamon für dämlich hielt, aber an der sie irgendwo festhielt, war dass Tsukaimon das unsagbare Glück hatte wieder bei seiner Familie zu landen.

Dies und weil er Tinkermon hatte. Babamon konnte sich nie erklären, warum Tsukaimon sie bei sich schlafen ließ. Außer bei Alice empfand er nie das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit. Hatte er Mitleid mit ihr? Hatte er sie gemocht, trotz dass er sich über sie nur beschwerte? Oder wollte er dieses Gefühl von Einsamkeit einfach vergessen, wenn ihm die Amnesie schon nicht davon befreite?

Babamon war nie wohl dabei, wenn sie die beiden so sah, besonders als ihr klar wurde, dass sich Tinkermon, obwohl sie ein Rookie war bereits in dieses Digimon verliebt hatte. Irgendwie ahnte Babamon damals schon, zu was diese beiden werden und das es nicht gut enden würde. Und doch kam in ihr Erleichterung auf, wenn sie die beiden zusammen liegen sah, im Schlaf aneinander geschmiegt, nachdem sie es geschafft hatten ihre Herzen zu öffnen.

 
 

𝅝

 

Touko spitzte die Ohren als sie Schritte hörte. Es hätte ein Besucher sein können, so wie sie einer im Krankenhaus war, doch ahnte sie, dass dieser Besuch für sie bestimmt war. Sie hatte ja mit Asami gerechnet, doch stattdessen kam Hisaki auf sie zu, mit einem Topf gelber Blumen in der Hand.

„Arbeitest du nicht?“

„Ich habe einen Kollegen gebeten mit mir zu tauschen und meine Schüler zu übernehmen. Er schuldet mir ohnehin einen Gefallen.“

„Ich sagte doch, du musst nicht kommen.“

„Ich habe Yosuke versprochen, dass ich dich abhole“, erklärte sich Hisaki weiter. Touko schien immer noch nicht zufrieden, aber auch etwas gerührt, vermutlich von der Tatsache, dass sich ihr Mann, der nicht so leicht von der Uni weg konnte so sehr sorgte. Yosuke war so lieb, aber ungeschickt darin Gefühle auszudrücken und vergaß in seiner Grübelei zu gern und zu oft die Welt um sich.

„Sieh es als Entschuldigung, dass ich dich nicht vorher besuchen konnte, Touko. Aber erzähl, wie geht es deinem Jungen?“

„Sein Zustand ist stabil“, sagte sie. Sie klang bedingt zufrieden.

„Ich habe noch ein Gespräch mit der Chefärztin. Vielleicht kann ich ihn nächste Woche nach Hause holen.“

„Ich würde mich für dich und Yosuke freuen“, sagte Hisaki. Dann streckte er Touko den Blumentopf entgegen, denn sie überrascht annahm. Dass Hisaki einfach Blumen für einen Besuch mitbrachte war eher untypisch für ihn. Aber seit er Asami hatte, hatte er sich so manche fast schon romantische Züge angeeignet. Zudem hatte sie die Anspielung verstanden. Gelbe Mondblumen, passend zu ihrem Wappen.

„Vielen Dank. Wenn du irgendwann einmal Vater wirst, schenke ich dir einen Bund Eisblumen“, scherzte Touko und Hisaki, der erst mitlachen wollte wurde plötzlich still und dann verlegen. „Was? Ist dir das unangenehm, wegen -“

„Nein. Eigentlich nicht. Nur, Asami und ich haben nie darüber geredet.“

„Dann wird es Zeit! Das ist typisch du, du hängst ständig hinterher und wunderst dich, dass du immer zu spät bist!“

„Ich geh eben alles etwas vorsichtiger und bedachter an“, protestierte Hisaki. Als Touko ihn anlächelte, wurde er noch verlegener.

„Ich kann dich mir gut als Vater vorstellen. Fast besser wie mich als Mutter.“

„Sag das nicht. Du bist nicht wie deine Eltern.“

„Warum glaubst du, ich denke das?“

„Willst du mir etwa erzählen, es sei nicht so?“

Touko fühlte sich ertappt und manchmal staunte sie doch über Hisakis Scharfsinn, wo er sonst gut und gern den Eindruck erweckt, sein Kopf sei in den Wolken. Sie setzte sich auf einen Stuhl, der in einer Ecke des Flures stand. Sie klopfte auf den leeren Stuhl neben sich, um Hisaki dazu zu bewegen, sich zu ihr zu gesellen.

„Ich komme mir so untätig vor, das ist alles. Deswegen macht sich Yosuke auch so große Sorgen um mich“, berichtete Touko und strich über die Blüten. „Koshiro so allein in diesem Kasten zu sehen bricht mir das Herz. Gestern durfte ich ihn das erste Mal im Arm halten, auch wenn es nur für einen Moment war. Und dann denke ich, wenn doch etwas ist? Es gab genug Komplikationen. “

Touko seufzte schwer, daraufhin begann Hisaki ihr über den Rücken zu streichen, in der Hoffnung es beruhigte sie etwas oder könnte sie aufheitern. Toukos Kind kam elf Wochen zu früh auf die Welt und seit drei Wochen besuchte sie jeden Tag die Abteilung für Frühgeburten und blieb so lange es ging.

„Du sagst, er ist stark, Touko. Deiner Intuition kann man vertrauen. Du warst von uns allen jeher schon immer die Gescheiteste. In ein paar Wochen kannst du ihn sicher nach Hause nehmen“, meinte Hisaki auf den Boden schauend und die Kacheln zählend. Schachbrettmuster.

„Hör an. Erst die Blumen, jetzt dieser Optimismus. Was hat Asami mit dir angestellt?“

„Ich kann auch einfühlend sein!“

Touko hob skeptisch eine Augenbraue, aber sie lächelte weiter. Hisaki hatte das erreicht, was er wollte.

„Nett von dir.“

„Und... deinen Eltern? Hast du ihnen das erzählt?“

„Sicher nicht“, antwortete Touko böse, aber nicht geknickt. „Sie wissen, dass ich schwanger war, auch das Geburtsdatum und damit ist das erledigt. Ich will meine Eltern nicht in der Nähe meines Sohnes.“

„Verstehe ich. Ich würde meinen Vater auch nicht bei meinem Kind haben wollen.“

„Ich habe alles bereits im Vorfeld organisiert.“

„Organisiert?“, harkte Hisaki nach. Er änderte seine Sitzposition und schlug ein Bein über das andere.

„Nun, du weißt – falls mir und Yosuke etwas passiert.“

„Touko, was soll denn -“

Hisaki hielt in dem Moment den Atem an, als Touko ihn vorwurfsvoll ansah, da es noch nicht einmal so lange her war, dass er und Touko auf Kanas Beerdigung Stand by me spielten, wie auf den anderen Beerdigungen zuvor schon. Kurz zuvor war sie noch Mutter geworden. Ihr Tod, wie bei Soichiro, ein Unfalltod (sie wurde angefahren, weil eine Ampel falsch schaltete) und Eri war nun alleine mit ihrer Tochter. Kana wurde für ihre Beerdigung nach Tokio gebracht. Sie wollte bei ihrem Bruder liegen.

Hisaki und Touko spielten im Duett auf ihrer Beerdigung. Sie waren die Letzten, die vom Orchester übrig waren. Ein Jahr vor Kana starb Natsu an einem elektrischen Schlag bei der Arbeit, vor ihm Renta bei einer Operation, als der Strom ausfiel. Als hätte sich die Technik gegen sie verschworen. Schon Soichiros Tod war merkwürdig und eigentlich war es bescheuert, aber Hisaki wie auch Touko glaubten jemand oder etwas trachtete den ehemaligen Orchester der Digiwelt nach dem Leben. Hisaki hatte sogar einen Verdacht, aber er könne sich nicht erklären wie. Vielleicht waren es wirklich dubiose Zufälle, wenn er auch an diese nicht glaubte.

„Und was hast du organisiert, Touko?“

„Du kennst doch meine Freundin Kae. Du müsstest sie auf meiner Hochzeit kennen gelernt haben. Sie hat letztes Jahr Yosukes Cousin Masami geheiratet.“

„Ich glaube schon“, murmelte er, wenn er auch kein klares Bild vor Augen hatte.  

„Weißt du, sie war auch schwanger, noch vor mir. Aber ihr Sohn ist kurz nach der Geburt gestorben.“

„Oh... Das muss furchtbar sein.“

Hisaki versuchte mitfühlend zu klingen, obwohl er nicht mehr wusste, wie Toukos Freundin aussah. Es gelang ihm bedingt, als er sich versuchte diese Situation vorzustellen.

„Ich habe sie nach Koshiros Geburt gefragt, ob sie beide nicht Paten sein wollen. Ich dachte, das heitert sie vielleicht auf. Und du weiß, wie mein Verhältnis zu meinen Eltern ist. Ich habe auch Yosuke so ziemlich alles erzählt. Außer... diese Geschichte, wie du dir denken kannst.“

Touko hörte auf an den Blumen zu reiben, als sie Farbe an ihren Finger erkannte. Stattdessen krallte sie sich an den Stuhl. Hisaki bekam Flashbacks.

„Wenn mir und Yosuke etwas zustoßen sollte, möchte ich, dass Kae und Masami sich um Koshiro kümmern. Yosukes Eltern sind schon verschieden und ich will nicht, dass mein Kind bei meinen Eltern aufwachsen muss. Er soll Liebe erfahren, nicht den Druck und den ständigen Perfektionsdrang, so wie ich. Mein Sohn soll so leben und so werden, wie er es für richtig hält, nicht was Erwachsene ihm eintrichtern.“

„Ich verstehe dich zu gut. Es ist eine weise Entscheidung.“

„Du findest also nicht, dass ich zu hysterisch reagiere?“

„Mitnichten. Hätte ich an deiner Stelle auch gemacht.“

Erleichtert seufzte Touko und lehnte sich in ihren Stuhl, dann legte sie ihren Kopf in den Nacken.

„Ich wünschte nur, ich könnte Betamon davon erzählen.“

„Denkst du oft an dein Digimon?“, fragte Hisaki und warf auch seinen Kopf zurück und wie Touko starrte er die Decke an. Er hatte keine Ahnung, was sie versuchte zu sehen. Er selbst sah Polarlicht.

„Manchmal. Aber es wird seltener. Ich fühle mich schuldig. Doch ich kann nicht ständig an die Digiwelt denken. Ich bete immer, dass es Betamon gut geht, aber ich muss auch alleine klar kommen und mein Leben leben. Betamon würde nicht wollen, dass ich trübselig dasitze und Yosuke oder Koshiro dabei vollkommen vergesse. Ich glaube auch nicht, dass Tsukaimon wollte, dass du das machst.“

„Wie kommst du drauf, dass ich das denke?“

„Oh bitte, ich kenne dich, Hisaki.“

Eine Tür im Gang links von ihnen ging auf und eine Krankenschwester steckte den Kopf hinaus. Als sie Touko sah, winkte sie ihr zu.

„Frau Izumi, Sie können nun reinkommen.“

„Okay“, rief Touko zurück und nickte Hisaki noch zu, ehe sie ins Besprechungszimmer ging. Er würde warten, zumindest bis ihr Ehemann von der Arbeit kam.

Der Wunsch nach einen starken Kaffee motivierte Hisaki aufzustehen und zu den Fahrstühlen zu laufen, wo nicht nur der Kaffeeautomat stand, sondern sich die Wege trafen, die zur Neugeborenen und Frühchen-Abteilung und schließlich in die Kinder-Station führte. Statt nervöse Eltern anzutreffen, hatte Hisaki den Kaffeeautomat für sich alleine und drei Kinder (zwei Jungen, ein Mädchen) liefen bedrückt an ihm vorbei. Er vermutete, dass sie einen Freund oder Klassenkamerad besucht hatten, der schwerkrank war. Als die Kinder gerade in den Fahrstuhl stiegen, hörte Hisaki Geschrei aus der Kinderabteilung. Es klang nicht nach Spaß, auch nicht, dass jemand Schmerzen hätte. Da schimpfte eines der Kinder.

Hisaki blickte weiter den Gang hinunter, bis eine der Türen aufging und ein Junge regelrecht raus gesprungen kam.

„Maki, jetzt hör doch auf! Ich will dir doch nur helfen, dass mit Tapirmon zu verkraften.“

„Hau ab! Lass mich endlich in Frieden!“

Er zögerte, dann aber schloss der Junge die Tür zum Krankenzimmer. Er schien überfordert zu sein, sich Fragen zu stellen und fuhr sich mit der Hand über die wuscheligen, schwarzen Haare. Eine Fliegerbrille hing um seinen Hals. Hisaki starrte den Jungen an und als dieser das bemerkte wie geschockt dieses Starren war, schien es ihm unangenehm zu sein.

Hisaki stellte den Kaffee im Pappbecher auf den Automaten ab und vergaß ihn im selben Moment. Er hatte Tapirmon gehört. Er kannte Tapirmon. Da war ein -mon am Ende. Dieser Junge kannte Digimon.

Wie hypnotisiert steuerte Hisaki auf den Jungen zu (er schätzte ihn auf zehn oder elf Jahre), versuchte aber seine Gesichtszüge zu entspannen, um den Jungen, der immer noch überfordert und unbeholfen schien nicht noch nervöser zu machen. Der Anblick eines großen Mannes mit Hisakis äußerlichen Merkmalen und eindringlichen Augen reichte.

„Besuchst du einen Freund?“, fragte Hisaki vorsichtig und möglichst freundlich. Er bekam ein Nicken.

„Ich besuche auch eine Freundin. Ich heiße Hisaki Amano. Und du?“

„Ich heiße Daigo Nishijima. Meine Freundin Maki ist hier.“

„Sie hat dich angeschrien. Habt ihr euch gestritten? Hat es etwas damit zu tun, dass sie hier ist?“

Daigo schwieg weiter. Er spürte zwar, dass Hisaki nette Absichten hegte, doch was ihm auf der Seele lag konnte er nicht aussprechen. Das hatten er und seine Freunde zuvor versucht. Niemand hörte zu. Niemand glaubte es. Die Erwachsenen sagten, sie seien verrückt.

„Hat es etwas mit dem Digimon zu tun?“, fragte Hisaki schließlich direkt. Die Verschlossenheit des Jungen löste sich auf, die Augen wurden groß.

„Haben Sie Digimon gesagt?“, fragte Daigo noch mal nach, da er es nicht glauben konnte.

„Ja. Enden nicht alle Digimon mit -mon? Und Tapirmon ist ein Digimon. Ist es ein Freund von dir?“

„Tapirmon ist – war der Partner meiner Freundin.“

Bei dem Wort Partner ließ Hisaki seine Finger genau dort über sein Hemd streifen, wo er sein Amulett spüren konnte. Er kam nicht drum herum sich Daigo genauer anzuschauen und sah ein Digivice an seinem Gürtel. Es sah genauso aus wie seines.

Das Datum. Es war ja der erste. Der 1. August. Es war 1989. Genau vor zehn Jahren kam Hisaki in die Digiwelt. War dieser Junge auch ein Digiritter? Hatte der Troubadour neue Kinder ausgewählt? Warum?

„Wieso war? Ist etwas in der Digiwelt geschehen?“, fragte Hisaki weiter, ließ sich seine Nervosität nicht anmerken und Daigo war immer noch überrumpelt davon, dass dieser fremde Mann nicht nur Digimon, sondern auch die Digiwelt kannte.

„Es... ist einiges schief gegangen. Wir dachten, wir könnten es mit den Meister der Dunkelheit aufnehmen. Sie hätten die Digiwelt fast zerstört, wir mussten etwas tun, auch wenn Jijimon und Babamon uns sagten, wir wären noch nicht so weit.“

„Jijimon... und Babamon?“

Nicht Rosemon und Wisemon?

„Wer sind die Meister der Dunkelheit?“

„Das sind vier ziemlich starke und bösartige Digimon. Sie haben die Kriege gewonnen und ganze Ländereien eingenommen. Überall wo sie auftauchten breitete sich Dunkelheit aus.“

„Kriege?“, wiederholte Hisaki und seine Maske der Gelassenheit zerbröckelte. „W-Was für Kriege?“

„Bürgerkriege. Jijimon und Babamon haben uns erzählt, dass es vor langer, langer Zeit eine große Ungerechtigkeit in der Digiwelt gab. Jene, die diese verursacht haben sind schon lange gefallen. Lange Zeit gab es kaum Digimon, die über das Champion-Level hinaus kamen. Als es mehr wurden sehnten sie sich nach Ordnung, nachdem alles lange so chaotisch war. Jeder wollte plötzlich König, Graf, Marschall oder Kaiser sein. Das führte zu Streit. Dann zu Kämpfen.“

In seiner trockene Kehle spürte Hisaki ein Kratzen, dann dass Gefühl, als hätte er Staub im Hals, verkniff es sich aber zu Husten, um nicht noch der Übelkeit zu unterliegen.

Wieso gab es Kriege in der Digiwelt? Sie hatten doch -

„Wie bist du denn dahin gekommen?“

„Ich weiß es nicht“, sagte Daigo und dachte angestrengt nach. „Wir waren an der Hikarigaoka Station, haben auf dem Zug gewartet und haben mit unseren Game Boys gespielt. Wir haben uns alle ein Spiel gekauft. Es war billig, weil sie angeblich nicht funktionierten, aber bei uns ging es. Es war wie Legend of Zelda, nur dass man sich ein Tier aussuchen konnte und damit gegen Monster gekämpft hat. Man hat es auch pflegen und füttern können. Jetzt wo ich darüber nachdenke, sah Bearmon genauso aus wie die Figur, die ich mir ausgesucht habe.“

Nostalgie überflutete Hisakis Geist. Dass, was Daigo ihm sagte klang wie seine Geschichte, nur dass es bei ihm dieses Tamagotchi war, statt ein Game Boy. Er vermutete auch, dass besagter Game Boy nun dass Digivice war. Da sich Hisaki das Digivice genauer ansah, merkte er, dass es Risse hatte. War es kaputt?

„Warst du lange dort in der Digiwelt?“, fragte Hisaki weiter und Daigo fing an über die Fragestellung stutzig zu werden, dennoch antwortete er: 

„Ich bin mir nicht mehr sicher. Ich dachte, wir wären ein Jahr oder so in der Digiwelt gewesen. Als wir aber wieder hierher kamen waren gerade einmal ein paar Stunden vergangen. Und weil Maki so unter Schock stand, hat jemand den Krankenwagen gerufen.“

„Wegen Tapirmon?“, harkte Hisaki nach, Daigo nickte. „Was ist denn mit Tapirmon passiert?“

„Es ist...“

Daigo senkte den Kopf und umklammerte sein Digivice. Die Lippen wurden schmal, je schwerer seine Brust wurde.

„Wir hatten keine Chance. Die Meister der Dunkelheit griffen uns an. Hätte Tapirmon den Angriff nicht abgeblockt, wären wir alle tot. Er hat so viel Kraft verbraucht. Ich glaube, seine Daten sind beschädigt worden und deswegen konnte er nicht digitieren. Also bat er uns, dass wir ihn... ihn... u-und Maki hat alles mitansehen müssen. Keiner von uns konnte etwas unternehmen. Tapirmon... kommt nicht mehr wieder. Wir konnten ihm nicht helfen.“

Daigo versuchte seine Tränen zu unterdrücken. Wieder diese Nostalgie, diese Flashbacks, dieser Stacheldraht um sein Herz. Hisaki sah Kouta vor sich. Sein Leichnam, den sie verbrannten und Dracmon, der bei Rosemon und Wisemon stand und weinte.

Obwohl Hisaki sich viele Fragen stellte, am häufigsten über Tsukaimon nachdachte, begann Daigo ihm Leid zu tun. Es hatte sich so viel wiederholt. Dabei hatte man ihnen versprochen, die Digiwelt würde sich verändern. War das etwa eine Lüge? Konnte die Digiwelt wirklich nicht lernen?

„Hast du jemand davon erzählt?“

„Ich habe es versucht“, sagte Daigo schluchzend. „Aber keiner glaubt uns. Sie sagen, wir lügen. V-Vielleicht stimmt das ja auch. Vielleicht haben wir wirklich nur schlecht geträumt. Das ist vielleicht niemals passiert.“

„Sag das nicht.“

Hisakis plötzlich strenge Stimme holte Daigo aus dem beginnenden Selbstmitleid, wenn auch die Kühle in Hisakis Blick ihm erst wieder etwas Angst machte. Darum auch krampfte seine Schultern, als Hisaki eine Hand auf diese legte.

„Es ist kein Traum gewesen. Und wenn du nachdenkst, weißt du das, auch wenn das alles wie ein Märchen erscheint.“

„Aber es glaubt uns niemand.“

„Die Leute vergessen leider, dass Märchen nicht das Gegenteil der Realität sind. Sie sind nur ein etwas verzerrtes Spiegelbild. Um so wichtiger ist es, dass Leute wie du und ich uns das vor Augen halten.“

Dann begann Hisaki das erste Mal während dieses Gesprächs Daigo anzulächeln. Seine Hand glitt in seine Hosentasche. Als er sie rausholte und öffnete, lag sein eigenes Digivice ins einer Hand. Daigos Augen wurden geradezu riesig vor Staunen.

„Sie sind auch...?“

„Behalte es für dich“, sagte Hisaki fast väterlich. „Es ist dein Traum. Und du weißt, Träume verrät man nicht. Die Erwachsenen verstehen es nicht zu träumen, darum glauben sie Kindern nie. Behalte sie in deinem Herzen. Was ist mit deinem Digimon?“

„Bearmon – ähm, ich meine Baihumon kämpft weiter. Die Digiwelt sei gerettet, doch die Meister der Dunkelheit seien noch nicht ganz besiegt. Ich bin ihm allerdings keine Hilfe mehr. Das Licht meines Digivice wurde vollständig verbraucht. Nun ist es wertlos.“

„Aber das Licht ist in deinem Partner, wenn ich richtig verstehe? Dann musst du noch mehr von deinem Partner träumen. Damit er einen Grund hat, für euch beide weiter zu machen. Träume für euch beide weiter.“

Kurz machte Hisaki einen Schwenk zu der Tür, hinter der Daigos Freundin war. Daigo folgte seinem Blick.

„Und auch für sie. Verlust kann einen wahnsinnig machen. Sie braucht ihre Freunde mehr denn je.“

„Die anderen aber... Sie wissen nicht, was sie machen sollen“, erklärte Daigo niedergeschlagen.

„Dann ist es um so wichtiger, dass du es weißt. Lass sie nicht hängen, egal was Erwachsene dir vorhalten. Träume weiter von deinem Wunderland, egal wie verrückt es erscheinen mag. Ja?“

Daigo nickte etwas schüchtern, aber doch erleichtert sein Herz ausschütten zu können. Hisaki fuhr ihm einmal über die zerzausten Haare und für einen Moment sah er sein elfjähriges Selbst vor sich. Mit dem Digivice wieder in der Hosentasche machte sich Hisaki auf zu gehen. Nach wenigen Schritten jedoch blieb er stehen.

„Sag mal, Daigo“, fing er an, zögerte aber, wen er auch nicht wusste warum. Aber er musste fragen.

„Hast du in der Digiwelt ein Digimon namens Tsukaimon getroffen?“

„Tsukaimon?“, wiederholte Daigo, dem Klang nach war ihm bis eben diese Art Digimon nicht einmal bekannt. „Oder... irgendein Engel-Digimon, dass viel zu egozentrisch und zynisch und mürrisch für ein Engel ist? Und selbstbewusst? Und zielstrebig... Und nachdenklich. Klug. Aufrichtig. Ehrlich... und viel zu viel schläft?“

„Nein. Tut mir Leid“, antwortete Daigo und ahnte, nach wem Hisaki da fragte. Niedergeschlagen sank Hisakis Kopf und er sah sich wieder das Schachbrettmuster vor seinen Füßen an und fragte sich, auf welchem Feld denn sein Schwarzer König stand. Tsukaimon hätte doch nie zugelassen, dass die Digiwelt sich wieder ins Chaos stürzte, nicht nach alledem. Aber die Digiwelt war groß, selbst sie hatten in vier Jahren nicht alles gesehen. Vielleicht kämpfte er auch einfach an einer anderen Stelle gegen diese Meister der Dunkelheit (was nebenbei ein überaus unkreativer Titel war).

Ein Sonnenstrahl, der die weißen und schwarzen Felder zum strahlen brachten holte Hisaki aus seiner Lethargie. Er schaute noch einmal zu Daigo, der sich entschied noch etwas zu bleiben und nochmal zu Maki zu gehen, sobald der Arzt nach ihr geschaut hätte. Er und Hisaki warfen sich einen letzten Blick zu und lächelten sich an.

Touko kam ihm schließlich entgegen. Als sie fragte, wo er war zögerte Hisaki, aber nicht lang genug um Misstrauen in ihr zu wecken. Er erklärte, er hätte sich mit dem Jungen unterhalten, weil er sich wegen dem Unfall seines Freundes die Schuld gab. Touko fragte nicht weiter. Hisaki hätte es ohnehin nicht geschafft Touko davon zu erzählen. In ihrer aktuellen Lage zu hören, was in der Digiwelt los war, oder gewesen war würde sie noch mehr strapazieren. Sie würde zu Betamon wollen, wüsste nicht wie und sie konnte doch nicht ohne ihren Sohn einfach in die Digiwelt. Es war besser, wenn sie es nicht erfuhr. Auch wenn sie fragte, schließlich bemerkte Touko auf der Heimfahrt, dass etwas nicht in Ordnung war, blieb Hisaki beharrlich, wenn er auch ein schlechtes Gewissen hatte, dass bis zum Abend hielt. Er konnte nur an Tsukaimon denken. Er hoffte einfach, dass Tsukaimon nichts passiert war. Er hoffte es so sehr.

Als Asami wieder nach Hause kam, saß Hisaki auf der Couch, sein Digivice anstarrend und Vivaldis zweiten Wintersatz spielend, hoffend, die Melodie erreiche Tsukaimon und er wüsste damit, dass sein Partner an ihn dachte, auch wenn er nun ein anderes Leben führte.

„Hisaki? Alles in Ordnung?“

„Ja. Ich habe über ein paar Dinge nachgedacht.“

„Worüber denn?“

Die Musik verstummte und Hisaki legte seine andere Hand über sein Digivice.

„Wie denkst du über Kinder?“

 
 

 

Hisakis Kinderpläne rückten etwas weiter in die Zukunft, als knapp eine Woche nach seinem Treffen mit Daigo nun auch Touko starb. Auf dem Weg ins Krankenhaus gab es erneut technische Probleme und jemand fuhr den beiden ins Auto. Sie hatten beide keine Chance.

Auf ihrer Beerdigung sah Hisaki Kae und Masami, die Koshiro im Kinderwagen liegen hatten. Er war stark genug, dass er nicht mehr im Krankenhaus bleiben musste. Auch Toukos Eltern (Toukos Vater trug seine Marine-Uniform) sah er dort, tief bestürzt und scheinbar auch Reue empfanden, ihrer Tochter doch zu wenig gegeben zu haben.

Hisaki spielte auf einem kleinen Keyboard Stand by me für seine Freundin. Er war das letzte Orchestermitglied. Er war allein. Allein, wissend, dass in der Digiwelt etwas nicht stimmte und nicht wusste, was er machen sollte, wie jeden Tag ständig auf sein Digivice zu starren und nach Hikarigaoka zu fahren, in der Hoffnung etwas täte sich.

Die Einsamkeit und Wut warf Hisaki in eine tiefe depressive Episode, wie er sie lange nicht mehr hatte. Eine Phase ständiger Traurigkeit, Lustlosigkeit und Albträumen, wenn er es denn einmal schaffte zu schlafen. Er kam nicht aus dem Bett. Er aß wenig und ging kaum hinaus. Wenn, dann lief er ziellos umher. Auf der Arbeit war er unkonzentriert. Hisaki wusste nicht, was er machen sollte. Er hatte Sehnsucht nach Tsukaimon.

Asami machte die Depression ihres Mannes wahnsinnig. Hisaki ignorierte ihre Hilfe genauso wie ihre Beschwerden, versuchte seine Arbeit rumzubekommen, wie auch den anschließenden Rest des Tages. Irgendwann konnte Asami nicht mehr und sie stellte ein Ultimatum in all ihrer Verzweiflung. Hisaki hatte seine sporadische Melancholie zu einen Dauerzustand werden lassen und entweder, er riss sich zusammen und würde endlich anfangen dagegen anzukämpfen oder sie ginge. Er sagte nichts dazu.

Asami ging anschließend für eine Woche zu ihren Eltern. Sie brauchte Abstand.

Hisaki wusste nicht, was er in dieser Woche getan hatte. Vermutlich nichts. Diese sieben Tage würden anschließend aus seinen Erinnerungen gelöscht werden. Er lag nur da und starrte die weiße Wand an und wünschte sich, sie könnte Schnee sein. Hikarigaoka gab er auf. Statdessen spielte er ie Sound-Datei ab, die Rentas Vater eins programmierte. Renta überraschte ihm vor seinen Tod eine Diskette mit der Datei. Hisaki spielte sie immer wieder auf seinem Rechner ab, hoffend man finde ihn. Vergebens.

Er starrte weiter ins Nichts. Er hielt sein Digivice in der Hand. Er glaubte, Tsukaimon sei bei ihm und würde ihm sagen, wie sehr er Hisaki vermisste. Und Hisaki würde ihm unter Tränen antworten, dass er auch ihn vermisste, während er weiter ins Weiße starrte, bis bunte Blitze vor seinen Augen erschienen, ineinander verliefen und dann verschwanden. Wenn er aufstand, dann nur für die Dusche. Das warme Wasser half das er seinen Körper spürte, doch kaum war es dahin, ergriff ihn wieder der Frost der Melancholie. Manchmal sprang er bis zu fünfmal am Tag unter die Dusche und stand dort eine halbe Ewigkeit, ehe er sich wieder ins Bett legte. Er aß kaum. Er schlief nicht, obwohl er sterbensmüde war. Er ging nicht ans Telefon oder vor die Türe. Er ließ die Fenster auf, obwohl es kalt wurde. Er wünschte, Tsukaimon käme hierher und nehme ihn mit. Egal wohin. Seine Brust war schwer. Ihm war kalt.

Was Hisaki empfand waren Vorboten einer Bronchitis. Asami kam nach einer Woche wieder Heim, besorgt und sich Vorwürfe machend und fand ihren klatschnassen Ehemann im Bett liegen. Hisaki bekam hohes Fieber und einen Husten, den er nie ganz weg bekam (aber nicht medikamentös behandeln musste). Im Krankenhaus wurde er wieder Herr seiner Sinne, was wohl an dem Tapetenwechsel lag. Das erste was er sah, war Asami mit verlaufenem Eyeliner und roten Wangen. Seine Frau weinen zu sehen bewegte in Hisaki mehr, wie das warme Wasser. Sie hatte wegen ihm geweint. Genauso wie Tsukaimon einst wegen ihm weinen musste. Er wollte das nicht. Das alles nicht.

„Entschuldige... ich habe zu lange geschlafen", war das erste, was er murmelte. Asami glaubte zwar nicht, dass Hisaki da schon gänzlich bei sich war, doch sie spürte, wie er versuchte ihre Hand zu drücken, die sie hielt.

Asamis Tränen gaben Hisaki schließlich den Schub Motivation, den er brauchte. Er entschied sich doch zu kämpfen. Vielleicht waren es auch die Nebenwirkungen der Medikamente, die man ihm im Krankenhaus gab. Die Ärzte, die zwar keine Suizidgefahr in Hisaki sahen, es aber nicht ganz ausschlossen überwiesen ihn an einen Psychotherapeuten.

Ende November fing Hisaki nun endlich die Psychotherapie an, vor der er sich lange grämte. Sein Therapeut war in Ordnung. Hisaki sprach sich über seine Familie, insbesondere über seinen Vater aus. Den Wunderland-Fall behielt er jedoch für sich. Die Digiwelt und Tsukaimon waren seine kleine Welt. Bis zu seinem Geburtstag im Dezember ging es Hisaki etwas besser. Er lachte sogar darüber, dass Asami der Kuchen verbrannt war (trotzdem aß er ihn). Im anschließenden Frühjahr sogar deutlich. Er schaffte es wieder sich zu beschäftigen. Die Lust auf Ideen, sogar wieder auf diese abwegigen, die Asami nicht nachvollziehen konnte, aber liebte. Er begann wieder zu witzeln und an den freien Tagen spontan mit Asami fortzufahren, egal wohin, solange sie zusammen waren. Und auch die Lust mehr wie seine Frau einfach im Arm zu halten, wenn sie zusammen im Bett lagen.

Hisaki spielte etwas öfter am Klavier, fing auch an etwas modernere Songs ganz klassisch wiederzugeben. Seine Schüler hatten diese Idee und Hisaki ließ sich darauf ein, schließlich motivierte es sie und es machte ihnen Spaß. Außerdem hatte er dadurch sich einigen, vor allem ausländische Künstlern widmen können. Die Mischung aus alter Klassik und Neuem lenkten ihn ab von der Sorge und der Einsamkeit. Asami roch den Braten und versuchte Hisaki auf dieser Schiene zum weiterfahren zu bringen. Spaß zu haben. Und er hatte Spaß.

David Bowie spielte an einem klaren Maiabend im Tokio Dome, wohin Asami Hisaki schleifte. So kurzfristig bekamen sie natürlich keine Karten mehr, doch das Dach eines Gebäudes, auf dass sie über die Feuerleiter hoch kamen (was eigentlich illegal war, was sie beide aber nur an den verführerischen Kick aus Zeiten in der Yankee-Szene erinnerten). Es war laut genug um alles gut mithören und mitsingen zu können. Dafür sahen sie nichts, aber dem Licht der Scheinwerfer zu folgen und die Lichter der anderen Hochhäuser zu betrachten, die im unterschiedlichen Takt ein und aus gingen wie in einer Discothek reichte auch. Hisaki legte die Decke, die sie für diesen kalten Abend mitgenommen hatten enger um sie beide. Sie saßen schon über zwei Stunden hier oben.

David Bowie sang Heroes. Hisaki mochte den Song, hatte ihn auch schon auf dem Klavier gespielt, aber zugegeben, ohne den Beat und den Gesang war es nicht ganz das Gleiche. Aber Hisaki sang im Kopf mit. Ja, er mochte den Song, nicht unbedingt wegen dem Sänger und der Musik an sich, aber irgendwie erinnerte es ihn an früher. An die Digiwelt, auf eine angenehme Weise. Dieses Gefühl, etwas erreicht zu haben. Zusammen. Wenn es auch nur ein winziger Moment in der Digiwelt war, vielleicht sogar weniger wie ein Tag. Aber sie waren Helden, irgendwann einmal in einer verrückten, digitalen Märchenwelt.

„Alles gut, Hisaki?“

„Ja. Der Song erinnert ich nur irgendwie an früher, ich weiß nur nicht warum“, antwortete er und gab Asami einen Kuss auf die Stirn.

„Warst du mal ein Held?“

„Held klingt irgendwie albern. Was ist schon ein Held? Aber es gibt Momente, die mich haben wie ein Held fühlen lassen. Mit Touko. Natsu, Renta, mit den Zwillingen. Mit Kouta.“

Und mit Tsukaimon.

„Du bist für mich ein Held, Hisaki. Du gibst dir Mühe, auch wenn ich dir immer dafür erst einen Tritt in den Hintern geben muss.“

„Helden verändern die Welt. Und ich habe eigentlich kein Interesse daran, sie großartig zu ändern.“

„Du alter großkotziger Angeber denkst natürlich wieder in riesigen Dimensionen. Denk öfter mal in kleinen Schritten“, schimpfte Asami scherzhaft und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, dabei setzte sie sich wieder auf. „Es reicht doch wenn man den Alltag verändern kann. Und meinen Alltag stellst du oft genug auf den Kopf. Und jetzt... machst du es auch wieder.“

Hisaki dachte, sie rede von seiner Arbeit. Doch Asami lächelte ihn an und hielt seine Hand mit ihren beiden fest. Sie könnten Helden sein, wenn auch nur für einen Tag, sang David Bowie in die Nacht.

„Wir bekommen ein Baby, Hisaki.“

Einen Augenblick starrte Hisaki nur, im nächsten fiel er Asami in die Arme, küsste Haar, Stirn und Gesicht, ohne sie loszulassen. Weiter erzählte David Bowie von seinen Eintags-Helden und Hisaki fühlte sich, als gehöre er zu ihnen. Er fühlte sich für diesen winzigen Moment wie ein Held, das erste Mal seit knapp elf Jahren. Er wünschte, Tsukaimon wäre bei ihm und könnte mit ihm diese Freude fühlen.

 
 

𝅘𝅥𝅯

 

Der Tag, an dem Yuki geboren wurde Hisaki als recht unwirklich bezeichnen. Die Schwangerschaft zu verdauen war das eine. Seine Tochter schließlich zu sehen, wahrhaftig, war wieder anders. Es war zu intensiv und überwältigend, dass sein Gehirn es nicht schaffte diese Flut an Emotionen zu verarbeiten, was darin resultierte, dass Hisaki nicht mehr wusste, was er fühlen sollte.

Auf der Entbindungsstation stehend, hinter Glas brauchte er nicht lange, um sein Kind zu finden. Zwischen all den dunkelhaarigen Neugeborenen ragte eines heraus, mit lichten, hellen Haar und auch der Teint war etwas heller. Yuki lag da in ihrem Bettchen und schlief.

Das war sein Kind, was da schlief. Seins. Er hatte das gemacht.

Er setzte sich irgendwann, ein paar andere frischgebackene Eltern und Angehörige sahen sich die Neugeborenen an und wunderten sich, wo das Blondchen herkam, erblickten aber schnell Hisaki und rechneten sich eins und eins zusammen. Sie lächelten ihm zu, nickten und gratulierten ihm, wenn auch nur aus Höflichkeit.

Man sah, dass er der Vater der kleinen Yukino war, die in der Nacht des 24. Dezembers zur Welt kam – drei Tage nach Hisakis eigenem Geburtstag –, nachdem ihre Mutter sieben Stunden in den Wehen lag und wenn sie nicht gerade fluchte, so ziemlich jeden um sich herum den Tod wünschte. Blonde und blauäugige Kinder wie Hisaki selbst kamen nicht jeden Tag in Tokio auf die Welt. Man sah, dass er Yukis Vater war und ein bisschen stolz machte ihn das.

Und dann geriet Hisaki ins stocken. Plötzlich war er starr, hielt noch den Kaffee in der Hand, den er sich vom Automaten geholt hatte, trank aber nichts. Ganz plötzlich, nach all der Zeit, musste Hisaki an seinen Vater denken. Oder zumindest an den Mann, den er mit Vater ansprach und Hisaki fragte sich etwas, worüber er nie einen Gedanken verlor.

Wie hatte sich sein Vater gefühlt, nachdem er geboren wurde?

Masato Amano war nicht blond und hatte keine blauen Augen. Stand er auch da, sah sich die Reihen der Wiegen an, um sich sein Kind anzusehen, nur um dann ernüchternd festzustellen, dass dieses Kind nicht seins sein konnte? Er musste ungläubig dagestanden haben, immer wieder kontrolliert haben, ob der Name stimmte, oder sich nur in der Reihe geirrt hatte, aber Nein, hatte er nicht. Hatten die Leute auch gefragt, welches sein Kind war? Was hatte er getan? Nichts gesagt? Hatte er geantwortet und dabei fragende Blicke geerntet? Oder hatte er da schon verneint, einen Sohn zu haben?

So wie Hisaki all die Jahre mitbekommen hatte, hatte sein Vater damals schon gewusst, dass das Kind, das im Bauch seiner Ehefrau heranwuchs nicht von ihm sein konnte. Hisakis Eltern hatten in der Zeit heftige Probleme und seine Mutter schlief bei Freundinnen, statt zu Hause, zog für acht Wochen sogar aus. Als sie wieder zu ihrem Mann zurückkehrte, war sie bereits schwanger. Hatte er es da schon gewusst? Oder hatte er die Hoffnung bewahrt, dass es vielleicht doch sein Kind war?

„Herr Amano?“

Eine Krankenschwester tippte Hisaki auf die Schultern und er erschrak sich dabei fast zu Tode. Die Krankenschwester war kaum älter als er und lächelte ihn trotz ihres eigenen Schrecks an, so groß und breit dass man ihre Zähne fast zählen konnte. In einer rosa Decke eingewickelt wurde Yuki von ihr getragen.

„Alles sieht gut aus. Yukino ist kerngesund. Ich dachte, ich bringe sie gleich zu Ihnen“, sagte sie, weiter lächelnd und übergab sie Hisaki vorsichtig, dann ging sie wieder (weiterhin freudestrahlend und bei längerer Betrachtung wirkte es durchaus gruselig).

Yuki sah so klein aus. Sie war keine dreißig Zentimeter groß und wog auch nicht sonderlich viel, aber die Hebammen sagten zu ihm, dass das nicht tragisch sei. Von Nahen betrachtet war ihr Haar gar nicht so licht (für ein Baby eben) und noch mehr musste Hisaki feststellen, dass Yuki aussah wie er auf seinen Babyfotos. Obwohl dieser Gedanke Hisaki eigentlich freuen sollte, tat er es nicht. Stattdessen sah er seinen Vater, versuchte ihn sich dreiundzwanzig Jahre jünger vorzustellen und wie er aussah, als er seinen Sohn das erste Mal in den Armen hielt, wenn er das denn überhaupt gewollt hätte. Die Reaktion der Leute.

Auf einmal fühlte sich Hisaki schuldig. Er konnte nichts dafür, das war logisch, aber er war so von Scham erfüllt, bei dem Versuch die Empfindungen seines Vaters nachvollziehen zu wollen.

Das Zittern und die Angst, die er ausstrahlte weckten Yuki schließlich und sie begann laut zu weinen, bis ihr ganzes Gesicht knallrot wurde. Es riss Hisaki zumindest aus seinem emotionalen Tief.

„He, pscht, pscht, ruhig. Alles ist gut“, sprach er auf kleine Wesen ein, dass zwar nicht mehr schrie, aber wimmerte, dass Gesicht auch nicht mehr ganz so rot. Er wippte die Arme etwas, bis Yuki nur noch vereinzelt ein Glucksen von sich gab. Dann machte sie ihre Augen auf, blinzelte, hielt sie geschlossen und öffnete sie wieder. Sie schaute unkontrolliert umher und traf dabei auch den Blick ihres Vaters. Hisaki war sich zwar sicher, dass Neugeborene noch gar nicht richtig in der Lage waren etwas zu fokussieren, dennoch glaubte er daran, dass seine Tochter genau das tat. Hisakis Herz begann heftig zu klopfen, aber es war nicht schlimm. Statt sie schließlich weiter zu wippen, schaukelte er sie sachte hin und her und Yuki war ganz still. Hisaki summte. Ob sie bereits verstand, dass er das war? Sie bewegte zumindest ihre Augen und ihren Kopf nicht mehr so wild umher, sondern beschränkte sich auf einen kleinen Radius. Hisaki hob sie etwas an, summte lauter und dann fiel ihm auch ein, was er da summte. Anfangs war es ihm nicht klar gewesen, er hatte einfach das von sich geben, was ihm als erstes eingefallen war. Es war Vivaldis Winter.

Das Gefühl, gleich einer warmen Hand, dass sei Herz umschloss durchströmte ihn, je länger Hisaki sein Baby ansah und er erinnerte sich, dass schon einmal gefühlt haben. Dieser Moment, als noch so ein kleines Wesen gerade auf die Welt kam, nicht wissend, was um ihn herum geschah und um es zu beruhigen, hatte Hisaki es auch in den Arm genommen und auch diese Melodie gesummt.

Es war eine Form der Verliebtheit die Hisaki zu Tränen rührte, dass gleiche Gefühl, dass er einst schon bei Poyomon empfand. In diesem Augenblick wünschte sich Hisaki so sehr, dass Tsukaimon bei ihm wäre. Gerade weil er so glücklich war.

„Ich wünschte, du könntest sie sehen, Tsukaimon...“

„Hisaki?“

Asami war neben ihm aufgetaucht und schaute erst etwas besorgt. Man sah Hisaki an, dass er Tränen in den Augen hatte, aber sich lächelte, als sie schnell feststellte, dass es nur Freudentränen waren.

„Yuki gefällt dir?“ „Wie könnte sie das nicht?“, sagte er und schniefte ganz kurz. Asami, im Krankenhauspyjama gekleidet, setzte sich neben ihn und bekam sofort einen Kuss von ihm.

„Sie ist das süßeste Mädchen auf der Welt.“

„Da haben wir beide zusammen hervorragende Arbeit geleistet“, kicherte Asami. Bei den Worten wir beide zusammen krochen erneut böse Erinnerungen an seinen Vater hoch, der am Tag von Hisakis Geburt sicher nicht so empfand wie er nun. Doch statt dass seine Depression ihn wieder zurück in dieses Loch zerrte, ließ der Überschuss an Glückshormonen nicht einmal zu, dass er solche Gedanken überhaupt zu Ende denken konnte.

„Wieso bist du eigentlich hier? Ich wäre auch zu dir ins Krankenzimmer gekommen.“

„Da gehe ich nicht mehr rein“, maulte Asami und lehnte sich an Hisakis Schulter. „Ich bin mit zwei anderen Frauen im Zimmer, die beide gleichzeitig Besuch bekommen haben. Ihre Babys plärren die ganze Zeit und sind umringt von der gesamten Verwandtschaft. Noch länger und ich werde klaustrophob.“

„Yuki wird auch die nächsten paar Wochen nur plärren.“

„Mein Baby plärrt nicht. Mein Baby ist etwas besonderes“, und wie aufs Wort begann Yuki zu wimmern. Bevor aber dieses Plärren zu einem Weinen oder einem Schreien übergehen konnte, begann Hisaki erneut sie wieder etwas zu schaukeln. Es erzielte seine Wirkung.

„Das werden abenteuerliche Wochen“, schnaufte Hisaki und beobachtete Yuki dabei, wie sie wieder eindöste.

„Böse Zungen sagen, die nächsten achtzehn Jahre würden sehr abenteuerlich werden.“

Asami lächelte, aber es färbte nicht auf ihren Mann ab. Stattdessen drifteten seine Gedanken ab und sie las seine Gedanken regelrecht von seiner Mine. Wenn Yuki irgendwann auch die Schnauze voll von ihren Eltern hatte? Wenn sie so wie er werden würde? Wenn auch sie ihn irgendwann anbrüllte, warum man sie hat auf die Welt kommen lassen?

Hisaki bemühte sich nicht zu zittern, um Yuki nicht zu wecken und er schaffte es auch, aber nur weil Asami näher an ihn rückte und ihre Hand behutsam auf seinen Arm legte.

„Du wirst ein guter Vater. Ich sehe euch zwei jetzt schon zusammen vor den NES sitzen und rumbrüllen.“

„Müsste es nicht heißen Wir werden sicher gute Eltern?“

„Ich weiß schon, dass ich eine gute Mutter sein werde. Oder möchtest du das in Frage stellen?“

„Dann wäre ich ja bescheuert.“

Sie lachten. Asami schloss irgendwann die Augen und döste wie ihre Tochter allmählich vor sich hin, nur Hisaki blieb wach, mit dem Gewicht von zwei Frauen auf ihm. Aber er fühlte sich glücklich. Er hätte nie geglaubt, dass er so einmal außerhalb der Digiwelt fühlen würde. Die Digiwelt war unerreichbar. Seine Freunde waren nicht mehr. Er hatte kaum mehr etwas, bis auf die Ungewissheit, was mit Tsukaimon war und die Sehnsucht, wenigstens zu wissen wie es ihm ging und der unmöglich erscheinende Wunsch seinem Digimon seine Familie zeigen zu können.

Und doch saß Hisaki hier und fing vor Glück an zu weinen.

 
 

𝅘𝅥𝅱

 

Sie waren eine kleine Familie, die nicht viel hatte aber weder Hisaki noch Asami haben das je als besonders schlimm empfunden. Noch vor Yukis Geburt waren sie in ein kleines Haus gezogen, dass sie Dank Vitamin B mieten konnten und trotz Ermangelung eines fahrbaren Untersatzes, machten sie mit Yuki so viele Ausflüge wie nur möglich. Yuki hatte sich schnell als ein sehr aufgeschlossenes Kind herausgestellt, dass man für so ziemlich alles begeistern konnte und schnell ihre Angst verlor, sobald man ihr erklärte, dass etwas, das grotesk erschien eigentlich vollkommen harmlos war (was natürlich die Folge hatte dass sie, als sie in der Lage war kleine Tierchen einzufangen, diese auch ständig mit ins Haus nahm).

Auch wenn ihre Freude an Büchern sich spät zeigte, hatte sie von klein auf eine große Vorliebe für Geschichten. Diese Vorliebe hatte Hisaki ihr vererbt und als leidenschaftlicher Geschichtenerzähler begann er früh Yuki Märchen vorgelesen. Er begann mit Alice im Wunderland, irgendwann arbeitete er sich durch die gesamten Märchen, die einst das Orchester durch die Digiwelt begleitete und manchmal widerstand er seinen eigenen Gedanken und Erinnerungen nicht, da vermischten sich die Märchen mit seinen Erfahrungen während der Typus-Apartheid. Vielleicht war sein Ton, vielleicht seine Mimik, aber etwas verriet Yuki da schon, dass ihr Vater über Dinge sprach, die er aus keinem Buch hatte.

Asami blieb die ersten achtzehn Monate zu Hause, um sich ganz um Yuki zu kümmern, während Hisaki zusehen sollte, dass er weiter an seinem Lehrerberuf arbeitete. Nach diesen eineinhalb Jahren arbeitete Asami wieder als Floristin, aber auf Teilzeit, um mehr zu Hause sein zu können. An ihren Arbeitstagen, wenn auch Hisaki in der Musikschule war kamen Asamis Eltern und kümmerten sich um ihr Enkelkind.

Hisakis Eltern weniger. Er hatte seine Eltern über Yukis Geburt in Kenntnis gesetzt und ihnen (auf etwas Nachdruck von Asami) Bilder der Kleinen per Post geschickt. Seine Mutter kam zwei- oder dreimal um ihre Enkelin zu sehen. Sein Vater kam nie. Aber Hisaki war es nicht schade drum. Seinen Vater in der Nähe seiner Tochter zu wissen würde ihn mehr beunruhigen und wie er seinen Vater einschätzte, würde er ohnehin keine Pflicht sehen, Yuki überhaupt als Enkelin anzuerkennen. Um so besser, wenn sie mit seiner Ablehnung nicht in Berührung kam. Dafür wollte Hisaki ihr all die väterliche Liebe geben, die er nie bekam. Sein Herz machte Sprünge, wenn er nach Hause kam und Asami und Yuki bereits auf ihn warteten. Sie hatten nie viel, aber sie machten das Beste daraus. Und sie waren glücklich. Hisaki war glücklich.

Sein Paradies bröckelte im Oktober 1994. Yuki bekam Fieber. Man dachte sich nicht viel dabei, schließlich ging um die Zeit bereits die erste Grippewelle um und sowohl Hisaki, als auch Asami hatten sich davor etwas eingefangen. Der Kinderarzt verschrieb ihr etwas, was aber nur bedingt half. Der Husten ließ nach, aber das Fieber und die Kopfschmerzen blieben. Der Kinderarzt verschrieb etwas anderes, was aber auch nicht half, nur dass sie müde und schlapp wurde. Man schob es auf die Medikamente. Hisaki wie auch Asami gingen in diesen Tagen nicht arbeiten und als zu Yukis Fieber Übelkeit dazukam und sie mitten in der Nacht zu brechen begann, zudem jammerte, dass sie nichts sah, brachten sie sie ins Krankenhaus.

Man gab ihr sofort Antibiotika und Infusionen. Der Verdacht lag bei einer Meningitis. Wie Yuki sich damit infizierte konnte nie geklärt werden. Die Ärzte sagten nur, dass sie fast unverschämtes Glück hatte. Der Verlauf war langsam und die Antibiotika schlugen gut an. Sie würde eine Weile im Krankenhaus bleiben müssen, aber sie würde sich davon erholen – doch um ihr Augenlicht zu retten kam die Hilfe zu spät. Die Ärzte hofften, dass dies nur temporär sei und sobald die Entzündung fort wäre, würde Yuki auch wieder anfangen können zu sehen.

Doch nichts half. Das wurde auch Yuki mit der Zeit klar. Man sah ihr an, dass sie trauerte, wie man Hisaki die Hilflosigkeit ansah. Sein kleines Mädchen war erblindet und er konnte nichts tun. Hatte er etwas falsch gemacht? Man sagte ihm, Meningitis würde durch Viren ausgelöst werden und Hisaki dachte gleich an seine Bronchitis. Er war gesund, aber die Viren waren in ihm und brachen aus, sobald er geschwächt war. Hatte er Yuki angesteckt?

Die Ärzte verneinte es und doch schob die Dunkelheit in Hisakis Herzen die Schuld auf ihn, um ihn wieder in dieses abgrundtiefe Loch zu ziehen.

„Das bleibt so, oder?“, fragte Yuki. Sie fragte oft und sie kannte die Antwort, aber sie schien zu hoffen, dass irgendwann irgendjemand etwas anderes antworten würde, doch dies geschah nie. Ihre Eltern machten sich in der Hinsicht auf keine Hoffnung und beschönigten es vor Yuki nicht. Es würde so bleiben und das war allen dreien klar.

„Kann ich nicht mehr mit meinen Freunden spielen? Darf ich keinen Ausflug mehr machen?“, fragte Yuki weiter geknickt. Asami wählte ihre Worte gut aus, doch ihr Mann war schneller. Etwas an ihm war auf einmal ganz anders. Obwohl Hisaki Yuki nur über den Kopf streichelte und seine anschließende Worte ihr Mut zusprechen wollten, löste die Aura, die Hisaki schlagartig umgab Unbehagen aus. Er wehrte sich. Er würde sich nicht wieder in diese Schwärze ziehen lassen. Er hatte Asami bereits einmal zum weinen gebracht, dass würde er bei seiner Tochter nicht zulassen.

Hisaki kroch also im selben Moment, als er in dieses Loch fiel wieder heraus, aber etwas zog er dabei mit sich an die Oberfläche. 

„Du kannst alles tun, was du zuvor auch getan hast, Yuki“, sprach er. „Nur über kleinere und größere Umwege. Aber es ist machbar. Wir müssen diese Umwege nur finden. Und wir müssen uns alle anstrengen. Du ganz besonders. Hast du verstanden, Yukino?“

Hisaki sprach Yuki vollen Namen nie aus, eigentlich nur, wenn sie etwas anstellte. Nun fühlte auch Yuki die Aura, die von ihrem Vater kam. Asami fiel ein, dass dieses Gefühl von einst kannte, als Hisaki noch ein Yankee war. Nur noch erdrückender. Seine Augen ein Loch, das Schauriges barg und sein nettes Lächeln vertuschte es. Zum ersten Mal machte ihr Ehemann Asami Angst.

Zu Beginn sagte Asami sich, dass alles vollkommen normal sei. Für Yuki war alles neu und natürlich war sie schnell mit den Dingen überfordert. Zu Essen fiel ihr schwer und Hisaki untersagte es Asami deutlich, auch nur auf die Idee zukommen ihr zu helfen. Einerseits dämpfte Hisaki dadurch ihre Fürsorge, mit der sie vielleicht irgendwann übertrieben hätte, nur der Ton den er dabei annahm gefiel ihr nicht. Aber sie schluckte es runter. Irgendwann aß Yuki ganz leicht mit Löffel alleine. Sie versuchte sich zu merken, wo alles stand und ging sehr vorsichtig die Treppe nach oben. Das Gefühl für einen Blindenstock gewann sie schnell. Mit dem herumtollen musste sie jedoch kürzer treten. Aber Hisaki fand Mittel und Wege, dass seine Tochter doch auf dem Spielplatz Spaß haben konnte.

Asami wünschte, die meiste Zeit wäre so gewesen, doch oft schimpfte Hisaki mit Yuki. Sie hatte früh mitbekommen, dass Hisaki ein strenger Lehrer sein sollte und nun, wo sie ihn so beobachten konnte glaubte sie das auch. Hisaki ließ seine Therapie schleifen. Für ihn war Yuki wichtig, was verständlich für ein Elternteil war, doch er übertrieb und Fehler verzieh er kaum. Hisaki war darauf bedacht Yukis Gehör und ihren Geruchssinn zu sensibilisieren und fing früh damit an. Er spielt Duft Memory mit ihr und stellte sie manchmal einfach ab und rief sie oder hatte eine Glocke, damit sie lernte die Position der Quellen zu bestimmen. Das missfiel Asami, schließlich war Yuki ein Kind und kein Hund. Wenn sie dann auch noch zu viele Fehler machte, weil sie unkonzentriert oder müde war, wurde er böse. Er schimpfte nicht, zumindest nicht laut. Schlimmer – er machte Yuki Angst. Würde sie sich nicht anstrengen und an sich arbeiten, würde sie immer ihrer Blindheit unterliegen und auf Hilfe angewiesen sein. Und Yuki spürte dann diese Aura wieder, die ihrem Vater dieses militärische gab, von dem Kollegen schon erzählten. Hisaki stand da wie ein Feldwebel, die zu Bosozoku-Zeiten schon.

„Du übertreibst mit deinem Training, weißt du das?“, schnauzte Asami eines abends. Hisaki, auf der Couch sitzend und die Nase in ein Buch gesteckt, mit Berichten über Personen, die selbst blinde Angehörige haben. Er sah auf, verstand aber den Grund für Asamis üble Laune nicht.

„Ich versuche mich nur weiterzubilden.“

„Darum geht es auch nicht. Aber du richtest Yuki ab.“

„Ich will ihr doch nur helfen.“

„Du machst ihr Angst! Merkst du das nicht?“

„Angst?“

Hisaki klappte das Buch zu. Er verschränkte wie Asami ebenfalls die Arme vor der Brust.

„Nie würde ich meinem Kind Angst einjagen.“

„Nun, das tust du aber. Du redest ihr ein, wenn sie nicht an sich arbeitet wird sie nie etwas mit sich machen können.“

„Das ist eine Tatsache. Ja, sie ist ein Kind, aber man muss ihr gleich klarmacht, dass sie etwas tun muss. Sie kann von der Blindheit nicht geheilt werden, aber sie kann lernen damit umzugehen und sich von ihrem Defizit nicht einnehmen zu lassen.“

„Aber warum denn jetzt schon? Sie hat genug Zeit das langsam alles zu lernen. Lass sie doch auch ein Kind sein!“

„Weil die Welt nun einmal kein Kinderspielplatz ist, Asami! Die Welt ist nicht nett. Die Welt neigt dazu öfters mal verrückt zu werden, also muss man lernen mit allen Wassern gewaschen zu sein.“

Es rumpelte und dieses Geräusch kam von oben. Hisaki sprang sofort von der Couch und war sogar vor Asami an der Treppe. Am oberen Ende saß Yuki, die mit den Tränen kämpfte. Sie war ausgerutscht.

„Schatz, was hast du macht?“

„Ich bin hingefallen, Mama. Ich habe die Stufe verpasst“, schluchzte Yuki und rieb sich das Schienbein. Aber sie stand gleich wieder auf. Ernsthaft verletzt schien sie nicht zu sein.

Asami atmete auf, bis ihr Mann neben ihr in die Knie ging, um auf Augenhöhe mit Yuki zu sein. Er sah ihr direkt in die Augen und wie er es tat ließ Asami eiskalt den Rücken runter laufen.

„Yukino, was habe ich dir gesagt?“

„D-Das ich aufpassen muss.“

„Richtig. Wieso tust du es nicht? Du kannst nicht so leichtsinnig umherlaufen. Du bist nun mal blind, also musst du aufpassen!“

„I-Ich weiß“, wimmerte Yuki und begann zu zittern.

„Mama und ich können nicht immer auf dich aufpassen. Draußen in der Welt läuft es nicht wie zu Hause. Da nimmt niemand Rücksicht auf dich.“

„Ich... w-weiß.“

„Hisaki, Schluss damit!“, flüsterte Asami und schüttelte den Kopf, Hisaki aber ignorierte sie weitgehend. Sie glaubte, die Temperatur im Raum sei gesunken. Sie fühlte sich plötzlich wie eingefroren.

„Du sagst dies immer, Yukino. Trotzdem gibst du dir nicht mehr Mühe.“

„Ich gebe mir Mühe, Papa. Wirklich!“

„Wäre es so, wärst du nicht ausgerutscht. Diesmal waren es nur ein paar Stufen. Nächstes Mal könnte es die ganze Treppe sein. Es könnte auf der Straße sein. Ich will doch nur nicht, dass du dich schwer verletzt oder dich jemand anfährt, aber du musst auch lernen, das Vorsicht keine Selbstverständlichkeit ist und du selbst auf dich achten musst. Wann begreifst du das endlich?“

Hisaki, hör auf!

Asami packte ihn an den Schultern, um ihn etwas zu drehen und kaum, dass er seiner Frau ansah, schlug sie ihm ins Gesicht. Hisakis Wange war rot und er stand mit offenem Mund da. Yuki hatte den Knall gehört, aber sie war sich nicht sicher, ob etwas umgefallen war, oder wirklich ein Schlag.

„Mama...? Papa..?“

„Alles gut. Komm Yuki, ich bring dich wieder ins Bett. Danach haben dein Vater und ich ein paar Dinge zu besprechen“, sagte Asami zu ihrer Tochter, wobei sich der letzte Satz ganz klar an Hisaki richtete. Sie nahm Yuki an die Hand, um sie zurück ins Kinderzimmer zu führen, sah aber dabei Hisaki lange wütend an, während er selbst nur überrumpelt stehen blieb und die Reaktion im ersten Moment nicht verstand. Zumindest war diese drückende Aura fort.

Asami ließ sich Zeit. Aber als sie die Treppe hinunterkam, hörte man allein wie sie auf die Stufen trat, dass sie geladen war. Hisaki saß auf der Couch, mit verschränkten Armen vor der Brust.

„Glaub nicht, dass ich mich für die Ohrfeige entschuldige“, knurrte Asami und kreuzte ihre Arme ebenso.

„Habe ich auch nicht erwartet.“

„Hisaki, das muss aufhören, auf der Stelle. Scheiß' auf deine Depressionen und deine Sorgen, ich schaue sicher nicht zu, wie du Yuki solche Sachen einredest.“

„Ich lege ihr nur die Tatsachen vor die Nase. Die Welt ist so nicht rücksichtsvoll und tolerant, wie es in Kinderbüchern immer dargestellt wird.“

„Denkst du wirklich, ich wüsste das nicht?“

„Gut. Und Yuki muss das auch begreifen.“

„Sie muss überhaupt nichts. Leben muss sie damit, ja, aber sie muss auch lernen aus der Situation das Beste zu machen. Aber du lässt ihr nicht einmal die Zeit es zu verdauen.“

„Und wann hätte ich damit anfangen sollen? In einem Jahr? In dreien? Zehn? Oder soll ich nichts tun, ist es das, was du willst?“

„Du solltest ihr beistehen und ihr nicht Angst machen oder sie für jeden kleinen Fehler tadeln. Yuki bemüht sich nicht weil sie es will, sondern weil du sonst mit ihr schimpfst! Du merkst nicht einmal, wie ähnlich du deinem Vater geworden bist.“

Mit einem Satz stand Hisaki nicht nur wieder auf beiden Beinen, sondern stand direkt vor seiner Frau. Er wollte sie an den Armen packen und schütteln für das, was sie ihm an den Kopf warf, aber tat es nicht, sei dahingestellt ob aus Liebe, Vernunft oder dem Willen zu beweisen, dass er nicht so war. Wegen jedem Fehler hatte sein Vater ihn getadelt.

Was immer Hisaki tat, es war nie genug. Sein vermeidlicher Vater hatte ihm klar gemacht, dass die Welt ungerecht war. Hisaki war nicht so. Er sagte es direkt. Er war ehrlich. Er liebte sein Kind. Er nahm die selben Worte wie sein Vater in den Mund, aber er hatte doch eine ganz andere Motivation. Yuki sollte nicht so zerbrechen wie er. Sie musste stärker werden wie er.

„Glaub nicht, dass du mir Angst machst“, zischte Asami, wenn es auch ein klein wenig gelogen war. „Bei deinen Schülern kannst du gerne den strengen, zynischen Lehrer raushängen lassen. Aber was Yuki braucht ist jemand, der sie bei der Hand nimmt und sie normal behandelt.“

„Sie ist aber nun einmal nicht ganz normal. Wenn sie aber normal leben will, muss sie auch etwas dafür leisten. Man bekommt nichts geschenkt, höchstens Mitleid. Und nur die Schwächsten ruhen sich darauf aus. Ich lass Yuki nicht so werden.“

„Du kannst aber nicht mit ihr reden, wie mit einem Erwachsenen! Sie ist gerade mal vier!“

„Um so besser, je früher sie es lernt!“

„Hisaki, verflucht, sie ist ein Kind, kein Soldat!“

Auf einmal schwieg Hisaki. Die Luft, die er aufgenommen hatte um weiter zu brüllen war ihm weggeblieben. Ihm war plötzlich schlecht geworden und seine Fingernägel kratzen über den Stoff seiner Jeans. Er setzte sich und saß so steif da, dass es weh tat.

„Ja. Kein Soldat. Natürlich nicht. Sie muss nicht so werden. Sie... sie kann ganz normal leben, obwohl sie anders ist, sehr, sehr anders, aber niemand wird sie deswegen verjagen oder wegsperren oder -“

„Hisaki, was redest du da?“, fragte Asami ernst und mit trockener Kehle. Vorsichtig setzte sie sich neben ihn und achtete darauf, ob etwas an ihm verriet, dass sie ihn lieber in Ruhe lassen sollte oder ob er nicht nun komplett durchgedreht war. Asami hielt ihre Arme eng an sich, versuchte ihm Mann in die Augen zu schauen, aber Hisaki blickte nur zu Boden.

„Hisaki...“

Er sagte nichts und weil er nichts sagte wagte Asami es, ihre Hand nach ihm auszustrecken, um Hisakis eigene halten zu können.

„Ich war eines der Kinder vom Wunderland-Fall“, sagte Hisaki urplötzlich, kurz bevor Asamis Finger seinen Handrücken berührten. „Das war Ende der 70er. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst.“

„Es dämmert etwas“, antwortete Asami. Ihre Erinnerungen waren verschwommen. Sie glaubte, als sie neun oder zehn war ging eine Geschichte von einer Gruppe verschwundener Kinder um und ihre Mutter und die in der gesamten Nachbarschaft hatten sich in die Sorgen hineingesteigert, ein pädophiler Entführer mache die Runde.

„Wir waren fort. Einfach weg. Wo ganz anders. Vier Jahren waren an uns vorbeigezogen, aber als wir wiederkamen, war gerade einmal ein Tag vergangen. Niemand hat uns geglaubt. Mir nicht, Natsu nicht, Kana und Soichiro nicht. Nicht einmal Touko oder Renta glaubte man. Sie sagten, dass das Einbildungen waren, unserer Eltern, die Lehrer, die Psychologen – es sind Hirngespinste, eine Fluchtwelt, aber das ist es nicht! Es ist alles so passiert! Dieser Krieg ist passiert. Tsukaimon ist...“

Hisaki begann heftig zu Schlucken. Das, was von seiner letzten Mahlzeit noch im Magen war kam ihm beinahe hoch, er konnte sich aber beherrschen. Da Asami nicht wusste, ob sie ihm beistehen oder weggehen sollte schreckte sie nur etwas auf, als sie aber merkte, dass es Hisaki gut ging, setzte sie sich wieder und sah zu, wie er in seiner Hosentasche rumkramte. Er holte sein Digivice heraus.

„Alles ist so passiert. Das hier ist der Beweis. Der Beweis, dass ich Kouta nicht helfen und zurück lassen musste. Wir können niemanden sagen, was ihm zugestoßen ist. Und Tsukaimon musste ich auch zurücklassen. Dabei wartet er doch...“

„Tsukaimon? Wer ist das?“

„Er... er ist mein Freund. Er ist wie ein Bruder für mich. Wir waren so lange alleine. Im Krieg hatten wir nur einander. Ich war ein Kind und er, er war einfach anders. Man hat uns nicht ernst genommen, aber wir haben gekämpft.“

„Krieg?“

Asami hatte die Worte wiederholt, konnte aber nicht fassen, dass sie da wirklich sagte. Vielleicht verhörte sie sich ja nur, schließlich sprach Hisaki so leise, aber schnell, während er in seinen Erinnerungen versank.

„Was ist passiert, Hisaki?“

„Du wirst mir nicht glauben“, sagte er nur scharf und zog Luft ein. „Niemand tut es, weil es so absurd klingt. Absurder wie Alice im Wunderland...“

Dann starrte Hisaki nur noch, mitten in einem Satz, der aber zu leise war, als dass Asami ihn hätte hören können. Er starrte an die Wand, aber in seinem Kopf lief die kleine Alice dem weißen Kaninchen nach, doch dass weiße Kaninchen war lila, Tsukaimon, Tsukaimon rannte einfach weg und er war Alice und schafft es nicht ihn einzuholen, er rannte einfach weg, weg weg -

„Erzähl es mir bitte“, sagte Asami vorsichtig und nahm Hisakis Hand. Er erwiderte die Geste nicht.

„Du wirst mir nicht glauben.“

„Selbst wenn es so ist, will ich es hören. Bitte.“

Seine Hand, die von Asamis gehalten wurde bewegte sich etwas, damit Hisaki zumindest mit dem Daumen über ihre Finger streichen konnte. Es schien unmöglich für ihn es zu sagen. Sein Hals kratzte und selbst wenn er es schaffen würde, würde es die ganze Nacht dauern. Als Hisaki aber irgendwann doch anfing, flossen die Worte aus seinem Mund wie ein Wasserfall. Er stotterte nicht, machte keine Pause. Er erzählte und erzählte. Alles was in diesen nicht zu existierenden vier Jahren geschehen war. Mit leicht geöffnetem Mund und weit aufgerissenen Augen hörte Asami zu. Sie unterbrach ihn nicht einmal dabei, auch wenn sie fragen hatte. Sie glaubte ihm nicht. Man sah es ihr an.

„Ja, ich kann mir das alles nicht vorstellen."

„Das war zu erwarten", seufzte er, aber Asami hielt weiter seine Hand. 

„Es ist wie du sagtest, Hisaki. Es klingt wie aus einem deiner Märchenbücher. Aber ich glaube dir, wenn du sagst, dass dir dies widerfahren ist. Ich sehe, wie sehr es dich schmerzt. Du würdest dir so etwas nicht ausdenken, nicht einmal unterbewusst.“

Sie drückte seine Hand fester und war eher den Tränen nahe, als Hisaki selbst. Er würde nicht behaupten, dass er sich besser fühlte, aber noch einmal zu hören und zu erzählen, was geschehen war ließ die Wahnvorstellung versickern, dass die Digiwelt und Tsukaimon doch nur in seinem Kopf war. Sie waren echt. Natürlich waren sie das. Das wusste er doch.

„Ich verstehe vielleicht, warum du über manches so denkst. Aber das darf kein Grund sein. Yuki ist nicht du. Also behandle sie so, wie es für sie richtig ist und nicht wie du es als richtig empfindest. Der Zweck heiligt nie die Mittel. Das denkst du doch auch, oder?" 

Hisaki nickte nur schwach. Er versprach Asami, Yuki gegenüber nicht mehr laut zu werden, nicht wegen so was. Dass sie lernte selbstständig zu sein war wichtig, doch wenn sie Angst hatte würde es ihr nur mehr schaden. Asami hatte Recht, er klang wie sein Vater. Die Motivation sei dahingestellt. Er klang und sprach wie sein Vater und Yuki stand verwirrt und verängstigt da und vielleicht gab sie sich eine Mitschuld, so wie Hisaki damals, wenn er für Dinge ausgeschimpft wurde, die er nicht begriff.

Und er würde seine Therapie wieder aufnehmen, die er vernachlässigt hatte.

Statt gleich an diesem Abend ins Bett zu gehen, verirrte sich Hisaki noch einmal in Yukis Zimmer. Sie schlief und nachdem Hisaki sie lange ansah, feststellte, dass ihre Wangen noch immer leicht rot vom weinen waren kniete er sich neben ihr Bett, legte seinen Oberkörper auf die Decke und den Arm um den Körper seiner Tochter. Zwar war er bedacht darauf gewesen Yuki nicht zu wecken, doch sie wachte auf und tastete um sich, bis sie ihre Hand in Hisakis Haarschopf vergrub.

„Papa...?“

„Ich wollte dich nicht anschreien, Yuki“, hauchte ihr ins Ohr. „Ich will das nicht. Das waren die grauen Gedanken in meinem Kopf, Yuki. Sie reden mir ein, dass es dir schlecht geht. Das ich ein schlechter Papa bin, weil ich dir nicht helfen kann. Die grauen Gedanken im meinem Kopf lassen mich glauben, dass ich wieder in einem fernen Land sei, wo jeder gegen jeden kämpft. Dein Papa war mal ein Soldat, Yuki. Dein Papa hat als Soldat so viele böse Dinge gesehen...“

„Soldat...?“, wiederholte Yuki, wenn sie auch nicht verstand, was der Begriff bedeutete. „Ein Soldat kämpft gegen andere, um andere zu beschützen. Das glaubte ich zumindest. Es ist so absurd und verrückt. Es macht verrückt. Dein Papa ist genauso verrückt, Yuki. Ich denke immer nur das Schlechteste von der Welt, deswegen werden die grauen Gedanken immer dichter. Und je dichter, um so schlechter denke ich und so weniger sehe ich. Ich will aber nicht, dass du so denkst wie ich. Ich will nicht, dass du weinst. Wenn du mich hasst, verstehe ich das. Ich bin ein furchtbarer Papa...“

Hisaki rückte sich näher an Yuki. Im zarten Licht ihres Mobiles (sie ließen es nicht an wegen dem Licht, aber Yuki hörte, wenn es an war oder nicht und das Geräusch, wie es sich drehte beruhigte sie) sah man, dass Yuki auch feuchte Augen hatte. Jedoch war sich Hisaki uneinig ob sie wirklich traurig war, oder ob sie nur aus einer Art Solidarität heraus mit ihrem Papa weinte. Hisaki gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Wir müssen uns beide anstrengen. Ich hab dich lieb, Yuki. Ich hab dich lieb, egal wie du bist.“

„Ich hab dich auch lieb, Papa“, hauchte sie und drückte sich an Hisaki. Sein Herz machte einen Sprung, eine Träne lief über sein Gesicht. Yuki war nicht wie er. Nie hätte Hisaki das zu seinem Vater gesagt, hätte er sich entschuldigt. Yuki war anders. Darüber war er so froh.

„Papa... Wer ist Tsukaimon?“

Hisaki Augenbrauen hoben sie überrascht und auf die Sekunde waren die Tränen weg. Sie hatte es also mitbekommen. Aber wie viel? Und hatte sie es verstanden? 

„Wer ist Tsukaimon, Papa?“

„Tsukaimon ist -“, sein Blick fiel auf das Buch ALICE IM WUNDERLAND, das er wieder in Yukis Zimmer gebracht hatte, „- er ist der Schwarze König.“

„Alice' Schwarzer König?“

„Ja, genau der. Tsukaimon schläft tagsüber sehr viel. Aber wenn er aufwacht kann er auch sehr mächtig und furchteinflößend sein.“

„Das ist nicht nett“, sagte Yuki und zog die Decke hoch. „Ist der Schwarze König gemein?“

„Nein, nicht wirklich. Er tut so, als wäre er gemein, damit seine Feinde Angst vor ihm haben. Dein Papa war mit dem Schwarzen König im Krieg. Aber für jene die er gerne hat tut er alles, damit ihnen kein Leid widerfährt. Dann ist er ganz freundlich und charmant und lustig, obwohl er immer ganz, ganz ernst ist.“

„Dann mag ich ihn“, jauchzte Yuki und lachte, als Hisaki sie zu kitzeln begann. Er blieb die ganze Nacht bei ihr, erzählte Yuki mehr von Tsukaimon, auch wenn sie irgendwann einschlief.

Asami stand im Türrahmen und schaute zu, wie ihr Ehemann neben ihrer gemeinsamen Tochter schlief. Sie ließ ihn dort und warf lediglich eine Decke über seine Schultern. Dann jedoch legte sie sich daneben, schnaufte tief. Der Abend war lang gewesen und es lag viel Arbeit vor ihnen. Aber sie glaubte daran, dass sie es schafften. Yuki war stark, dass hatte man ihr früh angemerkt. Hisaki hingegen brauchte eine Stütze. Er brauchte seine Familie. Asami war überzeugt, er würde das schaffen aus diesen Abgrund, in den er sich selbst hinein geworfen hatte wieder herauszukommen.

 
 

𝅗𝅥

 

Drei Monate später war Hisaki immer noch nervös. Aber er bemühte sich und hatte seine Therapie wieder angefangen. Seine größte Inspiration war seine Tochter. Unglaublich, dass sie besser mit ihrer Blindheit klarkam, als er mit seinen Depressionen und es war beruhigend und aufbauend, dass Asami ihm keinen Vorwurf machte. Sein Bestreben locker zu bleiben war nicht leicht. Die Sorge um Yuki zu groß. Und sie doch auf dem Spielplatz spielen zu sehen löste Unbeschwertheit in ihm aus und Erleichterung. Yuki baute keine Sandburgen, aber sie mochte das Gefühl Sand in der Hand zu halten oder den Wind in den Haaren zu spüren. Sie war im spielen etwas langsamer und musste sehr vorsichtig sein, aber sie hatte dennoch Spaß und das war für ihre Eltern das Wichtigste.

„Wenn man sie so sieht denkt man gar nicht daran“, seufzte Asami zufrieden, während Yuki im Sandkasten saß. Hisaki nickte nur. Es war ein Mittwoch, beide hatten frei und genossen daher zusammen den relativ warmen Märztag. Die Bäume bekamen schon kleine grüne Knospen und Hisaki träumte bereits davon, mit seiner Familie unter den Kirschblüten zu sitzen. Hisaki sah zu Asami hinüber, die dies bemerkte und zurücklächelte, was er aber erst nicht erwiderte.

„Was?" 

„Du wirkst so ausgeglichen." 

„Das täuscht. Du glaubst nicht, was momentan im Geschäft los ist." 

„Ich wollte auf etwas anderes hinaus", murmelte Hisaki zurückhaltend. Er zögerte etwas und richtete sich den Kragen seines schwarzen Mantels.

„Bist du zufrieden, Asami?"

„Zweifelst du daran?", fragte sie verwundert.

„Na ja, wir haben über die Sache von vor drei Monaten nicht mehr geredet. Ich weiß, mit mir ist es nicht einfach."

„Stimmt", meinte Asami trocken und Hisaki verzog nun verwundert das Gesicht, während Asami nun schwieg und wieder Yuki ansah. Da sie aber merkte, dass Hisaki sie immer noch anstarrte widmete sie sich wieder ihm.

„Das ist alles?" 

„Was möchtest du denn hören, Hisaki?"

„Ich weiß es nicht. Ich denk nur... Andere Paar streiten sich nicht so wie wir."

„Die, die das behaupten lügen. Ich bin eine Frau, ich rieche das. Du siehst sie lächeln, aber ich spüre, dass sie sich davor gefetzt haben, wegen irgendwelcher Banalitäten und sobald sie wieder unter sich sind geht es weiter", erklärte Asami. „Ich streite mich mit dir, weil du manchmal Dinge denkst, die dich nur wieder in ein Loch ziehen und du mir nun einmal nicht egal bist. Wärst du mir egal, würde ich einfach schweigen um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Alle ein, zwei Monate mal einen Arschtritt zu bekommen tut dir gut und wenn dein Therapeut das schon nicht macht, dann eben ich."

„Nett. Aber wäre es dir nicht lieber, wenn ich wieder so wäre wie damals?", fragte Hisaki vorsichtig und sah Yuki zu, wie sie undefinierbare Figuren aus Sand baute. „Da war ich wesentlich taffer und cooler."

„Nein, du warst früher nur eingebildeter und launischer", meinte Asami und Hisaki verengte beleidigt die Augen.

„Wieso nochmal wollte ich dich Kratzbürste heiraten?"

„Also ich wollte dich heiraten, weil du Ausstrahlung hattest. Du warst eigen und irgendwie schrullig. Das bist du immer noch, dafür brauchst du kein Boss einer Bosozoku-Gang zu sein. Auch wenn du mich zur Weißglut treibst, wegen einzelnen Tagen die nicht wunderbar verlaufen, würde ich die Zeit, die wir drei glücklich verbringen nicht hergeben wollen. Ich liebe dich Angeber so wie du bist."

„Ich liebe dich auch... Kratzbürste."

Sie rückten näher aneinander. Asami beobachtete wieder Yuki, Hisaki hingegen sah zum Himmel hoch und durch die Wolken durch, wo an einigen Stellen sogar noch den hellblauen Himmel sehen konnte. Asami schubste ihn.

„Träumst du wieder?“

„Bist du einen anderen Zustand von mir gewohnt?“

„Nein, aber ich würde manchmal gerne wissen, was du so in deinem Verstand ausbrütest. Yuki hat schon eine überaus rege Fantasie und von mir hat sie das nicht“, lachte Asami. Als Hisaki seine Augen öffnete um mit ihr zu lachen, sah er jedoch ein schelmisches Grinsen auf Asamis roten Lippen, was Verlegenheit in ihm auslöste.

„A-Also ich denke bestimmt nicht das, was du denkst.“

„Und was denkst du, was ich denke?“, sagte sie noch breiter grinsend. Hisaki versuchte sich mit Mimik und Gestik zu artikulieren, denn den Mund bekam er nicht auf, bis Asami näher an ihn heran rückte und ihre Hand auf seinem Bein ablegte. Seine Hand schob Hisaki unter ihre Jacke und strich ihr über den Rücken.

„Wenn Yuki so weiter im Sand spielt müssen wir sie heute Abend in die Wanne stecken.“

„Das müssen wir wirklich“, entgegnete Hisaki, die Hand weiter unter der Jacke, während er und Asami Yuki beobachteten und sich auch bei ihm der Ansatz eines Grinsens zeigte.

„Ihr macht das sicher Spaß. Nur macht sie baden immer so müde.“

„Dann müssen wir sie wohl früher ins Bett bringen, wenn sie so müde ist.“

„Ja, das werden wir wohl müssen“, und dass sprach Hisaki in einer überaus künstlichen, besorgten Stimme aus und sah Asami dann in die Augen. „Was sollen wir zwei dann nur den ganzen restlichen Abend machen?“

„Hm, ich weiß nicht.“

Asami hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann legte sie beide Hände um sein Gesicht.

„Aber du wirst doch nichts unanständiges im Kopf haben?“

„Niemals würde ich das. Aber angenommen, es wäre doch so?“

„Dann fürchte ich, muss ich zur Strafe Yuki übers Wochenende bei meinen Eltern schlafen lassen, während du mich ganz allein am Hals hast.“

„Wie schrecklich grausam von dir. Und du glaubst, mit deinen kleine Spielchen hättest du Erfolg?“

„Deinen Händen zu urteilen habe ich das...“

Hisaki ließ sich noch zu einem weiteren Kuss hinreißen. Doch als er gerade noch den anderen Arm um Asami legen wollte, schreckt ihn etwas auf. Ihm war, als hätte er ein Bellen gehört. Er hob den Kopf, sah sich um und er dachte, er hätte zwischen den Bäumen einen Hund gesehen. Doch es war kein Hund und die Gewissheit bekam Hisaki, als er sein Digivice hörte. Da war ein Dobermon durch die Bäume gelaufen.

„H-Hisaki, wo gehst du hin?“, rief Asami ihm nach, blieb aber noch einen Moment sitzen. Hisaki ignorierte sie aber und rannte dem Dobermon nach. Er sah es, es lief da einfach entlang, jedoch schien es niemanden zu kümmern. Niemand sah dieses Digimon, obwohl es deutlich zu groß für einen normalen Hund war. Hisaki hatte es fast eingeholt, doch das Dobermon verschwand auf einmal vor seinen Augen, als es den Park verließ und dabei auf die Straße lief. Es hatte sich einfach aufgelöst und ungläubig starrte Hisaki geradeaus, während etwas weiter die Straße runter die Ampel verrückt spielte und mehrere Autos in der Ferne hupten.

Hatte er sich das vielleicht doch nur eingebildet? Aber warum hatte sein Digivice Alarm geschlagen? Genau wie an dem Tag, als Soichiro seinen tödlichen Unfall hatte. Und die Ampeln.

(Tsukaimon was ist bei euch da in der Digiwelt los?)

Asami holte ihn schließlich ein und legte die Hand auf seinen Rücken. Sie fragte jedoch nicht, obwohl ihr die Worte auf der Zunge lagen. Sie bemerkte das Digivice in Hisakis Hand und wusste gleich, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Hisaki sah nicht aus, als würde er in eine Phase fallen, wie Yuki sie schon nannte. Doch er machte sich Sorgen, große sogar und Asami glaubte zu wissen, dass es dabei um seinen ominösen Freund ging.

Der Schrei ihre Tochter ließ beide zeitgleich aufschrecken.

„Yuki?“, riefen beide, wenn es auch sinnlos war, sie waren zu weit weg um in Yukis Hörweite zu sein, dafür rannte sie auch gleich los.

Denn während Hisaki dem geisterhaften Dobermon nachgegangen war, hatten neben Yuki ein Trio von Jungs, die in ihrem Alter waren die Rutsche für sich beansprucht und bei dem Geräusch des wallendes Bleches wollte auch sie rutschen. Langsam und mit ausgestreckten Händen hatte sie sich auf den Weg gemacht, war ganz langsam die Stufen hochgegangen, aber als sie sich hinsetzte bekam sie doch Angst. Was wenn sie unten ankam, wieder im Sand landete, aber alleine nicht hochkam? So oder so ähnlich waren ihre Gedankengänge, während sich hinter ihr ein Stau bildete und einer der Jungen schließlich die Geduld verlor und Yuki kräftig schubste. Sie rutschte teils auf dem Bauch hinunter und fiel unten nochmal hin. Die Jungen fanden es witzig und lachten, als Yuki unbeholfen und orientierungslos versuchte wieder aufzustehen, aber Probleme dabei hatte wieder auf die Beine zu kommen.

„Guckt mal, die kann nicht mal richtig laufen.“

„So ein Baby!“, lachten sie drei Jungen sie aus, das hörte Hisaki und auch wenn die drei nicht wussten, dass Yuki blind war packte ihn die Wut. Yuki stand auf, während ihrer Mutter und ihr Vater sich bereits darauf einstellten, diesen Jungen die Hölle heiß zu machen, egal ob sich deren Eltern beschweren würden oder nicht. Yukis aufgelöstes Gesicht legte sich doch plötzlich in Falten und eine Hand griff in den Sand. Ehe ihre Eltern auch nur den Rand des Sandkastens berührten, lief Yuki mit ausgestreckter Hand auf das Gelächter zu, bis sie das Gesicht eines der Jungen ertastete und ihm den Sand, den die in ihrer anderen Hand hielt an den Kopf schlug.

Abrupt wie das Gelächter aufhörte blieben auch Yukis Eltern mit offenem Mund stehen. Die drei Jungen waren verwirrt und verblüfft, während Yuki weiter böse schaute. Plötzlich und unerwartet hielt sich Asami an Hisakis Mantel fest und fing an laut loszulachen und keine Sekunde später fing der Junge, dem Yuki den Sand an die Schläfen gehauen hatte an zu heulen.

Hisaki, noch sichtlich irritiert von dem Ereignis und sich fragend, wie Yuki es geschafft hatte so gut und effektiv zu treffen, blickte auf seine Frau hinunter, die sich vor Lachen bereits krümmte. Dann begann auch er zu schmunzeln, denn er wusste nicht, wie er sonst reagieren sollte. Zumindest bis die Mutter des Jungen kam und auch gleich Hisaki erblickte.

„Sind Sie der Vater? Schämen Sie sich eigentlich nicht?“, schimpfte die Dame. Vor Wut darüber, dass Asami lachte und Hisaki grinste, zog sie Luft durch ihre Nase und ihre Augenbrauen weiter nach unten.

„Ihre Tochter schmeißt mit Sand auf andere Kinder und Sie lachen?!“

„Entschuldigung“, sagte Hisaki – Asami kicherte immer noch –, grinste weiter, dann ging er zu Yuki und nahm sie auf seinen Arm. „Meine Tochter hat das nicht mit Absicht gemacht.“

„Sie hat meinem Jungen an den Kopf gehauen! Halten Sie mich für blind?!“

„Natürlich nicht. Nur meine Tochter selbst ist blind. Daher schließe ich, dass es nicht ihre Absicht war auf den Kopf zu zielen. Oder denken Sie das vielleicht doch?“

Hisaki sprach so ruhig und gelassen, dass Asami fast wieder lachen musste. Die Frau vor ihm befand sich jedoch in einer Art moralischen Sackgasse. Es wäre ihr volles Recht Hisaki anzubrüllen und er hätte es ihr nicht einmal übel genommen. Umgekehrt hätte er auch so reagiert. Doch stattdessen schwankte die Frau zwischen eben diesem und der Frage, ob man so über ein behindertes Kind reden und es einfach so ausschimpfen durfte. Somit beförderte sich sie sich selbst ins Aus, als sie letztlich entschied einfach ihren Sohn zu nehmen und zu gehen. Die beiden Freunde des Jungen gingen hinterher und Hisaki grinste immer noch, diesmal sehr schadenfroh.

„Hast du gut gemacht, Häschen. Lass dir bloß nichts gefallen, von gar niemand, okay?“

„Ja“, jauchzte sie fröhlich. Asami zog sich an Hisaki hoch. Sie hatte aufgehört zu lachen, aber sie schnappte noch nach Luft und hatte schon Bauchschmerzen.

„Es war aber nicht richtig. Man darf anderen nicht einfach so weh tun, Yuki.“

„Dann war das böse, Mama?“

„Nein, war es nicht. Wehren ist gut.“

„Wehren darfst du dich, Yuki. Nur sollst du nicht zuerst und immer gleich zuhauen, wenn dir etwas nicht gefällt“, fügte Hisaki zu und Yuki sah nachdenklich aus. „Es reicht manchmal schon, wenn du denjenigen laut und klar sagst, dass du etwas nichts magst. Die meisten rechnen nämlich nicht damit, dass man sie ausschimpft. Und gerade weil du nichts siehst, muss du sehr klar sein.“

„Klar...?“

„Ach, das lernst du schon noch“, sagte Asami optimistisch. Hisaki setzte derweil Yuki wieder auf ihre Beine und wurde von ihm und Asami an die Hand genommen. Sie liefen nur wenige Schritte, dann blieb Hisaki wieder stehen, schaute zurück zu dem Weg, wo zuvor das Dobermon war. Er glaubte etwas gehört zu haben.

„Hisaki?“

„Papa, was ist los?“, fragten Asami und Yuki. Der Druck von Yukis Hand, die seine hielt wurde fester. Ein kalter Wind, der für Anfang März viel zu sehr nach Winter und Schnee schmeckte umkreiste ihn.

„Nichts. Alles gut“, sagte er, doch keine der beiden glaubte ihm. Dann nahm er Yuki und setzte sie auf seine Schultern.

„Wir fliegen nun nach Hause."

„Ja, fliegen", jauchzte Yuki glücklich und Hisaki lachte, rannte und drehte sich mit seiner Tochter auf den Schultern, um seine Besorgnis zu kaschieren, worauf Asami allerdings nicht hereinfiel.  

Ihre Bedenken bewahrten sich schließlich zu Hause. Bis sie dort waren, war es dunkel und nachdem sie Yuki in die Badewanne steckte, setzte Hisaki sich an den Computer, mit den fadenscheinigen Ausrede, dass er noch etwas für die Arbeit machen müsse. Zwar hatte er ein Dokument geöffnet, dies war allerdings schon älter und nur sein Alibi. Eigentlich tat Hisaki nichts wie die Musik auf seinem Rechner abzuspielen. Es war das Musikstück von Vivaldis Winter von Rentas Diskette. Es klang nicht wirklich nach einem Klavier, viel zu elektronisch, aber authentisch. Nachdem Rentas Brüder mehr Anteile an der Firma erlangten und sein strenger Vater immer weniger Einfluss hatte,schaffte er es, dass Natsu dort eingestellt wurde. Sie beide zusammen hatten versucht nicht nur die Dateien zu modifizieren, sondern wohl auch damit von selbst in die Digiwelt zu kommen, doch beide starben vor dem Durchbruch. War es Zufall? Oder starben sie, weil sie jemand daran hindern wollte? Starb Soichiro,weil er so oft versuchte das Tor in Hikarigaoka zu durchqueren? Starb auch Kana deswegen oder weil sie die Hoffnung bewahrte doch irgendwann auf Floramon zu stoßen? Starb Touko deswegen?  

Hisaki glaubte nicht, dass diese Datei allein etwas bewirken könnte und doch hoffte er, diese Daten würden ihren Weg irgendwie in die Digiwelt finden – und hätten vielleicht Tsukaimon erreichte. Aber Hisaki, der schon zum achtzehnten Mal auf PLAY mit dem Mauszeiger drückte verlor allmählich den Glauben, dass das irgendetwas brachte. Missmutig ließ er sich in seinen Bürostuhl sinken.

(Tsukaimon was ist bei euch da in der Digiwelt los?)

Seit er damals Daigo traf wurde er die Befürchtung nicht los, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Warum bekam er keine Nachricht? Warum hatte man ihn oder Touko nicht gerufen, anstatt neue Kinder zu holen? War es, weil er erwachsen war? Weil er depressiv war? Weil er Zweifel hatte? Bei allen Mächten, er würde alles dafür geben, nur um zu wissen was in der Digiwelt geschah. Oder Tsukaimon. Er saß hier und hatte ein doch schönes Leben mit Frau und Kind, wusste aber nicht, was sein Digimon tat. Ob Tsukaimon auch so etwas wie eine Familie hatte? Dachte er auch an ihn und fühlte sich wie der mieseste Freund der Welt, weil er zufrieden mit seinem Leben war?

Touko sagte vor ihrem Tod oft genug zu ihm, dass er davon wegkommen musste und sie hatte Recht. Tsukaimon würde ihm sicher nur das Beste wünschen, so wie er ihm selbst auch.

Hisaki spürte Asamis Gewicht auf sich, als sie ihn von hinten umarmte.

„Ich habe Yuki ins Bett gebracht. Sie schläft jetzt schon wie ein Murmeltier.“

„Ich bin auch gerade fertig geworden“, schnaubte Hisaki, schloss das Programm und fuhr den Computer runter. Er drehte sich zu Asami um, während er sich dabei über das Gesicht rieb. Seine Bewegung stoppte bei Asamis Figur in dem Bademantel, diesen verdammt kurzen Bademantel, der gerade so noch das nötigste verdeckte und sie wusste ganz genau, wie sehr Hisaki es gefiel, wenn sie den trug – und sonst nichts.

Asami beugte sich vor und stützte ihre Hände auf seinen Knien ab.

„Irgendwie habe ich auch Lust auf ein Bad bekommen und ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht etwas helfen könntest. Ich bin so verspannt, weißt du?“

„Natürlich bin ich dir sehr gerne behilflich. Ich kann dir gerne den Rücken einseifen?“

„Nur das?“

Ihre Augen kamen sich näher. Während Hisakis Blut rasend durch die Venen schoss, kam ihm noch einmal der Gedanke an Touko zurück. Ja, Tsukaimon hätte gewollt, dass er glücklich war. Nicht, dass er in seiner Sorge und der Besessenheit, wieder in die Digiwelt zu kommen seine Frau und sein Kind vernachlässigte.

Das unnatürliche, bläuliche Licht des Computers erlosch in dem Moment, als Asami Hisaki an der Hand nahm und er sich kichernd von ihr mitziehen ließ.

 
 

𝅘𝅥

 

„Ich möchte auch spielen“, sagte Yuki eines Tages ganz ernst an einem der seltenen Tage, an denen Hisaki aus reiner Lust und Laune auf dem Klavier spielte. Yuki saß auf dem Boden, mit Snowball und Kitty bei sich liegen und es schien, als würde sie Hisaki böse anfunkeln.

„Ich möchte auch Klavier spielen, Papa. Kann ich Klavier spielen lernen? Oder kann ich nicht?“, fragte sie weiter, nun weniger ernst.

„Na ja“, fing Hisaki an. „Ich glaube, das geht schon. Aber natürlich nicht so schnell wie normalerweise. Du weißt ja wieso.“

Yuki nickte ärgerlich. Sie schnitt das Thema auch nicht mehr an, obwohl Hisaki seiner Tochter ansah, wie ihr das Herz bei der Klaviermusik aufging. Manche Dinge waren doch erblich und die Leidenschaft für Musik hatte er seiner Tochter natürlich vererben müssen. Hisaki zweifelte aber nicht einmal daran, dass Yuki es lernen könnte. War Beethoven nicht sogar taub? Warum sollte sie es also nicht?

Es war nicht Yukis Handicap, dass Hisaki sauer aufstoßen ließ. Aber es gab zu viel Schlechtes, was Hisaki mit der Musik verband von dem er Angst hatte, dass dieses Schlechte auch irgendwann Yukis Pfad kreuzen könnte. Er hatte Yuki einmal an das Klavier gesetzt, damit sie ein Gefühl dafür entwickeln konnte und es hatte einen faden Beigeschmack. Hisaki sah sich, statt Yuki da sitzen, der versuchte, seinen Vater zu imponieren. Wenn sein eigener vermeidlicher Vater hörte, dass Yuki auch spielte und gar ihr unterstellen wollte, sie beide täten es, um seine Gunst zu gewinnen, die Hisaki alleine nie erzielen konnte?

Wenn der Troubadour ihr Spiel hören würde? Würde er sie statt Hisaki zu sich holen?

Auch wenn Yukis Bewunderung ihn ehrte, wenn Hisaki aber ehrlich war, war es ihm lieber, wenn Yuki die Finger davon ließe. Doch ihren Wunsch gänzlich zu ignorieren widerstrebte seinen väterlichen Gefühlen. Asami riet ihm, Yuki zu lassen und er würde zu viel hineininterpretieren. Wenn Yuki schon etwas aus eigenem Antrieb tun wollte, sollte man das nicht unterstützen? Und trotz seines Widerwillens hatte sich Hisaki schlau gemacht, was für Möglichkeiten es gab. Es gab Klaviere die mit Braille-Lettern bestückt waren, die ihr halfen fürs erste die richtigen Noten zu treffen. Aber irgendwann würde sie die auch nicht mehr brauchen. Es gab ja auch Noten in Blindenschrift. Er wüsste sogar, wie er an so etwas käme. Allerdings müsste er seinen Vater dazu anrufen.

Ach ja, Blindenschrift, dass musste sie ja auch erst lernen. Könnten anstrengende Monate werden. Aber so wie Hisaki Yuki einschätze, würde sie sich sicher dafür begeistern können, er musste es nur reizvoll verkaufen. Sie war energisch, neugierig. So ganz anders wie er selbst als Kind.

Er machte sich zu viele Gedanken. Und vielleicht war es wirklich an der Zeit, dass er und sein Vater...

„Hey, Amano!“, rief Hisakis Arbeitskollege Takashi, den er einst nur als Shinozaki kannte und schlug ihn dabei auf die Schultern, während er auf den Zug wartete, um noch rechtzeitig zur Lehrerkonferenz zu erscheinen. Er hatte die Soldiers zwei Jahre nach ihm verlassen, war auch Lehrer geworden und musste seitdem eine 180°-Wende gemacht haben. Erwachsen werden war etwas Komisches.

„Hi. Du bist auch angerufen worden?“

„Ja, dabei hatten ich und meine Verlobte etwas vor. Mann, war die sauer. Aber ich hab mir als Entschädigung etwas besonderes für Morgen einfallen lassen.“

„Dann viel Glück“, sagte Hisaki lächelnd.

„Hat deine Frau auch geschimpft?“

„Asami schimpft nicht. Sie ist Profi darin mir ein schlechtes Gewissen einzureden.“

„Dann musst du dir auch etwas besonderes einfallen lassen.“

„Oh, ich weiß sogar was. Nun, eigentlich wäre es für meine Tochter, aber ich weiß, dass Asami hellauf begeistert wäre, wenn ich das umsetzen würde.“

„Woah. Dann spuck aus.“

„Also -“

Hisaki verstummt als sich der Wind drehte, wo auch immer dieser herkam. Aber es war ein komischer Wind. Übelriechend und schwer. Er hatte das Gefühl etwas bewegte sich in der Luft, was aber kein Wind war. Eine Präsenz. Eine Aura, die nur er zu spüren schien und Angst weckte. Und was immer es war, es labte sich an seiner Angst. Hisaki fühlte sich beobachtet. Das kam ihm so bekannt vor. Diese Aura hatte er schon einmal gespürt, aber das war unmöglich.

Aber was sollte es sonst sein? Es konnte nichts anderes sein. Niemals würde er diese Beklommenheit vergessen. Dieses Flüstern, dass die grauen Gedanken in Hisakis Psyche zum wuchern brachte.

„Apokalymon...“

„Hä, was?“, sagte Takashi und rüttelte an Hisaki. „Was hast du gesagt, Amano? Du hast so undeutlich gesprochen, ich habe kaum etwas verstanden.“

„Nichts. E-Es war nicht wichtig.“

„Aber du bist ganz blass. Ist dir schlecht geworden?“

„Es...“

Von irgendwo schrie eine Frau. Nein, sogar mehrere. Eine Haltestelle weiter fuhr die Bahn plötzlich los, obwohl die Türen noch offen standen und Leute einsteigen wollten. Ein paar Personen fielen wieder heraus, während die Bahn weiterfuhr. Ein anderer Zug, der grade am Bahnhof ankam blieb nicht einmal stehen, sondern fuhr mit viel zu hohem Tempo einfach weiter. Selbiges spielte sich auch bei ein paar anderen Zügen ab. Elektrische Türen gingen nicht mehr auf. Ein Feueralarm ging plötzlich los.

Die Leute waren in Aufruhr. Jemand von der Personalleitung sprach etwas ins Mikrophon, doch die Leute waren aufgewühlt und steigerten sich so sehr in ihre Panik, dass niemand die Durchsage hörte.

Hisaki erst Recht nicht. Sein Digivice, dass stets bei ihm war schlug Alarm.

(H͏̧a͜be̸ ̛i͢͟c̨ḩ̕ ͟͞d͞i̛͟c͘͞h҉҉ ̸̨ȩ͟ņ̡d̸̕l̸͏ì̸c̀͜͟h͘͜ ͢g̨͟e͢f͡u̧͟n̶den nu͟ŕ̨͡ ̕͡n͢ơ͘c̵͞h̴ ̶d̴̴u̵̧ ̸́͟fe̴̸̡h͢ls̨t̶̸)

„Nur... noch ich?“, wiederholte Hisaki geistesabwesend. Aus einem erst unerfindlichen Grund dachte er an Touko und automatisch schließlich an Natsu, an Kana, an Renta und an Soichiro. Und die Tode, die sie starben und immer ein mulmiges Gefühl zurückließen machten plötzlich Sinn. Unfalltode. Alles Unfälle, in der irgendein technischer, digitaler Schnickschnack involviert war.

„Du hast sie getötet...“, sprach Hisaki weiter mit sich, aber er war sicher, Apoklymon hatte ihn gehört.

(E͏͘r̡͘l͜͝ö̶̧st͏ ̸hà̕be̢ ́i̸̧͡c͞҉̷h ̀̕si҉ę̶̧ ̵v̴҉o̶n̴̨͞ die̛͟sę̵̛ ̵j̵͞͏ä̕m͢͡me̢r̴̀͘l̴͏̡i̴c҉heǹ̵ ̕W͜e̸͢l̛t͞ ́ḑi̸̡͞e̷̸͟ i̶͘͢hre̴̡ ͢T̶͘r̡äu͡m͠é͘ ̵̢̡zu͜ ̢n͘̕͝íc̶h̕͏̨t̡͞e ͜͟m̵̢a̴c͠͞h͞t̛ę̷ s͟i̢e͝ ͏͟sin̸͝d́ ̶fre̸҉i҉̨ ҉u̸͢nd̛ s̢͞i̧e̴҉ ͢͝w̕͞͡art̸͜e̸n̸͟ ͘au͢҉f̷̶ d͢i͘ćh͠ ̕͡g̴̨͝e̡͜͜nà͝u̶̡͢ ͟w͟ie͡ ̀͜K̶̢̢out̀͘a̶̛͟)

„Du scheußliche Kreatur du -!“

Hisakis Welt war dunkel. Er war zumindest geistig nicht mehr am Bahnhof. War das die Dunkle Zone? Wie kam er hierher? Shakamon hatte doch die Feuerwand erbaut. War etwas mit ihr? War dies der Grund warum Hisaki immer wieder Digimon hier sah?

Auch nun erschien vor Hisaki ein Digimon. Ein Tsukaimon.

Und es war nicht irgendein Tsukaimon, es war sein Tsukaimon. Er würde unter Tausenden seinen Freund wiedererkennen. Hisaki rief nach seinem Partner, aber dieser hörte ihn nicht und Hisaki selbst hatte auch nicht das Gefühl, als käme überhaupt ein Laut aus seinem Hals. Aber seine Glieder spürte er und er ging einen Schritt nach vorn. Nach einem zweiten hielt er inne, während in der Realität Hisakis Kollege rief, er solle von den Gleisen weg.

Züge fuhren unkontrolliert hin und her, doch er sah nur Tsukaimon und wie noch ein Digimon erschien. Hisaki ging davon aus, dass es eines war, was sonst sollte diese Fee sein? War sie auch ein Rookie? Sie schwebte um Tsukaimon umher. Diese kleine Fee schien freundlich zu sein. Sie unterhielt sich mit Tsukaimon. Keine Ahnung was sie sagten. Aber das Feen-Digimon lachte und Tsukaimon hielt Blickkontakt zu dieser Fee, während sie sich unterhielten. Sie berührte ihn vorsichtig am Rücken und man sah, dass Tsukaimon es irgendwie unangenehm war, aber dass er es auch zuließ. Und das erstaunte Hisaki. Tsukaimon ließ sich nie einfach von Digimon anfassen, nicht einmal im Ansatz.

„Du hast einen Freund gefunden, Tsukaimon...“, sagte Hisaki leise zu sich selbst, weiter diese beiden Digimon beobachtend. Ihnen zuzusehen machte Hisaki glücklich. Sein Digimon hatte jemanden an seiner Seite, der ihm scheinbar etwas bedeutete. Er war nicht alleine.

Die Fee verschwand. Tsukaimon, mit dem Rücken zu Hisaki lief los. Wieder rief er sein Digimon, aber es blieb einer stummer Schrei. Dann veränderte sich sein Digimon. War er digitiert? Ein Dobermon? Seit wann wurde Tsukaimon zu Dobermon? Da stimmte etwas nicht. War das etwa das Dobermon von neulich?

Hisaki ging noch einen Schritt näher an sein Digimon – und damit auch näher an die Gleise. Die Rufe seines Kollegen ignorierend, die aufgewühlten Menschen ignorierend und den Alarm seines Digivice ignorierend.

Wieder veränderte sich sein Digimon, das ihm weiter den Rücken kehrte. Nun war er etwas menschlicher, aber das war weder Piddomon, noch PriestAngemon oder Dominimon. Aber er kannte dieses Digimon im schwarzen Umhang. Hisaki fiel der Name nur nicht mehr ein.

Sein Digimon warf den Kopf nach links und nach rechts. Hörte er Hisaki? Er rief wieder nach Tsukaimon, doch ehe sich sein Digimon zu ihm drehte wurde Hisaki wieder in die Realität geholt. Irgendjemand, vielleicht auch mehrere Leute hatten ihn in der Panik angerempelt. Hisaki verlor das Gleichgewicht und fiel vom Bahnsteig auf das Gleis. Er lag benommen da. Er hatte sich den Kopf an den Gleisen gestoßen. Ein Zug, der erst in die andere Richtung fuhr blieb stehen und fuhr zurück in den Bahnhof und auf das Gleis, wo Hisaki lag, aber niemand in der Aufruhr bemerkte. Nicht einmal Hisaki selbst. Der Zug kam näher. Der Fahrer sah, dass jemand da lag, aber egal was er tat, der Zug fuhr weiter.

Das war Apokalymons Werk. Er war hier im Hauptrechner des Bahnhofs und steuerte das alles. Dieses Bild von Tsukaimon, dass Hisaki sah war auch sein Werk. Es war eine Halluzination, nichts weiter als Daten, die abgespielt wurden wie ein Film. Tsukaimon war nicht hier, aber dass, was man ihm zeigte war Wirklichkeit. Tsukaimon war zu einem anderen Digimon geworden. Vielleicht zeigte Apokalymon dies um Hisaki zu quälen, im Glauben es würde ihn verletzen zu sehen, dass Tsukaimon seinen eigenen Weg ging.

Aber Hisaki war erleichtert nun zu wissen, dass sein Digimon sich verändert hatte und irgendwie auch nicht. Zudem stand ihm diese Gestalt besser. Hisaki versuchte die Hand nach dem dunkel kleideten, maskierten Digimon auszustrecken, zu dem sein Freund geworden war.

Tsukaimon lebte ein eigenes Leben. Hisaki war erleichtert, auch wenn er sich weiter wünschte, nochmal mit ihm reden zu können.

Er wünschte, Asami könnte Tsukaimon einmal kennen lernen.

Er wünschte, Yuki könnte Tsukaimon eines Tages tref-

Hisakis Welt war weiß geworden. Alle Züge standen still.

 
 

𝅝

 

Hisaki Amano starb am 20. März im Jahre 1995. Außer Apokalymon und Piedmon, der ihm schließlich an nächsten stand wusste in der Digiwelt niemand von diesem Schicksalsschlag. Jenes Wesen, der einstige Troubadour versuchte all die Jahre, das verlorene Orchester wiederzufinden, doch war immer gescheitert. Die Souveränen waren zwar erwacht, doch gegen Apokalymons Macht konnten sie nichts ausrichten. Das Digimon, für die Meister der Dunkelheit gleich einer Gottheit wurde immer stärker und die Souveränen waren ohne den Beistand ihrer Partner zu schwach. Die Feuerwand bröckelte bereits. Und wenn diese sieben Digimon wirklich das einstige Orchester waren, musste er versuchen jene sieben Kapellmeister wieder zurückholen, auch wenn ihr Licht im Laufe des Erwachsenwerdens erloschen war.

Hisaki starb am letzten Tag des Winters. In der Nacht zum 20. auch den 21. März schickte Homeostasis einen Boten aus, der die Kapellmeister finden sollte und auf sie reagierte, egal wie klein das Licht in ihnen war. Jedoch kreuzten sich diese Daten mit denen eines Digieis, dass gerade mit Zwillingen entstand und sich schließlich spaltete. Das Ei eines Botamon, mit dem Programm Homeostasis kam in er Wohnung der Yagamis an. In der Nacht vom 21. auf den 22. März folgte sein Zwilling ihm.

Als die Daten der beiden Digimon und das Programm, dass alles in seiner Umgebung durchgescannt hatte zurückkehrten, nachdem sie zudem ein Chaos in der Realen Welt hinterließen wusste Homeostasis, dass die Kapellmeister nicht mehr waren. Doch dafür bekam man andere Daten. Von acht Kindern, die denen der Kapellmeister ähnelten. Die bereits das in sich trugen, was jene Kinder einst predigten.

Hisaki starb am letzten Wintertag. Und in dem Moment, als Myotismon Piedmon erkannte spürte er in seinem Inneren, dass Alice etwas zugestoßen war. Doch ehe er überhaupt auf die Idee kam, dass Alice tot sein könnte, begann er sich einzureden, dass er sich irrte. Alice konnte nicht tot sein. Alice hatte etwas versprochen. Alice würde es halten. Warum kam Alice nicht? Ah, natürlich, Alice hatte Angst. Im Wunderland waren schreckliche Dinge geschehen. Das Wunderland hatte sie verraten. Die Digiwelt wollte nicht, dass Alice wieder hierher kam. Das war es.

Die Digiwelt hatte nichts gelernt. Jede Verzweiflungstat und jeder Kampf umsonst. Nun, dann war es auch nicht schade drum wenn sie bei Myotismons Kreuzzug gegen die Gewalten der Welten unterging. Seine Geburtsstätte fand er nicht. Das Tor blieb verschollen. Die Digiwelt legte ihm erneut Steine in den Weg.

Myotismon selbst aber würde sein Versprechen halten. Alice brauchte ein Wunderland, dass zu ihnen beiden passte. Kein Krieg. Keine Ausgrenzung. Kein Verrat. Kein Missbrauch.

Also beerdigte Myotismon die Erkenntnis und begann von Alice zu träumen, um den letzten Funken geistiger Gesundheit zu bewahren. Wie der Schwarze König hinter den Spiegeln.


Nachwort zu diesem Kapitel:
- 1990 hat David Bowie tatsächlich im Tokyo Dome ein Konzert gegeben (am 18. Mai) und hat während einer Zugabe Heros gesungen. Es gab ein Video auf Youtube von dem Auftritt, dies wurde aber gelöscht.

- ein genaues Datum wann dass Digiei bei Tai und Kari ankam fand ich nicht. Ich lass zwischendurch mal was von März oder Frühjahr, wie offiziell dies aber ist kann ich nicht sagen. Komplett anzeigen

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