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Wintersonett

Which dreamed it?
von

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Konzert XII - ALICE IN WINTERLAND, 3. Satz, Allegro F-Moll [ covered with snow ]


 

𝄞

 

 

 

01.01.2003

 

Izzy war neun, fast zehn, als er zufällig davon hörte, dass er adoptiert war. Auch wenn man so intelligent wie er war, war es für ihn nicht nur ein Schock, er wusste auch nicht damit umzugehen und wie er sich seinen Eltern gegenüber nun verhalten sollte. Klaren Tisch machen? Oder so tun als sei nichts? Er entschied sich für zweiteres. Doch in der Digiwelt schließlich ohne Internet-Anschluss und in der Situation, was es hieß über sich hinauszuwachsen, kam Izzy nicht drum herum sich doch Gedanken zu machen und letztlich, als er während Myotismons Invasion in der Realen Welt heimkehrte es doch endlich auszusprechen. Nachdem er ihnen Tentomon offenbarte war die Tatsache, dass er über seine Adoption Bescheid wusste nicht mehr allzu schockierend.

Seine Eltern erzählten ihm ein wenig über seine biologischen Eltern. Seine Väter waren Cousins zweiten Grades, aber haben sich stets gut verstanden. Seine Mütter waren seit der Grundschule befreundet. Izzys biologischer Vater, Yosuke Izumi, war Mathematik-Professor an der Tokio International Universität. Seine biologische Mutter, Touko Izumi (geborene Nakatani) war Meeres-Biologin und hatte vor ihrer Schwangerschaft begonnen das Ökosystem der Küste rund um Tokio bis hinüber nach Saitama zu studieren.

Er spürte kein Fremdsein seinen Adoptiveltern gegenüber, jedoch auch keine Verbundenheit zu seinen leiblichen. Er hatte sie ja nie gekannt. Er war sich nicht einmal sicher, ob seine leiblichen Eltern ihn überhaupt einmal im Arm hielten und ihm zum Schlaf etwas vorsangen, so wie seine Adoptiveltern.

Als Zehnjähriger sagte sich Izzy, dass es nicht wichtig war wer ihn auf die Welt gebracht hatte, sondern wer ihn aufzog und ihm Geborgenheit gab. Masami und Kae waren seine Eltern, Biologie hin oder her. Mit dreizehn ändert sich diese Sicht jedoch, als er auf Yoleis Bitte hin für sie die Heiligen Steine in der Digiwelt lokalisieren sollte und dabei die einzelnen Areale nach Anomalien absuchte und hin und wieder Randnotizen in einem separaten Dokument notierte, um so Daten über die dort herrschende Flora zu sammeln. Sein Vater beobachtete ihn dabei stolz und ließ unironisch die Bemerkung los, dass Izzy nicht nur charakterliche Eigenschaften sondern nun auch die beruflichen Spezialgebiete seiner Eltern wunderbar vereinte.

Und da wurde Izzy plötzlich bewusst, dass er nicht nur nichts über seine biologischen Eltern wusste, obwohl er stets die Gelegenheit hatte zu fragen, sondern wie achtlos er damit umgegangen war. Dabei hatten ihm seine biologischen Eltern so viel hinterlassen, vom Erbgut bis hin zu den wohl besten Adoptiveltern der Welt.

Über die Wochen vor Silvester und Neujahr fragte Izzy vereinzelt nach diversen Eigenschaften seiner biologischen Eltern oder was seine Adoptiveltern mit ihnen erlebt hatten. Er fragte nicht häufig, sondern immer in Abständen mehrerer Tage oder gar Wochen, damit es nicht zu offensichtlich erschien, wie neugierig Izzy war. Allerdings kannten seine Eltern ihn zu gut.

Zum traditionelles Neujahrs-Ausflug zum Schrein brachen sie früh auf, was Izzy nicht komisch erschien, da er davon ausging, sie wollten einfach den Mittagsstau vermeiden. Jedoch steuerten sie nach ihrem Besuch nicht ihr zu Hause an, sondern fuhren Richtung Arakawa, um schließlich vor dem Yanaka Friedhof anzuhalten. Auf seine Frage hin, was sie hier vorhätten, entgegnete seine Mutter nur, dass sie ihm etwas zeigen wollten und während Tentomon rätselte, beschlich Izzy eine Ahnung, was das sein sollte. Und es bestätigte sich.

Recht zentral, an einem lichten, hellen Fleck stand ein Grab mit der Aufschrift IZUMI. Das Grab seiner leiblichen Eltern stand vor ihm. Und während Tentomon, im Kapuzenpulli und Baseballkappe zwischen Izzy und dem Grab hin und her staute, wusste Izzy nicht, wie und was er fühlen sollte. Seine Mutter Kae wollte etwas zu ihm sagen, aber ihr Mann hielt sie davon ab.

„Izzy...“, rief Tentomon schließlich und zog seinem Partner am Hosenbein. „Sag doch, was du hast.“

„Nichts, Tentomon, nur – Warum sind wir hier?“, fragte er, als er sich zu seinen Eltern umdrehte.

„Nun, es war nicht zu übersehen, dass du Fragen hast, Koushiro", erklärte sein Vater. „Ich fürchte nur, dass wir dir auf die meisten keine Antwort geben können. Und Tote können leider nicht reden.“

Nachdenklich senkte Izzy den Kopf und wieder zum Grab. Ein Bund Blumen lag darauf. Izzy kannte sich nicht damit aus, aber würde auf Prunkwinden tippen. Sie waren strahlend gelb, auch wenn die Blumen schon in sich zusammenfielen. Sie lagen vielleicht seit zwei Tagen hier.

„Sind die von euch?“, fragte Izzy, seine Mutter schüttelte den Kopf, da bemerkte Tentomon einen kleines, eingerolltes Stück Papier an dem Band, dass auch die Blumen zusammenhielt. Er versuchte mit seinen Gliedmaßen danach zu greifen, doch aufgrund des Mangels an Fingern konnte Tentomon das Paper nicht aufrollen. Dies übernahm schließlich Izzy und las laut vor:

Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. Was ist das?“

„Klingt wie ein Zitat aus einem Buch“, meinte Izzys Vater, während seine Mutter ruhig nachdachte, woher sie diese vertrauen Worte schon einmal gehört hatte. „Und wer hat das dahin gelegt?“

„Hm. Gelbe Mondblumen. Dieses Zitat...“, murmelte Izzys Mutter weiter. „Wenn ich raten müsste, dann waren das Toukos Eltern. Also deine Großeltern.“

„Ich habe Großeltern?“, fragte Izzy und schämte sich kurz, da er fand dass die Betonung und die Formulierung ziemlich falsch rüberkam. Klar hatte er Großeltern, die Eltern seiner Adoptiveltern lebten beide noch (und waren genauso warmherzig und stolz auf ihn). Richtig gewesen wäre, ich habe leibliche Großeltern?.

Seine Mutter nickte daraufhin.

„Ja.“

„Kennst du sie?“

„Ein wenig“, begann sie und wollte auch erst nicht weiter reden, aber sie sah die Neugierde in Izzys Augen aufblitzen. „Dein Großvater war Offizier bei der Marine. Die Eltern deiner Mutter waren sehr streng zu ihr. Einmal verschwand Touko einen ganzen Tag, da war sie elf. Ich weiß nicht, ob sie einfach mit ihren Freunden weglief oder ob ein Verbrechen dahintersteckt, aber seitdem wurden ihre Eltern noch strenger. Sie haben stets an ihrer Leistung rumgenörgelt, obwohl sie höflich und immer gute Noten hatte. Erst als sie deinen Vater kennenlernte blühte sie auf.“

Aus Izzys Hals kam ein leises und unterdrücktes Oh und gleichzeitig erfüllte ihn Scham, weil er nichts anderes herausbekam wie das. Er spürte Mitleid und versuchte sich vorzustellen wie es wäre, würde er so mit seinen Eltern im Clinch stehen, konnte es aber nicht. Und doch schien alles darauf hinzudeuten, dass seine Mutter sich trotz solcher Eltern durchsetzte. Sie muss stark gewesen sein.

„Die Freunde deiner Mutter starben sehr jung. Sie hatte Angst, ihr könnte das auch passieren. Also setzte sie durch, dass, sollte ihr etwas geschehen, du nicht zu deinen Großeltern kommst, sondern zu uns.“

„Dein Vater Yosuke war schon seit der Oberstufe auf sich allein gestellt. Seine Eltern starben früh. Und weil kurz vor deiner Geburt unser Sohn starb, wollten sie uns mit der Patenschaft eine kleine Freude machen. Yosuke sagte, wir würden die besten Pateneltern der Welt sein“, erklärte Masami Izumi weiter. Er starrte auf den Grabstein und glaubte Yosuke dort sitzen zu sehen und wie er Marienkäfer oder Glühwürmchen beobachtete, so wie in all den Sommern in ihrer Kindheit. Kae ging in die Knie und ihre Hand berührte den Stein.

„Touko wollte, dass ihr Kind in einer Familie aufwächst, wo es zu dem werden und an das glauben kann, was es möchte, nicht wie Erwachsene es von ihm verlangen. Touko mochte ihre Familie nicht. Sie kam oft zu mir nach Hause und war so glücklich darüber, weil meine Eltern sie wie ein Familienmitglied behandelten. Sie wollte nie, dass ihr Kind so aufwachsen muss. Touko meinte stets, dass sie und ihre Freunde in einer Generation aufwuchsen, die durch das Streben nach Ruhm und Status immer liebloser wurde. Die Erwachsenen waren kalt und Kinder nicht mehr wie ein Symbol ihrer Eitelkeit. Ich kann es nicht bestätigen. Vielleicht weil ich Glück hatte. Oder sie nur viel Pech. Sie wollte, dass du ein kluger und weiser Mensch wirst, der all die Liebe erfährt, die man braucht. Das war ihr das Wichtigste.“

Langsam schwebte ihre Hand regelrecht zum Grab. Es war zwar sehr kalt, aber sie versuchte sie vorzustellen, dass sie Toukos Hand hielt. Die Bäume raschelten ziemlich laut, aber binnen weniger Sekunden verstummten sie wieder, ansonsten hörte man nicht viel. Es war wenig Besuch, so gut wie niemand war in der Nähe und Kae erleichterte das.

„Touko war meine beste Freundin und wir haben zusammen viel erlebt. Ich möchte nicht glauben, ihr ihren Sohn weggenommen zu haben. Schließlich wollten deine Eltern nur das Allerbeste für dich.“

„Das ist sehr liebevoll von euch“, seufzte Izzy. Es lagen sogar ein wenig danach, als bibberte seine Stimme vor Rührseligkeit. Izzys Adoptiveltern rührten diese Worte ebenso, nur Tentomon schien zu wissen, dass dieses euch eventuell auch an jemand anderen gerichtet war.

„Aber macht euch keine Gedanken. Ihr habt mich niemanden weggenommen und wenn meine Eltern wirklich solche Menschen waren, würden sie das auch nicht denken. Ich habe einfach zwei Eltern. Das ist alles.“

„Och Izzy...“, schluchzte Tentomon und seine Augen wurden nass und glänzend (und sich Masami Izumi noch wunderte, da er nicht wüsste das Käfer weinten könnten).

„Tentomon, wieso weinst du nun?“, fragte Izzy sein Partner-Digimon.

„Ich freue mich nur immer, wenn du solche Dinge offen sagst. Du klingst so erwachsen.“

Schüchtern und zurückhaltend lächelnd rieb Izzy seinem Digimon über den Panzer, dann über den Kopf, solange er das Wimmern hörte. Er brauchte eine Weile um festzustellen, dass dieses leise Wimmern viel zu hoch für Tentomon war, geschweige denn, dass es von ihm kam. Zuerst dachte er an ein kleines Kind, dass vielleicht um verstorbene Großeltern trauerte, aber Izzy sah niemanden in der Nähe, von dem dieses Wimmern hätte kommen können.

„Was ist denn, Koushiro?“

„Hört ihr das nicht?“, fragte Izzy und sah sich weiter um. Niemand war in der Nähe, die anderen Besucher waren viel zu weit weg und keiner davon sah wie ein kleines Kind aus. Hinter dem Grab seiner Eltern war nur Gestrüpp und Izzy schaute eigentlich nur dahinter um sich sagen zu können, alles in nächster Nähe genau unter die Lupe genommen zu haben, nicht in der Erwartung, dass dort etwas sein könnte. Aber er wurde eines Besseren belehrt.

Hinter den Grab, wo eigentlich nur dichtes Unterholz war und kahle Sträucher, entfalteten sich gelbe Mondblumen, die nicht vertrocknet oder erfroren waren, was für die Lage und vor allem für die Jahreszeit absolut ungewöhnlich war. In den Ranken, die sich um sich selbst drehten kauerte ein kleines Tier. Izzy wusste intuitiv, dass es ein Digimon war, wenn er sich aber auch nicht erklären konnte, wie es dahin kam.

„Das ist ein Pichimon“, stellte Tentomon fest, als er um die Ecke flog, um zu sehen was Izzy gefunden hatte. Auch seine Eltern stellten sich dazu und sahen sich überrascht das Digimon an, dass einem Fisch ähnelte.

„Momo...“

Pichimon schluchzte und weinte. Dann bemerkte es die drei Menschen und das Insekten-Digimon. Es schrie auf und winselte. Dabei rief es weiter nach Momo.

„Hey, wir machen dir nichts. Na, komm her“, sagte Tentomon sanft und griff nach dem Baby-Digimon, dieses aber zwang sich sofort aus dem Griff. Pichimon sprang an Tentomon vorbei und über den Stein. Statt aber wegzurennen, verkroch es sich einfach auf die andere Seite des Grab, lehnte sich daran und hielt dabei die Flossen vor sein verheultes Gesicht.

„Momo... Momo...“, jammerte es weiter, während es sich, ängstlich wie es war immer mehr einrollte. Die Izumis und Tentomon wagten es noch einmal näher heran zu gehen, doch Pichimon heulte auf, so blieben sie schließlich in ihrer Bewegung stehen, um dem Digimon nicht noch mehr Angst einzujagen. Und wieder nur sagte es nur diesen einen Namen.

„Warum sagt es nur Momo?", fragte Tentomon. „Wer ist das?“

„Vielleicht sein Partner? Ob es jemanden abhanden gekommen ist?“, fragte sich Izzy und kam zu der Überlegung, dass es vielleicht einem der Kinder gehören könnte, das zuvor die Saat der Finsternis eingepflanzt bekam. Nachdem die Saat und MaloMyotismon, der dieses ganze Chaos des letzten halben Jahres zu verantworten hatte nicht mehr waren bekamen auch sie alle Digivice und Digimon. So überlegte sich Izzy, wie er das Digimon einsammeln und herausfinden konnte, wer von diesen Kindern sein Partner war. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass eines der Kinder Momo hieße.

Kae hingegen, das bemerkte allerdings nur ihr Mann Masami driftete mit ihren Gedanken ab, während Pichimon dabei weiter nach Momo rief und sie kam zum Schluss, dass das so zufällig wirkte. So gewollt, von Touko höchstpersönlich um ihrer Freundin eine Nachricht zukommen zu lassen. Dieses Digimon, dass wie ein Meerestier aussah und nach Momo rief. Ihre Lieblingsblumen und dann noch dieses Zitat aus ihrem Lieblingsbuch, dass ihr immer ein Lächeln zauberte, egal wie traurig sie war.

„Momo und die Zeitdiebe...“, murmelte Kae Izumi. Ein Wind wehten von der Seite, der für die Jahreszeit doch recht warm war. Nässe traf ihre Haut. Vermutlich Tau von den Bäumen und doch dachte sie an Regen. Touko mochte Regentage und den Mond. Der Mond lenkte das Wasser und die Gezeiten, aber ob der Mond auch die Zeit lenkte? Ob Meister Hora da oben war und die Zeit lenkte, so wie das Wasser? Ein Freund von ihr, der ausländisch aussah, stimmte ihr zumindest zu, dass die Zeit ein Er war. Vielleicht waren das die gleichen, wenn es auch andere Bücher war, denn Zeit sei allgegenwärtig.

Kindliche Gedanken aus kindlichen Köpfen, die untermauerten dass Touko nicht nur nüchtern und rational war, so wie Izzy oft, sondern dass sie eine Traumwelt hatte, fernab der Erwartungen der Eltern.

Es war alles so zufällig. Viel, viel zu zufällig. Und da Kae Tentomon und die Digiwelt nun kannte und zu was sie fähig waren, glaubte sie auch nicht mehr an Zufälle.

„Vielleicht ist das weit hergeholt, aber Touko war ein begeisterter Leser von Michael Ende. Sie hat ihr ganzes Potenzial in die Meeresbiologie gesteckt, aber diese Bücher haben sie immer wieder... wie soll ich sagen, gefesselt. In der Oberstufe schrieb sie eine Arbeit über Ende und sein Buch Momo und die Zeitdiebe. Touko liebte als Kind diese Geschichte.“

„Mama, auf was genau möchtest du hinaus?“, harkte Izzy nach. Doch seine Mutter antwortete ihm erst nicht, sondern trat näher an Pichimon.

„Dass dieses Digimon vielleicht Touko sucht.“

Ohne auf die Verwirrung ihres Sohnes, seinem Digimon oder ihres Mannes Rücksicht zu nehmen ging Kae Izumi vor dem Digimon auf die Knie. Ängstlich wie es war, legte es seine Flossen auf sein Gesicht und weinte hinter diesen weiter. Pichimon zitterte, vor Kälte und vor Angst vor diesem fremden Menschen (woher es überhaupt zu begreifen schien was ein Mensch war reichte die Komplexität seines Denkvermögens noch nicht). Dann, als es verstand dass diese Menschenfrau ihm nichts tun würde, öffnete es sie nassen, großen und runden Augen.

„Suchst du Touko? Kennst du die Geschichte von Momo? Bist du ein Freund?“

„Momo... Freund. Freund. Ka... Kas.. Kassio...“

„Ja, Kassiopeia. Das ist Momos Freund“, erklärte Kae Izumi, obwohl sie sich gar nicht so sicher war ob dass, was sie sagte stimmte. Sie wusste nur, dass Kassiopeia eine Schildkröte war und als sie sich daran erinnerte, kehrte eine Erinnerung an ihre Freundin zurück. Ein Jahr nach dem Wunderland-Vorfall besuchte ihre Klasse das Aquarium in Shinagawa und obwohl Touko dort immer sehr gerne hinging, lächelte sie an diesem Tag nicht einmal. Als sich dann alle in Gruppen teilten und Schulaufgaben machen sollten, verschwand Touko. Kae fand sie schnell wieder. Ihre Freundin saß weinend in einer Ecke und auf die Frage, was sie denn hätte drückte Touko sich nur sehr rätselhaft aus. Die großen Meeresschildkröten hätten etwas in ihr ausgelöst. Einige hatten Muster auf ihren Panzer, die mit ein wenig Fantasie wie Kanjis aussahen und es erinnerte sie so sehr an die Schildkröte Kassiopeia. Aber ihr Kassiopeia sei nicht hier. Ihr Kassiopeia sei auch keine Schildkröte. Er war ein Meeresgeschöpf. Weniger eine Schildkröte, wenn aber auch ein Reptil. Er konnte sprechen. Er war schüchtern. Sie vermisste ihn schrecklich. Sie weinte immer, wenn sie am Meer war. Ihre Eltern erlaubten ihr nicht alleine dort hinzugehen, obwohl sie es so gern hatte. Sie hatte Albträume. Sie hatte Angst. Vor einem Krieg. Sie hatte Angst um ihren Freund. Sie hatte am Meer schon einen Freund verloren, noch einen ertrug sie nicht. Doch keiner hörte ihr zu.

Natürlich sah dieses Baby-Digimon nicht wie eine Schildkröte aus, aber eben wie ein Meeresgeschöpf. Und wenn Toukos Freund Kassiopeia war und dieses Digimon Momo suchte, konnte laut Kaes Einschätzung nur eine Verbindung bestehen.

Das Pichimon knabberte leicht an seinen Flossen vor Nervosität, während es an Momo dachte und auch anfing sich zu erinnern, dass seine Momo kein Mädchen mit schwarzen, zottigen Haaren war. Seine Momo hatte kupfernes Haar und trug Zöpfe, aber ihre Augen waren genauso schwarz. Genau wie Momo machte sie sich viele Gedanken. Hörte zu. Immer nett, aber einsam. Der Junge vor ihm sah ihr ähnlich. Sehr sogar. Auch das Alter war gleich. Und wenn Pichimon nicht wüsste, dass das vor ihm ein Junge und Momo schon lange nicht mehr war würde es glauben sie stehe vor ihm. Doch Momo war...

„Momo... Tou... ko. Touko. Touko! Warum...? Warum... hast du... Wo bist du, Touko? Touko! Toooukooooo!“, heulte das Baby-Digimon lauthals. Tentomon ging zu dem Digimon hin, nahm es an sich und war anschließend überfordert, dass das Pichimon nun noch lauter weinte. Also drückte Tentomon Izzys Mutter das Pichimon in die Hand und erst dann wurde es leiser. Sie wippte es etwas.

„Ist gut, ist schon gut“, sagte sie behutsam. Nun wimmerte Pichimon nur noch.

„Nehmen wir es mit, Izzy?“

„Na, auf jeden Fall“, antwortete Izzy. „Vielleicht bekommen wir dann heraus, wie es hierher gekommen ist. Und hier in der Kälte können wir es nicht lassen.“

Auf Pichimon fokussiert rang Izzy sich dazu auf dem weinenden Digimon seine Hand entgegen zu halten. Er strich ihm leicht über den Kopf und nahm seine Hand wieder weg. Pichimon sah zu Izzy auf und war schließlich mucksmäuschenstill. Pichimons noch unterentwickeltes Bewusstsein machte ihm noch einmal klar, dass dieser Mensch nicht Touko war, aber der Knabe sah ihr so ähnlich. Schwache Bilder und verständliche Laute kehrten in sein Gedächtnis zurück. Könnte man sie sich ansehen wüsste man nicht genau, was wirklich eine Erinnerung war und was davon nur ins Gedächtnis gerufene Illustrationen von Michael Endes Kinderbuch.

Pichimon hob die Flossen und streckte sie nach Izzys aus, bis Tentomon neben Izzys erschien. Da erinnerte sich Pichimon, dass es das Gesicht kannte, ja, es war Toukos Gesicht, aber er kannte dieses Kind. Es war älter geworden, aber es war dieser Digirittter und dieses Digimon, die ihm und seinesgleichen einst im Wege standen.

MetalSeadramons Erinnerungen kehrten wieder zurück.

Pichimon knurrte erst und schoss ohne Vorwarnung Seifenblasen auf Izzy und Tentomon. Izzy musste nur ein Stück zur Seite gehen, aber die Seifenblasen trafen Tentomons Augen und weil es so entsetzlich in den Augen brannte, ging er zu Boden.

„Uijuijuijui, das brennt, das brennt, das brennt -!“

„Hier, Tentomon, ich helfe dir“, sagte Izzys Vater. Mit einem Taschentuch versuchte er vorsichtig die Lauge aus Tentomons Augen zu tupfen. Nach wenigen Sekunden ging es ihm wieder besser.

„A-A-Also wirklich!“, schimpfte Tentomon empört, während Pichimon das Insekten-Digimon weiter anknurrte.

„Wir haben es doch nur gut gemeint“, schimpfte Izzy schließlich. Da Pichimon aber nichts zu bedauern schien, drehte Kae das Digimon mit dem Gesicht zu sich.

„Das war nicht nett von dir. Tentomon hat es nur gut gemeint. Also sei nett zu Toukos Jungen und zu seinem Digimon“, tadelte sie das einstige MetalSeadramon. Pichimon gab noch ein kurzes, abgehacktes Knurren von sich, bis die Worte in seinem Kopf ankamen und er sich Gedanken über die Bedeutung machen konnte. Dass Kae Izumi es wegen seines trotzigen Verhaltens ausgeschimpfte wie Tante Rhody einst vergaß es dabei schon wieder. Einzig und allein um was sich seine Gedanken kreisten war Toukos Kind. Toukos Kind, Touko hatte ein Kind, ein Kind, Touko hatte Familie, Touko hatte -

Pichimon fing wieder an zu heulen und es war so schrill und erschütternd, dass die gesamte Familie Izumi mitsamt Tentomon zusammenfuhr. Auch Kaes Versuche es durch leichtes Hin- und Herschaukeln zu beruhigen brachten nicht viel.

„Was machen wir nun? Sollen wir es wirklich mit nach Hause nehmen?“, fragte Izzys Vater, während Izzys Mutter sich weiter auf das Baby-Digimon konzentrierte.

„Sollen wir nicht versuchen seinen Partner zu finden?“, fragte Tentomon.

„Ich glaube, das erübrigt sich, Tentomon“, meinte Kae bedrückt. Bis sie anfangen konnte sich zu erklären, verstummte Pichimon kurz, dafür wurde ein anderer Ruf hörbar, der aber weiter vom Ort des Geschehens entfernt war. Izzy hörte es kurz nach Pichimon, seine Eltern wurden erst darauf aufmerksam, als das Baby-Digimon sich aufrichtete und in die Richtung rief. Dieser wehleidige Ruf erinnerte an ein hungriges Katzenbaby, dass seine Mutter suchte. Und auf diesen Ruf folgte wieder ein Gegenruf, genauso herzzerreißend wie der den Pichimon von sich gab.

„Hört ihr das?“

„Ob das noch ein Digimon ist?“, fragte Izzys Vater.

„Wartet hier, ich geh nachsehen“, sagte Tentomon und zwang sich aus dem Pullover, um über die Gräber schließlich hinwegzufliegen. Im Flug verlor er auch seine Kappe, dies ignorierte Tentomon aber und versuchte den Ursprung des Rufens festzustellen. Er landete immer wieder zwischen ein paar Gräbern, sah sich um und flog weiter. Für einen Moment verschwand Tentomon aus dem Blickfeld der Izumis. Aber nach kurzer Zeit, wenn es auch überaus unhöflich war, rief Tentomon zu ihnen hinüber.

„Izzy! Izzy, ich hab's!“

„Was hast du entdeckt?“, rief Izzy zurück, aber es kam erst keine Antwort, die er aber auch nicht brauchte, da Tentomon schon wieder zurückflog und schon aus der Ferne sah man, dass er etwas in den Armen hielt, deren Form man nicht wirklich gut umschreiben konnte. Nun aus nächster Nähe wirkte es immer noch eigenartig, aber bekannt. Es war rötlich und hatte drei Hörner. Und es war lebendig.

„Noch ein Baby-Digimon?“, fragte Masami Izumi.

„Ja. Das hier ist ein Punimon“, erklärte Tentomon, während er das weinende Baby-Digimon hochhielt. Dieses bemerkte Pichimon. Sie sahen sich an. Erst schienen sie geschockt. Dann verwirrt. Schließlich überfordert. Und letztlich fingen sie wieder an ziemlich laut zu weinen. Kae Izumi wippte Pichimon wieder ein wenig, dass es sich beruhigte und Tentomon, genauso überfordert wie die beiden Baby-Digimon machte es ihr nach, in der Hoffnung es brachte etwas. Da dies aber nicht der Fall war, nahm Izzy Tentomon Punimon ab.

„Wo hast du es gefunden, Tentomon?“

„Oh, etwas Abseits.“

„Auch bei einem Grab?“, fragte Masami und Tentomon nickte, wobei man erwähnen musste, dass er sich irrte. Denn das Grab, wo Tentomon Punimon fand war leer.

„Und was für ein Name stand auf den Grab? Weißt du das noch?“, fragte Izzy.

„Ja, habe ich. Und du wirst es nicht glauben, aber da stand ICHIJOUJI.“

„Ichijouji? Ob das ein Verwandter von Ken ist?“, fragte Izzy überrascht. Kae Izumi kannte den Namen Ichijouji, aber Ken selbst nicht. Sie erinnerte sich nicht mehr sehr gut an jenen Wunderland-Fall. Es war zu lange her und vieles kam nie an die Öffentlichkeit. Alles was sie wusste, wusste sie nur von Touko. Aber sie erinnerte sich, dass insgesamt drei Kinder aus ihrer Grundschulklasse in diese Sache verwickelt waren. Neben Touko war da noch ihr ausländisch-aussehender bester Freund dabei. Er wirkte immer, als träumte er vor sich hin (weswegen Touko ihn immer aufzog) und nach dem Wunderland-Vorfall bekam dieser Junge einer sehr unterkühlte Ausstrahlung. Irgendwie gruselig. Er wechselte die Schule ein paar Monate später. An seinen Namen erinnerte sie sich nicht mehr. Amane? Amano?

Der andere war jener Junge, der damals verschollen blieb. Nach über zwanzig Jahren hatte die Familie ihn wohl endlich für tot erklären können. Und Kae war sich auf einmal sehr sicher, dass Kouta, der damals verschwand mit Nachnamen Ichijouji hieß.

„Koushiro, hast du deinen Laptop dabei?“, fragte Izzys Mutter mit trockener Stimme.

„Ja, er liegt im Auto.“

„Gut. Du musst etwas für mich nachschauen. Ich sag dir alles, an was ich mich noch erinnere. Und ihr kommt mit“, sagte Kae noch zu den Digimon. Pichimon wimmerte, ebenso Punimon in Izzys Armen und wie Tentomon verstand er nicht, was seine Mutter vor hatte. Ehe sie sich auf dem Weg zum Auto machten, kamen ihnen andere Besucher entgegen und erzählten, dass man komische Wesen fand und wollten dies der Friedhofs-Verwaltung melden. Es geschah am anderen Ende des Friedhofs. Dort waren die Gräber der Morikawa-Zwillinge.

 
 

 

Das Jahr 2003 begann wie 2002 endete, mit Minustemperaturen und dichten Wolken. Yuki roch und schmeckte diese bestimmte Note in der Luft, wenn die Wolken kurz vor ihrem Einbruch standen. Sie hoffte auf Schnee, dass hatte sie gestern schon, aber bisher vergebens. Ihre Hoffnung blieb, dass sie am Abend die kalten Flocken auf ihrem Kopf spüren durfte. Doch bisher bekam sie nur beißende, aber kurze Windböen zu spüren und der einzige nähere Wärmepunkt war Kari, die neben ihr herlief.

„Schade, dass das Konzert abgeblasen wurde“, sagte Kari bedauerlich. „Dabei hast du so fleißig geübt.“

„Es ist nicht so schlimm. Ich bekomme irgendwann schon meine Gelegenheit.“

„Was ist überhaupt vorgefallen?“, fragte Kari, obwohl sie ahnte, was vorgefallen war.

„So wie ich es verstand, vermutete man ein Leck in einer Gasleitung, weswegen die Leute nach und nach in Ohnmacht fielen. Das gibt zwar kaum Sinn und ein solches Leck wurde auch nicht gefunden, aber man hat trotzdem alle Gäste auf eine Vergiftung untersucht. Wir kamen alle kurz vor zwölf nach Hause.“

„Und? Hattet ihr eine Vergiftung?“

„Nein. Aber wir waren erschöpft. Als ich gegangen bin, schliefen Mama und Dinah noch. Jetzt musst du das hier ausbaden.“ „Ach, was. Ich begleitete dich gerne.“

Kari lachte und Yuki lachte zurück. Gatomon folgte den beiden Mädchen, aber sie hielt größeren Abstand und lief langsamer hinterher. Die Tatsache, dass ein blinder Mensch Gatomon eher wahrnahm als jedes wachsame Digimon fand sie unheimlich. Nebenbei fragte sich Gatomon auch, wie Kari und die anderen versuchen wollten die Digimon vor diesem Mädchen zu verbergen. Veemon und Armadillomon traute sie zu, dass sie keine Sekunde die Klappe halten konnten. Gatomons einziges Trostpflaster blieb, dass der Hund nicht hier war.

„Wen besuchen wir eigentlich? Deine Oma?“

„Großmutter ruht bei ihrer Familie in Hokkaido. Wir besuchen meinen Vater“, erklärte Yuki. Kari blieb kurz überrascht stehen und ihr wurde erst jetzt bewusst, dass sie Yukis Vater ja nie zu Gesicht bekommen hatte. Sie war sich auch nicht sicher, ob das jemals ein Gesprächsthema war. Wenn, dann war es zu lange her.

„Oh, entschuldige“, sagte Kari betrübt und senkten den Kopf. Auf dem Gehweg bildete sich Frost. Die Straße 319 wirkte, obwohl sie mitten in Minato waren fast leer. Kari vermutete, die Stadt hatte sich von der Macht der Dunkelheit noch nicht erholt und ihre Bewohner genauso.

„Ich wusste gar nicht, dass er tot ist.“

„Du hast auch nicht gefragt.“

„Das hätte ich aber tun sollen, oder?“

„Wieso? Ist es denn so wichtig?“, fragte Yuki und neigte den Kopf dabei leicht zur Seite. Kari kam sich schrecklich taktlos vor, obwohl nichts an Yukis Erscheinen den Eindruck erwecken ließ, sie dachte irgendwas Böses oder Nachtragendes.

„Ist er schon lange tot?“

„Im März sind es acht Jahre.“

„War er krank?“

„Nein. Er wurde von einem Zug erfasst.“

Yuki holte für ihren nächsten Satz Luft. Zwar legte sie als nun Zwölfjährige keinen Wert mehr drauf, aber sie hatte immer darauf gewartet, das zu sagen. Nicht nur überzeugt, sondern mit absoluter Sicherheit:

„Es war ein Unfall“, sagte Yuki schließlich, das änderte an Karis mitleidendes Gesicht nicht viel und ihr tat es augenblicklich Leid. „Ich hätte wohl anders reagieren sollen. Sorry Kari, wenn dir nicht wohl dabei ist. Ich hätte doch mit jemand anderen gehen sollen.“

„Nein. Schon gut. Ich werde nur schnell sentimental.“

„Du bist nur zu einfühlsam. Aber so was ist in Ordnung“, entgegnete Yuki, aber entschied nächstens Mal doch ihren Großvater zu bitten. Aber er machte bisher auf Yuki nicht den Eindruck, als ob er bereit wäre vor das Grab seines Sohnes zu treten und es würde sicher noch eine Weile dauern. Yuki hatte in den letzten Monaten, in der die Fähigkeit komplexer zu denken sich entfaltete begonnen Fragen zu stellen und sie wollte zu gern die Beziehung zwischen ihrem Vater und ihrem Großvater verstehen. Die Seite und die Lage ihres Vaters kannte Yuki, aber weil Großvater Großvater war, war sie es ihm auch schuldig sich seine Sicht anzuhören. Das hätten ihr der Jabberwock und der Schwarze König beigebracht und weder Masato noch Asami waren sich wirklich sicher, was das hieß.

Masato sagte nur es war mehr wie schwierig zwischen ihnen. Yuki fragte, ob er streng war und ja, er war streng zu Hisaki. Wenn er schon ein Kuckuckskind hatte, dann sollte es wenigstens nicht auffallen und ruhig dasitzen. Anders aber wie bei den Morikawa-Zwillingen oder Touko Nakatani hatte Masato ihn nie im Genick gepackt oder geohrfeigt (außer einmal, als Hisaki den Bogen überspannte). Er hatte den Jungen einfach ignoriert. Er ermahnte ihn mit bebender Stimme und wütenden Blicken, wenn Hisaki nur an etwas dachte, womit er auffallen könnte und ansonsten schenkte Masato ihm keine Beachtung, sondern dachte sich den Jungen einfach weg, was mal leichter, mal schwerer war, obwohl Hisaki zumindest als Kleinkind versuchte Zuwendung von seinem Vater zu bekommen. Irgendwann setzte sich Hisaki, da war er vier, an das Klavier seines Vaters und spielte. Oft genug hatte er Masato dabei beobachtet und schien es allein dadurch gelernt zu haben. Der Junge hatte Spaß und gab sich Mühe. Masato erwischte ihn dabei und Hisaki, am Klavier sitzend wartete auf eine Reaktion. Es musste nicht zwingend ein Lob sein, auch eine Belehrung wie schrecklich seine ersten Versuche klangen oder dass er seine Finger falsch benutzte wäre in Ordnung gewesen.

Stattdessen aber entschied sich Masato gar nichts zu sagen und Hisaki in sein Zimmer zu schicken. Wenn sich ihr Großvater sogar recht erinnerte, begann Hisaki danach abwesender zu werden und sich in Kinderbücher und in seine Fantasie zu flüchten. Vermutlich hatte er nach diesem Ereignis aufgegeben auf väterliche Zuwendung zu hoffen.

Yuki fragte, warum ihr Großvater ihn dann überhaupt aufgezogen und sich nicht von Großmutter hat scheiden lassen. Er sagte, dass es nicht wegen dem Kind, sondern wegen Mio war. Er sah es als Pflicht ihr gegenüber. Außerdem hätte er ein schlechtes Gewissen gehabt, seine alte Sandkasten- wie beste Freundin allein mit einem Säugling irgendwo in einer kleinen Wohnung, ohne jede Unterstützung in der Großstadt zu wissen. Kollegen waren anderer Meinung, aber er konnte das nicht. Es wurde ihm erst Jahre nach ihrer Hochzeit klar und gezeigt hatte er es selten, aber er liebte sie. Bis er dies aber im Ansatz sagen konnte, war Mio vom Krebs bereits zu geschwächt.

Auf die Frage, ob er Hisaki hasste wurde er etwas ausweichend. Dann verneinte er es. Er erklärte es Yuki wie folgt – er hätte den Jungen nie in einen Brunnen geworfen oder ausgesetzt. Doch wäre Hisaki beim Spielen unachtsam auf die stark befahrene Straße gelaufen, hätte Masato überlegen müssen, ob er diesem Kind nachrennt oder ob er einfach etwas zögern sollte. Hisaki wusste, dass sein Vater so dachte, genau wie ihm irgendwann klar wurde, dass sein Vater nicht sein Erzeuger war.

Yuki wurde schlecht davon. Ihr Großvater fragte, ob sie angewidert sei und Partei für ihren Vater greift. Sie sagte nur, sie verstehe es nicht, aber verachten würde sie ihren Großvater nicht. Dann fragte Yuki Masato, ob er sich je vorstellen könnte, ob es zwischen ihm und seinen vermeidlichen Sohn je Vergebung geben könnte. Doch er meinte nur, dass sich darüber Gedanken zu machen sei unmöglich und verschwendete Zeit.

Aber wenn es möglich wäre, warf Yuki ein. Wenn er von den Toten auferstehen und vor ihm stehen würde, was dann? Und mit dem Wissen im Hinterkopf, dass Hisaki wohl kurz vor seinem Tod freiwillig mit seinem Vater reden wollte und nur mit ihm, sagte er nichts dazu. Er wusste es selbst nicht. Zu stur und zu stolz. Nun wusste Yuki, von wem ihr Vater das hatte.

„Heeeeey! Hey, Kari, wartet auf uns!“, rief ein Junge hinter ihnen. Der zunehmenden Lautstärke nach näherte er sich den beiden Mädchen. Yuki hörte die Schritte auf dem Asphalt des Bürgersteigs. Auch, dass es mehrere waren. Sie ging davon aus, dass es Karis Clique war, von der sie schon so viel erzählte und es handelten sich dabei wirklich um Davis, Yolei, Cody, T.K. und Ken. Das die Digimon mit dabei waren sah nur Kari, auch wenn sie sich wie Gatomon eher seitlich und verborgen hielten, um von anderen Personen nicht bemerkt zu werden.

„Davis? Woher wusstest ihr, wo ich bin?“

„Tai hat es uns verraten“, erklärte er grinsend. „Und wir dachten uns einfach wir begleiten euch, um anschließend zum Schrein zu gehen.“

„Und wir haben mehr Zeit deine Freundin kennen zu lernen“, sagte Yolei freundlich und wollte dem blassen, blonden Mädchen die Hand reichen, bis Davis sich vor sie drängelte und als erstes nach Yukis Hand griff, im Glauben er wirkte damit zuvorkommender und könnte so bei Kari punkten.

„Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Daisuke Motomiya, aber sag ruhig Davis. Kari hat uns schon etwas über dich erzählt und das du blind bist stört uns absolut nicht.“

„Oh, musste das jetzt sein, Davis? Das war taktlos“, brummte Cody beschämt hinter ihm, während sich T.K. sich erst nur an den Kopf fasste. Yuki aber fing an zu kichern.

„Das ist nicht schlimm. Er ist ehrlich und ich mag Leute, die ehrlich sind“, erklärte Yuki schief lächelnd, während sie Davids Hand festhielt und dabei noch den Arm bis zu den Schultern abtastete, um sich ein grobes Bild von seiner Statur zu machen, während dieser es ohne weitere Fragen zuließ.

„Danke, du bist echt cool.“

„Jetzt lass mich auch mal, Davis!“, motzte Yolei, und drückte Davis zur Seite, woraufhin er zu schimpfen begann. „Ich heiße Miyako Inoue, aber nenn mich Yolei! Ich bin 12 Jahre und geh in die sechste Klasse, meine Sternzeichen sind Zwilling und Pferd und meine Hobbys sind unter anderem Computerspiele und Reisen.“ „Inoue... kommt mir bekannt vor der Name“, erzählte Yuki, etwas überrascht von Yoleis überschwänglichen Art, aber ihren doch sanften Händedruck zu urteilen, war sie eine liebe Person. „Hat deine Familie ein Geschäft in Odaiba?“

„Ja, meinen Eltern gehört der Drogeriemarkt in der Nähe der Westpromenade.“

„Ah, stimmt, jetzt wo du es erwähnst. Der ist ganz in der Nähe von Mamas Arbeitsplatz. Sie holt öfter was von dort wenn sie Mittagspause hat.“

„Wo arbeitet sie denn?“

„Sie ist Floristin. Sie arbeitete gar nicht weit von euch in einem Blumenladen, der sich auf Ikebana spezialisiert hat.“

„Ist ja irre, dann arbeitet deine Mama für die Mutter von Sora, was ein Zufall“, freute sich Yolei und Yuki erwidert die Freude mit einem Lächeln, auch wenn sie nicht wusste wer Sora war.

„Sora ist eine Freundin, die schon zur Mittelschule geht. Sie gehört auch zu unserer Gruppe“, erklärte T.K., als er Yukis Verwirrung bemerkte und griff ebenfalls nach ihrer Hand. „Takeru Takaishi, freut mich sehr. Nenn mich T.K.“

Yuki nickte freundlich und wie bei Davis und Yolei auch, hielt Yuki die ihr entgegengehaltene Hand fest und tastete den Arm ab. Cody stand erst etwas resigniert neben T.K., bis dieser ihm mit einem Kopfnicken signalisierte, dass er ruhig vortreten sollte.

„Ich bin Iori Hida, freut mich deine Bekanntschaft zu machen“, sagte er sehr höflich und gewohnt zurückhaltend und genauso nahm er auch Yukis Hand. An der Größe dieser merkte sie schon, dass Cody kleiner und jünger wie die anderen war (genauso wie sie an seinen rauen Hände bemerkte, dass er Kendo oder irgendeinen anderen Sport in dieser Art nachging) und versucht etwas in die Knie zu gehen, um möglichst auf Augenhöhe mit ihm zu sein, was sie jedoch nicht ganz richtig abschätzte.

„Freut mich auch, Iori“, sagte sie freundlich und hoffte, das holte ihn etwas auf der Reserve. Tatsächlich entspannte sich die Hand in ihrer und erst dann berührte Yuki ihn an Arm und Schulter. Weil man Cody die Verlegenheit im Gesicht ansah, kicherten Davis, Yolei und T.K. etwas. Ken und Kari, die still geblieben waren hielten sich zurück.

„Cody, seit wann so schüchtern?“

„Grinst nicht, Davis. Ich habe eben noch nie jemanden getroffen, der blind ist“, verteidigte sich Cody, dann widmete er sich wieder Yuki. „Du darfst übrigens mich auch beim Spitznamen nennen, wenn du willst. Entschuldige, wenn ich unhöflich war.“

„I wo. Und auf dein Angebot komme ich gern zurück.“

Nun auch zwängte sich Ken durch die Menge, der ebenso schüchtern, vielleicht sogar noch schüchterner wie Cody Yuki die Hand reichte, sich das aber weniger anmerken ließ.

„Und ich bin Ken Ichijouji. Kari hat viel von dir erzählt und ich es freut mich auch deine Bekanntschaft zu machen.“

Yukis Lächeln verschwand kurz. Sie murmelte Kens Namen noch einmal für sich selbst und für ihr Erinnerungsvermögen. Sie kannte den Namen, sie hatte ihn in der Vergangenheit gehört und sie war sich sogar sicher, dass ihr Vater der war, der den Nachnamen öfter in den Mund nahm, aber sie erinnerte sich nicht mehr im welchen Zusammenhang. Ken sah ihr an, dass ihr sein Name nicht fremd schien, vermutete aber sie überlegte einfach nur, ob er dieses Wunderkind war, dass noch vor einem knappen halben Jahr in aller Munde in Odaiba war.

„Yuki?“, rief Kari nach ihr ein wenig besorgt. „Ist was?“

„Ach, nein. Ich hab nur wieder Tag geträumt“, sagte sie mit einem gezwungenen Lachen. Geschenkt bekam sie ein Lachen von aus allen Richtungen, weniger um sich über Yuki zu amüsieren, sondern ihre gute Laune an diesen wenn auch kalten Neujahrstag ihren Lauf zu lassen. Die Digimon hingegen, in einem Gestrüpp, dass fast keine Blätter trug, aber ein dichtes Netz aus schwarzen Ästen besaß und mit genügend Abstand zu der Truppe sitzend hatten gemischte Gefühle.

„Sie scheint ganz nett zu sein“, stellte Veemon für sich fest.

„Ja, ich glaube auch“, stimmte ihm Wormmon zu. Hawkmon nickte erst schlicht, bemerkte aber dann, dass Gatomon zu der Gruppe rüber stierte wie eine Katze, die eine Maus ins Visier nahm.

„Was ist los, Gatomon? Du schaust so ernst.“

„Ach, nichts“, schnaubte sie.

„Ich kenne diesen Blick. Hast du was gegen das Mädchen?“, fragte Patamon.

„Nein, es - Sie hat mich nur erschreckt. Sie ist blind und hat dennoch gemerkt, dass ich ihr und Kari die ganze Zeit gefolgt bin.“

„Das ist interessant“, meinte Armadillomon.

„Das ist gruselig. Kari meinte, alle Blinden entwickeln so etwas wie einen siebten Sinn.“

„Stille Wasser sind eben tief.“

„Hey, sie gehen weiter“, rief Veenmon auf, als die Gruppe Kinder die Straßenseite wechselten und rannten ihnen mit etwas Abstand hinterher.

Die Pfade um den Aoyama Friedhof waren zu jeder Jahreszeit ein Hingucker. Im Frühling waren es die zartrosa Kirschblüten, im Sommer gelbgrüne Blätter, die im Herbst feuerrot wurden. Nun im Winter, an einen Tag wie diesen lag Schnee auf Ästen, Büschen und Gräbern. Auch wenn die Straße den Schnee bereits grau und matschig färbte, war er hier auf dem Friedhof nahezu unberührt und reinweiß. Andere Besucher liefen an ihnen vorbei, waren auf den Weg zu ihrem Totenbesuch am Neujahr oder verließen den Ort gerade. Für halb drei nachmittags Anfang Januar war es doch recht dunkel und am Himmel waren nur Wolken, doch allein diese zarte Schneedecke zu sehen vertrieb jede Melancholie.

„Wen besuchen wir denn?“, fragte Cody nach einer Weile, während er sich umsah und hinter sich die Digimon sah, die ihnen möglichst unauffällig folgten. Da die Büsche so dicht wie die Schneedecke waren, bemerkte sie auch vorerst niemand.

„Wir gehen meinen Vater besuchen. Er ist gestorben, als ich vier war.“, erklärte Yuki und Cody reagierte zuerst mit einem bedrückten „Oh“, woraufhin Yuki fragend die Augenbrauen hob. „Ist dir das unangenehm?“

„Nein. Es ist nur, mein Vater ist auch verstorben. Ich war damals auch sehr jung.“

„Das tut mir sehr Leid“, sagte Yuki bedauernd, aber sie lächelte auch gleich wieder, wenn auch zurückhaltend. „Sollen wir ihn auch besuchen gehen? Ist er auch hier?“

„Wie? N-nein. Mein Vater ist auf einem anderen Friedhof. Meine Mutter, mein Großvater und ich haben ihn heute schon besucht“, erzählte Cody weiter und rieb sich über die Augen. Allerdings war dieser Besuch nicht am frühen Morgen, sondern noch mitten in der Nacht gewesen, gerade als er aus der Digiwelt kam. Nach jenem Abend. Nach jenem Kampf. Seine Freunde hatten ihn begleitet und waren dabei, als er ein altes Foto von seinem Vater, zusammen mit seinem Freund Yukio Oikawa auf den Grabstein legte.

„Dann gehen wir ein anderes Mal zusammen.“

„Ist es denn in Ordnung für dich, wenn wir alle dabei sind, Yuki?“, fragte T.K. sie anschließend. „Wir kennen uns ja erst seit ein paar Minuten. Ist das nicht ein wenig makaber?“

„Ach, I wo. Papa hat sich immer gefreut, wenn ich Freunde nach Hause gebracht habe. Ich denk mal nicht, dass er im Jenseits plötzlich seine Meinung geändert hat.“

„Wo müssen wir eigentlich hin?“, fragte Yolei und schaute dabei von links, nach rechts und wieder nach links.

„Hier rechts von uns am Wegrand müsste eine kleine Steinmauer sein. Die müssen wir entlang gehen, bis zu einem Pfad, der unter einem Baum durchführt, dann sind wir fast da.“

„Ah, ich sehe es schon“, rief Yolei auf, mit den Händen über ihren Augen, die sie zukneifen musste, da das viele Weiß in den Augen trotz wenig Licht doch weh tat, dann nahm sie Yuki an die Hand und zog sie schnell mit sich.

„Hey, wartet mal!“, rief Davis ihnen nach und rannte den beiden Mädchen sofort hinterher.

„Leute, wir sind hier auf einem Friedhof“, motzte Kari und Yolei blieb mit Yuki auch sofort stehen, dann Davis direkt hinter den Mädchen. Der Grund war aber nicht die Predigt, sondern war Yuki ganz von selbst stehen geblieben und stand mit offenen Mund da, ohne aber Yoleis Hand loszulassen. Für einen Moment glaubte Yuki gespürt zu haben, dass etwas nach ihr griff. Eine Hand. Eine kalte, knochige Hand, die aber zu schwach war um sie zu packen und es daher nur schaffte sie zu streifen. Yuki glaubte aber noch viel mehr etwas gehört zu haben. Sie konnte nicht sagen, was sie rief oder was für eine Stimme das war – männlich oder weiblich, hoch oder tief, jung oder alt, es war ihr unmöglich das festzustellen –, aber sie hörte sie. Nicht mit den Ohren, sondern in ihrem Kopf, die ständig rief

(Alice!)

„Hört ihr das nicht?“, fragte Yuki, obwohl sie bereits ahnte, dass keiner außer ihr das hörte.

„Nein. Wir hören nichts. Was hast du?“

„Lauf weiter, Yolei! Rechts, links und wieder links, da ist Papas Grab!“, forderte Yuki sie auf, ohne auf die Frage einzugehen. Yolei fragte auch nicht, sondern lief weiter mit Yuki an ihrer Hand. Ehe sie abbog, warnte sie das blinde Mädchen vor, rief laut „Nach rechts!“ und verschwand mit ihr unter zwei kahle Bäume und zwischen die Gräber. Von Entsetzen und Verwirrung am Boden angewurzelt rührte sich Davis nicht, auch als seine Freunde an ihm vorbei rannten und den beiden Mädchen folgten, erst als ihn auch die Digimon überholten fing er sich und rannte hinterher.

Yolei folgte Yukis Wegbeschreibung ohne ihr Tempo zu verringern, auch wenn Besucher, die ihnen begegneten irritiert und teilweise erzürnt nachsahen.

„Jetzt nochmal links“, rief Yolei zurück, nahm schließlich eine scharfe links Kurve und blieb dann plötzlich stehen, ohne Yuki vorzuwarnen, was zur Folge hatte dass Yuki ihr in den Rücken lief.

„Oh, tut mir Leid, tut mir Leid, habe ich dir wehgetan?“, entschuldigte sich Yuki, doch Yolei ließ ihre Hand los und sagte nur:

„Pscht. Da ist etwas.“

Yuki hörte die anderen, die näher kamen und abgesehen von Schritten, Schnee und Wind hörte sie tatsächlich etwas. Es war gar nicht so weit weg und wenn sie richtig schätzte, war es gar nicht einmal so weit vom Grab ihres Vaters entfernt. Es war sogar direkt an seinem Grab. Der Frost zeichnete Muster in den grauen Stein und erweckte den Anschein, dass dort sehr filigrane, weiße Pflanzen das Grab überwucherten. Und mitten auf diesem Grab, an der Tafel mit der großen Aufschrift AMANO kauerte mutterseelenallein ein Poyomon.

„Das...“, rutschte es Yolei heraus, aber sie hielt sich rechtzeitig den Mund zu. Ihre Freunde wie auch ihre Digimon hatten sie schließlich eingeholt und auch ihnen fiel das weinende Digimon sofort auf. Dass ihre Gruppe sich vergrößert hatte bemerkte Yuki nicht, sie konzentrierte sich ausschließlich auf dieses Wimmern.

„Alice... Dummkopf! Dummkopf! Du... Ich... wieder alleine... Alice! Aliihiiice...!“, weinte das Poyomon lauthals. Die Gruppe schaute sich um, fragend woher dieses Poyomon kam. Da es nicht in der Digiwelt war, sondern hier musste es demzufolge eigentlich jemanden gehören. Doch in ihrer Nähe war sonst niemand. Die nächsten Besucher waren zu weit fort, ohnehin zu alt und schienen auch nicht den Eindruck zu erwecken, als suchten sie etwas.

„Was glaubst du, wie es hierhergekommen ist?“, flüsterte Yolei zu Ken, aber er zuckte nur mit den Achseln.

„Keine Ahnung. Aber Alice ist vielleicht sein Partner.“

„Aber warum ist es dann alleine hier?“, fragte sich Cody. „Ob es sich verlaufen hat?“

„Was genau ist es denn?“, fragte Yuki und abrupt schwiegen die drei. Hawkmon, Armadillomon und Wormmon schauten zu ihren Partnern auf, genau wie sie nicht wissend, wie sie Yuki das nun erklärten. Kari überlegte sich bereits eine Ausrede – ob sie Poyomon als Kleinkind verkaufen könnte? – bis ihr ein Leuchten in Yukis Manteltasche auffiel. Das etwas in ihrer Manteltasche wärmer wurde spürte Yuki erst nicht, dafür war der Stoff zu dick. Aber sie hörte die Töne ihrer Spieluhr, steckte ihre Hand in die Manteltasche und holte ihre geschlossene Faust wieder heraus, die Melodie von Vivaldis Winter deutlich hörbar.

„Was hast denn da, Yuki?“, fragte Kari, jedoch gab ihr Yuki keine Antwort. Sie öffnete ihre Hand schlicht, langsam wie eine Blume, die von der Morgensonne wachgerüttelt wurde und offenbarte der Gruppe das über zwanzig Jahre alte Digivice, dass sich optisch aber in keinster Weise von dem Digivice von Tai oder den anderen Digirittern unterschied. Die Gruppe um Yuki atmete erschrocken auf.

„E-Ein Digivice?“

„Du hast auch ein Digivice?“, riefen Kari und T.K. perplex, dann sahen alle zu Poyomon und nochmal zu Yuki. „Dann gehört dieses Poyomon vielleicht dir.“

„Dann heißt das, du bist ein Digiritter! Genau wie wir!“

„Hä, was?“, ächzte Yuki bei Davis' Jubel und er klopfte ihr einmal auf die Schulter.

„Wir sind Digiritter. Jeder Digiritter hat auch ein Digivice. Das ist der Beweis, dass du auch zu uns gehörst.“

„Und wenn das Poyomon hier wartet, kann es nur dein Partner sein“, erklärte Ken, doch weil Yuki nicht reagierte wie erwartet, dachte er schon, er hätte etwas Falsches gesagt. Im Grunde reagierte Yuki gar nicht. Wormmon saß derweil auf Kens Schulter, sah in das Gesicht des Mädchens und konnte sich kaum vorstellen, dass er so dicht an ihr dran war, sie ihn aber nicht bemerkte. Selbst wenn sie nicht blind wäre, hätte Yuki Wormmon wirklich nicht wahr genommen, ihre ganze Konzentration richtete sich auf das Weinen in ihrer Nähe. Selbst über die Tatsache, dass Kari und ihre Freunde wussten, was ein Digivice und ein Digimon war sah sie hinweg. Poyomon war interessanter. Ein Digimon, direkt am Grab ihres Vaters, dass aber nicht seinen richtigen Namen aussprach. Sondern seinen Decknamen von einst, aus der Zeit im Wunderland.

Könnte...

„Das ist nicht mein Digivice“, sagte Yuki wie weggetreten und sprang auch nicht auf die Verwirrung unter den Kindern an.

„Das gehört dir nicht? Aber es leuchtet doch.“

„Es gehört mir nicht, Kari. Meine Spieluhr gehört Papa.“

Umgeben von der Gruppe Kinder, die nicht ganz dem zu folgen schienen, was Yuki sagte ging sie auf das Grab zu. Die Spitze ihres Blindenstabs berührte erst eine hochabstehende Wurzel und von dort aus musste sie fünf Schritte gehen, um dann genau vor dem Grab ihres Vaters zu stehen und auch dort, wo dieses Weinen herkam. Dieses Wimmern war herzzerreißend. Das Digimon rief weiter das Synonym ihres Vaters, aber doch fühlte Yuki in ihrem Herzen, dass dieser Ruf indirekt auch an sie gerichtet war. Sie stand vor dem Grab und hörte dem Weinen zu.

Nun bemerkte das Poyomon auch Yuki und man erkannte das Aufblitzen eines Funken von Erinnerungen in seinem Gesicht. Es sah Yuki stumm und mit leicht geöffneten Mund an. Poyomon kannte dieses Gesicht. Es war ein sehr vertrautes Gesicht, mit dem es aber nichts negatives verband (oder zumindest nicht viel negatives). Ein Menschenkind mit blonden Haar und hellblauen Augen, dass es einst zum ersten Mal in einer verschneiten Winternacht traf. Nach und nach setzten sich die Teile wieder zusammen.

Im selben Moment, als Schneeflocken nicht nur von den Bäumen sondern auch vom Himmel fielen dämmerte ihm der Name, doch wusste Poyomon, dass es nicht der Name dieses Mädchens war. Das Mädchen sah wie Alice aus, hieß aber...

„Yuki... no...“, murmelte Poyomon, seine Knopfaugen wurden dabei größer. Überrascht davon ihren Namen zu hören sagte weder Yuki, noch irgendwer anders etwas. Wieder sagte es mit hoher Stimme:

„Yu... kino. Yukino...“

Langsam ging Yuki vor dem Grab ihres Vaters auf die Knie, beobachtet von den Digirittern, die sie aber ausblendete. Sie nahm den Handschuh ihrer rechten Hand ab und tastete sich vor. Der Boden unter ihren Fingern war mit Frost bedeckt, aber sie versuchte weiter das Wesen zu finden, dass nach ihr rief. Sie hörte das unterdrückte Winseln genau vor sich, ansonsten tat das Baby-Digimon nichts weiter, als mit seinen runden Knopfaugen zu starren.

Ihre Finger stießen schließlich auf einen weiche, aber nicht kalte Oberfläche. Dieses Etwas vor ihr hatte die Konsistenz einer pelzigen Qualle. Erst berührte Yuki das Digimon nur mit den Fingerkuppen, schlicht um zu prüfen wie es reagieren würde. Und weil es eben nichts weiter tat wie nur zu starren legte Yuki schließlich ihre ganze Hand um das Digimon, dann auch die linke. Die Kreatur vor ihr hatte keine wirkliche stabile Form und war ohne jegliche Konturen. Es war einfach glatt und kalt. Die Empfindung alleine weckte keine Erinnerungen, vielmehr die Aneinanderreihung von bekannten Situationen, die sich einst an einem warmen Sommertag ereigneten, an dem es aber auch (wenn auch nicht hier in der Stadt) zu schneien begann und der Schnee brachte fremde Kreaturen mit in diese Welt.

Es sprach sie beim vollen Namen an, obwohl sie ihm oft genug gesagt hatte, er soll das nicht machen. Es saß hier und rief Alice, obwohl er doch wusste, wie Alice wirklich hieß. Er ließ sich anfassen, obwohl er Anfassen gar nicht mochte, aber er beschwerte sich kaum, weil sie es war. Und nicht zuletzt spielte ihr Digivice die Wintermelodie, einfach so aus heiterem Himmel. Kurz empfand sie ihre Blindheit sogar als Segen, denn hätte sie normal sehen können, vielleicht wäre es ihr gar nicht aufgefallen. Man sah mit dem Kopf, sagte ein Lehrer einmal, als er erklärte wie das Auge eigentlich funktionierte. Da ihre Augen nicht mehr wirklich funktionierten, suchte Yuki nach Alternativen. Für Yuki waren nicht nur Ohren und Hände ein Organ der Sinne wahrnahmen, das Herz gehörte auch zu jenen Mitteln und sie war sicher, in diesem Moment mit ihrem Herz sehen zu können. Sie war sicher in dieser unförmigen und schlichten Gestalt sein Gesicht gesehen zu haben, wenn auch nur für einen winzigen Moment, nicht länger wie ein Augenklimpern.

„Onkelchen? Bist du es?“, fragte Yuki vorsichtig. Ihre Stimme war heißer und überwältigt davon ihn tatsächlich wiederzusehen kamen ihr beinah die Tränen.

„Du bist es.... Ich wusste es. Du warst doch da. Und das gestern Abend – warst du das auch? Bis du wieder zurückdigitiert? Du bist so klein... Was hast du angestellt?“

Der weiße Rauch ihres Atems hüllte das Baby-Digimon ein, als Yuki es näher an ihr Gesicht drückte. Es fühlte sich nicht nach ihm an, auch roch sie nicht seinen erdigen Grabgeruch mit einem Hauch Wildblumen und Laub, aber Yuki war sich trotzdem sicher, dass das Onkelchen war.

„Du kennst dieses Digimon?“, fragte Ken und Yuki nickte in Poyomons Richtung.

„Natürlich. Das ist Onkelchen. Ich würde ihn immer wiedererkennen.“

„Und wieso nennst du dieses Digimon so?“, fragte Yolei.

„Weil er mein Onkel ist! Er ist Papas Freund aus der Digiwelt.“

„Wie bitte, sein Freund?“, ächzten mehrere Stimmen, aber diese Stimmen waren Yuki fremd. Es waren die Digimon der Digiritter, die ihr Staunen nicht rechtzeitig ausbremsen konnten und losbrüllten, obwohl Ken wie auch Davis und T.K. noch versuchten ihren Digimon den Mund zuzuhalten. Aber zu spät.

„Hier sind noch mehr Digimon? Es... sind doch Digimon?“, fragte Yuki, verschreckt dass aus heiterem Himmel plötzlich so viele Stimmen und Schritte kamen. „S-seid ihr die Digimon von Kari und ihren Freunden? Sagt nicht, ihr seid die Digimon gewesen, die man an Heiligabend in der Nähe von Fuji TV gesehen hat.“

Die Digimon sagten erst nichts. Zwar wurden sie ertappt, aber ihre Order war ja eigentlich nicht aufzufallen. Doch ertappt war ertappt und da Yuki Digimon bereits zu kennen schien, machte das Versteckspiel auch keinen Sinn mehr.

„Schon gut. Sagt ruhig Hallo“, meinte Kari seufzend, wenn sie sich auch ein wenig ärgerte, für was sie sich die ganze Planung gemacht hatte, um ihre Digimon vor Yuki geheimzuhalten. Die Digimon ging ohne zu zögern auf das Mädchen zu, doch Yuki, normalerweise nicht scheu versteifte sich und hörte erst auf, als sie Poyomon wimmern hörte. Es fror und Yuki lockerte ihren Wollschal, um das Baby-Digimon darin einzuwickeln.

Sie hörte mehrere Paar Füße, die alle vor ihr stehen blieben, aber Yuki konnte nicht abschätzen, wie viele es waren. Es waren Digimon, doch was für Digimon? Zwar dachte Yuki nichts böses, da sie nicht davon ausging dass Kari oder einer ihrer Freunde mit zwielichtigen Gestalten verkehren würden, aber ein Bild von ihnen konnte sie sich nicht machen. Sie kannte schließlich nur zwei Arten von Digimon – Onkelchen und den Herr Jabberwock und sie konnte nicht behaupten dass einer von ihnen ein angenehmer Zeitgenosse war.

„Ich bin Veemon.“

„Gestatten, Hawkmon.“

„Ich bin Armadillomon.“

„Und ich heiße Wormmon.“

„Nenn mich Patamon.“

„Und mich Gatomon“, sagte jedes Digimon nacheinander. Yuki schwieg weiter, streckte aber langsam ihre rechte Hand nach den Digimon aus, die vor ihr im Halbkreis standen. Mehr wie Kälte spürte sie nicht, bis sie eine andere Hand spürte, kleiner wie ihre eigene. Dann eine zweite, eine dritte. Insgesamt waren es schließlich sechs. Yuki spürte Schuppen und Krallen, kleine Finger und klobige Hände, sogar Federn und auch Pelz. Bei letzteren dachte sie an Dinah, wusste aber erst nicht warum, da sich diese Hand nicht wie die Pfote eines Hunds anfühlte.

„Leute?! Hey, Leute!“, rief jemand und die sechs Digimon sprang erschrocken zurück zu ihren Partnern, während Yuki ihre Hand zurücknahm und wieder um das wimmernde Poyomon legten. Der Schreck legte sich, als man feststellte dass es Izzy und Tentomon waren, das dann in ein Stirnrunzeln überging, als man zusätzlich feststellte, dass die beiden mit Baby-Digimon beladen waren. Izzy selbst hielt Pichimon im Arm, auf seinem Kopf saß ein Yuramon, dessen kleine Ranken sich an den Haarsträhnen seines Aufpassers festhielten. Ein Nyokimon und ein Botamon saßen auf seinen Schultern. Tentomon trug ein Punimon und ein Pabumon mit sich rum. Und alle sechs Baby-Digimon weinten und jammerten wie das Poyomon zuvor.

„Izzy? Was machst du hier?“

„Das wollte ich euch fragen“, entgegnete er T.K. „Ich bin nur dem Signal meines Digivices gefolgt.“

„Und wo hast du diese Digimon her?“, fragte Ken.

„Ich habe mit meinen Eltern den ganze Yanaka Friedhof abgeklappert. Und diesen hier genauso. Wir haben sie gefunden“, ächzte er und fragte sich noch, wo seine Eltern abgeblieben waren. Sie wollten auf die Baby-Digimon im Auto aufpassen, doch diese Digimon waren getürmt und Izzy gefolgt, während er auf die Suche ging. Vermutlich wanderten sie im Nordteil des Friedhofs umher, während Izzy mit Tentomon und den Baby-Digimon allerdings in den Südteil gelaufen war.

„Wir sind schon den ganzen Tag unterwegs“, ächzte Tentomon. Er stürzte fast zu Boden und befreite sich von seinem zusätzlichen Gewicht. Die Baby-Digimon waren nicht schwer, aber ihr Gezappel kostete Tentomon Mühe sie zu transportieren und dabei keines fallen zu lassen. Auch Izzy setzte die anderen vier auf dem Boden ab, die gleich zu Punimon und Pabumon stürmten. Zusammengekauert standen die sechs Baby-Digimon da, wimmerten und starrten die Menschen und Digimon an, die um sie herum waren. Ihrer Erinnerungen waren sie zwar vorerst beraubt, aber ihr Instinkt sagte ihnen, dass sie diese Kinder und diese Digimon kannten und dass es absolut nicht gut war hier bei ihnen zu sein. Vor Angst kauerten sie sich noch mehr zusammen. Veemon und Armadillomon gingen sofort auf sie zu, aber als die sechs Baby-Digimon aufschrien, blieben die beiden erschrocken stehen.

„Na, na, ist doch gut, wir machen euch nichts“, sprach Hawkmon zu ihnen, aber ihr Geplärr hörte nicht auf.

„Izzy. Diese Digimon. Was hat -“

„Einen Moment noch“, unterbrach Izzy Cody, noch leicht erschöpft von seiner Stadttour. „Zuerst – ich such jemanden, der Amano heißt. Habt ihr zufällig Gräber gesehen, wo dieser Name draufsteht?“

Ohne etwas zu sagen zeigten die Digiritter zu Yuki und Poyomon. Izzy sah erst nur das Grab hinter ihr, wo auch groß AMANO zu lesen war und noch bevor er fragen konnte, ob sie hier ein Baby-Digimon gefunden hätten, sah er Poyomon in den Armen des blonden Mädchens.

„War es hier am Grab gewesen?“, fragte Izzy in die Runden und alle nickten.

„Genau wie die anderen. Wir hatten also Recht, Izzy“, sagte Tentomon. „Mit diesem Poyomon sind es also sieben.“

„Gehören sie vielleicht zu einem der Kinder, die die Saat der Finsternis injiziert bekam? Wäre zumindest das naheliegenste“, schlussfolgerte Yolei.

„Nein. Ganz sicher nicht“, erklärte Izzy sofort. „Ich habe mir die Namen notiert, die auf den Gräbern standen, an denen wir sie gefunden haben und ich bin auf eine Verbindung gestoßen.“

Aus seiner dunkelgrauen Umhängetasche zog Izzy seinen Laptop heraus. Er stand aus Standby, also brauchte Izzy auch nicht lange um die Dokumente und Dateien aufzurufen, die er zeigen wollte. Neben ein paar Text-Dokumenten, die Izzy sich für Randnotizen anlegte und einer großen PDF-Datei, zeigte er Zeitungsausschnitte und Bilder, teils stark verpixelt (auch wenn Izzy sich die Mühe gemacht hatte die Qualität zu verbessern), die er nach langen Internetrecherchen fand. Darunter Fotos von sieben Kindern, etwa in dem Alter wie die Digiritter selbst.

„Ich habe etwas über eine Sache recherchiert, die sich der Wunderland-Vorfall nennt. Das war am 1. August 1979. Genau zwanzig Jahre bevor...“

Izzy zögerte. Er bemerkte, dass die Baby-Digimon zu ihm aufsahen, auch Pichimon. Nach all den Informationen und diesen nahezu erschreckenden Parallelen setzten sich Theorien in seinem Kopf zusammen und irgendwie wurde Izzy flau im Magen, wenn er daran dachte. Er würde ja gern sagen, dass es einfach Hunger sei. Es war jedoch keiner, dass wusste er.

„Was war da, Izzy?“, fragte Kari nachdrücklich.

„Damals verschwanden sieben Kinder spurlos und tauchten erst am nächsten Tag verwirrt wieder auf.“

„Und es fehlte einer von ihnen“, unterbrach Ken Izzy. „Es konnte nur sechs gefunden haben.“

„Ja. Genauso war es“, bestätigte Izzy doch erstaunt, obwohl ja auf einem der Gräber Kens Familienname stand.

„Du hast von diesem Vorfall gehört, Ken? Was weißt du noch?“, fragte Yolei.

„Mein Vater erzählte mir erst vor kurzem von meinem Onkel. Er war auch in diesen Vorfall verwickelt. Er ist der Junge, der damals nicht gefunden wurde.“

„Ich wusste, dein Name kommt mir bekannt vor“, sagte Yuki nun. Ihren Kopf drehte sie dabei in die Richtung, von der aus sie Kens Stimme hörte. Yuki sah Ken so ernst an und der Winkel ließ glauben, sie fokussierte ihn streng, obwohl er doch wusste, dass sie das nicht konnte.

„Du bist also der Neffe von Kouta.“

„Du kennst ihn?“, fragte Ken vorsichtig und Yuki schenkte ihm ein kurzes Nicken.

„Mein Vater war sein Freund. Papa war ebenfalls eines der Kinder des Wunderland-Falls“, erklärte Yuki. Aus verschiedenen Richtung hörte sie ein „Oh“. Izzy ging näher auf Yuki zu. Er achtete nicht auf ihre Binde am Arm, er bemerkte auch so, dass mit ihren Augen etwas nicht stimmte, da sie an ihm vorbeistarrte.

„Hat er gesagt, was damals genau passiert ist?“

„Nicht genau. Papa las mir oft die Geschichten von Alice im Wunderland vor. Das war seine Lieblingsgeschichte. Aber manchmal, wenn die grauen Gedanken seinen Kopf überrannten, nahm er Worte in den Mund, die so im Buch nicht vorkamen. Er redet von einer fremden Welt und er benutzte oft das Wort Krieg. Und er sprach oft vom Schwarzen König. Dieser sei sein Freund.“

Das Poyomon im ihrem Arm zitterte und nieste einmal laut. Fester drückte Yuki das Digimon an sich.

„Erst vor drei Jahren habe ich verstanden, dass Papa nicht vom Wunderland redete, sondern von der Digiwelt.“

„Vor drei Jahren sagst du? Doch nicht in diesem Sommer?“, wiederholte Kari und tauschte Blicke mit T.K. aus und dann mit Gatomon und sie schienen dieselbe Idee zu haben. Vielleicht, so dachten beide, war unter Myotismons Truppen noch ein auserwähltes Digimon dabei und es erging ihm ähnlich wie Gatomon. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, welches Digimon es hätte sein können.

„Genau das habe ich befürchtet“, seufzte Izzy, auch wenn er es aussprach, als wäre die Theorie, die er während der Recherche und beim Einsammeln der Baby-Digimon in den letzten Stunden aufstellte absolut absurd und fern jedes logischen Denkens. „Vor den Souveränen gab es also schon einmal Digiritter. Die Kinder des Wunderland-Falls waren die allerersten Digiritter.“

Staunen, wenn auch zurückhaltend. Münder standen auf. Herzen machten einen kräftigen Schlag während Gedanken die Köpfe der Digiritter so schnell durchströmten, dass einem schlecht werden konnte.

„Wenn es schon Digiritter gab, warum haben sie euch damals nicht gegen diese ganzen bösen Digimon geholfen?“

„Weil sie tot sind, Davis. Alle“, erklärte Izzy weiter und hielt Davis den Laptop entgegen, damit er einen besseren Blick auf die Artikel werfen konnte. Er überflog sie nur, aber in den meisten ging es um merkwürdige Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr. Ein sehr ausführlicher Artikel über den mysteriösen Tod des Sohnes eines Firmenleiters während einer Operation. Auch die Bilder der Kinder sahen er und die anderen Digiritter sich an. Ein Kind auf dem Bild für eine Vermisstenanzeige sah sogar Ken ähnlich. Dieser erkannte den älteren Bruder seines Vaters gleich.

„Und ihre Digimon? Haben die Souveränen oder Gennai erwähnt, wo sie sein könnten?“, fragte Davis weiter und nur mit viel Zögern, Unbehagen und einem flüchtigen Blick zu Pichimon sagte Izzy weiter:

„Ja und Nein. Ich habe die Vermutung, dass sie lebten – bis wir kamen.“

„Izzy...“, sagte Kari und klang zwar ernst, aber auch als hätte sie Angst. Ihre Lippen waren nur noch ein schmaler Strich und so wie sie Izzy ansah, könnte man meinen sie wollte ihm verbieten etwas auszusprechen, was makaber, vulgär oder gar blasphemisch wäre. Aber Izzy hatte nach seiner Zeit in der Digiwelt und danach gelernt unangenehme Dinge anzusprechen, gerade wenn die Faktenlage so eindeutig war.

„Es war bisher nur eine Theorie, aber so wie es aussieht und dem, was Azulongmon uns erzählte -“

„Bitte, Izzy. Ich hatte diese Vermutung auch, also bitte sag mir, dass ich mich irre.“

„Kari...“, sagte Yolei fast lautlos, als er sah wie Karis Augen plötzlich glasiger wurden. Daraufhin schwieg Izzy nur, klappte seinen Laptop zu, was für Kari als Bestätigung reichte.

„Izzy, sag nicht, dass Azulongmon Recht hat. Sag nicht die Meister der Dunkelheit... Das... Ich - ich will nicht glauben, dass wir die Digimon von anderen Digirittern getötet haben!“

„Sie waren unsere Feinde“, rief T.K. energisch dazwischen und dann sah er sich die Baby-Digimon noch einmal genauer an. „Sie haben die Digiwelt ins Chaos gestürzt. Izzy, sind diese Digimon hier etwa die Meister der Dunkelheit? Du hast die Gräber dieser ersten Digiritter deswegen gesucht, weil sie wiedergeboren wurden? Willst du uns das sagen?“

„T.K., ich vermute nur -“

„Sind sie es oder nicht?!“

Auf Yuki achtete in diesem Moment niemand. Nur Davis und auch Ken bekamen mit, wie das Gesicht des Mädchens noch blasser wurde und entgleiste, als sie das hörte. Es war kein allzu großer Schock, schließlich hatte Yuki geahnt, was für eine Sorte Vampir Onkelchen war. Das zu hören jedoch, bestätigt zu bekommen, was für ein Chaos er angerichtet und dabei anderen schadete, ohne jede Rücksicht war noch einmal eine andere Schippe.

„Sie wollten uns umbringen. Wir hatten damals keine Wahl“, erklärte T.K. weiter, ohne dass seine Stimmlage nachließ, stattdessen klang er weiter wütend. „Entweder sie oder wir und mit uns wäre die gesamte Digiwelt mit untergegangen!“

„Es waren Digimon wie unsere“, protestierte Kari weiter mit gedrückter Stimme.

„Und sie hatten menschliche Partner, genau wie unsere Digimon, dass hat sie aber auch nicht davon abgehalten uns anzugreifen. Hast du plötzlich Mitleid mit ihnen?“

„Nein, aber wenn es so ist, dann hätte es vielleicht auch andere Möglichkeiten gegeben.“

„Welche Möglichkeit? Weißt du noch, wie Piedmon uns fast vom Spiralberg geworfen hätte? Was hätten wir in dieser Situation anders machen sollen?“

„Ich... I-Ich weiß es nicht!“ gab Kari zu, auch wenn ihre Antwort sie nur mehr deprimierte und versteckte ihr Gesicht in ihren Händen

„Jetzt hört doch mal auf damit. Eure Diskussion führt doch zu gar nichts“, mischte sich schließlich Yolei ein, Cody stimmte ihr zu.

„Sie hat Recht. Momentan sind sie Baby-Digimon, also werden sich auch niemanden so schnell schaden können.“

„Und was ist, wenn sie innerhalb kürzester Zeit wieder zu Mega-Digimon werden?“, konterte T.K.

„Aber wenn das stimmt, was Izzy und Kari sagen... Vielleicht haben sie sich geändert und sind deswegen auch wiedergeboren worden.“

„Und wenn nicht?“

Schweigen. In die Diskussion und die moralischen Fragen vertieft merkte erst keiner, wie Punimon zu weinen aufhörte, als der Name Piedmon fiel. Als es so darüber nachdachte, war ihm als sagte der Name ihm irgendetwas. Also dachte es weiter nach, soweit es in diesem Stadium möglich war und es wurde ihm bewusst, dass es sich bei dem Namen sogar direkt angesprochen fühlte. 

Und wie es so den Kindern beim weiterdiskutieren zusah und sich dann die Digimon zu den Kindern ansah erinnerte es sich wieder. Punimon gab ein zischendes Geräusch von sich. Auch Botamon und die anderen Baby-Digimon, dieses Geräusch galt aber Punimon. Die fünf Baby-Digimon, die um Punimon standen schienen ihren Gitarristen ebenfalls wieder erkannt zu haben und sich auch wieder an die miesen Spielchen zu erinnern, die er mit ihnen trieb, um seine angeblichen Freunde an der Leine zu halten. Wären sie auf ihren zuletzt erreichten Leveln, hätten sie vermutlich gekämpft. Als Baby-Digimon aber war der Adrenalin zu niedrig und ihre Kräfte zu stark reduziert. Außer Seifenblasen kannten sie keinen Angriff und außer dass die Augen brannten brachten sie nichts. Das hinderte sie aber nicht daran Punimon anzuknurren und die Zähne, wenn sie denn schon welche hatten zu fletschen. Punimon ließ sich zwar davon einschüchtern und gurgelte etwas, was wohl ein Versuch sein sollte sich zu erklären, auch wenn er kein einziges Wort zu standen brachte. Nur Quieken, Zischen, Knurren, Brummen und wieder Quieken. Pabumon ging sogar so weit, dass es Punimon anrempeln wollte, aber das Digimon sprang weg, fiel hin und fing kurz darauf an zu jammern und sogar fast zu weinen. Und seine fünf Kameraden (Poyomon sah nur zu und ihm war noch nicht so bewusst, was es denken sollte) bekamen plötzlich beim seinem Anblick Gewissensbisse. Erinnerungen. Sie wollten gern wütend auf ihn sein, doch es ging einfach nicht. Er hatte ihnen etwas schrecklich angetan, doch mussten sie sich eingestehen – soweit das kognitiv in dem Stadium möglich war – sie hätten wohl nach dem allen ähnlich gehandelt, wären sie so voll Neid und Hass gewesen. Und als ihnen das klar wurde, mussten sie gestehen, dass sie außer Hass letzten Jahre vor ihrer Vernichtung nichts anderes Gefühl hatten.

Auf Punimons Geplärre hin hörten die Digiritter auf zu streiten und umkreisten die Baby-Digimon. Und überfordert wimmerten Nyokimon, Yuramon, Pabumon, Pichimon und Botamon schließlich auch.

„Was machen wir denn jetzt mit ihnen?“, fragte Cody, aber es kam nur Geseufze aus allen Richtungen. Die Baby-Digimon richteten sich derweil auf die anderen Digimon, die mit diesen anfänglichen Versuchen Kontakt aufzubauen nicht umzugehen wussten. Patamon und Gatomon gingen sofort auf Abstand, Veemon, Hawkmon und Armadillomon standen nur betrübt daneben, da ihnen die Baby-Digimon eher Leid taten, die Geschichten aber über ihre vergangenen Verbrechen sie verschreckten. Wormmon hingegen schaute nicht weg. Um genau zu sein schaute er nur auf Punimon. Er schien sich in Punimons großen, nassen Augen regelrecht zu spiegeln, obwohl sie auch den Anschein erweckten, als sei da mehr. Wormmon dachte trotz der Kälte, Nässe und dem Schnee der runter kam an den Sommer.

„Pency? Pency, du bist es!“, jubelte Wormmon aufgeregt und sprang von Kens Schulter. Der Name Pency löste in Punimon erst nichts aus und auch das Wormmon kam ihm erst nicht bekannt vor. Die anderen Baby-Digimon um Punimon herum warteten und schauten fragend und Punimon dachte weiter angestrengt nach, während Wormmon noch voller Erwartung und mit ausgestreckten Ärmchen und großen Augen dastand. Es sollte aber nicht allzulange dauern, bis Punimon sich zu erinnern schien. Die Erkenntnis schlug ein wie ein Blitz und beseitigte jeden Zweifel. Es wusste, wer und was dieses Wormmon war und sprang dem Insekten-Digimon schließlich entgegen.

„Ich habe dich so vermisst, Pency.“

„Du kennst dieses Digimon?“, fragte Veemon und dann wurde Wormmon klar, dass er vermutlich einen Fehler begangen hatte.

„Ja... Also...“

„Wormmon. Gibt es da etwas, was wir wissen sollten?“, harkte Ken nach und ging in die Knie, um näher bei seinem Digimon zu sein. Punimon spähte für einen kurzen Moment zu Ken, versteckte sein Gesicht aber gleich wieder. Er sah ihm zu ähnlich, dass ertrug Punimon nicht. Es wusste jedoch nicht, wer ihm war.

„Hum... Hump... Hump... y...“

Wormmon strich dem Baby-Digimon mit den kurzen Armen, die nur eine Kralle statt Finger hatten über den Kopf.

„Weißt du, Ken -“

Wormmons Gesicht wirkte ernst. Sehr ernst sogar. Dass Worrmmon nicht mehr nur das schwache Würmchen war, sondern ein tatkräftiges Digimon, dass für seinen Partner alles geben würde und dies eben auch ausstrahlte machte dies nicht unbedingt neu. Aber in diesem Augenblick wirkte er auf Ken geradezu fremd. Punimon winselte. Wormmon drückte es fester. Sein Herz pochte, doch Wormmon hörte nichts. Der Junge in Wormmons Inneren, der Ken ähnlich sah war nicht nur verstummt, er war gegangen. Er hatte endlich seinen Frieden gefunden.

„Was ist, Wormmon?“

„Was Izzy und Yukino sagen stimmt. Dein Onkel Kouta war in der Digiwelt. Und er starb dort.“

„Was wirklich? Kens Onkel war echt ein Digirtter?“, fragte Davis absolut fassungslos, hingegen Ken fast zu gelassen reagierte, wie Davis fand. „Wusstest du das etwa?“

„Ich hatte eine Ahnung.“

„Und du bist dir da ganz sicher, Wormmon?“, harkte Veemon nach, woraufhin das Insekten-Digimon nickte.

„Ja. Pency hat -“, kurz dachte Wormmon nach, wie er es formulieren sollte, „- es mir erzählt. Pency ist der Partner von Kouta. Das Digivice und das Wappen der Freundlichkeit haben Kouta gehört. Ich habe darauf aufgepasst. Und Pency... Nein, Piedmon und ich haben gewartet, dass Ken kommt. Dann ist Pency gegangen und kam nicht mehr. Nun weiß ich auch warum.“

„Bist du sicher, dass wir überhaupt von demselben Digimon reden?“

„Ja. Das klingt nicht wie nach den Gegner, gegen den wir gekämpft haben.“

„Ganz sicher“, sagte Wormmon mehr wie nur überzeugt zu Gatomon und Patamon und drückte demonstrativ Punimon an sich, was ihn einerseits freute, anderseits unangenehm war. Davis und Veemon gingen schließlich auf Botamon, Pichimon, Nyokimon, Pabumon und Yuramon zu, um sie sich genauer ansehen zu können.

„Das sind also wirklich die Meister der Dunkelheit?“

„Sehen harmlos au-“

Veemon schaffte es nicht mehr seinen Satz auszusprechen. Die Gesichter der fünf Baby-Digimon verwandelten sich in verärgerte Grimassen.

„Okay, okay, ich sag nichts mehr“, schrie Veemon und ging mit Davis und erhobenen Händen vor dem Gesicht ein Stück zurück, ehe diese Baby-Digimon noch auf die Idee kamen die anzugreifen, so klein und schwach sie auch waren. Und nach Sekunden des Schweigens und des mehrfachen Überlegens, Nachzählens und wieder Überlegens stellte Armadillomon schließlich die unangenehme Frage:

„Aber wenn vier davon diese Meister der Dunkelheit sind, warum sind es dann sieben Digimon?“

Kari und T.K. wurden still. Nicht nur verbal, auch innerlich schienen sie zu schweigen und hielten ihre Münder geschlossen, um nicht einen grusligen Gedanken auszusprechen. Und ihnen wurde klar, dass das hieß, nicht nur Piedmon, Machinedramon, MetalSeadramon und Puppetmon waren wiedergeboren worden, sondern auch Devimon, Etemon und -

Auch Patamon schien das klar zu werden. Dann Gatomon. Sie riss ihre Augen auf, dafür wurden ihre Pupillen immer schmaler. 

„Nein... Nein! Das ist nicht wahr! Sag nicht einer von ihnen ist -!“, doch sie beendete ihren Satz nicht mehr, bereits trafen sich ihr Blick mit dem von Poyomon. Obwohl es nur schwarze Knopfaugen besaß glaubte Gatomon dennoch diese, genau diese Augen zu erkennen und in dem Moment, als kalter Winterhauch ihr um die Augen pfiff und ihr suggerierte, dass ein Schneesturm sich anbahnte erkannte sie, wer sich hinter dieser unscheinbaren Gestalt befand. In der genau selben Sekunde erinnerte sich Poyomon auch wieder an diese Augen und der Schmerz in seiner Brust, als ein Pfeil diese traf.

„Du...!“

Gatomons Gesicht war wie versteinert. Knurrend machte Poyomon einen Satz auf sie zu, aber Yuki hielt es davon ab, genauso wie Kari ihr Digimon zurückhielt.

„Gatomon!“

„Lass mich! Das da, das ist Myotismon!“, schrie Gatomon und deute mit ihrer Pfote auf das nun ebenso aggressive Poyomon. Lautes Ächzen, dass es mehr wie ein verzerrter Schrei klang. Kari zog so schnell Luft ein, dass sie fast zu Husten begann und zu zittern anfing. Gatomon riss sich von ihr los und rannte auf Poyomon zu, aber Yuki schloss es schützend in ihre Arme.

„Nein, bitte tu Onkelchen nichts!“

„Du hast doch keine Ahnung, was das für ein Scheusal ist!“, schrie Gatomon Yuki an und kauerte sich mit Poyomon im Arm zusammen, obwohl dass Baby-Digimon in diesem Moment lieber selbst auf Gatomon losgegangen wäre (schon vergessen, dass er ja so gut wie keine Macht mehr besaß).

„Ich weiß, was Onkelchen ist und dass er kein Netter ist.“

„Kein Netter?! Das ist eine maßlose Untertreibung!“, brüllte Gatomon weiter, während Kari sie wieder zurück zur Gruppe zerrte. „Wegen diesem Digimon wäre die Welt fast von der Dunkelheit gefressen worden! Hast du nicht mitbekommen, was er vor drei Jahren getan hat?! Oder was gestern Abend passiert ist?!“

„Doch. Ich weiß alles. Aber Onkelchen ist der Partner meines Vaters. Papa hätte es auch nicht gut gehießen. Er hätte mit ihm geschimpft, er wäre enttäuscht und vergessen hätte er es auch nicht. Aber Papa liebte sein Digimon, also hätte er ihm vergeben. Und weil ich Onkelchen auch lieb habe, will ich ihm auch vergeben. Ich will ihm diese Chance geben.“

„Eine Chance für was? Um wieder die Welt zu zerstören und Unschuldige mit ins Unglück zu stürzen?!“, schrie Gatomon, wütend und verbittert. Kari versuchte sie zu greifen, Hawkmon aber war schneller und hielt sie davon ab weiterzugehen.

„Jetzt beruhige dich doch wieder, Gatomon.“

„Hast du nicht zugehört?“

„Doch, aber du benimmst dich trotzdem total hysterisch. Er ist aktuell harmlos.“

„Aber für wie lange? Er könnte Morgen schon wieder so sein wie er war und da weitermachen, wo er aufgehört hat. Das könnten sie alle und du weißt das.“

Leider musste Hawkmon gestehen, dass er das auch kurz dachte. Zumindest bei Myotismon. Dass sie ihn besiegt haben war noch keine vierundzwanzig Stunden her. Das Mitgefühl dass sie erst fühlten wurde durch Zweifel ersetzt und jeder, ob Mensch oder Digimon schloss nun nicht mehr aus, dass sich Dinge wiederholten könnten. Nicht nur bei diesem Poyomon. Alle sieben Baby-Digimon schienen sich nach und nach zu erinnern wer sie und wer diese Kinder waren. Es war schwer zu sagen, ob sie Schuld empfanden oder Reue. Was man ihnen anmerkte war die Angst.

Yuki schluchzte und rieb sich mit ihrer Hand über die Augen.

„Entschuldigung, Onkelchen. Ich weiß, du kannst heulende Kinder nicht leiden“, lachte sie dennoch. Eine Hand legte sie auf Poyomon ab und es legte sich, wenn auch erst widerwillig in diese. Eine Geste des Trostes, die keiner, besonders Gatomon anfangs für wirklich hielt. Ein Digimon wie Myotismon war zu so etwas nicht fähig. Alle Meister der Dunkelheit waren nicht in der Lage die Gefühle eines anderen aufrichtig zu erwidern. Zumindest glaubten sie alle es.

„Bist du dir sicher, dass du ihn gut genug kennst? Bist du ganz sicher, dass du dich richtig entscheidest?“, fragte Izzy kühl sie und Yuki nickte.

„Ich kenne Onkelchen wirklich kaum, aber ich weiß, wie mein Vater sich fühlte. Seinen Freund zu verlieren brach ihm das Herz. Ich möchte für ihn daran glauben, dass sein Digimon noch einen Funken von dem, von dem Papa einst träumte in ihm steckt. Er ist doch Papas Freund... Er muss nicht gut sein, er soll nur einfach Onkelchen sein. Er hat mich zwar ausgeschimpft, aber er hat mich nicht in diesen endlosen Abgrund der Dunkelheit mitgezogen.“

Yuki fing zu weinen an, sie wischte die Tränen aber gleich wieder weg. Eine schwere Decke legte sich über die Gruppe, die selbst das Atmen zu einer Last machte und nur der weiße Qualm bestätigte, dass sie überhaupt noch Luft einsogen und ausbliesen. Jedes Gesicht, ob Kind oder Digimon war auf die Baby-Digimon gerichtet. Man hörte mal ein Gurgeln, eines fing an zu niesen. Sie wirkten unscheinbar wie jedes andere Baby-Digimon, dem sie schon begegnet waren. Herzen und Gefühle, in Verbindung mit diesen Digimon klang mehr wie nur absurd. 

Obgleich jeder von ihnen die Mentalität vertrat, dass es keine von Natur aus bösen Digimon gab und wie Menschen auch sie sich ändern konnten. Digimon wie Ogremon und Digitamamon haben im Anblick von Kampf, Chaos und Tod und im Wissen, gerade so der ewigen Vernichtung entkommen zu sein ihre bisheriges Leben überdacht und lebten zumindest gewissenhafter. Und jemand wie Oikawa – möge seine Seele in Frieden ruhen – tat zwar böses, war es aber nicht gewesen und hätte er es nicht versäumt Halt und Sinn in seinem Leben zu finden, wäre das nie passiert.

Doch die Meister der Dunkelheit nun mit ihm zu vergleichen, oder mit Arukenimon und Mummymon (mögen auch sie mit Oikawa in Frieden ruhen), die nur das taten was er wollte erschien mehr wie nur absurd, insbesondere für T.K. und Kari, Patamon und Gatomon, die dem Geschehen von einst aktiv beiwohnten. Die Taten dieser Digimon waren keine Verzweiflungstaten oder von Trauer fehlgeleitet. Was sie taten beruhte auf Wahnsinn und einer absolut egoistischen Sicht auf Gerechtigkeit. Sie waren die Grusel- und Horrorgestalten aus Kindermärchen und was immer der Grund war, sie würden es bleiben.

Doch, das durfte man nicht vergessen, war der Digimonkaiser unter ihnen, dessen Sturm vor einen halben Jahr noch fast schlimmer durch die Digiwelt fegte wie das Temperament der Herzkönigin aus Alice im Wunderland.

„Ken, bitte tu Pency nichts“, sprach Wormmon auf den erst abwesenden Ken, weiter mit Punimon im Arm. „Er hat sich um mich gekümmert, während ich auf dich gewartet habe. Die Welt um mich herum wurde immer dunkler und grauer. Aber Pency hat die Welt für mich noch etwas bunt gehalten, weil ich dein Digimon sein sollte. Pency sehnte sich nur nach deinem Onkel. Er hat ihn vermisst. Und eine Welt ohne ihn war für ihn sinnlos. Er sagte es nicht, aber ich spürte es. Und es machte mich traurig, weil ich ihn nicht davon abbringen konnte.“

„Ich weiß nicht, Wormmon. Du weißt doch, was uns die anderen erzählt haben.“

„Bitte Ken. Pency kann sich ändern. Er wird vielleicht nicht freundlicher, aber wenn man ihm die Hand reicht, nimmt er sie sicher gerne an. Du verstehst das doch, oder?“

Wormmons sonst so zaghafte Stimme besaß plötzlich einen ungewohnten Unterton, der nicht sehr stachelnd oder fordernd war, aber Ken genau an der richtige Stelle traf. Nicht umsonst benutzte Wormmon solche Worte und er hatte allen Grund dazu. Sein Digimon hielt Punimon schließlich hoch, soweit es mit seinen kurzen Armen ging und Ken zögerte nicht dass Baby-Digimon an sich zu nehmen. Die großen Augen waren weit aufgerissen und der kurze, rote Pelz stand ihm zu Berge, als es so nah vor Ken war. Der Junge sah Humpty Dumpty einfach zu ähnlich. Ken hatte sogar den selben Ausdruck im Gesicht wie Humpty Dumpty, als er Punimon in der Stadt des Ewigen Anfangs das erste Mal begegnete. Und dann musste der ehemalige Piedmon sich daran erinnern, wie Kouta aussah als er nach seinen Sturz so da lag. Blass und kalt. Ein Leichnam, etwas was es in der Digiwelt nicht gab oder geben sollte. Die Inkarnation des Endes der Unbeschwertheit.

„Ich glaube... ich habe mich auch so wie du gefühlt“, sagte Ken zu Punimon, als dem Digimon, dass in seinen Händen saß die Tränen kamen. „Also, ich glaube das zumindest. Ich weiß nicht wie du darüber denkst. Aber wenn mein Onkel wirklich so war, wie mein Vater mir erzählt hat, glaube ich, dass er dir auf jeden Fall verziehen hätte. Egal wie schlimm es war. Vielleicht tröstet dich das?“

Missmutig brummte Punimon in sich hinein. Wormmon war Kens Beine hochgekrabbelt und hielt sich schließlich an dessen Arm fest.

„Ab heute lebst du bei uns“, beschloss Wormmon schließlich, aber bekam von Ken keine Widerworte, eher Zustimmung. „Das kann er doch, oder Ken?“

„Ja. Als Anerkennung, dass du dich um Wormmon gekümmert hast. Dann können wir uns auch etwas kennenlernen.“

Etwas in Kens Wortwahl, vielleicht auch einfach der Ton wie er die Worte aussprach triggerte in Punimon wieder Erinnerungen von seinem ersten Tag mit seinem Partner. Punimon zog die Nase hoch (wo immer die bei ihm war) und kämpfte gegen die Tränen. Dann nickte es eifrig.

„Ja! Das ist es!“, sagte Davis urplötzlich voller Euphorie und schlug seine Faust in seine Hand und ignorierte, das erst keiner Verstand was er mit das meinte, was Davis auch bemerkte. „Na, das mit dem Kümmern und kennenlernen. Ken hat sich ja auch verändert. Und wenn aus dem Digimonkaiser wieder der nette Kerl werden kann, der er mal war, dann können Digimon das auch.“

„Nett?“, wiederholte Kari skeptisch.

„Nicht nett, aber... du weißt, was ich mein. Eben kein Feind. Vielleicht kann man ja miteinander klarkommen.“

Davis grinste und wie so oft motivierte es Ken zu einem schüchternen und zurückhaltenden Lächeln, weniger weil er so eine Grimasse zog die ulkig aussah, sondern weil Davis' Elan und Optimismus höchst ansteckend war. Das traf auf die neugeborenen dunklen Meister eher weniger zu, die trotz ihren aufgedunsteten Baby-Digimon-Gesichtern deutliche Zeichen von Misstrauen und Ratlosigkeit zeigten. Und Veemon, oftmals genauso energisch und simpel wie Davis es war sah die Gruppe Baby-Digimon an und griff ohne Vorwarnung nach dem einstigen Machinedramon.

„Wir lassen uns für euch was einfallen. Bei mir und Davis seid ihr in guten Händen. Was sagst du, Kumpel?“, fragte Veemon Botamon. Während er grinste, sah Botamon hin und her, stellte sich Fragen und wurde aus dem Verhalten nicht schlau. Aber weil diese simple Art, allein die Bezeichnung Kumpel ihn für einen Moment an Hänsel erinnern ließ bildete sich ein Kloß in seinem Rachen. Es begann auf seinen Unterlippen zu kauen und sich dafür zu schämen, kurz reumütig geworden zu sein. Immer noch grinsend setzte Veemon Botamon auf seinem Kopf ab, wo es von Davis getätschelt wurde. Ken sah schief von der Seite zu und sich wundernd, wie Davis und auch Veemon so was einfach so machen und hinnehmen konnten. Dann starrte er zu Wormmon und fragte sich das selbe nochmal. Ken wirkte weiter etwas zurückhaltend, aber sein Lächeln verblich nicht.

„Ich versteh dich, Davis“, sagte Cody schließlich. Davis glaubte erst durch die Kälte wäre sein Gehör erfroren und hätte sich aufgrund dessen verhört, denn er und Cody waren so gut wie nie einer Meinung. Ernst wie Cody war (steif wollte mancher schon sagen) ging er ein paar Schritte auf die Baby-Digimon zu, die aber alle sofort zurücksprangen. Das hieß alle bis auf das etwas geistesabwesende Yuramon. Ehe Nyokimon es zurückpfiff, griff Cody schon nach dem einstigen Etemon und hielt es auf Augenhöhe. Gespannt gesellte sich Armadillomon zu ihnen.

„Oikawa war nicht böse. Er vermisste nur meinen Vater. Die Einsamkeit machte ihn krank. Vermutlich erging es diesen Digimon ebenso und sie wurden deswegen krank.“ 

„Dann machen wir diese Digimon wieder gesund“, jauchzte Armadillomon und stellte sich auf seinen Beine, oder eher versuchte es, da er aufgrund seines schweren Panzers Schwierigkeiten hatte sein Gleichgewicht zu halten. „Wenn jemand sich um sie kümmert, stecken sie sich nicht mehr an. Dann kann auch keine Blume der Dunkelheit wachsen. Oder? Bei den Kindern hat es doch auch funktioniert.“ 

„Ach, Armadillomon, das ist...“, seufzte Cody erst. Doch er entschied sich es sein zu lassen Armadillomon zu erklären, dass es noch andere Dinge wie eine dunkle Blume gab, die jemanden zu schrecklichen Taten verleitete. Sein ernstes Gesicht entspannte sich und Yuramon dachte sich, auch wenn der Bursche noch so verdammt jung war – der Jüngste von allen hier – erinnerte ihn dieses Verhalten so sehr an Krabat. Behutsam legte Cody Yuramon auf den Panzer seines Digimon-Partners und Armadillomon bewegte sich hin und her, um das Baby-Digimon zu schaukeln. Es hatte Spaß und lachte.

Yolei rieb sich über die Arme, aber nicht weil ihr kalt war.

„Komm schon, Yolei“, forderte Hawkmon sie auf. „Sonst bist du doch nicht so schweigsam.“ 

„Ich weiß nicht, was ich denken soll. Gerade nachdem, was die letzten Tage passiert war“, schnaufte Yolei. Ihr Atem erschien als dicker, weißer Qualm vor ihrem Gesicht und beschlug die Ränder ihrer Brille.

„Ich bin total verwirrt! Da sind Digimon wie Deemon... Und dann solche, wie BlackWarGreymon. Und was bei dem einem richtig war, war bei dem anderen falsch und – AAAAAHR!“

In ihrer Verzweiflung schlug Yolei die Hände über ihren Kopf und unter ihre Mütze. Diese verlor sie fast, als sie sich schnell durch die Haare fuhr, um so vielleicht ihrem Kopf zum Denken zu verhelfen. Währenddessen fragte Yuki sich, ob Yolei wirklich Deemon gesagt hatte und ob sie den Herr Jabberwock meinte.

„Das ist so kompliziert, ich weiß nicht, was ich machen soll!“ 

„Vielleicht brauchst du einfach etwas Zeit. So wie der Kleine hier“, meinte Hawkmon und hielt in seinen gefiederten Händen den einstigen Puppetmon. Yolei nahm Hawkmon wenn auch mit Zögern und Misstrauen das Baby-Digimon ab. Nyokimon und sein angespanntes Gesicht spiegelte sich in den runden Brillengläsern, während Yolei noch weiter verzweifelt überlegte und sich nebenbei dachte, dass dieses Digimon eigentlich viel zu niedlich und zu verängstigt aussah, um einen bösen Gedanken inne zu haben.

„Ich kann das nicht! Ich kann so ein kleines Digimon doch nicht einfach sich selbst überlassen! Wer soll es denn füttern und ins Bett bringen und ihm was vorsingen, wenn es nicht schlafen kann?“, weinte Yolei schließlich und drückte Nyokimon an ihre Wange. Wenn auch etwas eingeschüchtert von ihrer lauten und hibbeligen Art, stellte Nyokimon fest, dass dieses Mädchen einfach nur sehr emotional war und nicht so recht wusste wohin damit. Sie war in dem Punkt Gretel so ähnlich.

Izzy schaute einmal in die Runde, ließ seinen Blick lange auf Ken, Davis, Yolei und Cody ruhen, die keine Angst vor den Meistern der Dunkelheit hatten und dann runter, um schließlich festzustellen, dass sowohl Tentomon, als auch Pichimon zu ihm aufsahen. Das Baby-Digimon griff sich Izzy auch sofort und hob es hoch. Ob es ihn immer noch mit seiner leiblichen Mutter verglich? Es wirkte so überfordert.

„Ich bin kein Ersatz. Ich habe meine leibliche Mutter nie gekannt. Aber ich weiß irgendwie trotzdem, dass sie dir sicher noch eine Chance gegeben hätte. Zusammen können wir vielleicht verhindern, dass es in der Zukunft noch einmal Digimon so ergeht wie euch. Ich glaube, Mutter hätte das auch gewollt.“ 

„Außerdem kriegst du nirgendwo so gutes Essen wie bei Izzy zu Hause. Also überlege dir das gut“, sagte Tentomon zu dem Baby-Digimon. Tief starrte Pichimon Izzy in die Augen und versuchte erst nicht daran zu denken, dass das Momos Kind war, sondern ein Digiritter, der ihn auf dem Gewissen und mit seinen Freunden ihre Pläne durchkreuzt hatte. Die Wut sollte eigentlich groß sein, doch der ehemalige MetalSeadramon konnte das Feuer des Zorns nicht aufrechterhalten. Allein Momo zuliebe nicht.

Auch wenn Izzy sich erst schwer tat, mit einem zustimmenden Nicken von Tentomon abgesegnet strich er Pichimon über dem Kopf, ehe zu weinen anfing.

„Ist das dein Ernst, Izzy?“, fragte T.K., nicht nur einfach kritisch. Er klang regelrecht erbost.

„Wenn Apokalymon wirklich ihre Daten verändert hat, so wie Azulongmon vermutete, dann können wir vielleicht auch herausfinden, wie man so was in Zukunft vermeidet. Das würde allen viel Leid ersparen“, erklärte Izzy überzeugt. 

„Also willst du alles allein auf falsche Daten schieben, die man einfach neu programmieren muss und dann wäre alles einfach wieder gut? Das sei die Lösung aller Probleme, nachdem wir so lange gekämpft haben?“ 

„Es gibt keine falschen Daten, T.K. Nur falsche Entscheidungen. Und ich finde, diese Digimon einfach sich selbst zu überlassen ist eine absolut falsche Entscheidung. Geschweige denn die perverse Idee, sie töten zu wollen, ehe sie digitieren. Wenn wir mit ihnen forschen, dann können wir ihnen auch wieder richtige Daten geben, wenn du es so nennen willst.“ 

„Was Izzy meint ist wohl eher, dass wir uns um sie kümmern müssen, damit sie auch von uns was lernen können. Dann werden aus ihnen auch wieder gute Digimon“, fügte Davis hinzu. Mit Botamon in den Händen schenkte er T.K. ein Grinsen, aber es half nicht.

„Gute Digimon? Digimon wie sie, die solche Dinge getan habe? Dass Apokalymon sie korrumpiert hat ist keine Entschuldigung für die Digimon, die darunter leiden und sterben mussten. Das mit Oikawa und BlackWarGreymon ist damit nicht zu vergleichen.“ 

„Das finde ich aber nicht“, warf Cody entsetzt ein. Eigentlich hielt Cody viel von T.K., dass man fast gar von Bewunderung reden konnte, doch seine Verbitterung gegenüber der Macht der Dunkelheit verstand er nur schwer. Insbesondere bei so etwas Wichtigen, wo es um ein Leben ging, wenn auch um kein Unschuldiges. Armadillomon blickte zu Patamon und war erst erleichtert, dass Patamon selbst weniger verbissen schien. Komm sag was, dachte Armadillomon, hoffend sein Partner, dessen Gedanken sie sich bei ihrer DNA-Digitation sonst teilten hörte ihn, auch wenn sie getrennt waren. Und Patamon, als Rookie doch sonst etwas zurückhaltend fasste sich ein Herz.

„Ja. Ich auch nicht. Ich finde, es ist fast genauso. Und mir tun sie Leid“, sagte er fest überzeugt. T.K. zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ehe er etwas sagen konnte, schritt Patamon auf Pabumon zu.

„Du bist es, oder, Devimon?“, fragte er das Baby-Digimon vor sich. Es brummte böse und Patamon kratzte sich mit seinen kleinen Fingern am Kopf.

„Also... Wir... ähm. Wir haben uns vielleicht auf dem falschen Fuß erwischt. Aber ich musste was unternehmen. Das verstehst du doch?“ fragte Patamon schief grinsend. Der ehemalige Devimon verstand es jedoch weniger und knurrte mit einer überaus tiefen Stimme für ein Baby-Digimon. Nervös schluckte Patamon.

„Lass es doch, Patamon.“ 

„Nein, das kann ich so nicht stehen lassen“, protestierte er weiter. Er holte tief Luft, kniff dabei die Augen zu, während er seine Arme ausbreitete und schließlich Pabumon an sich drückte. Das Baby-Digimon schrie erst, dann zappelte es und schoss Seifenblasen durch die Gegend.

„Patamon! Patamon, lass es los!“, forderte T.K. ihn auf, aber Patamon ließ Pabumon nicht los, auch als es anfing mit seiner Stirn gegen ihn zu hauen. Die ersten beiden Male tat es wirklich ziemlich weh. Dann wurden die Schläge schwächer. Dann verließ Pabumon die Kraft. Es kam sich so erbärmlich vor und schwach. Statt einen Knurren hörte man ein Schniefen.

„Hey, ich bin auch ein Hasenfuß und weiß nicht, was ich machen soll, wenn ich nicht gerade digitiert bin. Aber mach dir nichts daraus. Das wird wieder“, sagte Patamon tröstlich und tätschelte Pabumon, auch wenn der ehemalige Devimon das vermutlich nicht wollte. „Siehst du es auch so, T.K.? Wir haben alle Angst, wenn wir uns einsam fühlen. Und ein Digimon-Partner zu haben ist wie Familie zu haben. Kannst du mir zumindest darin zustimmen?“

Auch wenn Patamon ruhig klang, schwang eine gewisse Strenge in der Aussage mit. Fordernd hielt er T.K. Pabumon entgegen, dem die Lust vergangen war und die Kraft ausblieb weiter um sich zu schlagen. Der Digiritter vor ihm hatte Angst, man spürte es und statt sich darüber zu freuen, dass gerade der Knirps sich noch immer vor der Dunkelheit fürchtete, dachte Pabumon nur an Bilbo. Auch er hatte nach den schrecklichen Vorfällen so Angst vor der Dunkelheit und zuletzt sogar Angst vor seinem eigenem Partner. Kurz sogar fühlte Pabumon Scham, als es zu seinem Digimon digitiert war, dass dem was Bilbo so geschadet hatte so ähnlich war. Diese Erinnerungen und Erkenntnis brachte Pabumon beinah zum Heulen. Und vom Mitleid übermannt und sich fragend, ob sich wirklich mehr oder weniger Schuld und Sünde auf ihren Schultern trugen wie Ken oder Oikawa legte T.K. behutsam seine Hand auf Pabumons Kopf. Er sagte nichts, aber nickte dem Baby-Digimon nur zu. Patamon atmete erleichtert auf und nickte Armadillomon lächelnd zu, der dies erwiderte.

„Kari, was meinst du?“, fragte Gatomon ihrer Partnerin, doch Kari schaute sie erst gar nicht an. Hilfesuchend sah sie erst kurz zu T.K., dann noch einmal aber etwas länger zu Yolei. Immer noch war sie etwas überfordert, aber des Kämpfens Leid und in der Überzeugung sich absolut richtig entschieden zu haben, warf sie Kari vielsagende Blicke zurück. Für Kari hieß Yoleis Blick so viel wie Mach einfach was du denkst und es wird das Richtig sein. Ja, das war vielleicht das Beste. Erst dann, als sie überzeugt war widmete sie sich wieder ihrem Digimon.

„Das musst du entscheiden, Gatomon.“ 

„Was?! Warum ich?“ 

„Du weißt warum.“

Gatomon ächzte kurz. Sie verstand, aber ihr wäre lieber, müsste sie sich nicht damit auseinandersetzen. Kari wollte ihr gerade einen sachten Schubs nach vorn geben, aber Gatomon setzte sich bereits von selbst in Bewegung, direkt auf das Mädchen zu, die Gatomons gedämpfte Schritte auf dem kalten Boden hörte. Poyomon zischte, als Gatomon immer näher kam und der weiße Pelz sträubte sich. Etwa einen Meter vor Yuki blieb Gatomon stehen und ignorierte erst, wie dieses Poyomon – dass das Myotismon war wollte ihr immer noch nicht in den Sinn – mit Knurren, Brummen zu vertreiben versuchte, da frisch geschlüpfte Baby-Digimon in der Regel kaum sprechen konnten und nicht einmal einfache Sätze zustande bekamen.

Yuki spürte die Spannung zwischen den beiden und sie schloss ihre Arme enger um Poyomon, um es einerseits daran zu hindern auf ein größeres Digimon loszugehen, andererseits, weil sie nicht wirklich wusste, was Gatomon vorhatte.

„Wie kannst du ihn nur beschützen?“, fragte Gatomon wütend und ohne jedes Verständnis. „Du kannst dir nicht ausmalen, 

was er allen angetan hat. Mir egal ob er mal das Digimon eines Digiritters war!“ 

„Ich verstehe, wenn du mich für dumm hältst. Aber ich kann und will ihn nicht hängen lassen. Er ist das Digimon meines Vaters. Deswegen und weil ich ihn gern habe muss ich vergeben - nur vergessen nicht. Ich weiß nicht wie, aber Papa wollte, dass Onkelchen noch eine Chance bekommt. Er wollte, dass sein Digimon wiedergeboren wird. Ich weiß das.“ 

„Woher willst du das wissen?“ 

„Weil es jemanden in Papas Leben gab, den er hasste. Jahrelang. Dann schien er irgendwann begriffen zu haben, dass dieser Hass ihn nur von innen auffraß und er wollte versuchen zu vergeben. Wenn er selbst der Person, die er am meisten hasste eine weitere Chance geben wollte, warum dann nicht seinem Freund, den er am meisten liebte?“

Gatomon unterdrückte ihr Knurren. Poyomon sprang von seinem bisherigen Platz und stand zwischen ihr und dem Mädchen. Drohend und angespannt. Doch auf Gatomon schien nichts den Eindruck zu erwecken, dass Poyomon sie angreifen wollte. Beschützte es dieses Mädchen etwa oder war es schlicht zu stolz, um sich von einem Menschenkind beschützen zu lassen? Warum sollte Myotismon sich aber mit ihr anlegen wollen, nun, da er wieder auf dem Baby-Level war und nichts ausrichten konnte? Myotismon, oder was von ihm noch da war müsste wissen, dass Gatomon lange nicht mehr die Angst vor ihm hatte wie einst. Und noch stand er da.

War es der Stolz oder tat er das wirklich für dieses Kind?

„Wenn du ihn nur so gut kennen würdest wie ich, wüsstest du, dass er eine tickende Zeitbombe ist. Wer sagt, dass er diese zweite Chance annimmt? Oder nutzt? Wer sagt, dass sich all das nicht wiederholt? Oder schlimmer?“ 

„Das muss ich riskieren. Er wird seine Einstellung nie ändern, aber man kann das Beste daraus machen. Das Beste ist, was jenen um uns herum am wenigsten schadet, auch wenn es für einen selbst fragwürdig oder unmoralisch erscheint. Nenn du es dumm, ich nenne es gerecht. Aber ich werde es bereuen, wenn ich es nicht auch versuche und ihm helfe. Sollte es scheitern, kannst du mich gerne hassen.“

Gatomon gab nur ein genervtes und verächtliches „Hmpf“ von sich, obwohl sie ihre Wut auf Myotismon kaum bändigen konnte. Selbst als Baby-Digimon versuchte er sie einzuschüchtern und zu bedrohen. Selbst als Baby-Digimon hatte er diese kalten Augen. Es war wirklich Myotismon.

Kari, nicht mehr so sicher ob es doch so gut war Gatomon diese schwierige Entscheidung alleine treffen zu lassen erschrak, als ihr Digimon die Krallen ausfuhr. In ihrem sonst doch süßen Katzengesicht sah man nur Verachtung für dieses Digimon vor ihr. Poyomon fixierte Gatomon erst, bis ihr Blick noch mal zu Yuki überging. Dann ächzte Poyomon, hustete und begann schließlich zu reden.

„Hasse... sie nicht“, sagte Poyomon mit viel Mühe. Es versuchte sich zu erinnern, wie man sprach und das auch möglichst überzeugend. Gatomon schreckte kurz überrascht zurück.

„Hass... Hasst mich... aber ni... nicht sie“, sagte es weiter, hustete nochmal und stand wieder da, als sei eben nichts gewesen, ohne ihren Beobachtern Aufmerksamkeit zu schenken. Kari glaubte nicht was sie von dem Digimon zu hören bekam, was sie einst umbringen wollte und auch Davis, Yolei, Cody und Ken, die Myotismon vor nicht einmal einen Tag kennengelernt und besiegt hatten wollten glauben, dass dieses und das Baby-Digimon da dasselbe Digimon sein sollten. Gatomon wollte es am wenigsten glauben. Aber dieses Poyomon war Myotismon. Myotismon, der selbst mal ein auserwähltes Digimon war, wie sie. Der zwar seinen Partner verloren hatte, aber nun dessen Tochter beschützte. Und nochmal musste sich Gatomon die Frage stellen, warum Myotismon sie, ein schwaches Serum-Digimon aufnahm, obwohl es ihm weder einen Vorteil verschaffte, ein Digimon wie sie in seiner Armee zu haben, noch weil ihn jemand zwang.

Sie ertappte sich zwar, dass ihr Herz schwer wurde, aber Gatomon fühlte kein Mitleid. Mitleid war keine Entschädigung und brachte ihr Wizardmon nicht wieder. Aber Gatomon begriff gewisse Dinge und auch dass der Streit zwischen Serums und Viren, dessen Klimax ohne Zweifel die Typus-Apartheid war keine Einbahnstraße, sondern ein ständiges Hin und Her war, das alle Beteiligten in den Wahnsinn trieb. Und Gatomon musste sich ebenso die Frage stellen, ob ihr Sinn für Gerechtigkeit der einzig Wahre war – und ob es ihr wert war, dem Hass seinen Lauf zu lassen und sich so mit Myotismon auf eine Stufe zu stellen, für etwas Rache und Genugtuung, im Glauben es war ja das Richtige.

Die glatte Oberfläche ihrer Krallen glänzten. Poyomon duckte sich. Sie würde ihn angreifen und die Stimme in seinem Kopf, die seiner Ultra-Form sagte ihm, Soll sie doch! Dass sie ihn angriff, nun da er schwächer als sie war, genauso wie er sie früher konnte er nicht einmal verübeln. Sie hasste ihn, wen wunderte es? Letztlich waren sie auch nur Serum und Virus und diese Typen konnten nicht anders wie sich hassen, im Weg stehen und sich bekämpfen und hielten die Apartheid auf einer sozialen, mentalen Ebene aufrecht. Krieg änderte seine Form, doch im Kern blieb es immer das Gleiche. Dinge änderten sich eben nicht.

Ihre Pfote kam dem kleinen, unförmigen Körper entgegen. Doch Gatomon tat nicht mehr, wie ihre Pfote auf seinen Kopf abzulegen und nachdem es erst erschien, als sei sie durch die Kälte erstarrt, bewegte sie ihre Pfote schließlich und nur ein kleines Stück hin und her.

„Erwarte nicht, dass ich jemals vergesse“, zischte Gatomon scharf im Kontrast zu der zaghaften und sachten Geste. Ihr Gesicht war, soweit man das hätte unter ihrem weißen Fell erkennen konnte klamm. In Gatomons Bauchraum machte sich das Gefühl breit, als müsste sie gleich einen Haarball hochwürgen.

„Das werde ich nie und nimmer. Aber nichtsdestotrotz – du warst das erste Digimon, dass mich wahrgenommen hat. Ich wäre vielleicht nicht hier, vielleicht wäre ich sogar tot, wärst du nicht gewesen. Ich weiß nicht, wieso du es gemacht hast, aber dass ich hier bin und meiner Bestimmung folgen konnte geht auf dein Konto.“

Das Brodeln jahrelanges Hasses nahm ab, auch wenn Gatomon immer schon schlecht war, aber sie kämpfte weiter gegen diese Übelkeit. Es verging und was blieb war ein Brennen in Nase und Auge, dass Gatomon der kalten Luft verschuldete. Und auf einmal stellte Gatomon fest, dass der Schnee, der auf sie und auch auf dieses Poyomon fiel beruhigend wirkte. So leicht. So verträumt. Langsam verstand sie, warum ihr Meister Schnee gemocht hatte.

Schneeflocken fielen auf ihre getigerten Handschuhe. Die Narben sah Gatomon vor ihrem geistigen Auge, aber sie spürte nichts. Schon lange nicht mehr. Der Schmerz auf ihren vernarbten Pfoten versiegte, als sie mit ihrem Himmelspfeil seine Brust durchbohrte. Die Wut über Wizardmons schmerzlichen Tod erlosch, als von Myotismon nichts mehr übrig war. Sie hatte es ihm bereits heimgezahlt und hatte die letzten drei Jahre ohne Groll und Zorn leben können. Alles was einst auf den Schloss auf Grey Mountain geschah war abgehakt, außer einer Sache, die Gatomon schon fast verrückt nennen würde. Sie hatte sich nie dafür rächen können, ihn einmal gemocht zu haben. Liebe konnte man es nicht wirklich nennen und für ein Stockholm-Syndrom war Gatomon noch nicht so tief in diese Spirale der Abhängigkeit geraten. Aber sie hatte mal so empfunden, auch wenn sie ihn hasste.

Einmal noch nahm sie ihre Kraft zusammen und ihre Krallen fuhren rasch über Poyomons Kopf. Einzelne Härchen seines samtigen, weißen Pelzes fielen von seinem Kopf. Es spürte noch für einen Moment, wie Gatomons Krallen über seinen Kopf fuhren, aber ihn nicht verletzten. Nicht einmal ein Kratzer war zu sehen.

„Es ist deine Schuld, dass ich nun weiß wer ich bin. Und ich bin weder wie du, noch wie die Serums von einst. Wir sind damit quitt“, zischte Gatomon und dann schluckte sie. Mit leicht offenem Mund starrte Poyomon das Katzen-Digimon an, vergessen dass sein Kopf kratzte. Es blinzelte nicht einmal. Es verstand nichts. Es konnte nicht begreifen, warum sie ihm nichts tat. Immerhin hatte sie allen Grund dazu und wäre Poyomon bereits in der Lage richtig zu sprechen und Sätze zu bilden ohne zu stottern, hätte es gefragt Warum?.

(So wie bei dir -)

Yuki tastete sich schließlich nach vorn. Als ihre Hände Poyomons Kopf berührten hob sie ihn zu sich. Ihre andere Hand streckte sie nach Gatomon aus. Ihre Finger berührten das abstehende, violette Fell an den weißen Ohren, anschließend wartete sie kurz. Da Gatomon nichts tat, erstarrt und fragend, was dieses Mädchen von ihr wollte fuhren Yukis Fingerspitzen über ihr Ohr hinunter, um schließlich ihre Hand auf Gatomons Kopf abzulegen. Obwohl es kalt war, Yuki keine Handschuhe trug und ihre Finger Eiszapfen sein müssten, war dieses vorsichtige Streicheln warm wie herzlich. Sie lächelte das Digimon an und Gatomon konnte es erst nicht erwidern. Schließlich wollte sie eben noch ihr Onkelchen angreifen (und zu gern hätte Gatomon ja gewusst, wie es dazu kam, dass ein Digimon wie Myotismon zu so einem Beinamen kam).

„Ich wusste es. Die Katze der Herzogin ist ein von Grund auf gutes Tier. Ich danke dir, Grinsekätzchen.“

Gatomon war sich nicht sicher, ob sie verstand was Yuki ihr sagen wollte. Sie ging davon aus, dass es einfach Yukis Art war. Verunsichert lief sie ein paar Schritte zurück und mit einem letzten flüchtigen Blick auf Poyomon sprang sie zurück zu Kari.

„Du bist wirklich mutig, Gatomon. Ich bin sicher, wie du dich entschieden hast, war richtig“, sagte Kari sanft und hielt ihr Digimon im Arm, während sie ihr Gesicht in Karis Wintermantel versteckte. Die anderen Digimon und Digiritter sammelten sich um sie.

Obwohl einstimmig entschieden, zeigte sich bei den sieben neugeborenen Digimon keinerlei Freude. Jeder Versuch ihnen ein lächeln zu entlocken, sei es ein Scherz oder eine alberne Grimasse von Davis, Yoleis breites und für gewöhnlich ansteckendes Grinsen oder auch Cody, der das Digimon etwas hin und her schaukelte zeigten keine Wirkung. Auch T.K.s Versöhnungsversuch blieb eher unerwidert und als Punimon seufzend von Kens Armen sprang, schaute Wormmon, wie auch sein Partner dem Baby-Digimon traurig hinterher. Punimon starrte zu Ken hoch, der wie sein Partner aussah, aber es nicht war. Es war unbefriedigend.

„Niemals passiert...“, murmelte Punimon ohne jegliche Emotion. Nach und nach kamen auch die anderen Baby-Digimon zu ihm. Trotz mit offenen Armen von ihrem Feind empfangen, hielt die Niedergeschlagenheit. Ewig in diesem Traum, den sie über drei Jahre träumten wäre ihnen lieber gewesen. Keiner von ihnen begriff, warum man sie wieder ins Diesseits schickte.

„Niemals passiert...“

Punimon, Botamon, Pichimon, Pabumon, Nyokimon und Yuramon rückten dicht zusammen, als nochmal Wind aufkam. Der Wunsch, in die Arme ihrer Kapellmeister zu flüchten war zwar groß, aber sie unterdrückten das Bedürfnis. Sehnsucht würde ihre Lage nur verschlimmern. Des Schwelgen in Erinnerungen riss nur Wunden auf, mit einem unbeschreiblichen Schmerz. Vergessen war besser. Vergessen was sie mal waren. Vergessen, was sie noch waren. Wie sonst weiter machen, wenn man Steine der Vergangenheit mit sich schleppte?

„Vergessen... Niemals passiert.“ 

„Niemals... passiert.“ 

„Niemals passiert...“

„Niemals passiert...“

„Niemals passiert.“

Wiedergeboren, aber damit gestraft nicht vergessen zu dürfen. Das war nicht die Form Reboot, die sie sich gewünschten. Die Erinnerungen an den Krieg waren geblieben und vermutlich würden sie sie niemals aus ihrem Gedächtnis tilgen können. Um sich jedoch zu betrinken, hoffend eine gute Mischung aus Sake und Korn verätzte erst Magen, dann das Gehirn waren sie zu stolz. Sich mit Geierkrallen selbst zu vergiften wäre, wie den Hohen Serums von einst in die Karten zu spielen und zu gestehen, dass sie Recht mit ihrer populistischen Eugenik behielten. Ihnen würde nichts bleiben, als nach großer Apartheids-Kunst wieder komplett von vorne anzufangen, damit sich gegebenenfalls der Teufelskreis irgendwann wiederholte. Zum Schluss würden auch sie irgendwann in den Abgrund des Vergessens verschwinden, ohne dass sich die Digiwelt jemals ändern würde. Und dann würde es von vorne beginnen. Wie immer, als weggeworfene Kindererinnerung. Sich einzureden, ihre Partner lebten und hätten sie nur vergessen war bitter, aber verkraftbar. Doch sie waren tot. Niemand, außer der Einsiedler Anubimon vielleicht, wusste was wirklich waren. Niemand kannte sie als das, was sie mal waren. Sie waren wahrhaftig vergessen worden. Von allen. Als seien sie nie passiert.

„Nein...“, murmelte Poyomon laut und trotzig. Punimon und Nyokimon knurrten böse, Pichimon und Botamon verengten verärgert die Augen. Aber Poyomon sagte einfach nur weiter:

„Es ist passiert. Nicht... Nicht ver... -v-v-vergessen.“

Die Worte waren das Gegenteil von jener Philosophie, die Myotismon einst vertrat, aber doch sprach er diese Worte in vollster Überzeugung aus. Als Poyomon sich fragte, woher diese Überzeugung plötzlich kam, kehrten wieder Erinnerungen zurück. Erst die Hände, dann die Augen. Erinnerungen an Sanzomon und ihre Worte, untermalt von ihrer Stimme. Das erste Mal seit über drei Jahren erinnerte er sich wieder, wie sie klang. Wie hatte er nur die Stimme von diesem verrückten Ding verdrängen können?

„Niemals vergessen... Vergesse... di-dich niemals!“, schimpfte Poyomon weiter und diesmal lauter. Streng sah Poyomon in die Runde und sah Verwirrung und Skepsis. Poyomon versuchte zu summen. Nur wenige Takte, hielt inne und fing wieder von vorne an. Es versuchte sich weiter zu erinnern, an irgendeine Melodie, die nicht von Vivaldi war. Es wollte nicht die Erinnerungen an dieses Stück wecken, dass sie an die Gewalten der Jahre erinnerte und an Unwetter, gegen die sie an der Front ankämpften, neben unzähligen Virus-Typen und Dämonenkönigen. Nicht an das Stück, dass sie einst vor den hohen Serums spielten, die sie später verraten würden, nachdem sie die Dreckarbeit erledigt hatten. Es wollte sich an die schönen Momente zurückerinnern, die Abende in der Villa im Wald, bei Rosemon und Wisemon. An die Augenblicke mit ihren Partner, als man ihnen zum erste Mal ein Instrument anvertraute und obwohl erst nur grässliche Töne heraus kamen saß man doch jeden Abend zusammen, lachte und die Scheußlichkeit der Apartheid war für diese gewisse Zeit unbedeutend.

Poyomon summte Stand by me. Lange tat es das alleine, beobachtet von seinen Kameraden und den Digirittern, die den Song nicht kannten (außer Yuki) und nicht verstanden, warum Poyomon das tat.

„Stop...“, schimpfte Punimon und klang für ein Baby-Digimon sehr ernst. 

„Stop.“ 

„Stop!“, schimpften nun auch Nyokimon und Yuramon, doch Poyomon hörte nicht auf. 

„Stop!“, schimpfte Pichimon, nahm Anlauf und ging auf Poyomon los. Der Tackel stieß es zu Boden.

„Onkelchen?!“, schrie Yuki los, doch T.K. hielt sie am Arm fest. „Was ist passiert?“ 

„Mach dir keine Sorgen.“ 

„Die müssen noch etwas klären“, fügte Patamon hinzu. „Das müssen sie unter sich ausmachen. Ernsthaft verletzen können sie sich in der Form nicht.“ 

„Wir sollen zusehen?“, fragte Veemon ungläubig. 

„Nein. Abwarten.“ 

„Und auf was?“, fragte Armadillomon. 

„Keine Ahnung. Ich hoffe aber, wenn es da ist, merken wir es“, erklärte Patamon und gleichzeitig hoffte er, das es so sein würde. Gatomon sah von Karis Schoß aus zu, wie sechs der ehemaligen Meister der Dunkelheit auf ihren Ex-Kameraden losgingen, ihn anbellten und fauchten, aber es ließen sich keine Worte daraus herleiten. Auch Poyomon gab nur Baby-Digimon typische Gurgelgeräusche von sich und doch fand eine Form der Kommunikation unter ihnen statt, währenddessen sich Gatomon fragen musste, was da zwischen ihnen war. Nicht das sie Mitleid hatte. Aber Gatomon stellte sich Fragen, die sie gern von Myotismon hätte beantwortet haben wollen würde.

Yuki schreckte erneut auf, als sie wieder das Wimmern eines der Baby-Digimon hörte und wusste, dass es von ihrem Onkelchen kam. Punimon hatte Poyomon mit Seifenblasen attackiert, schimpfte und Poyomon wehrte sich nicht. Und weil Poyomon eben auch Myotismon war, verzog es nicht für eine Sekunde das Gesicht, was Punimon so wütend machte, dass es ihn wieder schubste.

„Onkel-!“ 

„Nicht!“, rief Poyomon zu Yuki, laut und so klar, aber auch so tief, dass Yuki kurz sogar glaubte, er hätte seine alte Form wieder, dem war aber nicht so. „Bleib weg! Hör... hör einmal auf das was... i-ich sage!“

Widerwillig hörte Yuki auf ihn und blieb zwischen T.K. und Kari stehen. Yolei, Cody, Davis und Ken neben ihnen nicht wissen was sie denken, geschweige denn fühlen sollten.

Punimon holte Anlauf, ging auf Poyomon los, das schon leichte Schrammen hatte, aber das Tempo dieses kleinen, roten Digimon nahm ab. Es blieb stehen und fiel regelrecht auf Poyomon. Die Versuche sich aufzuraffen scheiterten. Ein unförmiger Körper besaß nicht die Ausdauer, die Piedmon normalerweise hätte oder den komplexen Verstand eine Situation wie diese psychisch zu verarbeiten. Nicht zuletzt noch diese unbändige Wut, die er auf diesen Verräter vor ihn hatte. Also schlug es ihn mit seinen Hörnern. Einmal links, einmal rechts und wieder links. Poyomon wehrte sich nicht ein einziges Mal. 

Yuki biss sich auf die Unterlippen und ballte die Fäuste. Die Digirtter, entsetzt davon hielten sich zurück, auch wenn es ihnen schwerer fiel, wie sie es erwartete hätten.

Wieder ein Schlag, aber die Kraft ließ nach. Zu einem fünften Schlag kam es nicht mehr. Von kalten Wind gepeitscht, vom Schnee und Frost am Boden kalt und des Tages allmählich überdrüssig, brach Punimon körperlich wie auch geistig zusammen. Poyomons fast emotionsloses Gesicht zu sehen erinnerte es nur daran, wie sinnlos alles war. 

Alles.

Und doch musste es weinen.

„Will nicht... Erinnern... Weh. Es t-t-tut weh...“ 

„Wir müssen... Dürfen nicht vergessen. Nicht vergessen...“, sagte Poyomon mit schwacher Stimme. Hätte er gekonnt, hätte er es vielleicht in Erwägung gezogen, seinen einst besten Freund zumindest einen Arm um sie Schultern zu legen, auch wenn es ein mehr wie schwache Trost wäre. 

„Nicht vergessen... ki.. Hi... sa... k.i.. Hisaki...“ 

„Kou... Kouta...“ 

„Kana...“ 

„Ren...ta...“ 

„Natsu...“ 

„Soi... chiro...“ 

„Touko...“

Reumütig kam Pichimon zu ihnen, versuchte seinen Kameraden mit den Flossen zu berühren, doch sie waren zu kurz. Botamon und Pabumon rotteten sich zu ihnen, Nyokimon und Yuramon kamen zum Schluss dazu. Schweigend saßen sie zusammen, den Blick dabei gesenkt, während der kalte Wind unbarmherzig an ihnen vorbei fegte. Obwohl sie zusammen waren, das erste Mal seit vielen, vielen Jahren ohne Zwang oder der Spur von Feindseligkeit, kamen sie sich doch ziemlich hilflos vor und die unangenehme Frage, was sie nun tun sollten ohne Heimat und ohne Partner kehrte wieder in den Raum der Hoffnungslosigkeit zurück, in dem sich einst Apokalymon breit machte.

Ken, der wohl am besten zu verstehen schien, wie sich diese Digimon fühlten, tauschte mit Davis vielsagenden Blicke aus. Dann schaute Davis zu Yuki, die diese Ohnmacht und Müdigkeit dem Leben gegenüber spürte, die farblosen Wolken und den zermatschten Schnee in den Köpfen dieser Digimon regelrecht sah und wünschte, sie wüsste was sie sagen oder tun könnte, um etwas gegen diese grauen Gedanken zu unternehmen. Er sah in die Runde, von Yuki erst zu Kari, zu T.K., zu Yolei, zu Cody und zum Schluss noch einmal zu Ken, dann ging er auf die sieben mutlosen Digimon zu.

„Wir helfen euch, ja?“, sagte Davis zu ihnen und wischte sich mit dem Arm einmal über die nassen Augen. 

„Bis ihr wieder digitiert, kümmern wir uns um euch“, sagte Yolei zusätzlich. 

„Das wird am Anfang etwas... merkwürdig. Aber wenn wir uns alle bemühen, funktioniert es vielleicht. Wir werden vorerst auch niemand sagen, dass ihr bei und seid“, meinte Izzy. Ken kam etwas näher und ging vor den Baby-Digimon in die Knie.

„Ich bin sicher, es funktioniert. Ihr könnt werden, was ihr wollt, solange ihr keinen schadet. Und vielleicht sind wir uns alle ähnlicher, wie wir denken.“ 

„Du sagst es, Ken“, jubelte Davis grinsend und hob zustimmend den Daumen, synchron mit Veemon. „Und Yuki hilft auch mit.“ 

„Du bist doch dabei, oder?“, fragte Kari noch einmal ach, aber Yuki nickte eifrig ohne zu zögern. 

„Natürlich werde ich.“

Yuki lachte. Sie lachte, dass stellte Poyomon fest, wie ihr Vater in ihrem Alter. Umgeben von verträumten, gutmütigen Kindern. Digiritter, die vielleicht nie begreifen würden, was wahre Dunkelheit bedeutete und die von Krieg und Politik keine Ahnung besaßen. Sieben Kinder und ihre Digimon die in ihrer eigenen Welt steckten und hofften, dass der nächste Tag auch wieder ein guter Tag sein würde. Sie waren, wie ihre Partner einst waren. Poyomon wünschte sich, es würde das nicht denken, aber je mehr er sich gegen diese Erkenntnis wehrte, so deutlicher wurden die Parallelen nur. Und nicht nur Poyomon, ihnen allen ging es so. Sie sahen diese Digiritter und ihre Digimon, zufrieden mit dem was sie waren und wo sie waren und wünschten sich diese Zeit zurück. Sie dachten an ihrer Partner, aber nicht an den Krieg. Und das Vorhaben, die Ideologie sie einfach zu verdrängen oder kostbare Erinnerungen als Teil eines alten Kinderreims oder Märchens zu degradieren kam ihnen nicht nur erbärmlich, sondern auch unwürdig ihren Partner gegenüber vor. Wie hatten sie das ihren Partnern antun können, obwohl sie sie vermissten? Sie vermissten sie schrecklich.

Die ehemaligen Meister der Dunkelheit, befreit von Apokalymons gesammelten Zorn endloser Epochen des Krieges, rotteten sich zusammen und das Gefühl, dass sie vor langer, langer Zeit mal verbannt entflammte für einen Augenblick wieder. Beobachtet von den Digirittern, die Mitgefühl für diese Digimon aufbrachten, begannen sie sich wieder daran zu erinnern, was es hieß wirklich aus tiefsten Herzen zu fühlen.

Sie weinten. Sie trauerten.

Sie waren erleichtert.

Sie waren frei.

 
 

𝅝#

 

 

Die Zeit flog davon. Tage vergingen. Monate. Schließlich Jahre. Es war 2006.

Die Digiwelt hatte sich verändert, an manchen Ecken mehr, an manchen weniger, optisch, wie auch von ihrer Gesinnung. Die Spuren der Kriege und Kämpfe der Vergangenheit waren verschwunden, aber sie hatten Narben hinterlassen, die für die bereits bestehenden Generationen noch mehr Zeit zur Heilung beanspruchen würden. Und dann gab es noch ältere Generationen, bei denen es noch länger dauern würde.

Winde und Datenströme haben die Kaktuswüste etwas weiter Richtung Osten ausgebreitet, dafür war ihr aber auch die Fauna gefolgt. Die Kaktuswüste schmückte sich nun mit etwas mehr wie nur Kakteen und einfarbigen Steinen. Auf eben jenen zeichneten sich Muster ab, Daten der Kakteen vermischten sich mit denen aus Wäldern und Dschungeln und jene die kompatibel waren entwickelten eine neue digitale Form, die sich auch rasch ausbreitete. Sogar bis zum Wüstenkolosseum.

Wo einst Greymon eine Schwarze Digitation vollführte und die Digiritter des Jahres 1999 das erste Mal die vier Mega-Level der selbsternannten Meister der Dunkelheit trafen, saßen sie nun sogar zu sechst hier in der Nachmittagssonne. Die schiefen Klänge, die sie dabei von sich gaben hörte man bereits aus nächster Nähe. Es war nicht einmal ein Lied, geschweige denn eine Symphonie, nur vereinzelte Klänge.

Piedmon schwebte sitzend in der Luft und versuchte die Sainten so einzustellen, um am dieses Tages doch noch ein oder zwei anständige Melodien zustande zu bekommen, auch wenn ihm die Finger weh taten und wie ihm ging es ihnen allen. Sie waren so weit wieder hergestellt, jedoch die Fähigkeit zu musizieren hatten sie verloren. Vielleicht hatten sie das auch schon zuvor, aber nur nie bemerkt. Piedmon dachte an Myotismons Worte von einst zurück, dass sie nicht mit Herzen spielten, sondern nur vergangene Dinge wiederholten. Nun konnten sie auf diese alten Daten nicht zurückgreifen. Sie mussten von vorne beginnen. Wie lästig. Und außer der doch noch etwas krummen Melodie von Jack 'n Jill und Blue Boy hatte Piedmon in den letzten Monaten nichts hinbekommen. Die einzige Genugtuung für ihn blieb, dass er selbst damit bessere Fortschritte machte wie der Rest.

MetalSeadramon brummte. Seine Gliedmaßen und Muskeln spannten. Seine für ihn speziell angefertigte Geige, die er mit der Flosse halten und mit seinem Schweif spielen konnte konnte er mittlerweile halten, aber spielte er nur ein paar Minuten am Stück bekam er bereits einen Krampf.

„Es ist nicht zu glauben. Der Leviathan von Net Ocean schafft es nicht einmal für länger wie zehn Minuten einen Bogen zu halten und auch nur einen anständigen Ton zu treffen.“ 

„Zu deiner Verteidigung sei gesagt, dass so eine Haltung für dich auch unnatürlich ist und deine Muskeln sich wieder daran gewöhnen müssen“, kommentierte Devimon und saß dabei im Schatten. Die Trompete mit seinen viel zu langen Fingern zu halten bekam er allmählich hin. Er holte tief Luft, hielt inne und legte schließlich das Mundstück an seine Lippen um Wilhelm Tell zu spielen. Devimon schaffte es die ersten dreißig Sekunden der Finalen Ouvertüre zu spielen, dann jedoch brach er ab. Die Lungen brannten, der Mund war trocken, sein graues Gesicht glänzte rötlich, aber er bekam dennoch Beifall von seinen Mitmusikern.

„Meine Atemtechnik ist auch nicht ausgereift.“ 

„Aber du bist sogar 'nen Takt weiter gekommen wie letztes Mal“, lobte Etemon grinsend. Devimon fehlte die Luft das zu kommentieren. MetalSeadramon gab erneut ein Wimmern von sich und legte nach wenigen Minuten schließlich die Violine weg. Müsste Piedmon raten, schien es als hätte MetalSeadramon versucht Tartinis Devil Trill zu spielen, aber er spielte es nicht richtig. Das könnte natürlich auch an dem schmerzlichen Muskelkrämpfen liegen und statt es für diesen Tag zu lassen machte er weiter. Dabei musste er sich gar nicht schämen. Sie hatten alle Schmerzen beim Spielen, die einen mehr, die anderen weniger. In den Schultern, in den Händen, doch den in den Fingern empfand Piedmon als am schlimmsten, schließlich lag auch dort das Feingefühl, um mit ihren Instrumenten umzugehen.

Anubimon, den Piedmon ironisch als ihr Bewährungshelfer bezeichnete, sagte zwar, dass es nicht leicht sein würde und das bestritt auch nie einer, aber gleich das? Aber ohne wäre es wohl zu leicht geworden und das gönnte man ihnen nicht.

Lustlos blies Puppetmon in die Flöte, es kam aber kaum ein Ton raus.

„Mit richtigen Lippen wäre das einfacher“, ächzte er wütend. „Warum sind wir überhaupt wieder so und nicht so wie damals digitiert? Versteht das einer?“ 

„Vielleicht weil wir in dieser Form gestorben sind?“, überlegte MetalSeadramon für sich, doch da meldete sich Etemon: 

„Dann müsste ich ja wieder auf dem Mega-Level sein. Und unser allerliebster Freund sehe auch etwas anders aus.“

Aufs Stichwort schauten alle zu dem Klavier hinüber, dass einsam und unberührt im Schatten eines schwarzen Sonnenschirmes stand.

„Eventuell sind wir auch wieder in diese Gestalt zurückgekehrt, weil wir in dieser die meisten Schandtaten verursacht haben“, murmelte Machinedramon nachdenklich. Er saß als Einziger etwas Abseits, während die anderen sich zu einen Halbkreis formatiert hatten, mit der Sicht zur Tribüne.

„Und es ist die Gestalt, die die Digiwelt kennt. Scheinbar möchte sie, dass man uns sofort erkennt, damit man uns stets mit den Taten der Vergangenheit in Verbindung bringen kann.“ 

„Wenn das wirklich der Grund ist, hat Anubimon wohl bei dem Wort Neuanfang irgendwas missverstanden“, meinte Puppetmon. 

„Dies ist nur Baihumons Theorie, nicht meine.“ 

„Baihumon sagst du?“, wiederholte Piedmon und nicht nur er, auch der Rest starrte Maschinedramon an, der das große Interesse erst nicht verstand. „Du hängst mit einem der Souveränen rum?“ 

„Baihumon mag ein Tier-Digimon sein, doch hat auch Macht über die Maschinen. Wenn die Technik der Digiwelt die nächste Stufe erreichen will, so ist eine Zusammenarbeit unausweichlich“, erklärte Machinedramon recht kühl, ohne den Verdacht zu erwecken, dass er sich mit Baihumon besser verstand wie er zugab. 

„Braucht ihr noch einen Techniker?“, fragte Devimon. 

„Ist dir auf deinem Berg etwa langweilig?“ 

„Ich habe genug Beschäftigung. Und immerhin habe ich noch die ganzen Aufzeichnungen aus dem alten Puppenland. Die Technik ist veraltet, aber man kann viel daraus machen.“ 

„Hm. Von meiner Seite aus kannst du das. Lass mich jedoch Baihumon vorher fragen. Immerhin reden wir von den Souveränen und ich würde unnötiges Misstrauen gerne vermeiden.“ 

„Wenn ihr eh schon in Bastellaune seid, könnt ihr mir ja helfen mein Haus wieder aufzubauen“, schlug Puppetmon vor. 

„Mach das mal schön alleine“, grummelte Machinedramon. 

„Du verdienst doch mit deinen Puppen genug, um dir eine ganze Armee Bauarbeiter zu bezahlen.“ 

„Tse, tolle Freunde seid ihr.“

Puppetmon verzog beleidigt das Gesicht, Etemon lachte ihn dabei aus, bis er wieder mit dem Hammer bedroht wurde, worüber sich wieder Devimon amüsierte. MetalSeadramon knurrte genervt, Machinedramon ließ es gänzlich unkommentiert. Tatsächlich wurde Piedmon dabei kurz warm in der Brust. Streitereien wie diese waren wirklich nichts neues, aber die drückende Atmosphäre existierte nicht mehr. Sie gingen ausgelassener miteinander um. Die Aura aus Missgunst und Zorn versiegte. Jeder dachte an seinen eigenes Wohl und Alltag, doch es war keine Spur des Verrates. Die dicksten Freunde würden sie nicht mehr werden , das bedauerte Piedmon etwas – an diesem Zustand war insbesondere er schuld – aber es lief deutlich besser wie vor ihrer Niederlage. Man traf sich. Man unterhielt sich. Man verstand sich. Vermutlich war dies dieser Neuanfang, von dem Anubimon sprach. Ob Tante Rhody und Onkel sie sahen, dass ihre Kinderchen versuchten sich zu vertragen? Puppetmon hatte Puppen gebaut, die sie darstellten und imposant im Herzen der Spielzeugstadt standen. Ein schnödes Grab wollten sie nicht zum Andenken ihrer Zieheltern errichten. Aber Hauptsache sie hatten etwas, das ihnen das Gefühl gab, man könnte sie dort antreffen und mit ihnen reden, so wie es mit Koutas Grab war, dass nun auch nicht mehr war. Wo dies einst war, war nur noch ein Rosenstock, doch Koutas Aura weilte nicht mehr an diesem Ort. Er hatte wirklich Frieden gefunden. Und ein Teil von ihm war in Piedmons Daten sicher. Er spürte es.   

Piedmon wollte noch einen Versuch wagen irgendetwas musikalisches an diesem Tag auf die Beine zu stellen, dass nicht klang wie ein gefoltertes Gazimon, als er im Augenwinkel etwas bemerkte und ihn plötzlich das Gefühl beschlich, beobachtet zu werden. Erst wollte er das ja ignorieren, weil er dachte es könnte Anubimon oder dieser Spinner Gennai sein, die einfach sicher gehen wollten dass sie wirklich nichts anstellten und hier nur stinknormale Teeparty ohne Tee abhielten, doch nach längerem Überlegen musste er sich eingestehen, dass diese Gestalten weder nach dem einen, noch nach dem anderen aussahen. Er sah von seiner Gitarre auf und erkannte Agumon.

Piedmon musste blinzeln, da er es erst für einen Fata Morgana hielt. Zwar ging die Sonne bereits unter, aber die Hitze des Tages stieg immer noch vom Boden auf. Das vor ihm war allerdings wirklich Agumon, denn er erschrak, als er feststellte dass Piedmon ihn bemerkte, obwohl er sich hinter Stufen versteckte. Sein Versuch sich wieder zu verkriechen war erfolglos.

„Sieh an, sieh an, wer hat sich denn hierher verlaufen?“, rief Piedmon laut, so dass es auch die anderen mitbekamen. Nach wenigen Momenten, als alle ehemaligen Meister der Dunkelheit ihre Aufmerksamkeit auf die Tribüne richteten, erkannte Agumon, dass sich versteckt zu halten nicht mehr lohnte und trat notgedrungen heraus. Selbstverständlich war er nicht alleine erschienen und das hinter dem Dino-Digimon auch Gabumon und Gomamon hervortraten überraschte Piedmon nicht im geringsten. Biyomon, Tentomon und Patamon flogen aus ihrem versteckten Winkel. Palmon und Gatomon bildeten das Schlusslicht und stellten sich mit ihren Kameraden in eine Reihe. Die Angst stand den Digimon – zumindest fünf von ihnen – ins Gesicht geschrieben. Niemand von ihnen hatte vergessen, was einst war und obwohl sie damals bei dieser Schlacht als Sieger hervorgingen hatten sie nicht weniger Respekt vor den Meister der Dunkelheit. Schließlich waren auf ihre menschlichen Partner nicht hier, um schnell auf höhere Stufen zu digitieren, wenn es die Situation verlangte. Doch als Rookie waren sie kaum stärker oder intelligenter wie Grundschüler in der Realen Welt und hatten entsprechend Angst (mit Ausnahme von Gatomon, die ja ein Champion war).

Piedmon lehnte sich etwas nach vorn, grinste und bei diesem Gesicht lief es den Digimon eiskalt den Rücken runter.

„Die auserwählten Digimon geben sich die Ehre und besuchen uns, nachdem sie uns gemeuchelt haben. Wollt ihr etwa da weitermachen, wo ihr einst aufgehört habt?“ 

„Ist gut, Piedmon. Sie wissen, dass wir Bescheid wussten“, rief Patamon eingeschüchtert zu ihm hoch. Als Piedmon wirklich nur ihn anzuschauen schien, versteifte sich Patamons gesamter Körper. Seine Ohren lagen dicht am Körper und er traute sich nicht einen Moment zu blinzeln, während er sich fragte, wann sie digitiert waren. Es war gut ein Jahr her, dass sie sich das letzte Mal sahen und da waren sie alle noch selbst Rookie-Digimon. Bis sie das Ausbildungslevel erreichten lebten sie in der alten Villa, ihrem alten zu Hause und bauten sie wieder auf, so gut es ging, auch wenn Tante Rhody und Onkel Remus nie mehr wiederkehren würden. Ein Digimon aus der Dunklen Zone, dass das Patamon bis dato nicht kannte (logischerweise Anubimon) schaute hin und wieder nach ihnen, aber im Grunde waren sie auf sich selbst gestellt. Und irgendwann waren sie fort. Izzy brauchte lange, bis er sie wieder ausfindig machen konnte. Dass sie etwas vor hatten glaubte er nicht. Das sie aber hier so friedlich Musik spielten hätte weder Patamon noch Tentomon oder Gatomon erwartet.

Agumon fasste sich Mut und trat ein Schritt vor, aber weil man auch ihm die Angst anmerkte, grinste Piedmon nicht nur breiter, auch Puppetmon, Devimon und Etemon amüsierten sich und grinsten wie die Schläger aus amerikanischen Teeniefilmen.

„Man hat uns nur erzählt, dass ihr schon seid geraumer Zeit wieder in der Digiwelt seid ohne irgendwelches Chaos anzustiften“, fing Agumon an zu erklären, dann harkte sich Gabumon mit ein:

„Also sind wir hierher um uns selbst davon zu überzeugen, weil wir das nicht glauben konnten.“ 

„Und welches Vöglein hat euch das gezwitschert?“, fragte Puppetmon und nicht nur er, alle anwesenden Meister der Dunkelheit schauten ohne weiteres zu Tentomon, der sofort nervös mit den Armen wedelte und zu stottern begann. 

„W-W-Wieso schaut ihr mich nun alle an?!“ 

„Wer sonst sollte sich verplappern?“, brummte MetalSeadramon. Sein Körper schlängelte zur Tribüne, bis er Schnauze an Schnauze vor Tentomon schwebte. Die anderen Digimon standen erschrocken daneben, zwar bereit anzugreifen wenn es erforderlich war, wissend aber dass sie so eigentlich gar keine Chance gegen diese Digimon hatten. MetalSeadramon sagte nichts und schaute nur Tentomon in die Augen, der noch mehr zu zittern anfing und dem im wahrsten Sinne der Schweiß von der Stirn lief. Dabei sollte er eigentlich wissen, dass sie weder MetalSeadramon, noch die anderen dunklen Meister nicht so undankbar waren und dem Digimon den Kopf abbissen, die sie die letzten Jahre umsorgt, durchgefüttert und vor den Souveränen und Homeostasis verstecktet hielten. Zumindest nicht ohne triftigen Grund.

„Aber schon gut. Weil du das Digimon von Toukos Jungen bist, wird keiner von uns dir etwas tun. Zumindest nicht wegen eines doch eher banalen Grundes“, schnaufte MetalSeadramon kopfschüttelnd. Der Salzwasser-Atem klatschte Tentomon entgegen und er fiel um, erleichtert darüber nicht als Fischfutter enden zu müssen, auch wenn das Meeres-Digimon ihn so oder so nicht gefressen hätte (an Insekten-Digimon war zu wenig dran).

„Ähm, i-ich war es, der sich verplappert hat“, meldete sich Patamon und hob dabei auch die Hand, jedoch zuckte sein ganzer Körper, als er die Aufmerksamkeit dieser sechs doch furchteinflößenden Digimon komplett auf sich zog. Er wünschte sich T.K. wäre hier, um im Notfall zumindest digitieren zu können.

„Elecmon hat von einem Clown erzählt, der regelmäßig den Baby-Digimon Kunststück vorführt und da ist es mir rausgerutscht.“

Während Patamon sich nun regelrecht in seine Flügel einwickelte, schenkte MetalSeadramon ihm nicht mehr wie nur einen flüchtigen Blick. Puppetmon rollte nur mit den Augen, Devimon schüttelte den Kopf.

„Tse, nicht einmal mehr auf heilige Digimon ist Verlass.“ 

„Wundert dich das?“, fragte Machinedramon. Nein, es wunderte keinen von ihnen. Etemon ächzte. Trotz dass die Sonnen schon unterging war es immer noch zu heiß.

„Na ja, zumindest auf die Dame hier kann man etwas geben.“ 

„Danke für das Kompliment“, sagte Gatomon, fühlte sich aber etwas unwohl dabei dieses von Devimon, einem Feind, auch wenn es ein Ehemaliger war zu bekommen. 

„Wenn man auch beachten muss, dass im Grunde du schuld bist, Herr Gitarrist.“ 

„Ich bin Entertainer. Ich brauche Publikum.“ 

„Und warum darf ich kein Publikum haben?“, beschwerte sich Etemon. 

„Weil dein Gitarren- und Schlagzeug-Solo an Körperverletzung grenzt.“ 

„Falsch. Es ist Körperverletzung“, fügte MetalSeadramon noch an. „Und du hättest innerhalb einer Woche der ganzen Digiwelt erzählt, dass wir wieder hier sind. Reine Vorsichtsmaßnahmen.“ 

„'N Skandal iss'es“, moserte Etemon lautstark und fuchtelte mit den Armen. Beinah fiel das Cello um, dass fing er aber noch auf.

„Meine Fans wart'n auf mein Comeback-Konzert! Wir planen das schon ewig.“ 

„Die werden noch ein paar Wochen auf dich verzichten können.“

Der Rest der aus den Mündern der ehemaligen Meister der Dunkelheit kamen waren flapsige Bemerkungen und Sticheleien und die Beschwerde darüber. Die acht auserwählten Digimon standen verblüfft, überfordert und mit offenen Mündern davor und kamen zum Schluss, dass dieser spontane Besuch vielleicht eine dumme Idee oder ihre Erwartung einfach zu hoch waren. Agumon und Gabumon erwarteten, dass die Meister der Dunkelheit sich eventuell als reumütig herausstellen würden, aber davon fehlte jede Spur. Biyomon rechnete eher damit, dass sie sich kaum geändert hätten und war überrascht, dass sie doch irgendwie Recht behielt.

„Ob sie sich wirklich verändert haben?“ 

„Ich weiß nicht einmal, ob sie vorher schon so waren wie gerade eben“, flüsterten Gomamon und Palmon sich zu. Was sie aber feststellen mussten war, dass diese Digimon etwas lockerer und natürlicher wirkten, nicht mehr so kalt oder fernab jeder Empathiefähigkeit. Man wollte beinah schon ulkig sagen, wenn man sich ansah wie sie sich wie Geschwister oder – man wollte es nicht einmal denken – Freunde stritten.

„Warum seid ihr eigentlich hier? Also, was macht ihr hier genau?“, fragte Biyomon vorsichtig. Die Diskussion der Meister der Dunkelheit endete schlagartig und sie blickte erst etwas verdutzt drein, bis sie die Frage in ihrem Kopf verarbeiteten und auf ihre Instrumente schauten.

„Wir proben“, antwortete Machinedramon knapp. „Wir sind immerhin Musiker. Wir sind kein Orchester mehr, aber Musik verbindet uns.“ 

„Unsere Partner brachten sie uns einst bei. Sie verbindet uns mit ihnen. Sie glaubten, sie bringe der Digiwelt Veränderung. Wir möchten immer noch herausfinden, ob dies nach so vielen Generationen immer noch so ist“, erzählte Piedmon. Die Digimon horchten bei diesen Worten auf. Besonders Agumon und Gabumon, die so oft von Piedmon als Spielball missbraucht wurden, einfach weil er es witzig fand die Stärksten in der Gruppe vorzuführen waren verblüfft, aber auch fasziniert davon so etwas von solch einem Digimon zu hören. Nicht nur sie, auch Patamon und Gatomon wie auch der Rest staunten etwas und spürten, dass es ehrliche Worte waren. Sie konnten Wormmon nur schwer glauben, aber er beteuerte, sein Freund Pency sei nicht so schlecht wie sie dachten. Vielleicht war wirklich etwas dran und er spielte mit den Baby-Digimon in der Stadt des Ewigen Anfangs wirklich nur aus reiner Freundlichkeit.

Piedmon aber hatte andere Reaktionen erwartet, als er das Wort Partner aussprach. Er dachte, diese Digimon seien verwirrt, würden Fragen stellen oder sie als Lügner degradieren, aber die Verblüffung über den Umstand, dass sie so etwas wie Leidensgenossen oder Seelenkameraden waren blieb aus.

„Eure Freunde haben euch diese Geschichte also schon erzählt?“ 

„Die vier Souveränen hatten diesen Verdacht schon“, entgegnete Agumon und erinnerte sich an Tais Bedenken, die er schon vor Jahren hatten, nachdem Azulongmon ihnen allen von der Apartheid und den Rassen-Kriegen erzählte. Und von seinen Thesen über die man nicht nachdenken wollte. Auch Gabumon tat es Leid andere Partner-Digimon und damit Kameraden getötet zu haben, auch wenn Matt ihm sagte, dass es damals einfach hat sein müssen.

„Aber glauben wollten wir es nicht.“ 

„Schuldgefühle?“, stachelte Puppetmon grinsend, aber keiner grinste mit. 

„Na ja, es fühlt sich im Nachhinein an, als hätten wir es verpasst einen andere Lösung zu finden“, meinte Palmon etwas niedergeschlagen. „Es hätte anders laufen können. Denn im Grunde seid ihr genauso benutzt worden wie Ken oder Oikawa.“ 

„Macht euch darum keine Gedanken. Wir nehmen euch das nicht übel“, sagte MetalSeadramon. „Lasst euch von Kriegsveteranen etwas sagen – Krieg ohne Opfer gibt es nicht. Daher ist es auch nie Ziel des Kampfes keine Opfer einzufordern, sondern möglichst wenigen über längere Zeit zu schaden.“ 

„Und wo war da bei euch dieses Vermeiden von Schaden?“, fragte Palmon ernst und bekam von Devimon ein schelmisches Grinsen geschenkt. 

„Du hast nicht zugehört. Manchmal sind Opfer erforderlich. Und für eine Ära, die garantiert das Dinge wie die Apartheid nie mehr zurückkehren waren sie das wert. Ihr könnt das nicht verstehen. Ihr habt die Apartheid nicht erlebt.“

Tentomon dachte nach, dass dies eventuell wirklich so sein konnte. Dieses Gespräch führten er und Izzy bereits mit ihnen. Vielleicht konnten sie es wirklich nicht verstehen. Vielleicht aber mitempfinden.

„Ich behaupte aber, ihr seid mit uns einer Meinung, dass eine Gesellschaft die Digimon in erwünscht und unerwünscht einteilt nicht erstrebenswert ist. Insofern taten wir der Digiwelt nur einen Gefallen, wenn wir diese Ungleichheiten ausradieren. Ob die Methoden unethisch sind oder nicht, muss der einzelne entscheiden, sind aber für den Krieg nichts als hinderliche Fragen.“ 

„Das sehen wir ein wenig anders“, meinte Biyomon etwas schnippisch. „Man muss zumindest versuchen Alternativen zu finden, die keinem schaden. Und sich Gedanken über Moral zu machen ist nicht falsch.“ 

„Außerdem kann doch jeder sein, wie er will. Wenn alle gleich wären, wäre das total ätzend“, meinte Agumon entschlossen. 

„Eh, diese idealistischen Weltvorstellungen immer“, murmelte Piedmon und ließ die Augen kreisen. „Aber glaubt uns ruhig. Wir sind nicht so kleinkariert und so nachtragend. Wirklich.“ 

„Ja, wir an eurer Stelle hätten euch auch einfach niedergemetzelt“, lachte Etemon und genau wie Puppetmons Grinsen war auch sein Lachen nicht ansteckend. 

„Ihr seid immerhin ehrlich“, meinte Gomamon und versuchte zumindest aus Höflichkeit zu Grinsen, wenn es auch nur ein sehr schiefes war. Gatomon hingegen war die ganze Zeit auffallend still. Sie sah ununterbrochen zum Klavier unter dem dicken, schwarzen Sonnenschirm. Dieser war zwar aufgespannt und hielt das Musikinstrument im Schatten der rotorangenen Abendsonne, doch es sah aus, als säße da schon seit längerer Zeit niemand mehr und spielte. Das machte Gatomon stutzig.

„Wo ist er?“ 

„Unterwegs“, antwortete Devimon, dem Gatomons Argwohn nicht entgangen war und auch, dass ihr diese Antwort nicht reichte. Nicht zu wissen wo Myotismon war bereitete ihr Bauchschmerzen. Sie vertraute ihm kein bisschen und Myotismons Aktivitäten waren recht überschaubar. Entweder war er in seinem Schloss oder eben bei seinen Mitmusikern. Gatomon hatte ihre Verbindungen und wusste über diese, dass Myotismon schon seit ein paar Tagen nicht mehr in sein Reich zurückgekehrt war, aber eine Nachricht mit seiner Unterschrift versicherte seinem Gefolge, dass er nicht lange abwesend sein würde.

„Unterwegs wohin?“, fragte sie, diesmal fordernder. 

„Ach, das ist eine komplizierte Sache“, sagte Piedmon weiter knapp. Auch er schaute zum Klavier runter und rief sich Myotismon ins Gedächtnis zurück, der seit mehreren Wochen (oder vielleicht schon Monate) eher lustlos zu spielen schien, auch wenn er der kleinen Alice im Wunderland versprochen hatte sich Mühe zu geben. Es könnte daran liegen, dass er rheumaähnliche Schmerzen in den Händen hatte, Piedmon befürchtete eher was anderes – Liebeskummer. Dies hatte Myotismon selbstverständlich geleugnet. Er doch nicht. Niemals. 

Sein Schloss, dass einst zusammenfiel hatte er wieder aufgebaut und der Tor war in seiner Obhut (ob das gut oder schlecht war sei dahingestellt). Die Geist- und Untoten-Digimon kamen beinahe schon von selbst. Die Sehnsucht nach ihrem König, der über sie wachte und ihrem bedauernswerten Dasein ein wenig Sinn gab war in ihren Daten verankert. Sonst hatten sie ja nichts. Schreiben konnte er trotz Schmerzen genauso gut wie herumkommandieren und er hatte wieder seine Leidenschaft für die Erforschung von Giften gefunden, nachdem er das lange vernachlässigte. Doch ohne Welteroberungspläne und sich nur auf sein Reich und seine Truppen konzentrierend, schien er immer mehr zu spüren, dass ihm Gleichgesinnte fehlten, die für ihn weder Feind noch Volk waren. Nein, eher ein Gegenpol. Dem König fehlte die Königin.

Früher, vor ihrem Fall hätte Piedmon das nicht gekümmert. Nun aber sah er Myotismon an, der keine Mine verzog, sondern recht gelangweilt wirkte. Es gab eben kaum Digimon, die geistig auf seiner Höhe waren und zudem mit seinem großen Ego klarkamen. Und sie (Piedmon hatte es sich abgewöhnt sie zu beleidigen) war eines davon.

Mitansehen konnte Piedmon das irgendwann nicht mehr. Nicht weil er und Myotismon sich als Freunde bezeichnen würden. Sie kamen miteinander aus und haben es nach Jahren auch geschafft normale Unterhaltungen zu führen, aber es war zu viel zwischen ihnen passiert, dass sie vermutlich niemals mehr die Freunde sein würden, die sie mal während der Apartheid waren. Und nicht zuletzt weil ihm Myotismons schlechte Laune die eigene versaute bat er Wormmon irgendjemanden von den Digirittern darum zu bitten Yuki in die Digiwelt zu bringen, auch wenn Myotismon das nicht wollte. Er war stinksauer gewesen, aber wenn es irgendjemanden gab der auf Myotismon zumindest ein wenig einreden konnte, dann war es die Tochter seines geliebten Partners. Nun war er mit der kleinen Alice losgegangen um die Weiße Königin zu finden.

Hoffentlich, dachte Piedmon, brachte es etwas. Nicht dass Piedmon sich Sorgen um Myotismon machte – er doch nicht – , aber es wäre beruhigend zu wissen, sollte Myotismon auf die ein oder andere krumme Idee kommen, dass es ein Digimon gab, dass ihn mit seinem zarten Stimmchen wieder zur Vernunft brachte. Und für andere Dinge begeistern konnte, die ihn ablenkten.

„Private Angelegenheiten eben. Geister der Vergangenheit aufspüren.“ 

„Stress in der Liebe“, posaunte Etemon heraus und erntete feindselige Blicke, Piedmon warf ihm sogar Bälle, mit denen er sonst jonglierte an den Kopf, während Gatomon sich selbst fragte (und nicht nur sie, auch die anderen) ob Etemon das ernst meinte. 

„Was soll das? Ist doch wahr!“ 

„Musst du das deswegen gleich der ganzen Digiwelt erzählen?“, schimpfte Devimon. „Hast du mal was von Privatsphäre gehört?“ 

„Wir sollten schließlich froh sein, dass er nicht so ist wie Piedmon und jedem alles unter die Nase reibt“, brüllte MetalSeadramon verächtlich. 

„Du musst gerade reden. Du hast dir doch auch wieder einen ganzen Satz AncientMermaidmon zugelegt.“ 

„Ich habe sie mir nicht zugelegt, sie folgen mir! Außerdem mache ich bestimmt nicht das mit ihnen, was du mit deinem LadyDevimon treibst!“ 

„Ihr müsst ja nicht hinsehen.“ 

„Dein Schamgefühl ist wohl nicht richtig gerebootet worden!“ 

„Der hatte noch nie Schamgefühl.“ 

„Das sagst ausgerechnet du, Etemon?“ 

„Was soll das heißen, Pinocchio?“ 

„Jetzt hört auf zu streiten! Ihr seid keine Ausbildungs-Level mehr.“ 

„Halt dich da raus, Machinedramon!“

Die Diskussion entflammte zu einem Streit und kreuz und quer warf man sich harsche Worte an den Kopf. Nur Devimon hielt sich raus, hielt sich die Ohren bei dem Krach zu und wusste spontan wieder, warum er ein Einzelgänger geworden war.

„Ich glaube, das ist nicht gut.“ 

„Oh doch, das ist sogar sehr gut. Wenn sie sich streiten heißt das, sie interessieren sich füreinander. Das ist ein großer Fortschritt“, sagte Tentomon mit einer Euphorie, die Gabumon absolut nicht nachvollziehen konnte. Gomamon war nie um Worte verlegen, um aber unnötigen Streit zu vermeiden sagte er nichts und dachte sich nur, dass ihre Ex-Erzfeinde gehörig einen an der Klatsche hatten.

„Und wann kommt er wieder?“, fragte Gatomon, die keine große Angst vor der Gruppe streitender Digimon hatte. Es flogen noch vereinzelte Scherze hin und her, dann endeten die Streitereien genauso schnell wieder, wie sie begonnen hatte und man dachte über die Frage des Katzen-Digimon nach.

„Wenn er fündig wird“, antwortete schließlich Machinedramon. „Und hoffentlich Erfolg hat, sonst bleibt das Klavier vermutlich für immer so träge. Unser Pianist war schon immer etwas schwierig und macht es sich oft selbst noch schwieriger.“ 

„Man muss eben wissen, wie man mit ihm umgehen muss. Das wissen aber nicht viele“, grinste Piedmon zwielichtig, aber nicht feindselig. 

„Ist das auch sicher, dass er wiederkehrt?“, fragte Biyomon deutlich misstrauisch, doch Puppetmon grinste ihr entgegen. 

„Klar. Alice hat ja ein Auge auf ihn. Da kommt er nicht so schnell auf irgendwelche krummen Ideen.“

Puppetmon begann fröhlich die Melodie vom krummen Mann zu summen.

„Solange üben wir ohne ihn weiter“, schnaufte MetalSeadramon, mit einem erschöpften Blick auf seine Violine und seine Flossen, die innerlich pochten. 

„Und wenn ihr wieder spielen könnt, was macht ihr dann?“, fragte Gomamon. Es herrschte erst überraschtes Schweigen unter den ehemaligen Meister der Dunkelheit und jeder schaute einmal zu jedem, bis sie gleichzeitig antworteten:

„Weiterspielen.“

Wieder herrschte ein peinlich angehauchtes Schweigen und jeder stellte sich die Frage, ob das nun wirklich alles war oder ob da noch mehr kam. Sonnenstrahlen waren kaum mehr da, die den von der Mittagssonne erwärmten Boden küssten und der Vorhang der Nacht breitete sich langsam aus. Der orangene Himmel verlief ins Violette und kleine Lampen, die jedoch kein Feuer in sich trugen sondern eher, als flogen Schwärme von Glühwürmchen, teilweise sogar in verschiedenen Farbtönen um sie herum erhellten das Wüstenkolosseum nach und nach.

„Und warum wollt ihr weiter spielen? Für eure Partner?“ 

„Och, nicht nur. Aber sie wären enttäuscht zu hören, würde wir nicht ab und an der Digiwelt ein Ständchen spielen. Sie lehrten uns, dass Musik der Schlüssel zum Innersten sei. Wir müssen allerdings prüfen, ob diese These noch aktuell ist. Ken glaubt daran. Wormmon ebenso und Kouta ist sicherlich ihrer Meinung. Mal sehen, ob sie Recht behalten, ob aus Digimon wie uns, die aus einer Kriegsgeneration stammen noch etwas werden kann. Wir werden keine Partner-Digimon mehr. Unsere Partner sind tot. Aber das, was sie uns hinterließen lebt in der Musik weiter. Es ist zumindest die bessere Alternative, als wie andere Digimon sich in den Bars und Pubs die Erinnerungen an Krieg und die Erkenntnis der Perspektivlosigkeit wegzutrinken.“

Würden diese Worte nicht von Piedmon kommen, wären das sogar ziemlich schöne Worte gewesen. Biyomon, Gabumon und Palmon betrachteten dass alles mit hoher Skepsis. Als Gabumon sich zu Agumon wandte um seine Meinung zu hören, nickte er diese Worte aber vertrauensvoll ab. Die beiden wechselten keine Silbe, aber in ihren Gesichtern konnte man die gesamte Diskussion ablesen. Agumon glaubte es einfach. Er spürte, dass Piedmon das ehrlich meinte. Tentomon auch, schließlich gab er schon seit vier Jahren Acht auf diese Digimon und auch Patamon besaß keinerlei Bedenken. Nicht, weil er wie Tentomon die Entwicklung hautnah miterlebte, sondern auch wegen dem was Elecmon so erzählte. Elecmon war das Misstrauen in Digimon-Gestalt und wenn er sagte dieser Clown, der mit den Baby-Digimon spielte sei trotz seiner anzüglichen Witze gegenüber älteren Digimon schwer in Ordnung hieß dies sehr viel.

„Wir können auch gerne da weitermachen, wo wir vor ein paar Jahren aufgehört haben“, scherzte das Clown-Digimon und alle achten Digimon riefen erschrocken: 

„Bloß nicht!“ 

Piedmon konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.

„Kana hat auch eine Tochter“, fing Puppetmon an. Seine Zahnräder in seinem Torso gaben langsame und regelmäßige Klack-Geräusche von sich.

„Keine Ahnung, ob es bei ihrem Kind so sein könnte wie bei den Kindern von Hisaki und Touko. Aber wenn, will ich ihr das vorspielen, was Kana mir immer gespielt hat.“ 

„Kana und auch Soichiro haben noch einen kleinen Halbbruder“, erzählte Machinedramon weiter und noch bevor Tentomon fragen konnte, woher er und auch Puppetmon wussten, ob ihre Partner Verwandtschaft hatten fügte er an: 

„Anubimon war einst ein enger Verbündeter, als wir noch Soldaten waren. Er suchte für uns Angehörige. Vielleicht hofft er, dass wir dadurch Motivation finden.“ 

„Mein Partner Renta hatte zwei große Brüder. Beide haben Kinder. Die Chance, dass einer vielleicht auch herkommt ist hoch“, berichtete Etemon und klang irgendwie stolz bei der Vorstellung, anders wie Devimon, der sich eher gediegen und nüchtern äußerte. 

„Natsu Schwester ist auch Mutter. Ihr Jüngstes spielt bereits Trompete. Das Potenzial ist vorhanden.“ 

„Toukos Sohn mag sich zwar weniger für Musik begeistern“, erzählte MetalSeadramon weiter. „Aber er soll die Gewissheit haben, dass ich ihr Erbe in Ehren halte.“ 

„Ich glaube, Izzy ist sehr froh wenn er das von dir hören würde“, fügte Tentomon freundlich an. „Er will dir schließlich vertrauen. Ich soll dir auch von ihm sagen, dass er die Zusammenarbeit sehr schätzt. Wir haben viele Daten über die Tiefsee in Net Ocean sammeln können.“ 

„Merke dir, dass ich das weniger für euch tue, sondern weil ihr versprochen habt, dass meine AncientMermaimon die Schätze behalten dürfen“, brummte das große Meeres-Digimon. Tentomon zitterte etwas, eingeschüchtert von MetalSeadramons Gemütsumschwung und nicht zuletzt auch weil dieses Mega-Digimon Spaß daran hatte Tentomon etwas aus der Fassung zu bringen. Solange er noch ein Baby- und Ausbildungs-Digimon war und auch zu Betamon digitierte war der Umgang weniger problematisch. Nachdem Betamon aber spontan eine Warp-Digimon zu MetalSeadramon vollzog, erinnerte sich Tentomon wieder daran wie sie eigentlich zueinander standen. Die restlichen Digimon glaubten erst nicht, dass Izzy und auch Tentomon wohl öfter Kontakt zu den Meister der Dunkelheit hatten (selbst Patamon und Gatomon wussten nicht alles). Nun verstanden sie auch, warum Izzy so gut über das Bescheid wusste, was in den tiefsten Tiefen der digitalen Meere vor sich ging. Generell würde es erklären, warum Izzy auf einmal so viel Wissen über die Natur, wie auch die Geschichte der Digiwelt besaß.

„Und unser Pianist – er gibt’s nicht zu, aber Alice kann er nichts abschlagen. Außerdem hat er neben der kleinen Alice noch jemanden, der ihn sehr gerne wieder spielen hören würde. Also gibt er sich doppelt so viel Mühe, den höllischen Schmerzen in seinen Händen zu Trotz. Seine Verbissenheit ist beeindruckend.“ 

„Das klang vor kurzem aber noch anders“, warf Devimon Piedmon an den Kopf. 

„Wenn ich ihn lobe wird er noch faul und übermütig. Das muss man rechtzeitig ausbremsen, sonst haben wir bald wieder das selbe Übel am Hals, das uns bereits das Leben zur Hölle machte.“ 

„Sagt wer?“, fragte der Rest. Piedmon verzog kurz das Gesicht und fing an sich zu fragen, warum er eigentlich nicht bei LadyDevimon geblieben war, wenn er sich schon die Mühe machte, wenn es ihm etwas langweilig wurde nicht sofort ein neues zu suchen, sondern bei einem zu bleiben und sich was einfallen zu lassen. Nicht so ausschweifend und nach der Laune raus zu leben war eine erhebliche Umstellung und ungewohnt. Aber schlecht war es auch nicht.

„Wir würden euch auch gerne spielen hören“, rief Biyomon zu ihnen auf, dabei flatterte sie aufgeregt mit ihren rosa Flügeln und auch Gomamon schloss sich dem an. 

„Ja, lasst mal was hören.“ 

„Ihr wollte unsere Musik hören?“, harkte Puppetmon nach. „Ihr habt doch keine Ahnung.“ 

„Also ich schon“, widersprach Gabumon. „Matt spielt immerhin in einer Band.“ 

„Ich weiß nicht, ob das zählt“, meinte Puppetmon weiter. Etemon hörte nur das Wort Band und überlegte, ob die vielleicht noch jemanden bräuchten. Und weil Gabumon zu riechen schien, was das Puppen-Digimon dachte, schüttelte er den Kopf.

„Sorry, aber Matt nimmt keine weiteren Mitglieder mehr auf.“ 

„So 'n elender...“, fluchte Etemon, den Rest des Satzes hörte man nicht mehr, dafür nuschelte er zu stark und sein Slang driftete ab. Der Rest des Orchesters überlegte noch.

„Kommt schon! Wir möchten es hören“, bettelte Patamon. 

„Ja, was nützt Musik, wenn niemand da ist, der sie hört?“, schloss sich Tentomon an. „Außerdem können wir euch sagen, ob ihr besser werdet.“ 

„Ihr wollt öfter hier auftauchen?“, harkte Devimon ungläubig nach und schaute in die Runde seiner Kameraden. „Habt ihr das gehört?“ 

„Da haben wir uns ja was eingebrockt“, murmelte Puppetmon und seine Augen wanderten hilfesuchend zu Piedmon, schließlich hatte er als undemokratisch gewählter Anführer das letzte Wort. Ihm missfiel dieser Vorschlag zwar ebenso, was man an seinen schmal gezogenen Lippen erkannte, aber gänzlich verwarf er die Idee auch nicht.

„Wir können aber nur simple Stücke“, sagte er schließlich nach längerer Pause kühl. 

„Dann spielt etwas simples“, meinte Agumon schulterzuckend. „Ja, ist doch egal ob es ein kompliziertes Stück ist oder nicht.“ 

„Das wird uns aber nicht gerecht. Wir spielten einst Vivaldis vier Jahreszeiten vor den Gestirnen der Digiwelt.“ 

„Das könnt ihr ja wann anders. Falls ihr besser werdet“, fügte Gomamon noch stachelnd. Palmon und Tentomon, die je neben ihm standen erschraken und zischten, ob er noch ganz dicht sei hier unnötig zu provozieren, aber schwiegen sofort, als sie die durchaus etwas gekränkten Gesichter der Meister der Dunkelheit sahen. Piedmon ging sogar so weit, dass er zu ihnen schwebte und vor den acht Digimon stehen blieb.

„Oh, glaubt uns, wir werden besser. Wir sind schon gut, nur ein wenig aus der Übung.“ 

„Dann zeigt auch was davon, anstatt große Töne zu spucken“, stachelte Gomamon weiter, diesmal aber kamen keine Beschwerden, dass er den Mund halten sollte. Die ehemaligen Meister der Dunkelheit führen mit Händen, Klauen oder Flossen nachdenklich über ihren Instrumente. Machinedramons Kanonen hatte er wieder umgebaut, so dass sie nicht nur Kanonenfeuer, sondern auch Klarinettentöne von sich gaben. Räder in seinen Inneren drehten sich hin und her, während er seine Gedanken schweifen ließ.

Jedes der acht Digimon wartete gespannt und versucht nicht darüber nachzudenken, wer diese Digimon vor ihnen waren. Piedmon sah jedem von ihm lange in die Augen und sie ihm. Der Orkan der Herzkönigin war von dannen gezogen.

„Setzt euch“, befahl Piedmon schließlich und entfernte sich um an die Seite seiner Mitmusiker zurückzukehren. Biyomon, Gomamon und Patamon jubelten leicht, Gabumon, Palmon und Tentomon waren einerseits erfreut, andererseits einfach erleichtert.

„Ihr wollt wirklich mithören?“, fragte Gatomon besorgt, gerade als sich die Digimon nach guten Sitzplätzen umsahen. 

„Klar doch“, meinte Biyomon ohne jede Spur von Bedenken. 

„Du vertraust ihnen nicht, richtig?“, harkte Agumon nach, der zwar auch keine Skepsis hegte, aber durchaus Verständnis für Gatomons Reaktion hatte. 

„Ihr doch auch nicht.“ 

„Ich würden aber gerne. Und die anderen sicher auch.“

Alle nickten Agumon zustimmend zu. Da es aber gegen Gatomons Misstrauen nicht half flog Patamon nochmal zu ihr zurück und landete genau vor ihr.

„Gib dir einen Ruck, Gatomon.“ 

„Ich weiß nicht... Auch gerade weil er nicht hier ist.“ 

„Du machst dich selbst verrückt. Vielleicht ist auch langsam die Zeit gekommen, dass wir begraben, was war und weiter machen.“ 

„Wir sollen das alles vergessen?“, fragte sie leicht erbost, was Patamon erst etwas einschüchterte, dann fasste er sich ein Herz. 

„Nein. Aber vielleicht wäre Vergebung nicht gänzlich falsch. Es sind vier Jahre vergangen und wir haben sie beobachtet. Ich vertrau ihnen auch nicht ganz, aber ich kann ihre Gründe verstehen. Seien wir der Digiwelt ein gutes Beispiel und geben dem eine Chance. Man spürt, dass sie sich wirklich Mühe geben.“

Statt sich die Meister der Dunkelheit anzusehen, die zugegeben etwas nervös an ihren Instrumenten hantierten starrte Gatomon noch einmal zum Klavier zurück. Sie musste zugeben, ihn würde sie auch gerne hören, aber ob sie so viel Vertrauen aufbringen konnte war fraglich. Vergeben konnte sie nicht. Aber, wenn zumindest für ihr eigenes Seelenheil die Sache ruhen zu lassen. Sie würde darüber nachdenken, bis zu dem Tag an dem sie die Chance bekam Myotismon mal wirklich spielen zu hören. Vielleicht würde sie dann verstehen, was in ihm vorging.

Gatomon nickte und folgte Patamon und gerade als sie sich zwischen ihn und Agumon setzte, räusperte Piedmon sich.

„Liebe Mitmusiker. Verehrte Gäste...“, rief er. Die Höhe der Tribüne mitsamt der runden Form des Kolosseums erzeugte ein schwaches Echo. Fingerspitzen zuckten. Ein lautes ausatmen. Nervosität wie am Tag ihres ersten großen Konzertes, das mehr war wie nur ein Konzert. Es war viel mehr. Herzrasen, Unruhe, der Versuch sich zu beruhigen und die leichte Unternote von Freude mit und für andere zu musizieren. Wie einst, in ihrer Villa im Wald, mit Zieheltern, Freunden und dem Kostbarstem, ihren Partnern. Ein Gefühl, dass sie schon sehr, sehr lange nicht mehr gefühlt hatten.

Piedmon sah zum Himmel auf. Die ersten Sterne erschienen und er hoffte, wo immer Myotismon gerade war, er hatte sich ebenso wieder daran erinnert wie es war, so etwas zu fühlen, egal wie unerträglich der Schmerz in den Gliedern war.

„Es folgt nun zu ihrer Unterhaltung Stand by me, Allegro in D!“

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, ich entschuldige mich an der Stelle erneut, dass so gerade die letzten Kapitel viel zu lang sind. Ich weiß, dass macht es nicht besser, aber ihr dürft mich dafür gern hassen.

Das nächste Kapitel ist das letzte. Bin aber aktuell dabei einige Szenen, die ich rausgeschmissen habe, weil die Kapitel sonst zu lang wären (lol) nochmal zu schreiben (kleine Szenen aber eher). Also selbst nach Beendigung wird nochmal etwas Content kommen. Die Kapitel werden dann wohl nochmal geprüft werden müssen, insofern wir man es hier mitbekommen. Bei den anderen Seiten muss ich überlegen, wie ich das noch mache. Komplett anzeigen

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