Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 1: Sieben Tage Regenwetter ---------------------------------- Von seinem Platz am Tisch aus schaute Sephiroth missmutig aus dem Fenster. Es regnete. Regnete stark. Regnete seit Tagen. Das Einzige, was sich in diesem Regen noch bewegte, waren Vögel, die gen Himmel flogen. Sephiroth mochte Regen sonst, und am Anfang hatte er ihm auch nichts ausgemacht. Für ihn war es kein Problem, seine Shin-Ra-Jacke mit der Kapuze überzuwerfen, um in den Lederstiefeln seiner Uniform kurz nach unten ins Dorf Banora zu stapfen und den Markt aufzusuchen. Normalerweise. „Mittlerweile hat es so viel geregnet, dass es bestimmt keine gute Idee mehr ist, den Hügel runterzulaufen. Oder hoch.“ Genesis hatte kaum von seinem Buch aufgeblickt, als er das sagte. Natürlich konnte sein teilnahmsloser Ton Sephiroth nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Gatte ihm soeben eine ernstgemeinte Warnung ausgesprochen hatte, sich ja nichts zu brechen. So war es Sephiroth in Ermangelung seines üblichen Markteinkaufes nur geblieben, sich mit ein wenig Brot, Butter und Salz an den Tisch vorm Fenster zu setzen. Sephiroth seufzte und drehte sich vom Fenster weg. Er lehnte sich weit zurück und während er den letzten Bissen herunterkaute, beobachtete er Genesis, der am anderen Ende des Wohnzimmers zwischen seinen vielen Bücherregalen lässig auf dem Sofa saß und vor sich hin las. Sephiroth mochte es, seinem Mann beim Lesen zuzuschauen; immerhin schaffte der es dann nicht, gemein zu ihm zu sein. Jetzt wieder lächelnd, ließ Sephiroth den Teller mit den Krümeln auf dem Tisch stehen, durchquerte den Raum und setzte sich zu Genesis aufs Sofa; als dieser keine Notiz davon nahm – oder es zumindest vorgab –, nahm er seine bessere Hälfte sanft in den Arm. Genesis ließ es zu und lehnte sich mit dem Rücken gegen Sephiroth, ohne jedoch auch nur einen Moment seine Lektüre zu unterbrechen. So ließ Sephiroth einige Augenblicke verstreichen, ehe er sagte: „Ich mag das, wenn du liest, weißt du.“ „Dich machen die merkwürdigsten Dinge an“, erwiderte Genesis mit betont tonlosem Desinteresse. Sephiroth zog verwundert die Augenbrauen zusammen. „Von Anmachen hat niemand was gesagt.“ Genesis sah tatsächlich von seinem Buch auf und wandte sich halb nach hinten zu Sephiroth um. Er schaute ihm direkt in die Augen. „Doch, ich. Gerade eben.“ Lange sahen sie sich schweigend an. Schließlich ließ Genesis ein leichtes Lächeln vermuten. Sephiroth verstand. Auch gegen das Schlafzimmerfenster prasselte der Regen unnachgiebig in dicken erbarmungslosen Tropfen; es schien kaum Licht herein. War die Sonne überhaupt irgendwann an diesem Tag aufgegangen? So dunkel, wie es war, war eine ungefähre Uhrzeit unmöglich auszumachen; vielleicht dämmerte es schon zur Nacht, vielleicht war der Himmel aber auch nur wolkenverhangen und es war gerade erst Mittag. Sephiroth kümmerte das in seinem warmen Bett herzlich wenig, er war zufrieden, er war satt, befand sich im Trockenen und hatte nicht nur irgendeinen Mann an seiner Seite liegen, sondern einen mit goldenem Ring am Finger, der dem an seinem eigenen exakt glich. Er rückte näher an Genesis heran, der noch leicht döste und ihm dabei den Rücken zuwandte, und fasste mit der Rechten vorsichtig um seinen Mann herum an dessen linke Hand, an der der Ehering saß. Mit einem missbilligenden Geräusch öffnete Genesis die Augen und sah Sephiroth vorwurfsvoll mit gerunzelter Stirn von der Seite her an. „Ja, bitte, ist was?“, fragte er gereizt. Vielleicht war es der Regen, der seine Stimmung drückte und ihn auf düstere Gedanken brachte, aber manchmal – in ganz seltenen Momenten – sah Sephiroth in Genesis‘ Ehering nicht nur das eigene Eheversprechen. Manchmal sah er darin auch, dass Genesis einst eine Wahl getroffen hatte. Und auch wenn es ihm schwerfiel, es anzusprechen, so hatte er sich eines doch schon oft gefragt. Er ließ Genesis‘ Hand los und rückte wieder ein Stück ab. „Bereust du manchmal, wie du dich entschieden hast?“ Genesis drehte sich nun auf den Rücken. „Täglich.“ Sephiroth sagte nichts, schaute Genesis nur an. Genesis seufzte. „Himmelherrgott, Seph, was soll ich auf so was sagen?“* „Na ja, du hättest auch den anderen Antrag annehmen können.“ „Ja, sicher, hab ich aber nicht.“ „Aber was, wenn du’s gemacht hättest?“ „Dann hätte ich mich erst mal mit der Bürokratie rumschlagen dürfen, als Ausländer, der in Portugal heiraten möchte ...“ „Du bist wieder unglaublich romantisch.“ „Was willst du denn noch hören?“ „Was gewesen wäre.“ Genesis seufzte nun ernsthaft genervt. „Du redest Unsinn.“ Und er wandte sich nach einem Buch um von den vielen, die neben dem Bett auf dem Tisch lagen, aber Sephiroth ergriff erneut seine Hand. Genesis verdrehte die Augen. „Du meinst es ernst, oder?“ Sephiroth nickte. Genesis legte sich das Buch auf den Schoß, öffnete es aber nicht. „Dich stört ein anderer Mann?“ Sephiroth nickte. „Auf einem anderen Kontinent?“ Sephiroth nickte. „Mit dem ich nie offiziell zusammen war?“ „Der dir aber trotzdem einen Antrag gemacht hat.“ Darauf hatte Genesis keine Antwort. Mit einem weiteren Seufzer gab er sich geschlagen. Sein nachdenklich wandernder Blick ging in Richtung Zimmerdecke, Sephiroth war jedoch klar, dass er diese nicht wirklich sah, sondern an seine Zeit in Lissabon zurückdachte. „Tja, was wär schon gewesen“, begann Genesis leise. „Wenn ich ihn geheiratet hätte, würde das zunächst mal bedeuten, dass wir uns endgültig getrennt hätten – das hättest du schon mal nicht überlebt.“ Und schon war wieder aller Ernst verflogen. Genesis sah ihn überlegen an. „Nicht lustig“, sagte Sephiroth kleinlaut. „Weißt du was“, schlug Genesis vor, „wenn du mich schon nicht mein Buch lesen lässt, dann musst eben du mir eine Geschichte erzählen: Was wäre gewesen, wenn ich Ramon geheiratet hätte und nicht dich?“ „Wie, was, ich hab dich gefragt!“ „Tja, und jetzt frag ich dich.“ Auch wenn er zunächst überrascht war, begann Sephiroth zu überlegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)