Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 6: Und die andern I --------------------------- „Was soll das heißen, wir können uns nicht mehr treffen?“, fuhr ihn Amar, der ihm sehr nah gekommen war, wutentbrannt an. Zorn verzog ihm das sonst ganz ansehnliche Gesicht; sein Körper war bis in den letzten Muskel vor Erregung angespannt. „Nun“, erwiderte Genesis unbeeindruckt, „das soll genau das heißen, du hast es also schon ganz gut erfasst.“ „Ich will keine Spielchen spielen!“, gab Amar erhitzt zurück. „Erklär mir das gefälligst!“ Genesis sah ihn mit festem Blick an. „Erst beruhigst du dich – sonst muss ich dich bitten zu gehen.“ Immerhin standen sie vor seinem Haus. Er bezahlte eine gute Miete, um in dieser Gegend zu wohnen; Krawall konnte ihn seinen Platz in der Nachbarschaft kosten. „Wie soll ich mich beruhigen?“, rief Amar, immer noch erzürnt, immer noch viel zu laut. „Erst antwortest du nicht, wenn ich dich anrufe oder dir schreibe, dann lässt du mich hier antanzen, als wär ich dir hörig, aber nur um mir zu sagen, dass du mich in die Wüste schickst! Glaubst du, so kannst du mit mir umgehen?“ „Amar, ich bin dir nicht verpflichtet und ich war es nie“, stellte Genesis sachlich klar. „Wir haben ein bisschen Zeit miteinander verbracht, das ist alles. Du wusstest immer, dass es auch andere Männer gibt.“ Amar horchte auf. „Was genau soll das heißen?“ Genesis hatte das Gefühl, schon zu viel gesagt zu haben. Er wusste aber, dass er Amar nicht loswerden würde, wenn er ihm jetzt nicht die Wahrheit sagte. „Es gibt seit Neuestem einen festen Partner in meinem Leben.“ Amar lachte laut und kalt; die Unehrlichkeit darin schmerzte. „Du? Du und ein fester Partner? Dir reichen doch nicht mal zwei Kerle in einer Nacht!“ Genesis versuchte, sich nicht zu sehr beeindrucken zu lassen; er wusste, dass Amar verletzt war und er seinen Worten nicht zu viel Gewicht beimessen sollte. Am besten war, ihm jetzt nahezulegen, wieder nach Hause zu gehen und die Sache zu begraben – Genesis hatte noch nicht einmal angesetzt, als er Sephiroth erblickte, der die Straße entlangkam. Er hatte die Gegend nach guten Einkaufsmöglichkeiten erkundet, im Sinn den ungefähren Plan, für das Mittagessen zu sorgen. Auch Amar verstummte und sah Sephiroth, der unbeirrt an ihm vorbeiging, fassungslos an. „Du hast ein echtes Gefühl für Timing, Crescent“, seufzte Genesis mit ermatteter Miene. „Immer zu Diensten“, strahlte Sephiroth verschmitzt. Genesis hielt ihm die Tür hinter sich auf. „Gehst du dann jetzt bitte rein?“ „Alles ok?“, fragte Sephiroth. „Jetzt geh rein!“, erwiderte Genesis etwas gereizt. Als Sephiroth im Haus verschwunden war, kam Genesis erneut nicht dazu, das Wort zu ergreifen, ehe Amar sich schon wieder in Rage redete. „Der ist ja immer noch da!“, erzürnte er sich. „Ist er es?“ „Nein“ war alles, was Genesis sagen konnte. „Ha!“, unterbrach ihn Amar da schon. „‚Ein fester Partner‘, schon klar! Und was ist dann bitte mit ihm?“ „Amar, ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen.“ Genesis hatte Mühe, seine Stimme weiterhin ruhig zu halten. „Und in Anbetracht der Nachbarn, die schon gucken, würde ich dich jetzt auch bitten zu gehen.“ Amar sah sich nach den erwähnten Nachbarn nicht einmal um; sein lodernder Blick fixierte Genesis. Er bewegte sich nicht einen Zentimeter. Auf Genesis machte er den Eindruck, als ob er am liebsten auf irgendetwas einschlagen würde; die Finger waren krampfartig angespannt, kurz davor, Fäuste zu ballen; sein Körper sah aus, als ob er bereit wäre, loszustürmen. Genesis beunruhigte das nicht; er verfügte über eine militärische Ausbildung und war in der Lage, Männer innerhalb von Sekunden zu überwältigen. Einzig – er wollte nicht dazu gezwungen sein. „Amar, bitte“, sagte er eindringlich, „geh einfach.“ „Wer ist der Kerl?“, spie ihm Amar entgegen. Genesis wusste nicht, ob sich Amar auf Sephiroth oder Ramon bezog, aber es war ihm auch egal. Er wollte Amar loswerden, nicht mehr und nicht weniger. „Das geht dich nichts an“, sagte er deswegen bissig. „Und jetzt verschwinde.“ Es war nur eine winzige Bewegung; Amar war noch nicht zu mehr gekommen, als nur einen halben Schritt auf ihn zuzumachen, aber bei dieser Bewegung übernahm Genesis‘ Instinkt. Er schätzte Amars Kraft ab, ohne darüber nachzudenken, was er eigentlich tat, und nutzte das Moment, um Amar heftig von sich zu stoßen. Dieser strauchelte, wich mehrere stolpernde Schritte zurück, fand aber im letzten Moment sein Gleichgewicht wieder, um nicht auf das Pflaster des Gehwegs zu schlagen. Schwer atmend richtete er sich gerade auf und starrte Genesis fassungslos und verängstigt an. „Du wusstest von Anfang an, wozu ich fähig bin“, sagte Genesis kühl. „Ich hab dich jetzt mehrmals aufgefordert, zu gehen.“ Ohne ein weiteres Wort, aber auch ohne seinen verstörten Blick von Genesis abzuwenden, trat Amar den Rückzug an; Genesis sah ihm nach, bis er den Weg entlang und um die Ecke verschwunden war. Erst dann entspannte sich sein Körper wieder. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Er hasste es, Gewalt anwenden zu müssen. Er drehte sich um, öffnete die Tür und ging zu Sephiroth ins Haus. Der stand in der Küche und sortierte seine Einkäufe ein. Nachdem Sephiroth alles im Kühlschrank verstaut und diesen wieder geschlossen hatte, lehnte sich Genesis dagegen und sah Sephiroth weiter zu. „Hast du eigentlich keinen Jetlag?“, fragte er, um irgendetwas zu sagen. „Schon“, erwiderte Sephiroth schulterzuckend. „Du bist so hart im Nehmen.“ Es hatte beeindruckt klingen sollen, doch Genesis‘ Stimme blieb emotionslos. Sephiroth lächelte ihn schief an. „Hab ich den Jungen nicht gestern schon mal gesehen?“ Genesis nickte. „Er hat es nicht so gut aufgenommen, dass ich jetzt vergeben bin.“ „Alles ok?“, wiederholte Sephiroth besorgt. „Kerle, die denken, man schuldet ihnen was“, sagte Genesis weiterhin tonlos. „Davon hatte ich eigentlich schon genug; ich dachte nicht, dass er dazugehört.“ Sephiroth lächelte verständnisvoll. „Jetzt bist du ja verlobt.“ „Ja“, sagte Genesis, „richtig.“ Diese undankbare Bemerkung wollte er so nicht stehen lassen. „Ramon ist schon ganz sanft.“ „Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich den Namen von deinem – Professor oder was er ist – erfahre.“ „Seph, wie oft noch, er ist kein Professor.“ „Du springst aber auch jedes Mal wieder drauf an.“ Sephiroth grinste zufrieden. Genesis seufzte. „Er hat in dem Jahr, bevor wir uns kennengelernt haben, promoviert.“ „Soll heißen?“ „Dass er einen Doktortitel hat.“ „Und wo ist der Unterschied?“ Genesis schaute Sephiroth von der Seite mit einem Blick an, der zähere Männer hätte töten können. „Der Unterschied besteht in ungefähr 15 Jahren harter Arbeit, die früh morgens beginnt und bis Mitternacht geht.“ „Das heißt, ein Professor wäre dir zu alt.“ „Sicherlich gibt nicht jeder seine Habilschrift erst mit Mitte 40 ab, aber – ja.“ „Ramon ist so alt wie wir?“ „Ein Jahr älter als ich, ja.“ Sephiroth setzte einen nachdenklichen Blick auf, ehe er seine Geschichte fortsetzte. „Doktor, nicht Professor.“ „Wie auch immer“, sagte Sephiroth schulterzuckend. Er war fertig damit, Dinge in der Küche zu verstauen, und nahm sich jetzt der letzten Tüte an. „Was hast du gekriegt?“, fragte Genesis interessiert. „Ganz wunderbaren Fisch und tolle Meeresfrüchte“, sagte Sephiroth mit einem Leuchten in den Augen. „Hundert Prozent frisch, das merkst du, die Tüte steht offen und du riechst nichts. Das ist großartig.“ Er holte einen Fisch aus der Tüte hervor und begann ihn in der Spüle zu entschuppen. „Erzähl, was war das für ein Typ?“ Genesis musste kurz überlegen, was Sephiroth meinte. „Oh“, sagte er dann, „Amar.“ „Ja?“ Genesis setzte sich an den Tisch. „Ich hatte Langeweile und dachte, es kann nicht schaden, sich weiterzubilden, und da gerade das neue Semester begonnen hatte, hab ich mich gegen einen kleinen Obolus als Gasthörer ins universitäre Institut eintragen lassen, und da saß ich im selben Kurs wie Amar – bei Ramon übrigens.“ „Das Bild beginnt sich zusammenzufügen“, sagte Sephiroth belustigt. „Die beiden wussten nichts voneinander“, beschwichtigte ihn Genesis. „Jedenfalls nicht namentlich. Sie wussten beide, dass es da – noch andere gibt.“ „Die Klatschpresse daheim hat sich ziemlich darüber ausgelassen, ich weiß Bescheid.“ Sephiroth grinste wieder ganz verschmitzt. „Aber was ist das mit diesen beiden speziell?“ „Oh, mit Amar hab ich die Wochentage verbracht und mit Ramon das Wochenende“, erklärte Genesis ganz nüchtern. „Amar ist ein armer Student, also hab ich ihn ausgehalten, aber Ramon verdient gutes Geld, also hab ich mich einladen lassen.“ „Was, du dich einladen lassen? Wo gibt’s denn so was?“ Sephiroth lächelte wissend. „Dabei hast du selbst gutes Geld.“ „Weißt du, er hat dafür auch was bekommen“, sagte Genesis unbescheiden. „Was, dich?“ „Natürlich.“ Sie schauten sich in die Augen. „Willst du mir da widersprechen?“ Sephiroth schürzte die Lippen. „Und was hast du bekommen?“, fragte er stattdessen. „Einen eifersüchtigen Freund?“ Genesis seufzte. „Ja, Amar gehört eher zur ... temperamentvollen Sorte ...“ „Irgendwelche Qualitäten muss er ja haben“, sagte Sephiroth augenzwinkernd. „Na ja ...“ Genesis seufzte erneut. „Er ist jung und unerfahren. Gerade 23.“ „In dem Alter hatte ich schon ein paar Tricks drauf.“ „Die ich dir alle beigebracht habe, tu nicht so.“ Sephiroth gab nach. „Aber wenn du jemanden für die Wochentage hattest – und jemanden fürs Wochenende ...?“ „Oh, weißt du, manchmal wird das langweilig.“ „Klar.“ Sephiroth fuhr damit fort, ihr Mittagessen vorzubereiten. „Hast du Angeal davon erzählt?“ „Seph, wenn ich ihn angerufen hätte, hättest du das mitbekommen.“ „Ja ...“, machte Sephiroth. „Jetlag. Legt das Hirn lahm.“ „Nein, ich mach das schon noch.“ Angeal war nicht der einzige, der in Kenntnis gesetzt werden musste. Als nächstes würden sie es wohl Ramons Familie erzählen – und dann irgendwann seinen eigenen Eltern ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)