Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 9: Bonuskapitel: Thinking Of You I ------------------------------------------ ~ möglicherweise irgendwann im Winter 2001/2002 ~ Genesis streckte seine Hand im eisigen Wind weit nach oben aus; er musste sich ein wenig auf die Zehenspitzen stellen, um den Apfel zu erreichen, nach dem er gegriffen hatte. Mit einem Geräusch des Triumphs auf den Lippen schloss er die Finger um den mitten im Winter gereiften Dummapfel, der ganz oben am Baum in Banora gewachsen war. Er pflückte ihn vom Ast und, nun wieder mit beiden Füßen fest auf dem Boden, drehte sich auf der Stelle um. Die klirrende Kälte, die Banora im Griff hatte, mochte vom klaren blauen Himmel herrühren, von dem die Sonne dafür umso heller herunterstrahlte. Sicherlich war sie aber nicht schuld an dem leichten Schauer, der Genesis‘ Rücken herunterlief. „Mir ist nie aufgefallen“, sprach er Sephiroth an, der liebevoll lächelnd vor ihm stand, als würde er in aller Ruhe meditieren, „wie hell deine Haare wirklich sind.“ Der ohnehin silberne Ton in Sephiroths langem, glattem Haar wurde von der Wintersonne nur noch weiter erhellt. „Ein schwerer Schlag“, erwiderte Sephiroth schalkhaft. Geschmeidig fügte er hinzu: „Ganz im Gegensatz dazu bildest du einen netten Kontrast zum weißen Schnee.“ „Pah“, machte Genesis, der die Anspielung auf seine dunkle Kleidung verstand. „Du musst reden. Ich hab dich noch nie in etwas anderem als Schwarz gesehen.“ Sephiroth erwiderte darauf nichts, sondern sah ihn zunächst nur weiter lächelnd an. Genesis bewunderte insgeheim Sephiroths Erscheinung in diesem hellen Winterlicht, eher der auf ihn zukam und ihn liebevoll um die Körpermitte fasste, um ihn vorsichtig an sich zu ziehen. So verharrten sie eine Weile aneinandergeschmiegt unter dem Apfelbaum. Genesis legte die Arme um Sephiroths Hals und seinen Kopf an Sephiroths starker Schulter ab. Er spürte, wie Sephiroths langes Haar in der Brise um seine Hände spielte. Wie oft er schon seine Finger in diesen sternenfarbenen Strähnen vergraben hatte, besonders nachts. Er schloss die Augen. Sephiroth hielt ihn weiter sanft fest. Der Wind frischte auf und trug einen herrlichen Duft von Genesis‘ Elternhaus heran, vor dem sie standen. Sie hatten sich entschieden, dem geschäftigen, sie jagenden Midgar für ein paar Tage den Rücken zu kehren und müßige Zeit in Banoras verschneiter Ruhe zu verbringen. Mit einem Blick verständigten sie sich darauf, die Kälte draußen gegen die Wärme drinnen einzutauschen. Sie ließen voneinander ab und machten sich langsam auf den Weg. „Du solltest dir nicht den Appetit verderben“, sagte Sephiroth und nickte in Richtung des Apfels, den Genesis noch immer in der Hand hielt. „Es gibt gleich Essen.“ Genesis schnaubte belustigt. „Ich und mir den Appetit verderben, du kennst mich wohl gar nicht.“ Sephiroth warf ihm einen Seitenblick zu und sparte sich eine Antwort. ~ Juli/August 2010 ~ Genesis hob die Hand, um an die Tür zu klopfen. Dahinter hörte er einiges an Herumgeräume, ehe ihm Sekunden später geöffnet wurde. Ramon erschien etwas außer Atem im Türspalt, die dunklen Locken fielen ihm unordentlich ins gebräunte Gesicht; er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. „Hast du mich vergessen?“, fragte Genesis belustigt. „Nein“, erwiderte Ramon bestimmt, „du hast nur ein unglaubliches Timing. Ich bin vor ungefähr einer Minute heimgekommen.“ „Ach, deswegen war der Fahrstuhl nicht unten“, meinte Genesis geistesgegenwärtig. Nach seinen weit geöffneten Augen zu urteilen, fiel Ramon daraufhin nichts ein. Eine ganze Weile wartete Genesis gespannt darauf, dass Ramon ihm irgendetwas sagte. „Hör mal“, sagte er tatsächlich irgendwann, „ich will dich nicht wegschicken, ich weiß, es ist Freitagabend und so weiter, aber hier drin sieht es wirklich aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen –“ „Das macht mir nichts“, unterbrach ihn Genesis, „ich mag Unordnung.“ Ramon warf ihm einen prüfenden Blick zu und schien eine Entscheidung zu treffen. „Auf deine Verantwortung“, warnte er Genesis vor und öffnete ihm die Tür zur Gänze. Genesis betrat Ramons Wohnung; sie lag nicht weit oben und ließ daher nicht viel Sonnenlicht herein, was Genesis bei dieser Sommerhitze allerdings als eindeutiges Plus verbuchte. Er ließ seinen Blick über Ramons etwas abgedunkeltes Wohnzimmer schweifen, das in der Tat auf eine chaotische Woche schließen ließ. Das Sofa zu seiner Linken war übersät mit Kleidung, auf dem Esstisch davor stapelten sich benutzte Teller und Tassen, weil die Spüle in der Ecke zu überfüllt war, um noch irgendetwas hineinzustellen. Knabbertüten, in denen statt Resten wohl Servietten oder Taschentücher steckten, lagen auf allen möglichen und unmöglichen Flächen; die Bücher waren das einzige, das Ramon ordentlich zu stapeln versucht zu haben schien, doch auch sie lagen dennoch überall herum – zumindest nicht geöffnet, mit Eselsohren oder durchgeknickten Rücken, dachte sich Genesis. Als er kurz durch die nur angelehnte Tür zur Rechten linste, die in Ramons kammerartiges Arbeitszimmer führte, erahnte er auch dort ein ähnliches Durcheinander. Genesis schloss die Wohnungstür hinter sich. „Wow“, fasste er seinen ersten Eindruck zusammen. „So sieht das hier also aus, bevor ich komme, ja?“ Ramon sah ihn höchst verlegen an. „Nicht immer“, sagte er entschuldigend. Genesis verstand, was er meinte. „Aber vermutlich immer freitags am Ende der Woche?“ Ramon sah nun noch schuldbewusster drein. „Ich nehm mir einfach nicht die Zeit, irgendwas wegzuräumen.“ „Du brauchst dich gar nicht so schlecht zu fühlen. Weißt du was, ich setz mich einfach“ – Bei seinem Blick aufs Sofa räumte Ramon es sofort eilfertig von seinen Hemden frei – „und schau dir beim Arbeiten zu.“ Sobald sie sich darauf geeinigt hatten, legte Genesis seinen Rucksack neben besagtem Sofa ab, nahm ein Buch heraus und machte es sich selbst gemütlich. Schadenfroh grinsend beobachtete er Ramon, der zunächst allen Müll zu beseitigen begann. „Ach“, sagte er dabei und wuselte zum Esstisch zurück, aus dessen Unordnung er eine neuer aussehende Tüte hervorzog. „Äpfel hab ich aber noch mitgebracht.“ Er zog einen prächtigen roten Apfel aus der Tüte und säuberte ihn ein wenig in der Spüle, um ihn anschließend Genesis zuzuwerfen. „Warum kommst du überhaupt so spät?“, fragte er mit einem nachdenklichen Blick auf den Apfel. „Ein unglückliche Kombination ungünstiger Umstände“, erwiderte Ramon, der sich nun an den Abwasch machte und aufzählte: „Erst hab ich im Büro doch länger gebraucht als gedacht, dann musste ich ewig beim Arzt warten und auf dem Heimweg bin ich in einen ziemlichen Stau geraten.“ Genesis konnte sich immer noch nicht so recht überwinden, in den Apfel zu beißen. „Du warst beim Arzt?“ Ramon warf ihm einen verständnislosen Blick über die Schulter zu. „Wieso das?“ „Hab ich das nie erzählt?“, fragte Ramon ratlos. „Ich hab’s chronisch an den Nebenhöhlen. Manchmal sind die Schmerzen bestialisch – jedenfalls muss ich mir regelmäßig Medikamente verschreiben lassen. Ich vertrag auch kein Kortison und würde eine Operation gerne vermeiden und ... das ist jetzt nicht sonderlich interessant. Aber bei der Hitze ist es besonders unangenehm.“ Er wandte sich wieder den schmutzigen Tellern zu. Nach diesen Informationen warf Genesis einen genaueren Blick auf den Apfel in seiner Hand. Der Rotton war hübsch und gesprenkelt mit kleinen grünen Stellen, er fasste sich auch fest an, sicher. Er seufzte. Hungrig war er nun einmal und er ahnte, dass es so bald nichts anderes zu essen geben würde. Schweren Herzens biss er in den roten Apfel. Er war nicht so süß und saftig wie die Dummäpfel aus Banora. Wenn es etwas gab, das er in Europa wirklich schmerzlich vermisste, dann waren es seine guten treuen Äpfel. Während Genesis den Apfel mehr oder weniger genüsslich verspeiste, spülte Ramon trotz Hitze im Akkord Teller, Tassen und Besteck und alles andere, was anfiel, räumte den Esstisch frei, entsorgte Tüten und Servietten, räumte die bunt verstreuten Hemden und Hosen ins Bad, wo er alles in die Waschmaschine stopfte, wischte die Flächen, fegte den Boden und fuhr mit seiner Arbeit im Schlaf- und dann im Arbeitszimmer fort. Währenddessen tauschten sie sporadische Bemerkungen über die nun hinter ihnen liegende Woche aus. Irgendwann verließ Genesis die Freude daran, Ramon beim Arbeiten zu beobachten, also schlug er sein Buch auf und ließ Ramon machen. Es war sicherlich über eine Stunde seit seiner Ankunft vergangen, als Ramon sich völlig geschafft zu ihm setzte. Genesis blickte von seinem Buch auf. Ramon war etwas außer Atem und sein weißes Hemd sichtlich verschwitzt. Er überlegte, dass Ramon durch die chronische Entzündung vielleicht schlechter Luft bekam. „Ganz ruhig“, sagte er daher, wenn auch vielleicht etwas verschmitzt. „Essen?“, war das einzige, das Ramon herausbrachte. Genesis sah ihn mehrere Momente schweigend an; er überlegte, was er sagen sollte, als es schon klingelte. Ramon schaute überrascht drein. „Ich bin dir meilenweit voraus“, sagte Genesis lässig und ohne eine Miene zu verziehen. Ramon verstand und ging zur Tür, um das Essen vom Lieferservice entgegenzunehmen, das Genesis bestellt hatte, als Ramon im Schlafzimmer beschäftigt war. Während Ramon sich kurz abduschte, wechselte Genesis schon langsam vom Sofa zum Esstisch, wo er darauf wartete, das Essen vorgesetzt zu bekommen. In ein frisches weißes Hemd und eine hellblaue Jeans gekleidet und aus dem Bad zurückgekehrt, schaute Ramon neugierig durch die Tüten, bevor er Geschirr zur Hand nahm und gekonnt das Abendessen servierte. „Und?“, fragte Genesis, als sie den letzten Krümel verputzt hatten. „Jetzt?“ „Ehrlich gesagt“, setzte Ramon mit einem erneuten schuldbewussten Blick an. Genesis seufzte. „Ich hätte da noch das eine oder andere zu erledigen.“ „Vielleicht ist es besser, wenn ich morgen wiederkomme“, sagte Genesis und machte schon halb Anstalten, sich von seinem Stuhl zu erheben. „Nein“, bat Ramon ihn inständig und legte eine Hand auf Genesis‘. „Oder du könntest es Sonntagabend erledigen“, schlug der daraufhin vor. Ramon schien sich das durch den Kopf gehen zu lassen. „Nein, jetzt ist es besser, dann ist es weg. Am Ende bin ich doch schneller durch als gedacht und dann ärger ich mich am Sonntag, dass du schon gegangen bist und ich –“ Er schaute Genesis mit großen traurigen Augen an. „– einsame Stunden verbringen muss.“ Genesis blieb unbeeindruckt. Ramon legte nach: „Komm, morgen und Sonntag hast du meine volle ungeteilte Aufmerksamkeit ganz allein für dich, versprochen.“ Genesis seufzte und verdrehte die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)