Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 10: Übergang -------------------- „Genug Revier markiert?“, fragte ihn Genesis, als sie sich voneinander gelöst hatten und sich Arm in Arm wieder unter die Decke legten. Sephiroth schaute ihn stumm überrascht an, Genesis hingegen grinste wieder einmal überlegen. „Willst du’s abstreiten?“ Doch Sephiroth hatte es weiterhin die Sprache verschlagen. Genesis richtete sich im Bett auf und streckte sich. „Komm, lass uns duschen.“ Nachdem sie alle Überbleibsel ihres Schäferstündchens abgewaschen und sich wieder angezogen hatten, war Sephiroth der erste, der die Treppe nach unten und ins Wohnzimmer ging. Seufzend sah er erneut aus dem Fenster. Am Wetter hatte sich nicht das Geringste geändert. Auf dem Tisch standen noch immer die Reste seines kargen Imbisses und auf dem Sofa lag noch das Buch, das Genesis gelesen hatte, ehe sie sich nach oben begeben hatten. Sephiroth ließ sich neugierig auf das Sofa fallen und schlug das Buch an einer beliebigen Stelle auf, nur um nach ein paar Wörtern doch weiterzublättern, bis er an einer vielversprechenden Wortgruppe hängen blieb. Er konnte nur zu dem Schluss kommen, dass dieses Buch keineswegs für ein jüngeres Publikum geeignet war. Nach ein paar weiteren Seiten hörte er Schritte auf der Treppe. Genesis war wohl fertig damit, sich wieder herzurichten, und erschien strahlend schön wie eh und je im Wohnzimmer. Sephiroth besah sich seinen Mann liebevoll lächelnd. „Es hat immer noch nicht aufgehört zu regnen“, sagte er dann. „Ja“, sagte Genesis seufzend mit einem Blick nach draußen, „ich weiß auch nicht, was das soll. Normal ist das für Banora um diese Jahreszeit nicht.“ Er setzte sich zu Sephiroth aufs Sofa und schnappte ihm das Buch aus der Hand, begann aber nicht zu lesen; stattdessen schaute er gedankenverloren aus dem Fenster und in den Regen. Sephiroth legte einen Arm auf die Sofalehne hinter Genesis. „Ich muss sagen“, begann er; Genesis warf ihm einen widerwilligen Blick aus den Augenwinkeln zu, „du hast mich neugierig auf den zweiten Teil der Geschichte gemacht.“ „Es war ein ganz interessantes Format, abwechslungsreich“, räumte Genesis tonlos ein, den starren Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet. Sephiroth ließ nicht locker. „Du hast davon angefangen, dass auch ich irgendwann einen neuen Partner gehabt hätte, wenn, und so weiter.“ „Ja, schon“, erwiderte Genesis lustlos. Sephiroth sah ihn gebannt an; er erwartete mit Spannung die andere Seite der Erzählung. Genesis seufzte. „Mein Gott, Seph.“ Oben auf dem Balkon im dreizehnten Stock des Shin-Ra-Hauptquartiers war der kalte Dezemberwind deutlich zu spüren. Die Sterne funkelten an einem wolkenlosen Himmel mit der Mondsichel um die Wette, was auch nur bedeutete, dass die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt fallen würden. Die Kälte biss an Genesis‘ Fingern, als er, über die Brüstung gebeugt, verzweifelt versuchte, der Nachrichtenflut auf seinem Handy gerechtzuwerden. Warum mussten sie es wieder und wieder durchkauen? Was hatte Ramon erwartet? Er war gerade drauf und dran, eine wirklich fiese Antwort zu geben, als sich von hinten zwei starke Arme um seine Brust schlossen und sich ein warmer Körper an seinen Rücken schmiegte. Genesis wunderte sich, dass er nicht mehr erschrak; die Berührung kam ihm ungemein vertraut vor. Einen Moment dachte er an Ramon, doch das konnte nicht sein. Er wandte den Kopf zur Seite. Es war Sephiroth, der ihn mit seinem wohlbekannten ruhigen und liebevollen Lächeln musterte, während er ihn in einer sanften Umarmung hielt. Genesis legte eine Hand auf Sephiroths. „Merkwürdig, wie richtig sich das immer noch anfühlt“, bemerkte er leise, um den Moment nicht vollends zu zerstören. Über Sephiroths Gesicht huschte ein seliger Ausdruck; er drückte kurz sein Stirn an Genesis‘, ehe er ihn losließ und sich mit der Brüstung im Rücken neben ihn stellte. Genesis hob sein Handy. „Das hätte aber auch schiefgehen können. – Wobei, wäre vielleicht besser gewesen“, fügte er seufzend hinzu. „Was ist das Problem?“, fragte Sephiroth unbekümmert. „Mein Mann macht Ärger“, sagte Genesis genervt. „Natürlich war geplant, dass wir beide anreisen, aber dann ist ihm in sozusagen letzter Sekunde was dazwischengekommen und anscheinend“, Genesis hob wieder das Handy, „ist er irgendwie davon ausgegangen, dass ich dann nicht ohne ihn herkomme oder was weiß ich. Besser, ich steck das weg.“ „Was machst du überhaupt hier?“, fragte ihn Sephiroth nun halb erstaunt, halb erfreut. „Was soll das heißen, was ich hier mache, ich bin eingeladen“, sagte Genesis mit einem Schulterzucken. Die Quartalsabschlussfeier im Dezember, die für gewöhnlich auf den Tag nach der Wintersonnenwende gelegt wurde, war eine prestigeträchtige Veranstaltung, an der nicht jeder teilnehmen konnte. „Klar, das bist du jedes Jahr“, wandte Sephiroth ein. „Aber für dich ist es ja nicht gerade ein Katzensprung, oder nicht?“ „Ich besuch hiernach noch meine Eltern“, erklärte Genesis. Sephiroth wirkte noch nicht ganz zufrieden, fragte aber nicht weiter, sondern erkundigte sich nach dem Befinden der Familie Rhapsodos. „Weißt du eigentlich“, erzählte Sephiroth dann fast schwelgerisch, als Genesis seine Auskunft gegeben hatte „dass deine Mutter damals zu mir gekommen ist, nachdem sie von eurer Verlobung erfahren hat? Wollte mich überzeugen, dich zu heiraten, um dich zurück nach Gaia zu holen.“ „Nein“, musste Genesis zugeben, „wusste ich nicht.“ Er wog ab, ob er deswegen nicht eigentlich wütend sein sollte, aber es war zu lange her, als dass es ihn groß scherte. „Was soll’s, das war jetzt auch schon vor über fünf Jahren. Bei mir hat sie ja eine ähnliche Schiene probiert – meine Eltern müssen dich wirklich mögen.“ „Den Eindruck hatte ich jedenfalls auch immer“, sagte Sephiroth nickend. „Und läuft es sonst in Lissabon?“ „Vielleicht solltest du mich das nicht fragen, wenn ich grad sauer auf meinen Mann bin“, gab Genesis zu bedenken. „Vielleicht“, sagte Sephiroth mit einem leisen Lachen, „komm, wir holen dir was zu essen, dann geht das ganz schnell vorbei.“ Als sie aus der Dunkelheit einer der längsten Nächte des Jahres zurück in den hell erleuchteten Saal traten, der genug Raum für einen mittelalterlichen Ball geboten hätte, war Genesis für eine Weile geblendet; von der hohen Decke hingen tatsächlich Kronleuchter herab, die allerdings nicht das einzige Licht auf die cremefarbenen und goldenen Wände warfen. Männer in eleganten Anzügen und Frauen in farbenfrohen Cocktailkleidern – doch eigentlich größtenteils Männer – waren über den gesamten Raum verteilt, zwischen ihnen Kellner mit Tabletts in der Hand, die Getränke und Häppchen servierten. Sephiroth und Genesis wandten sich vom Eingang ab, der geradezu lag, und schlängelten sich nach links durch die Menge zum Buffet durch. „Musst du nicht rumlaufen und wichtige Leute begrüßen?“, fragte Genesis, als er und Sephiroth sich mit jeweils reichlich beladenen Tellern in eine Ecke setzten, in der sie wenig Beachtung fanden. „Das kann auch Rufus übernehmen“, meinte Sephiroth leichthin. Genesis blieb skeptisch. „Er wird schon Verständnis aufbringen – er war derjenige, der mich überhaupt darauf aufmerksam gemacht hat, dass du hier bist. Selbst schuld also.“ Sie begannen ihre kleinen Speisen zu gabeln und nur noch gelegentliche Bemerkungen auszutauschen, als Sephiroth etwas einfiel. „Du weißt, dass Angeal nicht hier ist, oder?“ Genesis nickte. „Wir sehen uns dann in Banora. Neujahr und so.“ „Jetzt, wo ich weiß, dass du da bist, schick ich dir ‘ne Karte.“ Sephiroth machte ein nachdenkliches Gesicht. „Angeal ist in Junon. Wahrscheinlich bist du besser auf dem Laufenden als ich – was macht er so?“ Und so begannen sie sich über alles und jeden auszutauschen, eben über alles, was in den letzten Jahren angefallen war, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Es vergingen Stunden, in denen sie trotz des gut gefüllten Saals nur zu zweit zu existieren schienen, während es wirkte, als hätten sie sich erst am Tag zuvor das letzte Mal verabschiedet. Sephiroth hatte sich nicht im Geringsten verändert. Er war immer noch derselbe ordentliche, Regeln einhaltende, fleißige, Tee trinkende Frühaufsteher, der er so lange an Genesis‘ Seite gewesen war. Auch wenn sie das eine oder andere Mal von wichtigen Menschen und ihren Frauen oder solchen, die es gerne werden wollten, unterbrochen wurden, schaffte Sephiroth es immer wieder, sie nach kurzer Zeit abzuschütteln und sich wieder voll und ganz Genesis zu widmen. Der Streit mit Ramon war längst vergessen und Genesis‘ Laune hatte sich deutlich gehoben; er konnte ohne Schwierigkeiten sagen, dass sie besser war als die letzten Wochen zusammengenommen. Tatsächlich erreichte seine Laune ihren Höhepunkt, als sie auf Cloud trafen. „Strife“, sagte Genesis diabolisch vergnügt. Verunsichert, versteifte sich Cloud, der nicht wusste, was er erwarten sollte. „Dich gibt es hier immer noch? Ich bin überrascht, dass man dich dabehält.“ Sephiroth neben ihm schüttelte lächelnd den Kopf. Ihre Feindschaft hatte er nie verstehen können. Cloud sah ihn einen Moment von unten an. „Klar, du bist ja gegangen.“ „Cloud“, seufzte Genesis, „du brauchst dir gar nicht einzubilden, dass du mich jemals ersetzen könntest.“ Cloud mochte in den Ersten Rang aufgestiegen sein, aber sein Dienstgrad war noch immer ein deutlich niedrigerer. Cloud versuchte zu einem Gegenschlag auszuholen. „Allein hier?“ Genesis ließ sich nicht anmerken, dass Cloud einen empfindlichen Treffer gelandet hatte. „Mein Mann konnte es nicht einrichten. Wir wohnen nicht um die Ecke, falls du dich erinnern kannst. Du weißt schon, Portugal ist ein Land im fernen Europa. Einmal von der Ostküste aus über den großen Teich.“ Cloud funkelte ihn an. Er mochte Späße auf Kosten seiner geringeren Intelligenz und Bildung gar nicht. „Tja, meine Frau hütet daheim die Kinder – du weißt schon, diese kleinen Menschen, für die man Weiblein und Männlein braucht.“ „Hey, hey, hey“, griff Sephiroth nun ein, der Genesis‘ wunden Punkt kannte und Schlimmeres verhindern wollte, „Jungs, Friede, ok?“ Er wandte sich nach einem vorbeikommenden Kellner um, nahm zwei Gläser von dessen Tablett herunter und reichte Cloud einen Weiß- und Genesis einen Rotwein. „Wir sind nicht hier, um uns an die Gurgel zu gehen, klar? Vertragt euch.“ Cloud und Genesis sahen demonstrativ in unterschiedliche Richtungen, als sie an ihren jeweiligen Gläsern nippten. Genesis warf einen Blick über den Glasrand und erblickte zwei altbekannte blonde Gestalten auf sie zukommen. Er ließ den Wein ein Stück sinken. „Lazard! Rufus! Welch Vergnügen, euch hier zu sehen.“ Lazard nickte erfreut. „Ganz meinerseits. Das letzte Lebenszeichen, das ich von dir bekommen habe, waren deine Kündigung und deine Adressänderung.“ „Eine wahrlich nette Begrüßung“, sagte Rufus. „Ich kann durchaus mit erfreulicheren letzten Erinnerungen aufwarten.“ Genesis musste lächeln. So kannte er die beiden Brüder: Lazard sehr direkt und Rufus rhetorisch immer eins drüber. Es war unglaublich, wie wenig sich verändert hatte. Einen kurzen Moment überlegte er, ob er überhaupt weggewesen war und ob er die Episode mit Ramon vielleicht nur geträumt hatte, ehe sich das Gespräch doch geschäftlicheren Themen zuwandte, was Genesis eindrucksvoll vor Augen führte, dass er sehr wohl seit mehreren Jahren nicht mehr im Büro aufgetaucht war. Während Rufus und Lazard mit Cloud und Sephiroth Geschäftliches besprachen, musterte Genesis letzteren und ließ die letzten Stunden Revue passieren, während Sephiroth wiederholt seinen Blick auffing und erwiderte. Genesis dachte an die fortgeschrittene Uhrzeit. Vielleicht konnten sie ... Ramon musste es nie erfahren ... Doch da wandte sich Sephiroth in eine ganz andere Richtung um, gen Eingang, durch den soeben ein junger, sehr schlanker blondierter Mann mit mehr Charisma, als ihm guttat, getreten war; an seinem wohlgeformten Körper trug er dies gerade noch betonende Kleidung in einem derart dunklen Schwarzton, wie Genesis ihn nicht für möglich gehalten hätte. Sephiroths Gesicht wurde von einem breiten verliebten Lächeln erhellt, das Genesis gar nicht gefallen mochte. Ohne ein weiteres Wort verließ Sephiroth die Gruppe und ging auf diesen jungen Mann zu, der kokett einen Arm nach ihm ausstreckte. Genesis starrte Sephiroth hinterher, der, angekommen, das Gesicht des Jungen in beide Hände nahm und ihn mitten in diesem überlaufenen Raum leidenschaftlich zu küssen begann. Genesis wandte schnell den Blick ab; es gehörte sich nicht, einen so intimen Moment zu beobachten. Sephiroths plötzliches Verschwinden war auch bei seinen drei Mitstehenden nicht unbemerkt geblieben. Betreten warfen sie sich verschiedentlich Blicke zu. „Wer ist das?“, durchbrach Genesis gnadenlos die Stille, während er aus dem Augenwinkel beobachtete, wie der junge Mann Sephiroth an der Hand aus dem Raum zog. Lazard zuckte nur die Schultern, aber Rufus sagte: „Wir kennen den Jungen nicht wirklich, um ehrlich zu sein.“ Genesis wandte sich an Cloud. „Strife?“ Auch Cloud zog die Schultern nach oben. „Rufus hat schon recht, ich hab ihn auch vorher noch nicht gesehen, außer so aus der Ferne wie jetzt. Sie sind sehr privat“, sagte er sehr deutlich und mit Nachdruck; offensichtlich war er damit gar nicht einverstanden. „Ich dachte, ihr wärt beste Freunde“, wandte Genesis ein. Er konnte und wollte Cloud nicht glauben, dass er nichts über diesen Mann wusste. „Na ja“, setzte Cloud dann doch noch einmal an, „er heißt Natt, das ist fast schon alles, was ich weiß. Und dass er sehr jung ist. Und“, er senkte ein wenig die Stimme, „er soll einen recht zwielichtigen Beruf haben.“ „Zwielichtig?“, wiederholte Genesis ungläubig. Das musste von einem der vielen „Insider“ in der Klatschpresse herrühren. „Du weißt schon, so was, worüber man in Banora oder Nibelheim nicht reden würde.“ „Unmöglich“, sagte Genesis. „Das passt nicht zu Seph. Die ganze Geschichte ist doch merkwürdig.“ „Sie sind noch nicht lange zusammen“, sagte Cloud. Langsam ging es Genesis auf die Nerven, dass er ihm die Informationen nur tröpfchenweise gab. „Wann hat das angefangen? Vor nicht mal zwei Monaten? Aber es ist durch die Medien natürlich sofort bekannt geworden. Ich versteh ja, wenn er ihn erst mal für sich haben möchte, weil es noch so frisch ist, aber ... wie passt es dann zusammen, dass sie hier so öffentlich rummachen?“ Cloud sprach damit etwas aus, das auch Genesis aufgefallen war. Es sah Sephiroth nicht ähnlich, vor Kunden und Geschäftspartnern über seinen Partner herzufallen. Und da war noch die viel drängendere Frage ... „Warum hat er mir nicht von ihm erzählt?“ „Wie ich dich kenne“, sagte Cloud, „hast du denn gefragt?“ Cloud hatte schon wieder einen Treffer versenkt. Nein, das hatte er nicht. Er war von Sephiroths Interesse an seiner Person ausgegangen und davon, dass er schon etwas sagen würde, wenn es etwas Wichtiges gäbe. Wie immer hatte sich das Gespräch um ihn selbst gedreht. Um ihn und seine Eheprobleme. Und Sephiroth hatte ihn dabei die ganze Zeit selig gemustert, weil er selbst glücklich im Anfang einer neuen Beziehung steckte und gar nicht wusste wohin mit seiner ganzen Liebe. Die nicht mehr ihm galt. „Sie haben gestern jedenfalls die Wintersonnenwende zusammen verbracht“, fügte Cloud schließlich noch bedeutungsschwer hinzu, als wären damit alle Fragen geklärt. Genesis leerte zügig sein Weinglas. Er hatte nicht mehr vor, viel länger zu bleiben. Bei der nächsten Gelegenheit verabschiedete er sich von seiner kleinen Gruppe und stahl sich ansonsten unbemerkt davon. „Hey, ich bin froh, dass du noch hier bist.“ Genesis hob den Blick von seiner Kaffeetasse. Sephiroth stand im Türrahmen des Pausenraums und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Er wartete noch einen Moment, als Genesis aber keine Reaktion zeigte, betrat er einfach den Raum und ließ sich Genesis gegenüber auf einem der Sofas nieder. „Ich schätze, ich hab dich gestern so ziemlich stehen lassen, oder?“ „Kann man so sagen, ja“, erwiderte Genesis pikiert und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Hör mal, das tut mir leid“, sagte Sephiroth, und er klang auch so. „Es ist nur ... Es ist eben noch ziemlich frisch, weißt du? Ich hab ... ein bisschen den Kopf verloren.“ „Danke, ich konnte mir auch so ausmalen, wie die Nacht bei euch weitergelaufen ist.“ Sephiroth lachte ertappt. „Schuldig im Sinne der Anklage, schätze ich.“ Es entstand eine eher unangenehme Stille zwischen ihnen, in der Genesis angestrengt überlegte, was er sagen sollte. Schließlich platzte er mit der wichtigsten Frage heraus: „Wie alt ist der Junge?“ „Entschuldige mal, was heißt hier ,Junge‘?“, fragte Sephiroth ausweichend und hob ahnungslos beide Hände. Genesis warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Na gut ... er ist einundzwanzig. Zufrieden?“ „Seph“, sagte Genesis ungläubig, „er ist fast fünfzehn Jahre jünger als du.“ Sephiroth verdrehte seufzend die Augen. „Was du nicht sagst“, erwiderte er ungewöhnlich gereizt. Genesis kannte Sephiroth so kaum. „Ich hätte nicht gedacht, dass du mich wirklich durch einen Jüngeren ersetzt“, piesackte er ihn trotzdem weiter. „Ich hab dich nicht ersetzt“, sagte Sephiroth sehr direkt. „Schon gut, schon gut, es sollte lustig sein“, ruderte Genesis zurück. Bevor sich ein Schweigen wieder wie eine Kluft zwischen sie legen konnte, fragte er: „Und was macht er so?“ Sephiroth grinste darauf etwas verlegen. „Er ist Tänzer.“ „Was für eine Art Tänzer?“, fragte Genesis skeptisch. Sephiroth antwortete nicht sofort. „Die gute Art“, sagte er schließlich, ohne Genesis in die Augen zu schauen. „Seph, wo hast du so jemanden aufgegabelt?“ Genesis konnte sich denken, wie viel Kleidung bei diesem Tanzjob im Spiel war. „Oh, bei so einer repräsentativen Veranstaltung.“ Sephiroth hatte ein Glitzern in den Augen. „Ich wollte wie immer eigentlich gar nicht hin, du weißt schon, Kameras, roter Teppich, wichtige Leute und so weiter. Und er.“ Sephiroth zuckte mit den Schultern. „Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste nicht, dass das wirklich existiert.“ „Warte ...“ Genesis fiel gerade etwas ein. „Ich nehme mal an, er arbeitet nachts ...“ Sephiroth nickte. „Ja, er ist gerade ins Bett gegangen, als ich aufgestanden bin.“ „Äußerst praktisch.“ „Es bleibt trotzdem genug Zeit.“ Sephiroth musterte ihn genau. „Und was machst du wirklich hier?“ Genesis seufzte. Er hätte wissen müssen, dass Sephiroth ihn durchschaute und nicht lockerlassen würde. „Holländer“, sagte er nur. „Ah, klar, hätte ich mir eigentlich denken sollen.“ „Vor fünf Jahren hatte er zufällig in Europa zu tun und konnte es einrichten, mich zu sehen“, erklärte Genesis. „Er meinte, am liebsten würde er mich jedes Jahr hierhaben, aber er sieht ein, dass das etwas schwierig ist, aber spätestens alle fünf Jahre will er mein Makolevel überprüfen und alles. Ich war vorhin da, fahre gleich zu meinen Eltern und wenn was ist, meldet er sich, wenn nicht, kann ich ganz unbehelligt zurück nach Portugal fliegen.“ „Also verbindest du das Schöne mit dem Nützlichen.“ „So ungefähr.“ Sephiroth hatte plötzlich einen kindlich-unschuldigen Ausdruck im Gesicht. „Wie lange hast du noch, bevor du fährst?“ Geschafft und tief seufzend schloss Genesis spätabends seine Wohnungstür auf. So schön sein Aufenthalt in der Heimat gewesen sein mochte, es war anstrengend gewesen. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank er erschöpft dagegen und sah sich im Raum nach seinem Mann um. Ramon lag der Länge nach ausgestreckt auf dem Sofa und las in einem alten Buch, während er demonstrativ keine Notiz von ihm nahm. Offensichtlich war er immer noch sauer. Genesis ließ seine Sachen stehen und setzte sich zu Ramon aufs Sofa, bekam jedoch immer noch keine Reaktion. Er war allerdings nicht gewillt, hinzunehmen, dass er ignoriert wurde. Er drückte Ramon das Buch aus der Hand und legte sich ihm auf die Brust, das Gesicht nur Zentimeter von Ramons entfernt. „Lass mich nie wieder allein um die halbe Welt fliegen“, sagte er leidend, „vor allem nicht für nur zehn Tage Aufenthalt.“ Ramon schenkte ihm ein aufrichtig liebevolles Lächeln und fuhr ihm sanft mit den Fingern durchs Haar. „Happy Birthday“, sagte er leise und schaute Genesis lange in die Augen. Es war ein friedlicher Moment der Zweisamkeit, wie sie ihn selten teilten. „Dein Geschenk steht auf dem Tisch, wenn du willst.“ „Du bringst mich mit einem Stripper zusammen?“, fragte Sephiroth stirnrunzelnd. „Einem Tänzer“, berichtigte ihn Genesis. „Und noch dazu 15 Jahre jünger?“ „Mein Gott, warum nicht?“, fragte Genesis frei heraus. „Ich will keinen andern Mann“, wiederholte Sephiroth schmollend, „vor allem nicht so einen.“ „Hey, du wolltest das hören“, erinnerte ihn Genesis leichthin. „Ja ... schätze schon ...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)