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Was, wenn?
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hintergrundmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=v9VoZj_reiA
Perfect cover by Lexi Walker (2018) Komplett anzeigen

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... Liebe

Sephiroth besuchte Natt noch einige wenige Male auf seiner Arbeit und versuchte zu ignorieren, dass dieser manchmal für eine Weile spurlos zu verschwinden schien, ehe er und irgendein – meist älterer – Mann wie zufällig aus derselben Richtung wieder auftauchten. Für Natt war es nur ein Job und für Sephiroth war es so weit akzeptabel; solange dieser Beruf existierte, musste es nun einmal auch Menschen geben, die ihn ausübten. Es waren nur Körper und vor allem waren es nur einige Minuten. Was er und Natt hatten, war viel mehr, es ging viel tiefer, und es war langanhaltend.

Sie trafen sich meist nachmittags, nachdem Natt aufgestanden war und bevor Sephiroth seine Abendschicht, wie er es gern nannte, begann. Wenn er im Büro fertig war, verbrachten sie Zeit in seiner Wohnung, er kochte für Natt und Natt brachte ihm aktuelle Musik, Filme und Serien mit, auch wenn sie nie dazu kamen, ein ganzes Album anzuhören oder einen ganzen Film zu Ende zu schauen. Natt brach zur Arbeit auf, wenn Sephiroth gerade ins Bett ging und kehrte zurück, wenn Sephiroth aufgestanden und mit seinem ersten Training des Tages fertig war; an trainingsfreien Tagen ließ er sich sanft von Natt und einer Tasse starken Schwarztees wecken. Und wenn er gefrühstückt und im Büro angefangen hatte, wusste er, dass Natt jetzt im Bett lag und friedlich schlummerte – ehe er ihn wieder am Nachmittag auf eine wohlverdiente Pause entführte.

Natt behielt seinen Nachtrhythmus die ganze Woche über bei, auch wenn er nicht fünf Tage die Woche arbeitete wie andere Menschen. Er sagte, es sei sein angeborener Biorhythmus und dass er einen Nachtjob gefunden hatte, sei sein Glück. Wenn er nicht zur Arbeit ging, stieß er zu Sephiroths morgendlichem Training dazu, um sich auch fitzuhalten. Für Sephiroth war der Grund ein Rätsel, aber immer, wenn Natt dabei war, brauchte er für eine geringere Anzahl an Übungen deutlich mehr Zeit als sonst ...

So vergingen Tage, Wochen und Monate. Natt hatte sich bereits in einem Maße bei ihm eingerichtet, dass er fast nicht mehr in seine eigene Wohnung zurückkehren musste und beinahe seine gesamte Zeit bei Sephiroth im Hauptquartier verbrachte. Trotzdem mied es Sephiroth, Natt in die Teeküche, das Café im Foyer oder in die Cafeteria mitzunehmen. Er konnte es sich nicht genau erklären, aber irgendwie war ihm nicht danach, seinen neuen Partner mit seinen Freunden zu teilen. Vielleicht lag es daran, dass sie noch nicht lange zusammen waren; vielleicht daran, dass sie am Tag nicht viel Zeit füreinander hatten; vielleicht lag es auch daran, dass er Natt bereits – wenn auch nur flüchtig – mit so vielen Männern teilte, dass er ihn, wenn er schon bei ihm war, auch wirklich für sich haben wollte.

Es war leicht für Natt, all seine freie Zeit nur für Sephiroth einzuplanen: Kontakt zu seinen Eltern oder anderen Teilen der Familie gab es nicht mehr. „Ich hatte in der Schule heimlich einen Freund“, erklärte er eines Abends beim Essen, „also, ich sage ‚heimlich‘, ich konnte ihn meinen Eltern nicht vorstellen, einfach weil – na ja, ich war nicht sicher, was sie sagen würden. Es war ganz nett mit ihm, aber es war nun mal irgendwann aus, es gab aber kein böses Blut zwischen uns. Und dann sind wir irgendwann mal in einen Club gegangen, wo ich durch ihn, du weißt schon, jemanden kennen gelernt habe, der ganz interessant war, aber weil ich frisch getrennt war, wollte ich nichts Festes mit ihm anfangen, also hatten wir im Grunde so was wie ‘ne Affäre. Ähm, ja, und er hatte Kontakte in solche Läden und eines führte zum andern und im Endeffekt war ich dann dort, wo ich jetzt bin.“

Er hielt kurz inne und schien zu überlegen, was es noch gleich gewesen war, was er hatte erklären wollen.

„Und natürlich musste ich meinen Eltern irgendwie sagen, dass ich mein eigenes Geld verdiene und was das ist und wieso ich da bin und dass ich schwul bin, und ich glaube, das war alles etwas viel für die beiden und ich glaub jetzt nicht, dass sie mich hassen oder so, aber der Kontakt ist eben etwas untern Radar gefallen seit – ja, jetzt seit zwei Jahren, aber ich denke, dass sie es irgendwann verkraften werden und ich hoffe, dass sie sich dann wieder melden, also ich für meinen Teil werd mich auf jeden Fall nicht versperren. Sie sind ja meine Eltern und ohne sie wär ich ja nicht hier“, schloss er und sah bei diesen Worten tatsächlich besonders jung aus. „Was?“, fragte er auf Sephiroths unterdrückt belustigten Blick.

„Du bist echt süß“, antwortete dieser. Dass Natt glaubte, seine Eltern könnten sich wieder bei ihm melden, hielt er für äußerst naiv.

„Danke, weiß ich“, sagte Natt kokett; er streckte Sephiroth eine Wange hin. „Süße Jungs werden geküsst.“

Sephiroth gluckste. „Mit deiner Wange werden wir da nicht weit kommen.“
 

Kennengelernt hatten sie sich Anfang Oktober auf der Eröffnung irgendeines Festspiels, für das Natt über Kontakte, die er nicht näher beschreiben wollte, an Karten gekommen war und auf das Sephiroth überhaupt nicht hatte gehen wollen. Wenn er sich überlegte, dass man es ihm beinahe tatsächlich erlassen hatte, weil er sich ständig beklagte, dass eine musikalische Veranstaltung nun wirklich nicht zu ihm passte, war er froh, dass sein ihn hassender PR-Mensch sich durchgesetzt hatte. Diese Veranstaltung war nun zwei Monate her.

„Zwei Monate“, sagte ihm Natt mit leuchtenden Augen, „das ist wichtig.“

„Hör mal“, sagte Sephiroth, der den Tisch abräumte, an dem sie eben noch gegessen hatten, „ich hab wie immer am Jahresende viel zu tun. Wie wär’s, wenn wir das auf die Wintersonnenwende verlegen? Da kann ich früher Schluss machen, weil ich am nächsten Tag“, Sephiroth runzelte die Stirn bei seinen Überlegungen, „mehr Stunden auf diesem Empfang verbringen muss, als ich an diesem Tag früher Schluss machen darf. Das ist doch Betrug, oder?“ Ihm fiel wieder ein, dass er mit Natt ein ganz anderes Thema besprach. „Was sagst du?“, fragte er.

Natt hatte einen träumerischen Ausdruck im Gesicht. Das Gesicht auf eine Hand gestützt, lächelte er Sephiroth verliebt an. „Das klingt romantisch“, sagte er mit sanfter Stimme, „die längste Nacht des Jahres zusammen zu verbringen.“

„Ich koch dir was Schönes“, sagte er leicht dahin, während er Wasser in die Spüle laufen ließ. „Etwas, das lange braucht und das ich nicht jeden Tag machen kann, einen Braten vielleicht, oder einen ganzen Vogel für uns – oder ist das zu früh?“, fiel ihm mit Entsetzen ein. Vielleicht war ihre Beziehung noch nicht so weit.

„Nein, nein“, beruhigte ihn Natt weiterhin mit diesem sanften Ton in seiner Stimme. „Ich freu mich – auch wenn es noch zwei Wochen hin ist.“
 

Natt mochte angedeutet haben, dass die zwei Wochen, die er noch bis zur Sonnenwende warten musste, ihm lang vorkamen, aber so, wie Sephiroth in seine Arbeit eingespannt wurde, sodass er erst nach Hause kam, wenn Natt sich zu seiner Arbeit aufmachte, war er überrascht, als die Jahresendgrüße bereits per Mail herumgeschickt wurden; auch erinnerten sie einen freundlicherweise daran, alle Erledigungen rechtzeitig zu machen, um nicht vor verschlossener Ladentüre zu stehen. So entschied Sephiroth, die Akte, die vor ihm lag, zu schließen, und sich stattdessen um den Feiertag – beziehungsweise in seinem Falle ja nur einen „Feierabend“ – zu kümmern. Das einzige, was er bisher erledigt hatte, war, sich für Schwein und gegen Geflügel zu entscheiden. Alles andere musste er sich noch überlegen und besorgen.

Auch wenn er einiges – oder eigentlich fast alles – auf die letzte Minute hatte ankommen lassen, hatte doch alles ganz gut geklappt, sodass Natt, als er am nächsten Tag mit ungekämmtem Haar und niedlich verschlafener Miene aus dem Schlafzimmer kam, anerkennend den Geruch einatmete und sagte: „Hm, wie lecker riecht das denn?“

Sephiroth wandte sich zufrieden zu ihm um. „Du bist gerade aufgestanden, für dich sollte das noch gar nicht lecker riechen.“

„Hey, ich bin Anfang zwanzig“, sagte Natt schulterzuckend, während er einen Gähnen unterdrückte, „ich esse Pizza und chinesisches Essen vom Vortag zum Frühstück.“

Sephiroth lachte. „Keine Sorge, das kriegst du nicht zum Frühstück“, sagte er und deutete mit dem Kochlöffel in seiner Hand auf den Braten, der noch auf dem Herd stand und darauf wartete, in den Ofen verfrachtet zu werden, „das dauert noch ‘ne Weile.“

„Ok“, sagte Natt, streckte sich ausgiebig und ging ins Bad davon.

Nachdem Sephiroth den Braten in den Ofen komplimentiert hatte, entschied er, Fleisch Fleisch sein zu lassen und Lazard einen Besuch abzustatten. Sie hatten noch einiges für den kommenden Tag zu besprechen und Sephiroth wollte es nicht ganz auf sich sitzen lassen, dass man ihm weniger Stunden zur freien Verfügung stellte, als er später auf der Quartalsabschlussfeier verbringen würde. Natürlich vertröstete ihn Lazard, erzählte ihm etwas davon, dass er nicht zu entbehren sei, dass ihm die Überstunden doch bezahlt würden und dergleichen mehr. Nicht wirklich zufrieden, aber immerhin schlauer, was den Ablauf der Feier anging, kehrte Sephiroth in sein Quartier zurück.

Als er gerade die Tür hinter sich geschlossen hatte, blieb er wie angewurzelt stehen. Natt stand, ihm den Rücken zukehrend, vor dem Spiegel und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, offensichtlich, um ihr Styling zu vollenden. Sephiroth konnte nicht sagen, was an dem schmeichelnden, weichen Pullover und der wirklich gut sitzenden Hose es war, das ihn direkt bannte, aber Natt kam ihm plötzlich vor wie von einem wirklich anziehenden Duft umgeben. Als nächstes tauschte er seinen für gewöhnlich schwarzen Ohrschmuck gegen silbernen aus. „Wie die Sterne“, sagte er zum Spiegel gewandt, als er Sephiroth bemerkte. Er drehte sich um. Irgendetwas war anders als sonst.

„Du siehst toll aus“, brachte Sephiroth gerade noch hervor. Sein Hirn arbeitete deutlich langsamer als sonst. „Toll“ war gar kein Ausdruck. Natt war bezaubernd, schöner noch als die Sterne oder irgendetwas auf der Welt oder im Universum.

„Danke“, sagte Natt mit einem verführerischen Augenaufschlag lächelnd. Er streckte die Arme nach Sephiroth aus und der ließ sich nicht zweimal bitten, sondern schritt unverzüglich auf Natt zu und schloss ihn in seine Arme, betrachtete ihn aber nur. War sein Blick schon immer so intensiv gewesen? Und war er nicht größer als sonst?

Natt kam ihm näher und küsste ihn sanft, ohne Hast, ein ums andere Mal auf die Lippen. Sephiroth ließ es geschehen und schloss nach ein paar Küssen die Augen. In einer Atempause legte Natt seine Stirn an Sephiroths. Da fiel es ihm ein: „Bist du geschminkt?“, fragte er.

„Shhh“, machte Natt und begann ihn wieder zu küssen. Nun, da Natt die Augen wieder geschlossen hatte, erkannte es Sephiroth ganz genau: die schwarzen Wimpern, ein schwarzer Strich am Ansatz, ein warmer Schimmer auf den Augenlidern und auf den Wangen. Es gab Natt eine andere Schönheit, fast als wäre er ein anderer Mensch. Sephiroth unterbrach den Kuss. „Was?“, fragte Natt. „Ich dachte, in der längsten Nacht des Jahres kann man das mal machen. Du hast gesagt, ich seh toll aus.“

„Ja, tust du auch“, sagte Sephiroth schnell. Er hatte Natt nicht verletzen wollen.

„Hör mal“, sagte Natt selbstbewusst, „in meinem Job sind die Geschlechtergrenzen fließend – und man beginnt anzuzweifeln, dass Dinge, die als männlich oder weiblich gelten, wirklich männlich oder weiblich sind. Warum sollten nur Frauen das Recht haben, sich zu schminken? Am Ende des Tages ist es nur Farbe in meinem Gesicht, die ich wieder abwasche. Macht mich das weniger männlich?“

„Nein, gar nicht“, sagte Sephiroth wahrheitsgemäß. Er fuhr mit einem Daumen über Natts Wange, um zu prüfen, ob etwas daran haften blieb. Nichts. „Ich bleib dabei, du siehst toll aus.“ Natt lächelte zufrieden.

„Wie lange dauert das mit dem Essen?“, fragte er unvermittelt.

„Soll ich dir nicht erst mal ein Frühstück machen?“, fragte Sephiroth verwirrt.

„Darauf leg ich nicht so viel Wert“, sagte Natt mit einem kokett schmollenden Gesichtsausdruck.

„Das dauert noch ein paar Stunden“, setzte Sephiroth nach.

„Wie wär’s dann erst mal mit einem Kaffee irgendwo in der Nähe?“, fragte Natt mit einem Blick, dem Sephiroth nicht widersprechen konnte. Er überlegte.

„Wenn es nur bei einem bleibt, wird das gehen. Ich muss ja auch noch andere Sachen vorbereiten.“ Natt schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

Sephiroth kannte in der direkten Umgebung des Hauptquartiers nur ein Café, von dem er sich vorstellen konnte, dass es noch geöffnet hatte. Er steckte ein wenig Geld ein und folgte Natt durch die Tür, die er zufallen ließ. Im Fahrstuhl standen sie sich gegenüber. Sephiroth betrachtete Natt eingehend; keine Frage, er sah umwerfend aus. Aber neben ihm fühlte sich Sephiroth beinahe so etwas wie underdressed, auch wenn er selbst auch ganz vorzeigbar war.

Das Café befand sich zwei Straßen weiter; sie erreichten es innerhalb von fünf Minuten. Erleichtert stellte Sephiroth fest, dass es tatsächlich noch offen war. Er hielt Natt die Tür auf und sie ließen sich einen Tisch für zwei geben. Die Bedienung kannte sich mit prominenten Gästen aus und wusste, dass Tische in einer ruhigen Lage bevorzugt wurden, auch wenn um diese Zeit im Jahr ohnehin nicht viel los war. Sie ließen sich einander gegenüber am Tisch nieder und bestellten einen Cappuccino und einen grünen Tee. Sephiroth musterte Natt weiter eingehend; er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. „Du bist so elegant“, war sein Schluss.

Natt klimperte ein wenig mit seinen schwarzen Wimpern. „Vielen Dank.“

Sephiroth legte den Kopf schief und sah Natt weiter an. „Du siehst älter aus.“

Natt lächelte immer noch. „Danke.“ Sephiroth war verwundert. „Weißt du, mit einundzwanzig möchte man noch älter aussehen. Ich denke, so ab ... fünfundzwanzig wird sich das wohl ins Gegenteil verkehren.“

„Ich komm nicht drüber hinweg, wie großartig du aussiehst.“

„Seph.“ Natt beugte sich diskret über den Tisch. „Ich schlaf auch so mit dir, auch wenn du mir nicht am laufenden Band Komplimente machst.“

Sephiroth lachte. „Das freut mich.“ Sie bekamen ihre Getränke.

Als die Rechnung kam, fragte ihre Bedienung, wer sie übernehmen würde. „Der Gentleman zahlt“, sagte Natt süffisant lächelnd in Sephiroths Richtung.

Der ließ sich tatsächlich die Rechnung geben. „Darüber reden wir noch mal“, sagte er dabei aber amüsiert. Sie erhoben sich und machten sich auf den Rückweg. Sephiroth war froh, seinen umwerfenden Natt kurz ausgeführt zu haben, aber nun wollte er sich um sein kleines Festessen kümmern. Die Nacht war längst hereingebrochen, doch anstatt das große Deckenlicht einzuschalten, entzündete er ein paar Kerzen und stellte eine Ecklampe an, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Natt setzte sich an den Tisch und beobachtete ihn, wie er sich um die Beilagen zum Braten kümmerte, der langsam Gestalt annahm.

Sephiroth durfte sich nicht von Natt ablenken lassen. Sein goldenes Haar war im flackernden Kerzenschein das eines Engels; sein Gesicht war makellos; der glitzernde Silberschmuck unterstrich seine Schönheit; seine zierliche Figur kam bei seiner Kleidung gut zur Geltung. Sephiroth bemühte sich stattdessen, dass das Essen dem Anlass entsprechend köstlich wurde; er war es Natts Aufmachung schuldig.

Als er den Braten endlich auftischen konnte, war er sehr stolz auf sich; zumindest das, was er zum Abschmecken bisher probiert hatte, war ausnehmend gut gelungen. Zum Braten goss er einen Weißwein ein. Er setzte sich endlich Natt gegenüber und seufzte erleichtert. Natt lächelte ihn liebevoll an. „Deiner Hände Arbeit der letzten Stunden.“ Er erhob sein Glas. „Auf dich, Schatz.“

Sephiroth erwiderte die Geste. „Auf uns“, entgegnete er.

Zwei Portionen später war er zu erschöpft, um noch großartig etwas zu tun. Er ließ alles stehen und setzte sich am runden Tisch einen Stuhl weiter, neben Natt. Er legte ihm einen Arm um die Schulter und zog ihn an sich. „Es war sehr gut, Schatz“, sagte Natt sanft, als er sich an Sephiroth schmiegte.

„Danke“, sagte Sephiroth etwas schläfrig. Er küsste Natt auf die Stirn. Ihm stieg ein Duft in die Nase. Was immer Natt für seine Haare benutzt hatte, musste gut riechen; zuordnen konnte Sephiroth den Duft aber beim besten Willen nicht. Sie dösten beide etwas vor sich hin. Sephiroth wusste aber, dass es alles keinen Zweck hatte; nach einer Weile raffte er sich auf und begann, den Tisch abzuräumen, Geschirr abzuwaschen und ein bisschen Ordnung zu schaffen. Schließlich setzte er eine Schale für ein Tischfeuer dorthin, wo eben noch der Braten und ihre Teller gestanden hatten. „Willst du schon anfangen?“, fragte er.

„Das macht man doch erst Mitternacht“, sagte Natt.

„Schatz, ich bin schon ein bisschen länger wach“, rief Sephiroth ihm in Erinnerung.

Natt schmollte. „Lass uns noch ein bisschen warten“, bat er. Sephiroth gab sich geschlagen. Er goss sich noch einen Wein ein und setzte sich in den Sessel, während Natt seine Zettel erst noch verfasste; er selbst hatte seine schon längst fertig. Sephiroth fielen bei dem wenigen Licht fast die Augen zu. Er beobachtete Natt, wie er in Seelenruhe seine Sonnenwendewünsche zu Papier brachte. Er schien noch kurz zu überlegen, ob ihm noch etwas einfiel, dann signalisierte er Sephiroth, dass er bereit war.

Langsam und vorsichtig entfachten sie ein kleines Feuer in der Schale. Sie setzten sich nebeneinander und betrachteten für eine Weile die tanzenden Flammen; sie schienen das einzige Licht im Raum zu sein und warfen flackernde Schatten an die Wände. Sephiroth ergriff Natts Hand. Hier waren sie. Zusammen. In der möglicherweise wichtigsten Nacht des Jahres. Er fühlte sich Natt unglaublich verbunden in diesem Moment. So musste es sein, sie beide und niemand sonst. Wen brauchten sie schon?

Sorgfältig und behutsam verbrannten sie abwechselnd ihre Wünsche, wobei sie vorschriftsgemäß schwiegen; die Wünsche zu verraten brachte schlimmes Unglück. Als Natt seinen letzten Wunsch ins Feuer geworfen hatte, schaute er Sephiroth aus seinen großen Augen von unten an. Er sah unwiderstehlich aus in diesem Licht. Er blinzelte.

„Soll ich dir sagen, was ich mir gewünscht hab?“, fragte er mit geheimnisvoll gedämpfter Stimme.

„Nein, natürlich nicht“, sagte Sephiroth ebenso leise. Es war ein magischer Moment.

„Ich denke, du weißt es auch so“, hauchte Natt und überbrückte die Distanz zwischen ihnen. Sephiroth schloss die Augen. Die Schatten der Flamme tanzten über seine Augenlider. Er spürte ihre Wärme auf seinem Gesicht und Natts Lippen sanft auf seinen. Sie lösten sich voneinander, als das Feuer beinahe heruntergebrannt war. Sie betrachteten es wieder mit ineinander verschränkten Händen. Natts Lippen bewegten sich erneut in seine Richtung, diesmal allerdings zu seinem Ohr. Das küssten sie jedoch nicht, sondern flüsterten etwas hinein. In Sephiroth breitete sich eine Wärme aus, die nichts mit dem Feuer und dem Kerzenlicht zu tun hatte. Er wusste es. Wusste es in diesem Moment.

„Ich liebe dich“, hatte Natt ihm ins Ohr gehaucht.
 

Sephiroth war durchaus beeindruckt von Genesis‘ Erzählkunst. Vielleicht sollte er selbst anfangen, Bücher zu schreiben, anstatt sie ständig nur zu lesen.

„Du würdest sofort jedem Mann zu Füßen liegen, der dir sagt, dass er dich liebt“, sagte Genesis mit einem gemeinen Grinsen.

„Weißt du“, sagte Sephiroth, „du könntest das ruhig auch mal sagen. Wenigstens so ein- oder zweimal – im Jahr.“

Genesis tat, als würde er sich das durch den Kopf gehen lassen. „Nein“, sagte er dann.

Sephiroth seufzte. „Also, wir lieben einander – was nun?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hab gelesen, Schwein sei das traditionelle Fleisch für die Sonnenwende.

"War sein Blick schon immer so intensiv gewesen? Und war er nicht größer als sonst?"
Ja, Natt trägt High Heels. Da Seph das nicht sehen kann, hat Natt offenbar eine lange, weite Hose an, die die Absätze verdeckt.

"Sephiroth seufzte. 'Also, wir lieben einander – was nun?'"
Seph scheint richtig Bock auf diese Geschichte zu haben, gell?

Schaut auch in meine Darkfic You Come When I Call You rein, die nicht ins "Mit Liebe Gekocht"-AU reingehört: https://www.animexx.de/fanfiction/autor/534019/389349/
Cloud kommt frisch als Rekrut zu SOLDAT und Sephiroth nimmt sich seiner aus mysteriösen Motiven an ... Komplett anzeigen

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