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Was, wenn?
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hintergrundmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=E0oyglKjbFQ
I Do by Colbie Caillat (2011) Komplett anzeigen

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Frühling

Also hatten sie die Wintersonnenwende und auch die Quartalsabschlussfeier, Silvester und Neujahr und sogar den Valentinstag gut überstanden; mittlerweile ging es auf den St. Patrick’s Day zu, dessen Natur Sephiroth noch nie verstanden hatte. Das bisschen Schnee, das in Midgar lag, schmolz langsam und nach immer mehr Nächten gab es keinen Bodenfrost mehr. Tagsüber streckten bereits die ersten Pflanzen ihre Knospen der Sonne entgegen und man hatte auch schon die ersten Frühblüher entdeckt. Sogar Sephiroth ließ sich in diesem beginnenden Frühling dazu hinreißen, Natt einen großen Strauß der besten roten Rosen mitzubringen, die man in Midgar für Geld auftreiben konnte.

Der St. Patrick’s Day fiel auf einen Freitag. Alle Welt war im Stadtzentrum zusammengekommen oder traf sich in Kneipen, Bars oder zu Hause mit Freunden und Familie. Sephiroth hingegen schnappte sich Natt und lud ihn zu einem Spaziergang in einem ruhigeren Viertel in Richtung Stadtrand ein, in dem eher Familien mit kleinen Kindern und dynamische ältere Leute wohnten. Es gab Spielplätze, Läden für Kinderbekleidung und Schulbedarf, Treffpunkte, helle, moderne Lokale mit handgemachten Spezialitäten und alle möglichen Angebote für Klein und Groß, aber das alles eher für großes als für kleines Geld. Die Hauptstraße war erwartungsgemäß überlaufen; irgendwo schien es ein Familienfest zu geben.

Natt schaute sich erstaunt um. Er stammte nicht aus Midgar, war als Teenager in die Stadt gekommen, und kannte sich in abgelegeneren Stadtteilen nicht aus. „Ich hätte nicht gedacht, dass Midgar so eine Seite hat“, sagte er über den Kinderlärm hinweg. „Vielleicht sollten wir uns hier auch eine Wohnung nehmen.“

Sephiroth war verwundert; offensichtlich war Natt in Gedanken schon weiter als er selbst. „Wir haben eine Wohnung. Du bist grad erst eingezogen.“

„Na ja, wenn du das Wohnung nennen willst“, sagte Natt, „auf Dauer ist das doch keine Lösung. Es funktioniert nur, weil du dein Büro, in dem du auch halb lebst, ein paar Etagen unter dir hast. Aber willst du den Job bei Shin-Ra ewig behalten? Und will ich ewig auf so wenig Raum wohnen? Eine Zweitwohnung zumindest fürs Wochenende wär doch nicht schlecht, meinst du nicht?“

Sephiroth hatte andere Dinge im Kopf. Was Natt sagte, klang fürs erste ganz plausibel, mehr konnte er dazu nicht sagen. Er konzentrierte sich darauf, dass sie die Abzweigung, die sie nehmen mussten, nicht verpassten. Natürlich kannte Natt ihr Ziel nicht. „Ja, vielleicht“, sagte er schließlich zu Natts Plänen einer Zweitwohnung in einem der teuersten Pflaster Midgars. „Ich kann mir das mal durch den Kopf gehen lassen.“

Natt nahm seine Hand. Augenblicklich spürte Sephiroth die vorwurfsvollen Blicke der umstehenden Eltern auf sich, die von schwulen Beziehungen nichts hielten und wahrscheinlich Angst hatten, ihre Kinder könnten sich durch den bloßen Anblick anstecken. Glücklicherweise konnten sie endlich in eine Seitenstraße abbiegen. Natt merkte nicht, dass Sephiroth ein Ziel verfolgte; vermutlich interpretierte er es als spontane Flucht. Unbeschwert drückte er weiter Sephiroths Hand und sah sich um. „Es ist wirklich schön hier“, sagte er. „Aber kaum ist man von der Hauptstraße weg, ist tote Hose – oder liegt das nur am Feiertag?“

„Mir ist ganz lieb, wenn in den Straßen nicht so viel los ist“, sagte Sephiroth mit einem Blick über die Schulter. Ein paar vereinzelte Bewohner begegneten ihnen noch immer.

„Wieso, willst du nicht mit mir gesehen werden?“, neckte ihn Natt. Er senkte seine Stimme gespielt geheimnisvoll. „Oder haben wir was Geheimes vor?“ Natt hatte mit seiner zweiten scherzhaft gemeinten Bemerkung voll ins Schwarze getroffen. Sephiroth versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. Doch offensichtlich merkte man das. „Uh, was haben wir vor?“, fragte Natt vergnügt.

Sephiroths Aufregung steigerte sich, nun, da Natt Bescheid wusste.

Aufgeregt sah sich Natt nach Hinweisen um, worin ihr Ziel bestehen könnte. „Der Eisladen da? Ach nein, du magst nichts Süßes.“ Natt überlegte. „Was könnte so unangenehm sein, dass du dabei nicht gesehen werden willst? Immerhin weiß ganz Midgar, was ich arbeite, und man weiß auch, dass du mich dort besuchst.“ Natt machte sich nichts weiter aus den Artikeln der Klatschpresse, wusste aber im Groben, was geschrieben wurde.

„Es ist nicht unangenehm, ich brauch nur keine Zeugen oder gar Artikel.“ Sephiroth bog ein weiteres Mal ab und stellte erleichtert fest, dass hier niemand mehr zu sehen war. Noch eine Biegung und sie würden ankommen. Sein Herz schlug schneller. Natt freute sich auf die Überraschung; den Versuch, herauszufinden, worum es sich handelte, hatte er bereits aufgegeben. Als sie um die Ecke gingen, konnte Sephiroth es schon erkennen. Irgendetwas drückte auf seinen Magen; seine Atmung wollte sich nicht mehr so recht beruhigen.

Als sie vor dem Schaufenster ankamen, blieb Sephiroth keine Wahl, als stehen zu bleiben und Natt zu bedeuten, dass sie angekommen waren. Natt warf einen Blick ins Schaufenster und schien in Sekundenbruchteilen zu begreifen, worum es ging. Mit großen, etwas feuchten Augen und leicht offenem Mund starrte er Sephiroth an. „Natt, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, sagte Sephiroth planlos. Er war in seinem Kopf mindestens eine Millionen Szenarien durchgegangen, wie er es formulieren könnte, was er tun könnte, wie er es Natt erklären könnte, aber in all seiner Aufregung hatte er es nicht geschafft, sich für eine Version bindend zu entscheiden. Er wagte einfach die Flucht nach vorn, ohne zu wissen, worauf es hinauslaufen würde. „Du siehst ja, worum es geht. – Ich liebe dich. Ich bin glücklich mit dir. Ich will es für immer sein. Was sagst du?“ Er holte noch einmal tief Luft. „Wills du mich heiraten?“

Natt sah aus, als wäre er kurz davor zu weinen. Mit gerunzelter Stirn und Tränen in den Augenwinkeln stand er vor Sephiroth und brachte kein Wort heraus. Er schniefte leise und murmelte: „Ja.“ Er schluckte und sagte mit festerer Stimme: „Ja. Ja, ja!“ Er schlang Sephiroth die Arme um den Hals und drückte ihm einen intensiven Kuss auf die Lippen. Sie lösten sich und Natt schmiegte sich an Sephiroth, den Blick in Richtung des Juweliers gerichtet, vor dem sie standen. „Ja, natürlich, was für eine Frage.“
 

„Ist das nicht etwas früh?“, fragte Sephiroth ehrlich interessiert. „Es sind erst fünf Monate vergangen, oder? Oktober bis März.“ Mit einem guten Glas Wein in der Hand fand er die Vorstellung, mit einem deutlich jüngeren Tänzer zusammenzusein, schon erträglicher.

„Wir gehen hier davon aus, was passiert wäre, wenn ich Ramon geheiratet hätte – den kannte ich auch erst ein halbes Jahr und wir haben ja nicht mal sofort was miteinander angefangen“, entgegnete Genesis beinahe geschäftsmäßig.

Sephiroth monierte nicht weiter. Ihm fiel etwas anderes ein. „So nimmst du unser Viertel wahr?“ Genesis hatte eindeutig ihre Wohnlage in Midgar beschrieben, in dem sie tatsächlich eine Zweitwohnung hatten.

„Unsere Wohnung liegt in einem überteuerten, gentrifizierten Hipsterviertel – willst du das abstreiten?“

„Nein, nein“, sagte Sephiroth, „aber es wäre nicht das erste, was mir einfällt.“

Genesis sah ihm mit einem kennenden Blick direkt in die Seele. „Dir würden zuerst deine veganen Ökoeinkaufsmöglichkeiten einfallen, nein?“ Sephiroth stimmte zu. „Du weißt, dass die zu den Zeichen von Gentrifizierung gehören, nein?“

Sephiroth ging nicht weiter darauf ein, sondern schwenkte das Glas in seiner Hand. „Das ist ein wirklich leckerer Wein“, sagte er schließlich.*

Genesis schnaubte. „Den hab ja auch ich ausgesucht.“
 

Als sie mit ihren neuen Verlobungsringen zurückgekehrt waren, steckten sie sie sich in einer feierlichen Zeremonie gegenseitig an die Finger. Natt ging schnell wieder zum Wichtigen über. „Ich finde, jetzt, wo wir verlobt sind, ist das mit der Zweitwohnung doch eine noch bessere Idee.“

Sephiroth setzte sich ihm mit einer Tasse Tee gegenüber an den Tisch. „Liebling, ich bin froh, dass du Ja gesagt hast, lass uns doch an den Rest später denken.“

Natt wirkte belustigt. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Dachtest du echt, ich könnte ablehnen?“

„Na ja“, sagte Sephiroth und nippte an seiner Tasse, „du bist sehr jung, wir sind noch nicht lange zusammen, wir haben völlig unterschiedliche Lebensrhythmen – logisch betrachtet gibt es viele Gründe, aus denen du hättest ablehnen können.“

„Schatz, du redest Unsinn“, sagte Natt liebevoll. „Aber was die Lebensrhythmen angeht ... Ich denke, wenn wir heiraten, will ich den Job kündigen.“

„Was?“, machte Sephiroth erstaunt. „Willst du dich von mir abhängig machen?“

„Nein“, beschwichtigte ihn Natt, „ich will nur nicht der Ehemann sein, der sich, na ja, von anderen Männern bezahlen lässt.“ Sephiroth nickte anerkennend. Da das nun geklärt war, betrachtete Natt seinen silbernen Verlobungsring mit den kleinen eingelassenen Steinen. „Ich bin froh, dass sie dieses Modell hatten, ich hab mich sofort verliebt.“

„Ich beginne ein Muster zu erkennen“, sagte Sephiroth, der sich auch sofort und auf den ersten Blick in Natt verliebt hatte.
 

„Verlobt?“, fragte Cloud, als Sephiroth es ihm am nächsten Montag in der Kantine erzählte. „Mir war nicht bewusst, dass das mit euch ernst ist.“

„Was?“, fragte Sephiroth.

„Nichts, nichts“, sagte Cloud schnell. Er nahm einen Schluck Kaffee, um die Situation zu überspielen, und sah sich suchend um. Ungläubig in eine Richtung hinter Sephiroth blickend setzte er die Tasse ab. Sephiroth wandte sich um. „Rufus, du hier?“, fragte er.

„Ja, ich hab auch nicht immer Geschäftsessen“, sagte Rufus und setzte sich wie ein normaler Angestellter mit einem Tablett zu ihnen. „Ab und an ist mir nach etwas Einfachem.“

„Seph hat sich verlobt“, sagte Cloud ohne jeden Zusammenhang.

Rufus sah verwundert von seinem Teller auf. „Echt?“, fragte er, und von dieser einzelnen Silbe triefte der Zweifel. „Wie lange seid ihr jetzt zusammen?“

„Fünf Monate“, sagte Sephiroth angriffslustig. Er würde seine Entscheidung bis aufs Letzte verteidigen, wenn es nötig war.

Rufus widmete sich wieder seinem Mittagessen. Als er Sephiroths herausfordernden Blick auf sich spürte, fügte er an: „Das ist doch eine gute Zeit, oder nicht?“

„Na ja“, warf Cloud ein, „wir haben nach dem ersten Kind geheiratet. Und vor dem zweiten.“

„Und den wievielten Hochzeitstag werdet ihr gefeiert haben, wenn das dritte kommt?“, fragte Sephiroth freundschaftlich.

„Tifa lässt sich da nicht so richtig in die Karten gucken“, gab Cloud seufzend zu. „Immer wenn ich frage, was sie glaubt, wann wir dazu bereit sein könnten, blockt sie ab.“

„Ihr habt Sorgen“, kommentierte Rufus.

„Rufus“, sagte Sephiroth und deutete mit der Gabel in der Hand auf seinen Präsidenten, „irgendwann wird die Frau kommen, die auch dir den Kopf verdreht. Und wenn es so weit ist – lachen wir über dich.“

Rufus antwortete nicht. Offensichtlich war die Unterhaltung unter seinem Niveau. Cloud aber fragte: „Wann ist es denn bei euch so weit?“

„Natt erkundigt sich nach einem Termin im Mai“, erwiderte Sephiroth.

„Und sind wir eingeladen?“, erkundigte sich Rufus mit einem spöttischen Unterton.

„Kannst du mehr als zwanzig Minuten erübrigen?“

„Nein.“

„Dann bist du herzlich eingeladen und wir werden im Hinterkopf behalten, dass du es nicht schaffen wirst.“
 

Schon zu Beginn der Hochzeitsvorbereitungen wurde Natt und Sephiroth klar, dass sie beide weder über Familie noch über viele Bekannte verfügten, die sie einladen wollten. Natt war von der Oberschule direkt ins Berufsleben gewechselt und hatte nicht viele dieser alten Bekanntschaften, die man für gewöhnlich in verschiedenen Lebensphasen machte. Sephiroth war innerhalb Shin-Ras aufgewachsen und hatte außerhalb nicht viele Freundschaften geschlossen. Es würde also reichen, nach der Trauung in ein Restaurant einzukehren; sie brauchten keinen Saal. Ihre Vorbereitungen beliefen sich folglich im Grunde auf die Trauung, den Weg dorthin und ins Lokal ihres Vertrauens.

Der Monat Mai kam, sie wurden getraut, steckten sich goldene Eheringe an und feierten den herrlichen Tag mit ihren Freunden. Sephiroth kümmerte sich größtenteils um seine Freunde und Natt um die seinen; Natts Eltern waren trotz Einladung nicht erschienen, ob sie die Einladung nun erhalten hatten oder nicht – vielleicht waren sie ja umgezogen. Sie ließen sich davon ihre gute Laune allerdings nicht verderben. Sephiroth schwebte vor Glück wie in einer anderen Sphäre. Die Stunden vergingen, die Nacht brach an, ein Freund nach dem andern verabschiedete sich und als die Feier wirklich vorbei und die Rechnung beglichen war, kehrten sie in ihre Wohnung in dem teuren Familienviertel zurück, die sie in der Tat als Zweitwohnung angemietet hatten. Natt, der Anfang der Woche seinen letzten Arbeitstag gehabt hatte, verbrachte seine nun freie Zeit damit, sie einzurichten; sie hatten sie zwar möbliert gemietet, aber dennoch mutete alles noch etwas provisorisch an. Das Schlafzimmer aber war bereit für das neue Ehepaar ...


Nachwort zu diesem Kapitel:
* Hat Seph etwa schon einen im Tee?

"Sogar Sephiroth ließ sich in diesem beginnenden Frühling dazu hinreißen, Natt einen großen Strauß der besten roten Rosen mitzubringen, die man in Midgar für Geld auftreiben konnte."
Ach, Seph. <3
(Er ist also bereit, Geld auszugeben, ja? Mehr nicht? Warum gilt so was als romantisch, hab ich gefragt?)

Bei dem gentrifizierten Öko-Hipster-Viertel denk ich so ein bisschen an Prenzlberg oder Hamburg-Winterhude, Zehlendorf, so was in die Richtung.

Ich mag Rufus übrigens. Keine Ahnung, wie er so werden konnte. :'D

Alles Liebe,
Eure Tobie.

PS "[...] und als die Feier wirklich vorbei und die Rechnung beglichen war, [...]" Wie romantisch. Die Rechnung begleichen. Seufz.

PPS Schaut auch in meine Darkfic You Come When I Call You rein, die nicht ins "Mit Liebe Gekocht"-AU reingehört: https://www.animexx.de/fanfiction/autor/534019/389349/
Cloud kommt frisch als Rekrut zu SOLDAT und Sephiroth nimmt sich seiner aus mysteriösen Motiven an ... Komplett anzeigen

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