Entscheidungen von tobiiieee (Was, wenn?) ================================================================================ Kapitel 16: ... Und andere Probleme I ------------------------------------- Ramon sah sich in dem riesigen Saal mit den Kronleuchtern um. Er war überwältigt von so viel Reichtum und Dekadenz, die an jedem Zentimeter der Wand sichtbar waren. Kellner in sehr aufrechter Haltung gingen durch die Menge und reichten Wein und Häppchen. Einer davon näherte sich ihm und bot ihm Wein auf einem Tablett an. Ramon ließ sich dankend ein Glas geben, als er hinter sich Schritte hörte und sich umdrehte. Es war Sephiroth, der gut gelaunt auf ihn zukam. Ramon grinste ihm entgegen. „Hi, schön dich zu sehen“, grüßte er ihn. „Sind schon wieder fünf Jahre vergangen?“, fragte ihn Sephiroth freudig. Er musste die Feier meinen, die Genesis vor fünf Jahren – allerdings ohne ihn – besucht hatte. „Ja, tatsächlich – und ich bin zum ersten Mal hier in Midgar, hab’s endlich geschafft.“ „Und wie gefällt’s dir?“ Sie verfielen in harmlosen Smalltalk über Midgar und Lissabon. Schließlich fragte Sephiroth: „Und wo ist Genesis?“ Ramon nickte in eine Richtung schräg hinter Sephiroths rechter Schulter. „Angeal hat’s auch hergeschafft und ich bin jetzt abgeschrieben.“ Sephiroth wandte sich um und erblickte die beiden in einer Ecke, in der sie wie erwähnt ins Gespräch vertieft standen und keine Notiz vom Rest der Welt zu nehmen schienen. „Ja, das kenn ich auch noch von früher. Die ganze Welt muss sich hinten anstellen, wenn Angeal auftaucht.“ „Oh ja“, stimmte ihm Ramon lachend zu. „Und dein Mann?“ Sephiroths Gesicht verfinsterte sich. „Er würde mir einen großen Gefallen tun, wenn er nicht auftaucht“, sagte er nur. Ramon hatte einen solchen Gesprächsverlauf nicht beabsichtigt. „Oh, ähm ... Da scheint was im Argen zu liegen.“ Sephiroth schwieg stirnrunzelnd. Ramon versuchte hilflos, Genesis‘ Blick am andern Ende des Saals aufzufangen. Es dauerte kurz, bis Genesis in seine Richtung schaute; Ramon ruckte mit dem Kopf als Zeichen, dass Genesis zu ihm kommen sollte. Genesis nickte Angeal zu und gemeinsam trotteten sie herüber. Sephiroth wandte sich um. „Seph“, sagte Genesis, „mein Gott, schon wieder sind es fünf Jahre.“ „Und wir sehen uns an alter Stelle wieder“, entgegnete Sephiroth, etwas weniger finster als zuvor. „Wie läuft’s?“ „Oh, super“, sagte Genesis gut gelaunt; sein Blick heftete sich auf Ramon. „Wir haben jetzt schon volle zwei Tage nicht gestritten.“ Ramon sah ihn liebevoll-genervt an. Sephiroth seufzte. „Klingt himmlisch.“ Es mochte wie eine beiläufige Bemerkung klingen, aber sein Ton war eine Spur zu nachdenklich. Angeal und Genesis sahen Sephiroth besorgt von der Seite an. „Alles ok?“ „Ja, ja“, sagte Sephiroth schnell, klang dabei aber eher abwesend. „Ja, alles bestens.“ Ramon bemerkte, wie sich Genesis‘ Augen kaum sichtbar verengten und aufmerksam auf Sephiroth hefteten, fest entschlossen, den Grund für sein Verhalten herauszufinden. Das Gespräch wandte sich den vergangenen fünf Jahren zu, allerdings entging auch Ramon nicht, dass Sephiroth sich sehr bedeckt hielt. Während Genesis‘ nachwievor wachsamer Blick auf Sephiroth ruhte, huschten dessen Augen wiederholt unruhig zum Eingang. Fast jedes Mal sah auch Ramon in dieselbe Richtung und so bemerkte er nach einer Weile, dass ein junger, sehr attraktiver, sehr schlanker blonder Mann hereinkam und sich kurz umsah. Sephiroth wandte sich um und sagte dann etwas widerwillig: „Ihr entschuldigt mich?“ „Das ist er also, ja?“, fragte Ramon. „Nicht schlecht.“ Genesis‘ Blick wurde vorwurfsvoll. „Natürlich nicht schlecht für andere“, fügte Ramon schnell hinzu. Er zwinkerte seinem Mann vergnügt zu. „Er ist auch locker zwanzig Jahre jünger“, warf Angeal ein. Ramon war beeindruckt, auch wenn Genesis ihm natürlich schon längst erzählt hatte, wie jung Sephiroths Mann war. Er folgte dem Paar mit den Augen, wie sie langsam in den Saal hinein schlenderten. Sie schienen etwas angespannt, soweit er das sagen konnte; ihre Unterhaltung wirkte etwas hitzig. Auch Genesis und Angeal schauten den beiden aufmerksam nach, bis jemand, den Ramon natürlich nicht kannte, auf sie zukam und etwas von Angeal wollte. Der verabschiedete sich und Genesis wandte sich fragend an Ramon. Als der ihm erzählte, was Sephiroth gesagt hatte, schaute Genesis ihn ungläubig und geschockt an. „Was?“, fragte er bestürzt. „Das hat er so gesagt?“ „Ja“, bestätigte ihm Ramon, „aber mehr auch nicht.“ „Seltsam“, sagte Genesis. „Denkst du –“ Doch Genesis kam nicht dazu, seine Frage zu beenden. Mit vor Schock geweiteten Augen schaute er zu Sephiroth und seinem Mann herüber, deren offenbar eben entflammter Streit lautstark an ihre Ohren drang. Wutentbrannt schleuderte der junge Mann Sephiroth Vorwürfe entgegen, die Ramon nicht verstand. Unter Schockstarre beobachtete Ramon das Geschehen vor sich. Mit saurer Miene stand Sephiroth vor seinem Mann und entgegnete kein Wort, sondern schien sich unter großem Druck zurückzuhalten. So schnell, wie der Streit begonnen hatte, war er auch beendet. Nach ein paar gewechselten bösen Blicken stürmte der junge Mann an Sephiroth vorbei aus dem Saal. Sephiroth sah ihm nicht einmal hinterher, sondern schaute mit einem – wie es für Ramon auf die Distanz wirkte – angestrengten und auch etwas traurigen Blick in Richtung Boden. Erst jetzt fiel Ramon auf, dass fast der ganze Saal den Streit beobachtete hatte. Aus einer größeren Ansammlung löste sich ein weiterer blonder Mann, älter als Sephiroths Gatte, und ging mit strengem Blick auf ihn zu. Er schien ihn unnachgiebig zurechtzuweisen; Sephiroth starrte ihn mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, Wut und Hilflosigkeit an. „Wer ist das?“, fragte Ramon Genesis. „Rufus“, antwortete Genesis mit Mitleid in der Stimme. „Unser Präsident. Vermutlich muss er Seph so stutzen, ob er will oder nicht. Schadensbegrenzung.“ Rufus schien mit Sephiroth fertig zu sein. Der sagte auch zu Rufus kein Wort, sondern schien alles, was ihm durch den Kopf gehen mochte, herunterzuschlucken. Nach einigen Momenten, in denen sich die beiden anfunkelten, machte Sephiroth kehrt und ging langsam aus dem Saal. Als Reaktion darauf kam allmählich das Leben in die Feier zurück. Ramon war etwas überfordert damit, das eben Geschehene zu verarbeiten. Er hatte Sephiroth bisher für einen ganz umgänglichen Kerl gehalten; dass jemand ihn so anging, überraschte ihn. Er ahnte, dass etwas sehr Schwerwiegendes dahinterstecken musste, wenn sie sogar mitten auf einer solchen Veranstaltung Streit anfingen. Während Ramon sich nachdenklich umschaute, bemerkte er einen dritten blonden Mann, der langsam auf sie zukam. „Sind hier denn alle blond*?“, fragte er Genesis verwundert. Genesis drehte sich in die Richtung um, in die Ramon blickte. „Das ist Cloud.“ „Na, wenn das so ist“, sagte Ramon etwas verständnislos. Als Cloud bei ihnen angekommen war, wurden sie einander vorgestellt. Genesis ergriff daraufhin das Wort. „Cloud, was ist da los?“ Cloud zog mit einem Ahnungslosigkeit bedeutenden Gesichtsausdruck die Schultern hoch und schüttelte dabei noch den Kopf. „Sag bloß, ihr kennt ihn immer noch nicht richtig.“ „Nein, nein, das hat sich gebessert“, erwiderte Cloud. „Wir haben uns zwischenzeitlich sogar richtig gut verstanden. Aber irgendwann kam da einfach nichts mehr zurück. Und dann hab ich eigentlich nur noch gemerkt, dass Seph meist auch total fertig ist. Es hat ewig gedauert, bis ich rausgekriegt hab, dass sie ständig – na ja, du hast es ja gesehen – nur noch streiten. Das geht jetzt seit Jahren so.“ „Und worum geht’s da?“, fragte Genesis ratlos. „Das ist ja gerade das Rätsel, Seph redet auch nicht darüber. Aus ihm ist absolut nichts rauszukriegen. Aber ehrlich gesagt glaub ich, dass da schon von Anfang an irgendwas schief läuft. Sie hatten gerade geheiratet, Seph hat sich gerade mal zwei Tage oder so freigenommen und kam dann wieder, schlecht gelaunt, Geduldsfaden kürzer, als ich es je bei ihm erlebt hab, und als ich frage, ob sie sich gestritten haben: ‚Nein, nein, wir haben uns doch nicht gestritten, wir streiten nicht.‘ Er gibt nie zu, dass sie sich streiten, und will es ständig runterspielen.“ „Ich geb wenigstens zu, dass wir uns Tag und Nacht streiten“, kommentierte Genesis. Ramon warf ihm einen Blick zu, der in etwa seine Frage „Musste das jetzt sein?“ ausdrücken sollte. Es stimmte, dass sie beinahe täglich aneinander gerieten. Aber Genesis war ihm nie lange böse. Meist beruhigte er sich ebenso schnell wieder, wie er sich erbost hatte. „Tifa und ich sagen uns auch nicht immer nur liebe Worte“, stimmte Cloud zu. „Ach, Cloud, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Cloud lächelte verlegen. „Und du hast wirklich keine Idee? Könnte eine dritte Person im Spiel sein?“ Cloud schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Selbst wenn ein Liebhaber im Spiel wäre, ... wie lange kann man sich darüber streiten?“ Ramon warf Genesis einen Blick zu. „Haben die beiden Kinder?“, fragte er. „Was, nein“, sagte Cloud sofort. Ihn schien der bloße Gedanke zu überfordern. Genesis richtete einen nachdenklichen Blick erst auf Ramon, dann auf Cloud. „Weißt du da was?“ Cloud wirkte wieder verlegen, diesmal aber auf ganz andere Art und Weise; er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Er beugte sich zu Genesis vor und sagte mit gedämpfter Stimme: „Ihr dürft hier keine Kinder haben, das weißt du.“ Ramon spürte förmlich die Hitze der Wut, die in Genesis hochkochte; allerdings schaffte er es zu Ramons Überraschung, sie relativ unbemerkt herunterzuschlucken. „Ich werde mich zu dieser Formulierung jetzt einfach mal nicht äußern“, sagte er äußerst kontrolliert; vielleicht auch zu kontrolliert. Dann kehrte er wieder zum Thema zurück. „Wie kann man sich so lange so konstant streiten – ohne vielleicht irgendwann einfach ehrlich zu sein und sich einzugestehen, dass es das war?“ „Na ja“, sagte Cloud, der nicht verstanden zu haben schien, was Genesis aufgeregt hatte, „nach eurer Trennung hat er wirklich lange gebraucht, um jemanden zu finden.“ „Weil er aber auch nicht sucht“, stellte Genesis richtig. Ramon wusste, dass Genesis Sephiroth nicht für die Art von Person hielt, die aus einem Einsamkeitsgefühl heraus dringend einen Partner sucht. „Ich denke auch nicht unbedingt, dass es mit über 40 leichter wird, sich zu trennen und jemand Neues zu suchen“, sagte Cloud. Sie hatten alles ausgetauscht, niemandem fiel mehr etwas zu sagen ein. „Ich werd ihm also mal auf den Zahn fühlen, wenn ich ihn erwische“, schloss Genesis. „Viel Glück, das versuch ich seit Jahren“, schnaubte Cloud. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du es sonderlich klug angestellt hast“, entgegnete ihm Genesis mit einem zauberhaften falschen Lächeln. Cloud warf ihm einen gehässigen Blick zu und verabschiedete sich unter abfälligem Gemurmel. „Was sollte das vorhin heißen“, fragte Ramon, kaum dass Cloud außer Hörweite war, „darüber, was ‚wir‘ dürfen und was nicht?“ „Cloud denkt, schwule Männer sind anders als andere Männer“, erklärte Genesis knapp, „er ist ja ein herzensguter Mensch, aber einfach dumm wie Stroh.“ „Ich muss sagen, ich bin wirklich gespannt, worauf du damit noch hinaus willst“, lobte Sephiroth Genesis. „Aber hab ich das richtig verstanden – wir sind jetzt zehn Jahre zusammen und seit Jahren nur noch am Streiten?“ Genesis zählte kurz durch. „Nein, fünf Jahre.“ Sephiroth rief sich die Geschichte noch einmal in Erinnerung. „Oh, richtig. – Und warum?“ Genesis setzte einen gewichtigen Gesichtsausdruck auf. Sephiroths Aufmerksamkeit und Neugierde schienen ihm zu gefallen. „Dazu müssen wir uns zusammenfassend noch mal die letzten fünf Jahre anschauen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)