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Insomnia

"You can't fix me."
von

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TWO

TWO

 

Nach einiger Zeit hatte Chiaki seine Zeichnung fertig, unterzeichnete es noch mit seinem Namen sowie dem heutigen Datum. Er schloss seufzend sein Skizzenbuch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch drei Stunden totzuschlagen hatte.

Mit den Fingern trommelte er einige Male auf der Lederoberfläche seines Buches und überlegte. Dann sah er auf seinen Schreibtisch, wo seine Schulsachen lagen. Augenrollend stöhnte er auf. Heute würde er wieder zur Schule zurückkehren. Auch wenn es in seinen Augen keinen Sinn machte, dass er an einem Freitag wiederkommen sollte.

Für die gesamte letzte Woche war er suspendiert gewesen, wegen eines „kleinen“ Vorfalls: Rauchen innerhalb des Schulgeländes. Nicht das ihn die paar Tage Freiheit gestört hätten - wäre diese elende Langeweile nicht gewesen.

An sich war Chiaki recht gut in der Schule, bekam immer gute Noten. Angesichts dessen, dass er den meisten Stoff des Schuljahres schon früh genug paukte und alles auch ohne Probleme wiedergeben könnte, selbst im halbwachen Zustand. Schließlich hatte er neun Stunden in einer Nacht Zeit, um zu lernen und alles vorzuarbeiten.

Er stand vom Bett auf, setzte sich an den Schreibtisch und arbeitete an einige Matheaufgaben. Doch schnell stellte er fest, dass seine Konzentration am Limit war.

Schlafemangel machte alles schwieriger. Die meisten Menschen realisieren wahrscheinlich nicht, wie wichtig Schlaf für die Gesundheit war, geistig sowie körperlich. Niemand wusste das besser als er.

Bis vor dem Vorfall vor zehn Jahren, hatte er einen gesunden Schlaf für selbstverständlich genommen. Seine Mutter hatte ihn früher immer in den Schlaf gesungen und ihn anschließend ordentlich zugedeckt.

Das war noch bevor sie anfing ihn zu hassen.

In Laufe der folgenden drei Jahre, bekam Chiaki sichtlich zu spüren, wie die Liebe zu ihm verblasste und letztlich endgültig verschwand. Nachdem was passiert war, konnte sie ihm weder in die Augen blicken noch sich im selben Raum mit ihm aufhalten. Eines Tages kam er schließlich von der Schule in eine leere Wohnung nach Hause. Keine Spur von ihr. Stundenlang hatte er auf sie gewartet. Mit der Hoffnung, dass sie nur spät nach Hause kommen würde, was ab und an vorkam. Doch als Chiaki merkte, dass er selbst am nächsten Tag allein war, wusste er, dass sie ihn verlassen hat.

Ohne jeglichen Abschied.

Durch Behörden kam er schließlich bei Kaiki unter, da er keine weiteren Verwandten hatte.

Ermüdet fuhr Chiaki sich durch die Haare. Er wünschte, er könnte seine Mutter dafür hassen. Doch er konnte nicht. Schließlich war alles seine Schuld gewesen. Er hatte ihr die Person genommen, die sie mehr als alles andere liebte. Offensichtlich wohl auch mehr als ihn.

Selbst nach über zehn Jahren konnte Chiaki die Flammen klar und deutlich vor sich sehen. Er konnte die Hitze spüren und den Geruch des Rauches in seiner Nase wahrnehmen. Wenn er tief genug schlief, konnte er Arata brennend auf dem Boden liegen sehen und hören, wie sein Stiefvater verzweifelt nach Hilfe schrie, die niemals kam.

Kopfschüttelnd zwang Chiaki sich dazu, diese Erinnerungen nicht mehr weiter voranzutreiben.

Draußen ging die Sonne allmählich auf. Er schloss seine Textbücher und machte sich für die Schule fertig.
 

***

Frisch geduscht und fertig umgezogen stand Maron vor dem Spiegel des Gästebads. Sie war womöglich die Einzige, die es benutzte, während die anderen das große Hauptbadezimmer nutzten.

Sie kämmte ihre langen, offenen Haare, richtete ein letztes Mal ihre grün-gelbe Schuluniform und kontrollierte, ob alles so saß wie es sollte. Die langen Ärmel wurden sorgsam am Gelenk zugeknöpft und die kleine Schleife am Kragen ordentlich in Position gehabt. Bei dem kurzen Rock verzog Maron eine Grimasse. Sie vermisste die fast bodenlangen Röcke ihrer alten Uniform in Osaka. Mit denen hätte sie sorglos die Narben an ihren Beinen verdecken können.

Wenigstens konnte sie Strumpfhosen tragen und die kniehohen Strümpfe boten einen zusätzlichen Schutz an. Dennoch fühlte sie sich zu entblößt mit der Uniform.

Es war sechs Uhr und bis jetzt war noch keiner von den anderen aufgestanden, was sich jedoch in den nächsten Minuten ändern würde, weshalb Maron in die Küche ging und das Frühstück vorbereitete.

Die Kekse, die sie in der Nacht gebacken hatte, lagen schon für jeden in Reißverschlusstüten auf den Tresen.

Keine zehn Minuten später kam schon ihr Vater.

„Morgen“, begrüßte er sie, während er sich hastig sein Jacket überzog, die Krawatte locker um den Kragen hängend. Maron musste etwas schmunzeln. Anscheinend war er wiedermal spät dran.

Takumi schnappte sich eine Kekstüte und verabschiedete sich auch schon von ihr. Alles innerhalb eines guten Sicherheitsabstands zu seiner Tochter natürlich.

Paar Minuten später kam Sakura, die Maron lächelnd begrüßte, in Ruhe frühstückte und dann ebenfalls zu Arbeit losfuhr.

Zu guter Letzt kam Miyako perfekt ausgeschlafen und voller Energie runter. „Guten Morgen“, kam es gutgelaunt von ihr.

Ugh... Bei so viel Positivität, die die Kurzhaarige ausstrahlte, könnte Maron kotzen. Nicht nur waren sie beide äußerlich unterschiedliche Typen, auch innerlich. Miyako war recht beliebt in der Schule und jemand, die leicht auf andere zuging. Sie war laut und nahm nie ein Blatt vor dem Mund. Das komplette Gegenteil von Maron selbst.

„Was gibt’s heute zum Frühstück? Ooooh! Waffeln mit Himbeeren! Wow, riechen die gut!“

Miyako nahm am Tresen Platz, Maron ihr gegenüber und gemeinsam aßen die beiden ihr Frühstück.

„Ich schwöre, Maron, seit du bei uns bist habe ich garantiert zehn Kilo zugenommen”, sagte Miyako mit vollem Mund. Augenrollend musste die Braunhaarige kichern. Beide waren nur wenige Monate auseinander und Maron mochte Miyako wie eine Schwester. Schon seit dem ersten Tag, als Takumi ihr vor vier Jahren die Toudaijis vorstellte, waren sie Freundinnen. Auch als Maron noch in Osaka wohnte hielten sie Kontakt miteinander. Miyako schien ihren Vater auch gut zu mögen. Oft hatten die beiden Mädchen darüber gescherzt, wann ihre Eltern wohl endlich heiraten würden.

Was Miyako’s Vater anging, so war er anscheinend Polizist gewesen und bei einem Einsatz verstorben. Doch Miyako selbst war damals so jung gewesen, dass sie sich kaum an ihn erinnern konnte. Und solange ihre Mutter jetzt glücklich war, kümmerte es sie auch nicht.

Während Maron ihre Waffel aß, bekam sie vage mit, wie Miyako sie besorgt anschaute. „Du siehst furchtbar aus. Hast du letzte Nacht überhaupt geschlafen?“

Maron verzog das Gesicht.

Ich sehe furchtbar aus? … Danke auch, das fördert mein Selbstbild, Miyako…, ging es ihr sarkastisch durch den Kopf. Als Antwort zuckte sie nur mit den Schultern, was sie immer tat, wenn Miyako sie so etwas fragte. Diese seufzte, nickte akzeptierend und ließ das Thema fallen.

Wenn es um Maron ging, so war Miyako zwar besorgt, aber auch achtsam. Maron wusste, dass ihre Freundin darauf wartete, dass sie sich ihr öffnete. Doch sie bezweifelte, dass Miyako sie verstehen würde, weshalb sie ihre Probleme für sich behielt.

 

Nach dem Frühstück fuhren beide zur Schule. Die ganze Fahrt über sprach Miyako über nichts anderes, als diese Party heute Abend in der Nachbarsvilla. Maron war schon sichtlich genervt darüber.

„Es wird garantiert lustig dort werden, Maron! Shinji’s Parties sind legendär! Du musst kommen! Jeder wird da sein!“, sprach Miyako auf sie ein. Und da lag schon das Problem, weshalb Maron nicht kommen wollte. Der Gedanke daran, sich in einem Haus aufzuhalten, welches überfüllt mit betrunkenen Kerlen war, ließ sie erschaudern.

„Miyako…“ Maron drehte ihren Kopf zu ihr um. „Bitte, bring mich nicht dazu da hinzugehen. Mir ist ziemlich unwohl dabei.“

Den wahren Grund, weshalb sie nicht gehen wollte, wollte Maron nicht verraten. Miyako und Sakura waren nämlich nicht da gewesen, als sie ihren fast-Panikanfall bei ihrem Vater hatte. Und anscheinend hatte er ihnen auch nichts darüber gesagt, worüber Maron auch froh war. Womöglich war ihnen zu Hause auch noch nichts aufgefallen.

Doch Miyako war schlau und es kursierten bereits genug Gerüchte über sie herum, was ihre Aufmerksamkeit noch mehr auf Maron’s Verhalten lenkte. Wahrscheinlich konnte sie irgendwo eins und eins zusammenzählen.

Für einen Moment war es still zwischen den beiden und Maron hatte die Hoffnung gehabt, diese Argumentation für sich gewonnen zu haben. Sie hatte falsch gehofft, denn Miyako sah sie mit großen, bettelnden Hundeaugen an. Innerlich stöhnte Maron auf. Niemand konnte diesen Blick standhalten.

Und wenn Maron ehrlich mit sich selbst war, so wollte sie Miyako auch beweisen, dass sie für ein oder zwei Stunden ein normales Teenagerleben, in der auch Parties dazugehörten, führen konnte – mit der Hoffnung, dass dies ihre Sorgen um sie für eine Weile unterdrücken würde.

„Ugh… Okay, fein! Ich werde mit dir dorthin gehen, dort für fünf Minuten mit Natsuki quatschen und dann gehe ich wieder Heim“, sagte Maron genervt.

Miyako freute sich und grinste bis über beide Ohren. „Du wirst schon sehen, Maron, es wird ein Spaß!“

Als ob…, dachte sie sich augenrollend, stieg aus dem Wagen aus und begab sich Richtung Schulgebäude.

Maron konnte sofort die Blicke ihrer Mitschüler auf sich spüren. Von jeder Seite waren flüsternde Stimmen, Getuschel und Gelächter zu hören. Sie konnte zwar nicht hören, was sie sagten, weil sie alles direkt ausblendete, aber sie konnte es sich denken. Am liebsten würde Maron sich unsichtbar machen wollen. Mit jedem Moment fühlte sie sich erschöpfter, als würde diese penedrate Aufmerksamkeit ihre Kräfte rauben.

Zwei Anfälle hatte Maron soweit gehabt, in der männliche Mitschüler sie angefasst hatten. Wahrscheinlich war sie bereits die Lachnummer der gesamten Momokuri High.

Wie als würde Miyako ihre Gedanken lesen können, flüsterte sie: „Keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass niemand dich belästigt.“

Maron erwiderte darauf nichts, lief ihren Weg schweigend und mit gesenktem Kopf weiter. Im Schulgebäude trennten sich schließlich ihre Wege, denn Miyako ging in ihre Parallelklasse.

Im Klassenzimmer angekommen, ließ sie sich auf ihrem Platz nieder und atmete für einen Moment tief durch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass der Unterricht in zwanzig Minuten anfangen wurden. Mit Miyako zur Schule zur fahren hatte den Vorteil, dass sie mehr als überpünktlich ankam und bis jetzt waren auch nur eine Handvoll Schüler da.

Maron’s Lider wurden schwer, worauf sie beschloss für zehn Minuten kurz die Augen zu schließen. Es war sicherer in der Schule einzuschlafen, wo die laute Schulglock sie anschließend wecken würde. Damit konnte sie es auch vermeiden, so tief zu schlafen, dass sie träumte.

Maron verschränkte ihre Arme auf dem Tisch und legte ihre Stirn darauf nieder. Immer wieder hörte sie Stimmen, Schritte und das ständige öffnen der Tür. Langsam schloss sie ihre Augen und driftete in die Bewusstlosigkeit ab.
 

***

Nachdem Chiaki sich fertig umgezogen hatte, schnappte er sich seine Tasche und ging zu seinem Auto runter. Dabei konnte er ein Aufeinandertreffen mit Shinji erfolgreich vermeiden. Draußen blickte er zum Nachbarsgrundstück rüber und bemerken, dass Miyako Toudaiji’s Wagen wie immer schon weg war.

Schulterzuckend stieg Chiaki in sein Auto ein und fuhr zu den Minazuki’s, um Yamato abzuholen. Dieser stand auch wartend draußen und unterhielt sich mit ein paar Mitschülern aus dem älteren Jahrgang.

„Wurde auch verdammt nochmal Zeit, Mann“, begrüßte der Braunhaarige ihn, als er in die Beifahrerseite einstieg und sich anschnallte. „Die Typen haben mir eben das Ohr abgekaut, wegen der Party, die du heute Abend schmeißt.“

Chiaki zog eine Braue hoch.

„Die Party, die ich schmeiße? Das ist auf Shinji’s Mist gewachsen. Ich hatte von Anfang an keinen Bock darauf gehabt und wollte ihn eigentlich deswegen verpfeifen. Aber der Arsch hat damit gedroht Kaiki von meiner Suspendierung zu erzählen. Da flehe ich Kagura an, es niemanden zu sagen, als die Schulleitung im Krankenhaus anrief und dann erzählt er es trotzdem seinem kleinen Arschloch-Bruder“, stöhnte er genervt.

Er lehnte seinen Kopf in die Lehne zurück.

„Kommst du?“ Chiaki warf seinem Beifahrer einen fragenden Seitenblick zu. Eigentlich war ihm die Party egal, er würde sich sowieso in sein Zimmer verschanzen. Und solange keine hormonellen Teenagers in sein Zimmer reingeplatzt kamen, um miteinander rumzumachen, konnte ihm alles recht sein.

Yamato schnaubte. „Ja, klar. Ich gehe zu einer Party, umgeben von betrunkenen Teenagern, deren kombinierter IQ noch nicht mal den meines Hundes erreicht.“

Chiaki lachte amüsiert auf. „Also bitte, Yamato. Du beleidigst damit auch die Intelligenz deine zukünftige Ehefrau. Ich glaube nicht, dass du Toudaiji damit rumkriegen kannst.“

Yamato’s Kopf schnellte zu ihm rüber. „Miyako wird da sein?!“, fragte er, klangt dabei sichtlich enttäuscht.

Chiaki nickte und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, im Sinne von „Klar, wird sie da sein“.

„Ach, fuck! Ich habe meiner Mum schon versprochen, dass ich zu Hause bleibe und ihr aushelfe.“ Niedergeschlagen ließ Yamato sich auf seinem Sitz tiefer reinsinken. Chiaki verdrehte seine Augen.

Dass sein bester Freund heimlich für seine Nachbarin schwärmte, war ihm vom ersten Tag an bekannt. Er fragte sich, wann er wohl endlich den Mut aufbringen würde sie anzusprechen und mit ihr zu reden. Wie schwer kann es den schließlich sein?

Jedes Mal, wenn Miyako irgendwo in der Nähe war, konnte Yamato nicht aufhören sie wie ein Gockel anzustarren. Und jedes mal musste Chiaki diesen Drang unterdrücken, sie zu rufen und diesen peinlichen Quatsch ein Ende zu versetzen.

„Hey Toudaiji, das ist mein Freund Yamato. Kannst du mir den Gefallen tun und mit ihm in die Kiste steigen, damit er endlich aufhört dich wie ein verlorener Hund anzuschmachten?“

Bei den Gedanken musste Chiaki sich ein Kichern verkneifen.

Im Schulgelände angekommen, parkte er direkt neben Miyako’s Wagen. Das war das mindeste was er für seinen armen Freund tun konnte. Bedauernderweise war ihr Wagen schon leer.

„Ach ja!“, kam es von Yamato plötzlich. Er setzte sich auf und wandte sich mit einem Grinsen an Chiaki. „Du hast ja die ganze Aufregung über die Neue nicht mitgekriegt.“

„Welche Neue?“, fragte Chiaki gelangweilt und schloss kurz seine Augen. „Du hast mir von keiner Neuen geschrieben.“ Eigentlich interessierte es ihn nicht. Er konnte förmlich hören, wie Yamato über seine Gleichgültigkeit die Augen rollte.

„Ich wollte dir von der erzählen, sobald du wieder da bist. Die ganze Schule reißt sich das Maul über die auf. Die soll ziemlich abgedreht sein. Sie ist die Tochter von Takumi Kusakabe, Miyako’s zukünftiger Stiefvater. Vor einer Woche ist sie zu ihnen gezogen.“

Chiaki runzelte die Stirn. Er hatte eine neue Nachbarin und hatte es noch nicht mal mitbekommen. Korrektur: er hatte eine verrückte, neue Nachbarin und hatte es noch nicht mal mitbekommen.

Auf einmal war er interessiert. Chiaki gab Yamato ein Zeichen, dass er weiterreden soll, öffnete seine Augen und sah mit einem Seitenblick zu ihm rüber.

Zufrieden lehnte dieser sich zurück und begann zu erzählen: „Am Mittwoch hatte Shikaidou versucht seinen ‚Charm‘ bei ihr einzusetzen und sie soll voll ausgerastet sein.“

Ich würde auch ausrasten, wenn der Kerl mich anfassen würde, kommentierte Chiaki im Stillen. Dann ist die also in meine Klasse...

„Hatte irgendeinen schrägen, emotionalen Zusammenbruch, oder so ein Scheiß“, sprach Yamato weiter. „Sie fing an zu heulen und rannte aus der Klasse raus. War ein ziemliches Ereignis. Für gewöhnlich hätte ich gedacht, dass Hijiri endlich mal eine anständige Reaktion für sein Arsch-Gegrabschte bekommen hätte. ABER-“ Yamato hob zur Betonung seinen Finger, „-als Hibiki ihr gestern aufhelfen wollte, nachdem sie irgendwie gestolpert war, soll dasselbe passiert sein. Komischer, emotionaler Zusammenbruch und rannte heulend weg.“

Chiaki ließ sich das Erzählte durch den Kopf gehen. Es war offensichtlich, dass die Neue irgendwo mental instabil war. Gerade als er Yamato weitere Fragen über sie stellen wollte, klingelte die Schulglocke.

Genervt stieg er aus dem Wagen aus und beide begaben sich in ihre Klassen.

 

Ernsthaft? Ausgerechnet dieser Tisch?

Chiaki blickte zu dem schlafenden Mädchen neben ihn rüber. Ihm war sofort klar, dass es sich um die „verrückte Neue“ handelte. Sie schien tief und fest zu schlafen, denn weder bei der Schulglocke noch beim geräuschvollen Reinkommen des Lehrers wachte sie auf. Zu seinem Bedauern musste er für die Stunde mit ihr nun auch noch an einer Geschichtsaufgabe zusammenarbeiten.

Er sah, wie sich in einem sanften Rhythmus die Schultern auf und ab hoben. Ihr Gesicht war in ihren Armen eingebettet, weshalb er nur ein Haufen langer, brauner Haare von ihr sah.

Muss toll sein ungestört schlafen zu können..., ging es Chiaki verbittert durch den Kopf und fing an die Aufgaben zu bearbeiten. Er sollte sie aufwecken. Er sollte sich bei Herr Sato beschweren. Doch er tat es nicht.

Es war für ihn nahezu wie ein Sakrileg, so etwas friedvolles und unerreichbares wie Schlaf zu stören. Weshalb er seinen Neid und Ärger sich wegschluckte und sich auf die Aufgabe konzentrierte. Volle Punktzahl bekommen, ohne eine Gehirnzelle zu verschwenden... was für ein Luxus..., dachte er sich sarkastisch.

Noch nicht mal die Hälfte der Unterrichtszeit war vergangen, als Chiaki fertig war. Sofort bereute er es, dass er alles so schnell erledigt hatte. Er konnte nämlich kaum die Augen noch offen halten und es gab nichts, womit er sich beschäftigt halten konnte. Mindestens fünf mal fielen ihm seine Augen zu und zuckten abrupt wieder auf. Innerlich fluchend fuhr Chiaki sich die Hände über das Gesicht und warf der schlafenden Gestalt zu seiner Rechten einen grimmigen Blick zu.

Dämliches Dornröschen…!, fluchte er, als er sie ruhig atmen hörte und sogar ein leises, sanftes Schnarchen vernahm. Das Geräusch hatte was beruhigendes an sich und erinnerte Chiaki an ein Schlaflied. Und es machte ihn noch müder, als er es schon war. Alle anderen schienen es nicht zu hören, waren in ihrer Partnerarbeit vertieft und Herr Sato saß hochkonzentriert vor ein paar Unterlagen am Lehrerpult.

Ein weiterer Blick auf die Uhr: noch dreißig Minuten bis der Unterricht vorbei war.

Chiaki hielt es nicht mehr aus. Er hob seine Hand und räusperte sich, um sich die Aufmerksamkeit des Lehrers zu holen. „Ja, Mr. Nagoya?“, fragte Herr Sato ohne aufzuschauen.

„Entschuldige, aber darf ich eher in die Pause reingehen?“ Chiaki versuchte so höflich wie möglich zu klingen, trotz seines erschwerten Zustands. Er hoffte, man hörte nicht, wie undeutlich seine Worte ein bisschen waren. „Ich habe so früh am Morgen schließlich jetzt für zwei gearbeitet“, fügte Chiaki hinzu und nickte seinen Kopf auf die schlafende Neue.

Herr Sato sah kurz auf, seufzte und gab ihm nickend die Genehmigung. Etwas stutzig war Chiaki schon darüber, dass dies jetzt ohne große Diskussionen klappte und dass sein Lehrer dieses ungehobelte Verhalten seiner Tischnachbarin überhaupt erlaubte. Jeder andere hätte sie von der ersten Minute an schon geweckt.

Mit einem triumphierenden Lächeln packte er seine Sachen zusammen. In dem Moment als er sich von seinem Sitz erheben wollte, hörte er das leise Wimmern aus dem Nachbarstisch. Chiaki blickte zur Seite und bemerkte, dass das Mädchen im Schlaf leicht zu zittern begann. Für einen Moment starrte er ihre bebende Gestalt vor sich an, zog es eventuell doch in Erwägung sie zu wecken. Offensichtlich hatte sie einen Albtraum.

Doch Chiaki entschied sich dagegen.

Hast du verdient, dachte er sich gehässig.

Er erhob sich von seinem Stuhl und verließ schnellen Schrittes die Klasse, schloss hinter sich die Tür. Auch wenn es gegen seine guten Vorsätze verstieß, so beschloss er den Rest des Tages zu schwänzen und in das Wochenende zu gehen. Er bezweifelte, dass er bis heute Mittag, ohne einzuschlafen, überstehen würde.

Während Chiaki die Korridore entlang ging und sich nach draußen begab, schenkte er dem lauten, erstickenden Schrei aus seinem Klassenzimmer keinerlei Beachtung.



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