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Insomnia

"You can't fix me."
von

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SIX

Kleine Anmerkung, die ich beim letzten Kapitel vergessen habe: Hijiri und Noyn sind zwei unterschiedliche Personen in dieser Story. ^^

Nicht das es irgendwie zu Verwirrungen kommt…

 

Viel Spaß beim Lesen!

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SIX
 

Zu Hause verbrachte Chiaki den Sonntag verbarrikadiert in seinem Zimmer. Normalerweise würde er seine Zeit auch im Wohnzimmer verbringen und an der Playstation, die er sich mit Shinji widerwillig teilte, spielen, aber dieser hatte heute seine Freundin zu Besuch und Chiaki wollte jeglichen Kontakt mit Natsuki vermeiden. Ein Aufeinandertreffen würde sofort in eine Konfrontation ausarten, die er wahrscheinlich nicht überleben würde. Chiaki wagte es auch nicht Natsuki’s Kendo-Fähigkeiten zu unterschätzen. (Insgeheim fragte er sich, wie Shinji einen Beziehungsstreit mit ihr überlebte… Womöglich gar nicht.)

Natsuki verabscheute ihn aus Gründen, die ihm unbekannt waren. Vielleicht, weil er ihren Freund (aka. seinen Adoptivbruder) nicht ausstehen konnte -und kein Geheimnis daraus machte- und genauso wenig ihre beste Freundin (aka. seine Nachbarin Toudaiji) leiden konnte. Vielleicht war es auch einfach natürlich veranlagt. Man musste schließlich nicht jeden mögen und Natsuki war jetzt nicht unbedingt jemand, die Chiaki als beste Freundin haben wollte.

Dem Gelächter zufolge befand sich das Paar derzeit in Shinji’s Zimmer, welches sich schräg gegenüber von seinem befand. Dass Chiaki die beiden trotz der dicken Wände hören konnte, nervte ihn, weshalb er seine Kopfhörer rausholte und lautstark Musik anschaltete, um nicht noch andere Geräusche von ihnen zu vernehmen.

Sucht euch ein verficktes Hotel...!, fluchte er in Gedanken.

Tage an der Natsuki zu Besuch war, nervte ihn. Oft fehlte es ihn dann an Abwechslung in seinen Beschäftigungen. Eventuell zog er es in Erwägung sich in den nächsten Tagen einen eigenen Fernseher und Konsole zu kaufen und die in seinen Zimmer anzubringen. Zum Glück hatte Kaiki ihm und Shinji jeweils eine Kreditkarte für solche individuellen Bedürfnisse bereitgestellt, die beide unbegrenzt nutzen konnten.

Seufzend strich er sich durch die Haare.

Letztendlich störte es Chiaki auch nicht den ganzen Tag in seinem Zimmer zu verbringen. Diese vier Wände waren sein Heiligtum.

Selbst wenn dieses Zimmer ihm nicht den ersehnten Schlaf brachte, den er sich wünschte, so verschaffte es ihm dennoch die nötige Privatsphäre, die er wollte. Demnach durfte auch niemand in sein Zimmer. Selbst Yamato ließ er nicht oft rein. In Anbetracht dessen war die Situation am Freitag auch sehr gravierend für ihn, als Maron nach seiner Erlaubnis fragte in seinem Zimmer bleiben zu dürfen. Er bezweifelte, dass sie es vollauf zu schätzen wusste.

Doch wie sollte sie auch.

Sie kannte ihn nicht. Genauso wenig, wie er sie kannte.

 

Gegen Nachmittag, als auf seiner Playlist „Female Robbery“ von The Neighbourhood gerade lief, fiel ihm ein, dass er online ein paar Recherchen bezüglich Maron’s Vergangenheit machen wollte. Sowas derart Dramatisches müsste bestimmt in den lokalen Nachrichten ihrer alten Heimat geschafft haben.

Chiaki stand von seinem Bett auf, ging zu seinem Schreibtisch, räumte da seine Schulsachen beiseite und schaltete den Computer an. Anschließend ließ er sich auf dem Schreibtischstuhl fallen.

Während das Gerät leise hochfuhr, fuhr er sich ein paar Male über das Gesicht, um munterer zu werden. Ebenso überlegte er für einen Moment, ob es richtig war Maron so zu hintergehen und hinter ihrem Rücken zu schnüffeln. Ein bisschen überkam ihn sogar das schlechte Gewissen, doch das Gefühl war nur von kurzer Dauer.

Die Neugier überwiegte

Als Erstes suchte Chiaki nach Maron’s Namen. Sofort kamen als allererstes ein paar wenige Links, die zu ihren Social Media-Accounts zurückführten. Er klickte sie alle an und sah, dass die letzten Aktualisierungen mindestens drei Monate zurücklagen. Verständlich.

Flüchtig scrollte Chiaki durch ihre Profile durch. Es gab nicht viele Fotos, die sie gepostet hatte, eventuell nur eine Handvoll. Meist war sie mit ihrer Mutter zu sehen, die sie sehr ähnlich sah und ein paar alten Freunden. Er konnte erkennen, was für ein glückliches, selbstbewusstes Mädchen Maron einst mal gewesen ist. Dieses damalige Leuchten in ihren Augen und dieses sorglose Lächeln existierte heute gar nicht mehr. Beziehungsweise war hinter dieser traurigen, ausdruckslosen Maske versteckt. Nur ganz kurz hatte er letzte Nacht eventuell ein Fünkchen davon erhaschen können.

Da er keine Nachrichtenartikel fand, vermutete er, dass ihr Name anonymisiert wurde.

Damit ging er wieder zur Suchmaschine zurück und gab die Stichworte „Mutter Tochter zwei Monate zu Hause gefangen“ ein, worauf direkt ein aktueller Artikel aus Osaka erschien. Mit einem Klick las er ihn.

 
 

/Zwei Monate Hölle - Mutter und Tochter wochenlang gefangen gehalten/

OSAKA – Für zwei Monate hielt ein 40-jähriger Mann seine ehemalige Lebensgefährtin (37 Jahre) und ihre Tochter (17 Jahre) in deren eigenen zu Hause gefangen, nachdem er bei ihnen einbrach. Dort wurden sie auf täglicher Basis gefoltert und sexuell missbraucht. Ein Nachbar, der begann Verdacht zu schöpfen, hatte schließlich die Polizei alarmiert. Diese nahmen den Mann fest, fanden die Mutter ermordet im Wohnzimmer sowie das junge Mädchen gefesselt und geknebelt im Ankleidezimmer eingesperrt vor. Sie stand unter Schock, war vollkommen abgemagert, erlitt zahlreiche Knochenbrüche und Risswunden und wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht. Angeblich soll der mutmaßliche Täter psychisch krank sein, laut seines Verteidigers. Eine psychiatrische Beurteilung steht vor dem Gerichtsverfahren bevor-…

 

Chiaki hörte auf zu lesen und schaltete den Computer wieder aus. Die Geschichte passte zur Maron’s groben Geständnis von letzter Nacht. Keine Zweifel.

Zum einen war er enttäuscht darüber, dass er nicht mehr Infos über den Vorfall fand, als er erhofft hatte. Zum anderen war er erleichtert zu erfahren, dass der Täter sich in Haft befand.

Sonst wäre ich persönlich nach Osaka geflogen, hätte diese Mistgeburt aufgesucht, eigenhändig kastriert und umgebracht. Psychisch krank… am Arsch…!, dachte er sich bissig.

Letztendlich konnte wohl nur Maron seine Neugier stillen.

Schwer seufzend stand Chiaki auf und wollte zu seinem Balkon raus gehen, um zu rauchen, als ihn plötzlich ein schwindelndes Gefühl überkam. Abrupt blieb er mitten im Raum stehen, schwankte sogar etwas.

Verdammt! Der Schlafentzug erreichte allmählich seine kritische Phase.

Aus Erfahrung wusste Chiaki, wenn er jetzt nicht sofort ein bisschen Schlaf bekam, würden die Symptome sich verschlimmern. Da er keinen Bedarf verspürte anzufangen zu halluzinieren, holte er sein Handy und stellte den Wecker auf zwei Stunden ein.

Er konnte sich nicht mal erinnern sich hingelegt zu haben, denn nach zwei Stunden riss der laute Klingelton seines Weckers ihn aus dem Albtraum, den er hatte. Schweißgebadet und schwer atmend schoss er hoch, saß senkrecht auf dem Bett.

Mit zitternden Händen schaltete Chiaki den Wecker aus.

Es dauerte eine Weile bis er sich einigermaßen beruhigt hatte. Dennoch rührte er keinen Muskel, saß zitternd im Bett. Tränen rannten ihm unkontrolliert das Gesicht herunter.

Er hasste es.

Und er hasste sich.

 

Am späten Abend kam Kaiki von seiner Konferenz nach Hause. Da das Haus auffällig sauber war, würde er auch keinen Verdacht von der Party schöpfen. (Zumindest konnte Shinji nur hoffen, dass er nicht irgendwelche Kondome in Mülleimern vergessen oder übersehen hatte.)

Chiaki winkte Kaiki flüchtig zur Begrüßung zu, als er ihm auf dem Weg zur Küche entgegenlief. Dort machte er sich ein Sandwich und aß es allein in sein Zimmer.

Nach dem Essen sah er mit einem nachdenklich Blick auf die Uhr. Er würde wie gestern um Mitternacht losgehen. Allerdings müsste er sich womöglich aus dem Balkon rausschleichen, damit Kaiki nichts mitbekam, denn dessen Büro und Schlafzimmer befand sich im Stockwerk unter ihm und oftmals waren die Türen offen.

Ebenso hatte Chiaki darüber nachgedacht sein Skizzenbuch oder für Maron ein Buch zum Lesen mitzubringen, aber da es dafür zu dunkel sein wird, ließ er es sein.

Punkt zwölf Uhr ging er aus dem Balkon, schwang sich über das Geländer und manövrierte sich zum riesigen Pflanzengitter an der Wand. Von da kletterte er vorsichtig herunter und sprang nahezu geräuschlos auf dem weichen Gras ab.

Erstaunt darüber, dass er diesen Stunt soeben in seinem trägen Zustand problemlos gemeistert hatte, lief Chiaki zufrieden grinsend zu den Picknickbänken.

Wie letzte Nacht saß Maron wartend auf der Bank. Anders als die anderen Male trug sie keine Kapuze über den Kopf, weshalb ihre langen, braunen Haare offen zum Vorschein kamen. Sie drehte sich zu ihn um, als sie merkte, dass er näherkam. Ein kleines Lächeln war auf ihrem Gesicht, welches er erwiderte.

„Das war sehr waghalsig von dir. Und kriminell“, sagte Maron schmunzelnd, als Chiaki an seinem Ende der Bank Platz nahm. Er brauchte einen Augenblick, um zu verstehen was sie meinte.

„Oh“, kam es von ihm überrascht, „Das hast du vorhin gesehen?“, fragte er grinsend.

Sie nickte, worauf er unbekümmert abwinkte. „Ist mein Haus aus der ich mich hinausschleiche. Da ist nichts kriminell.“

Augenrollend legte Maron eine Kekstüte auf dem Tisch ab. Chiaki’s Grinsen wurde breiter. Anders als letzte Nacht, zögerte er nicht, griff rein und holte sich ein Keks heraus. Er nahm einen Bissen und erkannte sofort, dass es Schokokekse waren.

Die besten Schokokekse, die er in seinen siebzehn Jahren hatte.

„Habe ich dir zu viel versprochen?“, hörte er Maron in einem selbstgefälligen Ton sagen.

„Mhmm“, kam es von ihm zufrieden.

Leicht grinsend nahm sie sich selbst ein Keks heraus und aß ihn. „Es ist ein älteres Rezept, was ich besitze“, merkte sie an, „Gehört aber zu meinen Besten.“

Er nickte kauend.

Für einige Minuten saßen beide schweigend da und aßen ihre Kekse.

Es regnete zwar nicht, dennoch war die Luft neblig feucht und eisig kalt. Was allerdings eine gute Sache war.

Eine leichte Brise wehte vorbei und Chiaki konnte den blumigen, zitronenartigen Duft von Maron wahrnehmen, gemischt mit dem angenehmen Keksgeruch.

Sehr feminin.

Nach einer langen Weile durchbrach Maron’s sanfte Stimme die Stille zwischen ihnen: „Ich bin heute eingeschlafen.“ Sie klang niedergeschlagen, als sie das sagte.

Du also auch?, dachte Chiaki sich. Er drehte sich zu ihr und sah, dass Maron den Kopf gesenkt hatte, ihre glatten Haare verdeckten, wie ein Vorhang, ihr Gesicht. Er konnte sehen, wie ihre Hände sich krampfhaft an der Bank festhielten.

„Ja…Ich auch“, erwiderte Chiaki tonlos. „Für wie lange?“ Wie gestern positionierte er sich rittlings auf der Bank, den rechten Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt. Interessiert und teilweise besorgt blickte er Maron an.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Drei Stunden vielleicht. Ich war alleine zu Hause, saß auf der Couch und bin vor dem Fernseher eingeschlafen“, erklärte sie und seufzte reuemütig. „Dabei hätte ich besser wissen sollen…“ Kurz nahm sie tief Luft. „Ich wachte von diesem Traum auf...“ Ihre Stimme wurde leiser und gab nach. Sie drehte ihren Kopf zu ihm um.

Chiaki konnte sehen, dass ihre Augen nicht so müde aussah wie gestern, auch wenn die dunklen Schatten unter ihnen immer noch deutlich zu erkennen waren.

Maron presste sich die Lippen zusammen, blickte sich überall um, bevor ihre Blicke auf seine trafen. Sie lehnte sich etwas zu ihm rüber und sprach flüsternd weiter.

„Ich war wieder in meinem Zimmer…“ Chiaki lehnte sich etwas zu ihr nach vorne, um sie besser hören zu können. „In meinem alten Haus.“ Wieder schaute Maron sich wie paranoid überall um. Eine nervöse Angewohnheit, wie er feststellte.

Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass dieser Noyn nicht kommen würde, dass sie hier sicher war. Zumindest in der Realität. 

„Es war eines der ersten Nächte, in der alles anfing…“, sprach sie weiter, „Er wartete in meinem Ankleidezimmer… versteckte sich dort, als ich zu Bett ging.“

Sie hielt inne, ein widerwilliger Ausdruck war auf ihrem Gesicht. Chiaki wusste, dass er ihr sagen sollte, dass sie ihm nicht alles erzählen musste, doch stattdessen ermutigte er sie mit einem Nicken dazu weiterzureden. Es war selbstsüchtig von ihm, das war ihm bewusst, aber er war viel zu neugierig. Er wollte mehr wissen.

Maron drehte sich vollständig zu ihm um, setzte ihre Füße auf der Bank ab und legte ihre Arme um ihre Beine, zog ihre Knie zu ihrer Brust an.

„Er kam raus, als er davon ausging, dass ich am Schlafen war… war ich aber nicht. Ich sah die Tür einen Spalt offen… aber irgendwie... war ich zu erstarrt… Ich konnte nicht schreien oder irgendwas tun. Alles was ich tun konnte, war es geschehen zu lassen.“ Sie blinzelte einige Male stark, die Knöchel ihrer Hände wurden weißer. „Er... hatte mich angefasst, mich angegriffen, während ich noch im Bett lag … und das nächste was ich wusste war, dass ich blutete und im Ankleidezimmer gefesselt war.“ Automatisch dachte Chiaki an den Artikel zurück. Maron legte ihr Kinn auf den Knien ab, wirkte in Gedanken versunken. „Es sind die kleinen Dinge, die sich für immer in dein Gedächtnis einbrennen, nicht? Wie die Art und Weise, der Geruch von Blut mir Übelkeit verursacht... oder das Gefühl, wenn ich mich übergeben wollte, aber wegen dem Knebel daran erstickte... weißt du.“ Für einen Augenblick sah sie aus, als wurde ihr schlecht und dass sie sich wirklich übergeben musste.

Nach einigen Sekunden schüttelte Maron den Kopf und blickte ihm in die Augen. „Das war mein Traum. Zum einen war es gut, dass ich alleine zu Hause war... zum anderen war es... furchtbar.“

Chiaki war für einen Moment sprachlos, verarbeitete das Erzählte. Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Von ihr - gefesselt im Ankleidezimmer. Von Blut. Von ihrem persönlichen Höllenerlebnis. Er verstand, was sie meinte, bezüglich den kleinen Dingen, die sich ins Gedächtnis einbrannten. Maron’s Geschichte war ohne Zweifel in tausend Facetten einfach nur schrecklich und abgefuckt. Teilweise war Chiaki froh, dass er nicht der einzige war mit einer abgefuckten Hintergrundgeschichte.

Allerdings fand er, dass Maron in gewisser Weise besser mit ihrer umging, als er mit seiner. Dafür, dass sie erst seit so kurzer Zeit dieses schlaflose Leben führte. Chiaki hingegen machte es schon fast sein ganzes Leben lang.

Sie war stark… das musste er anerkennen.

„Sorry.“ Maron’s leise Stimme riss ihn aus den Gedanken. Er warf ihr einen etwas genervten Blick zu. Gerade wollte er sie dafür anmeckern, dass sie sich wieder entschuldigte, als er allerdings ihr trauriges Gesicht sah.

Kurz räusperte Chiaki sich. „Wofür entschuldigst du dich jetzt?“, fragte er so sachte wie er konnte.

Sie strich sich beschämt durch die Haare, setzte sich wieder ordentlich auf der Bank hin, „Ich wollte dich nicht mit meinen Problemen belasten. Hätte ich nicht tun sollen“, sagte sie, verstand sein nachdenkliches Schweigen dabei komplett falsch.

Chiaki seufzte. „Sei nicht dumm, Maron.“ Er griff nach der Tüte auf dem Tisch und holte sich ein Keks heraus. „Solange du mir Kekse bringst, kannst du mich mit allem belasten“, grinste er Maron an.

Er konnte nicht zulassen, dass sie sich schlecht fühlte, wenn sie ihm ihre Träume offenbarte. Immerhin wollte er auch über sie wissen.

Skeptisch runzelte Maron die Stirn. „Das sagst du nur so…“, entgegnete sie nuschelnd.

Erneut musste er seufzen. Okay… dann wollen wir mal.

Für einige Sekunden rang er mit sich selbst. „Würdest du dich besser fühlen, wenn ich dir von meinem Traum heute erzähle?“, fragte Chiaki schließlich mit einem aufgesetzen Lächeln.

Etwas überrascht weiteten sich Maron’s Augen. Pure Neugier breitete sich in ihrem Blick aus und sie nickte.
 

***

„Ich erzähle dir von meinen, wenn du mir von deinen erzählst“, hatte er gestern gesagt.

Es war nur fair, dass Chiaki ihr von seinem Traum erzählte, wie sie ihm ihren. Dies ließ Maron auch weniger wie ein Freak fühlen.

Resigniert strich Chiaki sich durch die Haare, blickte überall hin, bloß nicht in ihre Augen.

„Ich war in meinem Zimmer und fing an mich schwindlig zu fühlen“, fing er an und ihre Blicke trafen sich. Maron nickte verstehend. Sie wusste aus eigener Erfahrung sofort, wovon er sprach. „Nun, ich legte mich für ein Schläfchen hin… nur für so lange, damit’s ertragbar ist. Verstehst du?“ Wieder nickte sie.

Ja, ich verstehe dich voll und ganz… nun komm zum Punkt, dachte Maron sich etwas ungeduldig, wartete gespannt darauf, dass Chiaki ihr endlich von seinem Traum erzählte.

Sie sah, wie nervös er wirkte, beobachtete wie er in seine Jackentaschen griff, Zigarette herausholte und begann zu rauchen. Es schien ihn zu entspannen.

Welch Ironie…, ging es ihr durch den Kopf, als sie daran dachte, dass Rauchen ihm die Anspannung zu seinen Albträumen nahm. Albträume, die mit hoher Wahrscheinlichkeit was mit Feuer zu tun hatten.

„Ich habe von meiner Mutter geträumt“, sagte Chiaki plötzlich in einem leisen Wispern. Ihre Augen weiteten sich etwas. Das hatte Maron nicht erwartet.

„Es war die Nacht, nach der Beerdigung von meinem Stiefvater und ich war vollkommen allein.“ Er stoppte sich, bließ für einen Moment seinen Rauch aus und sah sie mit einem leicht verlegenen Ausdruck im Gesicht an. „Weißt du, meine Mutter hatte mir früher jede Nacht ein Schlaflied gesungen beziehungsweise gesummt. Dieses eine Lied…“ Als Chiaki ihr den Titel nannte, hatte Maron sofort die Melodie in ihrem Kopf. In der Grundschule hatte sie es im Chor gesungen und es war damals eines ihrer Lieblingslieder gewesen. Sie verkniff es sich auf der Stelle los zu singen oder zu summen.

Chiaki schüttelte seufzend mit den Kopf. Maron gab ihn mit einem ermutigenden Nicken zu verstehen, dass er weitersprechen soll. Wie er es bei ihr getan hatte.

„Wie auch immer, sie war in der Nacht nicht da…“ Er blickte auf den Holztisch runter und rauchte gedankenverloren seine Zigarette. „Und ich konnte ohne das Lied nicht einschlafen, weshalb ich sie suchen gegangen bin.“ Seine Schultern zogen sich etwas hoch. „Sie war in der Küche…am Trinken. Sehr viel sogar. War dann auch ziemlich betrunken.“ Maron sah, wie er sich wieder zu ihr wandte und einen weiteren langen Zug von der Zigarette nahm. „Sie hatte geweint, wollte mich nicht ansehen… Hatte gesagt, dass ich verschwinden soll. Dass sie mich nicht mehr bräuchte…“ Den letzten Satz flüsterte Chiaki so leise, dass sie ihn kaum noch hören konnte. „Sie war so wütend und hatte-…“ Er brach seufzend ab und schmiss im nächsten Augenblick die abgeglühte Zigarette weg. Mit einem Achselzucken, gab er ihr zu verstehen, dass dieses Gespräch für ihn hiermit beendet war und holte sich einen weiteren Keks heraus. Dabei wagte er es nicht, ihr in die Augen zu blicken.

Ihr Herz brach ein wenig vor Mitleid.

Wie kann eine Mutter nur so grausam sein?, ging es Maron fassungslos durch den Kopf. Von dem, was er ihr erzählte, fragte sie sich, ob seine Mutter auch schon mal Hand gegen ihn erhoben hatte. Bei der Vorstellung, wurde sie noch wütender gegenüber diese Frau, als sie schon war. Ihrer Meinung nach, hatte sie als Mutter vollkommen versagt.

Trauer konnte einen verändern, besonders wenn der Verlust einer besonderen Person involviert ist, dass wusste Maron nur zu gut. Doch das war noch lange kein Grund sich von seinem eigenen Kind abzuschotten, es zu meiden oder so mit ihm umzugehen. Schließlich hatte nicht nur sie jemanden verloren, sondern auch er.

Maron wollte ihm so viel sagen.

„Tut mir leid, dass du sowas durchleben musstest.“

„Deine Mutter eine furchtbarer Mensch.“

„Wie kann sie nur so herzlos sein?“

Doch sie ließ es sein, wohlwissend dass dies ihn nur aufregen würde.

Stattdessen nickte sie ihn mit einem sanften Lächeln nur an, auch wenn er nicht schaute und nahm sich einen Keks.

 

Die nächsten Stunden sagte keiner von beiden ein Wort. Saßen schweigend auf der Bank, starrten in den dunklen, nebligen Fluss hinaus und aßen ihren Mitternachtsnack.

Es war eine angenehme Stille zwischen ihnen. Überhaupt die Zeit mit Chiaki zu verbringen, gab Maron ein seltsames Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.

Sie dachte viel über seine Geschichte und seinen Traum nach. Sie war sich sicher, dass er dasselbe auch bei ihr tat.

Nach sechs Stunden, brach die Sonne allmählich durch die Wolken durch.

Mit einem bedauernden Seufzen durchbrach Maron wiedermals die Stille. „Ich muss mich für die Schule fertig machen“, sagte sie lustlos.

Chiaki drehte sich zu ihr, sein Gesicht spiegelte dieselbe Lustlosigkeit wider.

„Hmm. Schule…“, murmelte er nickend.

Nachdem beide aufgestanden sind, streckte Maron sich etwas und Chiaki packte seine Zigaretten und sein Feuerzeug in die Taschen ein.

Mit einem kleinen Lächeln verabschiedete sie sich von ihm und beide liefen zu ihren Häusern zurück.

Auf ihrem Rückweg musste Maron unwillkürlich an das Schlaflied denken, was Chiaki erwähnt hatte. Leise sang sie es vor sich hin, bis sie zu Hause ankam.

 

Cast away your worries, my dear

For tomorrow comes a new day

Hold to me, you've nothing to fear

For your dreams are not far away

 

As you lay your head and you rest

May your dreams take over my love

Listen close, my son of the west

For your destiny lies above

 

Though the world is cruel

There's a light that still shines

In the darkest days of our lives

 

When all hope seems lost

And you can't find your way

Think of me as you look to the sky

 

Child mine, your future is bright

For your father's blood's in your veins

In dark times, I pray you will fight

For the world will soon know your name

 

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Das Lied ist Inuyasha’s Lullaby gesungen von Lizz Robinett.

https://www.youtube.com/watch?v=sQVEVmHRygI

Alternativ habe ich auch diese Cover im Kopf

https://www.youtube.com/watch?v=wfTy2WLYW-I

(welche Stimme auch immer am besten zu Maron passt~)

Eine kleine Überraschung für Inuyasha-Fans schätze ich mal xD

 

Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Kapitel!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2019-10-06T17:04:03+00:00 06.10.2019 19:04
Und wieder ein tolles Kapitel, die Idee mit dem Lied von inuyasha finde ich soo süß. Schreib bitte schnell weiter, deine Geschichte ist eine der besten zur Zeit finde ich und ich kann es kaum erwarten bis das nächste Kapitel kommt.
Lg😊
Antwort von:  mairio
06.10.2019 19:24
Danke dir vielmals 💛 LG und bis zum nächsten Kapitel 😊


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