Zum Inhalt der Seite

Insomnia

"You can't fix me."
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

FOURTEEN

FOURTEEN

 

Maron lag noch einige Minuten hellwach im Bett und sah Chiaki beim Schlafen zu. Sie konnte es kaum fassen.

Er hatte sie geküsst!

Beließ es nicht nur bei kleinen, flüchtigen Küssen, sondern gab ihr auch einen Richtigen mit Zunge, Gekeuche und sogar einem Stöhnen am Ende.

Sie hatte zwar keine Vergleichswerte, aber in einem musste sie Yashiro zustimmen: er war ein verdammt guter Küsser. Wahrscheinlich der Beste auf Erden (wenn sie das mal so behaupten darf).

Das es nur ein Mitleidskuss war, wusste sie. Schließlich konnte sie das Mitleid in seinen Augen sehen. Und Maron würde sich selbst belügen, wenn sie behaupten würde, dass ein Teil von ihr ihn nicht in diese Richtung gelenkt hätte. Womöglich war es falsch von ihr gewesen sowas zu tun, aber für dem Moment war es ihr egal.

Und als er zustimmte, war sie ehrlich geschockt gewesen. Ein entschlossener Ausdruck war auf seinem Gesicht zu sehen. Entschlossen darüber sie aufzumuntern und ihr etwas zu geben, was kein anderer ihr womöglich jemals geben konnte. Er konnte sich wahrscheinlich nur ansatzweise vorstellen wieviel ihr das bedeutete.

Die Nervosität war groß als Maron zu ihm aufs Bett stieg. Ebenso bestand die Angst, dass sie schlecht darin wäre und dass sie sich vor Chiaki als schlechte Küsserin blamieren würde.

Doch sobald sie seine Hand auf ihrer Wange und dieses warme, elektrisierende Kribbeln spürte, konnte sie sich entspannen und alles danach fühlte sich irgendwie natürlich an.

Die kleinen Küsse waren toll, aber Maron konnte nicht widerstehen und wollte noch mehr. Sie wollte mehr als sie bekommen sollte.

Chiaki schien das nichts auszumachen. Und seine Zunge fühlte sich unglaublich an.

Das elektrisierende Gefühl wurde zu einem Feuer, was sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Sie wollte, dass er dieses Gefühl ebenfalls spürte, auch wenn’s nur für diesen einen Moment war.

Weshalb sie die Initiative ergriff und ihren Körper an seinen drückte. Und sie konnte es spüren - wenn auch nur für wenige Sekunden. Sie konnte die Erregung und einen Hauch von Lust in seinem Kuss spüren. Als sie sein Stöhnen vernahm, war sie auch etwas stolz auf sich, dass sie solche Reaktionen in ihm hervorrufen konnte.

Es machte ihr daher nichts aus, dass er abbrach, bevor er sich ganz auf dieses Gefühl einlassen konnte.

Es gab ihr ein bisschen Hoffnung. Hoffnung darüber, dass Chiaki vielleicht mehr für sie empfinden konnte und diese Empfindungen auch eines Tages zuließ.

Danach konnte sie nicht aufhören zu lächeln. Offensichtlich hatte ihr der Kuss gefallen - mehr sogar, jede einzelne Faser von ihr hatte es geliebt. Und sie scheute sich nicht davor es ihm mit ihrem Dauergrinsen zu zeigen. Und mit diesem Dauergrinsen schlief Maron letztlich auch ein.

 

Am nächsten Morgen klingelte wie immer der Wecker um exakt halb sechs. Wie jeden Morgen, wollte Maron am liebsten im Bett und insbesondere in Chiaki’s Armen bleiben. Und wie jeden Morgen, löste er sich von ihr mit einem Stöhnen, welches zwar anders war als der beim Kuss, aber dennoch Erinnerungen von der gestrigen Nacht hervorrief. Unbewusst fuhr Maron sich mit der Zunge über die Lippen, spürte wie ihre Wangen etwas warm wurden.

Sie stand auf und ging wie gewohnt ihrer Morgenroutine im Bad nach, verhielt sich so normal wie es ging, um Chiaki keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. Doch sobald Maron die Badzimmertür hinter sich schloss, breitete sich ein breites, riesiges Grinsen auf ihrem Gesicht aus und Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Sie zog sich um und packte ihre Sachen ein.

Wie sonst auch lag Chiaki noch mit geschlossenen Augen im Bett, als sie wieder rauskam und strich sich mit einer Hand durch die Haare.

Mit dem Rücken zu ihm gewandt, lief Maron zur Balkontür, als seine Stimme sie unerwartet stoppte.

„Hey“, rief er in einer leicht verschlafenen, rauen Stimme. Sie drehte sich um und sah, wie er sich aufsetzte. Seine braunen Augen trafen auf ihre. „Lass die Schlampe nicht nochmal an dich ran. Hast du verstanden“, sagte Chiaki in einem ernsten Ton.

Maron nickte bejahend und lächelte leicht.

Sie war froh darüber, dass sie gestern nicht vor Yashiro geweint hatte. Diese Genugtuung wollte sie ihr nicht geben. Mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck hatte Maron darauf gewartet, dass die Zicke und ihren Lakaien mit ihrem Gelaber fertig und aus den Toiletten verschwunden waren, ehe sie letztendlich in Tränen ausbrach.

Jetzt war es ihr vergleichsweise egal, was Yashiro oder ihre Freundinnen von ihr hielten.

„Außerdem...“ Chiaki lächelte schief und zuckte mit den Schultern. „Yashiro ist bei weitem nicht auf deinem Level was Küssen angeht.“ Mit den Worten ließ er sich wieder ins Bett zurückfallen und drehte sich mit dem Rücken zu ihr um.

Das überglückliche Lächeln auf Maron’s Gesicht schmerzte schon fast. Und an diesem Morgen war sie vor Freude wirklich nach Hause gehopst.

 

Nichts konnte ihre gute Laune vermiesen.

Nicht einmal Miyako und ihr Genörgel über die Party bei den Nagoyas dieses Wochenende.

Augenrollend lächelte Maron in sich hinein. Denn sie würde Chiaki sagen, dass er dafür sorgen soll, dass Yamato diesmal kam und sie selbst würde dafür sorgen, dass Miyako grün trug.

Die ganze Fahrt über musste Maron es sich verkneifen, um nicht belustigt loszulachen. Es war einfach nur lächerlich, wie blind die beiden füreinander waren.

Gleichzeitig konnte sie es ihrer Freundin irgendwo nachempfinden. Schließlich war sie selbst Hals über Kopf in Chiaki verknallt und konnte es ihm nicht sagen. Ähnlich wie Miyako Yamato nichts sagen konnte. Wenngleich auch aus anderen Gründen.

Denn Miyako wartete nur darauf, dass Yamato den ersten Schritt machte und irgendwelche Anzeichen von sich gab, dass er an sie interessiert wäre.

Ihre Situationen waren sich so ähnlich und doch so anderes. Im Fall Miyako und Yamato war das Einzige, was die beiden voneinander abhielt, sie selbst.

Es war nichts Unerwidertes, wie bei Maron mit Chiaki. Und dennoch, zur selben Zeit, waren sie und Chiaki sich näher, als Miyako und Yamato es bisher jemals waren.

Es war alles sehr verwirrend.

Doch Maron sah in all dieser Verwirrung auch was Positives. Es festigte für sie nur den Aspekt, dass sie sich endlich wie ein normaler Teenager ausnahmsweise mal fühlte.

In der Schule angekommen, liefen die Mädels Richtung Schulgebäude als Maron plötzlich einige Meter vor ihr ein hochnäsiges Kichern vernahm. Yashiro stand lästernd mit ihrer Gruppe neben der Eingangstür.

Maron’s Blick verfinsterte sich. Doch anstatt mit gesenktem Kopf an ihr vorbei zu laufen, beschloss sie Chiaki’s Rat nachzugehen. Auf keinen Fall würde sie die Schlampe an sich ranlassen. Weshalb Maron ihren Kopf hob, den Rücken gerade gerichtete und Yashiro das frechste Grinsen zuwarf, welches sie aufbringen konnte. Diese funkelte die Braunhaarige mit einem hasserfüllten Blick an, sagte jedoch nichts. Maron verkniff es sich wie eine Fünfjährige ihr die Zunge auszustrecken.

Als sie durch die Tür ging, vernahm sie im nächsten Moment ein leises, vertrautes Kichern hinter sich.

Chiaki.

Das Grinsen auf Maron’s Gesicht wurde noch breiter. Er mochte sie mehr als Yashiro. Ihr Herz klopfte vor Freude auf.

Ohne Weiteres begaben sie sich ins Klassenzimmer. Der restliche Schultag verlief auch relativ gut ab.

Yashiro und ihre Gruppe ließen sie in Ruhe. Vielmehr behandelten sie Maron wie Luft. Ihr sollte das Recht sein. Wahrscheinlich will sie ihre kostbare Zeit zum Vögeln nicht mit Mobben verschwenden, dachte sie sich gleichgültig.

Gerade hatten sie ihre letzte Unterrichtseinheit und Maron blickte unauffällig zu Chiaki rüber, der gelangweilt den Stoff verfolgte und nebenbei was zeichnete. Sie spürte wie ihre Wangen etwas rot wurden und ein kleines, verträumtes Lächeln sich auf ihrem Gesicht bildete.

Sie konnte es kaum erwarten, dass es zehn Uhr wurde.

 

Zu Hause verbrachte Maron den Nachmittag mal wieder in Miyako’s Zimmer. Diese suchte sich schon ein Outfit für die Party am Freitag zusammen. Dabei war es Dienstag… also noch drei Tage bis dahin!

Maron zeigte mit einem „Das wird ihm bestimmt gefallen“ auf jedes grüne Stück im Kleiderschrank. Miyako wühlte noch unschlüssig durch ihre Sachen bis sie ein Geistesblitz traf. Zum gefühlten hundertsten Mal nahm sie sich was raus und zog sich um.

Maron lag auf Miyako’s Bett, starrte zur Decke hoch und wünschte sich in ihrem Inneren, dass sie in jemandes anderen Zimmer wäre.

„So!“, hörte sie Miyako sagen. „Was hältst du davon, Maron?“

Die Angesprochene drehte ihren Kopf zu ihr um und ihre braunen Augen weiteten.

Oh mein Gott... Maron musste sich zusammenreißen, um nicht ihren Mund schockiert offen fallen zu lassen.

Denn Miyako stand in einer schwarzen, engen Lederhose vor ihr, die aussah als wäre sie auf der Haut aufgemalt. Als Oberteil trug sie ein schulterfreies Crop-Top (falls man es noch Top nennen konnte) mit wiedermal viel Ausschnitt und ebenfalls in schwarz.

Auch wenn es nicht grün war, so konnte das Outfit Yamato mit Sicherheit umhauen. Sowie jeden anderen Kerl der Schule.

„Ich hoffe doch, dass du da drüber noch eine Jacke oder so trägst“, sagte sie.

„Pff“, winkte Miyako lachend ab, während sie sich vor dem Spiegel drehte, „Es wird drinnen schon warm genug sein. Da brauche ich keine Jacke.“

Ich redete auch nicht von der Kälte, dachte Maron sich augenrollend.

Nach einer Weile hörten die beiden wie Sakura nach Hause kam und Maron stand auf, um das Abendessen zu machen. Ein Teil von ihr war dazu verleitet Sakura zu zeigen, in was für Sachen ihre unschuldige Tochter rumlaufen wollte. Aber den Schock wollte sie Miyako’s Mutter letztendlich doch nicht antun, weshalb Maron es sein ließ. Außerdem sollte sie auch nichts von der Party erfahren.

Wie sich herausstellte, würde Sakura passenderweise am Freitag nach Tokyo fahren, um sich dort mit Takumi zu treffen. Dort würde sie mit ihm gemeinsam das Wochenende verbringen und anschließend mit ihm zusammen nach Momokuri zurückfahren. Es war schön, dass die beiden auch mal Zeit für sich nahmen, dachte Maron sich. Während seiner Abwesenheit rief ihr Vater jeden zweiten Tag an und erkundigte sich immer bei ihnen.

Die beiden Mädels hatten Sakura hoch und heilig versprochen keine Party oder ähnliches zu veranstalten. Darüber brauchten ihre Eltern sich auch keine Gedanken machen, denn schließlich gab es schon eine Party im Nachbarshaus.

 

Die Nacht verlief so ab wie sonst vorher auch. Wie als wäre die gestrige Nacht nicht gewesen. Maron hatte Chiaki schließlich versichert, dass sich durch den Kuss nichts ändern wird. Demnach wird alles auch seinen gewohnten Gang gehen.

Nach zweimal Klopfen machte Chiaki ihr die Tür auf, sie packte drinnen ihre Tasche aus und gab ihm sein nächtliches Fresspacket, welches er mit Freude annahm. Maron kicherte ihn an und setzte sich anschließend aufs Sofa hin. Dabei schnappte sie sich sein Handy, spielte seine Playlist ab und steckte es an den Lautsprechern an, ehe sie Chiaki beim Essen zusah und sich mit ihm unterhielt.

Nach dem Essen nahm er ausnahmsweise nicht sein Skizzenbuch in die Hand, sondern beschloss gähnend, dass sie schlafen gehen sollten. Es war noch recht früh, aber da beide letzte Nacht nicht so viel Schlaf bekommen hatte, mussten sie die Stunden heute nachholen.

Demnach machten sie sich wie gewohnt fürs Bett fertig.

Sobald beide unter der Decke waren und das Licht ausgeschalten war, nahm er sie wie immer in seine Arme und hielt sie eng an sich gedrückt. Sie kuschelte sich an seine Brust ran, nahm einen tiefen Atemzug und grinste leicht in sich hinein, streichelte ihm dabei durch die Haare. Kurze Zeit später waren er und sie eingeschlafen.

 

Maron wusste nicht, wie spät es war, als Chiaki sie weckte. Sie spürte, wie unruhig er wurde und sein Arm auf ihrer Seite ihr fast die Luft wegdrückte. Seine Atmung war gehetzt. Maron öffnete träge ihre Augen, hob ihren Kopf und versuchte sein Gesicht im schwachen Mondlicht zu sehen. Seine Züge waren angespannt, die Augen kniffen sich immer mal zusammen. Noch immer hielt er sie so fest in seinen Armen, dass es schon fast schmerzte.

Sie hob ihre Hand, die noch auf seinem Rücken ruhte und kraulte ihm sachte den Nacken, mit der Hoffnung, dass dies ihn beruhigen würde und dass er seinen Griff um sie lockerte.

Plötzlich schnappten seine Augen auf, blickten sich desorientiert in der Dunkelheit um. Er atmete schwer. Anschließend trafen seine Blicke auf ihre, als er zu ihr runter sah.

Maron konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht richtig deuten. Eventuell konnte sie eine Spur von Angst in ihnen erkennen. Doch sicher war sie sich nicht.

„Chiaki?“, fragte sie müde, strich ihm immer noch durch die Haare. Der Griff um sie lockerte sich kein bisschen und er blickte ihr mit diesem undurchdringlichen Gesichtsausdruck tief in die Augen. „Was ist los? Hattest du einen Albtraum?“, fragte sie leise, versuchte dabei selbst nicht in Panik zu geraten. Auf keinen Fall wollte sie, dass die Albträume zurückkehrten.

Für einige lange Augenblicke rührte Chiaki sich nicht. Genauso wenig sagte er etwas. Er sah ihr einfach nur mit diesem intensiven Blick in den Augen an, hielt sie eng an sich gedrückt und atmete schwer.

Gerade als Maron sich ernsthafte Sorgen machen wollte, begann er sich zu entspannen. Der Arm um sie lockerte sich. Danach legte er wortlos eine Hand auf ihren Hinterkopf und drückte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. Sie spürte, wie er sein Gesicht für einen Moment in ihre Haare vergrub und tief ein und ausatmete.

„Verlass mich nicht“, hörte sie Chiaki leise wispern, die Stimme tief und rau. Maron war so müde und verwirrt, sie hatte keinen Schimmer wovon er sprach.

„Ich bleibe bei dir, Chiaki. Versprochen“, flüsterte sie, strich im beruhigend durch die Haare im Nacken.

Er sagte nichts mehr, nahm jedoch noch ein paar weitere tiefe Atemzüge ihrer Haare. Es dauerte eine Weile bis Maron spürte, dass er wieder eingeschlafen war.

Langsam rutschte sie mit ihrem Kopf etwas runter und legte ihn auf ihren gewohnten Fleck an seiner Brust ab. Sie war viel zu müde, um zu hinterfragen was soeben geschehen war.
 

***

Es war ein Traum.

Und irgendwie auch nicht.

Es war vielmehr wie eine Art Vorahnung. Eine Vorahnung darüber, dass sein Mädchen nicht mehr da sein wird. Sie kam mit dem Gefühl von Furcht und Einsamkeit. Dieselbe Furcht und Einsamkeit, welche er verspürte, bevor Maron in sein Leben auftauchte.

Dieses Gefühl bereitete ihm furchtbare Angst.

Als am Morgen der Wecker klingelte, brauchte Chiaki länger, um sich von Maron zu entziehen. Als sie ihn kurz drückte, drückte er sie zurück und erduldete den lauten, nervigen Ton für einige Sekunden länger.

Mit einem leicht verwunderten Gesichtsausdruck stand Maron auf, fragte jedoch nicht wegen letzter Nacht nach. Wofür Chiaki ihr dankbar war, denn er bezweifelte, dass er die Sache irgendwie ansatzweise erklären konnte.

Nach fünfzehn Minuten war sie auch aus der Balkontür verschwunden.

 

Den ganzen Morgen fühlte er sich angespannt und unruhig. Er konnte sich nicht erklären wieso – der Traum, all das Drama drum rum… Chiaki wusste es einfach nicht. Und er fühlte sich wie als würde er unter Strom stehen. Das irritierte ihn sehr.

Dies bekam auch Yamato mit, als er in sein Auto einstieg und ihm einen stummen Blick zuwarf, als würde er fragen was los war. Er konnte Chiaki’s Stimmungen immer gut lesen. Dennoch fragte Yamato nicht nach oder erkundigte sich in irgendeiner Weise nach ihm, sondern ließ sich ohne Worte in den Beifahrersitz fallen und starrte gerade aus auf die Straße, während Chiaki fuhr.

Seit einiger Zeit, insbesondere seit dem Unfall mit Miyako’s Wagen und all den Drogen- und Partyexzessen vor einem Jahr, hatte sich die beiden irgendwie auseinandergelebt. Sahen sich kaum noch außerhalb der Schule oder hingen an den Wochenenden miteinander ab.

Aber da Shinji wieder mal eine Party anstehen hatte, wollte Chiaki zur Abwechslung mal wie jeder andere normale Teenager Spaß haben (ohne illegale Substanzen!). Mit der Hoffnung, dass auch etwas von dieser inneren Anspannung, die er verspürte, nachließ.

„Hey, Yamato. Party am Freitag bei uns in der Villa. Bist du dabei?“ Chiaki sah seinen Beifahrer mit hochgezogener Augenbraue an.

Yamato überlegte für einen Moment, schürzte die Lippen und zuckte anschließend mit den Schultern. „Klar, wieso nicht“, erwiderte er gelassen und schloss für die restliche Fahrt die Augen. Chiaki grinste zufrieden.

Er wusste, dass Yamato nicht Nein zu einer Party sagen würde. Auch wenn diese auf weitaus legaleren Ebenen sich befand als die, die er sonst gewohnt war.

Im Schulparkplatz angekommen, öffnete Yamato wieder seine Augen und sein Blick war direkt auf Miyako fixiert, die soeben aus ihren Wagen ausstieg und vorbeilief. Er bekam einen unschlüssigen Ausdruck im Gesicht.

Chiaki sah zwischen ihr und ihm hin und her, seufzte augenrollend und stieg aus. Gemeinsam steuerten sie aufs Schulgebäude zu.

 

Bis zur Mittagspause war seine innere Anspannung zum großen Teil schon verklungen. Chiaki konnte sehen, dass sein Mädchen ihm immer mal besorgte Seitenblicke zuwarf. Doch ihm ging es gut. Er musste sich am Freitag nur mal richtigen gehen und abschießen lassen und dann wirds schon wieder.

Yamato saß schon an deren Tisch als Chiaki in der Cafeteria ankam. Er brauchte nur einen Blick auf dessen frustriertes Gesicht zu werfen, um zu wissen was in seinem braunhaarigen Freund vorging.

Genervt setzte Chiaki sich hin. Der Quatsch wurde ihm allmählich zu viel.

Mach es endlich, du Idiot!, gab er Yamato mit einem scharfen Blick zu verstehen. Dieser erwiderte den Blick mit verengten Augen, knabberte nebenbei an seinen Nägeln und wackelte unruhig mit dem Bein auf und ab, sorgte dafür das der ganze Tisch ratterte.

Dann eben nicht, seufzte Chiaki innerlich und holte sich seine Tüte Kekse aus der Tasche. Heute waren es Cranberry-Kekse mit weißen Schokoladenstücken im Teig gemischt. Yamato warf ihm und den Keksen einige lange Sekunden neugierige Blicke zu, sagte jedoch nicht, wohlwissend das Chiaki nichts erwidern wird.

Jeden Tag konnte er seinem Freund ansehen, wie ihm die Frage -woher die Kekse stammen- auf der Zunge brannte. Für den Fall hatte Chiaki sich überlegt zu behaupten, dass Sakura Toudaiji jeden Tag welche in der Nachbarschaft verteilte. Ob Yamato ihm das Abkaufen würde, war er sich nicht sicher.

Schweigend saßen die Jungs da und aßen ihr Essen. Nur der Umgebungslärm der Cafeteria füllte die Stille zwischen ihnen. Nachdem Chiaki mit seinen Keksen fertig war, packte er seine leere Tüte wieder weg und nahm sich einen Schluck von seiner Trinkflasche.

Yamato nippte noch geistesabwesend an seinem Schulessen. Nach einer Weile lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, stieß einen tiefen Seufzer aus und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Chiaki beobachtete ihn stillschweigen, verkniff es sich irgendwelche Kommentare rauszulassen und schnappte sich einfach eine Sandwichhälfte von Yamato’s Tablett.

„Hey…!“, murrte der Braunhaarige ihn leicht empört an, worauf er nur mit den Schultern zuckte. Er hatte halt noch Hunger.

Minuten vergingen bis Yamato plötzlich mit seiner Hand so fest auf dem Tisch schlug, dass alles darauf wackelte und sein Glas Milch ein paar Tropfen verschüttete. Erschrocken und verwirrt sah Chiaki zu ihm auf.

Yamato starrte an ihn vorbei, war auf etwas hinter ihm fixiert. Langsam drehte der Blauhaarige sich um und folgte seinen Blick.

Miyako stand einige Meter von ihnen entfernt beim Eingang der Cafeteria, mit dem Rücken zu ihnen gewandt. Irgendein Typ war gerade dabei sie anzuquatschen, wirkte auch wie als würde er mit ihr flirten wollen.

„HEY! TOUDAIJI!“, schrie Yamato von seinem Sitz aus.

Chiaki schnellte überrascht seinen Kopf zu seinem Freund um. Ein entschlossener Ausdruck haftete auf dessen Gesicht.

Heilige Scheiße, er macht es endlich! Chiaki saß mit halboffenem Mund da, konnte es kaum fassen. Anschließend bildete sich ein riesiges, fast stolzes Grinsen auf seinen Lippen, denn schließlich hatte er fünf lange Jahre auf genau diesen Moment gewartet.

Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, verschränkte locker die Arme vor der Brust und wartete darauf, dass Miyako hierüberkam.

Er war sich mehr als sicher, dass sie kommen würde.

Yamato’s Gesichtsausdruck zu urteilen, näherte sie sich deren Tisch, denn sein Blick besänftigte sich und er bekam dieses trottelige, verliebte Lächeln auf den Lippen.

Chiaki sein Grinsen wurde noch breiter, es tat schon fast weh.

Als Miyako endlich an deren Tisch ankam, hatte sie dasselbe trottelige, verliebte Lächeln auf dem Gesicht wie sein bester Freund. Sie stand da und blickte Yamato mit Herzaugen an. Sie schien Chiaki’s Anwesenheit am Tisch noch gar nicht zu bemerken.

„Hi Yamato“, säuselte sie, wirkte dabei wie als würde sie mit aller Macht versuchen nicht so aufgeregt zu wirken, wie sie sich eigentlich fühlte.

Chiaki musste innerlich lachen und schaute zu Maron’s Tisch rüber. Sein Mädchen saß auf ihrem Platz, den Blick auf Miyako und Yamato geheftet und trug dasselbe breite Grinsen wie er auf ihrem Gesicht. Kichernd widmete sie sich anschließend ihrem Buch zu.

„Hey, setz dich doch. Ich will dich was fragen“, kam es von Yamato cool, strich sich zusätzlich mit gespielter Langeweile über seine Jacke.

Keine Sekunde später hatte Miyako schon auf dem Stuhl neben ihn Platz genommen. Sie hatte Chiaki noch immer keines Blickes gewürdigt. Oder überhaupt zur Kenntnis genommen.

Sämtliche Aufmerksamkeit von ihr war auf seinen braunhaarigen Freund fixiert. Auch Yamato war voll und ganz auf Miyako konzentriert.

Und Chiaki selbst musste sich stark zusammenreißen, um nicht laut loszukichern. Man konnte deutlich die rosarote Brille bei beiden sehen.

Miyako schlug die Beine übereinander, stürzte sich mit einem Ellenbogen am Tisch ab und versuchte cool und gelangweilt zu wirken wie Yamato. Chiaki musste über diese erbärmlichen Bemühungen mit den Augen rollen.

„Was gibt’s?“, fragte sie, spielte dabei mit einer Strähne ihrer kurzen Haare.

Yamato war für einige fremdschämende Momente auf ihre Finger in ihren Haaren fokussiert, ehe er sich wieder fasste. „E-Ehm…“, stammelte er und schüttelte den Kopf. „Gehst du auf die Party bei den Nagoyas am Freitag?“, fragte er schließlich. Chiaki schnaubte fast verächtlich. Als ob kein Nagoya direkt bei ihnen sitzen würde. Nahmen sie seine Existenz überhaupt noch wahr? 

Miyako lächelte Yamato an und nickte so schnell mit ihrem Kopf, Chiaki hatte schon die Befürchtung er würde abfallen.

Yamato lächelte verträumt zurück. „Ja, ich auch“, zuckte er lässig mit der Schulter.

Und dann wurde es wieder ruhig zwischen ihnen. Nervös und verloren blickten die beiden umher, brachten das Gespräch nicht mehr weiter.

Chiaki warf entnervt den Kopf nach hinten und unterdrückte den Drang laut aufzustöhnen. Die beiden machten einen noch fertig! Noch keine fünf Sätze miteinander geredet und schon verfielen sie wieder in peinliches Schweigen! Es war wirklich nervenzerreißend!

Frag sie endlich aus, du verdammter Idiot!!, schrie er Yamato in Gedanken an.

Plötzlich blitzte etwas in Miyako auf und sie griff mit einem Lächeln in ihre Tasche.

Einen Augenblick später hielt sie eine Tüte voller Cranberry-Kekse mit weißer Schokolade in der Hand.

Chiaki erstarrte. Alles in ihm erstarrte.

Weil Yamato die Tüte sowie den Inhalt wiedererkennen würde. Schließlich schleppte Chiaki seit zwei Wochen diese Tüten mit rotem Zip-Verschluss mit sich rum, die sein Freund auch jeden Tag neugierig beäugte. Ebenso hatte er ihn dieselben Kekse vor zehn Minuten noch essen sehen.

Miyako schob ihm die Tüte auf dem Tisch entgegen.

„Keks?“, fragte sie fast verführerisch.

Yamato wandte seinen Kopf zu ihr um und blickte anschließend auf die Kekstüte runter. Sein Lächeln erstarb und die Augen wurde riesengroß.

Fuck, fuck, fuck!, echote es in Chiaki’s Kopf.

Langsam sah Yamato zu Chiaki auf, nahm ihn zum ersten Mal seit Miyako’s Anwesenheit am Tisch wieder wahr und ihre Blicke trafen sich.

Lass stecken! Lass einfach stecken, Junge!! Frag sie nicht!, bat Chiaki ihn im Stillen, schüttelte mit Nachdruck unauffällig den Kopf und machte diskret mit seiner Hand eine schneidende Bewegung auf Höhe des Halses.

Doch sein Freund ging nicht auf seine stummen Bitten ein. Er wirkte sichtlich angepisst.

„Also, Miyako…“ Yamato reichte nach der Tüte und holte sich einen Keks raus, ohne den Blick von Chiaki abzuwenden. „Du backst Kekse?“, fragte er und nahm ein Bissen.

Unter Umständen hätte Chiaki ihn dafür ausgelacht, dass er dachte das die Kekse von Miyako wären, doch er konnte nicht. Angesichts der Tatsache, was sie gleich antworten wird.

Und er steckte sowas von tief in der Scheiße. Das Beste wäre auch jetzt auf der Stelle abzuhauen.

„Nein“, lächelte Miyako Yamato verliebt an und aß ebenfalls einen Keks. „Maron hat sie gemacht.“

In dem Moment verschluckte Yamato sich fast an seinem Keks.

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2019-12-06T22:27:12+00:00 06.12.2019 23:27
Oh man das ist soo fies an so einer Stelle aufzuhören! Mal wieder Super geschrieben 👌🏽. Ich frage mich wie Chiaki das erklären will 🤔😂 ? Freue mich schon aufs nächste Kapitel.
Lg🥰
Antwort von:  mairio
06.12.2019 23:47
Danke dir :3

Wünsche dir ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Mal :) :]


Zurück