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Insomnia

"You can't fix me."
von

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SIXTEEN

SIXTEEN

 

Der Donnerstag verlief wie im Fluge und Chiaki hatte soweit noch nichts zur Zahnbürste gesagt, was Maron irgendwie wunderte.

Gerade saß sie auf ihrem Stammplatz auf dem Sofa und unterhielt sich etwas mit ihm. In Gedanken war sie bei der morgigen Party. Ein wenig gekränkt war sie schon darüber, dass er unten seinen Spaß haben und sie oben stundenlang allein in seinem Zimmer verbringen wird. Aber sie schob die Bitterkeit sofort wieder beiseite, nachdem sie sich in Erinnerung rief, dass er zu ihr kommen würde sobald die Party vorbei war. Da wie beim letzten Mal bestimmt viel Alkohol im Spiel sein wird, stellte Maron sich in ihrem Kopf schon mal ein Heilmittel für ihn zusammen gegen den zu erwartenden Kater.

Chiaki sagte nichts -rein gar nichts- zum morgigen Abend, unterhielt sich dagegen mit ihr über ein neues Musikalbum, welches er gekauft und runtergeladen hatte.

Nach einiger Zeit schloss er sein Skizzenbuch. Er sah sehr, sehr müde aus. Weshalb Maron aufsprang und ins Bad ging mit der Hoffnung, dass ihre Zahnbürste sich noch neben seiner befand (denn sie hatte keine Ersatzzahnbürste mit). Zu ihrer Freude hing ihre rote Zahnbürste immer noch neben seiner blauen, wie als würde sie dorthin gehören. Lächelnd ging sie ihre Abendroutine nach. Im Bett kuschelte sie sich wie immer gemütlich an Chiaki ran, sobald das Licht aus war und kraulte ihm durch die Haare. In innerhalb von Sekunden waren beide eingeschlafen.

 

Der Freitag war nicht Maron’s Tag und es fing schon am Morgen an.

Denn anders als sonst wurde sie nicht von dem Wecker geweckt, sondern von einem lauten Klopfen an der Tür. „Chiaki!“, war eine dumpfe Stimme auf der anderen Seite zu hören. „Hey! Wach auf, Alter!“ Es war Shinji’s Stimme.

Erschrocken fuhren beide hoch, sahen sich für eine Millisekunde mit Panik in den Augen an. Sofort sprang Maron aus dem Bett und schnappte sich ihren Rucksack auf dem Sofa, stolperte dabei und stieß sich das Schienbein an der harten Seitenkante des Möbelstücks an. Sie biss sich auf die Lippe, unterdrückte einen Schmerzenslaut. Das Klopfen ging weiter, gefolgt mit einem Rattern der Türklinke. Es war abgeschlossen.

Eine kleine Welle der Erleichterung, durchfuhr Maron. Wenigstens hatte Chiaki für alle Eventualitäten mitgedacht.

„Moment!“, rief er Richtung Tür, als er Maron schnell aufhalf und Richtung Ankleidezimmer schob. Diese machte jedoch eine Wende Richtung Bad, humpelte in Windeseile dorthin und schloss die Tür so lautlos wie möglich.

Mit Herzklopfen legte sie ihr Ohr an die Badezimmertür und hörte im nächsten Moment, wie Chiaki die Tür aufschloss und deutlich genervt „Was?!“ schrie.

„Alter, warst du nackt oder was hat so lange gedauert?!“, hörte sie Shinji ebenfalls in einem genervten Ton sagen.

„Das geht dich nichts an! Also, was willst du?“

„Hast du es schon vergessen? Kaiki fährt schon in der Früh. Beweg deinen Arsch runter und verabschiede dich von ihm. Er wartet schon auf uns.“

„Gottverdammt! Gib mir noch zehn Minuten.“

„Ach ja! Besorgst du hier die Sachen für heute?”, sprach Shinji auf einmal deutlich leiser, nahezu flüsternd, sodass Maron ihn fast nicht verstanden hätte. „Natsuki und ich kümmern uns um den Alk.“

„Ja, ja, ja, ja, ja. Nerv nicht“, erwiderte Chiaki ungeduldig, „Nun hau ab und lass mich in Ruhe. Ich bin gleich unten.“ Anschließend hörte Maron wie er die Tür mit einem lauten Knall zu machte. Einige Sekunden wartete sie noch, bis sie Chiaki leise sagen hörte: „Er ist jetzt weg. Du kannst rauskommen. Und beeil dich.“

Das war knapp…! Vor Erleichterung fiel Maron fast ein Stein vom Herzen. Blitzschnell zog sie sich um und kam aus dem Bad raus, humpelte noch leicht.

Chiaki stand ebenfalls mit einem erleichterten Gesichtsausdruck an der Tür angelehnt. Er hielt einen kleinen zerknüllten Zettel in der Hand. Fragend blickte sie ihn an.

„Shinji’s Einkaufsliste für die Party“, beantwortet er ihre unausgesprochene Frage. Sie nickte knapp. Womöglich war er für alles Nicht-Alkoholische zuständig, während sein volljähriger Adoptivbruder und dessen Freundin ihr ganzes Geld für Alkohol verprassen werden. „Stiehlt der Kerl mir dreißig Minuten wertvollen Schlaf“, brummte er genervt in sich hinein. Maron schmunzelte ein bisschen, da die Uhr gerade mal fünf anzeigte.

„Naja, bis später“, flüsterte sie, begab sich schnellen Schrittes zur Balkontür. Wie jeden Morgen war es noch schwarze Nacht draußen, wodurch Maron hoffte, dass man sie nicht sah.

Sie blieb beim Runterklettern zum Glück auch unentdeckt, rutschte allerdings die letzten paar Stufen ab und landete unsanft auf dem nassen Boden. Verletzt war sie jedoch nicht.

Ihre Pechsträhne setzte sich zu Hause fort, als sie sich an ein paar Fettspritzern verbrannte, als sie Speck und Spiegeleier zum Frühstück machen wollte. Sowas war ihr beim Kochen noch nie passiert und das ärgerte sie sehr.

Beim Einsteigen ins Auto, stieß Maron sich hart Kopf und von da an wusste sie, dass der ganze Tag wahrscheinlich so ablaufen wird. Auf dem Weg zur Schule konnte sie sich kein bisschen über Miyako’s Enthusiasmus bezüglich Yamato und der Party amüsieren. Ihre Laune war schon weit unten gewesen als sie Fuß aus der Haustür gesetzt hatte. Und die wurde über den Tag nicht besser.

Während der Fahrt hatte es in Strömen zu regnen angefangen. Und sie hatte keinen Schirm mit. Nass wie ein Pudel kam sie im Klassenzimmer an. Gerade als Maron auf ihren Platz zugehen wollte, rutschte sie wegen ihren nassen Schuhen aus und landete mit den Händen voraus auf dem glatten, kalten Boden.

In dem Moment fühlte sie sich wie als würde das Universum sie hassen. Das Kichern ihrer Mitschüler war zu hören, doch sie war zu angepisst, um sich davon beirren zu lassen. Murrend richtete sie sich auf und setzte sich auf ihrem Stuhl hin.

Als sie kurz zu ihrer Linken sah, erblickte sie Chiaki, der alle böse anfunkelte, die Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt. Maron realisierte, dass er sauer auf alle anderen war, die sie soeben ausgelacht hatten. Dies ließ sie etwas besser fühlen, wenn auch nur für einen minimalen Moment. Sie hatte lästige Kopfschmerzen, ihr Schienbein tat noch weh und ihre Hände schmerzten durch den Fall. Der Tag hatte erst angefangen und sie wünschte sich sehnlichst, dass er vorbei war. Am liebsten wollte sie in Chiaki’s Zimmer zurückkehren, wo es schön warm und trocken war.

Doch leider musste sie sich noch einige Stunden gedulden.

Und wie Maron schon befürchtet hatte, wurde der Tag einfach nicht besser. Sie bekam heute eine Japanischarbeit wieder, welche sie durchgefallen ist. Es war überhaupt das erste Mal, dass sie in ihrem Lieblingsfach durchgefallen war und sie funkelte die Arbeit in ihrer Hand sowie die null Punkte wütend an. Die letzte Einheit, Sport, war am schlimmsten. Mindestens fünf Basketbälle hatten sie getroffen und Maron wusste noch nicht mal aus welchen Richtungen sie alle kamen.

 

Die Schule war mittags letztlich vorbei und sie war einfach nur fertig mit der Welt. Ihre Laune hatte seinen Tiefpunkt erreicht.

Nur halbherzig hatte Maron sich von Sakura verabschiedet, die nach Tokyo reiste und um das Wochenende mit Takumi dort zu verbringen. Genauso halbherzig und lustlos hatte sie Miyako bei der Outfitsuche geholfen.

„Maron!“, rief diese ihr zu laut ins Ohr, „Du schaust noch nicht mal!“

Genervt stöhnte Maron auf. „Was soll ich dir noch helfen? Alles sieht super aus! Wieso ziehst du dir nicht deine aufgemalte Lederhose von letztens an?“, zickte sie sie an.

Daraufhin schnaubte Miyako nur und sagte ihr, dass sie auch allein zurechtkommen würde.

Maron war das Recht. Sie ging nach unten, backte ein paar Kekse für später und überlegte sich, was sie zu Abend kochen soll. Die Angst war groß, dass sie sich wieder verbrennen würde und ihr hatte schon das eine mal am Morgen gereicht. Am Ende entschied sie sich für einfache Tomaten-und-Mozzarella-Sandwiches. Als sie diese fertig zubereitet hatte, kam auch Miyako in die Küche, in der schwarzen, hautengen Lederhose mit einem grünen Top sowie dem passenden Makeup auf dem Gesicht. Wenigstens kam sie selbst auf die Idee grün zu tragen, dachte sich Maron und gab ihr auf das Outfit zwei zustimmende Daumen hoch.

Nach dem Essen packte sie ihre frischgebackenen, abgekühlten Kekse ein und rechnete dabei noch eine Tüte für Yamato dazu, die Miyako mitnehmen konnte, wenn sie wieder auf ihre „Geheimwaffe“ zurückgreifen musste. Gleichzeitig erhoffte Maron sich Pluspunkte bei ihm zu sammeln. Schließlich war er Chiaki’s bester Freund, der von ihr wusste und da wollte sie, dass er sie irgendwie mochte - oder akzeptierte.

 

Gegen halb zehn wollten die Mädels eigentlich zu den Nachbarn rübergehen. Aber da Maron noch ihre Sachen für die Nacht noch fertig packen musste und nicht wollte, dass ihre Freundin Verdacht schöpfte, wenn sie mit vollgepackter Tasche auf einer Party ankam, hatte sie Miyako angewiesen, dass diese schon mal voraus gehen konnte und sie selbst nachkommen würde, mit der Ausrede, dass sie sich noch fertig machen wollte. Die Kurzhaarige platzte schon vor Ungeduld, weshalb sie mit einem „Schreib mir, wenn du da bist“ einfach nickte und in der nächsten Sekunde schon aus der Tür war.

Seufzend packte Maron die nächste halbe Stunde ihre Sachen zusammen, zog sich noch ihre Jacke mit Kapuze an und begab sich schließlich ebenfalls nach draußen. Draußen war schon der dumpfe Bass der Musik zu hören, welches mit jedem Schritt lauter wurde. Der Regen hatte über den Tag aufgehört, wodurch die Nacht trocken blieb. Vor der Tür hatten sich auch schon sehr, sehr viele Leute versammelt, die miteinander redeten, lachten, rauchten oder aus irgendwelchen Alkoholflaschen tranken. Es kam Maron vor, als wären mehr Leute da als beim letzten Mal. Was womöglich der Fall war. Wahrscheinlich hatte Shinji die halbe Stadt eingeladen.

Die Menschenmenge machte sie sichtlich nervös.

Maron zog sich ihre Kapuze etwas über das Gesicht, ging über die Türschwelle und stellte erleichtert fest, dass es drinnen noch nicht zu überfüllt war. Was sich natürlich in den nächsten Minuten noch ändern kann. Zumindest hatte sie genug Freiraum an den Wänden, um sich an alle Menschengruppen vorbeischlängeln zu können. Ein emotionaler Zusammenbruch würde den heutigen Tag schließlich noch toppen.

Schließlich hatte Maron die Treppen erreicht, ging ein paar Stufen hoch, blieb kurz stehen und schaute sich in alle Richtungen nach Miyako oder Chiaki um. Sie hatte Miyako eine SMS geschrieben, dass sie da wäre, aber bestimmt war die Kurzhaarige zu sehr anderweitig beschäftigt, um auf ihr Handy zu schauen. Mit hochgestrecktem Kopf ließ die Braunhaarige ihren Blick durch die Menge schweifen. Ein paar Leute tanzten, andere standen da und unterhielten sich laut, wieder andere veranstalteten Trinkspiele.

Shinji fand sie im Wohnzimmer auf der Couch vor, mit Natsuki an seiner Seite. Beide stießen gerade mit einer paaren Leuten an, lachten heiter. Maron blickte sich weiter um, hoffte darauf einen gewissen blauhaarigen Schopf zu erblicken. Doch stattdessen fand sie einige Meter weiter Miyako, die auf einen großen Tisch zuging. Auch dort hatten sich Leute zum Trinken versammelt. Unter ihnen auch Yamato, der leger in Jeans und T-Shirt dastand und breit lächelte, als Miyako vor ihm stand. Er reichte ihr ein Glas, welches sie mit aufgesetzter Gleichgültigkeit annahm. Gerade versuchte die Kurzhaarige nicht so zu wirken, als wäre sie allein wegen ihres Schwarms auf dieser Party.

Maron musste spöttisch schnauben. Sie ließ ihren Blick weiter wandern und fand nicht weit von Yamato entfernt endlich den blauhaarigen Schopf, nachdem sie gesucht hatte.

Chiaki saß auf einem Stuhl am Tisch, lehnte sich lässig zurück und hielt in einer Hand ein Getränk, die andere war in seiner Hosentasche vergraben. Grinsend beobachtete er amüsiert die Miyako-Yamato Interaktion. Maron musste automatisch mitlächeln. Sie hielt sich am Treppengeländer fest und wünschte sich, dass sie bei ihm sein könnte oder dass Chiaki sie sehen würde.

Was er leider nicht tat.

Stattdessen tauchte ein fremdes, leicht bekleidetes Mädchen in ihr Blickfeld auf. Sie hatte lange, blondgefärbte Haare, die gelockt ihr hübsches Gesicht zierten. So plötzlich wie sie aufgetaucht war, so ließ sie sich genauso plötzlich auf Chiaki’s Schoß fallen.

Maron zog scharf Luft ein, hielt sich krampfhaft am Geländer fest. Sie wollte wegsehen, konnte es jedoch nicht. Wie eine Statue stand sie da, während ihre Eifersucht sie rot sehen ließ. Für einen ganz kurzen Augenblick konnte sie beobachten, wie Chiaki der Tussi ein engelsgleiches Lächeln schenkte. In der nächsten Sekunde legte die Blondine ihren Kopf schief und sein Gesicht war von der blonden Mähne verdeckt. Maron konnte nur noch beobachten, wie die ihre Finger durch seine Haare strich.

Ihre Haare.

Ihr reichte es. Maron drehte sich um und rannte die Treppen hoch. Ohne nochmal zurückzublicken rannte zum zweiten Stock hoch, versuchte die sich anbahnenden Tränen zu unterdrücken. Stampfend steuerte sie auf Chiaki’s Zimmertür zu, suchte in ihrer Tasche nach seinem Schlüssel und steckte es grob ins Schloss rein. Nach einigen Umdrehungen schwang Maron die Tür auf und schlug sie mit einem lauten Knall hinter sich wieder zu.

Mit zugekniffenen Augen und geballten Fäusten stieß sie ein frustriertes Knurren aus. Miesgelaunt warf sie ihren Rucksack auf den Boden, ließ sich rücklings auf das Ledersofa fallen und trat wild gegen die Luft. Nach einer Weile legte sich ihre Wut und ein anderes Gefühl machte sich in ihr breit. Niederlage.

Diese Blondine war genau die Sorte Mädchen, die Chiaki gefallen würde. Wunderschön, sexy und selbstbewusst. Perfekt.

Das komplette Gegenteil von Maron selbst. Nicht so verunstaltet wie sie.

Seufzend schloss sie ihre Augen, wartete darauf, dass Chiaki kam und versuchte mit aller Macht sich nicht vorzustellen, was er zusammen mit der Blondine gerade machte.
 

***

Verdammt sei Shinji und seine dummen, verfickten Partys!

Eigentlich hatte Chiaki die Vorstellung gehabt, er könnte sich für die eine Nacht mal ordentlich abschießen lassen. Früher musste er immer aufpassen, um nicht zu betrunken zu werden, da er ja noch gleichzeitig wachbleiben musste. Da konnte man das Trinken einfach nicht genießen.

Und jetzt konnte er es immer noch nicht genießen. Weil überall verflucht viele Menschen waren!

Viel zu viele Menschen!

Es hätte gereicht, wenn Shinji nur Mitschüler der Momokuri High eingeladen hätte. Aber Nein - der Idiot musste auch Leute aus allen anderen High-Schools der Stadt einladen!

Am liebsten hätte Chiaki all seine Partyvorsätze in den Wind geschossen und wäre in sein Zimmer geblieben, um zu entspannen. Aber da Miyako heute kam, wollte Yamato ihn zur geistigen Unterstützung dabeihaben. Und da Chiaki leider ein netter Freund war, war er nun doch hier unten statt oben.

Das mit der geistigen Unterstützung hatte sich auch schnell erledigt gehabt, als er sah wie Miyako auf Yamato zukam und dieser ihr ein Drink überreichte. Gerade als Chiaki einen gemeinen Kommentar an Yamato rauslassen wollte, nur um seinen Freund vor seinem Schwarm in Verlegenheit zu bringen, ließ sich eine Gestalt ganz plötzlich auf sein Schoss fallen.

Einige Male musste er irritiert blinzeln, starrte das blonde, breit grinsende Mädchen auf seinem Schoss entgeistert an. Kurz wanderte sein Blick zu ihrem Ausschnitt herab, ehe er ihr wieder ins Gesicht schaute.

„Hiii. Ich bin Yumi“, schnurrte sie. Ein verführerisches Lächeln haftete auf ihrem Gesicht. Nüchtern war sie nicht, denn Chiaki konnte den Alkohol in ihrem Atem riechen.

Er setzte ein schiefes Lächeln auf und beobachtete wie ihre Augen aufleuchteten. Sie lehnte sich näher zu ihm vor, hob ihre Hand und fuhr ihm durch die Haare.

„Yumi… das ist ein hübscher Name“, sagte er charmant, legte seine freie Hand um ihre Hüfte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde noch breiter und sie lehnte sich weiter zu ihm vor. Im nächsten Moment Chiaki ließ sein Lächeln fallen. „Nun geh von mir runter“, sagte er genervt.

Yumi ignorierte das Gesagte, strich ihm weiter durchs Haar. Sie klaute ihm sogar seinen Drink aus der Hand und trank das halbvolle Glas in einem Zug leer. Das war sein erster Drink und er konnte ihn noch nicht mal zu Ende trinken! Was ihn noch mehr anpisste.

Genervt funkelte er dieses Mädchen an, die ihn immer noch verführerisch angrinste.

Er kannte diese Sorte von Mädels und wusste genau was sie wollten. Da waren die alle gleich. Kommen zu einer Party, trinken sich betrunken genug, dass ihre Hemmungen fallen und schnappen sich den erstbesten Singletypen, um ihre Zungen in dessen Hälse zu stecken.

Klar, diese Yumi war durchaus attraktiv und sexy. Lange Beine, große Brüste und viel nackte Haut. Chiaki könnte mit ihr in eines der Badezimmer verschwinden und sich diese innere Anspannung der letzten Tage wegvögeln. Einfach mal für ein-zwei Stunden sich richtig gehen lassen und die Party mit allem Drum und Dran genießen.

Aber… er war einfach nicht interessiert. Und bei dem Zuckerwattengeruch ihres Parfums wurde ihm allmählich schlecht!

Grob schob Chiaki das Mädchen mit der einen Hand an ihrer Hüfte von seinem Schoss runter. Vielleicht etwas zu grob, aber das war ihm scheißegal.

Mit einem kurzen Aufschrei fiel sie zu Boden, funkelte ihn eingeschnappt an, rappelte sich auf und stolzierte in ihren High Heels wortlos weg. Frustriert fuhr Chiaki sich durch die Haare. Er hatte das Gefühl ihrer knochigen Finger auf seinem Kopf gehasst.

Chiaki blickte zu der Stelle hinüber an der er Yamato zuletzt gesehen hatte, aber sein Freund war verschwunden. Genauso wie Miyako. Das Yamato ohne ein Wort verschwindet, nervte ihn auch. Aber da Miyako schon hier war, würde es automatisch bedeuten, dass sein Mädchen bereits oben auf ihn wartete.

Und mit den Gedanken schnappte er sich eine Flasche Vodka, die in der Nähe war und zwei Shotgläser, machte sich mit den Sachen auf den Weg zu den Treppen. Im Moment gab nur eine Person in diesem Haus, mit welche er sich betrinken wollte.

Chiaki konnte sich denken, dass Maron noch nie betrunken war. Oder überhaupt schon mal Alkohol getrunken hatte. Und ihm war der Gedanke zuwider, dass sie diese Erfahrung mit Miyako oder sonst irgendwen Schäbiges an der Uni -oder so- nachholen würde. Lieber es jetzt hinter sich bringen, solange er noch auf sie aufpassen konnte.

Außerdem wollte er sein Mädchen von ihrem schlechten Tag etwas ablenken. Jeder mit Augen konnte sehen, wie miesgelaunt sie heute war – und das nicht nur wegen den 30 Minuten weniger Schlaf.

Nachdem Chiaki die Menschenmasse im Wohnbereich überwunden hatte, stieg er die Treppen zu den oberen Stockwerken hoch. Am Treppenabsatz sowie im Korridor fand er schon die ersten Paare vor, die ihren Hormonen freien Lauf ließen und heftig miteinander rummachten. Zu blöd für die, dass es nicht viele Räume geben wird, wo sie ihre Bedürfnisse eine Stufe weiter nachgehen konnten. Chiaki hatte sichergestellt alle wichtigen Zimmer abzuschließen. Man wollte sich gar nicht vorstellen, was Kaiki für ein Gesicht machen würde, wenn er zurückkam und ein benutztes Kondom in sein Büro fand. Ein belustigtes Kichern entkam ihm bei der Vorstellung.

 

Als Chiaki vor seiner Tür stand, balancierte er Flasche und Gläser in einer Hand und reichte mit der anderen, freien Hand nach der Türklinke, testete sie. Abgeschlossen.

Schlaues Mädchen, grinste er in sich hinein. Er klopfte an der Tür. „Ich bin es.“

Nach einigen Momenten öffnete Maron ihm die Tür. Die schlechte Laune war ihr mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Die Party ist aber noch nicht zu Ende“, zog sie argwöhnisch die Braue hoch, trat gleichzeitig beiseite, um ihn reinzulassen.

„Yamato ist mit Miyako verschwunden. Was habe ich unten dann noch zu suchen?“ Chiaki schloss hinter sich die Tür ab, während sie betrübt zu seinem Sofa zurückschlurfte. „Außerdem…“ Er ging zu seinem Schreibtisch, stellte die Sachen darauf ab und drehte sich mit einem Grinsen zu Maron um. „Da die Party noch nicht zu Ende ist, werden wir beide uns jetzt betrinken.“

Ihre Augen weiteten sich überrascht. „Ich habe noch nie… Ich war noch nie…“ Sie verstummte und fuhr sich nervös durch die Haare. Sie war süß, wenn sie so nervös war.

Chiaki rollte mit den Augen. „Was du nicht sagst“, lächelte er ironisch, „Ich sehe schon… du warst ein anständiges Mädchen in Osaka.“ Maron wurde etwas rot. Er schüttelte belustigt den Kopf. „Ich habe dir deine ersten Kusserfahrungen gegeben, dann wirst du mit mir auch deine ersten Trinkerfahrungen machen.“

Bei der Erwähnung des Wortes Kuss wurde ihr Gesicht um einige Nuancen roter. Wieder musste er mit den Augen rollen.

„O-Okay...“, sagte sie etwas unsicher und rückte ein bisschen näher ans Sofaende ran, welches am nächsten zu seinem Tisch war. Chiaki ließ sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder und begann die Gläser bis zum Rand zu füllen. Maron sah ihm dabei zu, band sich zur selben Zeit die Haare zu einem Knoten hoch.

Für einen Moment stoppte Chiaki sich in seinen Bewegungen und starrte sie mit großen Augen an. Er hatte sie bis jetzt noch nie mit zusammengebundenen Haaren gesehen. Er hatte freie Sicht auf ihr blasses Gesicht und ihren Nacken.

Kopfschüttelnd fasste er sich wieder und reichte ihr ein Vodkaglas.

Maron begutachtete den Inhalt mit einem ominösen Blick, roch auch kurz dran und rümpfte die Nase. Chiaki kicherte amüsiert auf.

„Ja, ich weiß. Ist eklig“, sagte er, hob sein Glas zu seinen Lippen an und wartete darauf, dass sie dasselbe tat. Zögernd nahm sie ihr Glas an den Mund. „Schluck am besten sofort runter“, riet er ihr noch, bevor beide zusammen den Vodka in einem schnellen Zug runtertranken. Während Chiaki sich den brennenden Geschmack auf der Zunge zergehen ließ, beobachtete er, wie Maron ihr Gesicht mit zusammengekniffenen Augen verzog und schauderte. Und wieder musste er kichern.

„Und? Fühlt sich warm an?“, fragte er.

Sie nickte, stellte ihr Glas auf dem Tisch ab und machte eine angewiderte, zugleich irritierte Grimasse. „Warum trinken Leute solches Zeug freiwillig?“ Maron deutete auf die Vodkaflasche. „Es schmeckt scheiße.“ Ein weiteres Mal erschauderte sie, dachte womöglich an den Geschmack zurück.

Chiaki zuckte lächelnd mit den Schultern. „Es geht nicht um den Geschmack, sondern um den Effekt. Wirst du in zehn Minuten schon verstehen.“ Grinsend füllte er ihr ein weiteres Glas. Natürlich würde er sein Mädchen nicht zu vollsaufen lassen. Nur genug, um sie von Alkohol abzuschrecken, damit sie sich zukünftig auch davon fernhält.

Den zweiten Shot brachte sie einfacher runter als den ersten. Der Ekel spiegelte sich nach wie vor noch deutlich auf ihrem Gesicht wider.

Einige Shots tranken sie zusammen, aber nach fünf hörte Chiaki auf Maron’s Glas nachzufüllen, als er merkte, dass ihre Augen einen glasigen, unfokussierten Blick bekamen.

Er selbst nahm noch sieben weitere Vodkashots, während sein Mädchen ihm dabei zusah.

Anschließend machte er die Flasche zu und stellte sie mit den Gläser weg, nachdem er davon überzeugt war, dass sie beide genug Alkohol im Blut hatten.

Chiaki drehte sich zu Maron um, die ihn mit einer ausdrucklosen Miene und glasigen Augen anstarrte. Irgendwie wirkte sie immer noch recht bedrückt.

„Was nun?“, fragte sie, beide Ellenbogen auf der Armlehne gestützt und das Kinn in ihre Hände gebettet. „Warten wir jetzt darauf, dass einer anfängt auf dem Tisch zu tanzen?“

Er lachte amüsiert auf. „Wenn du das Bedürfnis danach verspürst, lass dich nicht von mir aufhalten. Tu mir nur den Gefallen und zieh die Schuhe vorher aus.“

Maron rollte ungerührt mit den Augen.

„Nun… wir lehnen uns jetzt einfach zurück und entspannen uns“, zuckte Chiaki mit den Schultern, lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück.

Sie schürzte ihre Lippen und nickte, blickte auf die schwarze Lederoberfläche der Armlehne runter. Unterdessen hatte Chiaki seine Augen geschlossen, den Kopf nach hinten gelehnt und ließ das berauschende Gefühl des Alkohols auf sich wirken.

„Machst du das öfters?“, hörte er Maron leise fragen. Er öffnete ein Auge, sah wie sie sich auf dem Sofa wie ein kleines Kind zusammengekauert hat. Er rollte sein offenes Auge.

„Ab und an, wenn Yamato mich dazu nötigt und überredet“, antwortete er und schloss sein Auge wieder.

„Hmmm. Ist es normal, dass man sich so müde danach fühlt?“, murmelte sie.

„Unter anderem.“

Für einige Minuten war es ruhig zwischen ihnen, nur die entfernten Stimmen von den Partygästen draußen sowie die bassintensive Musik waren im Haus zu vernehmen.

In Gedanken hatte Chiaki für sich entschieden Shinji auf keinen Fall beim Aufräumen morgen zu helfen. Er hatte gesehen, wie Hijiri beispielsweise in eine der Topfpflanzen gekotzt hatte. Ekelhaft. Möge die Pflanze in Frieden ruhen.

„Ich habe dich unten mit diesem Mädchen gesehen“, durchbrach Maron’s sanfte Stimme seine Gedankengänge.

Chiaki öffnete seine Augen, sah wie sie nun im Schneidersitz vor ihm saß und auf ihre Hände herunterblickte. Ihre Lider waren träge und schwer. Man merkte ihr allmählich an, wie der Alkohol in ihr wirkte. Er musste fast schmunzeln, registrierte jedoch was sie gesagt hatte.

„Oh“, sagte er, überrascht darüber, dass sie ihn unten gesehen hatte. Anschließend verzog er sein Gesicht zu einer Grimasse, als er an die Tusse zurückdachte. „Ja… uhmm…“, grübelnd zog er die Brauen zusammen, „Yori...“ Nein, das war nicht ihr Name. „Yuki?“

Er rieb sich die Stirn, sah aus dem Fenster raus und beschloss, dass es nicht mehr so wichtig war wie ihr Name lautete. Chiaki wandte sich wieder an Maron und zuckte unbekümmert mit den Schultern.

„Sie war sehr hübsch“, sagte sie halb nuschelnd.

Er schnaubte spöttisch. „Solche Mädels, wie die, würde ich nicht hübsch nennen.“

Maron schürzte ihre Lippen, warf ihm einen kurzen skeptischen Blick zu und sah wieder auf ihre Hände runter. „Wie würdest du die denn nennen?“

Mit einer Hand fuhr Chiaki sich träge über das Gesicht, dachte an Blondie und ihrem Ausschnitt zurück. „Sexy, Lüstern, Verführerisch… Einfach“, zählte er achselzuckend auf. Er musste innerlich zugeben, dass der Ausblick, den die Blondine ihm geboten hatte, ziemlich nett war. „Nicht hübsch“, vollendete er entschieden.

Maron blinzelte, ihre Wimpern warfen lange, dichte Schatten auf ihre Wangenknochen. Anschließend sah sie durch ihre langen Wimpern zu ihm auf.

Fast wäre ihm für einen Moment der Atem hängen geblieben, als sie das tat. Denn für den Moment sie sah so anders aus...

„Was für Mädchen würdest du hübsch finden…?“, fragte sie, die Worte zogen sich allmählich in die Länge.

Chiaki machte ein nachdenkliches Gesicht. Was für Mädchen würde er hübsch finden?

Was war das für eine Frage? Überhaupt verstand er den Sinn all dieser Fragen nicht…

„Spielt das irgendeine Rolle?“, versuchte er die Frage auszuweichen, fühlte sich sichtlich unwohl mit Maron über seinen Typ Mädchen zu reden.

Sie gab ihm auf seine Gegenfrage ein Achselzucken und senkte den Blick wieder. Chiaki lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen.

„Würdest du mich als hübsch bezeichnen?“, kam es von Maron plötzlich in einem leisen, unsicheren Ton.

Er öffnete seine Augen und sah sie an. Noch immer starrte Maron im Schneidersitz auf ihre Hände herab. Erstaunlicherweise wurde sie bei der Frage nicht rot. Sondern wirkte einfach nur bedrückt.

Für einen Moment dachte Chiaki über ihre Frage nach. Würde er Maron als hübsch bezeichnen?

Auf dem ersten Blick: klar. Es war nicht zu leugnen, dass sie attraktiv war. Die Bezeichnung „hübsch“ würde da auf jeden Fall zutreffen. Und manchmal, an manchen Momenten, wenn sie nicht versuchte sich zu verstecken, dann war sie geradezu wunderschön.

Er versuchte sie aber nicht so zu sehen.

„Ja… du bist hübsch“, schlussfolgerte er mit einem Nicken.

Maron schnellte ihren Kopf hoch, um ihm in die Augen zu sehen. „Das sagst du nicht nur, damit ich mich besser fühle, oder?“, nuschelte sie, den Kopf prüfend zur Seite geneigt.

„Sehe ich so aus?“, zog er eine Augenbraue hoch und schnaubte. Er war nicht jemand, der Dinge einfach so sagte, nur damit der andere sich besser fühlte. Besonders jetzt nicht.

Maron’s Augen leuchteten etwas auf, nachdem er sie hübsch genannt hatte.

Chiaki verdrehte wegen ihrer Unsicherheit mit den Augen. So lächerlich … Typisch Mädchen!

Er lehnte seinen Kopf nach hinten und starrte sein Mädchen weiter an.

Ein Lächeln bildete sich im nächsten Moment auf ihren Lippen. Ein albernes, glückliches Lächeln, welches ihr Gesicht aufleuchten ließ. Chiaki musste automatisch mitlächeln, da er es liebte sein Mädchen lächeln zu sehen.

Augenblicklich wurden ihre Wangen rot. Er kicherte.

„Flipp aber nicht aus, oder so“, sagte er und rieb sich die Augen. „Ich versuche dich nicht so zu sehen“, fügte er murmelnd hinzu. Seufzend schloss er seine Lider. Der Alkohol machte ihn allmählich schläfrig.

Aber anders als früher brauchte er sich dieses Mal keine Sorgen machen. Schließlich hatte er sein Mädchen hier, welches ihn von den Albträumen fernhielt. Er öffnete die Augen, um ihr gerade zu sagen, dass sie sich bettfertig machen konnten, als er bemerkte, wie sie ihn mit zusammengezogenen Brauen eindringlich ansah. Chiaki konnte ihren Blick nicht deuten und zog fragend eine Augenbraue hoch. Was starrte sie ihn so an?

Seufzend schaute sie wortlos wieder weg.

Plötzlich war ein lauter, dumpfer Knall an der Tür zu hören - sowie Gelächter. Erschrocken fuhren er und Maron zusammen. Sie wollte schon ins Bad abhauen, stoppte sich jedoch als sie sich in Erinnerung rief, dass die Tür abgeschlossen war.

„Wieso ist jedes Zimmer in diesem Haus abgeschlossen?!“, war eine frustrierte Mädchenstimme zu vernehmen, gefolgt von dem Rattern der Klinke.

Erleichtert ließ die Braunhaarige sich wieder aufs Sofa sinken, während Chiaki versuchte nicht laut loszulachen.

„Hey, dort können wir rein“, kam es von einer entfernten Jungenstimme. Nach wenigen Sekunden wurde eine Tür laut zugeknallt.

In dem Moment lachte Chiaki heiter auf. „Da wird sich Shinji freuen, wenn er irgendwelche betrunkenen Teenies nackt in seinem Zimmer vorfindet.“ Nun musste auch Maron prustend loslachen.

Einige Minuten lachten die beiden herzhaft miteinander.

 

Danach nahm sie ihre Tasche und ging mit einem „Ich ziehe mich mal um“ ins Bad. Chiaki nickte, stand ebenfalls auf und wechselte in seine Pyjamas. Seine Klamotten hatten immer noch den widerlichen Zuckerwattengeruch von der blonden Tusse.

Als er den Wasserhahn aus dem Bad hören konnte, musste er unwillkürlich an den gestrigen Morgen denken, wo er den neuen Mitbewohner an seinem Zahnbürstenhalter entdeckte. Für eine ganze Weile hatte er die rote Zahnbürste angestarrte und hatte sich gefragt, wieso Maron die dalassen würde.

Er vermutete, dass es beabsichtigt war. Schließlich lässt man nicht eine Zahnbürste ausversehen in einen Zahnbürstenhalter fallen…oder?

Eigentlich wollte er ihr sie gestern zurückgeben, weil er sich nicht wohl dabei fühlte Sachen von ihr in seinem Zimmer zu haben. Aber irgendwie hatte er dann doch die Klappe gehalten. Denn irgendwie passte ihre Zahnbürste neben seiner blauen. Klein und rot.

Letztendlich war er froh, dass es nur eine Zahnbürste war. Bei den ersten Anzeichen von Tampons oder anderen Hygieneartikeln würde er ein Machtwort sprechen.

Nachdem Maron wieder in sein Zimmer kam, ging er noch schnell ins Bad und putzte sich die Zähne. Als Chiaki wieder zurückkam, saß sie wartend mit ihrem Handy in der Hand mittig auf dem Bett, die Haare immer noch in dem dicken Knoten hochgebunden. Mit einem kleinen Lächeln sah Maron von ihrem Handy auf. Er erwiderte das Lächeln und ließ sich daraufhin mit geschlossenen Augen rücklings neben sie aufs Bett fallen.

Die Matratze wippte auf und ab, ein sanftes Kichern war von ihr zunächst zu vernehmen. Dann hörte er sie schockiert Luft schnappen. Verwundert öffnete Chiaki seine Augen. Maron starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seinen Bauch, wo sein Shirt etwas hochgerutscht war. Ein Teil seiner Narben war zu sehen.

Hastig setzte Chiaki sich erschrocken auf und schob sein Shirt wieder runter. Teilweise beschämt und verärgert wandte er seinen Kopf von Maron ab, die ihn immer noch schockiert anblickte.

„I-Ich wollte nicht starren“, sagte sie entschuldigend. „S-Sorry...“

Er drehte sich zu ihr um, verzog leicht säuerlich das Gesicht und fühlte sich zum ersten Mal seit langem wie ein Freak. Er hasste es, wenn man seine Narben sah, versuchte sowas immer bestmöglich zu vermeiden. (Vor und nach dem Sportunterricht ließ er sich beispielsweise immer Zeit, damit er als letzter allein sich umziehen konnte.)

Am liebsten wünschte er sich gerade, dass sie nichts gesehen hätte.

Es wurde wieder beklemmend still zwischen ihnen bis Maron sich plötzlich räusperte.

„Ich…habe auch Narben“, sagte sie, als ihre Blicke sich trafen.

Chiaki rutschte etwas nach hinten zum Kopfende des Bettes und runzelte die Stirn. „Von Noyn?“, fragte er vorsichtig, versuchte sein Mädchen nicht aufzuregen.

Sie presste sich nickend die Lippen zusammen, blickte flüchtig zu ihm und wieder zur Bettdecke runter. Gerade als er noch mehr Fragen stellen wollte, drehte sie sich unerwartet um, sodass ihr Rücken zu ihm gewandt war. Verwirrt beobachtete er sie dabei, fragte sich innerlich was sie vorhatte.

Als sie den Saum ihres Shirts in die Hände nahm und es langsam hochschob, weiteten sich seine Augen und eine Spur von Panik überkam ihn. Was zum Teufel macht sie da?!

Doch er verstand sofort, als sie an den Rippen stoppte.

Denn auf ihrer unteren Rückenhälfte kam Narben zum Vorschein. Ihr ganzer Rücken schien mit ihnen übersät zu sein. Manche fingen an den Hüften an und verschwanden unter dem Stoff ihres Oberteils. Andere liefen parallel zur Wirbelsäule ihren Rücken entlang.

Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. Er konnte nichts anders tun als da zu sitzen und sie fassungslos anzustarren.

Wortlos schob Maron ihr Shirt wieder runter, drehte sich zu Chiaki um und legte sich auf ihre Betthälfte hin. Er debattierte für einen Augenblick mit sich selbst, ob er fragen sollte wie der Mistkerl das angestellt hatte, aber beschloss es jedoch für heute Nacht sein zu lassen. Mit dem Entschluss legte Chiaki sich ebenfalls hin und schenkte ihr ein kleines Lächeln.

Er fühlte sich etwas besser dank seinem Mädchen. Sie hatte ihm ihre Narben gezeigt als Ausgleich zu seiner.

Gähnend hielt er sich die Hand vor dem Mund.

„Schlafen?“, fragte er halb nuschelnd, fühlte sich mit einem Mal sehr, sehr müde. Maron sah zu ihm auf, die Lider schläfrig schwer und nickte zustimmend. Beide standen auf und schlüpften direkt unter die Decke.

„Kein Wecker bitte“, kam es von ihr, „Sakura ist übers Wochenende weg“, merkte sie zusätzlich an, als sie seinen fragenden Blick sah.

Nickend nahm Chiaki das zur Kenntnis, schaltete das Licht und den Wecker am Handy aus, war sichtlich froh darüber, dass sie mal ausschlafen konnten. Er wüsste nicht, ob er es Morgen um halb sechs mit Kater aus dem Bett geschafft hätte.

Er nahm sie in seine Arme und spürte direkt ihre Hand in seinen Haaren. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haarknoten und atmete ihren blumigen Duft tief ein.

Viel, viel besser als Zuckerwatte.

Müde lächelte er in ihre Haare rein, legte seine Hand auf ihre untere Rückenhälfte -dort wo ihre Narben waren- und strich behutsam drüber.

Im Hintergrund lief nach wie vor noch die Musik von der Party, die allmählich leiser wurde und gerade war „Scars“ von Tove Lo zu hören.

 

Scars we carry

Carry with memories, memories burned by the dark

[…]

Know they're cutting you deep

Feel the scars in your sleep

What didn't kill us made us stronger

Stories left on our skin

Wear them with everything

What didn't kill us made us stronger

[…]

 

Er drückte sein Mädchen an sich und schlief in innerhalb von Augenblicken ein.

 



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