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Insomnia

"You can't fix me."
von

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THIRTY-TWO

THIRTY-TWO

 

Drei Wochen vergingen.

Die Schule war wie immer. Klausuren und Tests wurden geschrieben und der Alltag nahm seinen Lauf.

Sie waren nach wie vor noch Thema Nummer eins unter der Schülerschaft, aber Chiaki hatte das Gefühl, dass die Blicke und das Geflüster bereits nachgelassen hatten. Oder er hatte sich schon so daran gewöhnt, dass er alles ausblendete und es ihm nur so vorkam.

Letztendlich war es ihm auch egal, solange er sein Mädchen bei sich hatte.

Wie sie ausgemacht hatten, verbrachten sie die Mittagspause seit dem Montag der ersten Woche ab sofort auf dem Dach. Oben standen ein paar Tische und Stühle rum, auf denen sie sitzen und essen konnten.

Chiaki hatte erwartet, dass er mit seinem Mädchen seine Ruhe oben haben würde. Aber leider Gottes hatte Maron Miyako gesagt, wo sie sich aufhalten werden, weshalb sie und Yamato ebenfalls aufs Dach kamen und sich zu ihnen gesellten. Und anscheinend hatte man auch Natsuki und Shinji Bescheid gegeben, die am Ende ebenfalls dazustießen.

Fast hätte Chiaki es in Erwägung gezogen sich einen neuen Unterschlupf zu suchen...

Wenigstens waren es nur sie sechs hier oben und die restliche Schülerschaft blieb ihnen für die sechzig Minuten erspart. Maron war deutlich entspannter und glücklicher mit der Konstellation, was ihn wiederrum glücklich und zufrieden stimmte.

Für die meiste Zeit quatschten Miyako und Natsuki über belanglose Sachen (warfen Chiaki gelegentlich kühle, abfällige Blicke zu, die er mit einem genervten Augenrollen entgegen nahm), während Shinji irgendwelche sinnlose Kommentare machte, dumme Witze riss und Yamato sich darüber amüsierte.

Ab und an steuerte Maron was in den Konversationen der Mädels bei. Sie war zwar immer noch ruhig und zurückhaltend, aber mit der Zeit wurde sie gesprächiger und sie begann auch mehr mit den Jungs zu reden. Chiaki lehnte sich neben sie gelassen (und größtenteils auch gelangweilt) in seinem Stuhl zurück, kraulte ihr nebenbei den Nacken. Selten gab er in all den Diskussionen seinen Senf dazu. Hauptsächlich, weil er keine Lust hatte, was zu sagen.

 

An einem Tag wurde es jedoch interessant.

Miyako sprach über irgendeine Band, die sie liebte, während alle am Tisch saßen und aßen und mit halbem Interesse zuhörten. Sie begann ohne Punkt und Komma über die Musik zu schwärmen und machte auf ihrem Handy sogar eines ihrer Lieblingslieder an.

Schon nach dem ersten Ton bluteten Chiaki’s Ohren.

„Gott! Wie kann man sich sowas freiwillig anhören“, kommentierte er laut. Yamato zog mit Belustigung scharf Luft ein, da er ihre ach-so-tolle Lieblingsband so gesehen beleidigte.

Miyako drehte ihren Kopf in seine Richtung, schaute ihn wie auf den Schlips getreten entgeistert an.

Maron sah besorgt zwischen Chiaki und Miyako hin und her, als würde sie sich auf den dritten Weltkrieg einstellen. Aber auch Neugier war in ihrem Gesichtsausdruck mitunter gemischt. Shinji und Natsuki beobachteten gespannt das Geschehen am Tisch.

„Oh verzeih mir, oh allwissender Meister der Musikwelt“, sagte Miyako voller Spott und Sarkasmus. Sie lehnte sich mit verschränkten Armen vor der Brust zurück und sah Chiaki mit hochgezogener Augenbraue herausfordernd an. „Was ist den bitte akzeptable Musik für dich?“

Chiaki schenkte ihr ein selbstgefälliges, großspuriges Grinsen. Und damit begann die längste Konversation, die er je mit Miyako hatte.

Er teilte ihr seine Vorstellung von akzeptabler Musik mit, zeigte ihr seine Playlist auf dem Handy und zu seinem Erstaunen, zeigte sie ihm im Gegenzug ihre Playlist. Er musste zugeben: ihr Musikgeschmack war nicht schlecht, trotz einiger Geschmacksverirrungen.

Alle anderem am Tisch verfolgten die Interaktion mit großem Erstaunen mit und waren auch sichtlich geschockt, dass er und sie sich über etwas einig waren, was sie beide mochten.

Seitdem Tag funkelte Miyako ihn auch nicht mehr feindselig an oder kam ihn mit herablassenden Blicken entgegen. Sie lächelte Chiaki sogar mit einem netten, schiefen Lächeln an, als die Mittagspause endete und sie mit Yamato Händchen haltend in ihre Klasse ging.

Chiaki wusste nicht, was er selbst darüber denken und halten sollte. Sie waren jetzt nun nicht die allerbesten Freunde, oder ähnliches, aber sie kamen zu einem gewissen Verständnis.

Maron war mehr als glücklich darüber, dass sie beide miteinander auskamen, konnte den Rest des Schultages nicht aufhören zu grinsen. Vor dem Hintergrund gab Chiaki sich selbst das Versprechen zu versuchen mehr mit Miyako klarzukommen.

 

Überhaupt, seit er mit den anderen jetzt jeden Tag die Mittagspausen verbrachte, hatte sich das Verhältnis zu ihnen stark verändert. So kam es an einem Nachmittag irgendwie dazu, dass er mit Shinji eine Art Bindungserlebnis hatte.

Chiaki war gerade dabei gewesen sich etwas zu trinken in der Küche zu holen als er Shinji aus dem Wohnzimmer lautstark fluchen hörte. Er wusste, dass der andere am Zocken war und normalerweise würde er ihn ignorieren und sich wieder in sein Zimmer zurückziehen, aber aus unerfindlichen Gründen überwiegte die Neugier. Hinter der Couch stehend, schaute er Shinji beim Zocken zu, wie er unzählige Male versuchte einen Endgegner zu besiegen. Dasselbe Spiel spielten Chiaki und Yamato auch und diesen Endgegner hatte er vor nicht allzu langer Zeit mit Müh besiegt bekommen.

„Alter, Fick dich!! Fick dich doch einfach! Was ist das für ein Drecksboss?!“

Und wieder verloren.

Der wievielte Versuch war das? Der zehnte?

Chiaki hatte schon aufgehört zu zählen.

Shinji war drauf und dran den Controller auf Boden, an die Wand oder durch den Fernsehbildschirm zu schmeißen. Chiaki’s Anwesenheit hatte er noch nicht bemerkt.

„Alter! Wie kriegt man dieses Drecksvieh besiegt?!“

„Spring auf dessen Rücken“, kam es als Tipp von Chiaki.

Shinji drehte sich erschrocken um, blinzelte ihn überrascht an. „Woher weißt du das?“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Wie gesagt, spring auf dessen Rücken und versuch dann auf dessen Kopf einzuprügeln.” Gerade als Chiaki gehen wollte, hielt Shinji ihn am Ärmel fest. „Warte, warte, warte! Du muss mir zeigen, wie das geht!“

„Was soll ich dir zeigen? Spring einfach auf dessen Rücken!“

„Wie denn, wenn es die ganze Zeit sich bewegt und mich angreift und mich mit einem Schlag tot macht?!“

Mit einigen unverständlichen Flüchen setzte er sich neben Shinji auf die Couch hin und gab ihm genervt Anweisungen zum Spiel. Doch selbst nach einer halben Stunde war noch kein Erfolgserlebnis zu sehen.

„Bin ich zu blöd-“

Ja, bist du, dachte Chiaki sich.

„-oder ist das Spiel einfach nur behindert?“, schnauzte Shinji frustriert.

„Auf welcher Schwierigkeitsstufe spielst du überhaupt?“

„Critical.“ Die höchste Schwierigkeitsstufe. Kein Wunder, dass er nach einem Schlag immer stirbt. „Und nein, ich habe keine Lust alles auf Beginner-Modus zu wiederholen. Ich habe hunderte von Spielstunden da reingesteckt!“

Chiaki kniff sich stöhnend zwischen die Augen.

„Komm. Hol den zweiten Controller und ich helf’ dir“, sagte er, „Das kann man sich doch nicht mit ansehen…“ Damit saßen die beiden für die nächsten drei Stunden vor der Konsole und zockten zusammen.

Zwischendurch fragte Shinji nach Tipps zu diversen Nebenmissionen oder nach Kampfstrategien, die Chiaki ihm auch gab. Irgendwann kam Kaiki nach Hause und war sichtlich erstaunt darüber, die beiden zivilisiert im Wohnzimmer vorzufinden. Für gewöhnlich waren sie schnell genervt voneinander und motzten sich an, hatten sich früher ziemlich oft gestritten.

Aber für den Moment war alles ziemlich entspannt.

Das Zocken mit Shinji machte insgeheim auch Spaß und so schlecht war seine Gesellschaft nicht. Nach einer Weile hatten die beiden den Endgegner besiegt bekommen und Chiaki sah seine Pflicht als erfüllt an, begab sich wieder in sein Zimmer zurück. Shinji hatte sich noch mit einem kumpelhaften Schulterklopfen bedankt, zusammen mit dem Angebot, dass sie dies nochmal wiederholen könnten, worauf er mit einem „Mal sehen“ mit den Schultern zuckte.

 

Der eine Zock-Tag war durchaus mal was anderes gewesen.

Denn in letzter Zeit verbrachte Chiaki seine Nachmittage für gewöhnlich damit weitere Recherchen über Maron’s Kondition zu betreiben, wenn er seine Schulsachen erledigt hatte. Er fand auch einige unheimliche Parallelen zwischen dem, was er las und seinen eigenen Angewohnheiten, aber er versuchte sich voll und ganz auf Maron’s Symptome zu fokussieren.

Er versuchte die genaue Ursache ihrer Reaktionen zu seinen Berührungen herauszufinden. Ob es am PTBS oder an den Phobien lag. Eventuell fand er nach einigen Quellen heraus, dass die Phobien Begleiterscheinungen zu PTBS sind. Und dass das Gehirn -der Verstand- einem zu ungewollten Reaktionen zwingt.

Je mehr Chiaki darüber las und lernte, desto mehr er fand das Ganze ziemlich faszinierend. Die Art und Weise wie das Gehirn und der Verstand arbeitet und zu bestimmten Situationen und Traumas reagierte.

Er begann Maron und ihrer Kondition mit jedem Tag immer mehr zu verstehen. Nach einiger Zeit begann er schließlich zu anderen Themen abzuweichen, die nichts mit ihrer geistigen Erkrankung zu tun hatte. Zu denen Chiaki selbst aber Bezüge fand.

Und wenn er ehrlich mit sich war, war er den Leuten in all den Beispielfällen ähnlicher als er sich selbst eingestand.

 

Für zwei bis drei Stunden, bevor Maron um zehn kam, verbrachte er seine Abende mit Kaiki in dessen Arbeitszimmer. Für gewöhnlich spielten sie eine Partie Schach und unterhielten sich über diverse medizinische Themen, die bei Chiaki neuerdings zunehmend an Interesse gewonnen hatten. Kaiki gefiel das sehr.

Insbesondere wenn Chiaki von sich aus ein medizinisches Thema ansprach leuchteten seine Augen vor Freude auf und sie würden ewig lang darüber reden. Er versuchte die Konversationen dabei so neutral und sachlich wie möglich zu halten, wollte auf keinen Fall auf Maron’s Konditionen mit ihm eingehen. Er wusste, dass Kaiki neugierig über sie war, sich jedoch aus Respekt mit seinen Fragen zurückhielt. Chiaki verstand, dass er eventuell nur helfen wollte, nichtsdestotrotz vermied er es mit ihm über seine Freundin zu reden.

Wenn es um psychologische Themen ging, warf Kaiki ab und an interessante Fakten und Theorien ein, die er von Dr. Anzai gehört hatte. Jedes Mal wenn er von ihr sprach, wollte Chiaki am liebsten fragen in was für einem Verhältnis sie genau zueinanderstanden. Aber er wollte nicht zu neugierig sein – im Grunde genommen ging es ihn auch nichts an, wartete einfach ab bis irgendwann der Tag kam, indem er sie ihnen vorstellen würde.

Zum Ende des Abends war Kaiki immer derjenige, der die Schach-Partie gewann.

 

Eine Woche nachdem Chiaki bei Maron’s Familie eingeladen war, beschloss sie auch bei ihm zum Dinner zu kommen und sich Kaiki „offiziell“ vorzustellen. Und wie er von seinem Mädchen nicht anders erwarten konnte, wollte sie auch kochen. Chiaki hätte die Alternative eingeworfen, dass sie einfach in ein Restaurant essen gehen könnten, aber sein Mädchen ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

An dem Samstag kam sie gegen vier mit einer vollen Einkaufstüte in den Händen. Er nahm die ihr sofort ab. Sie trug an dem Tag ihre Haare natürlich glatt und sie war in einer einfachen Bluse mit Shorts und Strumpfhose gekleidet. Wunderschön, wie immer.

Im Wohnzimmer begrüßte sie alle freundlich. Kagura war auch dabei gewesen, damit Maron ihn auch kennenlernen konnte.

Chiaki war dennoch besorgt darüber, ob sie sich auch wirklich wohl mit allem fühlen wird, aber sie schien relativ entspannt neben ihn zu sein. Womöglich weil er immer an ihrer Seite war.

Anschließend zeigte er ihr die selten benutzte Küche. Dort machte Maron als erstes alle Schränke und Schubladen auf, schaute nach wo alles sich befand. Danach arbeitete sie mit so viel Geschicklichkeit darin, als wäre sie bei sich zu Hause.

Chiaki stand an der Kücheninsel angelehnt da und sah ihr fasziniert beim Kochen zu. Nach einer Weile hatte er allerdings keine Lust mehr ihr bei der Arbeit zuzusehen und wollte helfen.

Und er musste sie nahezu anflehen ihr beim Schneiden zu helfen. „Ich werde einfaches Gemüseschneiden schon nicht verkacken, Maron.“

Sie beäugte ihn skeptisch. Zögernd gab Maron ihm ein Messer und ein Schneidebrett.

Sie schaute ihm aufmerksam dabei zu, wie er das Messer in die Hand nahm und die Klinge an das Gemüse ansetzte. „Du hältst das Messer falsch“, sagte sie und richtete seine Finger um den Griff richtig. „Und so schneidest du dir noch die Finger ab“, damit korrigierte sie noch seine andere Hand.

Chiaki sah Maron unsicher an und wieder runter, fing an zu schneiden. „Nicht so groß! Versuch die kleiner zu schneiden“, kam es von ihr.

Er versuchte es, schnitt vorsichtig und achtsam weiter. Nur viel zu langsam.

Seufzend schob Maron ihn mit ihrer Hüfte beiseite, nahm ihm die Sachen ab und schnitt flink alles zurecht.

Chiaki kicherte belustigt. Dies war sein erster und letzter Versuch als Küchenassistenz, aber wenigstens ließ sie ihn den Tisch decken. Anschließend holte er die anderen.

Mit großen Augen sahen Kaiki, Shinji und Kagura auf das Essen herab, das Wasser lief ihnen im Mund zusammen. Alle nahmen auf ihren Stühlen Platz und bedankten sich bei Maron herzlichst fürs Kochen.

Kaiki überschüttete sie mit Komplimenten über ihre Kochkünste und sagte gleichzeitig, dass sie nicht so viel Aufwand hätte bringen müssen.

Mit einem schüchternen Blick winkte sie ab. „Es war wirklich kein Problem für mich, Dr. Nagoya. Ich liebe es zu kochen“, sagte sie achselzuckend, nahm einen Bissen und lächelte verlegen.

„Bitte nenn mich Kaiki“, erwiderte er lächelnd.

Maron zögerte für einen Moment und nickte anschließend. „Kaiki.“

Der Rest des Abends verlief relativ gut ab. Ein bisschen Small-Talk hier und da. Man konnte sich nicht beschweren. Nach einer Stunde waren sie fertig und Maron verabschiedete sich höflichst von allen. Chiaki hatte sie wie ein Gentleman natürlich noch nach Hause begleitet, auch wenn er sie wenige Stunden später wiedersah.

 

Die Nächte mit ihr konnte er kaum abwarten.

Sie gehörten schon immer zu seiner Lieblingstageszeit, wenn er sie mit seinem Mädchen verbrachte. Wenn sie zusammen allein in seinem Zimmer waren, konnte sie beide einfach sie selbst sein.

Maron würde sich sorglos an ihn ankuscheln und mit ihm über den Tag reden. Und wenn sie nicht miteinander redeten, würden sie einen Film... oder Stunden damit verbringen sich zu küssen - miteinander rumzumachen bis sie müde wurden.

Sie versuchten, wie besprochen, es schrittweise anzugehen, sich langsam heranzutasten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Er würde seine Hände zunächst über ihre weniger sensiblen Körperstellen gleiten lassen. Arme, Rücken, Bauch, Taille, Beine...

Sein Mädchen mochte es, wenn er sie berührte. Ihre Hände würden sich auch auf Wanderschaft begeben. Meist auf seinem Rücken, seiner Brust und an den Seiten. Manchmal aber auch etwas weiter runter.

Anschließend würde er sich langsam an ihren sensiblen, intimeren Stellen heranwagen. Es war ein langwieriger Prozess, aber es funktionierte irgendwie.

An manchen Stellen brauchten sie einige Tage länger, bis er sie ohne Angstattacke berühren konnte. An machen weniger.

Mit der Zeit wurde es auch hitziger zwischen ihnen. Trauten sich mit den Händen unter den Klamotten zu fahren. Erlaubten sich den Haut-auf-Haut-Kontakt.

Es fühlte sich gut an.  

Er liebte die Geräusche, die er ihr entlocken konnte. Insbesondere wenn er vage mit seinen Lippen über ihre freie Hautstellen, über ihre Narben, strich. Und wie sie unter seinen Berührungen vor Lust erschauderte. Er liebte es.

Nichtsdestotrotz blieben die Klamotten an. Auch wenn Chiaki zugegeben oft Momente hatte, wo er am liebsten ihr Shirt über den Kopf ziehen wollte. Aber er hielt sich ihr zuliebe zurück, hatte ihr schließlich eindringlich gesagt, dass sie es nicht überstürzen sollten. Da musste er sich letztendlich auch dranhalten.

Außerdem stellte er auch immer sicher, dass sie ihm den Takt vorgab.

Neben ihrer Desensibilisierung versuchten sie zur selben Zeit auch zu erkundeten, was sie mochten und nicht mochten. Beispielsweise hatte Maron die Tendenz ihre Hände in seinen Haaren festzukrallen, was er zwar mochte, aber nur solange sie ihm nicht alle Haare aus dem Kopf riss.

Sie wusste, dass er auf seinem Nacken unterhalb des Ohres seine Stellen hatte, mit der sie ihn in den Wahnsinn bringen konnte. Schon die kleinste Berührung mit ihren Lippen ließ ihn erschaudern, brachte ihn schon nahezu um den Verstand.

Trotz allem achtete er darauf, dass er mehr um sie ging als um ihn. Fokussierte sich voll und ganz auf sein Mädchen.

 

Aber es gab auch Nächte, wo die beiden sich nicht wie hormongesteuerten Teenagers attackierten. Nächten, die von den Geistern ihrer Vergangenheit überschattet wurden.

An einem Abend, als Chiaki dabei war mit Kaiki eine Runde Schach zu spielen, fing sein Vater an, wie aus dem Nichts und ohne Vorwarnung, seine Mutter zu erwähnen. Machte einen Kommentar darüber, dass sie früher auch des Öfteren Schach gespielt haben. Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, verstummte Kaiki direkt wieder, warf ihm einen vorsichtigen Blick zu.

Unterdessen starrte Chiaki mit regloser Miene auf das Brett, während die Erinnerungen, die bei der einfachsten Erwähnung von ihr, hochkamen. So sehr er auch versuchte, sie zu unterdrücken, so nahmen sie doch von seinem Verstand Besitz.

All die Jahre hatte er kein Wort über sie verloren... wieso ausgerechnet jetzt?

Ohne Weiteres war Chiaki aufgestanden und ließ Kaiki im Arbeitszimmer zurück. Damit war die restliche Nacht für ihn ruiniert gewesen.

Als Maron kam, schien sie sofort zu merken, dass etwas nicht stimmte. Er aß schweigend ihr Essen, wollte danach sich sein Skizzenbuch nehmen und die Erinnerungen, die in seinem Kopf spuckten, loswerden. Doch stattdessen brachte sie ihn dazu sich hinzulegen und bettete seinen Kopf auf ihren Schoß, strich ihm in einen liebevollen Rhythmus durch die Haare.

Anschließend begann sie sachte Fragen über ihn und seiner Vergangenheit zu stellen. Etwas über die Art und Weise, wie sie ihn hielt und liebevoll auf ihn einsprach, brachten ihn schließlich dazu sich ihr nach einer Weile zu öffnen.

Er erzählte ihr Dinge, die er noch niemanden erzählt hatte und über die er nicht mal nachdenken konnte, wenn er unter anderen Menschen war. Dinge, die so viele Jahre zurücklagen.

Er wollte sauer auf sie sein, dass sie ihn all diese Fragen stellte. Aber er konnte es nicht.

Denn ihr das alles zu erzählen, war viel besser als es zu zeichnen. Danach fühlte er sich tausendmal besser und am nächsten Morgen konnte er sich wieder aufs wesentliche fokussieren.

Ähnlich wie er hatte auch sein Mädchen ihre Tage, in der alles Scheiße war. Die konnte Chiaki ganz leicht an ihrem gekünstelten Lächeln immer erkennen. Genauso wie er, wurde sie schweigsam und wirkte in sich gekehrt, während sie sich an seiner Schulter anlehnte.

Sanft würde er Maron darum bitten ihm zu sagen was los war.

So erzählte sie ihm einmal, dass sie Miyako und Sakura auf der Wohnzimmercouch liegen sah und in Erinnerungen schwelgten über Miyako’s Kindheit.

Nachdem sie diesen Mutter-Tochter-Moment gesehen hatte, fehlte ihr ihre Mutter noch mehr. Nachdem Maron zu Ende gesprochen hatte, fing sie an zu weinen.

Sein Mädchen weinen zu sehen, brach ihm jedes Mal das Herz. Tröstend hatte Chiaki sie in seine Arme genommen und strich ihr sanft über den Rücken. Für eine Weile hatte Maron sich an ihm ausgeheult, während er sie hielt.

Manchmal brauchten sie beide diese Nächte, in der sie sich von den Schattenseiten ihrer Existenz, ihrer eigenen Dunkelheit, für ein paar Stunden verschlingen lassen. Umso heller erschienen dann die Morgen danach.

Dann waren alle Tränen versiegt, jegliche Bürden waren weg und sie konnten sich wieder auf sich konzentrieren, ohne weiter darüber nachzudenken.

Dann konnten sie wieder lachen und alles war gut.

 



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