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Insomnia

"You can't fix me."
von

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THIRTY-FIVE

THIRTY-FIVE

 

„Wessen beknackte Idee war es überhaupt Eislaufen gehen zu wollen?“, murmelte Chiaki, während er Hand-in-Hand mit Maron in den Park ging, um sich mit den anderen zu treffen. 

„Meine.“ Sie grinste ihn schief an, worauf er seufzte und die Klappe hielt. 

Einige Zeit war seit der Übernachtung/dem Spieleabend bei Natsuki vergangen. Seitdem wurde viel in der Gruppe gemacht. Und wenn das Paar mal ihren Tag zu zweit verbringen wollten, was Chiaki meist lieber war, zog er sich mit seinem Mädchen in der Hütte zurück - genossen dort mit ihr die Ruhe.  

Ihm war es immer noch nicht ganz geheuer, dass Shinji, Miyako und Natsuki jetzt nahezu über alles Bescheid wussten. Musste sich noch daran gewöhnen, aber solange keiner sie verriet, fand er sich damit ab.

Wartend standen ihre vier Freunde vor dem Park und winkten ihnen zu, als sie sich näherten.

In den letzten Tagen hatte es viel geschneit und über das Wochenende wurde auch ein Winterfest im großen Stadtpark von Momokuri veranstaltet. 

Es gab eine Eisbahn zum Eislaufen, auf einem Hügel konnten Kinder Schlitten fahren und überall waren Stände, die warme Mahlzeiten und Getränke anboten.

Gemeinsam steuerte die Gruppe auf die Eisbahn zu und liehen sich Schlittschuhe aus. Die Eisbahn war eine große, viereckige Fläche und außerhalb des Randes befand sich ein DJ, der mit Guter-Laune-Musik die Stimmung aufheiterte.

Zusammen begaben sich alle auf die Eisfläche. Während die Mädels mit Leichtigkeit über das Eis glitten, waren die Jungs eher wackelig auf den Beinen. 

Chiaki hielt sich eisern an Maron fest, während sie langsam und nahe der Absperrung sich fortbewegten. 

„Willst du mal probieren selbst zu fahren?“, fragte sie mit einem amüsierten Lächeln. 

„Vergiss es. Ich weich nicht von deiner Seite“, entgegnete er, bezog sich dabei nicht nur auf das Eislaufen und drückte ihre Hand. Maron’s Wangen färbten sich rot und sie lächelte verlegen, als sie das realisierte. 

Für eine Weile glitten sie zusammen über das Eis, ab und an passierten sie die anderen. Jedes Mal, wenn Shinji oder Yamato hinfielen, klammerte Chiaki sich noch fester an sein Mädchen, wollte nicht dieselbe Blamage erleiden wie sie. Miyako und Natsuki lachten unterdessen ihre Freunde aus. 

Die Mädels schienen sich in jeglicher Hinsicht zu amüsieren. 
 

Einige Zeit verging. „Ich bekomm langsam Kohldampf“, sagte Chiaki.

Maron blickte ihn an und nickte. „Schauen wir mal, was es in den ganzen Ständen so gibt“, lächelte sie. 

Sie sagten den anderen Bescheid und verließen anschließend die Eisfläche, zogen sich ihre Straßenschuhe an und liefen los. 

Chiaki zog sein Mädchen näher zu sich heran und legte seine Hand auf ihrem unteren Rücken. 

Nach einigen Metern blieben die Beiden vor einem Stand stehen. 

Der Stand war von oben bis unten mit Schneeflocken, künstlichen Eiszapfen und Schneemännern dekoriert und alles war in einem Eisblau gefärbt.

Selbst das Essen und die Getränke. 

Soweit man es erkennen konnte, wurden warme Süßwaren, wie Waffeln und Kakao angeboten.  

„Da?“, fragte Maron mit einem belustigten Lächeln und deutete mit dem Finger auf den Stand. 

„Nein. Da sieht es aus, als hätte Jack Frost persönlich drüber gekotzt“, sagte er halb scherzhaft, halb abschätzig und schüttelte entschieden den Kopf. Sie lachte. 

„Komm. Gehen wir weiter“, sagte Maron und führte den Weg, „Vielleicht finden wir irgendwo was Gutes zu Essen. Ansonsten kehren wir zu den anderen zurück.“

Doch Chiaki hörte nicht mehr zu, seine Aufmerksamkeit war auf einen Jungen mit dessen Mutter gerichtet, die wenige Meter von ihnen entfernt waren. Die Mutter erschien aufgebracht, schimpfte mit den Kleinen, während der Junge trotzig mit den Füßen stampfte und die Hände fest zu Fäusten geballt hatte.

Abrupt blieb Chiaki stehen und beobachtete sie.

„Komm! Wir müssen weiter!“, sagte die Mutter, begann ihren Sohn am Arm zu packen und zu zerren.

„Nein!!“, weigerte er sich, „Mama! Ich will noch eine Schoko-Waffel!“

„Du hattest eben schon eine. Jetzt bekommst du nichts mehr!“ 

„Mama!“ Der Junge quengelte.

Für einige Momente ging es so hin und her. Die meisten Leute um sie herum gingen ihnen aus dem Weg, machten einen Bogen um die beiden.

Irgendwann fing der Junge an zu weinen.

„Du blamierst mich noch!!“, entkam es genervt und merklich angepisst von der Mutter. Noch immer zerrte sie am Arm des Jungen, während er sich nicht vom Fleck bewegen will.

Als nächstes hob sie ihre Hand und holte aus. In dem Moment sah Chiaki ein Bild vor Augen und die Geräusche um ihn herum verblassten. Sein Magen fühlte sich schwer an und teilweise wurde ihm übel.

Maron drehte sich mit großen Augen zu ihm um. „Chiaki?“ 

Ehe er sich versah, war er bei der Mutter und dem Jungen, stoppte die Frau am Handgelenk.

Die Frau wich überrascht zurück, sah ihn mit großen Augen entgeistert sowie überrascht an. 

„Entschuldigen Sie bitte?!“, entkam es ihr empört, „Was wollen Sie von mir?! Und lassen Sie mich gefälligst los!“

„Sie daran hindern, Ihrem Kind zu schaden“, sagte er mit verengten Augen.

„Mama!“ Der Junge klammerte sich an seine Mutter und blickte Chiaki verängstigt an. Als Chiaki realisierte, dass der Kleine Angst vor ihm hatte, ließ er abrupt die Mutter los und ging einen Schritt zurück. 

Die Frau sagte irgendwas, beschwerte sich, aber sie wurde von dem Rauschen in seinen Ohren übertönt. 

Maron war plötzlich an seiner Seite, erwiderte etwas, schien ihn im Schutz zu nehmen. Er hörte nicht, was sie sagte.

Seine Augen blickten sich in alle Richtungen um, trafen auf schockierte, verstörte Gesichter. 

Er konnte hier nicht bleiben. Er musste hier weg. 

Er machte auf dem Absatz kehrt und ging schnellstmöglich davon.
 

***

„Chiaki, warte!“

Maron sprintete ihrem Freund hinter her, als er etwas abseits von den Menschen hinter ein paar Bäumen stehen blieb. Sie nahm seine Hand, blickte ihn besorgt an. 

„Was war los? Bist du okay?“, fragte sie. Wie versteinert blickte er in die Ferne, hatte ihr den Rücken zugewandt.

Er seufzte und drehte sich mit einer reglosen Miene zu ihr um. Sie schluckte schwer, als sie den Ausdruck in seinen Augen erkannte. Der Ausdruck, der ihr immer Sorgen bereitete.

„Lass uns zu den anderen zurückkehren“, sagte Chiaki mit tonloser Stimme, „Vergiss einfach, was vorhin passiert ist.“ Damit ging er los, während Maron ihm noch für einen Moment hinterher sah.

Denn was eben geschehen war, konnte sie nicht einfach vergessen. 

Mit einem teils ernsten, teils besorgten Gesichtsausdruck folgte sie ihm, schloss sich den anderen wieder an.

Für den Rest des Nachmittags sprach Chiaki kein Wort mehr, distanzierte sich von allen. Den Blicken ihrer Freunde zu urteilen, schienen alle zu merken, dass etwas nicht stimmte. Sie fragten jedoch nicht nach und beschlossen nach nicht allzu langer Zeit nach Hause zu gehen.

 

Maron war sichtlich besorgt um ihn, konnte den ganzen Abend lang nicht aufhören aus dem Fenster zu schauen und zu seinem Zimmer rüber zu starren. 

Um zehn stand sie nervös vor seiner Balkontür, hoffte innerlich sehr, dass seine Laune sich in den letzten paar Stunden etwas gebessert hatte.

Zu ihrer Enttäuschung war dem nicht so. 

Als Chiaki ihr die Tür aufmachte, trug er nach wie vor diesen verlorenen Ausdruck in seinen Augen, der ihr jedes Mal das Herz brach. 

Für eine Weile saß Maron mit ihm auf dem Bett und blickte ihn besorgt an, während er schweigend ihr Essen aß. 

„Ich möchte mehr über deine Mutter wissen“, durchbrach sie schließlich die Stille, als er fertig gegessen hatte. 

Chiaki warf ihr einen kurzen, undurchdringlichen Blick zu und seufzte schwer, ehe er sich hinlegte und seinen Kopf auf ihrem Schoss betete. So wie sie es in letzter Zeit immer taten, wenn ihn etwas aus der Vergangenheit plagte.

Sanft strich Maron ihm durch die Haare, während er für einige Moment mit einem gedankenverlorenen Ausdruck zur Decke starrte. 

„Sie hatte ein schönes Lächeln“, begann er zu sagen, fuhr sich mit einer Hand durch ein paar Strähnen. 

Wie wahr..., dachte Maron sich, als sie an die Skizzen von seiner Mutter zurückdachte. Es ist auch dein Lächeln.

„Ich weiß noch, wie sie gelächelt hatte, als ich ihr mal eine herzförmige Karte zum Muttertag gebastelt habe.“ Maron konnte sich bei der Vorstellung ein warmes Lächeln nicht verkneifen. „Es ist merkwürdig, dass ich mich an ihr Lächeln erinnern kann... denn das Erste was ich immer vor mir sehe, wenn ich an sie denke, ist ihr weinendes Gesicht.“ Er senkte seinen Blick. „Sie weinte viel, seit… jenem Tag. Egal, ob ich auch im Zimmer war oder nicht.“

Kurz hielt er inne, atmete tief ein und wieder aus. „Manchmal hatte sie ihre ‚guten‘ Tage, wo sie fast wieder die Alte war. In der sie fast wieder die tollste Mutter der Welt war, die man sich als Kind vorstellen konnte. Aber für die meiste Zeit war sie traurig, schenkte mir kaum Beachtung. Ich ließ sie in Ruhe, weil sie mir Angst bereitet hatte, wenn sie weinte.“

Maron schluckte als ihr die nächste Frage auf der Zunge lag.

„Was passierte denn, wenn du sie nicht in Ruhe gelassen hast?“

Chiaki presste sich die Lippen fest zusammen, schloss für einen Augenblick schweigend seine Augen und drehte sich zur Seite, das Gesicht zu ihr gewandt. Er öffnete seinen Augen und Anzeichen von Schmerz breitete sich in seinen Zügen aus. Sie dachte an sein Verhalten von heute Nachmittag zurück, hörte nicht auf ihm sachte durch die Haare zu streichen.

„Hatte sie dir weh getan?“ Ihre Stimme war ein leises Flüstern.

Maron spürte, wie Chiaki sich für einen Moment versteifte. Er öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder. Tränen schimmerten in seinen Augen, die er mit einem schweren Seufzer wieder schloss. Seine Arme schlangen sich wortlos um ihre Mitte.

Sein Schweigen reichte ihr als Antwort.

Ohne weiteres umarmte sie ihn zurück, rutschte etwas runter, um mit ihm auf selber Höhe zu sein. Sie legte ihre Arme fest um ihn, während er seinen Kopf jetzt auf ihrer Schulter ruhen hatte und still weinte. Maron kämpfte selbst mit den Tränen, zwang sich jedoch für ihn stark zu sein.

Sie hasste es ihn so gebrochen zu sehen.

Umso mehr hasste sie seine Mutter. Die Frau, die ihn so gebrochen hatte.

Die Frau, die ihn früher jede Nacht in den Schlaf gesummt hatte. Die Frau, die es ihm erlaubt hatte, Löcher im Garten zu graben und dabei seine Klamotten zu ruinieren.

Die Frau, die ihm so viel bedeutete. Die er trotz allem geliebt hatte – wie jedes Kind seine Mutter liebte.

Die nach dem tragischen Vorfall sein einziger Anker war.

Und die ihn trotz allem einfach im Stich ließ. Hatte ihn von sich gestoßen und für immer geschädigt.

Während Maron Chiaki hielt und ihm Trost spendete, wollte sie diese Frau am liebsten ausfindig machen und zur Rede stellen.

Sie wollte diese Frau fragen, wie sie ihm sowas antun konnte.

Sie wollte dieser Frau in die Augen sehen und versuchen zu verstehen wieso.

Aber was sie nach dem heutigen Tag am aller meisten wollte, war diese Frau aufzuspüren und ihr ins verdammte Gesicht zu spucken.



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