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Insomnia

"You can't fix me."
von

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FORTY-ONE

FORTY-ONE

 

Sorgfältig verteilte Maron die süße Creme über den Kuchen.

Es war Samstag. Für jeden anderen ein stinknormaler Tag.

Für sie war heute aber ein besonderer Anlass.

Es war nämlich Chiaki’s Geburtstag.

Und der Gedanke, dass er höchstwahrscheinlich den Tag erschöpft, müde und launisch in seinem Zimmer eingebunkert verbrachte, stimmte sie traurig. Auf keinen Fall wollte sie, dass ihr Freund so seinen Geburtstag verbrachte.

Gähnend hielt Maron sich eine Hand vor dem Mund. Die Wochenenden würden wieder anstrengend werden. Seit dem Montag hatte Chiaki sie immer dazu gebracht, die eine Stunde in der Mittagspause zu schlafen. Es war nicht viel, aber es machte alles etwas erträglicher. Diese Stunden werden ihr an den beiden Tagen vom Wochenende nun fehlen und sie konnte förmlich spüren, wie ihr Körper nach Schlaf schrie.

Sie war einfach nur erschöpft.

Seufzend schaltete Maron neben sich die Kaffeemaschine an und machte sich wieder eine Tasse. Gleichzeitig widmete sie sich dem Kuchen und begann mit dem Spritzbeutel ein paar Sahnedekorationen zu machen. Für einen Augenblick hatte sie überlegt, eine Kerze in die Mitte zum Schluss zu stecken. Doch den Gedanken verwarf sie sofort wieder, als sie sich in Erinnerung rief, dass er Kerzen hasste. Aus verständlichen Gründen...

Nachdem Maron mit der Sahne fertig war, streute sie schließlich ein paar Schokoraspeln auf die Oberfläche. Es war ein Schokoladekuchen. Und sie konnte sich das Lächeln auf seinem Gesicht ganz gut vorstellen, wenn er den Kuchen sah und aß.

Es war so lange her, dass Maron ihn wirklich aufrichtig lächeln sah. Er lächelte sie morgens zwar an, wenn sie sich auf dem Parkplatz trafen oder wenn sie im Unterricht flüchtig zu ihm rüber sah. Aber sie wirkten alle angespannt. Nicht natürlich und echt.

Es war nicht das Lächeln, was sie gewohnt war. Und sie brauchte es: sie brauchte Chiaki und sein Lächeln mehr als den Schlaf, um selbst wieder aufrichtig lächeln zu können.

 

Eine Stimme riss Maron aus den Gedanken. „Gibt’s heute Kuchen?“

Sie presste sich die Lippen zusammen, schaute nicht zu ihrem Vater auf, der sich gegenüber von ihr am Tresen hingesetzt hatte und den Kuchen neugierig beäugte. Sakura war mit Miyako gerade einkaufen, weshalb sie mit ihm allein Zuhause war. Stunden zuvor hatte sie wage mitbekommen, wie die beiden Erwachsenen sich stritten…Maron hatte das Gefühl, dass sie sich in letzter Zeit öfters streiten.

Weshalb der Haussegen noch schiefer hing, als es schon war.

Seit zwei Wochen hatte Maron kein Wort mit ihm geredet. Nun war der Zeitpunkt gekommen, in der sie das Schweigen wohl oder übel brechen musste.

„Der ist für Chiaki“, sagte Maron, „Es ist sein Geburtstag.“ Sie sah zu Takumi auf, der ihren Blick mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck erwiderte.

„Redest du wieder mit mir?“, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sie seufzte, schluckte sich die innere Wut weg. „Ja.“

Der Hauch eines Lächelns war auf seinem Gesicht zu sehen, welches jedoch wieder verschwand, als er auf den Kuchen herunterblickte.

„Miyako könnte ihn ihm später rüberbringen, wenn sie wieder da ist.“

„Ich will den Kuchen ihm selbst überbringen“, verlangte Maron bestimmt.

„Du kennst die Regeln“, erwiderte er, worauf sie ihn mit verengten Augen anstierte.

„Diese Regeln sind bescheuert!“

„Genauso bescheuert wie der Stunt, den du monatelang durchgezogen hast“, entgegnete Takumi schnaubend, sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen verärgert an. Maron stieß einen frustrierten Laut aus.

Für einige Momente war es still zwischen ihnen, bis ihr Vater wieder das Wort ergriff. „Ich hatte übrigens letztens einen Anruf von der Schule bekommen“, sagte er mit tonloser Stimme. Sofort kramte Maron in ihrem Gedächtnis nach, ob sie im Unterricht mal eingeschlafen war. Aber sie war sich sicher, dass dem nicht der Fall war.

„Man sagte mir, dass du nicht aufpasst und dass deine Noten in den Keller gehen“, sagte Takumi. Schweigend nahm sie die Informationen zur Kenntnis. Er fuhr sich seufzend eine Hand über das Gesicht. „Und wenn ich dich so vor mir sehe... Du bist geradezu geschwächt vor Erschöpfung.“

Maron zog müde eine Augenbraue hoch. „Würde alles nicht passieren, wenn ich ordentlich schlafen könnte“, sagte sie trocken.

„Chiaki ist aber nicht die Lösung für das Problem“, erwiderte Takumi darauf. Sie war da gegenteiliger Meinung.

„Ihr braucht beide professionelle Hilfe.“ Die sie nicht wollte.

Stur blickte Maron zur Seite, wich den ernsten Blicken ihres Vaters aus.

„Denkst du mir gefällt es, dich so unglücklich zu sehen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich will nur, dass du erkennst, dass eine Therapie nur zu deinem Besten ist.“

Ein schweres Seufzen war von ihm zu hören, welches eine Spur von Verzweiflung mit sich trug. Da beschloss Maron, dass dies ihr vielleicht zu Nutzen kommen konnte

„Wenn du mich Chiaki sehen lässt-“, sie nickte zum Kuchen runter, „-dann überlege ich es mir.“ Sie verschränkte mit einem überlegenen Gefühl die Arme vor die Brust, verkniff sich dabei ein Lächeln. Es war ein Kompromiss auf das Takumi eingehen müsste.

Gegen ihre Erwartung schüttelte er entschieden den Kopf.

„Tut mir leid. Dem kann ich nicht zustimmen.“

Maron blickte ihn verwirrt an. „Warum?!“ Zum ersten Mal seit sie hier wohnte, kam sie dem Thema Therapie entgegen und er lehnte ab?!

„Weil du es nicht ernst meinst“, antwortete Takumi ihr, „Außerdem traue ich Chiaki nicht.“

Irritiert blinzelte Maron ihn an. „Warum? Chiaki liebt mich. Er würde mir nicht wehtun“, beharrte sie. Ihr Vater hatte doch gesehen, wie Chiaki mit ihr umging. War der Vorfall in der Schule damals nicht schon Beweis genug? Er liebte sie so sehr, er könnte ihr nicht mal ein Haar krümmen.

„Es gibt mehr als nur einen Weg jemanden wehzutun, Maron“, sagte er mit tonloser Stimme. Sein Gesicht verfinsterte sich. „Du hattest physische Schmerzen erlitten, die… jenseits meiner Vorstellungskraft liegen. Du hattest emotionale Schmerzen erlitten, durch den Verlust deiner Mutter.“ Er seufzte und schüttelte leicht den Kopf. „Und Chiaki...“ Takumi blickte Maron direkt in die Augen. „Chiaki durchlitt dieselben Schmerzen.“

Maron war für einen Moment erstaunt darüber, dass ihr Vater von Chiaki’s Vergangenheit Bescheid weiß und fragte sich wieviel er wusste.

„Kaiki hatte mir eine gekürzte Version von dem gegeben, was er wusste“, beantwortete Takumi ihre stumme Frage.

Nun war sie wütend auf Kaiki, dass er über sowas Sensibles einfach so mit ihrem Vater sprach - ohne Chiaki’s Einverständnis.

„Ich verstehe, dass er eine... schwierige Kindheit hatte und weiß auch, dass er kein schlechter Mensch ist“, sprach er weiter, „Aber genau das, macht ihn zu einer schwierigen Person. Seine Ansichten zu dem was richtig und was falsch ist, sind völlig verzerrt.“

Wütend funkelte Maron ihren Vater an. „Das stimmt doch nicht-“

„Das größte Problem ist, dass ihr beide zu sehr klammert, Maron“, fiel Takumi ihr ins Wort. „Ihr seid beide verloren und geschädigt und klammert aneinander um Hilfe.“ Er atmete tief aus, kniff sich mit Daumen und Zeigefinger zwischen die Augen. „Aber ihr könnt einander nicht helfen. Nicht so wie ihr es euch vorstellt. Nicht wenn ihr euch weigert euch selbst zu helfen.“

Augenrollend sah Maron weg. War der festen Überzeugung, dass er falsch lag.

Chiaki half ihr so viel…genauso wie sie ihm. Sie helfen sich in dem sie einander halfen!

Keiner von ihnen konnte ihre Dynamik auch nur ansatzweise verstehen.

„Ich weiß, dass du dir das noch nicht eingestehen willst. Aber du wirst schon sehen.“ Er blickte sie mit einem wissenden Ausdruck an. „Ich will mich nicht mit dir streiten, Maron“, ein erschöpftes Seufzen entkam ihm, „-aber ich muss das versuchen, was richtig ist. Und das wäre dich zur Therapie zu bringen und dich vor Ärger fernzuhalten.“

Und dann wurde es wieder still zwischen ihnen.

Frustriert sah Maron auf den Kuchen. Sie konnte ihren Vater verstehen und gleichzeitig…wollte sie ihn nicht verstehen. Er war nicht in der Situation, um wirklich zu verstehen, was wirklich das Richtige für sie war. Sie wollte alles Gesagte mit einem abfälligen Schnauben abtun.

Aber wenn sie ehrlich mit sich war, so wollte sie sich auch nicht mit ihm streiten. Hatte keine Kraft mehr dafür.

Eine Träne lief ihr die Wange herunter.

„Bitte…“, schniefend blickte Maron ihren Vater an, „Lass mich ihm den Kuchen bringen. Und ich versichere dir: ich überlege es mir wirklich mit der Therapie.“ Es war weder eine Lüge, noch die Wahrheit – in dem Moment, war sie einfach nur verzweifelt.

Seine Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen.

„Jeder verdient einen Kuchen zu seinem Geburtstag… auch Chiaki“, murmelte sie.

Unschlüssig blickte Takumi zwischen ihr und den Kuchen hin und her. Nach einer Weile gab er sich seufzend geschlagen. „Fein.“

Maron lächelte breit und hupfte vor Freude auf und ab. Glücklich darüber, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. „Danke!“

Sie drehte sich kurz weg und holte einen Kuchenbehälter raus, packte den Kuchen vorsichtig ein.

„Ich werde nur zehn Minuten brauchen“, sagte sie Takumi, der schwer seufzend sein Handy in die Hand genommen hatte.

„Bleib solange wie Kaiki es erlaubt.“

Ihr Lächeln wurde noch breiter.

Sie nahm den Behälter in beide Hände und wollte gerade gehen, als Takumi’s Stimme sie aufhielt. „Das ist eine einmalige Sache, Maron.“ Seine Augen trafen auf ihre. „Ich hoffe du hältst dein Wort.“

Sie verkniff es sich das Gesicht zu verziehen und nickte stattdessen.

Anschließend ging sie zur Tür und lief nach draußen.
 

***

Kaiki war sich nicht sicher, was er davon halten sollte, als man ihm von Maron’s Besuch mitteilte.

Als er dem Mädchen die Tür aufmachte, lächelte sie ein nervöses, schüchternes Lächeln. Zumindest würde ein Außenstehender, der ihre psychische Verfassung nicht verstand, es als Schüchternheit abstempeln.

Dann sah er den Behälter mit dem Kuchen in ihren Händen.

Er wusste natürlich, dass heute Chiaki’s Geburtstag war. Er fühlte sich dazu verleitet dem armen Mädchen zu sagen, dass Chiaki Geburtstagskuchen nicht mochte.

Ein einziges Mal hatte er ihm einen Kuchen zum Geburtstag gekauft. Kaiki hatte unzählige Stunden am Telefon mit einem sehr bekannten Konditor verbracht, um den perfekten Kuchen für den damals Elfjährigen zu bringen. Mit Kerzen und allem Drum und Dran.

Als Chiaki ihn jedoch sah und auf die brennenden Kerzen starrte, wurde er nahezu grün im Gesicht. Anschließend war er ohne Weiteres gegangen, ließ den Kuchen ungerührt. (Letztendlich wurde er von Shinji und Kagura angeschnitten und aufgegessen.)

Kaiki hatte versucht mit den Jungen zu reden, wollte verstehen, was los war. Doch Chiaki blockte ab.

Nichtsdestotrotz war dies das erste und letzte Mal, dass er ihm einen Geburtstagskuchen gekauft hatte. Seitdem haben sie aus Chiaki’s Geburtstagen keine große Sache mehr gemacht.

Jetzt machte Maron genau das, was in diesem Haushalt seit Jahren nicht mehr gemacht wurde.

„Dr. Nagoya“, sagte sie nur, nannte ihn wieder beim Titel.

„Bitte nenn mich Kaiki“, korrigierte er sie. In Anbetracht dessen, dass sie die letzten drei Monate jede Nacht unter seinem Dach verbracht hatte, waren Formalitäten womöglich erst recht nicht mehr nötig.

Maron ging nicht darauf ein, als sie eintrat und ihm nur einen kleinen, flüchtigen Blick zuwarf.

Kaiki konnte erkennen, dass sie sich unwohl in seiner Nähe fühlte. Mit nur wenigen Worten führte er Maron ins Esszimmer und teilte ihr mit, einen Moment zu warten.

Dann ging er die Treppen zu Chiaki’s Zimmer hoch. Er machte sich darauf gefasst, dass Chiaki ihn anschweigen und ignorieren würde. Seit zwei Wochen ging das nun so.

In diesen vierzehn Tagen konnte Kaiki beobachten, wie sein Sohn sich selbst und seine Gesundheit stark vernachlässigte.

Seine Augen wurden vom mangelnden Schlaf immer dunkler. Die Wangen wirkten immer eingefallener. Und es entging ihm auch nicht, wie er sich auf den Treppen manchmal festhalten musste.

Er war Arzt – und sein Vater. Natürlich sollte das alles ihm nicht entgehen. Und dennoch fühlte er sich so hilflos mit dem Jungen.
 

***

Chiaki lag gerade auf seinem Sofa, genoss die Ruhe und ließ die neuste Tablette an Amphetaminen, die er vorhin genommen hatte, auf sich wirken, als es plötzlich an seiner Zimmertür klopfte. Augenrollend stöhnte er auf, ging davon aus, dass es Shinji sein musste, der ihm zum Geburtstag gratulieren wollte.

In den letzten Tagen fand er sich immer öfter in dessen Zimmer wieder, verbrachte die nächtlichen Stunden damit mit seinen Adoptivbruder zu zocken. Die banalen Gespräche mit Shinji brachten ihn auf andere Gedanken und taten auch etwas gut.

Wieder klopfte es. Konnte der Idiot die dämlichen Geburtstagsgrüße nicht einfach durch die Tür sagen?! Denn jetzt gerade wollte Chiaki einfach nur seine Ruhe.

Er stand genervt auf, ging auf die Tür zu und riss sie auf.

Für einen Moment blinzelte er überrascht sein Gegenüber an.

„Na sowas aber auch. Ich glaub’s ja nicht“, sagte er, die Stimme triefte vor Spott, „Ich habe mir das Klopfen nicht eingebildet.“

Kaiki stand seufzend im Flur, die Hände in den Taschen vergraben.

„Funktioniert dein Schlüssel nicht mehr?“, fragte Chiaki mit hochgezogener Augenbraue sarkastisch. Das waren die meisten Wörter, die er seit zwei Wochen mit ihm gewechselt hatte. Kaiki blickte ihn für einen Moment an, ehe er schließlich seine Sprache wiederfand.

„Maron-“, fing er an zu sagen und gewann direkt Chiaki’s Aufmerksamkeit und Interesse, „-wartet unten im Esszimmer auf dich.“ Kaiki ließ seinen Blick Richtung Treppe schweifen und dann wieder zu ihm. Sofort drängte Chiaki sich an ihn vorbei und ging nach unten. Ein vertrautes Gefühl überkam ihm. Es war wie ein unsichtbarer Faden, welcher in seiner Brust zerrte und ihn zu seinem Mädchen führte.

Schließlich kam sie in sein Blickfeld, gekleidet in ihrem übergroßen schwarzen Kapuzenpulli und Jeans und hatte ein müdes Lächeln auf ihrem wunderschönen Gesicht haften, welches sein Herz aufklopfen ließ. So überrascht er über Maron’s Besuch war, so verschwendete er dennoch keine Sekunde damit auf sie zu zugehen und sie in seine Arme zu nehmen.

Leise kichernd schlang Maron ihre Arme um seine Taille, schmiegte ihr Gesicht an seine Brust.

Er konnte Kaiki’s achtsame Blicke auf sich spüren, aber er ignorierte dessen Anwesenheit.

Während Chiaki sie festhielt, vergrub er sein Gesicht in ihren Haaren. Dann drehte er seinen Kopf und flüsterte so leise in ihr Ohr, dass Kaiki ihn nicht hören konnte: „Bist du wegen guten Benehmens entlassen?“

Maron schüttelte seufzend ihren Kopf. „Ist ‘ne einmalige Sache.“

Chiaki konnte spüren, wie die Wut und Frustration wieder hochkamen. „Für wie lange darfst du bleiben?“

„Solange, wie dein Vater es erlaubt“, sagte sie, blickte zu ihm auf und nickte leicht mit dem Kopf dorthin, wo Kaiki einige Meter von ihnen entfernt, stand.

„Ich bin hier, um dir was zu geben.“ Sie entfernte sich aus seiner Umarmung und drehte sich kurz zum Tisch hinter ihr um.

Im nächsten Augenblick wandte sie sich wieder ihm zu und hatte etwas in den Händen.

Seine Augen wurden riesig als er den Kuchen sah.

„Happy Birthday“, sagte Maron mit einem süßen, liebevollen Lächeln. Dasselbe Lächeln was auch ihm automatisch ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Ein richtiges Lächeln, welches immer nur ihr galt und er seit Tagen nicht mehr gelächelt hatte.
 

***

Kaiki stand am Türrahmen angelehnt da und beobachtete die beiden Jugendliche. Er sah, wie Chiaki mit einem riesigen Lächeln, welches er noch nie so bei ihm gesehen hatte, auf den Kuchen und Maron herabsah und sich mit ihr zusammen am Tisch hinsetzte.

Seufzend blickte Kaiki leicht verbittert zu Boden, war ein wenig frustriert und neidisch darüber, dass Maron genau die Reaktion bekam, die er sich von seinem Sohn damals erhofft hatte.

Offensichtlich fiel sie in eine komplett andere Kategorie als jeder andere Mensch in Chiaki’s Leben.

Die beiden hatte Kaiki’s Präsenz komplett vergessen. Und eigentlich sollte er sie womöglich auch für eine Weile allein lassen, doch aus unerfindlichen Gründen blieb Kaiki an Ort und Stelle stehen, beobachtete die beiden.

Maron schnitt den Kuchen an, gab Chiaki ein Stück, welches er mit Freude aß. Sie rutschten etwas näher zueinander heran und seine freie Hand fand unter dem Tisch ihre.

Sie redeten in einem leisen, gedämpften Ton miteinander, weshalb Kaiki nicht hören konnte, über was sie sprachen. Wahrscheinlich ging es ihm auch nichts an.

Mit einer Mischung von Faszination und Neid beobachtete er sie. Er war fasziniert über den Einfluss, den dieses Mädchen auf seinen Sohn hatte. Wie einfach er sich ihr öffnen und sie ihn zum Lächeln bringen konnte. Gleichzeitig war er auch neidisch darüber.

Kaiki konnte sich nicht entsinnen, jemals diese Version von Chiaki gesehen zu haben, bevor dieses Mädchen in sein Leben kam.

Er hatte alles versucht, um zu ihm durchzudringen. Jahrelang hatte er versucht diese Mauer, die er aufgebaut hatte zu durchbrechen. Er hatte sich sogar mit Kollegen über Methoden ausgetauscht, wie man zu schwer traumatisierten Kindern und Jugendlichen durchdringen kann. Man brauchte kein Experte in dem Gebiet zu sein, um zu erkennen, dass Chiaki durchaus schwer traumatisiert war.

Kaiki versuchte mit viel Geduld sein Vertrauen zu gewinnen. Hatte darauf gewartet, dass er sich ihm vielleicht irgendwann öffnete. Er bleib über die Jahre geduldig – so geduldig, wie es den Umständen entsprechend ging.

Doch dann kam Maron nach Momokuri und so ganz plötzlich ließ Chiaki seine Mauer fallen. Nicht nur fand er in ihr eine Vertraute..., sondern auch viel mehr.

Es war eigentlich ein positives Zeichen. Dennoch kam Kaiki nicht drum rum dieses Fünkchen Neid zu verspüren. Aber er akzeptierte die Beziehung zunächst, mit der Hoffnung, dass Chiaki sich mit Maron’s Hilfe auch ihm öffnen würde.

Dem war leider nicht der Fall.

Zusammen mit den Erkenntnissen über ihre Schlaflosigkeit, kam Kaiki eventuell zu der Realisation, dass diese Abhängigkeit von den beiden doch nicht so gut war, wie es zunächst den Anschein hatte. Zumindest auf Dauer nicht.

Nur leider würden sie das von selbst nicht erkennen wollen. Selbst jetzt in dieser Entzugsphase nicht.

Ein leises Kichern riss Kaiki aus den Gedanken. Er beobachtete, wie Maron und Chiaki in ihrer eigenen Welt waren, noch etwas näher heranrückten und ihre Stirn aneinander lehnten.

Er räusperte sich, riss die beiden wieder in die Realität zurück und erschreckte das arme Mädchen dabei völlig, die seine Anwesenheit womöglich komplett verdrängt hatte.

„Ich denke, Maron sollte jetzt womöglich nach Hause gehen.“
 

***

Chiaki drehte sich zu Kaiki um, funkelte ihn mit einem entgeisterten Blick an. Auch Maron blickte finster zwischen ihnen hin und her.

Er drückte ihre Hand fest in seine, wollte offensichtlich noch nicht, dass sie ging.

„Warum?“, fragte er irritiert.

Kaiki senkte seinen Blick und rieb sich den Nacken. „Chiaki, bitte. Jetzt mach keine Szene draus“, wich er ihm aus.

Chiaki war durchaus bereit eine Szene jetzt zu machen, doch Maron stand stattdessen auf und nahm die leere Box in die Hand.

„Ist schon okay“, murmelte sie und lächelte ein Lächeln, welches ihre Augen nicht erreichte.

Nein, ist es nicht, dachte Chiaki sich verbissen, während er sie zur Tür begleitete.

Er sah, wie Maron merklich vor Kaiki zurückwich als sie an ihn vorbeiging.

„Dr. Nagoya“, sagte sie nur schroff zum Abschied. Dieser öffnete den Mund, wollte sie womöglich wegen der Anrede wieder korrigieren, aber sie hatte schon auf dem Absatz kehrt gemacht und war gegangen.

Es war offensichtlich, dass sie genauso sauer auf ihn war, wie Chiaki.

Nur war Chiaki richtig angepisst. Ohne Kaiki eines Blickes zu würdigen, begab er sich wieder in sein Zimmer zurück.

Er konnte es kaum erwarten von hier auszuziehen.



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