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Insomnia

"You can't fix me."
von

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FIFTY-FOUR

FIFTY-FOUR

 

„Nein, nein, nein. Guck.“ Yamato nahm das Blatt hoch und Chiaki schaute auf die Stelle, auf die sein Freund zeigte.

„Da steht 100 Gramm brauner Zucker. Nicht normalen, weißen Zucker.“

„Was ist der Unterschied??“, fragte Chiaki irritiert, „Es ist Zucker.“

„Die Farbe“, antwortete Shinji.

Genervt beschmiss er ihn mit einer kleinen Hand voll Mehl, was jedoch zu einer weißen staubigen Wolke zerfiel.

Yamato zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wenn brauner Zucker dasteht, solltest du braunen Zucker benutzen.“

Chiaki öffnete zum dritten Mal an diesem Samstag alle Schränke in der Küche, suchte ahnungslos.

„Finde ihn nicht“, sagte er, strich sich durch die frisch geschnittenen Haare.

„Dann benutzt Normalen.“

„Alter, es ist Zucker“, sagte Shinji, warf beide Hände hoch. „Keiner würde den Unterschied herausschmecken!“ Er war das Wochenende wieder zu Besuch da und Natsuki hatte sich den anderen beiden Mädels zum Yoga angeschlossen.

‚Sahne so lange schlagen, bis sie steif ist‘“, las Yamato vor und kicherte. „Hör sich schon etwas versaut an.“

„Ist der dann dafür da, um anzustoßen?“, fragte Shinji, hatte sich die Flasche Weißen Rum geschnappt, welcher auf dem Tresen stand.

„Nein. Und wehe ihr fangt an mir meine Zutaten wegzutrinken!“

„Du brauchst nur vier Esslöffel davon“, sagte Yamato. „Den Rest könntest du garantiert für deine Nerven gebrauchen.“

Entnervt stöhnte Chiaki auf, schnappte sich den Zucker und die Flasche und versuchte seine momentanen Tätigkeit weiter nachzugehen. Er konnte hören, wie die anderen beiden sich hinter ihm amüsierten.

Die erste Woche nach seiner Rückkehr verging wie im Fluge.

Er hatte die letzten Nächte einen Berg voller Hausaufgaben und Hausarbeiten abgearbeitet, die er machen musste, um den verpassten Schulstoff nachzuholen. Bei manchen Sachen hatte Maron ihn sogar geholfen, aber größtenteils wollte er alles allein, bis zu den vereinbarten Abgaben fertigbringen. Entweder das oder ein Jahr wiederholen.

Kaiki hatte gehofft, dass er mit seinen Einflüssen einen besseren Kompromiss mit der Schulleitung aushandeln konnte, aber Chiaki störte es nicht. Es war schließlich sein eigenes Verschulden und er müsste dafür arbeiten.

Ansonsten hatte die Schule sich nicht verändert.

„Was für ein Kuchen soll das überhaupt werden?“, fragte Shinji interessiert.

„Apfel-Sahne-Kuchen“, murmelte Chiaki, ohne sich zu ihm umzudrehen, rührte gerade mit dem Handmixer den Teig und versuchte dabei nicht alles in der Küche zu verteilen. Gleichzeitig betete er darum, dass der Kuchen ein Erfolg wird und dass er Maron schmecken würde.

Da Chiaki ihren Geburtstag verpasst hatte, wollte er ihr etwas zur Entschuldigung und gleichzeitig als nachträgliches Geschenk machen. Da war ein Kuchen doch perfekt, oder? Schließlich hatte sie ihm auch einen Kuchen geschenkt.

Jetzt musste seiner ihm nur noch gelingen. Und hoffentlich verzieh Maron ihm das Chaos in der Küche, denn er würde wahrscheinlich keine Zeit haben noch zu putzen, wenn sie nach Hause zurückkehrte.

Offensichtlich war Backen, wie Kochen, nicht seine Stärke. Beides war für ihn einfach eine Wissenschaft für sich.

Es war schon fast lachhaft.

Die Teigspritzer und das Mehl, die die Wand und sein Shirt bedeckten, bestätigten es nur. Sowie auch der kaputte Handmixer.

Vielleicht hätte er ihr etwas zeichnen sollen...

„Ich fühle mich, wie ein Trottel“, sagte Chiaki, als er auf sein Shirt runterschaute. Er zog es sich über den Kopf, hatte glücklicherweise noch ein Unterhemd an.

„Du siehst auch aus, wie ein Trottel“, schmunzelte Yamato, wich dem vorbeifliegenden Shirt aus, dass Chiaki ihm an den Kopf warf.

Kopfschüttelnd rollte Chiaki mit den Augen. Vielleicht brauchte er doch einen Schluck vom Rum. Oder zwei...

Er rührte mit einem Schneebesen weiter den Teig und prüfte mit zusammengezogenen Augenbrauen, ob er die richtige Konsistenz hatte.

„Und warum willst du nicht, dass wir dir helfen?“, fragte Yamato verwundert.

„Weil es... es zu diesen Dingen gehört, die viel mehr etwas Besonderes sind, wenn ich die selbst mache“, antwortete Chiaki ihm, schüttete den Teig vorsichtig in die Form.

„Ob Maron das auch so sieht“, sagte Shinji mit einem Seufzen, „Ich denke, sobald sie die Küche erblickt, wird sie erstmal all ihre Judo- und Box-Künste einsetzen, um dich niederzuschlagen.“

Dafür braucht sie keine dieser Künste, dachte Chiaki sich augenrollend. Er hoffte, dass sie bei ihm ein Auge zudrückte. 

 

Zwei Stunden später bestrich Chiaki den hässlichsten Kuchen, den er je gesehen hatte, mit Sahne. Yamato und Shinji schmissen sich vor Lachen weg.

Kaiki kam einmal runter, um zu sehen, was es mit dem Gelächter auf sich hat. Sein entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände.

„Sie wird das entweder liebenswert oder entsetzlich finden“, sagte er, was Chiaki viel Hoffnung brachte.

„Fragst du sie heute?“, fragte Kaiki anschließend in einem leisen Ton.

Chiaki nickte genervt und sah, wie sein Vater einen nervösen Blick auf das Chaos warf, als er wieder aus der Küche trat.

„Warum-“ Chiaki blickte den Kuchen mit schiefem Kopf mürrisch an, als er die letzten Feinheiten machte. „Warum zerbröckelt der Kuchen so? Der soll nicht in sich zusammenfallen, oder?“

Seine Freunde schauten ihm belustigt zu.

„Alter, ich denke, du hättest darauf warten müssen, dass er abkühlt“, merkte Shinji an.

Chiaki warf ihm einem scharfen Seitenblick zu, bevor er beim Geräusch der sich schließenden Haustür aufschreckte. Hilfesuchend blickte er die anderen an, aber es war schon zu spät.

Lachend kamen Maron, Miyako und Natsuki der Küche näher. Shinji und Yamato sprangen vom Tresen runter und Chiaki blickte panisch auf den Kuchen sowie in die Küche.  

„Und die hässliche Hose, die sie a-“ Maron brach abrupt ab, als sie in die Küche kam und ihre Augen wurden riesig.

Chiaki fluchte innerlich.

Shinji und Yamato traten einen Schritt von ihm weg und zeigten von beiden Seiten mit dem Finger auf ihn.

„Chiaki war’s“, platzte es gleichzeitig aus ihnen heraus.

Er erdolchte seine Freunde, die sich zu ihren Freundinnen gesellten, mit seinen Blicken. Miyako und Natsuki schauten sich mit offenen Mündern und großen Augen um.

Seufzend wandte Chiaki sich an Maron und setzte ein Lächeln auf.

„Es ist ein Geburtstagskuchen“, sagte er und hielt ihn leicht hoch. „Alles Gute nachträglich.“

Zähneknirschend versuchte er sein Lächeln nicht zu verlieren, als Miyako und Natsuki beim Anblick des Kuchens prustend loslachten - versuchte seine Unsicherheit über diesen Fehlversuch zu verstecken.

Maron blickte mit halboffenem Mund überrascht zwischen ihm und den Kuchen hin und her.

Sie trug eine schwarze Sportleggings, ein weißes T-Shirt und eine dünne Sportjacke drüber, Die Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Der sportliche Look gefiel ihm sehr an ihr.

„Du...hast... einen Kuchen... gebacken?“, fragte Maron, war wohl so sprachlos, dass sie erstmal die richtigen Worte finden musste.

Chiaki nickte bejahend, wartete schwerschluckend auf ihre endgültige Reaktion.

Ihre Mundwinkel zuckten nach oben und ein ungläubiges und zugleich großes, strahlendes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

Er lächelte erleichtert zurück, als sie auf ihn zuging. „Wir bräuchten übrigens einen neuen Handmixer“, merkte er schief grinsend an.

Maron blickte ihn zunächst erschrocken an, ehe sie schmunzelte.

„Ist schon okay“, kicherte sie und beugte sich vor, inspizierte den Kuchen. „Das ist so süß von dir.“

Chiaki warf Shinji und Yamato ein triumphierendes Grinsen zu. Die beiden kicherten kopfschüttelnd nur und verschwanden mit ihren Freundinnen aus der Küche.

Maron lächelte immer noch mit rosaroten Wangen. Sie schnappte sich ein Messer und eine Gabel und schnitt den Kuchen an, legte sich ein Stück auf einen kleinen Teller.

„Weißt du“, setzte sie an, „Ich hatte erwartet, dass du eher der Typ für Fertigmischungen bist“, sagte sie und nahm einen Bissen, nickte. „Hmm-Mh.“

Verwirrt sah Chiaki sie an, worauf sie kauend erklärte: „Du weißt schon - diese Fertigbackmischungen aus der Box.“

„Es gibt Fertigbackmischungen??“ Warum hat ihm das keiner gesagt!?

Maron nickte, schmunzelte amüsiert über seinen Gesichtsausdruck.

„Du... hast da was...“, merkte sie an und entfernte ein bisschen Teig, was an seinem Hals klebte. Chiaki war noch etwas neben der Spur, als sie ihm daraufhin einen süßen Kuss auf die Lippen drückte.

„Danke“, lächelte Maron liebevoll, lehnte ihre Stirn an seiner an.

Zufrieden legte Chiaki seine Arme um sie, küsste innig ihren Mund. Sofort wurde der Kuss von ihrer Seite fordernder und sie umfasste seinen Nacken. Er küsste sie mit derselben Intensität zurück, zwang sich gleichzeitig aber zur Kontrolle.

Seit einer Woche schwankten sie zwischen leichten, unschuldigen Küssen, bis hin zu heißem, hormongesteuertem Rumgemache. Doch mehr als Küssen machten sie nicht.

Zu mehr wollte er noch nicht gehen. Konnte noch nicht gehen.

Vorerst wäre da noch eine bestimmte Sache, die Chiaki seit Tagen auf dem Herzen lag und in der er Maron erstmal fragen musste. Was vorhin Kaiki auch angesprochen hatte.

Etwas schweratmend beendete er den Kuss, legte sein Gesicht an ihrer Schulter ab. Es war jedes Mal sehr überwältigend und aufwühlend.

Sanfte strich sie ihm durch die Haare, drückte ihm zur Entschuldigung einen sanften Kuss auf den Nacken, welche nicht nötig war.

Chiaki hob seinen Kopf, blickte sie liebevoll an. Maron war in den letzten Monaten so weit gekommen und sie handhabt alles so gut… Ihre Fortschritte bei der Therapie waren nicht zu übersehen.

Er war stolz auf sie und freute sich auch für sein Mädchen. Trotzdem fühlte er sich ein bisschen wie ein Außenseiter, wenn jeder andere um sie herum einen Teil zur Unterstützung beitrug, nur er nicht. Er wollte sie unterstützen. Wollte das nicht nur verbal zum Ausdruck bringen, sondern es ihr auch zeigen.

Dafür wollte er sie und ihre Kondition besser verstehen können. Damit er lernen und sich für sie bessern konnte. Damit er gleichzeitig auch für die Beziehung besser sein konnte.

Und er wollte vertrauen darin haben, dass Maron nicht zu einem anderen Mistkerl überwechselte, sobald sie sich ausreichend gebessert hatte.

Und es gab eine Person, die ihm darin helfen konnte.

Chiaki atmete tief durch, blickte seinem Mädchen in die Augen.

„Ich will Midori- ich meine, Dr. Anzai kennenlernen.“  
 

***

Es war Montagnachmittag. Maron saß im Wartezimmer von Midori’s Praxis.

Der Klang von monotoner, langweiliger Jazzmusik war zu hören. Sie versuchte ihre Ohren zu spitzen, hörte aber nichts aus dem Sprechzimmer. Nicht mal ein Gemurmel oder gedämpfte Stimmen.

Maron rieb sich gähnend mit dem Ärmel die Augen. Das Warten war anstrengend.

Nervös und sichtlich unruhig spielte sie mit ihren Haaren.

Normalerweise hätte sie jetzt ihre Sprechstunde, aber Midori wollte Chiaki zunächst alleine kennenzulernen. Eigentlich hatte Maron erwartet, dass sie mit ihm auf der Couch sitzen würde und mit ihrer Anwesenheit ihm beistand, während sie miteinander redeten. Aber Midori hatte irgendein Quatsch mit „Ehrlichkeit erweist sich zu zweit“ und „bei drei ist einer zu viel“ gesagt.

Darüber war Maron irritiert und hatte erwartet, dass Chiaki es auch wäre, doch zu ihrer Überraschung stimmte er einfach zu. Vielleicht wollte er auch mit Midori allein reden.

Maron war sich nicht sicher, wieso sie so nervös war. Sie war besorgt darüber, dass Chiaki Midori nicht mochte, dem war sie sich zumindest sicher.

Es gab nichts, was sie mehr wollte als seine volle Unterstützung. Und sie hatte das Gefühl, dass dieses erste Gespräch seine Auffassung zur Therapie im Allgemeinen prägen würde. Schließlich war ihr erstes Gespräch mit ihr in gewisser Weise positiv prägend gewesen.

Maron hoffte auch, dass Midori Chiaki mögen würde. Nicht nur, weil er der Sohn von ihrem Partner war... 

Sie hatte eher Angst, dass Midori etwas in ihm sehen könnte, dass sie dazu zwingen würde ihre Beziehung zu entmutigen. Bereits in der vergangenen Woche hatte Midori ihr mehr Beziehungsratschläge gegeben, als Maron auffassen konnte.

Mit Chiaki in einem Haushalt zu leben, war letzten endlich doch nicht so, wie Maron es sich in ihren Tagträumen immer erträumt hatte. Es war nicht hundertprozentig perfekt - denn gleichzeitig war immer noch diese unsichtbare Wand zwischen ihnen, die beide voneinander trennte vollkommen sie selbst zu sein. Selbst wenn sie unter sich waren.

Es war nicht leicht die letzten Monate so einfach hinter sich bringen zu lassen.

Maron selbst hatte immer noch ihre leichten Zweifel, was seine Entschlossenheit bezüglich ihrer Beziehung anging und sie konnte ihm ansehen, dass er in irgendwelchen Bezügen auch seine Bedenken hatte.

Was ihre Therapie anbelangt, so sagte Chiaki ihr zwar, wie sehr er sich über ihre Fortschritte freut, aber Maron merkte, dass er auch seine Sorgen darin hatte. Sie wusste, dass er Angst hatte, dass sie ihn und seine Berührungen nicht mehr wollen würde.

Und sie wünschte sich, dass sie ihm irgendwie zeigen und verstehen lassen konnte, dass er mehr war, als nur dieses aufregende Kribbeln auf ihrer Haut, welches nur ein kleiner Punkt in ihrer endloslangen Liste an Gründen darstellte, wieso sie mit ihm zusammen war.

Er war fürsorglich, liebenswert, gutherzig, verständnisvoll und großartig... sie liebte ihn und seine Person bedingungslos.

Wenn sie einander ihre Zuneigung zeigten, bestand es derzeit meist nur aus Küssen und Kuscheleinheiten – was natürlich nicht schlecht war. Sie hielten sich für mehr jedoch noch zurück.

Wenn Maron ehrlich mit sich war, so vermisste sie seine Berührungen auf ihrem Körper, die ihr eine Gänsehaut bereiteten und die Liebe und Leidenschaft, die sie mit sich brachten.

Plötzlich schwang die Tür auf. Automatisch sprang sie von ihrem Sitz auf, als Chiaki raustrat. Einen guten Eindruck machte er nicht...

Sein Blick traf auf ihren und er streckte Maron seine Hand entgegen.

„Gehen wir?“

Maron nahm nickend seine Hand, die warm war und seine Finger verschränkten sich in ihre.

Gerade als sie aus der Praxis rausgingen, blickte sie kurz hinter sich, sah Midori mit einem kleinen Grinsen an ihrer Bürotür stehen.

„Bis zum nächsten Mal, Chiaki!“

Er stieß ein paar unverständliche Flüche aus, erwiderte darauf jedoch nichts.



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