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"Es wird immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht" ~ Hermann Hesse

Autor:  Joukko

 

Mein nervöser Blick gleitet über die stoische Fassade der blonden Frau mir gegenüber. Ihre Hände sind ineinander verschränkt, der Notizblock liegt auf ihren übereinander geschlagenen Beinen und der Kuli steckt noch zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand, während sie mit einem Fuß zu wippen beginnt. Ihre Augen sehen direkt in meine und ich fühle mich so elend als säße ich vor Gericht, den Strick des Henkers bereits um den Hals. Widerwillig, wie mir scheint, entlässt sie mich aus der Gefangenschaft, die ihr starrer Blick für mich bedeutet, und lässt diesen nachdenklich durch den großen und geschmackvoll eingerichteten Raum wandern. Er gleitet über die vielen Gemälde, die abstrakte Gebilde darstellen und aus ihrem Pinsel stammen. Ihre ruhige, tiefe Stimme erreicht mich kurz nach ihrem Seufzen und für einen Herzschlag bleibt mir die Luft weg.

 

"Aber Sie haben mir doch gerade eben noch das Gegenteil erzählt."

 

Ein sarkastisches, ja, fast verzweifeltes, Grinsen zuckt über meine Lippen und ich schnappe zitternd nach Luft. Meine Gedanken versuchen sich aus meinem Mund zu drängen und am liebsten hätte ich ihr "Nein, verdammt, Sie verstehen mich nur nicht" entgegen geschrien, doch ich schweige, suche nach den passenden Worten. Es fällt mir schwer meine Gefühle auszudrücken. Schwerer, als es mir eigentlich möglich sein sollte. Und dabei lege ich mir die Sätze, die ich ihr vorlegen möchte, bereits gedanklich zurecht. Trotzdem spreche ich wirr und widersprüchlich. So als wollte ich mir selbst Steine in den Weg legen. Ich stammle irgend etwas vor mich hin und erst, als ich mitten im Satz wieder verstumme, realisiere ich was ich eigentlich gesagt habe - und schüttle innerlich den Kopf.

 

"Wie soll mich jemand anderer verstehen, wenn ich selbst nicht den Sinn hinter meinen Aussagen ausmachen kann?" Das ist die Frage, die mich beschäftigt, seit ich das erste Mal auf dieser ledernen Couch gesessen und mit meinen Fingern gespielt hatte, während die leise Melodie klassischer Musik aus dem Radio über mich hinweg prasselt wie sanfter Sprühregen im Sommer.

 

Sie sieht auf die Armbanduhr an ihrem schlanken Handgelenk und kratzt sich seufzend im Nacken. Sie informiert mich trocken darüber, dass ich mich für heute von ihr verabschieden muss und legt ihren Organizer schließlich wieder zur Seite, während sie mich stumm und mit gütigem Blick betrachtet. Verständnis funkelt in ihren blauen Augen wieder und doch weiß ich, dass ich ein falsches Bild von mir in ihr gefestigt habe. Langsam erheben wir uns beide. Sie reicht mir ihre Hand, die sich problemlos um meine Kleinere schließt, lächelt mich freundlich an und wünscht mir einen schönen Tag, während ich mich mit einem nicht gerade überzeugenden Lächeln aus der Tür schiebe.

 

"Bis nächste Woche."



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