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Des Feuervogels Glut I

von

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Fassade

Kinomya-Dojo Tokio (Japan), Mitte Oktober
 

"Tyson?!", hallte eine Stimme quer durch die in traditionellem Stil ausgekleideten Gänge. Laute Schritte polterten über die Holzbohlen. "Tyson?! Wach auf, du kommst zu spät!!!" Kenny erreichte Tysons Zimmertür und stoppte mit einer Vollbremsung. Doch er blieb wie angewurzelt stehen. Ihm bot sich ein wahrer Anblick des Entsetzens.

Tyson saß aufrecht auf seinem Bett und streckte Kenny das wohl breiteste Grinsen der Welt entgegen. Dieser bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Sein Teamkollege saß gewaschen, gekämmt und vollständig bekleidet vor ihm. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen.

"Was?!", riss ihn das 8. Weltwunder selbst aus seinem Staunen und sprang von seiner Schlafstätte auf.

"D...du kommst z...zu spät...", Kenny schüttelte den Kopf und versuchte es noch einmal. "Beeil dich, du kommst sonst noch zu spät."

"Wieso ich schon angezogen bin?", entgegnete Tyson und gab seinem Gegenüber das Gefühl, im falschen Dialog zu sein. "Nun, ich kann doch heute nicht zu spät kommen!", grinste er vergnügt.

"Das hab ich doch gar nicht ge..."

"Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zu machen und hab heute morgen etwas Kaffee getrunken", meinte er, zog sein Grinsen noch breiter und erweckte in Kenny damit irgendwie den Eindruck, als stünde er unter Drogen.

"Wie viel Kaffee hast du denn getrunken?", fragte dieser völlig irritiert.

Eine antwort auf seine Frage bekam er nicht, stattdessen aber noch mehr plötzlich anfangende Dialogfetzen. "Ich kann´s kaum erwarten, die Anderen endlich wieder zu sehen!", lachte Tyson und stürmte an seinem Gegenüber vorbei, das immer noch unter Schock im Türrahmen stand. Seinen Augen noch immer nicht trauend rieb sich Kenny über diese und murmelte zu sich selbst, ob Tyson jetzt völlig verrückt sei.

"Wo willst du denn überhaupt hin?", rief Kenny ihm schließlich nach, der, seiner Erwartung treu, vollkommen ziellos durch die Gänge des Dojos stolperte, bremste und irgendwo gegen knallte.

Kenny rollte mit den Augen.
 

Die Tatsache, die Kenny und Tyson in aller Eile vergessen hatten, war, dass ihre Freunde erst in mehreren Stunden eintreffen würden. (dumm gelaufen, hehe...)
 

________
 

Tokioer Innenstadt (Japan), , Mitte Oktober
 

Derweilen war Kai damit beschäftigt gewesen, sich auf seine Weise vorzubereiten. Nach einem längeren Fußmarsch durch die noch nicht aus ihrem Schlaf erwachte Innenstadt war er an einem größeren Wohnblock angekommen und schloss die Tür einer Dachgeschosswohnung auf. Gedankenverloren zog er die Wohnungstür ins Schloss, ließ seinen Schlüsselbund aus der Hand rutschen und wurde durch ein vertrautes, leises Scheppern darüber bestätigt, dass er in die kleine Schale auf dem Tresen des kleinen Foyers gefallen war. Beiläufig warf er seinen Mantel über einen Kleiderhaken und ließ sich von der kühlen Atmosphäre des Apartments empfangen. Er war alleine.

Wieder hatte er die Nacht nicht schlafen können und deshalb Stunden im Fitnessraum des Vors verbracht. Inzwischen war es 4 Uhr morgens, eine dezente Dämmerung säumte den Horizont, wurde von den heruntergelassenen Jalousien jedoch ausgesperrt.

Wann hatte das endlich ein Ende? Diese ewigen bilderlosen Nächte, diese Leere, diese bleierne Müdigkeit und dennoch die Hinderung an einem gesunden Tiefschlaf?

Kai presste die Augen zusammen, verlor das Gleichgewicht und stützte sich an der Wand des kleinen Eingangsraumes ab. Blitze zuckten vor seinen Augen. Reifenquietschen. Ein lautes Scheppern, eine Explosion. Er spüre ihre Hitze auf seiner Haut, während sich Metall- und Glassplitter in sein Fleisch schnitten. Dieser grausame Schrei der zweiten Stimme.

Ein stechen durchzuckte seine Schläfen, ihm schien als legte sich eine eisige Hand um sein Herz und drückte es zusammen, als wolle sie es am Weiterschlagen hindern.

Mit dem Rücken an der Wand abgestützt schleppte er sich ins Badezimmer. Unterwegs steifte er sich sein ärmelloses Shirt ab und ließ es hinter sich auf den Teppichboden fallen. Dem folgten seine Stiefel und Socken.

Sich auf dem Rand des Waschbeckens abstützend entnahm er dem Badezimmerschränkchen, welches darüber hing, ein kleines Döschen. Ohne das Etikett zu entziffern, öffnete der es mit dem Daumen selbiger Hand und schüttete in die andere eine ungefähr abgeschätzte Menge des Medikaments, kleine weißer Tabletten, schluckte diese in Einem herunter und ließ sich gegen die gekachelten Wände sinken. Sein Mund war unangenehm trocken geworden, beinahe als hätte er glühende Kohlen darin. Doch er watete ab.

Eine Minute verstrich. Aus ihr wurden zweie und noch eine mehr, bis das Medikament seine Wirkung tat. Davon betäubt streifte er sich Hose und Boxershorts in einem ab, stieg in die Duschtasse und ließ einen zerstäubten Strahl kalten Wassers über seine entblößte Haut strömen. Ein belustigtes Lächeln quälte sich über sein Antlitz, die nassen Haare hingen ihm ins Gesicht. Er lehnte den Kopf zurück und lies seinen Rücken abermals gegen die Fliesen der Wände kippen.

Wie so oft verspürte er, obwohl es neben dem Fitnessraum auch eine Dusche gab, das dringende Bedürfnis sich zu waschen. Wieder und wieder, als könne er die Erinnerungen vergangener Zeiten hinwegspülen.

Es funktionierte nicht.

Er musste lachen. Immer lauter. Das Medikament verblendete seine Sinne, ließ ihn jedes Mal den Verstand verlieren, einer Droge gleich. Nicht der gewünschte Effekt und dennoch befürwortete Kai ihn. Wenigstens für die Zeit des Deliriums plagten ihn seine Verfolger nicht.

Er lachte kein glückliches Lachen, ein boshaftes, geistesabwesendes Gelächter ohne Grund.

Mit geschlossenen Augen fuhr er über die Narben, die sich über sein Gesicht, Brust, Bauch und den linken Arm zogen wie gierige Klauen, die ihn zu verschlingen drohten. Seine Finger rieben darauf herum, kratzten bis die Haut blutig war, als könne er sie vielleicht doch entfernen. Das Wasser brannte in den aufquellenden Wunden und der Schmerz verschmolz mit der Wirkung des "Antidepressivums", wobei dieser Kosename für das verschreibungspflichtige Arzneimittel noch harmlos ausgedrückt war. Die korrekte Bezeichnung hatte Kai bewusst vergessen. Er belog sich selbst.

Nein, er war nicht krank. Er war nicht medikamentenabhängig. Seine Welt war durch und durch in Ordnung!", schrie er sich an, hielt sich die Ohren zu, sank an den Fliesen hinab bis auf den Boden und kämpfte mit den Tränen.

"Das sind die Medikamente, Kai, nur die Medikamente...", murmelte er leise, schlug mit den Fäusten auf die Wände ein und bekam sich schließlich wieder in die Gewalt. Eiskalt wie er war, richtete er sich schließlich wieder auf, drehte das Wasser ab und kletterte aus der Dusche. Beiläufig kickte er seine Kleider mit dem Fuß vor sich her, schob sie im Flur auf einen mehr oder weniger missglückten Haufen und begab sich nass und entblößt wie er war ins Schlafzimmer. Betäubt ließ er sich bäuchlings auf die Matratze des übergroßen, randlosen Bettes fallen und sank in Bettdecke und Kissen ein. Regungslos starrte er ins Leere, hoffte noch, man würde die Blutflecke später noch einmal aus den Bezügen entfernen können und verlor sich schließlich in einem traumlosen, vergiftend unruhigen Schlaf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2008-05-15T08:42:00+00:00 15.05.2008 10:42
oha. da gehts dem armen kai ja echt scheiße =/
njoa, klingt jetzt vllt hart von mir, aber wenn kai sich immer wieder die wunden aufkratzt, braucht er sich nicht zu wundern, wenn die narben schlecht verheilen. irgendwie fällt mir jetzt 'Don't let go' von The Rasmus ein, passt nicht ganz, aber irgendwie doch - beerdigungsstimmung. irgendwie red ich grad wirr ^^' hoffentlich kriegt kai seine abhängigkeit noch im lauf der ff in den griff...

LG Memnoch69
Von:  Werewolf
2006-04-20T12:13:45+00:00 20.04.2006 14:13
kai tut mir echt leid...
hat mir gut gefallen die ff^^
schreib schnell weiter ,ok

koukoufanin
Von: abgemeldet
2006-04-20T08:06:34+00:00 20.04.2006 10:06
Ich bin auch nicht krank... *pfeif*
Aber wenigstens gehts mir nicht -so- scheiße wie Kai o.O
Sollte mal jemand meiner Mutter sagen, dass es auch Leute gibt, denen es schlimmer geht als mir XDD"
*drop*

Egal, Kappi was super *-*
Ty auf Kaffee lol
Aber ich kanns ja verstehn...deshalb trink ich das Zeug ja nicht so gern ^^"

Also schrei weiter, ich freu mich schon >^-^<

dat Freakchen
Von:  Lampow
2006-04-19T20:08:09+00:00 19.04.2006 22:08
Also, ich schließe mich den Beiden an. Außer5dem würde ich gerne wissen, woher Kai die vielen Narben hat und warum er "Antidepressivum" schlucken muss? Ich hoffe, dass klärt sich noch.
Cu, Saturn - chan
Von:  SkyAngel
2006-04-19T17:56:35+00:00 19.04.2006 19:56
Boah, mein Helferlein war vor mir hier .... -.-'
Aber egal ...
Ich muss mich ihr anschließen ...
Das Kappi war gut, zwar etwas viel Tyson ...
Aber dafür war der Teil mit der der wahre Hammer ....

Weiter so ...

Entchen
Von:  Massakar
2006-04-19T14:53:50+00:00 19.04.2006 16:53
*kai tätschel*
armes kleines krankes Wesen... warum immer er u_u ich hab ihn doch so lieb...
aber es lässt sich mal wieder toll lesen!
beim nächsten mal nicht soviel Tyson, ja? das macht mich aggressiv XD

H-C


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