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Es ist nicht viel, was übrig blieb.

Eine Geschichte aus Berlin Kreuzberg über Drogen und eine Freundschaft
von

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Die ganze Wahrheit

Sooo, das ist das erste und einzigste Kapitel. Hab es an einem Abend geschrieben. Ich wurde insperiert von dem Lied 'Zur Erinnerung' von Ferris MC und es gibt mein ich auch vielleicht nen paar Parallelen zu 'Wir Kinder vom Bahnhof Zoo' Naja ich hoffe es gefällt euch. Viel Spaß beim lesen
 

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*~*Ekrem's POV*~*
 

Nunja es fing alles damit an, dass ich mit 6 mit meiner Mutter von Duisburg nach Berlin zog. Natürlich nach Kreuzberg. Dort wohnten fast nur Türken, aber ich war eher ein Außenseiter. Die andern machten mich oft runter. Eigentlich machte jeder jeden runter. Die kleinen und schwachen hat es noch am schlimmsten. Viele wurden oft zusammen geschlagen und ihnen wurden Fahrräder oder sonst irgendwas weggenommen und kaputt gemacht. Zuhause bekamen sie dann natürlich Riesenärger mit Schlägen und alles, denn die meisten konnten sich nichtmals ein Fahrrad leisten. Ich auch nicht.

Inn diese ganzen Schlägereien wollte ich nicht hinein gezogen werden. Ich hatte Angst davor. Also blieb ich meist zu Hause in unserer Drei-Zimmer-Wohnung und spielte für mich allein.
 

Mit 9 kam ich in ein Tagesheim, weil meine Mutter immer weniger Zeit für mich hatte und sie hatte auch einen neuen Freund bekommen und da wollte sie mich natürlich nicht die ganze Zeit dahaben, denn raus ging ich immer noch nicht gerne. Zuerst gefiel mir es im Tagesheim gar nicht. Die Betreuer waren unfreundlich und überall stank es nach Pisse und manchmal lagen dort auch tote Ratten herum. Es war einfach eklig. Doch dann lernte ich Chris kennen. Seine Eltern waren bei einem Autounfall gestorben, als er gerade drei Jahre alt geworden war. Deswegen lebte er bei seiner Oma, doch das bisschen Rente und Kindergeld reichte für die beiden natürlich nicht aus. Wir wurden schnell Freunde. Er war eigentlich mein erster richtiger Freund, seitdem ich nach Berlin gezogen war.Wir waren jetzt ständig zusammen und durch ihn gewann ich mehr Macht und Selbstvertrauen. Die Kinder, die sich nun draußen ständig runter machten, machten mir plötzlich keine Angst mehr. Ich sah sie einfach mit einem Blick gemischt aus Abneigung, Hass und Überlegenheit an und sie liesen mich in Ruhe. Ich bekam auch eine größere Klappe, den Lehrern in der Schule rief ich immer öfter dazwischen und sie schickten mich ständig mit Benachrichtigungen für meine Mutter nach Hause, aber es machte mir nicht aus. Ganz im Gegenteil ich fand es sogar cool mich mehr zu trauen, als die ganzen Feiglinge. Ich brauchte auch keinen von denen. Ich hatte ja Chris und der war mir am wichtigsten geworden, wir machten einfach alles zusammen und wir teilten alles von Klamotten bis Essen. Ich glaubte damals, dass niemand dieser Freundschaft das Wasser reichen konnte.
 

Mit 10 wurden wir sogar Blutsbrüder und wir schworen uns den ganzen Kinderscheiß von wegen wir wären immer für einander da. Wir fühlten uns zusammen immer besser. Wir dachten immer, dass wir besser wären als alle anderen. Meiner Meinung nach waren wir viel zu neugierig gerade als wir so 12, 13 waren, denn wir wollten immer mehr. Wir wollten wissen, wie Zigaretten mit Hasch schmecken, wie man lautlos in Häuser ein- und Autos aufbrechen kann, wie Sex ist… Für uns war es normal, dass wir immer mehr wollten was wir nicht durften. Wir lebten ja auch auf einem Spielplatz aus Beton, was soll man da schon groß machen, außer Amok-Saufen, Fahrräder klauen, Kleber schnüffeln? So empfanden wir es jedenfalls. Alkohol hatten wir auch immer genug, denn mein Stiefvater war ja Alkoholiker und er merkte es nicht wenn mal 3, 4 Flaschen Wein oder so fehlten. Aber auch in den Läden bekamen wir Alkohol. Die Verkäufer interessierten sich nämlich nur für die Ausweise. Die passenden Zahlen stammten von den Steuermarken auf den Kippen-Packungen.

Zu dieser Zeit machten die Pädagogen meiner Mutter immer mehr Streß, von wegen ich sei verzogen und verdorben. Sie redete auch oft mit mir, irgendwann begann sie richtig auszurasten und zu schreien, doch ich hörte nicht auf sie, ich ging höchstens nur noch weniger zu meiner Hauptschule, aber das machte nichts. Wir machten dort eh keinen Unterricht, weil die Lehrer sich gar nicht mehr durchsetzen konnten. Es nervte mich oft so sehr an, dass wenn ich einmal da war, einfach ging und mich lieber mit Chris traf oder auf ihn am U-Bahnhof Kurfürstendamm wartete. Dort sah ich oft die ganzen Junkies. Erst hatte ich Angst vor ihnen. Es nervte mich richtig, dass es wieder etwas gab dem ich mich unterlegen fühlte, aber andereseits wiederten sie mich an und wenn ich einen sah der auf Turkey war, machte ich ihn runter. Es war verdammt einfach einen Heroin-Abhängigen runter zu machen, wenn er seinen Stoff nicht hatte.
 

Als wir 14 waren, gingen wir ständig in eine Disko, dort kamen wir auch wieder mit unseren gefälschten Ausweisen rein. Eigentlich gingen wir nur dorthin, weil wir wild und unschuldig waren. Ja, wir wollten endlich Sex. Doch dann lernte ich dort ein Mädchen kennen. Sie hieß Jessica und sie war verdammt angesehen, aber sie mochte uns. Ein Nachtteil war, sie war schon praktisch abhängig von Ecstasy und Koks. Die Trips spülte sie immer mit Vodka-O oder einem Bier hinunter. Ich mochte sie echt, aber wahrscheinlich zog sie uns immer mehr in die Scheiße, denn wir wollten ja cool vor ihr sein, also schluckten wir schnell auch alles mögliche an Pillen und zogen auch schon mal eine Line, aber vor Heroin hatte ich immer noch Schiss. Unsere Freundschaft hielt auch nur ein halbes Jahr, denn sie wurde sehr schnell Heroin Abhängig. Ich hatte immer versucht sie davon abzuhalten (Chris war es eigentlich egal gewesen), aber sie wurde trotzdem nen verdammter Junkie und die hatten ja bekanntlich keine Freunde, den sie wollten spätestens mit der Zeit nur noch von sich reden und linkten alle ab. Also war ich wieder mit Chris alleine. Ich merkte, dass auch Chris immer mehr Beruhigungs- und Aufpuschtabletten nahm und, dass er nervös wurde, wenn er ein paar Tage nichts hatte, aber ich wäre damals nie auf die Idee gekommen, dass er abhängig sein könne. Nein, es war immerhin Chris, er KONNTE gar nicht abhängig werden.

Ein paar Monate später fuhren wir zum Bahnhof Zoo, ich wusste nichtmals warum eigentlich, denn eigentlich war dort ja der Junkie-Strich und mit denen wollten wir nichts zu tun haben, aber Chris wollte dahin. Ich fragte nicht warum. Auf dem Bahnhof umarmte mich plötzlich jemand von hinten und rief: „Ekrem, dich hab ich ja ewig nicht mehr gesehen. Was machst du hier? Bist du etwa auch auf H?“ Ich drehte mich um und erkannte Jessica sofort, nicht am Gesicht, an den Augen. Ihr Gesicht hatte sich nämlich sehr verändert. Es war dünner geworden und strahlte nicht mehr so wunderschön wie früher. „Red nicht so nen Mist, als wenn ich auf H wäre. Chris wollte wegen irgendwas hierhin, und was machst du hier?“, antwortete ich. Erst schwieg sie doch dann nuschelte sie ein leises „Anschaffen…“ Sie klang sehr beschämt, doch ich rastete trotzdem aus und klatsche ihr ein. Ich schrie sie richtig an, dass sie mich ankotzen würde, wenn sie auch so ne abgefuckte Hure wäre. Sie drehte sich einfach mit Tränen in den Augen um und verschwand. Ich wollte ihr erst hinterher, doch dann merkte ich, dass Chris verschwunden war. Ich sah mich um und entdeckte ihn, wie er einen Typen Geld zusteckte. Moment mal… Hier auf dem Bahnhof ging man doch nur, wenn man Heroin kaufen wollte, zu nem Dealer… Ich rannte zu ihm und schlug auch ihm ins Gesicht. Ich spuckte ihm sogar vor die Füße und sagte, dass er nur ein Stück Dreck sei. Dann ging ich einfach. Viele der Junkies riefen mir Sachen hinterher wie „Scheiß Kanacken!“ oder „Geh zurück in die Türkei, du scheiß Ausländer“ oder einfach nur „Scheiß Türken!“. Aber es war mir egal. Mir war es viel wichtiger, dass Chris, mein bester Freund diese abgefuckteste Drogen nehmen wollte, die es gab. Die Droge, die einen sicher zum Tod führte. Gut wir nahmen Ecstasy, Koks, Trips, Pappen, einfach alles und tranken, aber Heroin? Nein danke!

Also ging ich nach Hause. Ich ging sogar eine Woche lang durchgehend zur Schule und machte ab und zu sogar mit. Nachmittags blieb ich Zuhause. Ins Tagesheim ging ich ja schon lange nicht mehr. Meine Mutter fragte immer wieder was los war, doch ich erzählte ihr nichts.

Nach genau 10 Tagen stand Chris vor meiner Tür, seine Pupillen waren so klein wie Stecknadelköpfe. Ich sah direkt, was er genommen hatte. Es war ja auch eindeutig. Deswegen fragte ich auch nicht, aber ich lies ihn hinein. So hingen wir dann wieder ständig zusammen, aber er wurde immer schussgeiler, aber ich sagte ihm jedes mal, dass er es lassen solle, weil ich sonst nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen würden und meistens lies er es dann auch und wenn er es doch tat, ging ich nach Hause oder besoff mich und tanzte dann ab. Meistens für mich alleine, aber auch öfters mit irgendeinem Mädchen. Sie fanden mich cool, weil ich ab und zu Drogen nahm. Ich fand es irgendwie gar nicht mehr cool zu sehen wie immer mehr abrutschten.
 

Mit 15 war Chris total abhängig und er hatte nicht mehr viel Zeit, denn er war immer damit beschäftigt sich Geld für seine Drogen zu ergeiern. Deswegen wurde er auch in der Schule immer schlechter und blieb schließlich hängen. Ich nahm immer seltener was, dafür rauchte ich Kette und wurde immer depressiver. Vor meiner Mutter hatte ich schon lange keinen Respekt mehr und wenn sie mir zu sehr auf die nerven ging, klatschte ich ihr schon mal eine. Dann fing sie an zu heulen, aber ich interessierte mich nicht dafür, sondern ging raus und fuhr in die reicheren Gegenden mit ein paar andern aus meinem Block, meistens waren es Mehmet, Cem und Peter. Machmal kam auch Chris mit, denn wir brachen ständig Autos auf, was geklaute Ware hieß, wovon er sich Drogen kaufen konnte. Danach zündeten wir die Autos manchmal an und hauten ab. Wir wurden nie erwischt. Cem war auch voll auf H und es kotzte mich immer mehr an, irgendwen auf H zu sehen, aber irgendwie bewunderte ich sie auch. Irgendwo waren sie ja mutig, sie jagten sich diese Spritzen in den Arm auch wenn sie wussten, dass sie davon 100%ig sterben würden. Ich dagegen hatte Angst davor, ich hatte Angst vor Spritzen und vor dem Tod.
 

Eigentlich hatte ich immer weniger Kontakt zu Chris und war immer öfter bei Mehmet und Peter. Die beiden dachten ähnlich wie ich, aber auch Peter war schon 2 Jahre später Tod. Er kam nicht mehr mit dem ständigen Druck klar und setzte sich deswegen den goldenen Schuß.

Doch das konnten wir uns früher nicht mal im entferntesten vorstellen. Das war als ich 16 war. Da erfuhr ich auch, dass Chris in die geschlossene kam. Von allein kam er nämlich von den Drogen nicht mehr runter. Ich ging ihn besuchen, weil ich ihn unterstützen wollte. Ich wollte, dass es wieder so wird wie früher. Ich redete mir ein, dass wenn ich ihn nur genug unterstützen würde, er schon wieder runter kommen würde, aber das war gelogen. Ja, ich belog mich selbst, aber ich wollte es auch gar nicht anders wissen. Chris versuchte wirklich, runter zu kommen. Er wollte es wirklich. Doch sie stopften ihn voll mit Psychopharmaka. Seine Reaktionen wurden 10mal langsamer, sein Gesicht aufgequollen. Sie rissen ihn eigentlich komplett auseinander. Er wollte sich wirklich helfen lassen, doch es ging einfach nicht voran, also gab er sich auf. Sie raubten ihm seine komplette Wahrnehmung. Als auch noch seine Oma an Altersschwäche starb, war das einzige, was er noch besaß, seine Tabletten, nen Therapeult und meine Besuche. Nach fast einem Jahr, hatten die Therapeulten, ihn ein wenig zusammen geflickt und schickten ihn nach Hause. Er sah mit 17 aus wie 30. Es dauerte nicht lange, vielleicht einen Monat oder zwei, bis einen Morgen, die Titelseite einer Zeitung mich auf sich aufmerksam machte. Dort stand ’17-Jähriger lies sich vom 10 Tonner überfahren’. Am Anfang wollte ich es nicht glauben, doch tatsächlich Chris hatte sich überfahren lassen. Der Zeitung nach ging er eines Abends auf die Brücke über der Autobahn und lies sich vor einen LKW fallen. Ich fühlte mich schlecht, er muss so verzweifelt gewesen sein und ich hatte es nichtmals geahnt, dabei war ich doch der einzige, den er noch hatte.
 

Das war vor 2 Jahren. Mittlerweile ist auch mir bewusst geworden, dass der illegale Scheiß sich rächt. Ich frage mich oft, ob jede Lebensgeschichte so tragisch enden muss.

Ich lebe jetzt in einer kleineren Stadt, natürlich gibt es auch hier Drogen, aber nur die leichten. Ich will nicht mehr an Drogen denken. Manchmal besuche ich noch meine Mutter in Kreuzberg. Ich habe mitlerweile wieder ein gutes Verhältnis zu ihr, doch immer wenn ich dort bin, sehe ich die ganzen Junkies und bekomme wieder eine Riesenwut. Wahrscheinlich denken sie, wie wir früher, dass es nie enden wird. Aber das wird es, das könnt ihr mir alle glauben!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shame
2006-10-07T16:57:01+00:00 07.10.2006 18:57
yo KR€uZb€RG mein Viertel ^^
der ff is der echt gut gelugen ^^


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