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Pray for rain

von

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2

Kapitel 2
 

Die Alpträume verschonten ausnahmsweise Kyo, der noch zwischen Traum und Wirklichkeit hing. <Seltsam..> Noch im Halbschlaf fragte er sich, weshalb er von seiner Vergangenheit verschont blieb, sie ihn nicht wieder einholte und ihn anstelle der Kälte, die er fühlte, ihn eine beruhigende Wärme umgab. Er war überwältigt von dem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, welches er kaum kannte, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, da der Schmerz, sowie die Verzweiflung, weit entfernt und nicht mehr fühlbar waren. Der Blonde schwebte in schwarzsamtener Dunkelheit, bis er auf einmal festen Boden unter seinen Füßen spührte und sich daheim wieder fand, mitten in dem traditionelleingerichteten japanischen Garten des Innenhofes. Das Rauschen der Baumkronen drang ungehindert an seine Ohren, die Sonne schien gerade unterzugehen und tauchte die Umgebung in ein silbergraues Zwielicht ein. Der Garten wirkte zu Beginn etwas unscharf, wurde aber klarer und klarer, bis er täuschend real erschien. Alles schien so friedlich, aber etwas hatte sich verändert, etwas stimmt nicht. Kyo fiel der große Vogelkäfig auf, der an seinem gewohnten Platz stand. Plötzlich war es still... viel zu still... Sogar der Wind verstummte, die Blätter bewegten sich kaum und gaben keinen Laut von sich. Jeder der kleinen, bunt gefiederten Bewohner lag tot auf dem Boden des mit goldenen Blüten verzierten Käfigs. Kyo sah fasziniert und gleichzeitig erschrocken auf das Bild vor ihm. Sein Magen zog sich zusammen, da ihn dieses Bild an etwas schreckliches erinnerte. Plötzlich bekam der Garten seine Farben wieder und die kleinen Vögelchen erhoben sich von dem Käfigboden und zwitscherten munter vor sich hin. Kyo hörte Schritte hinter sich und wandte sich langsam zu dem Ankömmling um. Seine Augen weiteten sich, als er in der jungen Frau, die nun vor ihm stand, seine verstorbene Schwester erkannte. Ihr Gesicht zierte ein Lächeln, als sie über die Wange ihres Bruders strich und ihn schließlich in ihre Arme zog.

„Miyaku?“ zitterte seine Stimme.

„Kyo-chan, weißt du noch, was du mir versprochen hast?“ Ihre Stimme klang leise, aber durchdringen. Die langen rabenschwarzen Haare umspielten ihre Gesichtszüge und fielen schwer in das Gesicht des Kleineren. Sie rochen sehr vertraut nach Jasmin und Kirschblüten.

„Hm?“ Kyo versuchte sich krampfhaft zu erinnern, was er seiner Schwester versprochen haben könnte. Doch die Realität rückte Schritt für Schritt in sein Bewusstsein und Miyakus Antlitz begann sich langsam aufzulösen. Ihre glänzenden knielangen glatten Haare verbreiteten nicht mehr den wohlriechenden Blütenduft, sondern andere, fremde Gerüche. Er wandelte sich in den Hauch eines ausklingenden Männerparfüms, den Kyo verwundert wahrnahm. Zigarettenrauch und der Geruch von Alkohol lagen schwer darüber und drängten sich in den Vordergrund, sowie ein betörender, zugleich aber auch abstoßender Geruch, den Kyo nicht genau definieren konnte. Er rief jedoch Übelkeit in ihm hervor. Es war dieser verräterische Duft, der nicht einmal nach dem Duschen völlig verschwand und sich fest in den Haaren des Rotschopfes abgesetzt hatte. Der Geruch, der verriet, was Die die letzte Nacht getan hatte.

Der Rothaarige schien noch tief zu schlafen und klammerte sich instinktiv an den neben ihm liegenden Körper. Kyo zog abrupt eine Grimasse und öffnete ruckartig seine dunklen Augen, wenige Zentimeter vor ihm erblickte er das Gesicht eines Jungen, dass in lange feuerrote Haare gebettet war. Der Blonde war einen Moment lang wie gelähmt, bis er realisierte, dass er in der Umarmung eines Fremden lag. Panik stieg in ihm hoch, Erinnerungen- und Gedankenfetzen schossen durch seinen Kopf. Sein ganzes Wesen erzitterte und wollte dieser unmittelbaren Nähe entfliehen. Instinktiv und mit all seiner Kraft, stieß er Die von sich, was sich allerdings als nicht sonderlich gute Idee erwies, denn er rutsche mitsamt Decke und dem Blonden auf den Boden.

Unsanft landete Die auf dem teppichbelegten Boden und gab ein leises, aber vernehmliches Grummeln von sich, denn er war ziemlich schmerzhaft auf seinem Rücken gelandet. Der Kleinere versuchte sich fieberhaft aus der Decke zu befreien und den größtmöglichen Abstand zwischen sich und dem Fremden zu bringen. Doch dabei verhedderte er sich immer mehr, knurrte wie eine wild gewordene Katze, die keinen Ausweg findet.

„Was zum Teu...?“ Die bemerkte das Gewicht auf sich, dass sich in der Decke verfangen hatte und seinen Unmut gedämpft verkündete. Es zappelte in dem Stoff, schlug um sich und nur mit etwas Glück wurden Dies empfindlichere Stellen verfehlt. Verwirrt und immer noch schläfrig rappelte sich der noch am Boden Liegende soweit wie möglich auf.

<Seit wann haben wir Haustiere? Ist ziemlich groß... hm... aber was zum Henker macht es in meinem Bett??> Überraschend rutschte die Decke ein Stück zur Seite und ein blonder Schopf lugte für einen Augenblick hervor. Die hob daraufhin den Stoff an, um zu sehen, wer oder was sich nun darunter verbarg. Als er die Decke lüftete, funkelten ihm zwei schwarze Diamanten wütend entgegen. Er stellte fest, dass das Gesicht eindeutig menschlicher Natur war, auch wenn sein Gegenüber wie ein verärgerter Stubentiger knurrte.

Der Rotschopf grinste ihn freundlich an. „Du bist vielleicht eine große Katze“, begrüßte er den Blonden und lachte laut auf.

Kyo wollte endlich, möglichst sofort weit weg von diesem Fremden. So zerrte er weiter an der Decke, da sie aber unter dem Größeren eingeklemmt war, half das nicht viel. Die lächelte immer noch und wollte dem schmollenden Wesen über den Kopf tätscheln. Doch Kyos kaffeebohnenfarbene Augen sahen ihn warnend an, so dass er beschloss es lieber zu unterlassen. Langsam richtete er sich vollends auf und lockerte somit die Decke ,die den Kleineren gefangen hielt. In Windeseile sprang dieser auf und huschte instinktiv in die am weitesten entfernteste Ecke des Zimmers. Von dort aus, in sicherem Abstand, musterte er Die von oben bis unten. Er musste feststellen, dass der Fremde viel kräftiger und größer war als er selbst. Trotz des freundlichen Lächelns seitens des Rothaarigen, stand er ihm misstrauisch gegenüber.

<Sie tun alle so freundlich... aber im Endeffekt sind sie doch alle gleich!> Der Kleinere ließ sich von der netten Geste nicht beeindrucken und beobachtete jede einzelne Bewegung von ihm, fast als würde er den Angriff eines Raubtieres auf seine Beute befürchten.

„Wer bist du eigentlich? Und was machst du in meinem Zimmer?“ Immer noch lächelnd und verschlafen dreinblickend betrachtete der Rotschopf den Kleineren. Kyo lies sich einen Augenblick lang seine Worte auf der Zunge zergehen, <Sein Zimmer?>

„Mir wurde dieses Zimmer zugeteilt“, antworte er knapp, wobei seine Augen aus dem ihm Deckung gebenden Schatten glänzten.

„Oh, dann bist du wohl der neue Austauschschüler?“, stellte Die mit freundlicher Stimme fest. Inzwischen war er aufgestanden und zog sich ein kurzärmeliges schwarzes Shirt über. „Meine Mutter hat mir wohl vergessen zu sagen, dass du jetzt schon kommst.“, meinte er nur kopfschüttelnd. Dann aber kam er lachend Kyo näher und reichte ihm die Hand zum Gruß entgegen. „Ich bin Die und wie's aussieht werden wir ein Weilchen dieses Zimmer teilen müssen.“

Kyo wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Die Wand hinderte ihn jedoch daran vor dem Rothaarigen zu fliehen. Als er Dies Worte realisierte, starrte er ihn fassungslos an. Nicht nur, dass er die nächsten drei Jahre bei Fremden wohnen sollte und einen Gastbruder ertragen musste - er sollte auch noch ein Zimmer mit ihm teilen?! Er schluckte.

In der Schule war er es gewöhnt gewesen von den Anderen gehänselt zu werden, doch nachmittags war das immer vorbei gewesen. Aber hier... hier würde er sich nirgendwohin zurückziehen können und allein sein... Er wollte weg, er wollte nur weg von diesen Fremden. Blitzschnell stürmte Kyo an dem Rothaarigen vorbei und verließ impulsiv den Raum, ohne ein richtiges Ziel zu haben. Als er die Treppe erreicht hatte, rannte er beinahe eine zierliche Person, etwa im mittleren Alter um, die gerade auf den Weg in das obere Stockwerk war. Kyo blickte Dies Mutter nur überrascht an und murmelte leise: „Entschuldigung“. Sie lächelte ihn an. „Schon so früh munter?“, wobei ihr Blick nach oben wanderte, wo ihr Sohn gerade in der Tür stand um dem Blonden zu folgen. „Daisuke, du auch?“ lachte Dies Mutter hell. „Geht die Welt unter oder wieso bist du so früh auf?“

Der Angesprochene grinste leicht und schüttelte verneinend den Kopf. „Die Überraschung in meinem Bett hat mich geweckt“, antwortete er seiner Mutter und fuhr sich durch sein leicht zerwühltes Haar. „Du hättest mir ruhig sagen können, dass wir einen neuen Austauschschüler bekommen.“ Nun war der Frau klar, was Kyos verschüchtertes Erscheinen und das frühe Aufstehen ihres Sohnes zu bedeuten hatten. Sie schlug entschuldigend die Hand vor den Mund. „Oh Gott! Der Anruf von der Agentur kam gestern Nacht so unerwartet, dass ich total durcheinander war.“, sie verbeugte sich vor Kyo. „Tut mir leid, dass ich dich nicht aufgeklärt habe, Tooru. Dein Zimmer ist noch nicht fertig und du musst vorübergehend das Zimmer mit deinem Gastbruder teilen.“

Der Blonde nickte nur, während sie weiter redete. „Als Entschuldigung mache ich euch was leckeres zum Frühstück.“ Sie lächelte Beide warm an und ohne eine Antwort abzuwarten, forderte sie die Zwei auf ihr in die Küche zu folgen. Widerstand schien zwecklos zu sein, deshalb gehorchten sie einfach und folgten der kleineren Frau nach unten in die geräumige helle Küche. Ihnen stieg sofort der Geruch von frisch gekochtem Jasmintee in die Nase als sie den Raum betraten. Enthusiastisch huschte Dies Mutter zum Herd und begann etwas Leckeres zu zaubern. Von den Kochgeräuschen begleitet setzten sich Die und Kyo währenddessen an den ausladenden Esstisch. Der Blonde lies sich auf einen Holzstuhl fallen und stellte wieder einmal fest, wie ungewohnt ihm dieses Haus vorkam. Noch nie hatte er in einer Küche gegessen, in der Okiya wurde das Frühstück, sowie alle anderen Mahlzeiten in einem gesonderten Tatamizimmer eingenommen, wie es traditionell üblich war. Selbst im Waisenhaus wurde in einem großen Saal gespeist. Sein Blick schweifte ziellos durch den Raum, entdeckte viele Gegenstände, die zu jeder Küche gehörten aber auch vielerlei Utensilien, die ihm fremd und zum Teil überflüssig erschienen. Einen Augenblick blieb er an den zahlreichen Familienfotos hängen, welche die makellos weiße Wand schmückten. Viele unbekannte Gesichter lächelten ihm entgegen, doch eines kehrte regelmäßig auf den Bildern wieder. Er erkannte die Person zu der es gehörte wieder, obwohl sie auf einem Bild lange schwarze Haare trug, auf einem anderen eine Schuluniform oder auf einem weiteren gar als kleiner Junge gezeigt wurde. <Die..>

Der besagte Jemand blickte unterdessen die ganze Zeit nachdenklich auf Kyo. <Irgendwie ist er seltsam..> Der Rotschopf wurde aus dem Verhalten des Anderen nicht schlau. Er war nicht der erste Austauschschüler, der bei ihnen zu Gast war, aber gewiss der erste, der so distanziert wirkte.

„Tooru? Du heißt doch Tooru, nicht?“, begann er um die unangenehme Stille, die zwischen sie getreten war, zu unterbrechen.

Der Blonde jedoch mochte es nicht , wenn man ihn bei diesem Namen nannte. Deshalb schaute er Die durchbohrend an und antwortete nur knapp: „Kyo. Für gewöhnlich nennen mich alle Kyo.“

Inzwischen schien Dies Mutter mit der Frühstückszubereitung fertig zu sein und servierte ihnen nach Zimtzucker duftende Pfannkuchen. „Ich hoffe, es schmeckt dir, Kyo.“ Sie hatte offensichtlich die Unterhaltung mitbekommen und tätschelte den Blonden freundlich an der rechten Schulter. Diese Geste wurde allerdings durch das plötzliche Klingeln des Telefons unterbrochen. Die Frau lächelte noch einmal kurz und eilte aus der Küche, um dem lauten Schrillen im Wohnzimmer ein Ende zu bereiten. Es wurde wieder ruhig als Dies Mutter den Hörer abgenommen hatte. Gleich darauf drang aber wieder ihre Stimme leise und kaum erkennbar an die Ohren der beiden Jungen. Deshalb konnten sie nicht mitbekommen, wie sich ihr Gesichtsausdruck während des Gespräches immer wieder verdunkelte, während ihr Blick aus dem Fenster gerichtet war und die idyllische Straße betrachtete, über die eine graue Wolke hinweg zog und alles für einen Bruchteil verdunkelt wurde.

Die fiel sein knurrender Magen jetzt erst richtig auf, weshalb er sich daran machte seinen Pfannkuchen mit atemberaubender Geschwindigkeit zu verputzen. Kyo schaute ihm kurz zu, ehe er den Blick auf seinen eigenen Teller richtete.

Es war nicht so, dass er noch nie Pfannkuchen gegessen hätte, nur zum Frühstück? Für jemanden, wie ihn, der aus einer traditionsbewussten Familie stammte, kam ihm dieses Frühstück sehr seltsam vor. Das neben dem Teller liegende Besteck irritierte ihn nur noch mehr. Nach einem Moment, raffte er sich auf und nahm ein Stück des warm dampfenden Teigs und kaute aß ihn langsam.

Schon seit einigen Wochen empfand er keinen Hunger, er hatte schon fast vergessen wie es sich anfühlte. Die Tatsache, dass er dadurch ziemlich dünn geworden war und seine Kleidung ihm deshalb viel zu groß geworden war, interessierte ihn eigentlich nicht. Aus reiner Neugierde nahm er noch einen Bissen und versuchte die Zutaten heraus zu schmecken.

Inzwischen war der Rotschopf mit seinem Pfannkuchen fertig und aufgestanden, um sich einen weiteren von dem Teller, der auf der Kochplatte stand, zu holen. „Willst du auch noch einen?“. Er schaute fragend zu Kyo und dann auf dessen Teller. „Scheinbar nicht“, lachte er und beantwortete sich somit seine Frage selbst. „Pass lieber auf, wenn du nicht schneller isst, bleibt für dich nichts mehr übrig“, zwinkerte er ihm freundlich zu und wandte sich wieder dem Herd um. Der Kleinere sah ihm nur wortlos nach, atmete aber erleichtert auf, denn er hatte sich schon daran gewöhnt, dass ihm des Öfteren das Essen einfach weggenommen wurde. Die setzte sich wieder ihm gegenüber und machte sich daran noch zwei weitere Eierkuchen zu vertilgen. Während der Blonde ihn dabei beobachtete, erinnerte er sich daran, dass er nicht mehr im Waisenhaus war. Hier bestand keine Gefahr, dass der Größere ihm etwas antun würde, denn er hatte genügend zu Essen. Außerdem war seine Mutter ganz in der Nähe, was ebenfalls dafür sprach. Kyo konnte sich also sicher in dem Glauben wiegen, dass der Rothaarige kein Risiko eingehen würde.

Die fühlte sich allerdings mit der Zeit beobachtet und hob seinen Blick. „Schmeckt dir dein Frühstück nicht?“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Doch“, war seine kurze Erwiderung. Der Größere nickte zustimmend und lachte erneut. „Mamas Essen schmeckt allen.“

Die besagte Person erschien im selben Augenblick wieder in der Küchentür und bedachte Kyo mit einem mitfühlenden Blick. Ihr Sohn bemerkte diesen sofort und fragte sich daraufhin, was ihn ihr vorging. Seine Mutter strich unvermittelt über Kyos Haar und begann zu sprechen an: „Nach dem Frühstück kümmern wir uns um deine Sachen.“ Sie lächelte den Blonden mütterlich an. Dieser schaute aber nur überrascht auf, da er es nicht gewohnt war von Fremden so verhätschelt zu werden, geschweige denn, dass sich jemand um ihn kümmerte. Außerdem, war es ihm immer noch ein Rätsel, warum ihn die Frau so seltsam angeschaut hatte. Sie wirbelte wieder in Richtung Küchenzeile, wo sie auch gleich damit begann das dreckige Geschirr in der Spüle zu stapeln und Wasser einzulassen.

Erneut klingelte das Telefon. „Ich gehe schon“, meinte Die, der mittlerweile mit Frühstücken fertig war und verließ die Küche. <Wer zum Teufel ruft um die Uhrzeit an?! Wehe es ist nicht wichtig!> „Moshi Moshi, Andou desu.“, meldete er sich leicht grummelnd. „Oh, Die? Du schläfst nicht?!“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang sehr überrascht. „Kaoru?“, murrte der Rotschopf, war aber gleichzeitig erleichtert, dass sein Freund am Telefon war und nicht irgendeiner dieser Vertreter, der ihn schon am frühen Morgen voll schwatzen würden.

„Ach, wie schade und ich wollte dich wecken lassen. Bist du krank, oder wieso bist du so früh auf?“ Kaorus Stichelei ging in einem Lachen unter, offensichtlich war er sehr gut gelaunt.

„Hm... mich hat jemand geweckt...“ Die seufzte und fuhr sich durch sein langes Haar, eine Angewohnheit, die er immer ausführte, wenn er nachdachte oder unsicher war. „Oh, wirklich?“ Durch den Hörer erklang lautes Kichern. „Hat Blondi - wie hieß sie noch mal? - dich etwa dazu gebracht, dass du sie zu dir nach Hause einlädst?“

Die runzelte leicht genervt die Stirn. „Nein, hat sie nicht.. aber blond ist er wirklich...“ Er wusste selbst nicht, warum er ausgerechnet DAS Kaoru erzählte. Es vergingen einige Sekunden, bis dieser realisierte, was Die ihm eben vermittelt hatte. Er holte tief Luft.

„Wie?! Ein KERL?! Die-chan, hast du Fieber??“ Kaoru musste mit sich kämpfen, nicht loszulachen. Er fand das Ganze wirklich sehr amüsant und musste zugeben, dass er so etwas von Die nie erwartet hätte. „Arg! Kao!! Das ist nicht so, wie du gleich wieder denkst!“, zischte der Rotschopf protestierend in den Hörer.

„Ach nicht? Schade...“ Kaoru klang enttäuscht, aber auf seine gute Stimmung hatte das keine Auswirkung. „Ein neuer Austauschschüler, oder was? Wieso hat er dich geweckt?“ Er schaute neugierig den Telefonhörer an, fast so, als würde er in Dies Gesicht blicken. Am anderen Ende der Leitung setzte sich der Befragte erst einmal hin, denn er wusste was gleich auf ihn zu kommen würde. „Er hat sich erschrocken, als er neben mir im Bett aufgewacht ist. Ich konnte doch nicht wissen, dass da jemand in meinem Bett liegt!“ beklagte sich Die.

Es vergingen erneut einige Sekunden, aber von Kaoru kam keine Reaktion.

„Kao? Bist du noch dran?“ Als Antwort bekam Die ein Prusten und schließlich ein lautes Lachen von seinem Freund zu hören. „Kao, das ist nicht lustig! Der Junge hat sich wirklich erschrocken.“ Die sah verdutzt auf den Telefonhörer.

Kaoru war sofort der ungewöhnliche Tonfall aufgefallen, den Dies Stimme annahm als er über seinen neuen Gast berichtete. Auf das Gesicht des Violetthaarigen huschte ein vieldeutiges Grinsen, das natürlich von seinem Gesprächspartner nicht bemerkt werden konnte. „Tja, das wundert mich nicht...wenn ich so was wie dich in meinem Bett entdeckt hätte, hätte ich mich auch zu Tode erschrocken“, spottete er. „Na ja, wie dem auch sei. Wir wollten doch heute in die Stadt, ne? „Sie haben schon extra für uns neue Gitarrensaiten zurückgelegt, als ich vorhin dort angerufen habe.“

Die wollte etwas erwidern, aber seine Mutter stand plötzlich vor ihm und schien ihm etwas wichtiges mitteilen zu wollen. Zumindest konnte er dies aus ihrem Gesichtsausdruck ablesen. „Warte mal eben, Kao...“ Er blickte seine Mutter fragend an. Da Die nun beschäftigt war, schnappte sich Kaoru einen Stift und begann damit kleine Knuddelmonster auf irgendeinen Zettel zu kritzeln, bis der Rothaarige wieder ansprechbar war.

„Ich habe heute noch zu tun und muss einiges in der Stadt erledigen, kannst du bitte inzwischen auf Kyo aufpassen?“ Die zog eine Augenbraue nach oben. „Hm? Ich denke er ist alt genug, er braucht doch keinen Babysitter.“ Seine Mutter sah ihn daraufhin ernst an. „Die, er ist neu hier und du könntest ihm ja die Stadt zeigen... außerdem…“, begann sie, zögerte aber einen Moment, „... ich denke, er sollte zumindest heute nicht allein sein. Ich erkläre es dir später, ja?“

Der Rothaarige nickte leicht. „Na gut. Ich nehme ihn gern mit.“ Er lächelte seine Mutter mit einem gespielten Lächeln an. Das war das erste mal, dass er ihr ein falsches Lächeln entgegen brachte. Seine Aussage entsprach nicht der Wahrheit. Viel lieber wollte er allein mit Kaoru etwas unternehmen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass der Kleinere ihn nicht besonders leiden konnte, auch wenn er ihm eigentlich nichts getan hatte. Dennoch macht er sich gleichzeitig Gedanken um den Neuen.

„Fein, dann wünsche ich euch viel Spaß.“ Die zierliche Frau lächelte und ließ Die wieder allein mit seinem unterbrochenen Telefongespräch zurück. „Kao, ich bringe da noch jemanden mit. Wir treffen uns, wie immer am Musikgeschäft.“ Kaoru gab nur ein knappes „Okay“ von sich und legte auf. Die seufzte kurz, erhob sich und ging die Treppe nach oben. Er hoffte dort Kyo zu finden, denn anscheinend hatte dieser sich klammheimlich vom Küchentisch verdrückt.

Wie bereits erwartet, befand sich der Kleinere in seinem oder vielmehr nun ihrem Zimmer. Die stellte fest, dass seine Mutter wie immer schnell war, so dass sich in der ehemals freien Ecke des Raumes nun ein weiteres Bett befand, dass früher im Gästezimmer seinen Platz hatte. Der sonst so große Raum wirkte dadurch nun enger. Neben der einfachen und doch bequemen Liege stand ein kleiner Schrank, der eher als Kommode bezeichnet werden sollte. Kyo war gerade dabei in ihm seine Habseligkeiten zu verstauen. Er schien nicht wirklich viel bei sich zu haben: einige Kleidungstücke, merkwürdige Gegenstände, ein großes Schminkkästchen und jede Menge Kassetten, sowie CDs, deren Hüllen seltsamerweise stark beschädigt waren. Das alles fand nach und nach seinen Platz in dem dafür vorgesehenen Schränkchen.

Der Kleinere hatte offensichtlich noch nicht bemerkt, dass er nicht mehr allein im Zimmer war, denn nun begann er irgendetwas in ein ledergebundenes Büchlein zu schreiben.

Der Rotschopf beobachtete ihn einen Augenblick lang. Er schien wie in einer anderen, fremden Dimension unterwegs zu sein, die nur für den Blonden existierte. An die Wand gelehnt, kaute er kurz an seinem Stift. Die erkannte ihn sofort als den roten „Hello-Kitty-Bleistift“, den er früher von einem Mädchen bekommen, allerdings noch nie benutzt hatte.

Unweigerlich musste der Größere Lächeln, denn sein Gegenüber sah wie ein Widerspruch in Person aus: Ein Schwarz gekleidetes, düster geschminktes Wesen, welches auf dem Boden hockte und dabei nachdenklich an einem solchen Stift knabberte.

Wie aus einer Trance erwacht zog Kyo plötzlich den Bleistift aus dem Mund und kritzelte schnell etwas auf, was Die dazu veranlasse unwillkürlich zusammen zu zucken, da er den Kleineren immer noch beobachtet hatte. Dadurch wurde wiederum Kyos Aufmerksamkeit von dem Notizbuch in seinen Händen auf den Eindringling gelenkt. <Wie lange ist er schon hier?>, schoss es ihm durch den Kopf.

Blitzschnell schloss Kyo das schwarze Büchlein und verstaute es hastig mitsamt dem Bleistift in seiner Tasche. Danach drehte er seinen Kopf wieder zu Die und funkelte ihn viel sagend an. Der Rothaarige wusste sofort den Blick richtig zu interpretieren.. Er fühlte sich wohl offensichtlich von Die gestört, mochte „Hello Kitty“ und schien wissen zu wollen, was der Rotschopf schon wieder von ihm wollte. Du, Kyo. Du bist doch neu hier, lass mich dir die Stadt zeigen.“, lächelte Die ihn wie immer offen und freundlich an.

„Ich will nicht, Danke.“ Damit wollte der Kleinere das Gespräch beenden. Im Moment hatte er wirklich kein Interesse an einer Stadtführung, am liebsten wäre er allein mit seinem Buch geblieben, ohne dass ihn jemand störte. Genau diese Antwort hatte der Rothaarige befürchtet. „Na komm schon. Wieso bist du denn so schlecht gelaunt, hm? Ich habe dir nichts getan.“ Dies Geduld war langsam am Ende. Er wollte nur endlich aus diesem Haus und mit seinem Kumpel etwas Spaß in der Stadt haben. Vielleicht würden sie später auch zu Kao gehen und etwas Gitarre spielen. Er liebte es mit dem Anderen zu scherzen und sich neue Griffe von ihm beibringen zu lassen. Er hatte er im Moment keine Lust sich mit dem kleinen Grummelmonster zu beschäftigen und würde dies auch sicherlich zu jeder Zeit offen zugeben.

Für Kyos aufmerksamen Blick war Die nichts anderes als ein offenes Buch, der Gesichtsausdruck des anderen zeigte ihm dessen Unwillen. „Hm..“ Der Blonde schien einen Augenblick lang nachzudenken. <ja, du hast noch nichts gemacht, aber das könnte sich schnell ändern...> Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als Dies Mutter die Tür aufschlug und hereinstürmte. „Na Jungs?! Schönes Wetter heute, nicht?“, sie lachte laut und reichte jedem der Beiden ein selbst gemachtes Bento. Kyo schaute nur verwirrt die Box in seinen Händen an. „Und jetzt raus mit euch!“, ordnete sie an. Die Beiden Jungen folgte ihrem Befehl ohne zu zögern und wurden letztendlich von ihr aus dem Haus befördert. „Viel Spaß“, rief sie ihnen noch zu, bevor die Tür ins Schloss fiel.

Auf diese Weise hatte keiner der Beiden eine andere Wahl. Die sah zu seinem Gegenüber, welcher nicht besonders begeistert wirkte. „Tja, also dann... da ist die Haltestelle“, sagte er und deutete auf das Wartehäuschen, welches nicht allzu weit entfernt stand. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich in Bewegung. Kyo allerdings bewunderte noch einen Moment lang seine Lunchbox, ehe er sie in seiner Tasche verstaute und Die schließlich schweigsam folgte.

Er lies seinen Blick ein wenig durch die Gegend schweifen. Der frisch gemähte Rasen der kleinen weißen Einfamilienhäuser, die sich links und rechts von der Straße befanden verbreiteten einen angenehmen Duft. Die Grundstückchen wirkten auf den Blonden so unwirklich und unecht, wie aus einem Bilderbuch. Er fragte sich, was sich wohl hinter der Fassade dieser Scheinfriedlichkeit verbergen mochte.

Der Kleinere senkte den Kopf, betrachtete den asphaltierten Weg vor sich, auf dem sich einige dreckige Zetteln befanden. Offensichtlich war die Stadtreinigung noch nicht vorbei gekommen. Allerdings wurde Kyos Aufmerksamkeit plötzlich von einem Flyer angezogen und er fixierte das Stück Papier. <Eine neue Single?!> Auf seinem Gesicht bildete sich ein kaum merkliches erfreutes Lächeln.

Es dauerte nicht lang bis sie das kleine Wartehäuschen erreichten. Dort stellen sie sofort fest, dass der nächste Bus gleich eintreffen würde. Kyo betrachtete forschend den Fahrplan. „Ähm, Kyo?“ Die wollte ihn etwas fragen, aber wie immer erwiderte der Angesprochene nichts. Jedoch schaute er diesmal aufmerksam zu dem Rothaarigen auf. „Läufst du immer so rum?“ Er deutete auf Kyos zerrissene, schwarze, mit Sicherheitsnadeln verzierte Markenkleidung mit den markanten Aufdrucken und das dunkle Make-Up. „Bist du ein Visual?“

Der Kleinere nickte bestätigend. „Offensichtlich.“ Die begann ihn breit anzugrinsen. „Cool, ich auch! Wenn man's mir auch nicht wirklich ansieht“. Er deutete auf seine schlichte, aber ebenfalls schwarze Kleidung. Kyo musste automatisch an die zahlreichen Poster denken, die er an Dies Zimmerwänden gesehen hatte. „Dein Zimmer verrät es aber sofort“, grinste er leicht.

Nach nur wenigen Augenblicken kam schnaufend der weiß-blaue Bus um die Kurve gefahren und hielt quietschend vor ihnen an. In dem Bus war es relativ leer, kein Wunder, denn es war erst kurz nach zehn Uhr und auch auf den Straßen herrschte noch eine gähnende Leere. Die Beiden betraten den Bus und suchten sich einen Platz aus, an dem sie bequem bis zur Haltestelle an der die aussteigen würde, stehen konnten. „Du solltest lieber aufpassen, Visus sind bei uns nicht gerade beliebt. Die Leute werden dich sicher die ganze Zeit anstarren.“, meinte Die nachdenklich. Sein Gegenüber aber zuckte nur mit den Schultern. „Sollen sie doch.“

Die lachte auf und nickte. „Du redest wie mein bester Freund Kaoru.“ Während Die redete, schaute Kyo desinteressiert aus dem Fenster. „Ihr werdet euch sicher verstehen, er steht auch auf auffällige Sachen und Make-Up!“ Der Größere plapperte einfach vor sich hin und bemerkte dabei nicht einmal, dass sein Gesprächspartner ihm längst nicht mehr zuhörte.

Der Bus hielt schließlich nach einigen Minuten Fahrzeit an einem großen Platz, der sogar um diese Uhrzeit von einer großen Menschenmenge erfüllt war. „Hier, das Einkaufsparadies, die einzige wirkliche Sehenswürdigkeit unserer bescheidenen Stadt!“ Lachend stieg der Rothaarige hinter Kyo aus und schlug die Richtung zum Musikgeschäft ein. Auf den Weg dorthin mussten sie den Platz überqueren, der sich zwischen den Einkaufsstraßen erstreckte. Er war überfüllt mit vorüber hetzenden Büroangestellten, die auf dem Weg zur Arbeit waren, Müttern, die mit ihren Kinder einkauften und Jugendlichen, die sich mit Freunden verabredet hatten. Alles war in Bewegung und drängte in verschiedene Richtungen, immer ein Ziel vor Augen. Es war sehr schwer sich dabei nicht zu verlieren. Ein Stück ging Kyo noch hinter Die, doch als sich der Größere umwandte, sah er nur noch wie sich das blonde Büschel Haare zwischen den Passanten hindurch schlängelte und nur wenige Sekunden später gänzlich in der Menge verschwand. Er riss überrascht die Augen auf und rief laut Kyos Namen.

<Verdammt! Wo will er hin?>
 

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PS: Wir versuchen 3. Kapitel demnächst hochzuladen. Es wird also nicht sooo lange dauern wie dieses mal, da es nichts dazwischen wie Abi, Japanurlaub oder ähnliches kommen sollte ^.~ Aber wir versprechen türlich nichts ^.~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-07-15T08:51:29+00:00 15.07.2007 10:51
wow also ich finde die ff
wirklich klasse *_______*
freu mich aufs nächste kapitel x3
Von: abgemeldet
2006-12-06T10:27:49+00:00 06.12.2006 11:27
oi, ihr habt's endlich geschafft!
*freu*
es ist nicht mehr so verwirrend wie das erste kapi!
ich find's besser!
habt ihr fein gemacht!


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