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Das Herz des schwarzen Drachens

von

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Prolog

Arva erwachte am Boden liegend in ihrem Zimmer. Dunkelheit umgab sie. Es war Nacht. Im Haus war es still. Aber irgendetwas stimmte nicht.

Die Elfe konnte sich nicht erinnern, was passiert war. Warum lag sie auf dem Boden? Das Holz war kalt und hart. Sie wollte aufstehen, aber als sie den Kopf hob, schien sich der Raum plötzlich um sie zu drehen und das Schwindelgefühl zog sie wieder zu Boden. Angst erfasste das junge Mädchen. In ihrem Kopf rauschte es laut und sie wusste, dass das Geräusch nicht von Außen kam. Übelkeit überkam sie wie eine unerwartete Welle und sie schaffte es gerade so ihr Gesicht zur Seite zu drehen, bevor sie sich übergab. Das Erbrochene blieb ihr in den langen Haaren hängen, die sich offen auf dem Boden ausgebreitet hatten. Der Ekel trieb sie dazu sich aufzurichten, obwohl der Boden dabei um sie zu kreisen schien, wie der Mond um die Erde. Sie wartete ab, bis das Schwindelgefühl weniger wurde und kämmte sich dann unter leisem Schluchzen die klebrigen Speisereste aus den Haaren.

„Mama…“, jammerte sie ängstlich. Arva verstand nicht, was mit ihrem Körper los war.

Sie versuchte aufzustehen, aber ihr Kopf schmerzte und ihre Beine waren so schwach, dass sie wieder zu Boden sank. Schluchzend versteckte sie ihr Gesicht hinter ihren Händen, während sie verzweifelt versuchte, sich daran zu erinnern, was geschehen war. Sie spürte, dass es dort wo sie saß, feucht war. Sie hatte in einer Pfütze gelegen. Noch mehr Erbrochenes? Doch es war so dunkel, dass sie nicht erkennen konnte, was genau es war. Sie wollte es auch lieber gar nicht wissen. Arvas Verstand arbeitete wie in Zeitlupe und einzelne Erinnerungsfetzen tauchten in ihrem Gehirn auf, nur um nach ein paar Sekunden wieder zu verschwinden.

„Mama…“, schluchzte sie erneut, aber ihre Mutter schien sie im Nebenzimmer nicht zu hören. Das Mädchen gab es auf, nach ihr zu rufen und versuchte stattdessen noch einmal aufzustehen und schaffte es, sich auf das Bett hoch zu ziehen, das nicht weit von ihr entfernt an der Wand stand.

Der weiche Stoff der Decke war nass, und dort wo sie sich hingesetzt hatte, quoll die Flüssigkeit wie aus einem Schwamm wieder heraus, um stattdessen vom Stoff ihres Kleides aufgesogen zu werden. Es war ein unangenehmes Gefühl, aber Arva war viel zu schwach, um sich einen anderen Sitzplatz zu suchen. Auch in ihrem Gehirn schienen die Gedanken zu verschwimmen und zu verlaufen, als wären sie mit Wasserfarbe geschrieben.

Alles war vertraut und fremd zugleich; zwar glaubte sie zu wissen, wo sie war, aber nichts war so, wie sie es in Erinnerung hatte. In ihren Ohren rauschte es wieder und ein neuerliches Schwindelgefühl überkam sie, sodass sie beschloss, sich lieber hinzulegen. Dabei merkte sie, dass sie nicht die einzige war, die sich in diesem Bett ausruhte. Sie hätte geschrien, wären ihre Gedanken nicht so seltsam umnebelt und ihr Inneres nicht so taub und gefühllos gewesen, wie in diesem Augenblick.
 

Arva betastete verwirrt die reglose Gestalt. Ihre Hände fuhren über groben Stoff, der an manchen Stellen Risse hatte unter denen sie kalte Haut spürte. Als sie sich schließlich bis zum Kopf der Person vorgetastet hatte und die lockigen Haare berührte, die so vertraut nach Zedernrauch dufteten, erkannte sie, dass es ihre Mutter war.

Der Schreck weckte sie aus ihrer seltsamen Trance und allmählich begann ihr schmerzender Kopf wieder langsam zu arbeiten und sie fragte sich, warum ihre Mutter nicht in ihrem eigenen Bett lag und warum sie ihr nicht antwortete. Sie hob vorsichtig den Kopf und sah sich um.

Von Außen schien ein wenig Mondlicht herein und Arvas Augen, die sich mit der Zeit an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnten die Silhouetten von einigen Möbeln ausmachen. Es war tatsächlich ihr eigenes Zimmer. Aber die Einrichtung lag umgeworfen und zerbrochen übereinander, anstelle des Fensters klaffte ein Loch in der Wand und überall lagen Glasscherben, in denen sich kalt das schwache Mondlicht spiegelte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie wollte ihre Mutter wecken, damit sie nicht so allein mit dem Chaos in ihrem Zimmer und in ihrem Kopf fertig werden musste.

Als sie sie kraftlos schüttelte, da ihre Kehle zu ausgetrocknet war, um nach ihr zu rufen, spürte sie, dass der Körper ihrer Mutter sich kalt und hart anfühlte. Sie schien auch nicht zu atmen und regte sich auch nicht, als Arva kräftiger schüttelte und heiser ihren Namen schluchzte. Verzweifelt sah sie sich nach der Kerze um, die irgendwo unter dem umgestürzten Nachttisch liegen musste. Sie wollte aus dem Bett steigen, um den Boden nach der Kerze abzusuchen, aber sie stellte fest, dass sie zu steif vor Angst war, um das Bett zu verlassen.

„Mama…“, wimmerte sie verzweifelt.

Ein paar Tränen liefen ihr heiß über die Wangen, aber sie zwang sich, sich zu beruhigen und eine Lösung zu finden.

Plötzlich fiel ihr etwas ein: Sie trug doch den Lichtstein von ihrem Vater! Das spitzohrige Mädchen zog rasch die Kette mit dem schwarzen Opsidiananhänger aus ihrem Ausschnitt und umschloss ihn fest mit einer Hand.

>Bitte, ich brauche Licht!< , dachte sie angestrengt.

Die Elfe sammelte ihre letzte Kraft und konzentrierte sich auf den schwarzen Stein, der daraufhin hell zu glühen begann. Erleichtert atmete sie auf, da dies nicht immer gelang, und hielt den Stein hoch, um das Zimmer zu erhellen.

Es bot sich ihr ein furchtbarer Anblick: Fast alle Möbel lagen kaputt im Zimmer verteilt, das Fenster war grob aus der Wand gebrochen und die Vorhänge lagen zerrissen zwischen den kaputten Holzrahmen am Boden; sie sahen aus, als hätte ein Tier mit riesigen Krallen sich daran festgehalten.

>Vielleicht war es ein Bär?< Dachte Arva entsetzt.

Jemand von den Jägern hatte vor einigen Wochen berichtet, dass er einem riesigen weißen Bären begegnet sei, woraufhin Arva sich wochenlang nicht mehr allein in den Wald getraut hatte, jedoch wagten sich die Tiere normalerweise nicht in die Nähe der Siedlungen. Arva wandte zögerlich den Blick vom Fenster ab, und drehte ihren Kopf hinüber zum Bett, wo ihre Mutter noch immer bewegungslos neben ihr mit dem Gesicht nach unten lag. Das Mädchen zitterte, als sie die Schulter ihrer Mutter griff, um sie vorsichtig umzudrehen. Ihr schwante nichts Gutes.

Sie brauchte beide Hände, um die schwere, steife Frau auf den Rücken zu drehen, darum legte sie den Lichtstein kurz beiseite, der daraufhin erlosch.

Als das Mädchen es geschafft hatte, nahm sie den Lichtstein wieder in die Hand, der sofort wieder hell zu leuchten begann und Arva zeigte, was sie lieber nicht gesehen hätte:

Das Gesicht ihrer Mutter war kaum noch erkennbar; Ganze Teile ihrer Gesichtshaut und ihrer Kehle waren herausgerissen worden und sich überlappende Zahnabdrücke bildeten groteske, blutige Muster auf Stirn und Kinn.

Mit einem Aufschrei ließ sie den Lichtstein fallen und sprang panisch so weit wie möglich vom Bett weg, bis sie stolperte und fiel und mit dem Rücken gegen die Wand krachte. Sie keuchte auf und hustete, bis das Husten in hysterisches Schluchzen überging. In der Dunkelheit kauerte sie sich zusammen, wie ein ängstliches kleines Tier, während ihr Verstand sich in Unglauben und Panik aufzulösen schien, wie Zucker in warmem Wasser. Sie wollte das Gesehene nicht begreifen. Die Erinnerung löste sich in bunte Farben auf und bildete schlierenhafte Muster, die jedoch plötzlich die zackigen Konturen der Bisswunden annahmen, als würden ihre Gedanken dagegen ankämpfen, sich von Arva mutwillig auslöschen zu lassen. Dann wurde plötzlich alles weiß und ein schriller hoher Ton steigerte sich in ihrem Inneren, bis eine weitere Erhöhung unmöglich wurde und er plötzlich erstarb. Mit dem Ton verschwanden auch die Bilder in ihrem Kopf. Es herrschte Stille. Angenehme, schwarze Stille. Und Gleichgültigkeit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-01-09T09:20:09+00:00 09.01.2009 10:20
Hi, ich bin die Tante bei dem Wettbewerb, an dem du teilnimmst :)
Eigentlich habe ich mir ja gesagt, dass ich nicht kommentiere bis ich den WB nicht ausgewertet habe. Aber dein erstes Kapitel hat ich echt schwer beeindruckt (vielleicht auch weil die Vorgänger nicht so dolle waren...) und wollte dich nur loben. Schöne Charakterisierung und ein der Leser wird doch tatsächlich animiert sich zu überlegen was mit dem Hauptcharakter los ist.
Das bedeutet nicht, dass du gewinnst, nur, dass mir die Geschichte bis jetzt sehr gut gefällt :)
lg,
Aceldama


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