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Wing-Cage

wenn dir Flügel wachsen
von

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Die Lust der Schwestern

Chapter 3 / Die Lust der Schwestern
 

Sari öffnete, vom Geschrei Ragus unsanft geweckt, ihre Augen und setzte sich abrupt aufrecht.

"Sariel, das war dein letzter Ausflug!", erwiderte eine andere, weibliche Stimme und im nächsten Moment fiel Sari wieder ins Heu. Sie schlief erneut, aber dennoch ohne ihr Einverständnis.

Ragu hatte sich währenddessen wieder aufgerappelt und war zu ihr gestürmt.

"Was hat euch denn gebissen?"

"Sie gehört zu uns. Und du wirst sie mit deinen dreckigen Fingern nicht beschmutzen!"

"Dafür wirst du vor Gericht gestellt. Ein Mädchen einfach zu missbrauchen. Dazu noch einen heiligen Engel!"

"Was? Wer hat denn hier etwas von missbrauchen gesagt?"

Ragu griff um Saris Schultern und zog sie hinauf.

"Sie gehört zu mir! Ist das klar?"

Er wollte unter keinen Umständen Sari an eventuelle Engelverkäufer oder Zuhälter verlieren. Er hatte sie entdeckt. Es war seine halbsichere Eintrittskarte nach Jade!

"Lass sie los!" Die Frau mit der etwas raueren Stimme fegte ihm eine gewaltige Böe ins Gesicht und Ragu hatte Mühe sich dieser entgegenzustellen."

"Was wollt ihr von ihr?" Ragu klammerte sich immer fester um sie. Sein Rücken pulsierte in kurzen, regelmäßigen Abständen.

"Wir nehmen sie mit, zurück nach Jade!"

Ein stechender Schmerz zerrte sich durch seine Muskeln. Er sackte in sich zusammen.

"Nie...niemals. Sie bleibt hier! Sie ist der Schlüssel!", keuchte er und drückte Sari fast die Adern in ihren Armen ab.

*Ragu*

"Sari?"

In seinem Inneren rief sie seinen Namen.

Wind umgab ihn und die zwei Frauen wurden von ihm aus der Scheune gedrückt.

Ragu fing laut an zu Schreien. Wieder dieser Schmerz. Aber dieses Mal war Sari nicht da, um ihn zu lindern. Er ließ ihren zarten Körper zu Boden gleiten und warf sich vor Schmerzen abermals auf den Boden. Sein Rücken, er brannte so stark wie noch nie zuvor.

"Sari!"

*Ragu. Raguel .*
 

*Ragu. Raguel. Nein, ich will nicht zurück *

Er erwachte langsam aus seinem tiefen Schlaf. Es war hell, seine Glieder waren steif, ließen sich nicht bewegen. Er fühlte sich schwer und taub.

Wo war er?

Mit zunehmenden Minuten verdeutlichte sich sein Bild und er erkannte, dass er in einem hellen, weißen Raum auf einer kalten Liege lag.

"Sari?"

"Sie ist nicht hier! Sie wird dich auch nie wieder sehen. Dafür werde ich sorgen."

Wieder diese weibliche, harte Stimme.

"Wer...?"

"Wer ich bin? Ich bin Anael, ihre älteste Schwester. Dein Vergehen wird nicht ohne Strafe enden!"

"Was denn für ein Vergehen? Ich hab sie gerettet, als sie nach Achat gefallen war. Wäre ich nicht gewesen, wäre sie auf die sterbliche Erde gefallen und jetzt tot. Sie kann schließlich nicht fliegen!"

Anael schwieg. Sie legte eine Hand auf seine Brust. Er spürte wieder eine Wärme, nur dieses Mal war sie anders, viel fremder, fast schon eine kalte Wärme die sich durch seine Muskeln fraß.

"Du sagst die Wahrheit, doch etwas verschweigst du ihr."

Hatte sie etwa seine Gedanken gelesen? Seine Arme und Beine konnte er langsam wieder bewegen.

"Du hast die selbe Fähigkeit wie sie.", stellte er fest.

"Ich sagte doch, ich bin ihre Schwester."

Er setzte sich aufrecht. Erst jetzt merkte er, dass er nackt war. Lediglich ein weißes Handtuch bedeckte seine Lenden.

"Was habt ihr mit mir gemacht?"

"Dich untersucht. Du hast sehr mächtige Schwingungen von dir gegeben. Du bist kein normaler Engel. Woher kommst du?"

Ragu band sich das Handtuch um die Hüfte und ließ seine Beine langsam von der Liege zu Boden gleiten.

"Achat, sonst hätten wir uns sicherlich nicht getroffen, Sari und ich!"

"Sie heißt Sariel. Bring ihr etwas mehr Respekt entgegen. Sie ist eine Heilige."

"Ja, und so sollte sie auch behandelt werden. Sie sollte glücklich gemacht werden!"

Anael zog die Augenbrauen zusammen.

"Rede nicht so über sie! Wenn du sie beschmutzt hast, dann...."

"Keiner hat von glücklich machen dieser Art geredet, Liebes!"

Er blickte durch ein großes Fenster und sah eine weitere Frau, die am Fenster stand und sich ihn wie in einem Zoo ansah, so hatte Ragu jedenfalls das Gefühl.

"Ist das auch noch ne Schwester von ihr?" Fragte er bissig und deutete auf die junge Frau.

"Mein Name ist Ariel!" Ihre zarte, dumpfe Stimme drang durch das Fenster an sein Ohr.

"Sie sieht Sari sehr ähnlich.", murmelte er und schritt zu der zweit ältesten Schwester ans Fenster.

"Was macht ihr jetzt mit mir?" Wollte er von Ariel wissen, weil sie anscheinend nicht so aggressiv und bissig war, wie die älteste Schwester Anael. Ihre Augen waren so blau wie das Meer der Erde. Er verlor sich kurz in ihnen.

"Du bist süß. Gehst du mit mir aus?" Er grinste sie verschmitzt an und erhielt ein verlegenes Lächeln von ihr.

"Was soll das Ariel...? Er ist ein Gefangener!"

Ihre Schwester wurde ganz hibbelig von Ragus Frechheit.

"Wieso bist du so verbittert, Schwester? Hast du denn noch keinen Engel abbekommen?" Ragu drehte sich zur älteren, etwas hysterischen Schwester Anael und grinste ein weiteres Mal, aber etwas belustigter als zuvor bei Ariel, wo Ragu sein charmantes verschmitztes Lächeln präsentiert hatte.

Im nächsten Moment zersprang die Scheibe hinter Ragu, als dicht neben seiner Wange ein Dolch in dieser stecken blieb. Anael hatte kehrt gemacht und war aus dem Trakt verschwunden.

"War das etwa ein wunder Punkt von ihr?" Fragte er schließlich die jüngere Schwester und nahm die Tür zum Ausgang des Traktes, um sich Ariel, der schönen, goldgelockten Schwester persönlich mit einem Händedruck vorzustellen.
 

Es war so hell.

Saris Augen klappten reflexartig wieder zusammen.

"Zu hell."

Ein weiteres Mal.

"Zu weiß!"

Weiße Vorhänge, weiße Decke, helles Licht.

"Nicht, nein... nicht schon wieder!"

Es war ein Déjà-vu. Ein Traum!

Nicht hier, nicht in diesem Bett. Jahr für Jahr hatte sie jeden Morgen ihre Augen aufgeschlagen, nur um an dieselbe weiße Decke mit den weißen Tüchern zu blicken.

Es half nichts. Sie spürte dieselbe weiße Bettwäsche unter ihren Fingern, sie roch dieselben weißen Blumen, die auf ihrem Tisch im Zimmer standen und sie wusste, dass sie in ein und dem selben Zimmer erwacht war, in dem sie schon seit 17 Jahren schlief.

"War es wohlmöglich ein Traum...? Was ist geschehen?"

Sari richtete sich schwer auf und blickte verstohlen durch das weiße, immer wiederkehrende Zimmer.

Es war ihr Zimmer. Das Zimmer steckte so voller Einsamkeit und Leere. Nichts, aber auch gar nichts schien andersfarben als das wortlose Weiß. An den Wänden, in ihrem Bett, an Stühlen und Sitzgelegenheiten, selbst in der Vase und auf dem Papier, nichts als gähnende, weiße Leere.

Sari fühlte sie plötzlich weiß und leer. Wieder hier zu sein, dass war wie ein Wurf zurück in den Kerker, in ein weißes Verließ, ohne Fenster und Leben. Sie würde wahrscheinlich ihr Leben lang hier in diesem weißen Zimmer erwachen, wenn sie nichts änderte.

Versucht hatte Sari es ja. Aus dem weißen Zimmer, von dem weißen Balkon, der durch eine weiße Tür zu erreichen war, war sie in die weiße Wolkenwelt des Himmels und hinab, nach Achat, in die dunkle Welt getaucht. Ihr Herz schlug noch immer heftig bei der Erinnerung des Erlebten.

Jetzt spürte sie ihr Herz kaum, fast gar nicht mehr. Manchmal hatte sie das Gefühl, hier in ihrem weißen Raum nicht zu leben, sondert nur zu sitzen, wie eine Puppe oder Kuscheltier.

Sie passte ja eigentlich recht gut mit ihren weißblonden Haaren in das Farbschema des Zimmers.

Ein Dekorationsobjekt, mehr war sie hier in Jade nicht.
 

"Sie habe mir meine Sachen weggenommen... diese... doofen Zicken!"

Sari war wütend. Wie sie diese langen, unpraktischen Bodenwischer hasste.

Sari wurde schon früher von ihren Schwestern in enge, schwingende, weiße Tüllfetzen gesteckt. Mit einem weißen, langen babydoll-artigen Kleid wischte sie den langen Gang des Palastes einmal komplett durch, um zum Muttersaal zu kommen.

Die große Tür war nicht zu übersehen und Sari nahm sich allen Mut zusammen, sich der ehrenwerten Mutter hinter der weißen, großen, klotzigen Tür zu stellen. Sie wollte sich nicht entschuldigen, sie wollte wissen, wieso es nötig war, hier in dem Palast zu leben und ja regelrecht dazu gezwungen zu werden. Und sie wollte wissen, wo Ragu steckte, schließlich war es ihre Schuld gewesen, dass er mit großer Sicherheit bestraft wurde. Man hatte ihr schließlich bei den vorigen Fluchtversuchen ihren weißen Vogel genommen, weil er Sari angeblich auf falsche Gedanken gebracht hatte. Später hatte sie seine Leiche im Garten gefunden. Man hatte ihn einfach achtlos ins Gebüsch geworfen.

Sari hatte an diesem Tag bitterlich geweint. Sie hätte sich so sehr die Freiheit für ihren Vogel gewünscht, was würden sie wohl bloß Grausames mit Ragu anstellen? Er hatte sie nach Bern gebracht... er hatte ihren Fluchtversuch unterstützt.

Ihr wurde schlecht.

Ehe sie die Tür mit bloßen Hände öffnen konnte, klappte das Monstrum von alleine auf und Sari eilte mit ungutem Gefühl durch die Pforte der Predigt und Ermahnungen.

Der Kerker der Erziehung.

Schon von Weitem sah man ein paar junge Mädchen hin und her schwirren. Zwischen ihnen erkannte Sari schließlich die alte Dame mit den langen, schneeweißen Haaren. Sie drehte sich langsam um und lächelte müde.

"Nein, sie lächelt. Das ist kein gutes Zeichen.", murmelte Sari und verlor langsam den Mut.

"Ich wusste das du kommst mein rebellisches Kind!"

Sari blieb stehen und beugte sich leicht zur Begrüßung.

"Wenn deine Mutter noch leben würde, hätte sie dir einen Flügel abgeschnitten!"

Sari zuckte zusammen. "Nein, dass hätte sie nie getan!"

"Woher solltest du das wissen? Du kanntest sie schließlich nicht!" Die heilige Mutter wies die umher eilenden Mädchen aus dem großen Raum, so dass nur noch sie und die kleine, entmutigte Sari sich allein gegenüberstanden.

"Habt ihr eine Strafe für mich?", murmelte das blonde Mädchen.

"Bist du etwa gekommen, um sie dir freiwillig abzuholen... oder wolltest du mir ein paar Argumente deiner Verteidigung entgegenmurmeln?"

"Ich bereue es nicht!"

"Das weiß ich. Ich habe dieses Mal keine Strafe für dich, Sariel. Vielmehr haben wir einen Entschluss gefasst, mit deinen beiden Schwestern Ariel und Anael."

Das konnte ja heiter werden.

"Jungfrauenexil?"

Sari hörte sich schon wie Ragu an. Sie musste über diesen Gedanken selbst schmunzeln.

"Du wirst heiraten. Damit dir dein Ehemann diese Flausen endlich austreibt."

"Aber... jetzt? Wieso jetzt schon? Meine Schwester Ariel ist doch die nächste, sie ist schließlich älter als ich!"

"Was spielt das schon für eine Rolle, du bist doch genauso ausgereift wie sie. Du kannst ebenso Kinder bekommen, wieso also warten? Du hast vor zwei Jahren einen Antrag bekommen. Wie lange willst du den Gardisten noch warten lassen?"

Das war die härteste und qualvollste Strafe von allen. Sie würde jetzt wie ein Pferd angeleint, hinter einem Mann herlaufen, ohne jegliche Freiheit und Würde.

"Aber... !"

"Kein Aber. Es ist so Sariel. Du hättest vor deinem Sturz in die unterste Sphäre daran denken können. Oder hattest du geglaubt einen Achat zu finden, der dich heiraten könnte?" Die heilige Mutter machte kehrt und verließ langsam den Saal durch eine weitere, große Tür.

Sari blieb wie versteinert stehen.

Sie wollte jetzt nicht heiraten. Sie war noch nicht einmal verliebt. Noch nie. Lediglich diese kurze Schwärmerei für ihren Verlobten, als er ihr das Leben gerettet hatte.

Ihr liefen Tränen über die Wangen.
 

Das war also Jade. So und auch etwas anders hatte sich Ragu diese Sphäre vorgestellt. Mit den großen, protzigen Marmorbauten, den langen Gängen und edlen Kleidern.

Und nicht zuletzt die süßen, unschuldigen und hübschen Mädels.

Eine von ihnen war Ariel. Eine wirklich hübsche Schwester, wie er fand.

Sie war zierlich, hatte wallendes, goldenes Haar, ordentlich Holz vor den Hütten und groß Augen. Im Gegensatz zu Ariel wirkte Sari wie ein Kind.

Sari war ja eigentlich noch ein Kind, doch dass sie schon verlobt war, machte sie im Gegensatz zu Ariel etwas erfahrender. So schien es jedenfalls.

"Sag mal hast du eine Freundin?" Wollte sie schließlich wissen, als er mit dem hübschen blonden Wesen die Gänge entlang schritt.

Er sah sie an, etwas perplex, mit einem guten Gefühl.

"Nein."

"Was war da mit meiner Schwester?"

"Nichts. Was soll da mit deiner Schwester gewesen sein. Ich hab ein wenig auf sie aufgepasst. Sie ist mir irgendwie in Achat in die Arme gefallen. Als ich hörte, dass sie nach Bern will, hab ich sie begleitet. War doch nett von mir!"

Ariel sah etwas misstrauisch aus. "Und wieso wolltest du sie dann küssen?"

"Bist du eifersüchtig"? Er grinste

Ariel blieb stehen und sah zu Boden.

"Wenn es so wäre?"

"Dann würde ich mich geschmeichelt fühlen.", säuselte er.

"Du hast sie also benutzt."

"Ja." Wieso war er bei ihr so verdammt ehrlich? Das konnte ihm ebenso das Genick brechen. Aber er hatte das Gefühl, durch diese Angabe eher einen Pluspunkt von ihr zu erhalten.

"Wieso wolltest du unbedingt nach Jade?"

"Ich suche nach Antworten, nach Rache und nach Liebe!" Er nahm ihre Hand und zog sie in eine Nische.

Er küsste ihre Hand und sah langsam zu ihr hinauf. Sie schien unberührt.

Für einen Moment hatte Ragu das Gefühl, dass Ariel jegliches Gefühl verloren hatte.

Sie zog ihre Hand langsam aus seiner und drückte ihn gegen die Wand.

"Ausgenutzt hast du sie! Nur um nach Jade zu kommen!"

Er schluckte... Aus Pluspunkten würden ganz abrupt Minuspunkte.

"Was ist, wenn ich zu ihr gehen würde... ihr alles über dich sagen würde. Sariel würde dich dann sicherlich nicht mehr so kindlich anhimmeln. Würdest du, großer Held, das verkraften?"

Er hielt die Luft an, als sie sich zu ihm hinaufstreckte, und seine Lippen mit ihren berührte.

"Ich könnte dich damit erpressen. Ich könnte dich zu meinem Sklaven machen. Ich könnte dich in den Kerker sperren lassen.", flüsterte sie und hauchte ihren Atem an seine Lippen.

"Dann tu es. Aber dann wirst du mich nicht mehr wiedersehen. Es sei denn, ich werde dein Sklave."

Er schob seine Hand um ihre Hüften und drückte sie enger an seinen Körper.

Sie lies sich bereitwillig von ihm küssen.
 

Wieder erwachte sie, schlug ihre Augen auf und erblickte die weiße Decke.

Weiß, Unschuld, Reinheit, Himmel, Engel.

Aber weiß war für Sari mehr die Hölle. Sie richtete sich auf und blickte neben sich. Auf einem kleinen Stuhl neben ihrem Bett lag ein langes Gewand. Als sie bemerkte, wie edel und aufwendig es genäht war, dämmerte ihr, was am heutigen Tag so alles anstand.
 

"Was immer du machen willst, was immer du sagen wirst, von der Minute an, in der du es findest, weißt du, dass es Millionen verschiedener Wege gibt".

Das war immer ihre Lieblingszeile auf der großen, weißen Wand. Viele Frauen, die hier gelebt hatten, haben einen Spruch oder ein Wort in diese große, weiße Marmormauer geritzt. Sari wusste, all die Frauen, die sich hier an dieser Mauer verewigt hatten, waren unglücklich, so wie sie, und schrieben ihr Leid und ihre Botschaft auf, damit es andere Engel ermunterte.

Sari war so weit ermuntert gewesen, dass sie die Flucht gewagt hatte.

Die Mauer schloss den heiligen Palastkomplex von der Außenwelt ab. Hier im Garten, war fast die einzige Möglichkeit zu entkommen, wenn man es über diese Mauer schaffte. Doch es war so, dass schnell bemerkt wurde, wenn ein Engel diese Mauer überflog. Vielleicht gab es einen Bannkreis oder moderne Sensoren, die man nicht sah.

Der Garten des heiligen Palastes war ebenso künstlich, wie die gesamte Anlage. Bäume waren zu Figuren geschnitten, und schnörklige, symmetrische grüne Wege ließen den Garten noch unwirklicher aussehen. Zwischen Blumenbeeten standen Marmorstaturen von Engeln, die mit großen Schwingen hinauf sahen, und ihre Hände ineinander gefaltet hatten.

Sie vernahm das Quietschen des Eingangtores zum Garten, und als sie sich umblickte, schlug ihr Herz plötzlich schneller.

Er sah nach unten, nahm eine kleine Stufe und schritt voran, auf den gepflasterten, symmetrischen Gartenweg. Sein Kopf hob sich langsam und er blickte sich um. Sein Haar wehte kurz, als eine leichte Böe den Garten erreichte. Auch ihre Haare kitzelten an ihren Wagen. Sie zog ihre Arme vor ihre Brust, und hielt sich in ihrem weißen Hauch von Tüll fest.

Seine braunen Augen musterten sie und seine Mundwinkel fuhren langsam hinauf. Er lächelte. Seine Augen wurden weich, fast so als ob sie sagen wollten, es tat gut, sie gesund wieder zu sehen.

"Ragu!"

Ihre Hände ließen den Tüll los, und sie stolperte los.

Ohne nachzudenken.

Ohne, dass es wirklich Sinn hatte, denn eigentlich kannten sie sich kaum drei Tage.

Er ließ seine Hände aus den Hosentaschen und öffnete sie leicht, so als ob er nur zaghaft sagen wollte, sie solle in seine Arme laufen.

Er schritt langsam, sie lief immer, und immer schneller den symmetrischen Weg entlang. Bis...
 

Ihre Haare wehten mit ihrem eiligen Laufschritt hin und her.

Sie hatte ein sagenhaftes schönes Kleid an, welches wie Federn im Wind auf und ab flog und flatterte. Ihre Augen waren groß und blau, so blau wie der Himmel der Erde.

Sein Rücken begann zu pochen, so schmerzlich süß. Er hatte das Gefühl, es regelrecht vermisst zu haben.

Sein rechter Arm streckte sich nun weit hinaus, und er spürte ihre Hüfte. Mit einem Ruck sprang sie in seine Arme und seine rechte Hand schob sich um sie und zog sie zu sich heran. Mit dem linken Arm vollendete er die Umarmung, und Sekunden darauf spürte er ihre Hände, die auf seinen Schulterblättern lagen.

Er roch ihr Haar.

Wieder dieser Duft, die angenehme Wärme, das erregende Gefühl, sie musste wohl wieder glühen.

Als er seine Augen wieder öffnete, sah er einen hellen, grünenden Schein, der von ihr ausging.

Er hatte Recht behalten.

Ihr Kopf hob sich von seiner Brust und sie blickte ihn schließlich in die Augen.

"Ragu…" Sie lächelte warm.

"Da bist du ja, du kleines Schaf. Ich dachte sie hätten dich wer weiß wo hingesperrt."

"Und du lebst noch, das ist schön."

Beide lachten und ließen schließlich von einander ab.
 

Nicht weit ab von dem Geschehen und der filmreifen Wiedersehensszene blickten vier Augen auf die Beiden herab.

Ariel und Anael betrachteten das Geschehen von einem kleinen Balkon aus.

"Spürst du das?" Fragte Anael ihre jüngere Schwester. Sie nickte etwas verbissen.

"Dieses Pochen. Ich spüre es deutlich in meinen Herzen, aber es kommt nicht von mir!"

Ariels rechte Hand hatte sich an ihrem linken Arm geklammert. "Es sind die Beiden... dieses Pochen hat eine unwahrscheinlich starke Energie. Es ist fast so, als ob etwas unterdrückt wird!"

Anael blickte ihre Schwester von der Seite an. "Du... wieso hasst du Sari...?" Ihre Hand legte sich dabei auf Ariels Schulter, doch diese wies ihre Schwester im selben Moment zurück, und wischte sie sogleich wieder weg. "Hör auf meine Gedanken zu lesen!"

"Du bist eifersüchtig!"

"Siehst du das nicht? Sari ist... !" Ariel rang kurz mit der Fassung.

"Meinst du, dass sie verliebt ist? Sariel ist lediglich ein sehr herzenswarmer Mensch. Es ist ihre Freude, und nicht etwa ihre Liebe, die sie so empfinden lässt. Sie ist glücklich, selbst wenn sie einen Engel aus dem Achat begegnet!"

Anael musste selbst über ihre Gedanken nachdenken. Sie hatte die Gabe auch Gefühle und Gedanken von anderen Personen lesen zu können. Das was sie spürte, dass waren Saris ehrliche Gefühle. In diesem Moment war sie schrecklich verunsichert. Sie begriff zum ersten Mal, dass sie Sari noch nie so glücklich erlebt hatte und war es für eine Schwester nicht normal, dafür zu sorgen, dass ihre Schwestern glücklich wurden?

Als sie Ariel anblickte, verblasste das glückliche Gefühl in ihrem Herzen mit einem Mal, und sie empfand und las lediglich Leere. Und wenn sie ganz tief in sich selbst gehen würde, dann wäre das bei ihr sicherlich nicht anders, als bei ihrer Schwester Ariel.

Was sie dort unten sah, war ein Gefühl, dass beide älteren Schwestern bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gefühlt hatten. Ehrlich und aufrechte Freude am Dasein. Sari genoss es, hier und jetzt mit diesem Achat zu sein. Sie war glücklich.

"Wir sollten Samael Bescheid sagen, dass Sari im Garten ist. Er wollte sie sowieso heut sehen.", murmelte Anael schließlich und zog sich vom Balkon zurück.

Ariel folgte ihr ein Stück, schlug schließlich jedoch einen andere Richtung ein.
 

Sie lächelte und brabbelte los, wie ein Wasserfall.

Er hatte sich mit Sari in einen kleinen, weißen Pavillon gesetzt und sie kam kaum zum sitzen, da sie vor Hibbeligkeit vor seinen Augen auf und ab sprang, sich immer wieder hin unter her drehte und lustige Grimmassen machte. Sie erzählte von ihren Schwestern, von der bösen heiligen Mutter und von ihrem toten Vogel.

Es war schon komisch, aber irgendwie genoss Ragu es, denn in ihrer Nähe war ihm so wohl und warm. Zwar schien ihre Schwester Ariel äußerlich her sehr anziehend zu sein, doch Sari versprühte, anders als bei ihren Schwestern, eine Wärme und Geborgenheit, wäre man blind, man hätte sie nie und nimmer für Schwestern gehalten.

"Raguel!" Eine zarte, weibliche, aber kalte Stimme weckte ihn aus seiner Überlegung.

Sari blickte zum Gartentor und plötzlich verstummte ihre Stimme.

"Ich habe euch gesucht!"

Ariel lächelte und eilte geschwind zu Ragu.

Der machte einen verunsicherten Gesichtsausdruck.

Was würde Sari denken, wenn sie erfahren würde, was dazwischen im und seiner Schwester lief. Im Prinzip nichts, sie war ja verlobt. Sollte es ihm wohl egal sein?

Er spürte ihre Hand, die sich um seinen Nacken schlang und durch sein Haar fuhr.

Er spürte einen kalten Hauch an seinem Ohrläppchen und schließlich zwei weiche Lippen an seiner Wange.

Ragus Blick wanderte zu Ariel, die ihn mit ihren blauen Augen freundlich ansah. Irgendwie hatte er das Gefühlt, dass sie nun auf eine Reaktion von ihm wartete.

Sein Blick weilte aber nicht lange bei ihr, sondert fuhr langsam zum Gesicht der kleinen Schwester. Sie sah nicht erschrocken aus, ihre Miene etwas neutral, aber dennoch brachte sie kein Wort heraus.

"Ich habe dir doch versprochen, dir bei der Suche zu helfen.", summte sie und blickte schließlich zu ihrer Schwester.

"Suche?" Sari verstand nicht ganz. Weder die herzliche Begrüßung noch Ariels Andeutungen. Sie sah nur ihren herausfordernden Blick, den kannte sie an ihrer Schwester, und dieser war ihr mehr als nicht geheuer.

Sari blickte zu den Händen der beiden, die sich schließlich ineinander gelegt hatten.

"Ja, du hast Recht. Tut mir Leid, Sari, sie will für mich ein gutes Wort bei den Chefs einwerfen. Wir reden später!" Ragu erhob sich und ließ sich von Ariel aus dem Pavillon führen. Er drehte sich noch ein letztes Mal um und blickte Sari lächelnd entgegen. Sie erwiderte jedoch nicht seinen Gruß und blieb zurück.

Nach kurzen Schritten, Ragu wollte soeben seinen Kopf in Schrittrichtung drehen, prallte seine Schulter an eine andere, und er taumelte ein Stück zur Seite.

Als er neben sich blickte, erkannte er einen großen, stattlichen Mann in Uniform, mit längeren, weißblonden Haaren.

Der fremde Mann jedoch beachtete ihn nicht weiter, sondert rief einen Namen.

"Sariel, wie schön das Ihr wohlbehalten zurück seid".
 

Kapitel 3 - ENDE
 

Das Kapitel ist jetzt erst zu Ende gegangen, weil ich noch etwas Stress mit dem Umzug hatte (ja, ich bin umgezogen... ich komme kaum noch zum Schreiben weil ich furchtbar busy und nur am rumeilen bin).

Auf jeden Fall ist dieses Kapitel erst einmal geschafft.

Was soll ich noch sagen: Ihr wisst schon, wer der Schulterrammler ist.

Aber zu Eifersuchtsszenen und der gleichen das nächste Mal mehr.
 

Nächste Kapitel: Kapitel 4- Irrungen und Wirrungen



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  capricious
2006-10-28T16:41:50+00:00 28.10.2006 18:41
JAAAAAAAAAAAAAAAAAA ich will Eifersuchtsszenen!!!!!
Also ich reg mich richtig über Ariel auf... und nochmal über Ragu... wieso macht er da auch noch mit?
Naja er wird noch früh genug merken, was er an Sari hat!!!
Schnell weiter!!!!!!!!!! Ich will lesen
Von:  Ayne
2006-10-19T15:03:59+00:00 19.10.2006 17:03
Und dann...? Und dann und dann und dann...?! Wie geht's jetzt weiter...? He??! LESEEEEN!!!!! *aufm schreibtisch rumtrommel*
Naja, muss mich da wohl noch etwas gedulden. Und großes Lob! Der Verlobte ist mir auf Anhieb unsymphatisch! *g*
Aber diese Ariel-Kuh auch, ist ja klar, dass wir alle wollen, dass Ragu mit Sari zusammenkommt und kein heimliches Techtelmechtel mit der Meerjungfrau anfängt ;)
Allerdings finde ich es gut, dass du es so geschrieben hast... wenn sie jetzt zusammenkommen würden, wärs ja auch total unlogisch :/
Also... ran an die Tasten, we want the nääxt chapter! :)

LG
Ayne


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