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Mein Vater und ich

Wir kennen uns doch kaum...
von

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Das Ende einer Party

"Komm Chiaki, trink nu noch eieieinen!" lallte einer der Jungen, die Chiaki auf ihre feucht-fröhliche Party eingeladen hatten. "Aa~aaber nuuuurnoch eiiiiiinen.....!" lallte der Blonde zurück und hielt ihm sein leeres Glas hin. Selbst Außenstehende konnten nicht sagen, zum wievielten Mal es nun gefüllt wurde. Eins war aber klar: Es war nicht leicht gewesen, Chiaki betrunken zu machen - der Kerl vertrug eine ganze Menge...
 

Er kippte den nächsten Weinbrand hinunter und schwankte ein wenig, als er sich wieder gerade hinsetzen wollte. "Nnna dann... ebennnnich..." Er ließ sich nach hinten gegen die weiche Lehne des großen Sessels sinken und beobachtete die anderen. Die, die ihm dauernd nach schenkten, die leicht bekleideten Mädchen, die entweder auf den Tischen oder dem Schoß eines anderen angetrunkenen Jungen saßen, oder aber die Getränke denjenigen brachten, die nicht so nah an der Minibar saßen. "Ey, du!" klang Chiakis Stimme zur Abwechslung mal ganz klar und deutlich. "Wo hastn du die gansssen geilen Weiber her, hääää?" Der Gefragte grinste erst, dann schwoll es zu einer Lachsalve an. Erst als er sich beruhigt hatte, antwortete er: "Das Mädschninternat draußen aufn Dorfff.... da stehn die doch alllllle unter Zwangsabsch... Zwangs... Zwangsabstinenzzzz, verstehste??" Er machte eine unverwechselbare Handbewegung und nun musste auch Chiaki laut lachen. "Wennich aufstehn könnnnnte, würdsch ja eine flalalachleeegen... aaaaber ich kannnnisch mehr stehn!" Es folgte wieder eine Lachsalve von dem anderen Jungen, der es sich vorstellte, wie Chiaki zu einer von den Weibern wanken würde und versuchte, sie zu nehmen. "Neeee.... weißtuuu, die kann sisch ja einfach aufffff deinen Schosssssetzen...!", er lachte über seine eigenen Vorstellungen, "....Du holst dein Dingggg rausss und steckst's bei der rein uuuuund lossss gehtsss...!!!" Er machte eine Bewegung, die wohl den Geschlechtsverkehr symbolisieren sollte und kippte um. "Hahahaaa, escht glassssse, Tojjjjjji!!" Chiaki versuchte Beifall zu klatschen, aber er war schon so stockbesoffen, dass er seine Hände nicht einmal mehr traf... "Äääh...??" Er schaute sich selbst bei seinem kläglichen Versuch, zu applaudieren zu und brach dann wieder in Gelächter aus. "Glasssse... totaaaal glasssse...!"
 

Wenn er fähig gewesen wäre, die Uhr zu lesen, dann hätte er gewusst, dass es schon längst um 3.00 Uhr in der Früh durch war. Hätte er sich auch noch daran erinnern können, dass sein Vater gesagt hatte, dass er spätestens um 1.00 Uhr wieder zu Hause sein sollte, hätte er bestimmt nicht so ruhig noch einen Schnaps getrunken...
 

~*~
 

Kaiki tigerte wohl zum x-ten Mal im Wohnzimmer herum, sah aus dem großen Fenster, von dem aus man die ganze Straße im Blick hatte. Aber nirgendwo sah er seinen Sohn! Er hatte ihm doch ausdrücklich gesagt, dass er um 1.00 Uhr /allerspätestens/ zurück sein sollte. Er hätte Chiaki nicht auf diese Party gehen lassen sollen. Er konnte sich noch ganz genau an die kleine Stimme in seinem Hinterkopf erinnern, die ihm gesagt hatte: Er wird nicht pünktlich wiederkommen, es wird ihm sicherlich etwas passieren! Wieso hatte er nicht auf sie gehört?! Kaiki schimpfte sich einen unfähigen Scheiß-Vater und setzte sich wieder auf die Couch. Er hatte seiner Frau doch damals am Sterbebett versprochen, auf Chiaki Acht zu geben!! Und was tat er?? Ließ ihn einfach zu so einer Party gehen, wo zwielichtige Leute unterwegs waren. Natürlich vertraute er seinem Sohn, er hatte auch noch nie einen Grund gehabt, es nicht zu tun... bis jetzt.
 

Er warf einen verstörten Blick auf seine Armbanduhr, die ihm gnadenlos anzeigte, dass es nun schon kurz nach 3.30 Uhr war. Wie zur Bestätigung gongte die große Standuhr im Korridor einmal. Kaiki seufzte laut und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Was, wenn Chiaki etwas zugestoßen war?? Es wurden ja nicht nur Mädchen vergewaltigt.. dass das auch Jungs passieren konnte, wurde nur allzu gern von der Presse und den Medien verschwiegen. [1] 'Hör auf mit diesen negativen Gedanken...!!!' Immer und immer wieder sagte er diesen Satz wie eine Beschwörung vor sich her - aber er machte sich allmählich selbst damit verrückt. 'Er wird einfach nur die Zeit vergessen haben... nichts weiter...!' Aber auch "Think positive" half hier nicht weiter. Er machte sich einfach zu viele Sorgen. Chiaki war halt sein einziger Sohn. Er würde es sich nie verzeihen können, wenn ihm etwas zustieße...
 

*dingdong*
 

Er sprang wie elektrisiert auf, als er die Klingel der Wohnungstür hörte. Er sprintete durch den Korridor und riss die Tür auf. Ein Junge mit braunen zerzausten Jahren, ungefähr in Chiakis Alter, lehnte am Türrahmen. "Ich hab Chiaki mitgebracht..." Er deutete mit einer schwachen Kopfbewegung auf die Treppe, auf dem Kaiki einen leuchtend blonden Schopf erkennen konnte. Die Augen waren wohl geschlossen, sonst hätte ihm ein helles Blau entgegen geleuchtet... Kaiki nickte dem fremden Jungen zu und bedankte sich bei ihm. "Kannst du allein nach Hause gehen? Oder soll ich dir ein Taxi rufen?!" fragte er fürsorglich. Aber der Junge gähnte bloß und war schon auf der Hälfte der Treppe: "Ich wohn nicht weit von hier, keine Sorge, ich komm schon nach Hause..." Kaiki bedankte sich noch einmal und wand sich dann seinem Sohn zu. Dieser lag ausgebreitet auf den untersten vier oder fünf Stufen. Er atmete leise und bewegte sich so gut wie gar nicht. Er klatschte ihm ein paar mal leicht auf die Wange. "Chiaki, hey, Chiaki! Ich bin's, dein Vater... wach auf!!" Er hörte ein leises Murren und sein Sohn schmiegte sich an seine Hand. "Hey, du sollst hier nicht weiterschlafen....!" Kurz entschlossen schob er seine Arme vorsichtig unter Chiakis Genick und die Kniekehlen, damit er ihn hochheben konnte. Er war mehr als erstaunt, als er bemerkte, dass der Junge leichter war, als er erst angenommen hatte... "Du musst mehr essen... sonst bist du bald nur noch Haut und Knochen..."
 

Er ließ die Tür hinter ihnen ins Schloss fallen und trug Chiaki bis ins Wohnzimmer. Sanft ließ er ihn auf die Couch gleiten und kniete sich neben ihn. Der Junge sah so unheimlich friedlich... und süß... aus, wenn er schlief. Ihn überkam eine plötzliche Lust, Chiaki zu küssen - doch so schnell wie ihm dieser Gedanke gekommen war, war er auch schon wieder weg... Erstaunt und verwirrt über sich selbst wollte er aufstehen und seinen Sohn schlafen lassen, doch plötzlich bemerkte er die Hand seines Sohnes, die sich in sein Hemd gekrallt hatte. "Na gut, Aki-chan... ich geh nicht weg..." Er benutzte diese Verniedlichung von Chiakis Namen nur, wenn dieser es nicht mitbekam. Der Junge schmiegte sich noch näher an ihn, als hätte er es doch gehört. Kaiki hätte ihm im Schlaf niemals so viel Kraft zugetraut. Ehe er sich's versah, fand er sich dicht vor Chiakis Gesicht wieder - kaum zwei Zentimeter trennten sie voneinander. Er spürte den warmen, stark nach Alkohol riechenden Atem auf seinem Gesicht und verzog dieses etwas. Er wollte nicht wissen, wieviel sein Sohn getrunken hatte. Morgen musste er ihn unbedingt zur Rede stellen.
 

Doch nun zogen ihn schon wieder diese sinnlichen Lippen in seinen Bann... Was war nur mit ihm los?! Ohne darüber nachzudenken senkte er seinen Kopf noch ein wenig und berührte Chiakis Lippen mir seinen. Unsagbar viele Gefühle durchströmten ihn, er fühlte sich für einige Sekunden wie gelähmt gelähmt. Hoffentlich schlug der Junge jetzt nicht seine Augen auf, dann war er tot... Schnell löste er sich von ihm und starrte auf seinen Sohn. Was hatte er da nur gerade gemacht?! Er hatte es jedenfalls nicht unter der Gewissheit getan, Chiaki einen normalen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Dafür war der Blonde erstens zu alt und zweitens hatte Kaiki viel mehr gefühlt, als bei so einem Kuss, den man seinen kleinen Kindern gab... Schnell wand er sich ab, fühlte sich irgendwie ertappt.
 

Vorsichtig versuchte er, Chiakis Klammergriff aus seinem Hemd zu bekommen, aber je mehr er es versuchte, desto stärker wurde der Griff. "Nischgehn..." "Hä?" Kaiki sah wieder fragend auf den Jungen, der gerade etwas gemurmelt hatte. "Ach, Aki-chan... es tut mir alles so leid." Er wusste nicht, weswegen er sich bei ihm entschuldigte, aber er hatte diesen unbeschreiblichen Drang, alles wieder gut zu machen, was er je falsch gemacht hatte. Durch seinen Job als Direktor eines Krankenhauses hatte er immer so wenig Zeit für Chiaki gehabt. Dabei wollte er das nie... Wie gern hätte er mehr an seinem Leben teilgenommen. Nun war sein Sohn schon so gut wie selbstständig. Er brauchte keinen Vater mehr, der sich um ihn kümmerte. Er war in einem Alter, in dem er seine große Liebe suchte, neue Erfahrungen machen wollte und an eine eigene Wohnung dachte... - und er wollte sich ganz sicher nicht mit seinem alten Vater abgeben... nein, diese Zeiten waren vorbei. Kaiki fluchte leise. Er hatte einfach alles versaut. Hätte er nur... ja, diese Worte waren so richtig. Hätte er nur... aber die Zeit konnte man nun mal nicht zurückdrehen.
 

Er kam aus seinen Gedanken zurück und beobachtete Chiaki. Wenn er ihn so betrachtete, dann musste er doch wieder an früher denken. Wie ihn Minaco [2] immer in sein Bett geschafft hatte, nachdem sie mit ihm gespielt hatte. Er konnte sich auch daran erinnern, wie er, Kaiki, vom dem Laptop saß und irgendwelche Geschäfte abwickelte, sich lieber mit dem Geld als mit seinem Kind beschäftigte. Das hatte er nun davon: Seine Frau war gestorben, er war alleine und zu Chiaki konnte er keine richtige Beziehung aufbauen. Ach, wenn er doch nur... wenn er das doch alles Chiaki sagen könnte, wenn er wach war. Wenn er alles mitbekam...
 

"Vater..?" Er schreckte vollkommen benebelt aus seinen Träumen hoch. Hatte Chiaki ihn gerade gerufen? Als er sich zu seinem Sohn drehte, blickte er geradewegs in seine hellblauen Augen. Sie sahen ihn ohne Rüge und einfach nur desorientiert an, aber trotzdem musste Kaiki seinen Blick beschämt abwenden. "Was machst du hier?" Chiaki blickte sich um und versuchte sich aufzurichten, aber er hatte noch zu viel Alkohol im Blut, um sich ohne Schwierigkeiten aufrichten zu können. Er blickte sich etwas träge um und bemerkte, dass er sich wohl im Schlaf an seinen Vater gekrallt hatte. Mit leichter Röte im Gesicht ließ er ihn los und guckte auf irgend eine Stelle neben ihm.
 

"Tut mir leid..., dass ich dich..." "Ist schon gut, Ak...- Chiaki." Und schon wieder konnte er nur schwer der Kraft widerstehen, die von Chiakis Lippen ausging. Er konnte nicht anders, als auf seinen Mund zu starren. Bevor er sich abwenden konnte, hatte sich sein Sohn schon wieder zu ihm gewendet. Als er seinen Blick von diesen sinnlich geformten Lippen löste, sah er direkt in zwei fragende Augen. "Hast du was...?" "Nein... wieso?" "Du starrst mich so an." "E...es ist nichts. Gar nichts..." "Kannst du mir das auch sagen, während du mir in die Augen schaust?" Kaiki zuckte zusammen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er sich abgewendet hatte. Nun fixierte er wieder seinen Sohn. "Und? Kannst du?" Er antwortete zögerlich. "Nein... ich kann es nicht."
 

Er konnte nicht lügen. Wenn er das wiederholen sollte, was er eben gesagt hatte, dass nichts wäre, dann würde er nicht die Wahrheit sagen... Da war etwas - aber er wusste nicht was. Er hatte dieses Gefühl schon lange, aber heute spürte er es zum ersten Mal so intensiv. Immer wenn er seinen Sohn betrachtete, nur ein Blick in seine Augen und sein Körper gehorchte ihm nicht mehr... Er wusste, dass es in einer Katastrophe enden würde, aber er tat es. Er küsste seinen Sohn, wie er es vor ein paar Minuten schon einmal gemacht hatte, nur etwas beherzter. Er hatte die Augen geschlossen, um nicht das Ungläubnis und Entsetzen in Chiakis Augen sehen zu müssen. Wie würde er wohl darauf reagieren? Obwohl, was konnte er noch schlimmer machen? 'Verzeih mir, Minaco. Ich küsste unseren Sohn und ich empfinde Gefühle, die ich niemals haben dürfte. So etwas ist nicht nur strafbar, sondern auch pervers... bitte, vergib mir...'
 

Er löste sich von ihm und öffnete die Augen. Er hätte gedacht, dass sein Sohn ihn vorwurfsvoll oder einfach nur fragend anschauen würde - aber das hätte er nicht gedacht: Chiaki hatte die Augen geschlossen und lächelte leicht. Hatte er es... genossen?? Der Blonde öffnete die Augen und sah seinen Vater direkt an. Sein Lächeln wurde breiter. "Das war schön..." Er legte seine Arme um den Nacken seines Vaters und kurz darauf konnte Kaiki ein leises Schnarchen an seiner Schulter hören. Total verwirrt legte er Chiaki wieder zurück aufs Sofa, was dieser diesmal ohne Gegenwehr geschehen ließ. Dann ging er wirklich in sein Schlafzimmer.
 

Er wusste wirklich nicht, was er denken sollte. Hatte es seinem Sohn wirklich gefallen, von ihm geküsst zu werden?? Oder waren das nur die "Nachwehen" des Alkohols... Er hatte zwar nicht mehr gelallt, aber er war noch nicht standfest. Vielleicht hatte Chiaki im Rausch gedacht, dass ihn ein hübsches Mädchen küssen würde - und nicht der eigene Vater!!! Kaiki schüttelte den Kopf ob dieser grotesken Art der Liebe, die er wohl für seinen Sohn empfand... Aber andererseits hatte er ihm klare Fragen gestellt, für die man schon nicht mehr betrunken sein musste, um sie stellen zu können... aber warum war er dann so plötzlich todmüde in seinen Armen eingeschlafen?! Was war da nur eben los?! Kaiki schüttelte den Kopf und beschloss, über diese ganze Sache zu schlafen. Vielleicht stellte sich morgen alles als großes Missverständnis heraus, oder aber...
 

Der Schwarzhaarige [3] zog sich schnell um und legte sich dann schlafen. 'Der Morgen ist klüger als der Abend...' Gab es da nicht so ein Sprichwort [4]? Mit dem guten Gedanken, morgen alles aufzuklären, schlief er ein.
 

~* Am nächsten Morgen *~
 

Mit langem und ausgiebigen Strecken begrüße Chiaki den Sonntag. Er wollte Gähnen, doch das artete in einen spitzen Schrei aus, als er die starken Schmerzen in seinem Kopf spürte. Mit einem niedergeschlagenen Seufzer ließ er sich zurück auf die Couch sinken. Wie war er denn bloß dahin gekommen?? Das Letzte an das er sich erinnern konnte, war, dass ihn irgendjemand durch die leeren Straßen geschleift hatte. Dann war er eingeschlafen. Was danach kam, wusste er nicht. Der Junge - oder wer oder was immer das war - musste ihn wohl nach Hause getragen haben. Er kicherte bei dem Gedanken. Er musste morgen unbedingt in der Schule fragen, wer das gewesen war. Was wohl sein Vater dazu gesagt hatte?? Er konnte sich anstrengen wie er wollte - es fiel ihm nicht ein!
 

Ein klarer Fall von Filmriss... "Na toll, und Kopfschmerzen noch dazu, als ob ich nicht schon genug gestraft wäre..." Chiaki schnappte sich eines der vielen Sofakissen und presste es sich ins Gesicht. "Hmpf..." murmelte er hervor, sah aber trotzdem keinen Grund, es fortzunehmen. Erst, als er keine Luft mehr bekam, riss er es sich wieder herunter. "Soviel zum Thema Selbstmord..." Dann lachte er leise. Er hatte ja gar keinen Grund dafür... gestern war er bei einer echt geilen Party gewesen, es floss Alkohol in Strömen und die Mädchen sahen auch nicht schlecht aus. Es hatte ihm aber keine so gefallen, dass er sie haben wollte. Er hatte noch nie so eine gefunden... Er hatte sich schon damit abgefunden, vielleicht schwul zu sein, aber große Probleme hatte er nicht damit. Was war schon dabei, statt einem Mädchen einen süßen Jungen zu nehmen [5]?!
 

Aber da gab es doch noch etwas, was man Emotionen, Gefühle und Liebe nannte?! Er musste sich selber eingestehen, dass es da bei ihm ziemlich mau aussah. Nicht dass er sich keine Gedanken über dieses Thema machte... aber er hatte nie jemanden gehabt, mit dem er über alles reden konnte, mit dem er länger vertraut war als eine Nacht. Nachdem seine Mutter gestorben war, hatte er keine richtig herzliche Liebe mehr erfahren.
 

Er hörte Geräusche auf dem Korridor. Er reckte seinen Hals, um zu schauen, ob dort jemand war. Ein Mann mit dunklem Haarschopf tapste noch müde ins Wohnzimmer. "Guten Morgen Vater!" Kaiki drehte sich zu ihm und sah ihn verpennt an. "Chiaki?!" "Ja?" Sie starrten sich an wie zwei Autos, bis Chiaki sich aufraffte und fragte: "Wie bin ich eigentlich hierher gekommen?! Ich kann mich an nichts erinnern...!" Sein Vater horchte auf. "Hast du einen Filmriss? An was kannst du dich denn noch erinnern?!" Chiaki schien zu überlegen. Heute früh war er sich noch so sicher gewesen, dass er von jemandem durch die Straßen geschleift worden war, aber jetzt erschien ihm das zu irreal... "Ich bin mir nicht so sicher... mich hat irgendjemand bis hierher gebracht. Wer das war, weiß ich aber nicht..." Er grübelte noch ein bisschen, während sich Kaiki neben ihn setzte. "Nein. Dann ist Funkstille. An mehr kann ich mich nicht erinnern." Er sah nicht, wie der Dunkelhaarigen tief Luft holte und erleichtert ausatmete. Also waren das gestern Nacht doch nur die Auswirkungen des Alkohols. "Aber... halt!" Chiaki hatte sich kerzengerade hingesetzt und starrte auf irgend einen fernen Punkt. Kaiki hatte seinen Kopf ruckartig zu ihm gedreht und starrte ihn von der Seite an.
 

Ende Teil 01
 

~*~
 

[1] Eine Tatsache, die mich immer wieder ärgert. Ich habe bis jetzt nur einen Beitrag gesehen, in dem mal nebenbei erwähnt wurde, dass es auch männliche Vergewaltigungsopfer gibt. Ich könnte mich da immer maßlos drüber aufregen.
 

[2] So heißt bei mir Chiakis Mutter. Ich hab noch nirgendwo ihren Namen gelesen, drum nahm ich mir einfach mal das Recht, ihr einen zu geben =)....
 

[3] Vielen Dank für eure Vorschläge *zwinker*!! Ich finde, schwarz passt ganz ausgezeichnet und darum hat er hier bei mir diese Haarfarbe...
 

[4] Nach meinem Wissensstand ein russisches, oder?
 

[5] Na hoi, Chiaki mal als Seme? *hentaigrin* Soviel sei schon gesagt: In dieser Geschichte nicht, aber ich werd bestimmt auch mal was schreiben, wo dies der Fall ist. Sagt, sagt, würde euch das auch interessieren *leser ausfrag*? Oder wollt ihr ihn lieber als putzigen Uke...? Ich tu - ...äh, scheib alles was ihr wollt!!! *g*

Eskalation

"Nein." Chiaki schüttelte ganz langsam den Kopf, als schien er seine Antwort noch einmal zu überdenken. Oder er war einfach nur vorsichtig, damit seine Kopfschmerzen nicht noch schlimmer wurden.. Warum trank er eigentlich immer so viel, wenn er zwar wusste, dass er viel vertrug, am nächsten Tag dafür immer einen fetten Kater hatte?! Und dieser Filmriss heute! Er mochte es nicht sonderlich, wenn er etwas getan hatte, an das er sich danach nicht mehr erinnern konnte... irgendwie. Er kam sich dann immer so hilflos vor... Leute sprachen über Sachen, bei denen er zwar dabei war, dafür aber nicht mehr wusste, was geschehen war. Er nahm sich vor, das nächste Mal nicht mehr so viel zu trinken. Wenn es ein nächstes Mal überhaupt gab... Er wartete die ganze Zeit schon auf die Standpauke seines Vaters. Und außerdem hatte er ihn ja gefragt, wie er hierher gekommen war - er hatte ihm noch keine Antwort darauf gegeben...
 

Er beschloss, noch einmal nachzuhaken: "Und, wie bin ich nun hierher gekommen?" Kaiki seufzte wieder erleichtert und brachte Chiaki dazu, seine Stirn zu runzeln. "Dich hat in der Tat jemand nach Hause getragen. Es war irgend ein Junge mit braunen Haaren. Wahrscheinlich aus deiner Klasse, oder?" Er wartete nicht wirklich eine Antwort seines Sohnes ab, doch er machte eine kurze Pause. "Ich habe dich dann hier auf die Couch getragen." "Danke", der blonde Junge grinste etwas hilflos und strich sich seine Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm dahin gefallen waren. Sie waren kürzer als der Rest seines Haupthaares und nur knapp so lang, dass er sie sich hinters Ohr klemmen konnte. Darum fielen sie ihm auch ständig in die Augen.
 

Er hatte seine Ellbogen auf seine Oberschenkel abgestützt und die Hände wie zum Gebet gefaltet. Aber er war irgendwie nervös und spielte deshalb mit dem Silberring an seinem linken Mittelfinger, den ihm seine Mutter vermacht hatte. Er erinnerte ihn an sie und er fühlte sich sicherer, wenn er den Ring trug. Und auf eine seltsame Weise wirkte er auf ihn beruhigend... So wie jetzt auch. Je länger er an dem Ring herumdrehte, desto ruhiger wurden seine Bewegungen. Sein Atem ging wieder regelmäßiger und er hörte auf, nervös zu sein. Er wusste ja nicht einmal, warum er es überhaupt so plötzlich geworden war: Es war ja nichts besonderes passiert. Er saß hier ganz normal neben seinem Vater und unterhielt sich mit ihm über den gestrigen Abend.
 

Beziehungsweise, seit einigen Minuten schwiegen sie sich an... Kaiki war eben nicht der Gesprächigste, genauso wie er. Seit seine Mutter gegangen war, war es sehr still geworden. Sie hatte immer viel gelacht und die Wohnung mit ihrer fröhlichen Stimme erfüllt. Aber jetzt? Jetzt war sie nicht mehr da und keiner von den beiden Zurückgebliebenen war ein großer Redner. Sie hatten sich mittlerweile an die Stille gewöhnt, doch wenn es einen zu langen Zeitraum so totenstill war, musste einer etwas sagen. Und Chiaki wartete darauf, dass sein Vater etwas sagte. Umgekehrt war es nicht anders. Sie schwiegen sich an und starrten auf den Boden. Nebenbei hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Der Blonde war dazu übergegangen, an seine Mutter zu denken - und Kaiki dachte über gestern Abend, beziehungsweise heute früh nach. Er wusste immernoch nicht, warum er seinen eigenen Sohn geküsst hatte.
 

Seit wann konnte er sich denn nicht mehr beherrschen?! Wurde er in seinen älteren Tagen etwa notgeil?! Guter Gott, das war sein Sohn!! Und er wusste noch zu genau, dass er gestern nicht nur daran gedacht hatte, Chiaki nur zu küssen... Und diese schlimmen Gedanken brannten sich in sein Gedächtnis ein... Er stand wohl schon zu lange unter Frauenentzug. Er fasste leise den Entschluss, sich morgen mal im Krankenhaus unter den Schwestern umzusehen - vielleicht fand er ja eine, an der er sich austoben konnte... Alles würde er tun, nur, damit diese Gedanken nicht mehr über ihn hereinbrachen, wie heiße, glühende Lava. Sie waren schlecht, sehr schlecht - und niemand durfte von ihnen erfahren... niemals. Sonst würde er hinter Gitter kommen - und das für eine lange Zeit. Und das konnte er sich als Chef eines über alle maßen gut angesehenen Krankenhauses nicht leisten...
 

"Und... wie läuft's so im Krankenhaus?" Chiaki biss sich auf die Unterlippe. Diese Frage war so sinnlos! Wie sollte es denn laufen?! Es gab immer Kranke oder Verletzte, tagtäglich sah man im Fernsehen oder in der Zeitung die neusten Unfälle und Krankheitsausbrüche - wie würde es denn da so im Krankenhaus laufen?! Der Blonde hätte seinen Kopf in die nächstbeste Wand rammen können... "Ganz gut... gestern ist ja der eine Reisebus verunglückt, weißt du, welchen ich meine?" Kaiki sah zum ersten Mal seit einigen Minuten wieder zu seinem Sohn und hielt nach einem Kopfnicken oder ähnlichem Ausschau. Chiaki tat auch das, was er erwartet hatte: Er stimmte ihm zu und schien ihm zuzuhören. Kaiki fiel es schwer, seinen Blick wieder abzuwenden, doch er tat es lieber ganz schnell, damit Chiaki keinen Verdacht schöpfte... "Es gab reichlich Verletzte. Die meisten wurden bei uns eingeliefert. Wir haben alle Hände voll zu tun." Er lächelte leicht. Chiaki sah nicht zu ihm. Er machte "Mhm..." und überlegte wieder, was er sagen konnte. "Ich hab mir gestern Sorgen gemacht. Komm bitte um die Zeit nach Hause, die wir ausmachen - oder melde dich, wenn es länger dauern wird."
 

"Hm... tut mir leid. Werd ich machen." Er klang etwas kleinlaut. War das etwa schon alles?! Sonst hielt er ihm immer längere Standpauken, erklärte ihm lang und breit, dass die gemeinsam vereinbarten Zeiten nicht nur zum Spaß da waren und er sie auf alle Fälle einhalten sollte, sonst bekäme er Ausgangssperre oder sowas in der Art... Aber jetzt war Kaiki wieder still und sagte nichts mehr. Komisch. Chiaki runzelte wieder seine Stirn und fuhr sich durch die Haare. Langsam wurde diese peinliche Stille beängstigend. Er wollte lieber in sein Zimmer gehen. Er hatte ja morgen wieder Schule und musste noch ein paar Hausaufgaben machen. Zwar machte er die sonst nie vor dem Mittag, geschweige denn, wenn die Sonne noch schien, aber heute war ihm jedes Mittel recht, aus dem Wohnzimmer zu kommen... "Ich... geh dann mal... in mein Zimmer..." Er stand ruckartig auf und zuckte zusammen, als es sein Vater ihm gleichtat und ebenfalls wie von der Tarantel gestochen aufsprang. "Willst du etwas essen?" platze der Dunkelhaarige heraus und sah ihn fast schon flehend an. Was war denn jetzt los?! Chiaki wich ein paar Schritte zurück und sah seinen Vater unsicher an. "Tut... tut mir leid." Kaiki fuhr sich auch nervös durch die Haare und drehte sich auf dem Absatz um, verschwand im nächsten Moment aus dem Zimmer. Chiaki blickte ihm leicht verstört nach und hörte in der Stille die Zimmertür seines Vaters zuknallen. Was war denn heute los mit ihm?! Hatte er etwa was verpasst, weswegen Kaiki so komisch drauf war?!
 

"Scheiß Alkohol..." Wegen diesem Teufelszeug hatte er einen gewaltigen Filmriss und hatte heute immernoch Probleme, sich an etwas zu erinnern. Nein, das Zeug würde er in den nächsten Wochen stehen lassen - egal, wer ihn dazu auch einlud... Es war ihm fast schon peinlich und auf alle Fälle total unangenehm, nicht zu wissen, was mit seinem Vater war... und was er, Chiaki, möglicherweise damit zu tun hatte... Der blonde, hochgewachsene Junge setzte sich in Bewegung und trottete zu seinem Zimmer. Er fasste den Entschluss, unbedingt herauszufinden, was diese Nacht passiert war. Er musste es wissen! Er wusste zwar noch nicht, wann und wie er das machen sollte, aber es musste einen Weg geben...
 

~*~
 

Nach zwei Stunden, die er in seinem Zimmer verbracht hatte, unter anderem mit Musik hören und sinnlosen Skizzen auf ein Stück Papier malen, verließ er dieses wieder und ging in die Küche, um etwas zu essen zu suchen, beziehungsweise sich etwas zu kochen. Er wollte auch gleich seinen Vater fragen, weil dieser in Sachen Haushalt und Küche eine ziemliche Niete war. Schon seit eh und je war es Chiakis Aufgabe gewesen, Essen zu kochen und sauber zu machen. Aber er tat es auch gern, schließlich wollte er sich nicht freiwillig dem Chaos aussetzen, welches sein Vater anrichtete, wenn er nur fünf Minuten allein in der Küche war...
 

Chiaki grinste vor sich hin und lief im nächsten Moment in seinen Vater hinein, der gerade ein paar Krankenhausakten durchsah und ebenso in seine Tätigkeit versunken war, wie sein Sohn. Der Blonde stolperte und fiel hin, riss Kaikis Akten mit sich und fand sich auf dem Boden sitzend in einem Haufen Papier wieder, welches wild verstreut um und über ihm verstreut war. Er registrierte erstmal gar nicht, was passiert war, dann warf er einen aufmerksameren Blick auf die Blätter und sofort war ihm alles total peinlich. Das waren alles sehr wichtige Papiere von verschiedenen Patienten seines Vaters, die weiß Gott nicht durcheinander geraten durften! Panisch sprang er auf und sammelte ein paar von den Akten ein, ohne zu wissen, welche denn nun zusammengehörten oder nicht.
 

Kaiki sah dem ganzen mit einer zweifelhaften Faszination zu und konnte seinen Blick einfach nicht von dem Körper seines Sohnes reißen. Verzweifelt versuchte er, diese süße Röte in seinem Gesicht einfach zu ignorieren und daran zu denken, dass das, was Chiaki da gerade aufsammelte, wichtige Akten waren und dieses Durcheinander gar nicht so amüsant war. Seine Gedanken drehten sich nur noch im Kreis und er glaubte, die Kontrolle über sich zu verlieren. Er riss seine Augen weit auf und begann, leicht zu zittern. Sein ganzer Körper wollte nur eins: Chiaki! Das durfte doch nicht wahr sein!! Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und er merkte, wie sich ein heiserer Schrei aus seiner Kehle löste. Chiaki zuckte zusammen und ließ die eben aufgesammelten Blätter gleich wieder fallen, als er seinen Vater schreien hörte. Er wirbelte herum und erschrak, als er die weit aufgerissenen Augen des Schwarzhaarigen sah. Er sah fürchterlich aus...! Vorsichtig ging er einige Schritte rückwärts und starrte Kaiki an, ohne seinen Blick von ihm lösen zu können.
 

Kaiki wusste, dass es gleich wieder eine Katastrophe geben würde: Aber bestand sein ganzes Leben nicht nur aus solchen?! Wann hatte er denn schon einmal Glück gehabt – außer bei der Arbeit und dem Geld?! Er war nie ein guter Vater für Chiaki gewesen, hatte ihm nie das geben können, was er eigentlich geben wollte - nicht einmal fünf Prozent davon! Was machte es denn da nun für einen Unterschied, wenn er ihn noch einmal... küsste?! Verlangen mischte sich in seinen Blick und er glaubte, irre zu werden, wenn er seinen Sohn nicht küssen konnte. Also stürzte er wie ein tollwütiges Tier nach vorn und riss den Blonden zu Boden. Dieser stieß einen entsetzten Schrei aus und wehrte sich so gut es ging. Er hatte den Blick seines Vaters bemerkt, wie sich in diesen etwas gemischt hatte, was er noch nie bei ihm gesehen hatte - und was ihm Angst machte... Kaiki fasste ihn grob an den Oberarmen und drückte ihn mit seinem ganzen Körper auf den Fußboden. Chiaki bekam nun wirklich langsam Angst und er war nicht mehr fähig, sich zu bewegen. Sein ganzer Körper war wie gelähmt, so geschockt war er.
 

"Chiaki..." Kaiki bemerkte, wie heiser seine Stimme plötzlich war und er merkte deutlich, wie sein Sohn von einem starken Zittern gepackt wurde. Aus Angst... vor ihm... Mit einem Mal wurde ihm schlagartig klar, was er hier gerade im Begriff war, zu tun. Er starrte in Chiakis nun wirklich angsterfüllte Augen und atmete schwer. Dann entschloss er sich doch dazu und drückte dem Blonden einen zitternden, kurzen Kuss auf die Lippen. Danach stand er ruckartig auf und rannte, ohne nochmal einen Blick auf seinen Sohn zu werfen, aus der Wohnung. Gehetzt raste er die Treppen herunter und lief zu seinem Auto. Er stieg ein und war froh, dass er seine Autoschlüssel in der Jackentasche vorfand, die er trug. Er startete den Motor und fuhr mit quietschenden Reifen aus dem Parkplatz und dann in irgend eine Richtung. Egal wohin... nur weg von hier. Er zitterte immernoch und seine Lippen bebten. Er hatte es wirklich getan... Er hatte Chiaki geküsst - während dieser bei vollem Bewusstsein war! Er war irre! Total durchgeknallt!! Reif für die Psychatrie!! Chiaki war sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut!! Was er da tat, das war... pervers!!! Das durfte man nicht tun!!!
 

Und trotzdem hatte er es getan... Hatte ihn... auf die Lippen... geküsst. Und es war gut gewesen. In dem Moment, in dem er Chiakis Lippen berührt hatte, war ein gleißender Blitz durch seinen Körper geschossen und hatte ihn verbrannt. Dieses Gefühl war noch intensiver als in der Nacht gewesen, als er seinen Sohn zum ersten Mal geküsst hatte, während dieser schlief. Und schon in diesem Moment hatte er sich geschworen, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen!! Und was machte er?! Verzweifelt biss er die Zähne zusammen und versuchte mit aller Kraft, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Wie sollte er denn jetzt Chiaki gegenübertreten?! Er würde ihn hassen, verachten - wenn nicht sogar anzeigen!
 

Er hatte Angst davor, wieder nach Hause zu kommen. Angst vor der Reaktion seines Sohnes. Und das Schlimmste an der ganzen Sache war: Er bereute nichts. Der Kuss war sensationell gewesen. Er würde es sogar wieder machen - wenn danach nicht diese Gewissensbisse und die Angst wären. Aber vielleicht war er einfach noch zu durcheinander und musste sich noch ein wenig beruhigen. Fest stand, dass er irgendwann mal wieder nach Hause musste. Und dafür musste er gewappnet sein. Er musste seine Ruhe wieder finden. Und eine unumstößliche Ausrede für seine Tat...

"Aki-chan"

Was war denn das eben??! Der blonde Junge starrte auf die Wohnungstür, aus der sein Vater vor ein paar Sekunden gestürmt war. E-ein Kuss...?! War /das/ der Grund für sein komisches Verhalten heute?! Geschockt fuhr er sich mit der Zunge über seine Lippen, die leicht bebten. Sein eigener Vater... hatte ihn geküsst! So richtig auf den Mund...! Chiaki keuchte und richtete sich auf, da er noch auf dem Boden gelegen hatte. Er hatte sich lange Zeit nicht bewegen können, so sehr saß der Schock in seinen Gliedern. Jetzt hieß es... nicht irre werden. Noch immer lag dieses leichte Kribbeln auf seinen Lippen, was er immer hatte, wenn ihn jemand auf den Mund geküsst hatte. Aber wieso hatte er es bei seinem Vater...?! Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken und er stand mit zitternden Beinen auf. Er lief langsam zur Couch und ließ sich auf diese fallen. Dieser Blick von Kaiki... Er hatte ihm solche Angst eingejagt. Er dachte, er hätte Tollwut oder sowas in der Art. Er war total wild geworden, hatte sich regelrecht auf ihn gestürzt. Chiaki war in diesem Moment das Herz in die Hose gerutscht.
 

Er hatte an alles gedacht, dass ihn sein Vater umbringen wollte, schlagen, beschimpfen... aber doch nicht küssen! Und das war definitiv kein Kuss gewesen, den man kleinen Kindern gab, so wie es früher seine Mutter getan hatte. Und außerdem bezweifelte der Blonde, dass sein Vater nicht mitbekommen hatte, dass Chiaki fast erwachsen geworden war. Es wäre schon etwas seltsam gewesen, wenn er ihn plötzlich niedergeworfen hätte, um ihm einen Kleinkinderkuss zu geben! Aber wenn das nicht, warum küsste er ihn sonst?! Und der Klang seiner Stimme, mit der er seinen Namen so leise geflüstert hatte... Wieder lief dem Blonden ein heißer Schauer über den Rücken. Plötzlich hörte er ein Geräusch an der Tür.
 

Er zuckte zusammen und begann, wieder zu zittern. War das sein Vater? Oder ein Einbrecher?! Oder ein Klassenkamerad...?! Langsam stand er auf und ging zur Tür. Das Geräusch war weg, aber irgendwie spürte er, dass da noch jemand draußen vor der Tür stand. Auf ihn wartete. Dass er aufmachte. Chiaki stand jetzt vor der Tür und sah durch den Spion. Er wich mit einem leisen Schrei zurück, als er Kaiki draußen stehen sah. Was sollte er denn jetzt tun?! Wenn er ihn wieder auf den Boden riss...?! Vielleicht wollte er ihn ja nicht nur küssen? Aber... das war sein Vater!! So etwas konnte er doch nicht tun! Sie waren vom gleichen Fleisch und Blut! Wie kam Kaiki denn auf solche Schnapsideen?!
 

Durch ein zögerliches Klopfen wurde er wieder in die Realität zurückgeholt. Und er bemerkte, dass das alles nur Spekulationen und Vermutungen waren. Kaiki hatte nichts getan und würde auch nichts tun. Er würde doch nicht ihn, seinen eigenen und einzigen Sohn! Oder etwa doch? Chiaki merkte, dass er handeln musste, um zu erfahren... Also öffnete er langsam die Tür und guckte nur mit dem Kopf heraus. Kaiki sah ihn erst erschrocken an, dann wurden seine Gesichtszüge unheimlich ruhig: "Lässt du mich bitte rein? Ich muss mit dir reden." Chiaki zögerte, machte dann aber die Tür weiter auf und ging zur Seite, um seinen Vater in die Wohnung hineinzulassen. Erwartungsvoll folgte er ihm, immer auf dem Sprung, falls er ihn wieder überwältigen wollte.
 

Er wusste selbst nicht, warum er Kaiki so treudoof folgte und ihn in die Wohnung hineingelassen hatte... Es konnte doch sein, dass er mit der Zeit kriminell geworden war und er hatte es gar nicht mitbekommen! Vielleicht wollte er ihn sogar... vergewaltigen! Aber irgendwie... konnte sich Chiaki das einfach nicht denken. Nicht Kaiki, nicht sein eigener Vater. So war er nicht. Er war viel zu ruhig, um so etwas zu machen... Auch wenn er es ihm nicht so sehr zeigte, wie er es sich gewünscht hätte, wusste Chiaki doch, dass sein Vater ihn liebte, weil er sein Sohn war. Das einzige Familienmitglied, was noch am Leben war. Alle anderen, Großeltern, Onkel, Tanten, waren schon früh verstorben. Und Minaco als letztes. Ab dann hatte Kaiki nur noch ihn...
 

"Setz dich bitte." Der Schwarzhaarige holte seinen Sohn aus seinen Gedanken. Chiaki tat zögernd, wie ihm geheißen und setzte sich in einen Sessel gegenüber der Couch, auf der sein Vater Platz genommen hatte. "Ich..." Kaiki steckten die Worte im Hals fest. Er hatte nicht lang überlegt und war zu dem Entschluss gekommen, seinem Sohn die Wahrheit zu erzählen und sich nicht erst in unglaubwürdigen Lügen zu verstricken. Es würde zwar nicht leicht sein, da er sich selber noch nicht im Klaren war, was mit ihm los war und er bekam das Gefühl, voreilig zu handeln einfach nicht los, aber er musste es tun. So war es am besten. Ohne Lügen, gleich mit der Wahrheit auf den Tisch. Aber wo sollte er nur anfangen?! Was hatte er für Gefühle für seinen Sohn?! War das Lust, Verlangen... oder tiefe Zuneigung?! Oder einfach nur väterliche Liebe...?! Letzteres wohl eher nicht. Denn gab es denn Väter, die ihren Sohn küssen und berühren wollten, wo sie es lieber nicht tun sollten?! Aber was dann?! Kaiki raufte sich innerlich die Haare und stöhnte leise. Was sollte er nur machen?! Er war so schnell wieder hier... warum war er nicht länger weggeblieben, um einen kühlen Kopf zu bekommen?!
 

"Was sollte... der Kuss?" meinte Chiaki zögernd und warf einen schüchternen und kurzen Blick zu seinem Vater. Er traute der Situation nicht so recht und Kaiki sah außerdem ziemlich fertig aus. Er hatte keine Ahnung, was hier los war...
 

Der Schwarzhaarige war froh, dass Chiaki das Gespräch begonnen hatte, aber trotzdem hatte er immernoch keine Ahnung, was er ihm sagen sollte. Er druckste ein wenig herum, bevor er sagte: "Es... tut mir leid. Ich..." Weiter kam er nicht. Er hatte keinen Plan, wie er Chiaki beruhigen sollte. Denn dass dieser aufgewühlt und verwirrt war, sah man ihm sofort an. Dazu musste man kein Psychologe oder sowas in der Art sein. "Ich wollte dich nicht damit überrumpeln und eigentlich wollte ich es gar nicht und-" "/Warum/ hast du es gemacht?" unterbrach Chiaki seinen Vater und sah ihn durchdringend an. Es irritierte ihn, dass Kaiki so stammelte und sich in Floskeln der Entschuldigung verstrickte. Konnte er nicht einfach klar sagen, was los war?! Oder hatte er selber keine Erklärung für das, was er getan hatte...?
 

Das wäre natürlich... beschissen. Denn wie sollten sie nun dieses Ereignis klären, wenn keiner von beiden wusste, was es sollte?! "Chiaki, ich... wirklich... ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es kann sein, dass ich einfach übermüdet bin oder zu viel gearbeitet habe... meine Nerven...", der Schwarzhaarige vergrub sein Gesicht in seinen Handflächen. "Es kann aber auch sein, dass...", fing er wieder an, sprach aber nach unten und Chiaki verstand so gut wie nichts. "Wie bitte?", fragte der Blonde darum nach und beschloss, sich neben seinen Vater zu setzen. Er glaubte nicht, dass er nochmal handgreiflich werden würde. Denn so sah er momentan echt nicht aus... Mehr, als würde er im nächsten Moment umkippen und ohnmächtig sein. Total aufgelöst und fertig.
 

So hatte er seinen Vater noch nie gesehen... Oder er hatte einfach zu wenig Zeit mit ihm verbracht, als dass er es gemerkt hätte. Er war eigentlich meistens mit seinen Freunden draußen. Kaiki hatte ja außerdem immer Arbeit gehabt. Was sollte er außerdem mit seinem Vater schon groß anstellen?! Eine Radtour machen...?! Chiaki lachte innerlich bitter. Wie in solchen Alle-sind-happy-Familien, die man manchmal in der Fernsehwerbung oder in diversen TV-Serien sah... So eine Familie hatte er noch nie gehabt. Und wollte er auch gar nicht haben... Es konnte ja gar nicht sein, dass in einer Familie immer alle glücklich waren und nichts einen Grund zum Streiten gab. Das war vielleicht der Wunschtraum vieler Menschen, aber praktisch war es einfach nicht möglich... Chiaki seufzte tief. Es gab immer etwas, was die Idylle zerstörte... Seine Familie war ja nicht erst nach dem Tod seiner Mutter so zerrüttet. Sein Vater hatte auch immer einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Familie nicht öfters zusammen war, sondern jeder sein eigenes Ding machte. Chiaki konnte sich genau daran erinnern, dass ihn immer seine Mutter ins Bett gebracht hatte. Und nachdem sie gestorben war, hatte er ein Kindermädchen gehabt. Nach seinem 12. Geburtstag war sie dann nicht mehr da gewesen. Von diesem Zeitpunkt an hatte er so ziemlich alles im Alleingang gemacht.
 

Er war eigentlich daran gewöhnt, dass sich niemand um ihn kümmerte. Aber irgendwie... langsam wurden die Sehnsüchte stärker... Nach einer Person, die sich um ihn sorgte, die bei ihm war, sein Herz wärmte und ihn einfach verstand. Vielleicht war das bei jedem so. Egal, wie er aufgewachsen war. Irgendwann im Leben gab es diesen Punkt, ab dem man nicht mehr allein sein und sein Leben mit jemandem teilen wollte. Tja, und diesen Punkt hatte er schon um einige Monate überschritten. Das merkte er nun immer stärker. Sein Herz war regelrecht ausgebrannt und suchte nach Liebe und Geborgenheit. Er hatte öfters darüber nachgedacht. Vielleicht war auch der frühe Tod seiner Mutter daran Schuld, dass er sich nun so... leer fühlte. Oder war das wirklich bei jedem so?
 

Er hatte keine Ahnung. Genauso wenig darüber, warum ihn sein Vater nun geküsst hatte. Denn dieser hatte immernoch nicht weitergesprochen. Chiaki hatte plötzlich das Verlangen, Kaiki aufmunternd über den Rücken zu streicheln. Oder... ihm etwas Nettes zu sagen. Aber er wusste nicht, was dieser hören wollte... Denn eigentlich kannte er ihn ja kaum. Er kannte ihn nur als einen Menschen, der viel Arbeit hatte und nach Minacos Tod ähnlich einsam geworden war, wie sein Sohn. Wie musste es wohl sein, wenn die große Liebe von Jemandem starb? War das schlimmer, als die Mutter oder den Vater zu verlieren? Oder wenn ein Kind starb? Chiaki konnte sich ja nicht mehr bewusst daran erinnern, wie es war, als seine Mutter gestorben war. Hatte er geweint? Hatte er es begriffen? Hatte er gemerkt, dass er keine Liebe mehr bekam?
 

Wusste das vielleicht sein Vater...? Er wollte ihn fragen. "Habe ich Mutter vermisst?" Kaiki hob den Kopf aus seiner Hand und sah verwirrt zu seinem Sohn. Wie kam er denn jetzt auf diese Frage?! Aber er wollte sie beantworten. Er dachte nach: "Du hast es wahrscheinlich nicht richtig begriffen, dass sie nicht mehr da war. Aber du hast das Kindermädchen auch nicht wirklich als deine neue Mutter angesehen. Von daher hast du vielleicht doch gemerkt, dass du von jetzt an ohne sie bist. Aber du hast nicht geweint. Du hast auch nie gefragt, was mit ihr ist, als du älter geworden bist. Vielleicht hast du ja doch schon mit deinen 4 Jahren etwas gespürt..." Dass das sein Vater alles noch so genau wusste, verwunderte den Blonden schon. Schließlich hatte er sich doch nie sehr oft - oder gar nicht - mit ihm abgegeben. Aber vielleicht... anscheinend doch. Vielleicht hatte er ihn ja doch beachtet... und ein klein wenig geliebt, als seinen Sohn.
 

Plötzlich schlang Chiaki seine Arme um seinen Vater und drückte den Größeren an sich. Sein Gesicht vergrub er an seiner Schulter. Am liebsten würde er ja weinen, aber es ging nicht. Mit einem Mal bemerkte er, wie sehr ihm eine Person fehlte, die bei ihm war... Er seufzte tief und meinte: "Warum du mich auch geküsst hast... ich..." Er überlegte und brach dann ab. Das konnte er unmöglich verlangen. Sowieso war sich sein Vater ja selbst unsicher, warum er das gemacht hatte. Chiakis Wunsch würde ihn nur noch mehr verwirren. "Was hast du denn, Chiaki?", fragte Kaiki und drehte sich so, dass er seine Arme um die Taille seines Sohnes legen konnte. Er wusste zwar nicht wirklich, warum ihn der Blonde umarmt hatte, aber er konnte sich vorstellen, dass er sich einsam vorkam. Er nahm zwar nicht oft an seinem Leben teil, aber er hatte bemerkt, dass er kaum eine Freundin - oder einen Freund - länger als ein oder zwei Tage hatte. Er konnte sich schon vorstellen, dass ihm ein wenig Liebe fehlte...
 

Aber... konnte er, Kaiki, ihm diese Liebe geben, die er brauchte? Er selbst war doch unfähig, Liebe zu zeigen... Das merkte er doch an seinen vielen Beziehungen, die er in den letzten Jahren gehabt hatte. Die hatten doch selbst kaum länger als einige Monate gehalten! Und nun wollte /er/ seinem Sohn /Liebe/ geben?! Pah, das hörte sich wirklich lächerlich an! Und außerdem... war das doch abartig! Ein Vater mit seinem Sohn!! Kaiki trichterte sich diese Worte immer wieder ein, aber irgend etwas sagte ihm, dass es doch eigentlich gar nicht so schlimm war. Er wusste nur nicht, was... "Mir fehlt Mutter", meinte Chiaki in diesem Moment und drückte sich noch mehr an den Schwarzhaarigen. Seine Gedanken spielten verrückt. Was sollte er nur über sich... und sein plötzliches Verlangen denken?! Und was würde Kaiki über ihn denken?! Oder hatte er ihn geküsst, weil er ähnliche Gedanken hegte? "In solchen Momenten fehlt sie mir auch... sonst bemerke ich es kaum, weil ich den Kopf voll mit Arbeit habe. Aber abends... oder eben in solchen Situationen, da wünsche ich mir immer, ich hätte mich mehr um die Familie gekümmert. Um dich..." Kaiki verstummte. Er hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein konnte, solche Worte zu sagen. Hoffentlich verstand ihn Chiaki und das, was er ihm damit sagen wollte.
 

"Vater...?" "Ja?" "Ich fand... den Kuss... nicht so schlimm", den letzten Teil des Satzes nuschelte Chiaki nur noch und war froh, dass ihm Kaiki in diesem Moment nicht in die Augen sehen konnte, "Ich meine... das ist bestimmt nur, weil ich mich... einsam fühle, aber... könntest du das... nochmal... machen?" Der Blonde konnte noch immer nicht glauben, was er da von seinem Vater verlangte, aber er war durch die Worte des Schwarzhaarigen, dass er sich ebenso einsam fühlte wie er, angespornt worden. Kaiki glaubte gerade, einen Ohrenfehler zu haben. Chiaki hatte ihn nicht gerade danach gefragt, was er gestern versucht hatte, nicht zu tun, oder?! "Aki-chan...?" Inmitten seiner tiefsten Verwunderung verplapperte er sich ausversehen und nahm nun ebenfalls die Farbe einer reifen Tomate an, als er bemerkt hatte, dass er Chiakis Spitznamen eben laut ausgesprochen hatte. "Wie bitte?", lächelte der Blonde jetzt und vergaß in diesem Moment sogar ein wenig seine Unsicherheit, die er gerade hatte. Es war nun mal nicht gerade oft, dass man den eigenen Vater um einen Kuss bat, der über einen normalen Gute-Nacht-Kuss hinausging... und auch noch in einem Alter, wo küssen etwas ganz anderes bedeutete... Und dieser Bedeutung war sich der Blonde natürlich bewusst...
 

Aber... 'Aki-chan' war wirklich nicht das, was er von seinem Vater erwartet hatte. Er konnte sich das Lächeln einfach nicht mehr aus dem Gesicht wischen.

Sonntagmorgen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

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Dass alles wie vorher war, dachte er sich zumindest kurz nach dem Erlebten. Das stimmte aber nicht. Kompletter Schwachsinn. Es genügte nur eine kurze Begegnung auf dem Korridor und mindestens einer der beiden räusperte sich ungeschickt und nicht nur Chiaki nahm öfters einmal die Farbe einer überreifen Tomate an. Hätte er gewusst, was sich für Konsequenzen aus einem einzigen Sonntagvormittag ergaben, dann hätte er sich wohl ein wenig mehr zurückgehalten. Glaubte er zumindest. Nachdem Kaiki aber eines Abends wieder so dicht hinter ihm stand, nämlich während der Blonde den Abwasch machte und sein Vater das Geschirr abtrocknete und in die Schränke einräumte, wusste er, dass er sich nicht hätte beherrschen können. Wenn es ihm jetzt schon so schwer fiel, ruhig zu atmen und die Präsenz des anderen hinter sich unbeachtet zu lassen, dann wäre es ihm in... heißeren Situationen auch nicht besser ergangen. Er war einfach zu schwach dazu, um der Anziehung des Älteren zu entgehen.
 

Zwar war bis jetzt noch kein weiterer "Zwischenfall" entstanden, aber Chiakis Hand war in den letzten Nächten nicht untätig gewesen. Schon allein der Gedanke, dass dieser extrem gut aussehende Mann, der leider sein Vater war, ein Zimmer weiter, gleich nebenan, schlief... oder andere Dinge trieb, machte ihn total wahnsinnig. Er wollte /zu/ gern das noch einmal wiederholen, was sie an dem einen Morgen auf dem Küchentisch getrieben hatten. Wollte noch einmal die Hitze spüren, die von dem Älteren ausgegangen war und mit der er ihn in den Bann gezogen und schlussendlich verbrannt hatte. Dass es dem anderen in etwa genauso ging, wusste er nicht. Konnte er sich schon gar nicht vorstellen, auch wenn er es sich wünschte... Nächtelang lag er wach und legte eine Hand an die Wand, die ihre Zimmer voneinander trennte. "Kaiki", flüsterte er leise und hoffte nur zu sehr, dass ihn sein Vater hören würde. Aber dazu war sein Flüstern zu leise. Es verließ kaum Chiakis Mund, so zaghaft und leise wisperte er es. Die gleichzeitige Angst, die sich zu seinen Wünschen gesellt hatte, war zu groß, als dass er einfach in das andere Zimmer gehen könnte, zu Kaiki, und ihm laut und deutlich zu sagen, was er wollte.
 

Dazu kamen noch die Ängste vor den anderen. Was sollte er nur tun, wenn es herauskam, dass er mit seinem Vater geschlafen hatte?! Es war sein Erzeuger! Sein eigen Fleisch und Blut! Das konnte er doch nicht tun! Und doch... hatte er es getan. Einfach so, es war schneller gegangen, als er dachte. Einige Minuten der Ekstase und dann... endlos lange Stunden, die ihn quälten, weil er keine Gewissheit hatte. Wo war die Akzeptanz? Wo waren die Leute, die ihn verstehen könnten? Und wo war... das Herz, welches seine Gefühle erwiderte? Was dachte Kaiki eigentlich über diesen Vorfall? Hatte es ihm gefallen? Ekelte er sich vor seinem Sohn, weil er ihn dazu verführt hatte, mit ihm zu schlafen?! Wollte er ihn vielleicht nicht mehr als seinen Sohn und war deshalb in den letzten Tagen so abweisend zu ihm gewesen?! Chiaki entging voll und ganz die Tatsache, dass sein Vater vor besagtem Sonntagmorgen genauso abweisend und schweigsam gewesen war, wie jetzt. Es kam ihm nur anders vor... viel intensiver und schmerzvoller.
 

Weil da jetzt Gefühle waren, die ihn gleichzeitig berauschten aber auch unendlich verletzlich machten. Er hatte keinen Halt, keine Sicherheit... wusste nicht, an wen er sich wenden sollte. Er fühlte sich so allein. Nun, es kam schließlich nicht täglich vor, dass jemand mit seinem Vater schlief und sich danach fühlte, als wäre er verliebt! Oh... verliebt? Hatte er dieses Wort wirklich gerade in Verbindung mit dem Älteren gebracht? War es das, was sein Herz so schnell zum Schlagen brachte...? Oder war es doch nur die Lust und das Verlangen, was seinen ganzen Körper - und auch seinen Geist - steuerte? Waren es die intensiven Gefühle, die ihn dazu getrieben hatten, es im wahrsten Sinne des Wortes mit seinem Vater zu treiben?!
 

Seufzend vergrub der Blonde sein Gesicht in den Händen und bemerkte, dass er schon wieder viel zu viel nachdachte. Über seinem Kopf müssten schon kleine Rauchwölkchen sein, weil er sich so intensiv mit diesem Thema befasste und sich irgendwie im Kreis drehte. Er hatte keinerlei Anhaltspunkte, ob es wirklich so war... auf Vermutungen konnte er nicht bauen. Die reichten ihm nicht. Schließlich war es etwas anderes, in seinen Vater verliebt zu sein, als vielleicht in ein Mädchen aus der Schulklasse! Da lagen Meilen dazwischen... und Chiaki verfluchte sich innerlich, dass er sich nicht den leichten Weg ausgesucht hatte, nämlich eine ganz normale Beziehung zu haben. Aber irgendwie...
 

...hatte er nie Lust, sich auf jemanden so intensiv einzulassen. Er müsste so viel erklären, sein ganzes Wesen jemandem offenbaren, ohne Kompromisse. Einer fremden Person, auch wenn er sie liebte. Wahrscheinlich war es das, warum er nie tiefergehende Beziehungen führte. Er hielt sich im seichten Wasser auf, was nur aus körperlicher Liebe bestand... und nicht tiefer ging. Er hatte wahrscheinlich Angst... Angst davor, zu ertrinken, weil er keinen Halt hatte und sich zu viel auf eine Beziehung - einen einzigen Menschen! - einbildete. Es könnte ja sehr schnell auseinander gehen, ohne dass er es wollte oder bereit dazu war, wieder allein seinen Weg zu gehen. Und weil ihm das nicht passieren sollte, allein zurückgelassen zu werden, hegte er für niemanden tiefe Gefühle. Ehrliche Gefühle ja, aber keine intensiven...
 

Bis auf die, die er für seinen Vater hegte. Das war nicht nur Lust und Verlangen... so etwas konnte er sich bei jedem Mittdreißiger holen, der auf junge, blonde Männer stand, wie er es war. Da brauchte er nicht diese riesige Hürde aufnehmen und ausgerechnet mit seinem Vater schlafen!! Das war doch absurd! Völlig unnötig... Also musste es etwas anderes sein, was sein Herz beherrschte und ihn so unfähig machte, zu handeln, obwohl er an der Reihe war, etwas zu tun. Vielleicht reizte ihn auch das Verbotene... aber dann konnte er sich auch wahlweise von einem seiner Lehrer nehmen lassen oder eine Lehrerin flachlegen.
 

Auf alle Fälle - ewig konnte das nicht so gehen, dass sein Vater und er sich nur an- und den Vorfall totschwiegen. Das war nicht der richtige Weg und brachte sie keinen Schritt weiter... auf ihrem langen Pfad, den sie allein beschritten, ohne zu ahnen, dass der andere ähnlich - wenn nicht sogar genauso - fühlte.
 


 

Mal wieder mit einem Kopf voller Gedanken lief Chiaki den Korridor entlang und - wie konnte es denn auch anders an dieser Stelle sein - genau in Kaiki hinein, dem es wohl ähnlich ging und erschrocken aufkeuchte: "Chiaki!" "Äh, tut mir leid, Vater", antwortete der Blonde schnell und wollte sich an dem Älteren vorbei schleichen. Doch dieser hielt ihn am Arm fest und sah ihn nachdenklich und irgendwie merkwürdig an. "Komm mit, ich will mit dir reden...", meinte er leise und zog den verdutzten Blonden hinter sich her, ohne dass dieser Gegenwehr zeigte. Einen Moment später befanden sie sich in Kaikis Schlaf- und Arbeitszimmer, was Chiaki einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Seit dem Vorfall in der Küche vor ein paar Wochen war er extrem empfindlich und reagierte manchmal über. So auch jetzt, als er ein wenig verstört an der Tür stehen blieb, obwohl es für ihn nichts neues war, im Zimmer seines Vaters zu sein. Doch... wenn man mit seinem Vater geschlafen hatte - im vollsten Bewusstsein! - dann kamen einem die Dinge anders vor. Viel zu viel interpretierte man da in einen einzigen Gegenstand, auch wenn es nur so etwas simples war wie ein Bett, welches Kaiki früher mit Chiakis Mutter geteilt hatte.
 

"Setz dich, Chiaki. Wenn du dort so in der Tür stehst, nimmst du mir die Ruhe", leise fügte er hinzu, "...die ich eh schon verloren habe." Der Blonde seufzte und gab aber nach, setzte sich neben seinem Vater auf das weiche Bett, ließ aber einen Abstand von ungefähr einem Meter. Sonst fühlte er sich bedrängt... obwohl er nichts lieber machen würde, als sich an seinen Vater zu schmiegen, ihn zu küssen und zu liebkosen... Nein. Aber das konnte er jetzt nicht tun. Das durfte er niemals tun!! Nicht nur jetzt war es ihm verboten, sondern immer. Sein Leben lang. Jemanden vom gleichen Blut durfte man nicht lieben. Das war gegen jegliches Gesetz. Nicht nur die, die die Menschen aufgestellt hatten, für ein besseres Zusammenleben, sondern auch gegen die Gesetze der Natur, die schon seit Urzeiten bestanden.
 

Trotzdem war das Verlangen da. Wie konnte man nur so etwas fühlen, wo es doch nicht erlaubt war?! Gab es da vielleicht einen Sinn? Chiaki hoffte es, denn sonst verstand er sich selbst nicht mehr. Wieso war sein Körper so empfindlich, wenn es um Kaiki ging, wenn es doch streng untersagt war?! Das ergab doch keinen Sinn! Das war... absurd. Anders konnte man es nicht beschreiben. Was hatte sich die Natur dabei gedacht, einem Menschen Gefühle zu injizieren, die nicht richtig waren?!
 

"Chiaki...", allein mit diesem leise dahingehauchten Wort hatte Kaiki die volle Aufmerksamkeit seines Sohnes, der bis vor ein paar Nanosekunden noch in tiefen Gedanken hing. Wie durch einen seichten Nebelschleier betrachtete er den Älteren und wartete darauf, dass dieser weiter sprach, was er nach einem kurzen Überprüfen der Aufmerksamkeit des Blonden durch einen intensiven Blick auch tat: "Warum gehst du mir aus dem Weg...? Was an diesem Sonntag geschehen ist, tut mir so leid. Es hätte einfach nicht passieren dürfen. Ich wollte dir kein Kopfzerbrechen machen. Ich meine..." Kaiki brach ab und warf einen Hilfe suchenden Blick zu Chiaki, der ihn ziemlich ernst ansah.
 

Was meinte der Ältere damit?! Hatte es ihm also nicht gefallen und er bereute es. Toll. Alle Hoffnungen schwanden dahin und der Blonde wandte seinen Blick traurig ab. Warum hatte er auch gedacht, dass er auf seinen Vater bauen konnte, wenn es um die Liebe ging?! Dieser Mensch lebte doch nur für sein Krankenhaus und für keine Sache weiter. Nicht einmal für einen geliebten Menschen wollte er sich ändern... Chiaki stand auf und knurrte leise, versuchte seine Tränen zu unterdrücken. Er schaffte es nur sehr schwer und rannte aus dem Schlafzimmer des Größeren, lief schnell in sein eigenes. Er hielt es nicht mehr aus!! Er verriegelte die Tür und warf sich aufschluchzend auf sein Bett, heulte in sein Kissen, weil er die Tränen nun endgültig nicht mehr zurückhalten konnte. Er wusste selbst nicht, warum er auf einmal so entsetzt war und sich vor den Kopf gestoßen fühlte. Wahrscheinlich weil Kaiki gerade eben seine letzten Hoffnungen zerstört hatte. Ihm schien dieser Vormittag nichts bedeutet zu haben, es war ihm egal, mit seinem Sohn geschlafen zu haben. Chiaki wurde kalt und er spürte einen Schauer über seinem Rücken, der ihn zittern ließ. Die Realität war hart und kalt, ganz anders als das, was der Blonde jetzt gebrauchen konnte. Nur ein bisschen Liebe... Zärtlichkeit... Geborgenheit. Das alles hatte er bei Kaiki erhofft, doch nun hatte er die größte Enttäuschung, die er haben konnte. Alle dunklen Vermutungen, die ihm das Herz schwer gemacht hatten, waren wahr geworden und nun noch grausamer als vorher.
 

Wenn man genau wusste, dass sich der Vater nun vor einem ekelte, war das schmerzhafter als die leichte Einbildung, die durch Hoffnung sogleich sanft und bestimmt zunichte gemacht wurde. Jetzt hatte er keine Hoffnung mehr, die ihn beschützte. Nun lag er er hier allein auf seinem Bett und hörte ein stetiges, lauter werdendes Klopfen, bis er wahrnahm, dass dies von seiner Tür kam, gegen die wohl sein Vater klopfen musste. Was wollte er denn noch?! Wollte er ihm noch mehr solche Worte gegen den Kopf werfen und seine Gefühle, von denen Kaiki wohlweislich nichts ahnte, noch mehr mit Füßen treten? Nein, das konnte er vergessen. Die Tür war zugeschlossen und lieber würde Chiaki aus dem Fenster springen als dass er den anderen freiwillig in sein Zimmer ließ. Menschen mit wenig Vertrauen sollte man dieses kleine bisschen niemals entziehen, sonst hatte das schlimme Folgen. Bei Chiaki waren es heiße Tränen und das Gefühl, von niemandem Liebe zu erfahren. Jegliche Gedanken, dass das vielleicht gar nicht stimmte und es Kaiki anders gemeint hatte als er es sagte und nun versuchte, noch einmal mit ihm zu reden, waren fort.
 

"Chiaki, ich war noch nicht fertig. Warum weinst du denn auf einmal? Habe ich dir an diesem Sonntag so sehr weh getan? Bitte glaub mir doch, dass ich das nicht wollte..."
 

Der Angesprochene sagte nichts. Er war verstummt, mit ihm sein Schluchzen. Was sollte denn das jetzt alles noch?! Es hatte doch keinen Sinn mehr. Chiaki hatte gedacht, dass seinem Vater auch etwas daran gelegen hatte, aber so wie es aussah, war es wohl wirklich abartig für ihn gewesen. Warum wollte er ihm denn das jetzt noch verdeutlichen?!
 

"Geh weg! Ich will nichts mehr von dir hören!!", schrie der Blonde mit tränenerstickter Stimme und zog die Bettdecke bis über seine Ohren, damit er nichts mehr hören musste. Es rauschte seltsam in seinem Kopf und er vernahm nur noch sein eigenes Schluchzen und Weinen. Warum musste auf einmal alles noch grausamer sein, als es vorher war? Am liebsten wollte er nie wieder aufstehen. Einfach nur noch hier in seinem Zimmer, im warmen, sicheren Bett sein und nie wieder seinen Vater sehen. Doch allein die Gedanken an ihn reichten, um ihn zum Aufschluchzen zu bringen. Er verstand einfach nicht, warum mit diesen einfachen Worten alles so anders geworden war.
 

Mittlerweile war auch das laute Klopfen an der Tür verstummt und Chiaki glaubte sich zu erinnern, dass er die Wohnungstür ins Schloss fallen gehört hatte. Nun war er also wieder einmal allein. Allein in der Wohnung, allein mit sich selbst. Ohne Kaiki. Wie immer. Sein Vater musste bestimmt wieder auf Arbeit. Schichtarbeit. Total unregelmäßig - nicht einmal der Chef des großen Krankenhauses war davor gefeit, sondern musste arbeiten wie alle anderen. Er konnte sich nicht ausruhen und seine Position genießen - im Gegenteil, er musste sich um alles kümmern und musste öfter Überstunden machen als alle Angestellten. Er hatte früher keine Zeit für seine Familie. Und auch jetzt nicht für seinen Sohn, wo dieser doch schon keine Mutter mehr hatte. Auch nach diesem "kleinen Zwischenfall" am Sonntag in der Küche hatte sich nichts verändert. Und Chiaki hatte es sich so erhofft... jeder Blick an die sie trennende Wand hatte so viel Hoffnung und so viele Wünsche getragen, doch sie waren nicht in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil - sie waren mit Füßen in den Staub getreten worden und er hatte es ganz kalt gesagt bekommen, dass es seinem Vater nicht gefallen hatte. Er wollte es ungeschehen machen, obwohl er so leidenschaftlich gewesen war. Ja, zum ersten Mal hatte er eine gewisse Leidenschaft bei seinem Vater bemerkt. Aber sie war nur für einige Augenblicke gewesen. Spürbar, aber von kurzer Dauer.
 

Nein, er durfte nicht schon wieder an diesen Tag denken. Sein unterschwelliges, seltsames Verlangen war gestillt worden, aber danach hatten die Probleme erst recht angefangen. Wieso fühlte er sich auf einmal so allein gelassen...?
 

Langsam kroch der Blonde unter der Decke hervor und atmete tief durch, um nach Luft zu schnappen. Er hatte sich wieder unbemerkt die Luftzufuhr abgedreht, indem er die Decke ganz über seinen Kopf gezogen hatte, ohne einen Spalt für Sauerstoff offen zu lassen. Nachdem er sich beruhigt hatte, stand er auf und lief zu seiner Zimmertür. Er blieb davor stehen und strich gedankenverloren über das Holz. Wenn er doch nur seinen Vater berühren könnte, wie an diesem Sonntag Morgen. Auf einmal schien dieses Geschehen unendlich weit in die Ferne gerückt zu sein. Unerreichbar für ihn. Und es würde sich nie wiederholen.
 

Mit einem Seufzen drehte er den Schlüssel im Türschloss herum und öffnete dann seine Tür, um auf den Korridor zu treten. Seine Schritte lenkten ihn ganz automatisch in das benachbarte Zimmer. Kaikis Schlafzimmer. Er stand eine geraume Zeit einfach nur im Türrahmen und starrte auf das große Ehebett, in dem sein Vater immernoch schlief, obwohl seine Frau - Chiakis Mutter - schon so lange tot war. Der Blonde warf einen verstörten Seitenblick auf die verspiegelten Schranktüren gegenüber von ihm, weil er erst bemerkte, dass er sich bewegt hatte, als er es aus den Augenwinkeln in den Spiegeln sah. Er stieß die Luft aus, die er unbemerkt angehalten hatte und trat ein paar Schritte in das Zimmer. Mit einem fast lautlosem Geräusch plumpste er in die Kissen und Decken des großen Bettes, atmete tief ein, um Kaikis Duft in seiner Nase zu verewigen. Es roch so gut... alles hier in diesem Zimmer. Zum träumen schön... Chiaki bemerkte, wie er langsam weg driftete und seine Augen fielen schneller zu als er "Kaiki" sagen konnte. Er robbte noch ein Stück höher, um das Kopfkissen seines Vaters fest mit seinen Händen und Armen umklammern zu können und bettete müde seinen Kopf darauf. Es knisterte ganz leise.
 

Es knisterte?! Chiaki tastete vorsichtig unter dem Kopfkissen, ob er dort vielleicht etwas fand, was knisterte. Denn eigentlich machte ein Kissen keine solchen Geräusche, wenn man sich darauf legte. Erstaunt zog er mehrere Bögen Papier unterm dem Kissen hervor. Er wollte sie schon unbeachtet auf den Boden gleiten lassen, da fiel ihm das Wort "Adoptionspapiere" ins Auge. Mit einem Mal war er hellwach. Wie... was... Das musste er jetzt lesen - an Schlaf war ja nun nicht mehr zu denken.
 

Nach einigen Minuten aufmerksamen Lesens starrte er immernoch ungläubig auf die Blätter. Er konnte nicht einmal weinen. Vor Freude. Denn das, was er gerade eben schwarz auf weiß gelesen hatte, beseitigte im Nu alle seine Probleme, die nie da gewesen waren: Kaiki war gar nicht sein leiblicher Vater - er hatte ihn nur adoptiert! Als er seine Mutter geheiratet hatte, brachte diese Chiaki aus ihrer vorherigen Beziehung mit. Kaiki adoptierte ihn... und die kleine Familie war perfekt. Und diese Fakten stellten das Geschehene in ein ganz anderes Licht als noch vor ein paar Minuten, wo es dem Blonden richtig schlecht ging. Er konnte jetzt endlich erleichtert aufatmen. Aber eine Frage stand noch ganz groß auf seiner Stirn geschrieben: Wieso hatte ihm Kaiki davon nichts erzählt, wenn er die Adoptionspapiere doch mindestens beim Einschlafen und Aufwachen bemerkt haben musste? Wollte er es dem Blonden verheimlichen, bis dieser volljährig war, damit der Junge es besser verkraften konnte? Aber gerade in ihrer bizarren, verqueren Situation hätte Chiaki nichts mehr geholfen, als eben diese Unterlagen zu sehen, wie er es gerade eben getan hatte. Der große Stein auf seinem Herzen war verschwunden. Und nun wollte er seinen "Vater" suchen, ihn zur Rede stellen und ihm seine eh schon offensichtlichen Gefühle mitteilen. Auch wenn es noch so seltsam war, der Person, die man seine ganze Jugend als Erzieher und Beschützer gesehen und erlebt hatte, plötzlich seine Liebe zu gestehen. Doch er wollte seine Gefühlswelt mit jemandem teilen, nicht mehr so allein dastehen und nicht wissen, was er tun sollte.
 


 

"Vater... Kaiki... wo bist du?!" Verzweifelt war Chiaki aus der Wohnung gerannt, um einfach ohne Plan nach dem Schwarzhaarigen zu suchen. Als erstes entschied er sich für den Weg zum Krankenhaus, welches den Nagoyas gehörte, doch keine der Schwestern hatte ihn heute schon gesehen und auch ein Blick in das Büro seines Vaters, wofür er einen Zweitschlüssel hatte, sagte ihm, dass der Gesuchte nicht da war. Er musste zugeben, dass ihm schon jetzt die Ideen ausgingen, wo sich Kaiki rumtreiben konnte. Er hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was der andere für Interessen und Freizeitbeschäftigungen hatte. Ging er vielleicht golfen oder angeln? Kümmerte er sich um seine sozialen Kontakte? Hm, das wohl eher nicht, wenn er es schon nicht schaffte, sich um seine kleine, zweiköpfige Familie zu kümmern, wie sollten da viele Freunde mit seiner Anwesenheit beglückt werden? Oder aber sie waren ihm wichtiger als sein einziger Sohn... das war gut möglich, aber Chiaki wollte das jetzt einfach nicht denken. Wo es doch noch nicht einmal bewiesen war! Er konnte sich doch noch später verrückt machen.
 

Trotzdem wusste er immernoch nicht, an welchen Plätzen sein Vater sein könnte. Er hatte ja nicht einmal nachgeschaut, ob er mit dem Auto verschwunden war oder zu Fuß. Den Weg zum Krankenhaus hatte Chiaki noch problemlos erlaufen können, doch wenn der Ältere sich sonstwo jetzt herumtrieb, konnte er lange suchen, bis er ihn fand. Doch nichts war ihm im Moment wichtiger. Er wollte nur noch Kaiki sehen. Vielleicht sollte er einfach wieder nach Hause gehen und auf seinen "Vater" warten. Irgendwann musste er zurück kommen. Und bevor sich der Blonde hier die Hacken ablief und eh nicht wusste, wohin er sich wenden sollte, erschien ihm diese Möglichkeit als einzige sinnvolle. Also lenkte er seine Schritte wieder der Heimat zu und bemerkte mit einem Seitenblick, als er die Haustür aufschloss, dass das Auto an seinem Platz stand. Also entweder war Kaiki wieder da oder er war zu Fuß irgendwo hingegangen. Doch er würde wiederkommen, hoffte Chiaki jedenfalls. Den Älteren /konnte/ er einfach nicht mit seinen Worten so sehr gekränkt und verunsichert haben, dass dieser Hals über Kopf die Wohnung verließ und vergaß, dass Chiaki gar nicht sein Sohn war und er ihm dies eigentlich nur sagen müsste, damit alles in Butter war. Nein, so blöd konnten sie beide nicht sein, dass sie aneinander vorbeigeredet und einander nicht verstanden hatten. Aber es konnte natürlich sein. Chiaki seufzte über die Dummheit seines Vaters. Und über seine eigene noch mehr...

Vater und Sohn

Die Wohnung war leer, als er sie betrat und auch nachdem er vorsorglich in alle Zimmer gesehen hatte, war er immernoch der Einzige, der sich darin aufhielt. Sorgen wollte er sich eigentlich keine machen, doch irgendwie wurde aus dem Hoffen, dass Kaiki bald wieder nach Hause kam, ein ängstliches Bangen. Was war nun, wenn er ihn durch seine abweisende Art wirklich vergrault hatte? Was sollte er denn dann tun?! Und was war, wenn... Chiaki stockte selbst in Gedanken, als ihm in den Sinn kam, dass sein Vater so angeekelt von ihm war, dass er nie mehr wiederkommen würde, weil er Angst hatte, sein Sohn, der eigentlich gar nicht sein Sohn war, könnte ihn erneut verführen! Vielleicht war er selbst daran Schuld, dass er jetzt allein war. Langsam hatte er wirklich Angst. Was hatte er nur getan und sich dabei gedacht, mit seinem... Vater... zu schlafen, auch wenn dieser gar nicht sein Erzeuger war?! Und wenn Kaiki doch wusste, dass sie nicht vom gleichen Blut waren, wieso mied er ihn dann und war abgehauen? Konnte er ihn etwa gar nicht leiden? Nicht ein kleines Bisschen? Überhaupt nicht...? Chiaki schauderte.
 

In der Küche kochte er sich eine Tasse Kaffee und setzte sich in der Zwischenzeit an den großen Tisch. Sofort schossen ihm die entscheidenden Ereignisse durch den Kopf, die hier stattgefunden hatten. Und erinnerte sich ganz klar an Kaikis Worte: 'Ich habe keine Lust, mir vom Schicksal vorschreiben zu lassen, wen ich lieben darf oder nicht...' Wen er /lieben/ durfte... also musste es doch einen anderen Grund geben, warum er weg war. Nicht dass er den Blonden nicht mochte, sondern irgendetwas anderes. Chiakis Herz wurde wieder etwas leichter, doch immernoch hatte er keine Gewissheit und viel Angst, weil er in diesem Zustand ganz allein war.
 

Als er sich auf seinen Oberschenkeln abstützte und verträumt die Tischplatte musterte, spürte er in seiner Hosentasche sein Handy. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht einen Gedanken daran verschwendet hatte, Kaiki einfach /anzurufen/, anstatt nach ihm zu suchen oder tatenlos auf ihn zu warten. Mit einem riesigen Seufzer suchte er die eingespeicherte Nummer des Älteren und wartete dann auf das Freizeichen, während er mit seinen Fingernägeln die Tischkante malträtierte. Mit seinem Silberring konnte er ja jetzt nicht spielen, da er eine Hand mit seinem Handy am Ohr hatte...
 

Es tutete und tutete... niemand nahm ab. Ob sein Vater bewusst nicht abnahm, weil er im Display sah, dass ihn Chiaki anrief? Oder wollte er einfach komplett allein sein? Vielleicht hatte er sein Handy auch irgendwo zuhause vergessen und es klingelte nun vor sich hin. Der Blonde stand schnell auf und lief in Kaikis Zimmer, lauschte ob er irgendwo das Handyklingeln vernehmen konnte. Doch Fehlanzeige. Er musste es mit haben. Oder es wurde ihm geklaut. In Chiakis Kopf spielten sich alle nur möglichen Theorien ab, nur damit er sich beruhigte. Doch leider hatten die Gedanken eher eine gegenteilige Wirkung. Er war komplett hibbelig, weil er nicht wusste, was nun los war. Wie konnte ihn Kaiki nur so allein lassen in seiner Ratlosigkeit?! Er bräuchte gerade jetzt seine Unterstützung... doch die hatte er ja fast nie gehabt. Das Krankenhaus war wichtiger als er. Schon immer gewesen.
 

Wieso dachte er eigentlich, dass jetzt, wo er die Gewissheit hatte, dass er nicht sein richtiger Vater war, sich etwas ändern würde?! Dachte er etwa, er würde jetzt mehr Aufmerksamkeit bekommen? Wo er ihn... liebte? Und er darauf hoffte, dass dieses Gefühl erwidert wurde? Gott, wie erbärmlich... Er fühlte sich mit einem Mal wirklich lächerlich. Es würde alles so sein wie vorher. Nur, dass etwas zwischen ihnen stand, was sich Liebe nannte und von Kaiki nicht empfunden wurde. Weder für Chiaki, noch für jemand anderes. Er musste sich wohl damit abfinden.
 

Chiaki drückte auf die Taste mit dem kleinen roten Hörer, um das ewige Tuten in seinem Ohr zu beenden. Erschrocken warf er das Mobilfunkgerät beinahe auf den Boden, als er nun seinen Klingelton hörte, den er eingestellt hatte, wenn ein unbekannter Anrufer ihn anrief. Doch das realisierte er in diesem Moment gar nicht, dachte immernoch an ein Lebenszeichen von seinem Vater, nahm das Gespräch an und rief mit zitternder Stimme: "Ja? Kaiki?!" "Nein, hier ist Samuel Yagasaki. Spreche ich mit Chiaki?" Der Blonde atmete erschrocken aus und blinzelte verwirrt. "Wer sind Sie?" "Nun, ich bin dein Vater."
 


 

~* Einige Stunden später *~
 


 

Chiaki saß mit leicht apathischem Blick auf seinem Bett und versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Kaum hatte er erfahren, dass Kaiki und er nicht blutsverwandt waren, bekam er einen Anruf von seinem wirklichen Erzeuger, der ihn unbedingt sehen wollte. Außerdem meinte er, wäre es an der Zeit, sich bei ihm zu entschuldigen, dass er sich nie gemeldet hatte. Heute Abend um 20 Uhr wollten sie sich in der "Schwarzen Schwalbe" treffen, etwas trinken und sich kennen lernen. Auch wenn Chiaki gerade den Kopf mit ganz anderen Dingen voll hatte, hatte er eingewilligt. Immerhin konnte er so entweder seinen Kopf frei bekommen oder sich mit seinen Problemen auseinander setzen, es kam ganz darauf an, in welche Richtung sich ihre Gespräche entwickeln würden. Auch wenn er sich nach Kaiki sehnte, so freute sich der Blonde darauf, Samuel Yagasaki, seinen Vater zu sehen, ihm gegenüber zu sitzen und ihm Fragen stellen zu können. Denn er konnte ihm bestimmt auch einiges über seine Mutter erzählen. Er wusste doch so wenig über sie...
 

Bevor er das Haus verließ, schrieb er eine kleine Notiz für Kaiki, in der Hoffnung, dass dieser eher zuhause war als er selber. Außerdem versuchte er noch einmal, ihn auf dem Handy zu erreichen. Selbst die Mailbox hätte ihm gereicht, damit er eine Nachricht darauf sprechen konnte. Doch ein Spruch auf dieselbe wurde ihm verwährt, weil außer dem gleichmäßigen Tuten nichts anderes aus dem Hörer kam. Frustriert steckte er sein Mobiltelefon wieder ein und knallte die Haustür hinter sich zu.
 


 

~*~
 


 

Sein Blick glitt schweigend über das Antlitz des blonden Mannes, den er nicht älter als Kaiki schätzte, er bekam vor Staunen kein Wort heraus: Er war diesem Samuel Yagasaki wie aus dem Gesicht geschnitten - selbst die Frisur stimmte fast! Chiaki schüttelte leicht den Kopf und lächelte dann: "Guten Abend, ich bin Chiaki." Er reichte dem älteren Mann die Hand und konnte seinen Blick einfach nicht von ihm wenden. Wenn er sich jetzt Kaikis Gesicht vor sein inneres Auge projizierte, fiel ihm auf, dass sie keine Ähnlichkeiten hatten. Dass ihm das nicht schon früher aufgefallen war... Doch so selten wie er den Schwarzhaarigen zu Gesicht bekommen hatte, war es nicht verwunderlich, dass er nicht so genau wusste, ob sie sich ähnlich sahen. Doch wenn er seinen richtigen Vater ansah, hatte er das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen, der ihm zeigte, wie er in ein paar Jahren aussah.
 

"Ich bin so froh, dich sehen zu können!" Der Ältere nahm die dargebotene Hand seines Sohnes an und umarmte ihn mit dem anderen Arm. Chiaki wurde etwas überrumpelt an die starke Brust gezogen und blinzelte erschrocken. So eine herzliche Begrüßung von einem ihm eigentlich fremden Mann hätte er nicht erwartet. Doch er erwiderte sie und lächelte, als sie sich wieder gegenüberstanden. "Ich danke dir, dass du mir eine Chance gibst", meinte Samuel, auch lächelnd. "Warum nicht?", fragte sein Sohn.
 

Sie suchten sich einen Tisch in einer ruhigen Ecke der "Schwarzen Schwalbe" und bestellten sich etwas zu trinken, dass ergriff der Ältere das Wort: "Chiaki, es geht um deinen Umzug." Der Blonde zuckte zusammen und starrte den Blonden verwundert an: "Mein... Umzug? Ich verstehe nicht..." "Ach, hat dir Herr Nagoya, Kaiki, nichts davon erzählt?" "Nein...", Chiaki schüttelte den Kopf und hatte große Augen bekommen. Er hatte keine Ahnung, wovon der andere sprach. Zwar bahnten sich ein paar bestimmte Gedanken in seinem Kopf an, doch er verdrängte sie, weil er sie einfach nicht glauben wollte. Bestimmt war es ganz anders, als er sich schon wieder horrormäßig ausmalte.
 

"Du wirst nun bei mir wohnen, weil Kaiki die Adoption aufgelöst hat. Er hat in den letzten Wochen nach mir gesucht, mich gefunden und will nun, dass wir und zu der Familie zusammen finden, die wir wirklich sind. Auch wenn du dich an einige Geschwister und eine neue Mutter gewöhnen musst, denke ich, dass du dich schnell bei mir einleben wirst und -" "NEIN!" Chiaki hatte mit diesem einzigen Wort die Aufmerksamkeit des gesamten Lokals auf sich gezogen, weil er ruckartig aufgestanden war und mit den flachen Händen auf die Tischplatte geschlagen hatte. "Ich... begreife das nicht! Warum... ich hatte keine Ahnung! Und ich will nicht! So sehr ich mich auch freue, dich getroffen zu haben - ich brauche keine neue Familie!" Der Blonde war gerade dabei, auf dem Absatz kehrt zu machen und die "Schwarze Schwalbe" zu verlassen, da hielt ihn Samuel am Handgelenk fest und sagte: "Die Papiere sind schon unterschrieben und alles ist arrangiert. Dein Zimmer ist bezugsfertig und deine Familie freut sich auf dich. Es tut mir leid, dass du es nicht eher erfahren hast, aber morgen kommt der Umzugswagen und holt deine Sachen und dich ab."
 


 

~*~
 


 

Chiaki saß kreidebleich auf seinem Bett und starrte einfach nur seine Auslegeware an. Alles drehte sich um ihn und er bemerkte nicht die Tränen, die ununterbrochen seine Wangen herunter liefen. Neben ihm lag das Handy und das Freizeichen erklang unaufhörlich. Im Display stand die Nummer von Kaiki. Wieso nur?! Er verstand es einfach nicht, so oft er auch darüber nachdachte. Seine schlimmen Gedanken bewahrheiteten sich. Etwas anderes konnte es nicht sein. Kaiki wollte ihn loshaben, weil er ihn so angemacht hatte. Und es hatte dem Schwarzhaarigen nicht gefallen. Deswegen schob er ihn jetzt zu seiner richtigen Familie ab, zumindest zu seinem wahren Vater und dessen Familie. Kaiki wollte also ohne ihn sein, lieber allein... als mit so einer Plage wie ihm. Chiaki schluchzte wie ein getretenes Tier auf und vergrub seinen Kopf heulend in seinem Kissen. Morgen würde er also umziehen. Und von Kaiki keine Spur. Kein Abschied. Er wollte ihn wohl nicht noch einmal sehen, nachdem es wahrscheinlich so abartig für ihn gewesen war, mit seinem Adoptivsohn zu schlafen. Und Chiaki hatte schon von Zuneigung, Liebe und anderen intensiven Gefühlen geträumt. Hatte sich sogar schon eingebildet, sie gefühlt zu haben, als Kaiki mit ihm geschlafen hatte. Doch nun verstand er die Realität und setzte die rosarote Brille ab.
 


 

~* An einem nicht bekannten Ort *~
 


 

Er sah mit verweinten Augen auf das Display seines Handys, welches ununterbrochen die Nummer von Chiaki anzeigte. Das Klingeln hörte nicht mehr auf. Der Schwarzhaarige wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und legte das Handy weiter weg, damit er schlafen konnte. Es war etwas seltsam, als der Chef eines großen, weltweit anerkannten Krankenhauses unter einer Brücke zu übernachten, aber alles war angenehmer als nach Hause zu gehen. Bestimmt hatte Samuel Yagasaki schon längst bei Chiaki angerufen, sich mit ihm getroffen und ihm erzählt, dass er ab morgen nicht mehr mit Kaiki zusammen wohnen würde. Und die Adoption war nun nicht mehr notwendig. Schließlich hatte Kaiki alles dran gesetzt, dass Chiakis wirklicher Vater gefunden wurde. Es war einfach an der Zeit, dass der Blonde aufgeklärt wurde, woher er kam und dass er, Kaiki, mit Minaco nur knapp 3 Jahre verheiratet gewesen war, bevor sie verstarb. Und vor allem nach dem, was passiert war, musste das geschehen. Er konnte keinen einzigen Tag mehr mit Chiaki unter einem Dach leben. Nein, nicht weil er etwas getan hatte, wovor es ihm ekelte, aber er wollte Chiakis Leben nicht kaputt machen, sondern lieber den größtmöglichen Abstand zwischen sie bringen, damit der süße Blonde nichts mehr mit ihm zutun haben musste. Süß... ja. Kaiki verbarg sein rotgeweintes Gesicht in seinem Jackenärmel und weinte leise vor sich hin. Doch er wusste, dass es richtig war, Chiaki zu seiner richtigen Familie zu bringen und ihn vergessen zu lassen, was sich vor ein paar Wochen ereignet hatte. Das war nicht gut für seine Psyche. Er, Kaiki Nagoya, Leiter eines großen Krankenhauses und leider alt und scheinbar auch pervers, sollte sich nicht noch einmal an seinem Adoptivsohn vergreifen. Die Papiere waren ja schon unterschrieben, jetzt verband sie nicht einmal mehr die Adoption. Die Adoptionspapiere hatte er in den letzten Tagen unter seinem Kopfkissen verwahrt, weil sie so viel für ihn bedeuteten... schließlich hatten sie ihm die Möglichkeit gegeben, für Chiaki ein Vater zu sein. Ein schlechter, aber er war es wenigstens für ein paar Jahre gewesen. Das war jetzt vorbei. Nichts war mehr.
 

Doch trotzdem fühlte er für den Blonden mehr als je zuvor. Sie waren nicht vom gleichen Blut, daher war es erlaubt, doch die Umstände, die einst gewesen waren, trieben ihn in die Angst, dass er es trotzdem nicht tun durfte, was er getan hatte... und gern wieder tun würde: Chiaki küssen. Ihn berühren... lieben. Morgen würde er weg sein, weit entfernt von ihm, denn Herr Yagasaki wohnte viele Städte weiter weg. Irgendwo im Niemandsland, jedenfalls hatte ihm der Name der Großstadt, der ihm genannt wurde, nichts über deren Lage verraten. Und er hatte eigentlich ein gutes topografisches Wissen. Er würde morgen abend wieder nach Hause zurück kehren, doch jetzt hielt er es für besser, Chiaki nicht mehr zu sehen, sonst wurde er vielleicht noch rückfällig. Klar bereute er jetzt schon all die Dinge, die er in die Wege geleitet hatte, doch er war sich einfach sicher, dass es zu Chiakis Bestem war. Und das war das Entscheidende. Doch wenn er den entzückenden Blonden jetzt noch einmal sah, würde er ihn nie wieder loslassen. Er würde für immer in seinen Armen verweilen und nichts könnte sie mehr trennen.
 


 

Alles war dunkel und still, als er auf sein Haus zu schritt. Er hatte den Möbelwagen heute Mittag gesehen, wie er mit Chiakis Sachen weggefahren war. Jetzt war seine Wohnung also "befreit" von Chiaki. Er würde ihn nicht mehr sehen und auch seine Sachen waren nicht mehr da, sodass er sich intensiv an ihn erinnern konnte.
 

Es war eine gute Entscheidung gewesen.
 

Er glaubte selbst nicht an das, was er da in Gedanken sprach. Weil es nun mal nicht stimmte. Nur teilweise. Und dieses teilweise kümmerte sich überhaupt nicht um seine Gefühle, die ihn nun langsam in den Wahnsinn trieben. Nichts war mehr hier, was ihn an Chiaki erinnerte - nicht einmal ein T-Shirt, in dem er seine Nase hätte vergraben können!! Es war plötzlich alles so kalt... ohne Chiaki.
 

Er öffnete die Tür zu seinem Zimmer und sah sofort, dass jemand die Adoptionspapiere unter dem Kissen gefunden hatte. Also hatte der Blonde also doch noch gelesen und bestätigt bekommen, dass das, was sie getan hatten, kein Inzest gewesen war. Vielleicht hatte es ihm geholfen, den Schock besser zu überstehen, den er bestimmt seit diesem Geschehen hatte. Kaiki seufzte tief und schreckte zusammen, als er ein Wimmern hörte. Wo kam denn das auf einmal her?! Leicht irre, als habe er Halluzinationen, drehte er sich einmal im Kreis und versuchte die Quelle des Geräuschs zu orten. Es kam jedenfalls nicht aus den Schlafzimmern... und nachdem er im Wohnzimmer nachgeschaut hatte, war er auch abgesichert, dass es nicht von da kam. Sein Blick haftete sich auf die geschlossene Küchentür und er machte einen Schritt auf sie zu, um sein Ohr an das Holz zu pressen.
 

Er hatte die Quelle gefunden. Doch er wusste immernoch nicht, wer da so weinte. Gut, wenn es nach ihm und seinen ausgezehrten Gefühlen ging, hoffte er, dass Chiaki da drinnen saß und auf ihn gewartet hatte... doch das waren nur die Gedanken eines verwirrten, kranken und alten Krankenhauschefs, der plötzlich von dem Gefühl der Liebe übermannt worden war.
 

Er öffnete die Tür und erstarrte. Das /mussten/ jetzt Halluzinationen sein! Oder aber seine hoffenden Gedanken waren wahr geworden. Chiaki saß tatsächlich wie ein Häufchen Elend am Küchentisch, hatte sich ganz klein gemacht, die Füße mit auf die Sitzfläche des Stuhls gestellt und seine Arme um seine Beine geschlungen. Sein bitterliches Weinen zerriss Kaiki schier das Herz und nachdem er den ersten Schock überstanden hatte, lief er sofort zu dem Blonden und umarmte ihn. Nein, er umklammerte ihn wie ein Ertrinkender, der kurz davor war, seinen letzten Atem auszuhauchen. Denn so fühlte er sich. Alles, was in seinen Gedanken war, konnte er endlich wieder berühren, anfassen... und es war so, wie er unter der Brücke sitzend prophezeit hatte: Nun konnte er Chiaki nicht mehr loslassen. Wie als wäre er wirklich sein Kind wiegte er ihn leicht in seinen Armen hin und her, konnte gar nicht mehr aufhören, leise "Aki-chan..." zu flüstern.
 

"Wieso hast du das getan", Chiakis Stimme war eisig und ohne jegliche Emotion, Kaiki bekam Angst. Er schwieg jetzt, das ganze Zimmer war totenstill. "Es ist das Beste für dich. Du hast deinen richtigen Vater bei dir und endlich wieder Verwandtschaft. Es ist nicht schön, wenn... Menschen wie du allein sind." Das war zwar alles wahr, aber Kaiki fühlte sich trotzdem wie der größte Lügner aller Zeiten, denn er verschwieg Chiaki all das, was sich in seinem Inneren abspielte und welche Gefühle er für ihn hatte.
 

"Dann fällt es dir sicher auch leicht, mich jetzt loszulassen", flüsterte Chiaki mit brüchiger Stimme und starrte teilnahmslos auf den Küchentisch. Er wartete darauf, dass Kaiki seinen Griff lockerte, doch nichts geschah. Er stieß den Atem aus, den er unbemerkt angehalten hatte und zitterte leicht. Er wusste immernoch nicht, was er denken sollte: Er war wütend auf Kaiki, dass dieser ihn abgeschoben hatte... doch sein Verhalten jetzt stellte ihn vor ein neues Rätsel. Warum war er so zu ihm, umklammerte ihn so hilflos?! Was sollte er nur tun? Am besten den letzten Bus nehmen, der zu seinem wahren Vater fuhr und sich endlich in sein neues Zuhause begeben. Schließlich waren seine Sachen auch schon dort.
 

Mit aller Kraft wand er sich aus dem Griff des Älteren und steuerte auf die Küchentür zu, ohne einen weiteren Blick zurück. Er war schon aus dem Raum verschwunden, da hörte er die Worte: "Ich möchte mich von dir verabschieden." Ruckartig blieb er stehen und senkte den Kopf traurig. Dann meinte er leise: "Auf Wiedersehen... Vater." Einige Augenblicke wollte er warten, was der andere antwortete, doch als keine Antwort kam, ging er weiter in Richtung Haustür. Doch er kam keinen Meter weiter, weil er von Kaiki an die Korridorwand gepresst wurde. Keuchend versuchte er, sich wieder aus den Fängen des Schwarzhaarigen zu winden, doch er hatte nicht so viel Kraft. Als er seine ausweglose Lage bemerkte, suchte sein Blick einen interessanten Punkt hinter dem Älteren auf der Wand. Alles, nur nicht in seine Augen sehen... wenn sie ihn jetzt wieder so wild ansahen, wie an dem einen Tag, wo er ihn zum ersten Mal geküsst und er es mitbekommen hatte, dann wurde er sofort weich wie Butter in der Augustsonne.
 

"Bitte... lass mich gehen." "Erst verabschieden wir uns so, wie es sich gehört, wenn wir /nicht/ Vater und Sohn sind." Chiakis Augen vergrößerten sich und seine Wangen färbten sich merklich rot. Er hatte keine Angst, er war nur noch aufgeregt. Und erregt, wie er feststellte, als Kaikis Oberschenkel über seinen Schritt rieb. Er konnte es nicht verhindern, dass ein Stöhnen aus seiner Kehle entfleuchte und im nächsten Moment wurde sein Mund auch schon von Kaikis Lippen verschlossen, die noch genau wussten, wie gut sich Chiakis anfühlten. Der Blonde konnte seine Arme endlich aus dem Griff des Stärkeren winden und krallte sich in Kaikis Hemd fest, riss es ihm fast vom Leib, da die obere Hälfte der Knöpfe offen war. Seine Hände konnten nun ungehindert von Stoff über Kaikis Schultern und seinen Rücken gleiten... und verweilten dann in seinem Nacken, wo er ihn kraulte und streichelte. Mit aufgeregten und fahrigen Bewegungen, anders bekam er es nicht zustande. Kaiki raubte ihm einfach alle Gelassenheit. Doch wie sollte er die auch wieder erlangen, wenn seine Zunge alles von seinem Mund erforschte und ihn der ganze Körper des anderen Mannes so angenehm erregend gegen die Wand presste?! Seine Augen flatterten inzwischen auf Halbmast und spätestens jetzt hatte er nicht mehr den Willen, das Haus ohne einen anständigen Abschied zu verlassen. Auch wenn ihn der Gedanke daran, dass es sich nur um einen Abschied handelte, etwas in seiner Euphorie bremste, musste er einfach mitmachen... Kaikis Ausstrahlung und Sex-Appeal hatten ihn übermächtigt.
 

Einige Augenblicke später fand er sich auf dem Rücken liegend in Kaikis Bett wieder, dessen Besitzer die ganze Zeit über ihm war und ihm mit seinen Küssen den Atem raubte. "Ich lasse dich nicht gehen, bevor du nicht ganz und gar verstanden hast, dass ich dich nun lieben darf", raunte ihm der Schwarzhaarige ins Ohr und machte sich an Chiakis Erregung zu schaffen, liebkoste sie mit seiner Hand. Der Blonde verkrallte seine Hände in der Bettdecke und dem Laken, war kaum fähig, einen Satz über die Lippen zu bringen, doch er schaffte es trotz seiner wahnsinnigen Lust: "Dann... darf ich dich auch lieben?" Kaikis Gesicht erschien direkt vor seinem, als dieser lächelnd flüsterte: "Natürlich... verspreche mir, mich nie wieder als Vater zu lieben, dann darfst du mich auch lieben. Denn...", sein Mund wanderte von Chiakis Mund zu seinem Ohr, in welches er direkt hineinflüsterte, "...ich liebe nur dich, Chiaki. Nur dich." Dann machte er weiter mit seinem Verwöhnprogramm für den Blonden.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  cira87
2010-10-10T08:27:29+00:00 10.10.2010 10:27
*w* Das War Wirklich Klasse Geschrieben <3
Hm ich Liebe Diese FF :3
Hoffe Es Geht Weiter ;)

<3<3<3 LG.


Von:  Naschkatze
2008-01-05T11:01:18+00:00 05.01.2008 12:01
*Kreisch*
Wie SWEET!
Chi und sein Vater umarmen sich! Das war einfach nur knuffig!
*schwärm*
Nochmal ein riesen Lob an deinen Schreibstil, der mir sehr gut gefällt!
*nick*
Ich hab die ganze Zeit mitgefiebert!
*hibbel*
Hoffe du schreibst doch noch weiter....ich find die FF einfach nur hammer!
*nick*
*Shindou Blick*

GLG deine Ka-chan
Von:  Naschkatze
2008-01-05T10:42:56+00:00 05.01.2008 11:42
Wow!
Das Kapi war soooo geil! Ich hab so mit Chis Vater mitgefühlt! Irgendwie tut er mir leid...aber *räusper* Liebe ist nun mal eine Naturgewalt! Bin schon soooo gespannd, was Chi sagt oder macht, wenn sein Vater wieder zurück kommt...
*grübel*
Verdammt!
Ich les sofort weiter!
*smile*
Bis zum nächsten Kommi!^0^

GLG Ka-chan
Von:  Naschkatze
2008-01-04T20:12:39+00:00 04.01.2008 21:12
*Kreisch*
Wie geil!
Das ist mal ne super Idee!
Chi und sein Vater!
*schwärm*
WOW!
Dein Schreibstil ist super! Man kann sich so gut in die beiden hineinversetzten!
*träum*
*smile*
Zu der Frage...(5)
Chi als Seme wär auch mal nicht schlecht...nur mit wem?
*grübel*
Mhmmm... keine Ahnung!^^°
Aber ne gute Idee wär das ja auch mal!

GLG Kaname-chan
Von:  LintuAki
2007-03-12T21:18:19+00:00 12.03.2007 22:18
Wow... is ja echt 'nen schwieriges Thema, das du dir da ausgesucht hast! Is dir aber trotzdem wahnsinnig gut gelungen die Beziehung der beiden einfühlsam rüberzubringen. Du hast nen superschönen Schreibstil *dir ein großes Lob geb*

Schreib bitte weiter, auch wenn sich bisher sonst noch niemand zu dieser FF gemeldet hat...

Bye, Aki


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