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Kibito meets Kaioshin

von

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Worte, die man auf mehr als eine Art sehen kann

Nach dieser Verkündung ging alles wieder wie geplant weiter. Wer immer eingelassen wurde, beeilte sich allerdings, möglichst rasch einzutreten, bevor noch einmal etwas unerwartetes geschah.

>Als ich das erste Mal hier war, hat es nicht so lange gedauert. –Oder kommt es mir nur so vor, weil ich das letzte Mal weiter vorn stand?< Kibito seufzte leicht. Auch wenn nun nur noch zehn Anwärter vor ihm waren, langsam wurde er doch etwas unruhig. Am schlimmsten war das Warten. Das ewige, und leidige Warten! Hoffentlich würde sich der Aufwand lohnen, und er eine bessere Stelle zugewiesen bekommen. Aber wenn wirklich alles so funktionieren würde, wie er es sich dachte, dann wäre es in jedem Fall eine gelungene Entschädigung für die lange Wartezeit.

„Darf ich dir eine Frage stellen?“,hörte er da. Kibito drehte sich um. Eigentlich wollte er mit dem Unbekannten nichts weiter zu tun haben, aber andererseits würde ein Gespräch die verbleibende Wartezeit verkürzen. „Was für eine Frage?“,sagte er also.

„Du hast vorhin von deinen ’Zielen’ gesprochen. Mich würde interessieren, was deine Ziele sind.“ „Warum?“,fragte Kibito skeptisch.

„Nun, Jemand der so bedacht darauf ist, Vorschriften und Bräuchen zu folgen, wird sicher nicht irgendwelche launenhaften Entscheidungen treffen. Daher würde es mich interessieren, was für Interessen dich zum Dai Kaio führen.“

Einen Moment sah Kibito den Fremden nur an, dann entschied er sich, auf diese ungewöhnliche Frage zu antworten. „Ich möchte einmal eine Anstellung bei einem der vier Kaios oder dem Dai Kaio erlangen. Wenn ich –wie die meisten- mit den Körperlosen Seelen arbeite, wird sich nie die Gelegenheit geben, neues zu lernen. Zehn Jahre lang habe ich bereits Tag aus, Tag ein immer die gleiche Arbeit verrichtet. Ich möchte nicht wie mein Vater solange ich lebe immer nur in einem engen Zimmer bleiben und Papiere Sortieren, oder wie mein Bruder den toten Seelen den Weg zeigen, sondern möglichst viel über das Jenseits, das Diesseits und die verschiedenen Welten erfahren. Bei einer Anstellung wie der im Büro des Paradiesvorstandes ist das nicht möglich. Und für jemanden wie mich, der über besondere Fähigkeiten verfügt, kommt eine Bürostelle nicht in Frage! Was nützet es mir, besondere Begabungen zu haben, wenn ich sie nicht nutzen kann? –Wenn ich einen Platz an einer aktiveren Stelle erhalte, kann ich mich vielleicht behaupten, so das einer der Kaios oder vielleicht sogar der Dai Kaio höchst persönlich irgendwann auf mich aufmerksam wird. Dann erhalte ich die Chance, in den Dienst einer großen Persönlichkeit zu treten. –Eine ehrenvolle Aufgabe, und zugleich die beste Möglichkeit, Erfahrungen über alle Dimensionen zu sammeln. Ich bin noch jung, da möchte ich so viel wie möglich lernen. Irgendwann zahlt sich so etwas aus. –Mit etwas Glück könnte ich vielleicht später die Stelle eines Beraters einnehmen.“

Voller Tatendrang blickte Kibito nach oben. Er an der Seite der Ranghöchsten des Universums! –Kein leichtes Ziel, aber wenn er es erreichen würde, wäre das ein unvergleichlicher Erfolg. Doch bis es so weit war, würde es noch ziemlich lange dauern.

„Besondere Fähigkeiten? Was meinst du damit?“,wurde er aus seinen Gedanken gerissen.

„Du bist ziemlich neugierig, Kleiner. Aber gut. Man sieht es mir nicht an, aber ich beherrsche eine Technik, die Jenseitsbewohner für gewöhnlich nicht können, und die nur einigem geringen Teil der Bewohnern des Diesseits bekannt ist.“ Fragend blickte der Fremde ihn an. Kibito wollte es nicht zugeben, aber irgendwie genoss er, das der Andere so interessiert an seiner Person war, beinahe, als wäre er schon eine wichtige Persönlichkeit, und so sagte er betont stolz: „Ich beherrsche die Fähigkeit zu schweben und zu fliegen!“
 

Ein großer Blick, ein erstaunter Laut, eine herunterfallende Kinnlade – das war es, was Kibito erwartete.
 

Stattdessen blinzelte der Fremde zwei mal und kratzte sich dann mit dem Zeigefinger der rechten Hand an der Wange. „Das ist deine besondere Fähigkeit?“

Dieses verhalten missfiel Kibito sehr. Er war äußerst stolz auf diese Technik! Es war schwer gewesen, sie zu erlernen! Es hatte ihn viel Mühe gekostet, das Fliegen zu beherrschen! Und dieser Fremde reagierte, als hätte Kibito soeben behauptet, seine besondere Gabe sei Gemüse zu kochen!

„Du tust gerade so, als wäre das Fliegen nichts besonderes!“,sagte er daher. „Aber schließlich braucht man hartes Training, um diese Fähigkeit zu erwerben, und das hält nicht jeder durch! Mal ganz zu schweigen davon, das nicht jeder dazu geeignet ist, das Fliegen zu lernen.“ Leicht genervt hatte Kibito die Arme verschränkt.

„Verzeih, wenn ich dich gekränkt haben sollte, in meiner Familie ist es von jeher völlig normal gewesen, über diese Fähigkeit zu verfügen, das andere sie durch hartes Training lernen müssen, habe ich nicht bedacht. Jedoch, wenn du es geschafft hast...“

„Was meinst du damit?“ unterbrach Kibito ihn schroff.

„ ’Wenn du es geschafft hast, kann es so schwer nicht sein?’ ,meinst du das? Du hältst mich für schwach, nicht wahr?“

„Nein! So war das nicht gemeint!“,versuchte der Unbekannte zu beschwichtigen, aber Kibito fühlte sich beleidigt.

„Oh, natürlich war es das! Und gib nicht so damit an, das du das Fliegen so einfach erlangen konntest.“ Betont schwungvoll drehte er sich wieder nach vorn.

„Bitte, du hast mich falsch verstanden! Und ich wollte auch nicht angeben, oder dich beleidigen, ich habe nur gesagt, wie es ist“

„Ah ja? Es ist in deiner Familie also völlig normal, das Fliegen zu beherrschen? Natürlich. Was soll das für Eine sein? Zeig sie mir doch mal, deine tolle Familie!“

Ein kaum merkliches Zucken war in den Augen des Fremden zu sehen. Dann senkte er den Kopf und gab ein leises „Das wird nicht möglich sein.“ von sich.

„Oh, natürlich! Die Herschafften haben keine Zeit! Weist du, was ich glaube? Deine ach so begabte Familie’ gibt es gar nicht!“

„In gewisser weise stimmt das...“,antwortete der Fremde mit einer untrüglichen Traurigkeit in der Stimme.

„Dachte ich es mir doch! Und nun lass mich in Ruhe.“

Beide schwiegen eine Weile. Dann sah der Fremde wieder auf und versuchte es erneut: “Es lag wirklich nicht in meiner Absicht, dich zu kränken. Ich möchte keinen Streit, also lass es mich wieder gutmachen!“

„Wie?“

„Sag du es mir.“

Kibito überlegte einen Moment. Sollte er sich darauf einlassen? „Tse, es gibt nichts, was du tun könntest. Alles, was ich will, ist eine andere Stelle zu erhalten. Den Rest schaffe ich allein. Ich brauche keine Wiedergutmachung. Schon gar nicht von jemandem wie dir!“

Für einen ziemlich langen Moment musterte der Fremde Kibito. „Ist das so?“
 

Nach diesem Satz herrschte Schweigen. Weder Kibito noch sein Hintermann begannen eine neue Unterhaltung. So verging die restliche Wartezeit in nachdenklicher Ruhe. Schließlich wurde der Jenseitsbewohner in den Palast gebeten, der vor Kibito stand.

>Endlich...Nun dauert es nicht mehr lange...Bald werde ich bei dem Dai Kaio vorsprechen. Und dann werde ich mir eine neue Stelle sichern. Eine bessere! Und ich werde mich behaupten! Eines Tages wird sich alles auszahlen und ich werde an der Seite einer großen Persönlichkeit sein. Hoffentlich werde ich nicht wieder einer Büroabteilung zugewiesen...Das wäre furchtbar... Dann wird es mir wahrscheinlich nie gelingen, das einer der Kaio auf mich aufmerksam wird. Ein friedliches und lehrreiches Leben, mehr verlange ich doch gar nicht.<

Kibito wurde immer aufgeregter. Bald –sehr bald würde sich seine weitere Zukunft entscheiden. Ungeduldig wartete er darauf, das einer der Angestellten des Dai Kaio heraustreten und ihn hereinbitten würde. Warum brauchte ausgerechnet der Letzte vor ihm so unsagbar lange? Wollte er ihn etwa ärgern? Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

Kibito schien es, als wären Stunden vergangen, seit der Letzte vor ihm eingetreten war.

Warum in Ennma Daios Namen war er eigentlich nicht früher hier gewesen? Dann hätte er nicht so lange warten müssen! –Weil er dem Dai Kaio zeigen wollte, das er, auch wenn er einer der letzten war, noch immer über völlige Geduld und Ruhe verfügte und das ihn auch eine endloslange Zeit des Wartens nicht von seinem Ziel abbringen würde!

Endlich trat der Jenseitsbewohner wieder heraus. Er wirkte allerdings nicht gerade glücklich. Er sah zu Kibito und sagte dann nur tonlos: “Der Dai Kaio ist nicht mehr in der Stimmung, neue Stellen zu vergeben. Wer seinen Arbeitsbereich wechseln will, wird bei ihm nicht vorgelassen.“

Der Ausdruck in Kibitos Gesicht war nicht zu deuten. –War es Entsetzen, Fassungslosigkeit oder Ungläubigkeit? Kibito selbst hätte es nicht sagen können. Alles, was er im Moment dachte, war immer wieder der Satz, den er gerade gehört hatte:
 

Wer seinen Arbeitsbereich wechseln will, wird nicht vorgelassen.
 

Hatte sich denn wirklich alles gegen ihn verschworen? Was hatte er bloß getan, das er solch eine Strafe verdiente? Sicher, er konnte manchmal etwas überreagieren, aber das war doch kein Grund...?

Erst jetzt merkte er, das aus dem betrübten Gesicht des Anderen plötzlich ein Lächelndes geworden war. Und aus dem Lächeln wurde ein Grinsen und schließlich ein lautes Lachen.

„War nur ein Witz, Man! Ich hätte nicht gedacht, das du darauf hereinfällst.“

Eine Sekunde lang geschah nichts weiter, auch in der zweiten nicht.

Aber in der dritten reagierte Kibito. Er packte den überraschten Witzbold am Kragen. Wütend schrie er ihn an.

„DU BIST JA WOHL VON ALLEN GUTEN GEISTERN VERLASEN!! WIE KOMMST DU DAZU, SOLCH ÜBLE WITZE ZU MACHEN??? DIR WERD ICH HELFEN!!!“

Der unglückliche Scherzkeks fühlte sich vom Boden hochgehoben. Hilflos zappelte er mit den Beinen.

„Hey...Beruhig dich! Verstehst du denn keinen Spaß?“

„Ich zeig dir gleich, was MIR Spaß macht! –Ob es dir Spaß machen wird, weiß ich allerdings nicht!“

So wütend war Kibito schon lange nicht mehr gewesen. All der Zorn, der sich in ihm angesammelt hatte, trat mit einem mal hervor und er würde den unglücklichen Spaßvogel mit voller Wucht treffen.

Eine Hand legte sich auf Kibitos Arm.

„Bleib ruhig. Du darfst jetzt nicht die Fassung verlieren. Was würde das für einen Eindruck machen? Wenn du jetzt etwas unüberlegtes tust, wirst du das sicher bereuen. Sich hier –direkt vor dem Palast des Dai Kaios- zu schlagen, wäre nun wirklich nicht das, was man von einem zukünftigen Berater erwartet, oder? Willst du deine Ziele nun so leicht wegwerfen? Beherrsch dich! Denk daran, was du dir vorgenommen hast!“

Kibito atmete einmal tief durch. Der Unbekannte hatte recht. Wenn er sich jetzt hier von seiner Wut leiten ließ, wäre es vermutlich aus mit seinen Zukunftsplänen. Er ließ den armen Witzbold wieder herunter.

„Das ist es mir nicht wert. –Obwohl ich dir gerne deinen eigenartigen Humor heimgezahlt hätte. So was ist nun wirklich nicht komisch!“

Froh, dem vermeintlichen Ärger entronnen zu sein, ging der Witzbold schnellen Schrittes davon. „Ich werde mir in Zukunft zweimal überlegen, mit wem ich welche Scherze mache“, sagte er, allerdings mehr zu sich selbst.

Kibito schloss einen Moment lang die Augen. Der Fremde hatte ihn zurückgehalten und ihn damit davor bewahrt, dem Dai Kaio seinen unkontrollierten Wutausbruch und einen demolierten Jenseitsbewohner erklären zu müssen. Warum hatte er das getan? Sollte er sich dafür bedanken? Wahrscheinlich wäre es angebracht. –Aber sich ausgerechnet bei der Person, die er vorhin an die Regeln hier erinnert hatte dafür zu bedanken, das er nun selbst keine Regel übertreten hatte...Das Ganze machte einen ziemlich ironischen Eindruck.

In diesem Moment trat einer der Angestellten des Dai Kaios aus dem Gebäude. „Ah, wir haben es ja bald. –Nennen sie mir bitte ihren Namen und ihr Anliegen.“ Kibito verstand einen Moment lang nicht, was der Aufseher wollte, dann begriff er.

„Was? Oh, natürlich. Mein Name ist Kibito. Ich möchte bei dem Dai Kaio vorsprechen, da ich gerne in einen anderen Arbeitsbereich wechseln möchte.“

„Verstehe. Gut, bitte treten sie dann ein.“ Der Blick des Angestellten fiel auf den zierlichen Unbekannten hinter Kibito.

„Sie sind der Letzte? Dann kommen sie bitte auch herein.“

Kibito und der Fremde traten durch die Tür. Im Inneren stand ein weiterer Angestellter des Dai Kaios. Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen. So wurden die zwei durch den Palast geführt. Lange, hohe Gänge mit reich verzierten Säulen, unzählige Türen und ein marmorner Fußboden –das bekamen sie auf ihrem Weg zu sehen. Außerdem weitere Angestellte des Palastes. Schließlich blieben sie vor einer besonders hohen Tür mit silbernen Verzierungen stehen.

Der Palastdiener, der sie geführt hatte, drehte sich um. „So. Herr Kibito, bitte treten sie ein.“

Und an den Unbekannten gewand sagte er: “Sie bitte ich um noch ein klein wenig Geduld. Der Dai Kaio wird auch sie in Kürze empfangen.“

Kibito stand vor den großen Türflügeln. Er holte noch einmal tief Luft, dann trat er ein.



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