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Miss Keep-Your-Distance

Auftrags-Killer
von

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Episode 1: Entkommen

Entkommen
 

Es war schon lange nach Mitternacht und ganz Chicago schien zu schlafen. Doch der Eindruck täuschte, denn hier und dort brannten doch noch einige Lichter in den Fenstern und bewiesen das Leben hinter diesen.

Anders sah es jedoch im alten Industriegelände der Stadt aus. An diesem Ort wurden die maroden Fabriken und Lagerhallen nachts von der Dunkelheit regelrecht verschlungen. Funktionierende Straßenlampen waren hier die Ausnahme und das Innere der Hallen hatte schon ewig kein Licht mehr gesehen.

In dieser Nacht schien es aber eine Ausnahme zu geben, denn in einem der Gebäude huschten hastig suchende Lichter durch die Fenster und über die Wände.

Eine Frau mit langen pechschwarzen Haaren drückte sich gegen die Wand und lauschte angestrengt. Sie hörte die Schritte ihrer Verfolger und vermutete, dass es zwei waren. Sie selbst verschmolz komplett mit der Dunkelheit um sich herum und beobachtete die umher schwenkenden Lichtkegel der Taschenlampen. Diese waren noch am anderen Ende der Fabrik und leuchteten die alten verrosteten Maschinen aus. Die Frau atmete schnell und stoßweise, ihre Brust hob und senkte sich. Sie schloss die Augen und ließ den Kopf gegen die Wand sinken. Jemand musste diesen Typen einen Tipp gegeben haben! Anders konnte sie sich die Situation nicht erklären.

Entschlossen schlug sie ihre grünen Augen, die durch die Finsternis unter dem schräg geschnittenen Pony hervor blitzten, auf und zog langsam ihre Pistole. Dann hörte sie einen der zwei Männer reden: „Sie muss hier doch irgendwo sein!“

Er war jetzt nicht mehr weit von der Wand entfernt hinter der sie stand.

„Chef! Sehen Sie sich das an!“, der andere Mann hörte sich geschockt an, „Ist er...?“, fragte derselbe und verstummte.

„Ja“, war die nüchterne Antwort des anderen.

Ja, dachte die Frau. Sie hatte ihre Arbeit, wie immer, zuverlässig und schnell erledigt. Sie holte tief Luft.

„Er ist tot...“, bestätigte die tiefere der beiden Stimmen.

Die Gewissheit versetzte ihr einen kurzen Stich und sie zuckte, wie so oft, ein wenig zusammen.

„Das wird sie büßen“, flüsterte die etwas hellere Stimme verbittert. Dann hörte die Frau wieder Schritte die durch den großen Raum hallten. Sie presste ihre Lippen entschieden aufeinander, jetzt ging es darum ihre eigene Haut zu retten! Langsam tastete sie sich an der Wand entlang und machte einen Schritt seitwärts. Ein sehr leises – aber dennoch verräterisches – Geräusch hallte durch den Raum. Erschrocken zog sie die Luft durch die Zähne. Die Sohlen ihrer neuen Stiefeletten hatten anscheinend kleine Absätze, die ihr heute morgen beim Kauf gar nicht aufgefallen waren!

Die Schritte ihrer Verfolger wurden wie befürchtet schneller und kamen in ihre Richtung.

Mist!, schoss es ihr durch den Kopf. Sie steckte ihre Pistole weg und bückte sich, um so schnell wie möglich aus ihren Schuhen zu schlüpfen und diese in die Hand zu nehmen. Sie legte die andere Hand zur Orientierung vor sich auf die Wand und rannte auf Zehenspitzen blind an ihr entlang. Hinein in die Dunkelheit. Sie registrierte erst einen, dann zwei Lichtkegel an der gegenüberliegenden Wand hinter sich hin und her schwenken. Aus den Augenwinkeln sah sie wie einer der beiden über eine Leiter schwenkte, die in der Wand befestigt war und so weit nach oben ging, dass sie, auch wenn sie ihren Kopf für einen kurzen Blick nach oben drehte, das Ende nicht erkennen konnte. Ruckartig stoppte sie und duckte sich, sie konnte die Taschenlampen jetzt sehen und die beiden Männer, die sie hielten waren dunkle Schatten, die sich zögernd bewegten.

Sie befand sich zwar weiter hinten in der kargen Fabrikhalle, aber wenn die Lichtkegel in ihre Richtung geworfen wurden, kamen diese immer noch abgeschwächt an. Langsam schlich sie sich seitwärts durch die Halle, immer mit dem Blick auf die Lichtkegel, die sie teilweise nur knapp verfehlten, geheftet. Doch dann passierte das Unvermeidliche doch und das Licht fiel auf sie.

Ihre Pupillen verkleinerten sich, als sie von dem Licht geblendet wurde. Sie musste ihre Augen zusammen kneifen und schützte diese reflexartig mit ihrem Arm gegen das Licht.

„Ich hab sie!“, rief einer der Schatten. Die Frau erwachte aus ihrer Erstarrung und stürzte auf die Leiter zu. Sie nahm ihre Schuhe am Saum in den Mund und griff nach den Metallsprossen.

„Sie will über die Leiter abhauen!“, rief die tiefere Stimme und dann hörte die junge Frau hastige Schritte. Der Lichtkegel, der sie verfolgte, schwenkte hin und her. Die verrostete Leiter quietschte und schwankte unter ihrem Gewicht. Der Putz bröckelte von oben in ihr Gesicht und brannte in den Augen.

„Sie entkommt uns!“

„Nein, tut sie nicht! Halt du die Lampen!“, meinte die dunklere Stimme bestimmt und die Frau wusste was passieren würde. Schon hörte sie den scharfen Schall eines Schusses, hielt inne und kniff die Augen zusammen, als der Schuss knapp über ihr in die Wand einschlug. Dann hastete sie weiter die Wand hoch und der Schütze fluchte. Doch er gab nicht auf und schoss ein zweites Mal. Sie kletterte einfach weiter und der Schuss prallte mit einem klirrenden Geräusch an einer Sprosse, auf der Höhe ihres Knies, ab. Panisch guckte sie nach oben, das Ende der Leiter war in Sicht. Sie zählte in Gedanken bis drei und stieß sich mit dem linken Bein ab und einen Augenschlag später ging der nächste Schuss los. Sie prallte mit dem Rücken rechts an die Wand neben der Leiter und die Kugel verfehlte sie. Schnell schwang sie sich wieder zurück und kletterte weiter. Endlich hatte sie das Ende der Leiter erreicht.

Glas! Eine Scheibe. Die Sprossen führten zu einer Fensterscheibe! Sie saß in der Falle.

Sie glaubte schon den nächsten Schuss unter sich zu hören, doch sie vernahm nur das hohle Klicken der Pistole und einen Fluch. Das Magazin war leer!

Da sie aber nicht vorhatte abzuwarten bis das Magazin gewechselt war, griff sie ohne zu zögern nach ihren Stiefeln, die immer noch zwischen ihren Zähnen baumelten. Mit voller Wucht schlug sie die Glasscheibe damit ein und vergrub gleichzeitig ihr Gesicht unter dem anderen Arm wobei sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

Das Glas splitterte und bohrte sich in ihren schützenden Arm. Doch sie bemerkte es gar nicht und hechtete mit einem Sprung durch die Scheibe, dabei schnitt sie sich an dem spitzen Glas. Hinter sich hörte sie noch zwei Schüsse durch das Gebäude hallen, doch diese erreichten sie nicht mehr, denn sie war schon auf dem flachen Dach des großen Betonblocks angekommen.
 

„Das war knapp“, keuchte sie mit rauchiger Stimme und Atmete tief ein und aus. Sie bückte sich und zog ihre schwarzen Stiefeletten wieder an. Dann richtete sie sich auf, ihre Augen waren immer noch vor Aufregung geweitet und sie fuhr sich nervös durch die schwarzen Haare.

Wie oft hatte sie solche Situationen schon überlebt? Und wie oft würde sie ähnliches noch überleben müssen? Sie schaute nach oben und beobachtete den Mond, er kam gerade zwischen den Wolken hervor und schien ungewöhnlich hell. Sie liebte den Mond und die Sterne. Wenn sie diese betrachtete wusste sie, dass es Orte gab die niemals entdeckt werden würden oder deren Geheimnisse für immer unerreichbar waren und das gab ihr wiederum das Gefühl von Sicherheit.

Plötzlich hörte sie das rostige Quietschen der Leiter, zeitgleich zog sie ihre Pistole und wirbelte herum. Langsam und vorsichtig schlich sie an die kaputte Glasscheibe heran.

„Ihr solltet meine Nerven nicht überstrapazieren“, flüsterte sie mit zusammen gepressten Zähnen und ihre Haare wurden wegen einer Böe kurz durch die Luft gewirbelt. Sie wartete ruhig bis eine Hand aus dem schwarzen Loch kam und sagte dann: „An deiner Stelle würde ich wieder umdrehen, wenn du weiterhin leben willst.“

Nichts rührte sich. Die Hand verweilte auf der letzten Sprosse, doch sie konnte den Rest des Mannes nicht sehen. Trysha lud ungeduldig ihre Pistole.

„Sofort!“, zischte sie bedrohlich.

„Du machst deinen Job zwar gut, aber leider wirklich zu unsauber, da muss ich dem Boss Recht geben“, sagte eine ihr bekannte Stimme.

„Lefti!“, rief sie und verdrehte die Augen, „Musst du mich so erschrecken?“ Sie steckte ihre Waffe weg und schaute ihn vorwurfsvoll an.

Lefti, ihr neuer Partner oder Komplize, wie man es auch nennen mochte, stieg durch die Öffnung in der Glasscheibe, die er vorher vergrößern musste. Er hatte blondes, kurzes Haar und war ein ganzes Stück größer als sie. Er baute sich vor ihr auf.

„Soll ich mich jetzt vielleicht entschuldigen?“, fragte er, wobei er sie musterte. „Wenn ich nicht gewesen wäre, würden die beiden da unten immer noch leben und dir womöglich wirklich hinterher klettern! Was hättest du dann unternommen, Trysha? Wärst du vielleicht vom Dach gesprungen?“, fragte er provozierend, wobei er seinen Körper zu seiner vollen Größe aufrichtete. Dieser steckte in einer verwaschenen Jeans und einem offenen, grauen Hemd, unter dem er ein schwarzes T-shirt trug. Die kleine silberne Erkennungsmarke, die um seinen Hals hing, kam noch aus der Zeit, als er in der US-Army gedient hatte. Lefti war muskulös, aber trotzdem schlank und unverschämt gut aussehend.

„Mir wäre schon etwas eingefallen“, wich sie seiner Frage aus.

„Klar“, quittierte er und fixierte sie mit seinen stechend grünen Augen. Trysha hasste es wenn sie eine Diskussion verlor also erwiderte sie bissig: „Tu nicht so als wärst du hier der einzige, der was von seinem Job versteht. Denn falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin ebenfalls ein Profi!“

„Ach ja? Und warum sagst du mir dann, dass es hier erst um zwei Uhr rund geht, obwohl für dich die Party schon eine halbe Stunde eher beginnt?“

„Damit du mir nicht im Weg herum stehst!“

„Aha! Also war das letztes mal auch nicht aus Versehen gewesen?“, er grinste als er ihre Taktik durchschaute, „Von wegen in der Uhrzeit geirrt!“

„Blitzmerker!“, murmelte Trysha. Lefti wurde sofort wieder grimmig und versicherte: „Ab jetzt ist Schluss damit! Ich werde dir nicht mehr den ganzen Spaß überlassen!“

Sie machte einen Schritt auf ihn zu und funkelte ihn wütend an, während sie mit dem behandschuhten Finger auf ihn zeigte: „Du glaubst also du würdest mir der Spaß überlassen? Träum weiter!“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und wollte durch das Glasfenster hinunter auf die Leiter steigen.

„Kannst ruhig zugeben, dass ich dir heute den Arsch gerettet habe!“, rief er ihr hinterher, doch sie antwortete nicht mehr und verließ das Dach.

Lefti zog seine Augenbrauen nachdenklich zusammen. Der Boss hatte vor einigen Wochen festgelegt, dass Trysha und er ab jetzt ein Team waren und ihre Aufträge zusammen bestritten. Doch von Teamarbeit konnte bis jetzt nicht die Rede sein, weil sie die beiden bisherigen Aufträge quasi im Alleingang erledigt hatte. Das letzte mal hatte sie die Unschuldige gespielt und behauptet sie hätte ihm wohl aus Versehen die falsche Uhrzeit weitergegeben.

...Aber unser nächster Auftrag ist in drei Wochen um genau zwei Uhr nachts! Wir treffen uns dann bei der alten Fabrikhalle 23, Block B

Er glaubte sich sogar an ein entschuldigendes Zwinkern ihrerseits zu erinnern! Unglaublich. Wieso log sie ihn an? Glaubte sie etwa, dass sie besser war als er und deswegen alles alleine erledigen konnte? Was selbstverständlich der größte Quatsch der Welt war, er hatte schon unzählige solcher Aufträge erledigt und das seit seinem siebzehnten Lebensjahr. Er vermutete, dass sie ungefähr im gleichen Alter angefangen haben musste, sonst wäre sie nicht so abgebrüht und qualifiziert in dem Job. Aber da sie ein paar Jahre jünger war als er, war er schon länger im Geschäft und somit eben erfahrener! Wenn auch nicht viel. Und er wusste, dass sie sich dessen bewusst war, aber anscheinend hatte sie noch mehr Probleme damit ihr Team zu akzeptieren als er selbst.

Ab jetzt würde er wohl jede Ort und Zeitangabe selbst überprüfen müssen... von wegen Partner! Lefti seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Dann machte er sich auch auf den Weg die Leiter runter.

Als er unten angekommen war, sprang er von der letzten Sprosse über die Blutlache, in der die beiden Polizisten lagen und ging zu Trysha, die auf ihn gewartet hatte. Sie starrte auf die toten Männer und schien für einen kurzen Moment abwesend, doch dann kehrte in ihr Gesicht die ihm bekannte Entschlossenheit zurück.

„Beeil dich! Wir müssen verschwinden“, meinte er und beide verließen den Ort, der in den nächsten Tagen wahrscheinlich gesperrt werden würde, weil die Polizei Nachforschungen anstellte.

Doch sie würden nichts finden...

Episode 1: Es tut mir leid...

Es tut mir leid...
 

Als sie die große Fabrik verlassen hatten, gingen Lefti und Trysha über den Vorplatz, auf dem noch vereinzelt kaputte und verrostete Maschinen standen. Erst jetzt, nachdem sich Trysha wieder einigermaßen beruhigt hatte, merkte sie, dass ihr linker Arm, mit dem sie sich vor der Glasscheibe geschützt hatte und die rechte Seite ihrer Hüfte bluteten. Die Hüfte blutete zwar etwas stärker, weil sie sich, als sie durch das zu enge Loch geklettert war geschnitten hatte, doch in ihrem Arm steckten noch vereinzelte kleine Glassplitter. Ihre Schulter hatte auch ein paar abbekommen. Aber die konnte sie schnell entfernen, da sie nicht tief drinnen waren, was sie auch sofort tat. Als sie ihren Kopf zur Sicherheit nochmal befühlte, stellte sie fest, dass in ihrer Stirn ebenfalls ein paar kleine Splitter steckten. Trysha verzog das Gesicht, da der Schmerz langsam spürbar wurde, nachdem der Adrenalinschub zu ende war. Es blutete alles nicht sehr viel und die Verletzungen waren nicht bedrohlich, aber sie musste die Splitter loswerden.

Selbst konnte sie diese nicht entfernen, zumal sie die Splitter in ihrer Stirn nicht sehen konnte, geschweige denn eine Pinzette für die kleineren dabei hatte. Immerhin trug sie nur einen kurzen, schwarzen Minirock und das dazu farblich passende Korsett, was keine Ärmel hatte. In ihren Schuhen, oder ihren Handschuhen war auch kein Platz für eine angemessene ärztliche Ausrüstung gewesen, dachte sie ironisch.

Lefti, der ein Stück hinter ihr ging holte auf und meinte: „Ich bringe dich zur Zentrale damit du das wieder in Ordnung bringen kannst.“

„Ich bin nicht verletzt!“ widersprach sie reflexartig und warf Lefti einen missbilligenden Blick zu, „Es ist nur...“, sie keuchte vor Schmerz auf, da er einfach ihren linken Arm genommen und extra auf die Glassplitter gedrückt hatte. Er hielt an und obwohl sie fand, dass sie mit ihrer Größe von etwa einem Meter fünfundsiebzig groß genug war, beugte er sich trotzdem zu ihr herunter um zu zischen: „Wir gehen jetzt und kümmern uns darum!“ Seine Erkennungsmarke baumelte an seinem Hals und schlug ein paar Mal gegen seine Brust. Ohne weitere Einwände zu dulden drückte er noch einmal auf die Splitter in ihrem Arm, bevor er sie losließ.

Trysha sog scharf die Luft ein und presste die Zähne aufeinander, ihr Arm blutete jetzt wieder etwas mehr, da die Glassplitter noch tiefer unter die Haut gedrungen waren. Wütend ballte sie ihre rechte Hand zur Faust und schlug Lefti damit fest in die Seite. „Sag mal geht’s noch... ?! Was sollte das?“, giftete sie ihn an, hielt sich den linken Arm angespannt vom Körper weg und holte erneut zum Schlag aus. Lefti wehrte ihren Schlag diesmal jedoch ab und umfing ihre Faust.

„Es reicht jetzt... Du hättest es sowieso nicht zugegeben, selbst wenn du Schmerzen hättest“, spekulierte er während er sie am gesunden Arm hinter sich herzog. Beide durchquerten das große Eisengitter, das der Eingang zu der alten Fabrik war.

„Woher willst du das wissen?“, fragte sie misstrauisch und musterte ihn aus den Augenwinkeln.

„Weiß ich halt“, sagte er achselzuckend. Sie knurrte noch etwas Unverständliches, drehte den Kopf zur Seite und tat als wollte sie ihre Verletzung an der Hüfte noch mal überprüfen, doch in Wirklichkeit, wollte sie nur nicht, dass er merkte wie sie vor Schmerz die Lippen zusammenpresste.
 

Die Zentrale lag am anderem Ende der Stadt, doch da Lefti wie immer sein Motorrad dabei hatte, dauerte es nur dreißig Minuten, bis sie angekommen waren, was unter anderem auch daran lag, dass er nicht auf Ampeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder andere Verkehrsregeln achtete.

Das baufällige Gebäude, stand mitten in einem stillgelegten Industriegebiet und fiel unter den anderen ehemaligen Fabriken nicht weiter auf. Lefti schaute sich noch mal um und öffnete dann die große Eisentür im Hinterhof des verfallenen Gebäudes, Trysha schlüpfte hinein und er folgte ihr.

Sie waren jetzt im so genannten 'Vorraum', der eigentlich gar keiner war, sondern eher ein Raum zur Tarnung, damit niemand darauf kam das Gebäude näher zu untersuchen. Ein paar morsche Holzstühle standen an den Wänden, und eine kaputte Lampe hing an der Decke. Der Holztisch, der in einer Ecke stand, war reichlich alt und ein paar vergilbte Papiere lagen auf ihm. Wenn man es nicht gewusst hätte, dann würde man nicht vermuten, dass hier das Zentrum einer geheimen Organisation war. Trysha ging zur hinteren Wand und öffnete eine weitere Tür, die so aussah wie die Wand selbst und darum nicht leicht zu erkennen war.

Beide gingen hindurch und standen in einer großen, beleuchteten Halle. In dem Raum waren einige Schreibtische, hinter denen Leute saßen, die Aufträge meist über Computer annahmen, weiterleiteten, archivierten, das Geld einforderten und andere Sachen zu tun hatten. Die Organisation erfüllte sowohl Mordaufträge, als auch Nachforschungen, die zu Beschaffung von Informationen dienten. Diese Informationen konnten dann für teures Geld an die richtigen Personen verkauft werden. Die hintere Wand war voll gestellt mit Regalen und Aktenschränken, in denen die Aufträge nach ihren Schwierigkeitsgrad sortiert waren. Trotz der Helligkeit wirkte der Raum grau und kahl. Trysha erschauderte, sie mochte die Zentrale nicht.

Sie wendete ihren Blick auf dem größten Schreibtisch im Raum und atmete noch mal tief durch, bevor sie hinter Lefti herging.

„Schon wieder zurück?“, fragte Tryshas Vater, der gleichzeitig der Boss der Organisation war, als sie an den Schreibtisch traten. Er hatte kurze, dunkelbraune Haare, war dünn und ziemlich klein. Zudem trug er einen schwarzen Designer-Anzug und fühlte sich darin äußerst wichtig. Er las gerade einen Vertrag durch und war deswegen abgelenkt.

„Wie ist es gelaufen?“, fragte er nach und blickte immer noch nicht auf.

„Ganz gut. Wir haben den Auftrag wie gefordert ausgeführt“, erklärte Lefti ihm und nickte Trysha zu.

„Und wie sieht es mit den Zeugen aus?“, fragte der Boss scharf und kritzelte seine Unterschrift auf das Formular.

„Gibt keine“, antwortete Lefti mit fester Stimme.

„Gibt keine?“, fragte ihr Vater ungläubig und warf Trysha einen kurzen Blick zu, „Siehst du Tochter? Da kannst du noch was lernen! Der Junge weiß wie man so was macht.“

„Ach ja?“, fragte sie trocken und warf Lefti einen kurzen Seitenblick zu.

Der Boss legte den Vertrag weg, trug noch etwas in sein Notizbuch ein und als er endlich aufblickte um die beiden scharf zu mustern bemerkte er auch Tryshas Verletzungen.

„Na Tochter, warst du mal wieder unvorsichtig?“, fragte er schadenfroh, „Oder hast du dir das aus Versehen selbst angetan?!“ Ihr Vater lachte schallend über seinen eigenen Witz, doch Trysha blickte ihn nur missbilligend an. Auf so was war sie gefasst gewesen.

Lefti der wie immer alles beobachtete, wusste wenn Reilly - so hieß Tryshas Vater - sie noch weiter aufstachelte, würde es gleich wieder eine heftige Auseinandersetzung geben. Also ging er schnell dazwischen und fragte an Trysha gewandt: „Wie wär’s wenn du das jetzt behandeln lässt?“ Er deutete auf ihre Verletzungen.

„Ja, Trysha! Säubere deine Wunden!“, höhnte ihr Vater unangebrachter weise und lachte wieder. Trysha wollte etwas darauf erwidern, doch sie überlegte es sich anders, drehte sich ruckartig um und steuerte quer durch den Raum, auf das kleine Wundversorgungszimmer zu.
 

Lefti wunderte sich jedes Mal neu über die Beziehung zwischen Vater und Tochter. Er fragte sich warum Reilly nicht erleichtert war, dass seine Tochter unverletzt oder überhaupt zurückgekommen war. Er schien ihn sogar zu freuen wenn sie sich mal verletzte. Und wieso sollte ein Vater seine Tochter immer wieder in Lebensgefahr bringen wollen? Die einzige Erklärung, die er dafür hatte, war, dass Reilly seine Tochter abgrundtief hasste. Und sie ihn anscheinend auch. Aber warum?

„Also jetzt zu dir“, unterbrach ihn Reilly in seinen Überlegungen. Er kramte in einer der Schubladen herum und zog einen Zettel und zwei Umschläge heraus. „Erstmal die Bezahlung. Gib einen davon bitte Trysha.“ Er reichte ihm die beiden Umschläge und faltete dann einen Zettel auseinander. „Ich habe hier nämlich noch einen neuen Auftrag für euch“, erklärte er und las vor.
 

Trysha setzte sich auf den einzigen Stuhl in der Abteilung und atmete laut aus. Marion, eine der wenigen Frauen in diesem Raum, stellte sich neben sie und untersuchte ihren Arm.

„Wie ist das passiert?“, fragte sie freundlich und Trysha entspannte sich. Marion war etwas mollig und hatte ein gutmütiges Gesicht.

„Ich hab mich vor einer zersplitternden Glasscheibe geschützt“, sagte Trysha und hielt die Luft an, als Marion die Splitter am Arm durch leichtes Abtasten untersuchte. „Außerdem hab ich noch eine Wunde an der Hüfte, aber die heilt schon von selbst, da ist kein Glas mehr drinnen“, ergänzte Trysha und schaute auf die Wunde, die schon längst nicht mehr blutete. Als sie wieder hoch blickte sah Marion sie mitfühlend an.

„Ach Trysha! Das hört sich schon wieder an als wärst du das alles gewohnt“, dann fuhr sie an Tryshas Schulter fort mit ihrer Untersuchung.

„Bin ich auch!“, war Tryshas knappe Antwort. Sie mochte Marion, aber ihr Mitleid brauchte sie wirklich nicht.

„Die Splitter sind nicht allzu tief unter die Haut gedrungen, ich kann sie schnell entfernen“, war Marions Diagnose und sie ging zu ihrem Regal in dem verschiedene Gerätschaften und Medikamente standen. Sie holte Desinfektionsmittel, Verbände und eine feine Pinzette.

Trysha biss die Zähne zusammen als Marion die Glassplitter einzeln entfernte und die Verletzungen danach noch mal großzügig desinfizierte. Als sie fertig war und die Wunden an Arm und Schulter verband, war Trysha erleichtert und all die Anspannung des Abends fiel von ihr ab.

„So das hätten wir!“, sagte Marion und half Trysha aus ihrem Stuhl. „Soll ich dir die Wunde an der Hüfte nicht doch verbinden? Und wenigstens ein Pflaster auf die Stirn?“, fragte Marion nach näherer Betrachtung.

„Lass nur. So schlimm ist es nicht“, sagte Trysha und lächelte.

„Doch, doch! Jetzt habe ich die Wunden immerhin gesäubert und will sicher gehen, dass das auch so bleibt!Wir machen lieber keine halben Sachen!“ Also gehorchte Trysha und ließ die weitere Behandlung über sich ergehen. Nach getaner Arbeit packte Marion ihre Sachen wieder zusammen und meinte: „Ich hoffe du musst mich nicht sobald noch mal besuchen...“

„Ja“, sagte Trysha und wusste gleichzeitig, dass es wahrscheinlich anders kommen würde, „das hoffe ich auch.“ Sie verließ die Wundversorgung, sah sich in der Halle um und erblickte Lefti, der am anderen Ende des großen Raumes auf sie wartete.

„Sei vorsichtig“, rief Marion ihr noch hinterher und Trysha nickte.
 

Sie steuerte auf Lefti zu, der an der Wand lehnte und sie noch nicht bemerkt hatte. Trysha merkte wie sie sich schon wieder wappnete. Sie konnte nichts dagegen tun, aber wenn sie arbeitete und dabei Menschen tötete brauchte sie eine gewisse Distanz. Genau wie bei Gesprächen mit ihrem Vater. Da musste sie einfach auf alles gefasst sein, also tat sie so, als würde jede seiner Beleidigungen an ihr abprallen. Und so war es mittlerweile auch! Lefti kannte sie ebenfalls nicht anders und das war auch gut so.

„Warum wartest du auf mich?“, fragte Trysha ihn und er schaute sie kurz an.

„Wegen der Bezahlung“, er reichte ihr den Umschlag und blickte wieder zu den Fenstern. Diese befanden sich oben in dem hohen Raum, direkt unter der Decke, sodass niemand hineinschauen konnte.

Er machte keine Anstalten zu gehen.

„Ist noch irgendwas?“, fragte Trysha während sie den Umschlag unter ihrem Korsett verschwinden ließ.

„Dein Vater hat uns einen neuen Auftrag angeboten“, sagte Lefti ohne sie an zugucken. Trysha seufzte.

„Und? Worum geht's?“, fragte sie und lehnte sich neben ihn an die Wand.

„Drei Männer. Freitag in zwei Wochen im ehemaligen Rathaus, das im alten North-Hill Stadtteil steht“, sagte er knapp.

„Drei!? So viele hatte ich noch nie! Nur ein paar mal zwei, aber das war auch schon...“, sie stockte als er sich plötzlich zu ihr umdrehte und ihr kalt in die Augen sah.

„Ja! Da hattest du aber auch noch keinen Partner! Hör endlich auf die Alleingängerin zu mimen! Diesmal müssen wir es gemeinsam machen, denn ohne mich wirst du es nicht schaffen!“, zischte er sie an.

Trysha wusste nicht was sie dazu sagen sollte. Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Also hast du den Auftrag schon angenommen?“

Lefti lachte kurz ironisch auf und meinte: „Was denkst du denn? Natürlich.“ Damit stieß er sich von der Wand ab und ließ sie stehen.

„Wieso hast du das gemacht?“, rief sie ihm aufgebracht nach. Er hatte nicht das Recht dazu Aufträge hinter ihrem Rücken anzunehmen. „Du kannst das nicht einfach so entscheiden! Da mache ich nicht mit!“ Er blieb mit dem Rücken zu ihr stehen und drehte sich langsam wieder zu ihr um.

„Dann sag doch deinem Vater, dass du aussteigst! Ich für meinen Teil werde keinen Rückzieher machen“, meinte er grinsend und wusste, dass sie bei einer Auseinandersetzung mit ihrem Vater keinen Erfolg haben würde, wenn er selbst den Auftrag nicht ebenfalls hinschmiss.

Nein, Lefti war sich sogar sicher, dass Reilly es ihr irgendwie verbieten würde den Auftrag abzulehnen und sich besonders freuen würde, wenn er merkte, dass er Trysha eins ausgewischt hatte. Das war auch das Seltsame an Tryshas Rolle hier, sie bekam ihre Aufträge direkt vom Boss vorgeschlagen. Normalerweise war es so, dass man als Auftragskiller oder Spion zum Boss ging und dann fragte ob er einen Auftrag für einen hatte. Und zwar dann, wann man es selbst wollte!

Leftis grüne Augen blickten sie überlegen an. Sie wusste was Reilly dazu sagen würde und musste sich damit abfinden, dass er diesmal gewonnen hatte.

„Also dann bis in zwei Wochen! Wir treffen uns hier um Mitternacht und fahren als Team!“, meinte er noch und drehte sich wieder zum Ausgang.

„Lefti, warte! Ich...“, rief Trysha ihm hinterher. Sie wollte ihren nächsten Auftrag nicht schon in zwei Wochen erledigen müssen, das Geld in dem Umschlag würde länger reichen! Zumal sie noch etwas vom letzten Job hatte. Aber an Leftis Blick erkannte sie, dass sie ihn nicht überzeugen konnte. Sie biss sich verzweifelt auf die Unterlippe und senkte die Lider.

Als er sie so sah tat es Lefti plötzlich etwas Leid, dass er das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Vater für seine Vorteile genutzt und sie hintergangen hatte. Aber irgendwie musste er ihr doch begreiflich machen, dass nicht alle Entscheidungen bei ihr lagen. Außerdem hatte er keine Lust mit anzugucken, wie sie einen Auftrag nach dem nächsten absagte bis er womöglich pleite war.

„Tut mir leid, aber so läuft das jetzt“, seufzte er ohne Kampflust in der Stimme, zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder zum Gehen.

Trysha schaute ihm nach wie er die Zentrale verließ und wunderte sich über seine Entschuldigung. Das war nicht gerade seine Art. So wie sie Lefti kannte war er hartnäckig, rechthaberisch und beängstigend, aber nicht besonders einsichtig...

Aber kannte sie ihn überhaupt?, fragte sie sich unwillkürlich.
 

Reilly beobachtete die Szene von seinem Schreibtisch aus und obwohl er nichts hörte wusste er worum es ging. Der verächtliche Blick, den seine Tochter ihm zuwarf bevor sie sich auf den Heimweg machte, bestätigte seinen Verdacht.

Ja, dachte Reilly, sie würden es machen. Dieser Lefti Keaton war wirklich ein Glücksgriff gewesen. Erstens ergänzten sich die beiden perfekt in ihrer Arbeit, aber das war eher nebensächlich. Viel mehr ging es ihm darum, dass er dadurch seine Tochter besser im Griff hatte, denn Lefti schien Aufträgen schneller und dienstbereiter zu zusagen. Mit Tryshas Zeitschinderei war es jetzt also vorbei!

Reilly griff zu seinem Telefon und wählte eine Nummer. Er wartete kurz bis sich jemand am anderen Ende meldete.

„Ja?“

„George? Ich bin's Reilly“, sagte er leise.

„Und? Läuft alles so wie abgemacht?“, fragte der andere.

„Also meine Leute haben zugesagt, wie sieht es bei dir aus?“, fragte Reilly und grinste.

„Meine auch. Ich hoffe ich kann darauf vertrauen, dass du fair spielst und deine Leute nicht einweihst...“

„Wieso so misstrauisch?“, spottete Reilly, „Ich arbeite sauber! Und ich hoffe du kannst das Gleiche von dir behaupten!“

„Allerdings! Sie ahnen nichts und denken es wäre ein ganz normaler Auftrag“, der Mann namens George lachte. „Mal sehen wer die besseren Angestellten hat!“

„Das wüsste ich auch ohne diesen kleinen Wettbewerb, deswegen schickst du ja auch drei deiner Leute und ich nur zwei!“, sagte Reilly siegessicher.

„Ha! Das werden wir ja sehen! Außerdem wolltest du doch unbedingt spielen! Na ja, wenn du so scharf darauf bist deine Mitarbeiter zu verlieren, bitteschön.“

„Du wirst dich noch wundern!“, zischte Reilly in den Hörer und legte auf.

Er grinste verschlagen vor sich hin. Er liebte diese kleinen Konkurrenzkämpfe mit George, der auch eine Auftragskiller-Organisationen in Chicago führte. Damit waren sie auch die einzigen beiden in der Stadt, aber da Reilly Bosse aus anderen Städten kannte, wusste er, dass diese Spielchen bei allen beliebt waren. Deswegen war es auch leicht, diese in die Wege zu leiten.

Jeder suchte ein paar seiner besten Killer heraus und sagte ihnen sie hätten einen ganz normalen Auftrag bekommen. Dann schickten beide Bosse ihre Leute an den selben, abgelegenen Ort und warteten welches Team zurück kam. Reilly lehnte sich zufrieden lächelnd zurück.

Er hatte wirklich eine talentierte Tochter...
 

***
 

Episode 1 ist mit zwei Kapiteln abgeschlossen! ~.^

Dieses Lied passt perfekt zu Tryshas Charakter und spiegelt ihre Gefühle im Laufe der Story wieder:

kelly clarkson - miss independent

http://www.youtube.com/watch?v=dS1ZW0FdoIU&ob=av2e

(das video passt natürlich nicht so ^^ nur der song)
 

lg Caro~

Episode 2: Trysha Iscold

Trysha Iscold
 

Trysha machte sich auf den Weg, sie wohnte weiter Downtown und musste eine Viertelstunde laufen, bevor sie endlich vor dem großen Hochhaus stand. Es hatte zehn Stöcke und war schon etwas älter. Nachts sah es aus wie jeder andere Betonklotz in der Umgebung auch, doch tagsüber fiel auf, dass es im Gegensatz zu den anderen etwas besser erhalten war. Das lag wohl unter anderem auch an ihrem Hausmeister, Newt, der sich jeden Tag aufs Neue mit viel Elan in seine Arbeit stürzte.

Trysha schloss gähnend die Haustür auf und trat in das große Treppenhaus. Sie wohnte im sechsten Stock, doch, und das war noch etwas was sie an diesem Haus mochte, es gab einen Fahrstuhl. Der war zwar regelmäßig defekt, doch genauso schnell auch wieder repariert, da es Newt gab. In der Nachbarschaft funktionierten die Fahrstühle fast alle nicht mehr, darum hatte Trysha Glück, dass sie sich beim Umzug für dieses Hochhaus entschieden hatte, obwohl alle gleichviel Miete gekostet hätten. Trysha drückte auf den leuchtenden Knopf und hörte den Fahrstuhl anfahren. Nach ein paar Sekunden öffnete sich die Tür und sie drückte auf die Nummer sechs.

In zwei Wochen, dachte sie als der Fahrstuhl anfuhr, das war ein Montag. Da es üblich war, am Tag eines Auftrags, um 23 Uhr in der Zentrale zu erscheinen, stellte sie sich schon mal seelisch darauf ein.

Der Fahrstuhl stoppte mit einem Ruck, Trysha trat in den Flur und ging zu ihrer Wohnung, die die Letzte in dem Gang war. Müde tastete sie nach dem Schloss und öffnete schließlich die Tür. Sie schlüpfte hinein und schaltete das Licht an.

Ihre Wohnung bestand aus einem Bad, einer Küche, einem kleinen Abstellraum, einem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer, sie waren alle, bis auf die Küche mit dem kleinen, länglichen Flur verbunden, indem sie stand. Um in die Küche zu gelangen musste man kurz durch das Wohnzimmer, an dem außerdem noch ein kleiner Balkon nach draußen führte.

Trysha zog ihre Pumps aus, streifte ihre schwarzen Latexhandschuhe ab und ging in die Küche, wo ihr Kater, Mr. Sparkles schon auf sie gewartet hatte.

„Hey Sparky“, begrüßte sie ihn und streichelte ihn kurz, während sie ihm Futter in seinen Napf gab. Mr. Sparkles hatte leuchtend grüne Augen und war ein Halbpersakater mit etwas längerem, weichem Fell und einer Nase, die nicht eingedrückt war. Sein Fell war schwarz, aber auf seiner Stirn hatte er einen weißen Fleck.

„Eigentlich bist du ja schon dick genug... na was soll’s...“, sagte sie und kraulte ihn noch mal hinter den Ohren, bevor sie ihren Kühlschrank öffnete. Sie griff nach dem erst besten Fertiggericht und stellte es in die Mikrowelle.

Trysha lehnte sich an den Schrank und wartete bis es fertig war, wobei sie an sich runter schaute. Sie hatte immer noch ihre Arbeitskleidung an, die durch und durch schwarz war. Sie schnallte ihre Waffen ab und legte sie in den Schrank hinter die Teller. Sie entschloss, sich erst umzuziehen und ging in ihr Schlafzimmer, wo sie aus ihren Sachen in einen flauschigen Bademantel schlüpfte.

Jetzt war sie wieder sie selbst, nicht mehr Trysha, die Tochter ihres Vaters, die Mörderin oder die Abgehärtete, die alles vertragen konnte. Die Mikrowelle piepte drei Mal und Trysha schmiss noch schnell die Wäsche und ihre Arbeitsklamotten in die Waschmaschine. Dann aß sie am Küchentisch den Teller leer, machte sich im Bad fertig und krabbelte dann in ihr Bett, wo sie auch sofort erschöpft ein schlief, nachdem sie auf dem digitalen Wecker mit den rot leuchtenden Zahlen festgestellt hatte, dass es halb drei war.
 

Trysha wurde von etwas rauem geweckt, das ihr über das Gesicht strich. Es war Mr. Sparkles Zunge, mit der er sie zu wecken versuchte.

„Ach Mister Sparkles...“, seufzte Trysha und drehte sich auf die andere Seite. Sparkles kletterte über sie und stupste sie mit seiner Nase an, wobei er miaute. „Ja ja, du kriegst ja gleich was“, sagte Trysha und schielte auf den Wecker, es war neun Uhr morgens. Sparky stellte sich demonstrativ auf Trysha und blickte sie an.

„Hast ja gewonnen... verfressenes Ding...“, gab Trysha sich geschlagen und stand träge auf. Sie fütterte Sparky im Halbschlaf und entschied sich wieder zurück ins Bett zu gehen, da sie gerade mal sechs Stunden geschlafen hatte.

Und da blieb sie auch, bis die grelle Mittagssonne, die durch ihr Schlafzimmerfenster schien, sie wieder weckte. Trysha öffnete die Augen und streckte sich, dann war sie hellwach. Sie stand auf und ging in die Küche, doch als sie in den Kühlschrank guckte sank ihre Laune wieder, da er nur noch eine Tüte Gemüsesuppe, ein winziges Stück Butter und vereinzelte Salami und alte Käsescheiben enthielt. Sie würde irgendwo anders Frühstücken müssen und danach einkaufen gehen. Also ging sie auf den Balkon um zu gucken wie warm es war. Passend zur Jahreszeit herrschte sommerliche Wärme. Trysha freute sich schon auf das Einkaufen, sie konnte den Anfang der Fußgängerzone von hier oben schon sehen und grinste. Sie streckte ihr Gesicht kurz der Sonne entgegen und eilte dann ins Badezimmer. Als sie fertig war ging sie in ihr Zimmer und durchwühlte ihren Kleiderschrank, nach dem hellblauen Minikleid, was sie letzte Woche gekauft hatte. Heute waren die richtigen Temperaturen um es einzuweihen. Sie zog es an und steckte ihre kleine Waffe, die sie für gewöhnlich immer bei sich trug, in ihren BH, nur für alle Fälle. Sie öffnete die Schranktür ganz und stellte sich vor den Spiegel der an der Innenwand angebracht war.

Das Kleid war so kurz, dass sie sich besser nicht bücken sollte, es hatte keine Ärmel und einen V-Ausschnitt, der unten mit Bändern zugeschnürt war. Man konnte die Bänder variieren und Trysha schnürte sie ein wenig weiter zu. Obwohl das Kleid so freizügig war strahlte sie darin dennoch eine gewisse Eleganz aus. Um das zu betonen, legte sie sich eine kleine Silberkette um und streifte noch ein paar Armreifen über. Zufrieden lächelte sie kurz ihr Spiegelbild an, holte ihr Geld und schlüpfte noch in ihre weißen Sandaletten.

So ging sie aus der Wohnungstür und schloss hinter sich ab.

Episode 2: Lefti Keaton

Lefti Keaton
 

Lefti musste sich beeilen, denn er hatte um zwölf Uhr eine Verabredung. Er freute sich schon auf Carry, die er erst vor kurzem kennen gelernt hatte. Er wollte es sich mit ihr nicht verderben, indem sein Temperament unkontrolliert mit ihm durch ging, denn das passierte ihm nicht selten, wenn er mit anderen Menschen redete. Also hatte er sich für heute vorgenommen sich nur von seiner besten Seite zu zeigen.

Er ging die Straße in Richtung Stadt weiter und durchquerte die halbe Fußgängerzone, bis er zu dem Eiscafé, in dem er sich mit Carry treffen wollte kam. Es war am Rand eines großen Marktplatzes, in dessen Mitte ein riesiger Brunnen stand, aus dem eine Wasser Fontäne in den Himmel schoss. Carry wartete schon auf ihn, hatte ihn aber noch nicht bemerkt und studierte angestrengt die Speisekarte. Da die Sonne schien und es warm genug war, saß sie draußen vor dem kleinen Restaurant an einem Tisch. Langsam ging er auf den Tisch zu und blieb direkt davor stehen. Carry blickte auf.

„Oh! Hi...“, sagte sie leicht verwirrt, als hätte sie ihn nicht erwartet und fuhr sich durch das lange, lockige Haar. Sie lächelte nervös und schaute wieder auf die Karte. Lefti freute sich über ihre Verlegenheit und setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.

„Hey Carry“, begrüßte er sie.

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann legte sie die Karte beiseite.

„Hallo“, sagte sie gefasster als davor und ihre blauen Augen funkelten ihn an. Er griff sich die Speisekarte und schlug sie auf.

„Und? Was nimmst du?“, fragte er.

„Ich nehme das Frühstück“, sagte sie und lehnte sich zurück.

„Okay, dann nehme ich das Gleiche wie du.“ Lefti winkte der Kellnerin zu, die sofort an den Tisch trat.

„Ja?“, fragte sie freundlich und zückte ihr Notizbuch.

„Wir nehmen zweimal das Frühstück und als Nachtisch...“, Lefti zog eine Braue hoch und blickte Carry an.

„Ich nehme ein Erdbeereisbecher“, sagte sie prompt und zog nun ihrerseits die Braue hoch und schaute Lefti an.

„Ich nehme ein Fischbrötchen“, sagte er.

„Fischbrötchen?“, fragte Carry als die Kellnerin weg war, „Was ist das denn für ein Nachtisch?“

„Tja“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Carry lachte und lehnte sich nach vorne, sodass ihre braunen Haare ihr Gesicht einrahmten. Sie hatte ein schönes Gesicht, mit feinen Zügen und einer kleinen Nase. Ihre Lippen waren die meiste Zeit zum Grinsen nach oben gezogen. Er merkte, dass sie in seiner Gegenwart etwas nervös war, doch das würde er schon hinbekommen.

Sie unterhielten sich noch eine Weile bis das Essen kam, dann aßen sie und Carry erzählte ihm von ihrem Job. Sie war Verkäuferin in einer riesigen Modefilliale und konnte Lefti mit den Geschichten, ihrer Begegnungen mit verwirrten Kunden zum Lachen bringen.

„Das kann ja jeder behaupten!“, rief Carry und lachte. „Du kannst mir nicht erzählen, du wärst Geschäftsmann!“, und wieder kicherte sie.

„Ach und warum nicht?“, fragte er grinsend und lehnte sich zurück.

„Weil...“, sie überlegte, während die Kellnerin den Nachtisch vor sie auf den Tisch stellte. „Weil das gar nicht zu dir passt!“, sagte sie bestimmt und steckte zur Betonung ihren Löffel in das Eis.

„Ach und warum nicht?“, fragte er noch mal und funkelte sie amüsiert an. Carry musterte ihn verlegen.

„Weil du dazu viel zu gut aussiehst...“, sagte sie und löffelte mit gesenktem Kopf an ihrem Eis.

Für ein paar Sekunden war Lefti sprachlos, dann fing er an zu lachen.

„Aha. Du findest also ich sehe gut aus?“, fragte er schmunzelnd über die zunehmende Röte in ihrem Gesicht und biss herzhaft von seinem Fischbrötchen ab.

„Nein! Natürlich nicht“, antwortete sie etwas zu schnell und starrte auf ihr Eis.

Lefti stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab und hörte ihr gespannt zu. Als Carry zu ihm rüber linste, wurde ihr erst das Ausmaß dessen bewusst, was sie gerade getan hatte. Als ob sein Ego nicht schon aufgeblasen genug war! Sie entschloss, ihm einen Dämpfer zu verpassen.

Sie steckte sich einen Löffel Eis in den Mund und erklärte: „Ich meine nur, dass die meisten Geschäftsmänner hässliche, alte Knacker sind. Du bist höchstens fünfundzwanzig.“

„Vierundzwanzig“, verbesserte Lefti.

Carry verdrehte schauspielerisch die Augen nach oben und seufzte.

„Na ja, trotzdem. Nicht, dass du falsche Schlüsse ziehst, ich wollte dir keine Hoffnungen machen“, sie grinste ihn an und leckte provozierend das Eis von ihrem Löffel. Lefti musste sich ein Lachen verkneifen und sagte: „Das ist natürlich schade.“

„Ja, findest du?“, fragte sie und wendete so das Blatt.

„Ja, das finde ich“, meinte er, schob sich das letzte Stück seines Fischbrötchens in den Mund und funkelte sie mit seinen grünen Augen an, „und was ist mit dir?“

„Nein, eigentlich nicht...“, meinte Carry etwas zu spitz.

Lefti konnte nicht mehr anders und lachte los, Carry verlor jetzt auch die Beherrschung und setzte mit ein. Als sie sich wieder beruhigt hatten winkte Lefti wieder die Kellnerin zu sich und bezahlte das Essen.

„Komm wir gehen!“, sagte er und stand auf, Carry tat es ihm nach und warf einen Blick auf die große Parkuhr, die auf der anderen Seite des großen Marktplatzes stand.

„Es ist ja schon viertel nach eins!“, rief sie entgeistert. „Meine Mittagspause ist gleich vorbei und ich hab um halb zwei eine wichtige Besprechung auf der Arbeit.“ Sie blickte Lefti entschuldigend an. Der nickte nur.

„Wo steht dein Auto?“, fragte er.

„Ach du brauchst mich nicht hin zubringen“, antwortete Carry und trat neben ihn.

„Ok, wenn du meinst“, sagte er und zuckte mit den Achseln.

Carry lächelte ihn an und sah dabei so toll aus, mit ihren Locken und in ihrem gelben Rüschentop, dass er einfach nicht anders konnte, als sich zu ihr herunter zu beugen und ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Carry schien ein wenig überrascht, doch kurz darauf grinste sie und fragte: „War das etwa alles?“ Dann fuhr sie mit ihren schlanken Fingern in sein blondes Haar und zog seinen Kopf zu sich herunter um ihn richtig zu küssen.

„Ruf mich an“, flüsterte sie an seinen Lippen. Carry strich mit ihrer Hand über sein T-Shirt und löste sich von ihm. Dann drehte sie sich zum Gehen.

Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen, denn einerseits war ihr Chef sehr genau, was das anging und andererseits würde sie heute vielleicht endlich befördert werden.

Lefti schaute ihr sprachlos nach. Er leckte sich andächtig die Lippen und schmeckte einen Hauch von Erdbeere. Dann grinste er und steckte sich die Hände in die Taschen. Er ging in die Richtung, aus der er gekommen war und bemerkte nicht, wie ein Mann, der Zeitung las, ihn unauffällig beobachte.

Erst als Lefti außer Sicht war, legte dieser seine Zeitung weg und blickte nach kurzem Überlegen in die Richtung in die Carry weggegangen war. Ein gehässiges Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann stand er auf und folgte ihr in unauffälligem Abstand.
 

Lefti schlenderte durch die Fußgängerzone, auf dem Weg zu dem großen Parkplatz, wo sein Motorrad stand, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Das Grinsen, das die ganze Zeit auf seinen Gesichtszügen gewesen war, verschwand abrupt. Nicht mal hundert Meter von ihm entfernt, stand eine Frau, vor einem Schaufenster, die er nur zu gut kannte. Sie hatte weiße Schuhe und ein hellblaues Minikleid an. Es war Trysha. Er hatte sie noch nie außerhalb der Arbeit getroffen, und wollte es auch nicht. Sie trieb ihn jedes Mal in den Wahnsinn, wenn sie sich stur stellte und einfach das tat was sie wollte. Sie war so ganz anders als Carry. Carry war nett und verständnisvoll, aber Trysha...

Außerdem, was hatte sie da eigentlich an? Fragte er sich. Diesen blauen Fetzen, der mehr zeigte als er verbarg, konnte man wohl nicht als Kleidung bezeichnen. In ihrer Arbeitskleidung sah sie auch meistens wie eine männermordende-Domina aus, der nur noch eine Peitsche fehlte! Obwohl das ja sogar zum Teil stimmte.

Das war auch etwas was er an Carry so schätzte, ihre Art wie sie sich kleidete. Und zwar ganz normal. Dennoch fand er nicht, dass Trysha schlecht aussah, in dem was sie trug. Nein, ganz im Gegenteil, es gefiel ihm sogar irgendwie, zu seinem eigenen Missfallen. Sie hatte schon Stil und war auch richtig für diese Art von Kleidung gebaut mit ihren endlos langen, schlanken Beinen, ihrer runden Hüfte und der im Gegensatz dazu dünnen Taille. Sie war zweifellos sexy, das musste er zugeben. Aber er wusste auch, dass es darauf nicht ankam, schon gar nicht in der Beziehung, die sie beide zueinander hatten. Trotzdem juckte es ihm jedesmal in den Fingern ihr etwas anständiges anzuziehen, wenn er sie sah. Er schüttelte den Kopf um die Gedanken abzuwerfen, ging unauffällig weiter und schaffte es, dass Trysha ihn nicht bemerkte.
 

Ein paar Tage später rief Lefti bei Carry an und als er heraus fand, dass sie noch nie auf einem Motorrad gesessen hatte, verabredeten sie sich um mit seinem durch die Gegend zu fahren. Also schwang sich Lefti am nächsten Tag, mit einem weiteren Helm im Schlepptau, auf sein Gefährt und fuhr zu ihr, wobei er alle Hände voll damit zu tun hatte ihr Haus zu finden. Sie wohnte in der äußersten Vorstadt und hatte ein kleines Anwesen, das sie von ihrem Vater zum achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Er war ein erfolgreicher Immobilienmakler und hatte deshalb das Geld dazu. Aber ihre Eltern lebten nicht hier. Sie lebten in Los Angeles, was über zweitausend Kilometer von Chicago, wo ihre Tochter lebte, weg war. Lefti stoppte seine Maschine und stieg ab. Er ging zur Tür und klingelte. Es tat sich nichts also versuchte er es noch mal. Auch diesmal erfolglos.

„Wo bleibt sie bloß?“, murmelte er und schaute auf sein Handy.

Vierzehn Uhr, es war die richtige Zeit und er klingelte noch mal. In die Tür war eine Scheibe eingebaut und er lugte hinein. Drinnen bewegte sich nichts. Er holte zur Sicherheit noch mal den Zettel raus, auf der er sich ihre Adresse notiert hatte und verglich die Hausnummern, sie stimmte und die richtige Straße war es auch. Lefti entschloss sich um das Haus herum zugehen, vielleicht war ihre Klingel kaputt.

Sie hatte eine kleine Grasfläche hinter dem Haus und darauf waren ein paar Büsche gepflanzt. Auf dieser Seite des Hauses, war ein gepflasterter Platz, der sich bestimmt gut zum Grillen eignen würde. Prompt überkam ihn ein Hungergefühl und er beschloss mit ihr ein paar deftige Burger essen zu gehen.

Lefti ging zu der großen Glastür, durch die man von innen auf den Platz kam und guckte hinein. Als er sah was da drinnen los war, musste er grinsen, Carry war also nicht so der ordentliche Mensch. Überall lagen Klamotten herum. Die Tischdecken waren nicht auf, sondern neben den Tischen, überall lagen Gegenstände, sogar ein Bild hing nicht mehr an der Wand.

Lefti stockte, neben einem Regal lagen Scherben von einer Vase und bei dem Bild, das auf dem Boden lag war das Glas gebrochen. In einem Spiegel an der Wand konnte er erkennen, dass der Fernseher noch lief, aber es saß niemand auf dem Sofa. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihm breit. Das war keine normale Unordnung. Irgendetwas war hier passiert und er würde raus finden was. Dann bemerkte er, dass der Griff der Balkontür, durch die er guckte waagerecht stand, das war garantiert kein Zufall. Er öffnete vorsichtig die Tür. Der schwache Geruch der ihm entgegen schlug ließ ihn zusammenzucken. Es roch zwar nur unterschwellig, aber für ihn, eindeutig nach Blut. Diesen Geruch kannte er genau und würde ihn immer erkennen. Lefti zog zögernd seine Waffe, die er sich immer in den Hosenbund seiner Jeans steckte und unter seinem T-shirt am Körper trug, sodass niemand sie sah. Er war sich mittlerweile sicher, dass hier etwas faul war. Vielleicht war jemand eingebrochen und Carry hatte gerade Fernsehen geguckt. Vielleicht hatte sie den Einbrecher gehört und hatte sich gegen ihn wehren wollen. Doch wieso sollte hier überhaupt jemand einbrechen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Carry sonderlich reich war, schließlich war sie Verkäuferin. Vielleicht war der Verbrecher auch noch im Haus und hatte Carry als Geisel genommen, das wäre sinnvoller, denn dann könnte dieser ihren Vater erpressen. Lefti schossen tausend Fragen und Vermutungen durch den Kopf.

Er blickte sich noch ein paar Mal im Raum um, aber hier war nichts weiter bis auf die merkwürdige Unordnung. Also ging er vorsichtig durch die einzige Wohnzimmertür in den nächsten Raum. Sein Blick verfinsterte sich, als er die riesige Blutlache sah, die sich vor ihm auf den Fliesen befand. Eine Spur von Blut führte zu dem Telefon auf der Kommode, dessen Hörer auch blutig war und daneben lag. Außerdem stand die nächste Tür offen, die durch die man in den Flur kam. Aber es gab keine richtige Blutspur die dorthin führte, nur ab und zu ein paar Tropfen, jemand hatte das Opfer getragen.

In Lefti kroch langsam die Panik hoch, was war mit Carry passiert? War das ihr Blut? Und wo war sie jetzt? Lefti folgte den Tropfen, doch sie endeten auf dem Flur. Er durchsuchte noch schnell die anderen Räume, in denen es aber nichts Verdächtiges mehr gab. Dann kehrte er grimmig in den Flur zurück. Nach kurzem überlegen nahm er sein Handy, klappte es auf und wählte Carrys Nummer. Er horchte durch das Haus, aber er hörte nichts, also hielt er sich das Handy ans Ohr. Das Freizeichen ertönte, doch es nahm niemand ab. Lefti wollte gerade auflegen, als doch noch jemand dran ging. Es war nicht Carry.

„Hallo?“, meldete sich ein Mann am anderen Ende.

„Wer bist du?“, zischte Lefti in sein Handy.

„Oh, Entschuldigung! Ich bin Robert Durigan. Ich arbeite im Chicagoer Hauptkrankenhaus und verwalte die Sachen der Patienten. Sie wollten mit Mrs. Carry Villano sprechen?“, fragte dieser Robert freundlich.

„Ja verdammt noch mal! Was ist hier eigentlich los? Geht es ihr gut?“, rief Lefti aufgebracht.

„Tut mir Leid, ich kann sie Ihnen nicht geben. Ich hab leider keine Informationen über ihren derzeitigen Zustand, da müssen Sie schon den zuständigen Arzt fragen“, erklärte Robert ihm entschuldigend, „Wissen Sie, ich bin nur der Verwalter.“

„Ja, ja! Dann geben Sie mir doch den Arzt“, forderte er ungeduldig.

„Es tut mir sehr Leid, das geht nicht“, sagte Robert kleinlaut.

Lefti wurde immer aufgeregter und es kostete ihn viel Selbstbeherrschung um freundlich zu bleiben. Dieser Verwalter war auch zu gar nichts fähig! Lefti machte sich während er telefonierte auf den Weg zu seinem Motorrad.

„Wissen Sie denn auf welcher Station sie liegt?“, fragte er und riss sich zusammen.

„Ähm, tut mir leid, ich...“

„Hören Sie endlich auf sich für alles zu entschuldigen und sagen Sie doch einfach, dass sie keine Ahnung haben!“, unterbrach Lefti ihn und klappte sein Handy wütend zu. Dann schwang er sich auf sein Motorrad und fuhr so schnell es ging zum Krankenhaus.

Was war nur passiert? War Carry verletzt und lag im Krankenhaus? Wahrscheinlich schon, das würde auch erklären, wieso ihr Handy sich dort befand. Hatte sie selbst im Krankenhaus angerufen? Denn das würde bedeuten, dass das Blut in dem Raum ihr gehörte, was kein gutes Zeichen wäre.

Als er endlich ankam, sprang er von seinem Motorrad und ging in das große Gebäude, schnurstracks auf den Auskunftsschalter zu, hinter dem eine dickere Frau mit weißem Kittel saß.

„Ich suche Carry Villano“, sagte er ruhig. Die Frau fuhr mit dem Finger auf einem Zettel mit einer Tabelle drauf entlang. Dann blickte sie auf.

„Zweiter Stock, den ganzen Gang bis nach hinten gehen, dann durch die Glastür in die Intensivstation. Da müssen Sie sich dann noch einmal erkundigen“, gab sie ihm die Information.

„Wissen Sie was mit ihr ist?“, fragte er geduldig.

„Nein, tut mir Leid.“

„Danke“, presste Lefti hervor. Immer dieses tut mir Leid. Wer wusste hier überhaupt irgendwas? Ein paar Minuten später stieß er die Tür zur Intensivstation auf und fing den ersten Arzt, der ihm über den Weg lief ab.

„Wo ist Carry Villano?“, fragte er.

„Tut mir Leid, das weiß ich nicht“, sagte der schwarzhaarige Arzt und lächelte ihn freundlich an. Lefti drehte sich der Magen um. Er schloss die Augen.

Ganz ruhig, mit Gewalt würde er hier auch nicht weiter kommen. Obwohl es ihn wirklich reizte diesen ganzen Betongrinsern ordentlich eine runter zu hauen, sodass ihnen ihr Grinsen verging!

„Wissen Sie... vielleicht wer das weiß?“, fragte er und rang um Beherrschung. Aber wenn dieser dumme Quacksalber, der ihn immer noch ununterbrochen angrinste jetzt einen Satz sagte, der mit, tut mir Leid anfing oder endete, konnte er für nichts garantieren.

„Ja, der Mann da hinten!“, der Arzt deutete auf einen Mann, der in einem kleinen Raum hinter einer Scheibe mit einem Loch saß.

Lefti ließ von dem Arzt ab und ging zu der Scheibe.

„Wo finde ich Carry Villano?“, fragte er nochmals, diesmal durch das Loch in dem Glas.

Der Mann hinter der Scheibe antwortete ohne zu überlegen: „Ach, die junge Dame ist im OP. Sie wurde vor einer Stunde hergebracht, hat ziemlich viel Blut verloren. Da können Sie im Moment nicht rein. Sind Sie verwandt?“

„Nein. Ich bin... ihr Freund“, murmelte Lefti und sortierte seine Gedanken. War er das?

„Können sie mir sagen wie es aussieht? Also, ist es schlimm? Kommt sie durch, ich meine...“, er brach ab und sah den etwas dickeren Mann hinter der Scheibe verloren an. Dieser durchwühlte kurz unschlüssig seine Unterlagen und meinte dann zögernd: „Sie hat Schusswunden... und hohen Blutverlust. Scheint ziemlich kritisch zu sein... Wie gesagt sie ist noch im OP.“

„Kann ich...“, Lefti schluckte und der Mann schien seine Frage zu erahnen.

„Nein, sie müssen warten, bis jemand raus kommt, setzten sie sich doch auf einen der Stühle um die Ecke. Da haben sie den OP-Raum im Blick und sehen wenn jemand raus kommt.“

Lefti nickte und tat wie ihm geheißen.

Was war nur passiert? Er ließ sich auf einen der unbequemen Stühle sinken. Wieso war Carry angeschossen worden und vor allem wer hatte es getan? Er wusste es nicht, aber dieser jemand würde es büßen müssen. Das stand fest!

Hoffentlich würde die Operation nicht mehr lange dauern, denn diese Unsicherheit war schier unerträglich. Lefti fuhr sich nervös durch das Haar und wartete ab.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, als endlich ein Arzt aus dem OP-Raum kam und ihn bemerkte. Lefti erhob sich angespannt und trat fragend auf den Mann zu. Dieser schaute ihn zerknirscht an und knöpfte den oberen Knopf seines weißes Kittels auf.

„Wie geht es ihr?“, fragte Lefti mit einer bösen Vorahnung.

„Wir haben alles versucht.“

„Was soll das heißen?“, fragte er entgeistert, obwohl er es auch so wusste. Der Arzt schaute ihn mitleidig an.

„Es tut mir Leid, sie ist vor ein paar Minuten gestorben.“ Er legte seine Hand kurz auf Leftis Schulter und drückte sie. Dann ging er an ihm vorbei und ließ ihn allein.

Lefti ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken.

Es tat ihm Leid, hatte der Arzt gesagt, doch diesmal regte es Lefti nicht auf. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Es kam ihm alles so unwirklich vor, Carry konnte doch nicht einfach so tot sein! Wie war es bloß dazu gekommen? Hätten er und Carry sich doch ein paar Stunden eher verabredet, vielleicht würde sie dann noch leben.

Sein Handy fing an in seiner Tasche zu vibrieren. Geistesabwesend klappte er es auf und hielt es sich ans Ohr.

„Ja?“, fragte er kraftlos.

„Hallo Keaton. Vermisst du deine kleine Freundin schon? Immerhin hat sie hat es dir zu verdanken...“, sagte eine tiefe Stimme am anderen Ende.

„Was?“, fragte Lefti und runzelte die Stirn. Dann hörte er nur noch das monotone Piepen des Freizeichens. Er ließ langsam das Handy sinken.

Mir zu verdanken? Fragte er sich, hatte Carry wegen ihm sterben müssen? Er kniff die Augen zusammen. Das war eine Lüge, wie konnte es seine Schuld sein? Er hatte nichts getan um sich jemanden derart zum Feind zu machen, dass er seine Freundin tötete, oder doch? Was hatte das alles zu bedeuten?

Aber wieso sollte der Mann ihn ohne Grund anrufen? Bestimmt nicht um ihm einen dummen Streich zu spielen. Und woher wollte der wissen, dass Carry an ihren Verletzungen sterben würde, wenn er sich nicht selbst ein Bild davon gemacht hatte? Lefti schüttelte den Kopf, vielleicht war es doch keine Lüge. Er wollte sich gar nicht vorstellen was Carry, anscheinend auch noch dank ihm, durchgemacht hatte.

Und jetzt war sie tot, und er konnte sich noch nicht einmal bei ihr entschuldigen, für das, was er ihr angetan hatte.

Aber es machte ihn nicht traurig, sondern wütend. Seine so genannte Kindheit verbot es ihm geradezu traurig zu sein. Daran war sein Vater schuld, denn jedes Mal, wenn er früher geheult hatte, hatte er von seinem Vater ein paar gesetzt bekommen. Das war auch der Grund für einen Großteil seiner heutigen Probleme.

Doch jetzt wollte er nicht wütend sein, er wollte traurig sein! Das einzige, was er wollte, war zu Carry hinein zu gehen und traurig zu sein, weil er es durfte. Traurig sein, weil er jemanden verloren hatte, der dabei gewesen war ihm sehr wichtig zu werden! Traurig sein weil es auch noch seine Schuld sein sollte!

Doch er konnte es nicht. Er drückte seinen Hinterkopf an die Wand und öffnete die Augen. Eine der hellen Deckenlampen flackerte.

Er konnte es einfach nicht. Stattdessen holte er sein Handy heraus und rief die Daten des letzten Anrufes ab. Nummer unterdrückt. Lefti biss die Zähne zusammen. Er würde schon noch raus kriegen wer und wo dieser Psycho war und dann konnte der sich auf was gefasst machen!
 

***
 

So, die Episode 2 ist jetzt auch innerhalb von zwei Kapiteln abgeschlossen. Ich weiß, dass sie blöd eingeteilt sind und das von Lefti zu lang ist, aber es ging nicht anders^^

Episode 3: Teamarbeit?

Teamarbeit
 

Trysha stand ungeduldig vor der Zentrale unter einer Straßenlampe. Ihr Vater hatte gesagt, dass sie spätestens um 23.30 Uhr weg mussten, wenn sie das alte Rathaus rechtzeitig erreichen wollten. Da der Auftrag, so wie fast jeder andere auch um 24 Uhr los ging. Denn die meisten Auftraggeber fanden, dass das die originellste Zeit war. Eigentlich traf man sich um 23 Uhr schon in der Zentrale, um eine Art Besprechung zu machen und vielleicht auch schon eher los zu fahren um sich mit dem Gebäude vertraut zu machen.

Aber Fakt war, dass es jetzt schon eine Viertelstunde vor Mitternacht war und immer noch keine Spur von Lefti. Wieso kam er ausgerechnet heute zu spät? Wo sie doch drei Zielpersonen hatten! Sie konnte sich unter keinen Umständen vorstellen, dass er Bammel gekriegt hatte, schließlich wusste er ja wie es lief. Sie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Und dann hörte sie endlich sein Motorrad, noch bevor es um die Ecke bog.

„Da hast du ja noch mal Glück gehabt“, murmelte sie vor sich hin und ging ihm entgegen. Lefti riss sein Motorrad zu einer hundertachtziggrad-Drehung herum und bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung aufzusteigen. Noch bevor sie richtig saß drückte er das Gaspedal bis zum Anschlag hinunter, der Motor qualmte und die Reifen drehten kurz durch, dann rasten sie mit einer riesen Geschwindigkeit ihrem Ziel entgegen.

Lefti fuhr sogar noch rücksichtsloser als sonst und sie kamen ungefähr auf die Sekunde genau, um 24 Uhr, mit einer Bremsspur, die den halben Reifen auf der Strecke ließ, zum Stehen. Die Fahrt war so rasant gewesen, dass es in Tryshas Ohren immer noch rauschte, als sie sich beide vom Motorrad schwangen.

Trysha nahm sich vor, sich diesem Wahnsinn nicht länger auszusetzten und sich bei der nächsten Gelegenheit einen Helm zu kaufen! Da es immer nachts war, wenn sie mit ihm Motorrad fuhr, hatte sie es erst nicht für nötig gehalten, da die Polizei dann sowieso nicht mehr so genau war. Anscheinend sah er das auch nicht allzu eng, denn er trug nur ab und zu einen Helm, heute zum Beispiel nicht.

Lefti drückte auf einen kleinen Knopf zwischen Gaspedal und Sitzfläche, woraufhin ein Schloss aufsprang. Er hob die Sitzfläche an und kramte in dem Fach herum. Er war im Gegensatz zu ihr viel besser ausgerüstet. Das Nötigste, sowie Schusswaffe und Munition trug er genau wie sie am Körper, mit Gürteln und Schnallen. Doch er besaß Waffen, die sie nicht einmal hatte und teilweise gar nicht kannte! Diese verstaute er in seinem Motorrad. Eine hatte er sogar außen dran gebaut weil sie nicht rein passte, es war irgendeine von diesen großen Kanonen, die man sich auf die Schulter legen musste. Die meisten hielten sie für einen Auspuff, was Trysha auch erst gedacht hatte . Lefti schnallte einen seiner Gürtel ab und tauschte ihn gegen einen passenden, noch vollen aus. Seine Miene war die ganze Zeit wie versteinert. Er musterte kurz ihre Waffe und hielt ihr dann nach kurzem Suchen auch einen Gürtel entgegen.

„Nimm!“, befahl er.

„Danke, aber ich hab schon“, lehnte sie ab. Er stieß ein schnaubendes Geräusch aus und warf ihr den Gürtel trotzdem zu. Sie fing ihn gezwungenermaßen auf. Was war dem denn über die Leber gelaufen?

„Danke“, zischte Trysha widerwillig und schnallte ihn auch noch um. Lefti schloss das Fach wieder und sie machten sich auf den Weg. Es war üblich, dass sie immer etwas abseits parkten, sodass es unauffällig aussah und sich niemand fragte, wieso dort ein Motorrad stand und dann womöglich nachschauen würde.

„Welches Gebäude ist es?“, fragte Trysha nur um das Schweigen zu brechen, denn sie wusste es auch so. Lefti nickte in die Richtung eines zwei stockigen Gebäudes, das soweit wie sie im schwachen Mondlicht erkennen konnte, außen reichlich verziert, und bemalt war. Eine große Treppe führte zum Eingang, es war unverkennbar ein öffentliches Gebäude gewesen. Doch jetzt stand es, wie die umliegenden Gebäude, leer. Trysha fragte sich, wieso das Rathaus so viele Nebengebäude gehabt hatte, die alle auf diesem Grundstück standen. Doch das brauchte sie nicht zu interessieren, denn ihr Auftrag spielte sich nur im Hauptgebäude ab. Also zerbrach sie sich nicht den Kopf darüber und bog zusammen mit Lefti auf den, aus Pflastersteinen gemachten Vorhof ein. Sie gingen zwischen zwei Nebengebäuden auf das im Mondlicht bedrohlich wirkende Rathaus zu und erklommen die großen Stufen, bevor Lefti die große Holztür öffnete und beide leise in das Gebäude eintraten. Die Tür fiel leise quietschend hinter ihnen ins Schloss und es wurde stockdunkel. Trysha wusste, dass es nicht lange so bleiben würde, nach einiger Zeit würde man die Umrisse der Wände erkennen können und das würde die Sache einfacher machen. Sie hörte Lefti neben sich leise aufseufzen.

„Lass uns das so schnell wie möglich hinter uns bringen“, zischte er ihr zu und ging weiter vorwärts in den dunklen Raum.

„Weißt du überhaupt wo du hingehst?“, fragte sie ihn genervt.

„Nein! Aber du weißt es natürlich“, meinte er ironisch.

„Allerdings!“, sie folgte ihm blind in den Raum, „Im Gegensatz zu dir war ich nämlich heute pünktlich und hab mir die Pläne des Gebäudes an geguckt!“

In der Zentrale gab es eine kleine Bücherei, die anstelle von Büchern nur Karten und Pläne von Chicago und Gebäuden in der Stadt enthielt. Außerdem gab es dort noch einen Computer, der ein Programm hatte mit dem man sich an eine Karte von Chicago heran zoomen und die einzelnen Bezirke und Gebäude anklicken konnte. Wenn man Informationen zu bestimmten Gebäuden brauchte konnte man es mit dem Computerprogramm suchen und sich auch noch den Namen geben lassen, unter dem man dann etwas in der Bücherei fand.

„Und?“, fragte er.

„Tja, wenn du pünktlich gewesen wärst, wüsstest du es jetzt auch“, meinte sie schnippisch. Sie wollte ihm den Aufbau des Gebäudes eigentlich erklären, aber er schien sich gar nicht dafür zu interessieren. Ihr war klar, dass er wegen irgendetwas schlechte Laune hatte, aber musste er die an ihr auslassen?

Lefti presste die Lippen aufeinander. Die letzten Tage, wo er sich den Kopf darüber zerbrochen hatte, wie er Carrys Mörder finden und bestrafen konnte waren schon anstrengend genug gewesen. Außerdem setzte ihm die bloße Tatsache ihres Todes mehr zu als er je gedacht hätte und deswegen hatte er keine Lust auf solche Haarspaltereinen! Und sie wollte ihm auch noch was von Pünktlichkeit erzählen? Er atmete tief durch. Er durfte nicht daran denken, was mit Carry passiert war, er musste sich auf den Job konzentrieren. Wenn er mit seinen Gedanken wo anders war, würde bestimmt etwas schief gehen, also riss er sich zusammen.

„Erklär schon“, forderte er sie in seinem normalst möglichsten Ton auf.

Trysha zog eine Braue hoch, doch sie wusste, dass Lefti ihren skeptischen Gesichtsausdruck nicht sah. „Was ist los mit dir?“, fragte sie mit einer Mischung aus Vorsicht und Rücksichtslosigkeit, weil sie wusste, dass er nicht darüber reden wollte, „Du bist heute irgendwie-“, anders, hatte sie sagen wollen, doch ihr fiel auf, dass sie im Prinzip gar nicht wusste wie er sonst war. Lefti wandte den Kopf von ihr ab und blickte schweigend in den Raum.

„Entweder du sagst mir jetzt wie dieses Gebäude aufgebaut ist, oder du lässt es!“, zischte er und seine Stimme vibrierte geradezu vor unterdrücktem Zorn. Sie seufzte geschlagen auf und erläuterte ihm dann: „Also gut, das Gebäude hat zwei Etagen. In dieser gibt es einen großen Saal, genau gegenüber vom Eingang“. Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung, wusste aber nicht, ob er es gesehen hatte, da sie ihn auch nur schwer erkennen konnte. „Dahinter befindet sich noch ein Zimmer. Rechts vom Eingang sind die Toiletten und links, also hinter dir ist die Treppe nach oben.“ Trysha blickte an ihm vorbei und versuchte die Treppe zu erkennen, die sich nach längerem hinsehen abzeichnete.

„Oben gibt es dann über den Klos zwei Räume und wenn man die Treppe hoch kommt, ist auch einer genau gegenüber. Dann gibt es einen etwas schmaleren Gang, der zu einer Empore führt, durch die man in den großen Saal nach unten gucken kann. Wahrscheinlich wurden hier irgendwelche wichtigen Sitzungen gehalten“, erklärte sie weiter. Sie konnte erkennen, wie er nickte. „Ach ja, und hinter der Empore ist auch noch ein Raum“, sie überlegte ob sie noch etwas vergessen hatte und nickte dann ebenfalls, „Ja, das war's.“

Lefti verlagerte sein Gewicht auf sein anderes Bein und schlug zögernd vor: „Wie wär's wenn wir uns aufteilen?“

„Aufteilen?!“, fragte sie ungläubig. Wozu machten sie ihre Aufträge überhaupt zusammen? Bestimmt nicht um sich aufzuteilen. „Klar! Okay, aufteilen. Wie wäre es, wenn du gleich nach draußen gehst und brav bei deinem Motorrad auf mich wartest? Denn so wie es aussieht bist du heute nicht gerade in Topform!“ Lefti verstand ihre Anspielung, ging aber nicht darauf ein.

„Du weißt genau, wie ich das meine. Jeder durchsucht eine Etage und danach kommen wir wieder zurück und falls einer die Typen gefunden hat auch. Dann treffen wir uns hier und erledigen sie dann zusammen. Außer der, der sie findet sieht keine Gefahr und tötet sie gleich“, erklärte er. Trysha fand, nach kurzem Überlegen, das die Idee doch gar nicht so schlecht war. Obwohl sie ihren Vorschlag besser fand, aber sie wusste, dass die ihn davon wohl nur schwerlich überzeugen konnte und grinste über diese Vorstellung.

„Ok, ich suche oben“, flüsterte sie.

„Na dann werde ich mal mit dem Klo anfangen, vielleicht treffe ich dort jemanden“, sagte er und Trysha hörte aus seiner Stimme heraus, dass er grinste. Sie ging an ihm vorbei und musste sich das Lachen über seinen trockenen Humor verkneifen.

Trysha zog ihre Waffe und schlich die Treppe hoch. Sie hoffte innerlich, dass es einer dieser leichten Aufträge war, wo der Auftraggeber das Opfer schon irgendwo fest gekettet hatte und sich nur nicht die Finger schmutzig machen wollte. Sie konnte durch die Geländerstäbe in den oberen Flur gucken. Ein großes Fenster warf etwas Mondlicht in den viereckigen Raum und tauchte ihn teilweise in ein leichtes blaugrau. Sie atmete etwas auf. Wenigstens gab es hier Fenster, unten in der Eingangshalle war keins gewesen und in der Fabrik, in der sie ihren letzten Auftrag gehabt hatte, hatte es nur diese kleinen unter der Decke gegeben. Sie ließ ihren Blick umher schweifen, doch ihr fiel nichts Verdächtiges auf. Sie konnte die beiden Türen zu den zwei Räumen sehen und tastete sich mit den Füßen weiter die Treppe hoch. Vor ihr war eine Wand und sie schlich an ihr entlang, bis sie bei dem kleinen Gang, der zur Empore führte angekommen war. Das Fenster war ihr jetzt gegenüber und sie konnte den Mond sehen, draußen war eine klare Nacht. Trysha versuchte sich zu entspannten und lehnte sich gegen die Wand. Dann lud sie ihre Waffe und warf einen Blick um die Ecke. Sie konnte niemanden sehen, nur einen Teil des Geländers, das aus massivem Holz und keine einzelnen Stangen hatte, sondern durchgängig geschlossen war. Die Tür, die in das Zimmer hinter der Empore führte, war zu und lag im dunkelsten Teil des Raumes. Anscheinend gab es an der Empore auch genug Fenster, denn es war nicht zu dunkel um nichts zu erkennen, eher ein dunkles grau. Das Einzige was, pechschwarz war, war das Loch, durch das man den Saal sehen konnte, darüber befand sich ein riesiges Gestell eines Kronleuchters, an dem jedoch keine Lampen und Glassteine mehr hingen. Trysha trat vorsichtig um die Ecke. Sie stand jetzt neben der Tür auf dieser Seite des Ganges. Sie entschloss sich in dem Raum nachzuschauen. Sie tastete nach dem Henkel und drückte ihn geräuschlos herunter. Sie atmete tief ein und stieß die Tür auf, zielte mit der Pistole in den Raum, den Finger am Abzug, bereit abzudrücken. Ihre Augen bewegten sich von links nach rechts. Der Raum war leer, bis auf einen am Boden befestigten Holzschreibtisch.

Plötzlich hörte Trysha ein leises Flüstern, aber nicht aus diesem Raum. Sie drehte sich um. Dann hörte sie noch mal ein etwas tieferes Flüstern. Ihr Blick wendete sich zu dem großen Raum der Empore. Langsam schlich sie an der Wand entlang.

„Nein, ich hab es mir nicht eingebildet!“, flüsterte eine Stimme, die links von Trysha kam. Sie schätzte, dass der, der das gesagt hatte ungefähr fünfzehn Meter weiter war.

„Wenn du meinst. Dann guck doch nach“, sagte eine Frauenstimme gelassen.

„Mach ich, wenn-“, wollte die andere Stimme gerade sagen, als sie stockte und von einem Zischen unterbrochen wurde. Trysha lauschte angestrengt. Hatten sie sie bemerkt? Doch egal, wie sehr sie sich anstrengte, sie konnte keine Schritte hören. Dann sah sie die Tür, auf der anderen Seite der Empore aufgehen und umklammerte ihre Waffe fester. Sie drückte sich so weit es ging an die Wand und hoffte nicht gesehen zu werden. Ein hoch gewachsener, muskulöser Mann trat aus der Dunkelheit des Raumes in das dämmerige Grau. Trysha konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber sie sah, dass er den Kopf zu seinen Freunden gerichtet hatte und etwas sagen wollte. Doch er hielt inne, wahrscheinlich hatten sie ihm mit einer Geste bedeutet still zu sein. Daraufhin schüttelte er nur den Kopf. Trysha hielt die Luft an und bewegte sich nicht, bis der Mann aus ihrem Blickfeld, in die Richtung zu den anderen gegangen war. Sie hatte ihn dabei beobachtet und festgestellt, dass er etwas geduckt ging.

Sie hatte die drei gefunden. Sollte sie zurückgehen und sich mit Lefti treffen, um sie gemeinsam fertig zu machen oder sollte sie es jetzt gleich machen? Sie überlegte noch, als sie plötzlich drei schnell aufeinander folgende Schüsse hörte. Sie zuckte erschrocken zusammen und fragte sich, was gerade passiert war. Dann verstand sie:

Lefti war wahrscheinlich unten im Saal und die Typen hatten ihn entdeckt und deswegen waren sie so leise gewesen. Lefti hatte sie trotzdem bemerkt und kurzerhand abgeschossen. Wieso hatte sie überhaupt überlegt ob sie ihn zur Hilfe holen sollte? Das hätte sie auch alleine gekonnt! Damit würde er jetzt wahrscheinlich angeben. Sie wandte sich grummelnd zum Gehen.

„Einen hätten wir“, sagte der Mann der vorher auch mit der Frau gesprochen hatte triumphierend. Trysha erstarrte zur Salzsäule.

Einen hatten sie? Was sollte das denn bedeuten und wieso konnte der überhaupt noch reden? Trysha spannte ihre Muskeln an, als sie verstand.

Mist!, fluchte sie innerlich und wuchtete sich wieder gegen die Wand.

„Bist du sicher, dass du ihn getroffen hast?“, fragte die Frauenstimme grübelnd.

„Natürlich hab ich das!“, zischte der Mann beleidigt zurück, er fühlte sich offensichtlich in seiner Ehre gekränkt.

„Ich meine, es ist da unten nur so scheiße dunkel.“

Trysha stellte sich auf die Zehenspitzen um von ihrer Position aus besser über das Geländer gucken zu können. Sie hätte es auch gleich lassen können, denn es war wirklich zu dunkel, um etwas zu erkennen.

Ihr Herz hämmerte wie verrückt in ihrer Brust, was sollte sie jetzt machen?

„Ich hab doch gesehen wie er umgefallen ist“, beteuerte der Mann wieder. Jetzt schaltete sich eine tiefere Stimme ein, Trysha vermutete, dass sie dem großen, der aus der Tür gekommen war gehörte: „Also ich hab gar nichts gesehen.“ Die Frau lachte kurz und schrill auf.

„Du siehst sowieso nie etwas!“, sagte sie immer noch lachend. Tryshas Gedanken rasten, während die drei sich noch stritten. Sollte sie aus ihrem Versteck heraus schießen, oder sollte sie gucken was mit Lefti war? Wenn sie es nicht schaffte alle mit einem Mal zu töten, musste sie ihre Deckung aufgeben. Wieso hatte sie nur zugestimmt, als Lefti vorgeschlagen hatte sich aufzuteilen? Sie fuhr sich nervös durch die Haare. Es brachte ihr nichts darüber nach zu denken! Es war jetzt nicht mehr rückgängig zu machen.

Als der erste Schreckmoment vorüber war, fiel ihr noch etwas auf: Einen hätten wir, hatte der Mann gesagt. Das hieß sie wussten, dass es noch jemanden gab. Und zwar sie. Außerdem hatte er eine Waffe bei sich gehabt. Das war nicht üblich. Das war sogar überhaupt nicht üblich! Sie lauschte nochmals und stellte fest, dass sich die drei immer noch flüsternd stritten. Das bedeutete sie waren wahrscheinlich abgelenkt. Tryshas Hand zitterte, wenn sie Glück hatte konnte sie feuern, ohne dass sie schnell reagierten und zurück schießen konnten. Entschlossen hob sie ihre Pistole, sie wagte einen kurzen Blick um die Ecke und sah die drei Gestalten im schwachen Licht eines Fensters stehen. Es schien als hätten sie vergessen, dass noch jemand im Gebäude war. Denn sie starrten jetzt angestrengt in den Saal hinunter. Trysha entschloss sich ihre Chance zu nutzen und umfasste ihre schon entsicherte Pistole fester und zog die zweite aus ihrem Gürtel. Wäre doch gelacht, wenn sie die drei nicht alleine zur Strecke bringen könnte! Schließlich hatte sie bis jetzt noch alles geschafft.

Sie trat blitzschnell einen Schritt aus ihrem Versteck, das im Schatten der Wand lag, heraus und schoss mit der einen Pistole auf den großen, muskulösen Mann, der taumelnd zusammen sank und mit der zweiten auf den anderen Mann. Diesen traf sie am Arm und an der Schulter, bevor er sich fallen ließ und hinter dem Geländer Schutz suchte. Trysha lenkte ihre Schüsse weiter nach links, doch die Frau duckte sich schon und die nächsten Schüsse trafen nur die Scheibe hinter ihnen, die dann geräuschvoll zersplitterte. Trysha feuerte auf das Holzgeländer, es gab knackende Geräusche von sich, als die Kugeln einschlugen. Sie verschoss die gesamte Munition in ihren beiden Magazinen und verteilte sie auf das Geländer, wusste aber nicht, ob die Kugeln durchgekommen waren oder ob sie getroffen hatten. Doch es war ihr auch egal, denn sie hatte nur noch einen Gedanken: Was war mit Lefti?

Episode 3: Treffen und getroffen werden

Treffen und getroffen werden
 

Auf dem Weg zurück und die Treppe herunter tauschte Trysha ihre Magazine mit zitternden Händen aus.

Sie öffnete eine der beiden Hälften der großen Tür, die in den Saal führte. Der Saal war pechschwarz, wahrscheinlich war die einzige Lichtquelle der große Kronleuchter gewesen. Trysha tastete sich mühsam vorwärts, bis sie schließlich gegen etwas stieß. Sie griff danach, es war in der Höhe ihrer Oberschenkel. Es war ebenfalls eine massive Platte aus Holz, ein Teil eines großen Tisches vermutete sie. Er musste ziemlich groß sein, da in diesem Saal früher bestimmt Reden gehalten wurden, dafür brauchte man einen großen Tisch.

Trysha lauschte, sie blickte nach oben zu der Empore, sah aber niemanden. Sie tastete sich an dem Tisch entlang nach rechts.

„Lefti?“, flüsterte sie so leise, dass sie es selbst kaum gehört hätte. „Lefti? Wo bist du?“, fragte sie nun etwas lauter als vorher und kam an die Ecke der Tischplatte. Trysha ging gebückt um sie herum und versuchte vor sich etwas zu erkennen. Ihre Hand strich über das raue Holz des Tisches. Wenn sie ihn nicht getroffen hatten, dann hätte er doch schon längst geantwortet, überlegte sie und fragte sich, ob er überhaupt noch lebte.

Plötzlich wurde sie am Fuß festgehalten, der heute in flachen Schuhen steckte, damit sie kein Geräusch beim Gehen verursachte. Sie gab einen kurzen, erschreckten Laut von sich und warf einen letzten Blick zu dem Holzgeländer, wo immer noch keiner zu sehen war. Die Hand kam unter dem Tisch hervor und sie tastete sich an Leftis Arm entlang und kroch ebenfalls darunter.

„Was ist los? Wurdest du getroffen?“, fragte sie panisch und stand kurz davor die Fassung zu verlieren, die ganze Angelegenheit wuchs ihr langsam über den Kopf. Er lag auf dem Boden, doch sie konnte seinen Gesichtsausdruck oder andere Details nicht erkennen.

„Ja, ich...“, presste er hervor und zog scharf die Luft ein. Trysha setzte sich hin, was sie besser nicht hätte tun sollen, denn jetzt saß sie in einer dickflüssigen, noch warmen Flüssigkeit. Langsam bekam sie es mit der Angst zu tun.

„Jetzt sag doch irgendwas, wo ist der Einschuss? Sind es mehrere?“, fragte sie hilflos und tastete nach seinem Gesicht. Es war schweißbedeckt und seine Stirn glühte.

„Einer“, keuchte Lefti. Trysha atmete aus, wenigstens waren es nicht drei.

„Wo?“, fragte sie angespannt. Lefti stöhnte auf, nahm ihre Hand und führte sie zu der Wunde, die links unter der Brust war. Zum Glück hatte die Kugel nicht das Herz getroffen und sie hoffte auch keine anderen wichtigen Organe. Aber Lefti brauchte Hilfe, sonst würde er wahrscheinlich verbluten. Vorsichtig drehte sie ihn ein wenig und tastete die entsprechende Stelle an seinem Rücken ab, fand jedoch keine Austrittsstelle der Kugel.

„Die Kugel ist noch drin“, stellte sie fest.

„Ich weiß“, presste er hervor, „Ich glaube sie hat mir eine Rippe zertrümmert.“ Sie drückte ihre Hand auf die immer noch blutende Wunde woraufhin Lefti nochmals scharf die Luft einzog und zusammen zuckte.

„Wir brauchen etwas zum drauf pressen!“, rief sie und ermahnte sich gleich darauf nicht so laut zu sein. „Zieh dein T-Shirt aus“, befahl sie und half ihm dabei so gut sie konnte. Dann nahm sie den Stoff und drückte ihn auf die Wunde.

„Ich hab im Damenklo einen Erste-Hilfe Kasten an der Wand gesehen“, erinnerte er sich unter Schmerzen. Trysha nahm seine Hand und presste sie auf das T-shirt über seiner Wunde.

„So bleiben!“, befahl sie ihm.

„Warte“, keuchte er, „Was ist mit den Typen?“ Trysha überlegte.

Ja, was war eigentlich mit ihnen, sie wusste es selbst nicht. Sie hoffte, dass alle tot waren, der Große war es wahrscheinlich auch, aber bei den anderen war sie sich nicht sicher. Deswegen beließ sie es bei einem: „Weiß ich nicht“, und kraxelte in Richtung Tür unter dem Tisch hervor. Wie erwartet brachte ihr der Blick hoch zur Empore auch keine Antwort und sie ging schnell, aber vorsichtig zum Damenklo, wo sie dann den Erste-Hilfe Kasten öffnete um fest zu stellen, dass er leer war.

„Scheiße!“, fluchte sie und schlug die kleine Plastiktür wieder zu. Sie drehte sich zum Waschbecken um, über dem ein Spiegel hing und stützte sich darauf ab. Durch das kleine Fenster fiel etwas Licht auf ihr Spiegelbild. Ihre Augen waren weit geöffnet und sie sah alles andere als ruhig aus. Die Kontrolle über die Situation war ihr entglitten.

Kontrollverlust, sie hasste es. Ihr Blick schweifte durch den Raum und blieb neben den Waschbecken hängen. Zögernd nahm sie eins der alten Handtücher, nach kurzem überlegen schnappte sie sich auch noch das zweite und stieß die Tür mit dem Fuß auf. Sie lief auch noch ins Männerklo und nahm das Handtuch was dort hing mit. Besser als gar nichts. Trysha lief auf den Flur hinaus und drückte ihre Schulter gegen die Saaltür, die sich leicht öffnete.

„Stehen bleiben!“, zischte eine gehässige Stimme. Trysha zuckte zusammen und wirbelte herum. Am Treppenabsatz stand ein dunkler Schatten, der eine Schusswaffe auf sie gerichtet hatte. Trysha glaubte die Frau zu erkennen, was die Stimme ihr bestätigte. Sie machte ein paar Schritte auf Trysha zu.

„Du hast meinen Komplizen umgebracht!“, zischte sie, „Dafür wirst du büßen!“

„Anscheinend reicht es dir nicht mich einfach zu töten!“, schloss Trysha daraus, dass sie noch lebte. Die Frau lachte leise auf und stand jetzt genau vor Trysha, sie waren ungefähr gleich groß.

„Allerdings. Ich werde dich zu meinem Boss bringen!“, sagte diese, riss ihr die Handtücher aus der Hand und warf sie achtlos weg. Zu ihrem Boss? Trysha verstand nicht, was das bedeutete und ihre Hand fuhr zu ihrer Waffe, doch die Frau war blitzschnell bei ihr und hielt Trysha die ihre unter die Nase. „Das, würde ich an deiner Stelle nicht tun, Schätzchen!“, zischelte sie. „Und die hier“, sie zog beide Waffen nacheinander aus Tryshas Halterungen, „Brauchst du jetzt nicht mehr!“ Sie schleuderte die Waffen unter die Treppe.

Trysha blickte in die Richtung, aus der der dumpfe Aufprall von Metall auf Holz erklang und hörte noch ein anderes lautes Geräusch. Jemand kam die Treppe herunter, man hörte es an dem leisen knarren, das sie von sich gab.

„Na, Rico? Geht's wieder?“, fragte die Frau.

„Mal davon abgesehen, dass mein Arm langsam taub wird, ja“, antwortete Rico und kam jetzt durch den Raum auf sie zu, Trysha sah, dass er sich den Arm rieb.

Also waren die Schüsse nicht durchs Holz gegangen, denn sonst hätte wenigstens einer treffen müssen, dachte Trysha.

„Was ist mit dem anderen?“, fragte Rico die Frau, die jedoch nur die Achseln zuckte und sagte: „Guck doch nach, scheint irgendwo da drin zu sein“, sie deutete auf den Saal. „Die Kleine hier konnte es gar nicht erwarten, wieder zu ihm zurück zu kommen oder ist es vielleicht eine sie?“ Rico ging auf die Saaltür zu und Trysha wurde ganz flau im Magen. Er würde Lefti entdecken und ihn töten, schließlich konnte dieser sich nicht wehren. Und danach wäre es mit ihr auch vorbei, also stellte sie diesem Rico ein Bein, als er sich an ihr vorbei drängte. Er stolperte und schlug geräuschvoll auf den Boden. Trysha passte den kurzen Moment der Überraschung bei der Frau ab und verpasste ihr einen kräftigen Kinnhaken. Sie schwankte, Trysha schlug ihr die Waffe aus der Hand und versetzte ihr einen Tritt, der sie zu Boden schleuderte. Gleichzeitig drehte sie sich um, doch schon wurden ihr die Beine von Rico weg getreten und sie fiel auf den kalten Boden. Sie sah wie er sich aufrappelte und sie versuchte die Waffe der Frau am Boden zu finden, bis sie hörte, wie Rico über ihr seine Waffe lud und entnervt fauchte: „Pass besser auf dieses Miststück auf!“ Die Frau stand ebenfalls auf und nahm ihre Waffe vom Boden.

„Ich werde gucken gehen, ob da drinnen noch wer lebt“, und mit diesen Worten stieß Rico die Tür auf, die danach auch gleich wieder zu flog. Trysha richtete sich auf, nur um kurz darauf einen Tritt in die Seite kassiert zu bekommen, der sie schwanken ließ. Jedoch hielt sie sich auf den Beinen und blieb in Abwehrstellung.

„Wir werden hier warten...“, murmelte die Frau zu sich selbst und schien dabei gehässig zu lächeln.
 

Die Tür öffnete sich und schloss sich wieder. Wurde auch langsam Zeit, dachte Lefti und hatte das T-shirt immer noch auf die Wunde gedrückt. Was jedoch seiner Meinung nach nicht viel half, denn das Blut quoll trotzdem langsam zwischen seinen Fingern hervor. Er hörte zögerliche Schritte.

Konnte sie sich nicht ein bisschen beeilen? Lefti versuchte sich zusammen zu reißen, aber seine Wunde tat höllisch weh und ihm wurde auch langsam ein wenig schwindelig. Dann hörte er ein lautes Geräusch. Sie war doch glatt wieder mit dem Tisch zusammengeprallt.

„Verflucht!“, stieß eine tiefe Stimme hervor. Es war eindeutig eine Männerstimme. Lefti seufzte innerlich. Also waren die Typen doch nicht tot. Was war mit Trysha passiert, hatten sie sie erwischt? Er spannte seine Muskeln an. Die Schritte setzten sich langsam fort, sie kamen auf die Seite des großen Tisches zu, unter der er lag. Der Mann war irgendwo hinter seinem Kopf. Langsam zog Lefti mit der freien Hand seine Pistole und versuchte zu hören, woher genau die Schritte kamen. Als er den Kopf nach hinten drehte um besser zu hören, durchzuckte ihn ein stechender Schmerz und er biss die Zähne aufeinander um ein Geräusch zu vermeiden. Lefti wusste, dass der Typ früher oder später heraus finden würde, dass er unter dem Tisch lag, also musste als erster etwas unternehmen.

Lefti nahm seine Hand von der Wunde, er musste schnell machen, aber dafür brauchte er beide Hände. Er stützte sich hoch und setzte seine Hand mit einem leisen Geräusch in sein Blut. Die Schritte hielten abrupt an. Lefti hielt den Atem an. Hatte er das gehört? Dann herrschte eine längere Stille, bis Lefti das leise Knacken hörte, mit dem man eine Waffe entsichert. Kurzerhand setzte er sich in die Hocke, drehte sich so schnell es ging um und schoss blind hinter sich. Er ignorierte seinen Zustand und schickte einen Kugelhagel unter dem Tisch hervor, bis er ein anderes Einschlaggeräusch hörte, als berstendes Holz. Er schätzte ein Bein getroffen zu haben. Trotz der lauten Schüsse hörte er den Mann fluchen. Doch dieser sank nicht auf den Boden, sondern rettete sich auf den Tisch, was Lefti aus einem Aufprall über sich schloss.

Scheiße, dachte Lefti. Er hatte keine Zeit für so was! Er schoss versuchsweise gegen die Tischplatte, doch als er nachfühlte steckte die Kugel, wie erwartet, in dem dicken Holz fest. Er musste abhauen. Also rollte er sich so schnell wie möglich herum und merkte dabei wie sich seine Jeans mit Blut voll saugte. Das ließ seine Laune noch schlechter werden, da die Hose neu war! Er kroch unter dem Tisch entlang in die andere Richtung des Raumes, er wusste, dass man ihn hörte, aber es war ihm egal. Er hatte keine Wahl, er musste unter dem Tisch weg und der ganzen Sache so schnell wie möglich ein Ende setzen. In seinem Kopf drehte sich schon alles und der Schweiß rann ihm über die Stirn in die Augen, sodass sie brannten. Hinter sich hörte er Schüsse. Der Mann feuerte unter den Tisch und Lefti ließ sich auf den Boden fallen und drückte sich flach auf ihn. Dadurch lag er mit einem Großteil seines Gewichtes auf seiner angeschossenen Rippe, es fühlte sich an als würde sein gesamter Brustkorb zerdrückt werden.

Als der Mann eine kurze Pause machte drehte sich Lefti auf den Rücken und schoss zweimal dahin, wo die Schüsse hergekommen waren, in der Hoffnung zu treffen. Dann ging er wieder auf die Knie und robbte weiter, bis er über seinem Rücken die Tischplatte nicht mehr spürte. Er kniete sich hin und blickte über den Tisch. Schwärze. Man konnte nicht erkennen. Doch es war Lefti egal. Er tauschte in Sekundenschnelle sein Magazin aus und startete den nächsten Kugelhagel. Nach ein paar Schüssen hörte er das Geräusch, was es gab wenn die kleinen Metallkugeln in Organisches eindrangen.

Endlich, dachte Lefti und hielt die Richtung, bis er glaubte, dass es reichte. Erleichtert atmete er aus und entspannte sich. Er ließ sich zurückfallen und stützte sich mit einem Arm ab, während er seine Pistole einsteckte. Er atmete schwer und fuhr sich mit der Hand automatisch an die schmerzende Wunde. Sie blutete wieder stärker und sein T-shirt hatte er auf dem Weg hierher verloren.

Plötzlich knickte sein Arm unter seinem Gewicht ein. Er spürte seinen Körper nicht mehr richtig, konnte ihn nicht mehr einwandfrei bewegen und es kam ihm so vor als würde alles um ihn herum anfangen zu schwanken. Er kniff die Augen zusammen. Er wusste, wenn er sich nicht beeilte würde er das nicht überleben. Er zwang sich aufzustehen. Dazu musste er sich an der Tischplatte hochziehen. Er stützte sich mit einem Arm darauf ab. Wo verdammt nochmal war Trysha?
 

Die Frau und Trysha hatten den Schusswechsel gehört. Beide waren mittlerweile nervös geworden und hatten ihre anfänglichen Kämpfereien eingestellt und horchten angestrengt. Wenigstens wussten sie, wenn Schüsse hin und her gingen, dass beide in dem Saal noch lebten. Die Frau hatte anscheinend beschlossen, dass es zu riskant wurde um zu warten, falls nicht Rico sondern Lefti überlebte. Sie trat an Trysha heran und sagte zuckersüß während sie ihr die Waffe in den Rücken stieß: „So, ich glaube wir werden jetzt einen kleinen Spaziergang machen!“ Trysha konnte das falsche Grinsen förmlich fühlen und es lief ihr eiskalt den Rücken herunter.

Dann setzte sie sich zögernd in Bewegung. Was wurde jetzt aus Lefti? Die Frau stieß sie vor sich her Richtung Ausgang. Nach kurzem Überlegen fuhr Trysha sich durch die Haare und griff mit den Fingern, auf dem Rückweg unauffällig in ihren BH und zog die Mini-Waffe heraus. Sie hielt ihre Hand leicht ans Bein gedrückt, sodass man deren Inhalt nicht sah.

„Aufmachen!“, befahl ihr die Frau, als sie an der Tür angekommen waren. Trysha öffnete sie langsam und blickte verstohlen zu der Frau. Im schummerigen Mondlicht konnte sie erkennen, dass die Frau leuchtend rote Haare hatte, die sie zu einem engen Zopf zusammen gebunden hatte. Sie trug, genau wie Trysha, nur dunkle Sachen, was sie fast in der Schwärze verschwinden ließ. Trysha wartete noch, bis die Frau nah genug heran gekommen war und sprang dann mit einem Satz hinter die Tür, während sie ihre Waffe abfeuerte. Gleichzeitig hörte sie noch einen Schuss.

Trysha konnte den Schmerz schon spüren, bevor er überhaupt da war. Sie erhaschte einen Blick auf die Frau, die sie mit weit aufgerissenen Augen ansah und in sich zusammen sank.

Der Schmerz setzte nicht ein, die Frau hatte sie verfehlt. Trysha atmete aus und die Eingangstür schloss sich wieder. Dann hörte sie plötzlich einen dumpfen Aufprall. Ihr Kopf drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Doch auch nach längerem lauschen konnte sie nichts mehr hören. Also entschloss sie, dass sie sich geirrt hatte. Sie rannte zur Treppe und holte sich ihre Waffen zurück. Dann klaubte sie nach kurzen Suchen die Handtücher wieder zusammen und rannte panisch auf die Saaltür zu.

Hoffentlich ging es Lefti noch gut. Sie wollte sich gerade gegen die Tür werfen und sie so aufstoßen, als sie über etwas stolperte. Trysha ließ die Handtücher fallen und konnte sich gerade noch am Türrahmen abfangen. Sie hörte jemanden keuchen.

„Lefti!?“, rief sie verwirrt, bückte sich und ertastete seinen nackten Oberkörper. Es ging ihm also verhältnismäßig gut. „Nimm die Handtücher!“, sagte sie und presste sie ihm auf die Wunde, „Der Erste Hilfe Kasten war leer.“

„Dein Schuss ging daneben“, flüsterte er und hustete.

„Was?“, fragte Trysha und hockte sich neben ihn und schnallte sich ihren Munitionsgürtel ab, den sie unter Lefti hindurch zog, indem sie ihn ein wenig anhob.

„Dein Schuss eben, er ging daneben“, wiederholte Lefti und das war alles, was er sagen konnte, bevor er vor Schmerz verstummte, als sie den Gürtel fest schnallte.

„Kannst du aufstehen?“, fragte Trysha und merkte sein Nicken.

Sie half Lefti auf die Beine und sie verließen das Gebäude. Er stützte sich dabei schwer auf sie ab. Als sie die Tür öffnete und das Mondlicht auf den Leichnam der Frau schien, erkannte Trysha, dass der einzige Einschuss auf dem Rücken war. Lefti hatte Recht gehabt.

Ihr Schuss war daneben gegangen.
 

***
 

Sodelle! Dieses war der dritte Streich und der vierte folgt sogleich ^^ *Max und Moritz imitiert*

Episode 4: Giovanni

Giovanni
 

Nach kurzer Zeit waren sie bei Leftis Motorrad angekommen. Er blieb stehen und sie gezwungenermaßen auch, da sie ihn immer noch stützte.

„Ich fahre!“, entschied Trysha und musterte ihn. Er hatte eine Hand in die Seite gestemmt und den anderen Arm um sie gelegt, er starrte mit glasigem Augen auf den Boden. Dann fiel ihr Blick auf seinen nackten Oberkörper, der jetzt von dem Licht der Laterne beschienen wurde. Trotz der Wunde, dem Blut und dem Schweiß, konnte sie jeden Muskel deutlich erkennen und schluckte. In diesem Moment kam Lefti ihr äußerst bedrohlich vor, obwohl er eigentlich ziemlich hilflos war. Aber sogar jetzt sah er noch auf eine gewisse, abwegige Weise attraktiv aus, was sie stutzig machte. Ein komisches Gefühl ging ihr durch den Magen und ihr wurde ganz schwindelig. Irgendwie musste sie bei seinem Anblick wieder an damals denken...

Schnell machte sie sich klar, dass sie nur einen Schritt zur Seite tun müsste und schon würde er flach auf dem Boden liegen und sich nicht rühren können. Das half und sie fühlte sich wieder besser. Lefti ließ den Kopf hängen und kramte in seiner Hosentasche herum und reichte ihr die Schlüssel. Anscheinend hatte er erkannt, dass er in dieser Verfassung nicht in der Lage war Motorrad zu fahren.

„Ich wüsste sowieso nicht wohin ich fahren sollte“, gab er zu, „Aber ins Krankenhaus können wir nicht, die würden zu viele Fragen stellen. Und diese Marion in der Zentrale hat nicht das nötige Wissen und ist wohl auch nicht mit den richtigen Instrumenten ausgerüstet.“

„Ich weiß. Ich fahre dich zu Giovanni, der kann dir helfen“, erklärte sie und nahm die Schlüssel an sich. Giovanni hatte Chirurgie studiert, er war ein Bekannter ihres Vaters. Früher hatte er als Arzt praktiziert, doch als er einmal unter Alkoholeinfluss operiert hatte, und der Patient wegen einem Fehler, den er gemacht hatte noch während der Operation gestorben war, hatte man ihm die Lizenz entzogen, nachdem man rausgefunden hatte, dass er Alkoholiker war. Giovanni hatte seinen Job verloren und nie wieder irgendwelchen Alkohol oder Drogen angerührt, er hatte mehrfach versucht seine Arbeit zurück zu bekommen, doch es hatte nichts geholfen.

Dann hatte Reilly ihm angeboten für die Organisation zu arbeiten, was natürlich illegal war, aber Giovanni liebte seine Arbeit und es war ihm egal. Seitdem brachten sie alle Verletzten zu Giovanni, denn er meldete es nicht der Polizei, weil er selbst mit drin hing, seitdem er das erste Mal für Reilly operiert hatte.

„Kannst du stehen?“, fragte sie Lefti. Dieser nickte und sie machte sich daran all ihre und seine Ausrüstung, die sie bei sich hatten, bis auf den Gürtel mit dem die Handtücher befestigt waren, in seinem Motorrad zu verstauen. Sie sah, dass es ihn Mühe kostete sich aufrecht zu halten, was er natürlich nie zugegeben hätte. Trysha klappte den Sitz herunter.

„Na dann los“, sagte sie, atmete noch mal durch und stieg auf. Lefti schwang sich hinter ihr drauf. Trysha studierte die vielen Knöpfe und das Tacho vor sich.

„Warum fährst du nicht los?“, fragte Lefti nach einiger Zeit.

„Weil ich nicht weiß wie!“, rief sie aus.

„Du weißt es nicht?! Wieso willst du dann überhaupt fahren?“, fragte er entgeistert, „Los komm wir tauschen Plätze.“

„Nein! Du kannst im Moment nicht!“, erwiderte sie entschlossen. Sie hörte Lefti ein genervtes Geräusch machen.

„Sei nicht albern, du-“

„Ich bin nicht albern! Und jetzt erklär's mir einfach!“, unterbrach sie ihn aufgebracht. „Wir haben keine Zeit!“

„Aber-“, wollte er ansetzten. Trysha drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an. Anscheinend musste sie zu anderen Mitteln greifen um ihm klar zu machen, dass er Hilfe brauchte und schon gar nicht Motorrad fahren konnte.

„Nichts aber! Jetzt sei nicht so stur! Du weißt doch selbst, dass du in diesem Zustand keine zehn Meter weit kommst!“, sie drückte ihn zur Demonstration energisch gegen die Schulter nach hinten. Lefti musste um dagegen zu halten und nicht von seiner Maschine zu fallen die Bauchmuskulatur anspannen, was einen stechenden Schmerz auslöste. Er keuchte auf und musste sich mit den Händen hinter sich abstützen. Er schloss die Augen und atmete kurz durch, bis er sie wieder öffnete und Trysha unter seinen zerzausten, schweißnassen Haaren her an blinzelte. Vor seinem Blick tanzten bunte Lichter und er musste sich mühe geben um nicht das Bewusstsein zu verlieren.

„Verstehst du?“, fragte sie wieder ruhiger, „Ich will doch nur nicht, dass etwas passiert.“ Lefti schüttelte den Kopf und ignorierte den Schmerz. Trysha löste den Blick von seiner Brust, die sich schneller als normal hob und senkte, dann drehte sich wieder nach vorne. „Also? Erklärst du es mir jetzt?“

Er seufzte resigniert.

„Also gut, ich erkläre es dir. Aber wehe du fährst es zu Schrott!“, warnte er sie. „Also dann, zuerst den Schlüssel so weit es geht umdrehen. Und jetzt die Bremse treten während du den roten Schalter da links betätigst.“ Der Motor sprang an und das Motorrad vibrierte unter ihnen.

Nach ein paar Startproblemen fuhr Trysha durch die Straßen und versuchte sich an den Schildern zu orientieren wo es lang ging, während Lefti ihr immer wieder Anweisungen zurief, die sie aber nur teilweise befolgte, weil sie bei manchen gar nicht wusste, was sie bedeuteten.

Giovannis Haus stand auf der anderen Seite der Stadt, sie musste über eine der Brücken um den Fluss Illinois zu überqueren. Sie fuhren weiter und Trysha zählte, während sie auf der großen beleuchtete Straße fuhren, die Nebenstraßen auf der linken Seite, da sie die Straßennamen nicht so gut lesen konnte.
 

Die Lichter der Straßenlampen, Autos und der kleineren Shops, an denen sie vorbei kamen flogen an Lefti vorbei, doch für ihn waren sie nur ineinander verlaufene Lichtstreifen. Anfangs war Trysha noch sehr unsicher und wackelig gefahren, doch mittlerweile war er sogar froh darüber, dass er sie hatte fahren lassen. Jetzt musste er sich wenigstens nicht auf den Verkehr konzentrieren und konnte sich ein wenig erholen.

Es war schon komisch, irgendwie hatte Trysha es geschafft sich seinen Respekt zu verdienen. Er wusste nicht genau wie, aber vielleicht dadurch, wie sie ihre Arbeit durchzog, hartnäckig und trotzdem mit Bedacht. Oder wie sie sich gegen ihn durchsetzten konnte ohne wirklich gemein oder verletzend zu werden, das beeindruckte ihn. Im Gegensatz zu anderen Menschen an die er sich nicht gerne erinnerte. Einer davon war sein Vater gewesen, der hatte immer gleich zum Gürtel gegriffen. Ich werde dir schon noch zeigen was du zu tun hast. Und zwar so lange bis du selbst drauf kommst! Jetzt komm und hol dir deine Lektion ab!, er hörte es ihn sagen als wäre es erst gestern gewesen.

Vielleicht rührte der Respekt ja auch daher. Denn Trysha konnte sich gegen ihren Vater zur Wehr setzen und das jeden Tag aufs neue. Natürlich würde er selbst seinem Alten heute auch zeigen können wo es lang ging, schließlich war er kein kleiner Junge mehr, aber es wäre trotzdem ein denkbarer Grund.

Plötzlich wurde er aus seinen dämmerigen Gedanken gerissen. Trysha trat hart auf die Bremse und er flog heftig gegen sie. Autos hupten und die Lichter, die ihm vorher verschwommen vor kamen wurden wieder deutlich getrennt. Sie riss den Lenker nach links, bog scharf in eine Nebenstraße ein und streifte die Bordsteinkante, sodass das Motorrad schlenkerte. Doch sie brachte es nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle.

„Was war das denn?“, fragte er geschockt, die Lichter verschwommen jetzt wieder, aber nicht, weil er schläfrig war, sondern, weil der Schmerz ihn förmlich überrollte. Der Zusammenprall hatte sein Blickfeld flimmern lassen. Er schloss die Augen und klammerte sich an den Sitz.

„Ich hätte beinahe die Einfahrt verpasst“, erklärte sie ihm über die Schulter.

Ach so, dachte Lefti, natürlich, die Einfahrt verpasst. Die Frau hatte echt Nerven! Das hätte ihm jetzt noch gefehlt, ein Verkehrsunfall, nur weil sie beinahe die Einfahrt verpasste hätte.

Er hatte seinen Tod schon vor Augen gehabt. Oder sein Motorrad, ein völliger Schrotthaufen, nur weil sie beinahe die Einfahrt!! verpasst hätte. Lefti lehnte sich zurück und grinste gequält, typisch.
 

Trysha erkannte das Haus im Dunklen und lenkte das Motorrad an den Bürgersteig. Sie half Lefti wieder beim Gehen und klingelte dann an Giovannis Haustür. Nach dem zweiten Klingeln wurde diese geöffnet.

„Hallo Trysh!“, begrüßte er sie herzlich mit einem breiten Lächeln. Giovanni war, was der Name teils erahnen ließ, ein Italiener. Er war mittelgroß und hatte kurze, schwarze Haare. Der kleine Bart an seinem Kinn und das weiße Hemd, das er trug, verstärkten den Eindruck, dass man einen waschechten Italiener gegenüber stand, nur noch mehr.

„Hi Giovanni!“, sie erwiderte sein Lächeln, „Wir brauchen deine Hilfe.“

„Ich seh schon“, sagte Giovanni und musterte Lefti. Sein Blick blieb auf den Handtüchern hängen. „Schusswunde?“, fragte er und zog eine seiner schwarzen Augenbrauen hoch.

„Ja“, stieß Lefti hervor.

„Dann kommt mal rein.“ Giovanni winkte sie hinter sich her. „Ich bin übrigens Giovanni“, meinte er an Lefti gewandt.

„Lefti“, antwortete der und nickte ihm zu. Giovanni nickte über die Schulter zurück.

Sie folgten ihm durch den langen Flur, in dem graue Fliesen das Licht der Deckenlampe widerspiegelten. Ein paar Holzregale standen an den Wänden und ein großes Bild mit irgendeiner abstrakten Kunst drauf hing an einer von ihr. Giovanni öffnete eine der Holztüren und schaltete das Licht in dem Zimmer an. Trysha kannte dieses Zimmer. Sie war schon einmal hier drinnen gewesen, weil sie selbst einen Schuss abbekommen hatte und wusste darum auch wie Lefti sich fühlte. Sie linste zu ihm hinüber und fand, dass er sich erstaunlich gut hielt. Als sie früher hier angekommen war musste sie getragen werden, weil sie den Schmerz nicht ausgehalten hatte und ohnmächtig gewesen war. Sie merkte, dass es ihn all seine Beherrschung kostete es ihr nicht gleich zu tun und der Schweiß rann in Bächen an ihm herunter.

Sie betraten das Zimmer, was auf den ersten Blick wie ein Büro aussah, doch Trysha wusste, dass in den Schränken jede Menge Operationsinstrumente und Medikamente lagen. Der Tisch, der in der Mitte des Raumes stand, diente auch nicht zum daran Essen sondern als Liege. Giovanni öffnete einen Schrank und holte zwei Planen heraus. Eine davon breitete er schnell auf dem Tisch aus, die andere legte er darunter. Dann holte er ein weißes Laken und ein Kissen und legte beides über die Plane auf den Tisch.

„So. Leg dich da drauf“, sagte er und ging zurück zum Schrank. Lefti beobachtete die Szene skeptisch, ließ sich aber trotzdem zum Tisch bringen.

„Bist du sicher, dass er in Ordnung ist?“, fragte Lefti sie leise, sodass nur Trysha es hörte und nickte mit dem Kopf in Giovannis Richtung.

„Absolut“, flüsterte sie überzeugt zurück, was Lefti fast keine Zweifel mehr ließ, „Und jetzt leg dich endlich hin! Oder willst du vielleicht noch kurz vorm Ziel zusammenklappen?“ Lefti starrte sie geschockt an. Anscheinend hatte sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen.

„Gibt es ein Problem?“, fragte Giovanni, als er sah, dass Lefti immer noch stand.

„Nein. Er wollte sich gerade hinlegen“, versicherte Trysha ihm so, dass es an Lefti adressiert war. Dieser gehorchte schließlich und hievte sich, wie es schien, mit letzter Kraft auf den Tisch.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Trysha an Giovanni gewandt, der überlegte während er verschiedene Instrumente zusammensuchte und sie auf einen kleinen Rolltisch legte. Er musterte Lefti, der es sich mittlerweile auf dem Tisch gemütlich gemacht hatte.

„Welche Blutgruppe hast du?“, fragte er Lefti. Dieser schien kurz nachzudenken.

„A Rhesus-positiv“, sagte er dann bestimmt.

„Okay Trysh, dann geh in die Küche zu dem großen Eisschrank und hol mir zwei Blutbeutel davon“, meinte er zu Trysha und kramte weiter in verschiedenen Schränken herum. Als Trysha raus ging hörte sie Giovanni noch fragen: „Wie ist das denn überhaupt passiert?“ Kurz darauf hörte sie noch Leftis Stimme, verstand aber nicht, was er sagte. Doch sie vermutete, dass er es nicht verriet, in solchen Sachen war er äußerst vorsichtig und er schien Giovanni noch nicht hundertprozentig zu vertrauen.
 

Als sie mit den zwei Beuteln in der Hand wiederkam hatte Giovanni seine Gerätschaften schon mit dem kleinen Tisch neben Lefti gerollt und die Handtücher von der Wunde genommen, die er jetzt untersuchte. Sie legte die Beutel auch noch auf den kleinen Tisch und vermied es Lefti anzusehen. Sie hoffte, dass er nicht erwartete, dass sie hier blieb. Sie konnte Menschen töten, die sie nicht kannte, wenn es sein musste. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie hatte gelernt, das zu überspielen. Sie hatte es lernen müssen.

Aber bei jemand, den sie kannte zuzusehen, wie in seinem Körper herumgestochert wurde, konnte sie nicht. Dafür waren ihre Nerven dann doch zu schwach.

„Die Kugel hat nichts Lebenswichtiges getroffen, sie hat ein wenig Knochen von der Rippe abgesplittert. Die Splitter und die Kugel müssen wir raus holen. Du willst doch sicher eine Ortsbetäubung, oder?“, fragte Giovanni an Lefti gewandt. Er hatte sich die Ärmel hoch gekrempelt und trug weiße Latexhandschuhe.

„Ortsbetäubung“, sagte Lefti. Giovanni nickte und nahm ein paar Spritzen von dem Rolltisch. Trysha wusste nicht was sie tun sollte, sie schaute an sich herunter und stellte fest, dass überall an ihrem Körper Blut war. Es kam von Lefti, größtenteils als sie sich unter dem Tisch im Rathaus in sein Blut gesetzt hatte.

„Giovanni! Er hat doch schon so viel Blut verloren. Wäre es nicht gefährlich ihn auch noch zu operieren?“, fragte sie. Giovanni starrte sie fassungslos an.

„Es wäre viel schlimmer, wenn ich es nicht tun würde“, erklärte er, „Zum Glück weiß Lefti welche Blutgruppe er hat.“ Giovanni drückte Lefti nacheinander die zwei Spritzen in die Seite, dann ging er zu dem großen Schrank, aus dem er auch schon die Planen geholt hatte und zog ein schiebbares Stativ daraus hervor. Trysha beobachtete wie er einen der Blutbeutel daran befestigte, danach schaute Giovanni kurz auf.

„Trysha Schätzchen, du siehst schrecklich aus, wie wäre es, wenn du dich erstmal duschst?“, fragte er gutmütig. Trysha fiel ein Stein vom Herzen.

„Ja, du hast Recht. Und in die Zentrale muss ich auch nochmal“, sie wandte sich an Lefti. „Hast du was dagegen, wenn ich dein Motorrad benutze?“

„Äh, nein“, sagte er und verzog das Gesicht, als Giovanni ihm die metallene Spitze des Schlauches, der mit dem Blutbeutel verbunden war, in die Armbeuge steckte, wo er vorher eine Ader entdeckt hatte.

„Okay, ich bin dann weg“, rief sie noch beim raus gehen und dann flog die Tür auch schon wieder hinter ihr zu.

Giovanni blickte in die Richtung des dumpfen Knalles. „Die hat es aber eilig“, stellte er fest. „Eigentlich meinte ich damit sie könne bei mir duschen.“ Lefti war ebenfalls ein wenig verwirrt.

„Sie fährt mit meinem Motorrad weg. Wie soll ich denn dann wieder nach Hause kommen?“, das war eine Sache die er sich fragte und die zweite war:

Wieso war Trysha gerade regelrecht geflüchtet? Aber es hatte keinen Sinn darüber nachzudenken, also ließ er es einfach.

Als die Betäubung nach ein paar weiteren Minuten eingewirkt war sah er wie Giovanni nach einem Messer griff und begann. Lefti schloss die Augen, ließ den Kopf tiefer in das Kissen sinken und hoffte, dass er nichts merken würde und die Betäubung gründlich war.

Episode 4: Freiwillig...

Freiwillig...
 

Trysha steckte den Schlüssel, den sie schon die ganze Zeit über bei sich gehabt hatte in das Zündschloss und startete den Motor. Sie hoffte, dass sie nicht zu unfreundlich gewesen war. Aber was sie noch mehr hoffte, war, dass die beiden nicht gemerkt hatten, wieso sie abgehauen war. Das mit dem Duschen war nur ein willkommener Vorwand gewesen, damit sie nicht mitbekamen wie es in ihr aussah. Wenn sie dageblieben wäre, hätte Lefti garantiert bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Dass sie in Wirklichkeit gar nicht so viel vertragen konnte wie er dachte. Der ganze Abend war die reinste Achterbahnfahrt für ihre Nerven gewesen. Trysha trat auf das Gaspedal und fuhr in Richtung ihres Blockes. Am liebsten wäre sie gleich da geblieben, aber sie musste noch in die Zentrale und dann Lefti sein Motorrad zurückgeben. Sie seufzte und bog ab in die Michigan Avenue. Trysha biss die Zähne zusammen. Wann würde sie endlich aufhören diese Rolle zu spielen?

Sie raste durch die Stadt bis sie bei dem Hochhaus, das sie ihr zu Hause nannte, angekommen war. Sie stieg ab und fuhr mit dem Fahrstuhl hoch zu ihrer Wohnung wo sie dann erst einmal lange und heiß duschte. Leftis Blut vermischte sich mit dem dampfenden Wasser und verschwand im Abfluss. Sie steckte ihre Arbeitsklamotten in die Wäsche und ging zu ihrem großen Kleiderschrank. Sie warf einen Blick auf ihren Wecker, drei Uhr. Sie seufzte, schätzungsweise würde sie heute erst um vier oder halb fünf ins Bett kommen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Schrank und durchwühlte ihn. Sie entschied sich kurzerhand für eine schwarze, enge Röhren-Jeans und ein vornehmes, lilanes Spagettiträger-Top. Es war draußen warm genug dafür. Für die Fahrt auf dem Motorrad zog sie sich allerdings eine dunkle Jacke über. Dann füllte sie Sparkys Napf, verließ auch schon wieder die Wohnung und steuerte die Zentrale an.
 

Trysha öffnete die Tür zu dem riesigen Raum und steuerte zielstrebig auf den Schreibtisch ihres Vaters zu. Reilly war in irgendwelche Zahlenfolgen vertieft, als sie an den Tisch trat.

„Wir müssen uns unterhalten“, eröffnete sie das Gespräch. Als Reilly ihre Stimme hörte blickte er sofort auf, was eigentlich selten war. Auf seinem Gesicht breitete sich ein schmieriges und überlegenes Grinsen aus. Trysha starrte ihn verwundert an. Sie wusste nicht so recht, worüber er sich freute, vielleicht darüber, dass sie wiedergekommen war? Aber das wäre ja was ganz Neues. Dann erlosch sein Grinsen schlagartig und die bekannte Härte trat an dessen Stelle. Komischerweise beruhigte das Trysha.

„Wo ist dein Kollege?!“, fragte ihr Vater und guckte hinter sie.

„Der ist bei Giovanni, aber er wird es schaffen“, erklärte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber das ist nicht das, worüber wir reden müssen. Es geht um den Auftrag.“

„Habt ihr ihn nicht erledigt?!“, ihr Vater wirkte geschockt. „Oder hast du etwa wieder Zeugen am leben gelassen?!“

„Nein, der Auftrag ist erledigt, keine Zeugen. Es ist nur so, wir müssen den Auftraggeber überprüfen. Ich glaube er hat-“

Plötzlich fing ihr Vater an zu lachen. Aber kein normales Lachen, eher so als würde er jemanden auslachen. Trysha zog eine Braue hoch. Sie glaubte nicht, dass er über sie lachte. Ihr Vater lehnte sich im Stuhl zurück und murmelte irgendwas vor sich hin, dann lachte er wieder überlegen. Trysha verstand überhaupt nichts mehr. Wieso lachte der denn nur? Das Verhalten ihres Vaters machte sie wütend.

„Hör mir zu!“, schrie sie ihm zu, sodass er es hören konnte. Ihr Vater starrte sie kurz an und räusperte sich: „Ja, ja. Was ist denn?“

Genervt fuhr Trysha fort: „Also die drei Typen die wir töten sollten, sie hatten Waffen dabei, die waren praktisch voll ausgerüstet. Die wussten von der Sache, da bin ich mir sicher. Die wusste sogar, dass wir zu zweit waren.“ Trysha erinnerte sich daran, dass einer gesagt hatte: Einen hätten wir. „Na ja, zumindest wussten sie, dass wir nicht nur einer waren. Und ich glaube, dass sie den Auftrag hatten uns zu töten.“ Das hatte Trysha aus dem geschlossen, was die Typen gesagt hatten. Die Frau hatte gesagt du hast meinen Komplizen getötet, das bedeutete sie waren ein Team. Und aus dem einen hätten wir, konnte man schließen, dass sie jemanden töten sollten und schon einen hatten. Sie hatte schon die ganze Zeit diesen Verdacht gehabt, aber sprach ihn erst jetzt aus: „Ich denke, der Auftraggeber hat sich einen Spaß daraus gemacht, zwei verschiedene Organisationen aufeinander zu hetzten.“

Reilly fing nur von neuen an zu Grinsen. „Aha?“, meinte er.

„Was heißt denn hier Aha? Denkst du ich erfinde das oder wie?“, schrie sie ihn an. Was war nur mit ihrem Vater los? Er fing wieder an gehässig zu lachen und schüttelte den Kopf. „Was ist denn daran so lustig?“, fragte sie ihn verwirrt und immer noch aufgebracht. Ihr Vater lachte nur noch lauter und wand sich in seinem mit schwarzem Leder bezogenem Schreibtischstuhl hin und her. Er konnte sich gar nicht wieder ein kriegen und griff nach dem Telefonhörer. Er kicherte immer noch als er jemanden am anderen Ende begrüßte.

„Hallo George!“, er zog die Worte in die Länge, sodass sie überheblich klangen, „Und sind deine kleinen Freunde schon wieder zurück gekommen?“ Reilly horchte einen Moment. „Nein? Ach wie schade. Meine nämlich schon. Komisch was?“ Dann lachte er erneut, diesmal in den Hörer. Trysha versuchte sich einen Reim darauf zu machen.

„Du schuldest mir zehn Riesen, Kumpel!“, sagte Reilly spöttisch. Dann kam eine längere Pause und Reillys Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Was soll das heißen?! Das war ja wohl mehr als fair! Du hattest sogar einen mehr als ich, also bitte!“ Wieder eine Pause, dann musterte Reilly Trysha und sagte grinsend: „Nein. Sie sind nicht zu verkaufen. Aber du zahlst deinen Einsatz auf jeden Fall, dass das klar ist!“ Dann legte er auf und grinste vor sich hin. Tryshas Gedanken ratterten. Ihr gingen die Worte der Frau durch den Kopf als diese gesagt hatte: Ich werde dich zu meinem Boss bringen.

Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das war alles geplant gewesen. Das hier war eine Inszenierung ihres Vaters und George, dem zweiten Boss einer solchen Organisation in Chicago. Und sie war mitten rein gestolpert ohne es zu merken. Wütend schrie sie ihn an: „Ach so ist das! Du schreckst auch vor gar nichts zurück! Ich fasse es nicht! Wie kannst du nur deine eigenen Leute aufs Spiel setzten?!“

„Reg dich doch nicht so auf“, sagte ihr Vater gelassen, es schien ihn gar nicht zu interessieren, dass sie es raus bekommen hatte. Er hatte es wahrscheinlich sogar gewollt!

„Ich soll mich nicht aufregen?!“, sie stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab, „Wann soll ich mich denn deiner Meinung nach sonst aufregen?!“ Es war Trysha egal, dass fast jeder im Raum zu ihnen herüber starrte.

Reilly kramte kurz in einer Schublade herum und holte zwei Umschläge raus. „Hier, eure Bezahlung“, er streckte ihr die Umschläge mit dem Geld entgegen. Sie riss es ihm wütend aus der Hand und schleuderte es mit einer schnellen Bewegung zu ihm zurück.

„Das kannst du behalten!! Weil ich-“, sie stockte.

„Kündige?“, fragte ihr Vater spöttisch und zog eine Braue hoch, „War es das, was du sagen wolltest?“ Trysha schauderte. Das hatte sie wirklich sagen wollen. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen und sie hatte in ihrer Wut die Folgen vergessen. „Ich hoffe du weißt was das bedeuten würde“, sagte ihr Vater und grinste wieder schleimig.

Ja, sie wusste es nur zu gut. Reilly beugte sich zu ihr vor und flüsterte bedrohlich: „Du willst doch nicht, dass Sheyla was Schlimmes passiert, oder?“, fragte er sie, als wäre sie ein kleines Kind.

„Nein, ich...“, Trysha verstummte und biss sich auf die Unterlippe.

„Du willst doch nicht, dass ihr Kind ein Waise wird, oder?“, fragte er weiter. Trysha schwieg.

Sheyla war ihre Schwester. Sie war ein paar Jahre älter als Trysha, aber sie wusste nicht, dass sie eine jüngere Schwester hatte. Ihr Vater hatte Sheyla genauso unter Kontrolle wie Trysha, nur, dass diese das nicht wusste. Er zwang sie zu nichts, er benutzte sie lediglich als Druckmittel, damit Trysha für ihn arbeitete. Reilly spielte bei Sheyla immer den großzügigen Vater. Reilly hatte sie aus der Stadt geschafft, bevor Trysha geboren wurde und irgendwohin gebracht, wo sie jetzt ihr eigenes Leben lebte. Trysha hatte schon öfters versucht raus zu bekommen wo Sheyla wohnte, aber sie war praktisch unauffindbar. Sie könnte in Europa wohnen oder in Asien und Trysha hätte nichts davon gewusst. Reilly erpresste Trysha mit Fotos, von Sheylas glücklicher Familie. Sie und ihr Mann hatten ein Kind namens Rebecca bekommen. Sheyla und Trysha sahen sich ähnlich, sie hatten die gleichen Augen und Haare.

Trysha schloss die Augen. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, das war wahrscheinlich ein Grund dafür, dass ihr Vater sie so sehr hasste. Obwohl Trysha sich nicht vorstellen konnte, dass er jemanden jemals mehr geliebt hatte als sich selbst. Sie hatte keine Wahl, wenn sie kündigte, würde ihr Vater, das Leben ihrer einzigen Schwester und deren Familie auch noch zerstören. Es reichte wenn einer leiden musste. Trysha würde nicht zulassen, dass er ihnen etwas antat.

Trysha öffnete die Augen wieder und funkelte ihren Vater an. „Ich fahre jetzt zu Lefti“, sagte sie und stieß sich von dem Schreibtisch ab.

„Euer nächster Auftrag ist nächste Woche Freitag! Sag ihm er soll diesmal pünktlich sein, sonst gibt's Abzüge!“, rief er ihr noch hinterher. Trysha zwang sich weiter zu gehen und schüttelte den Kopf kaum merklich, es hatte keinen Zweck sich gegen dieses Scheusal zu wehren.
 

Als sie wenig später zum zweiten Mal an diesem Tag an Giovannis Tür klingelte, fühlte sie sich unsicher. Sie war überzeugt davon, dass die Operation gut gegangen und Lefti wieder gesund wurde. Das war nicht ihre Sorge. Sie überlegte ob sie es Lefti erzählen sollte. Ihm erzählen sollte, dass ihr Vater dieses kleine Arrangement geplant und sie beide ausgenutzt hatte um Geld zu gewinnen und seinen Spaß zu haben. Lefti musste auch Verdacht geschöpft haben, schließlich war er angeschossen worden und nicht blöd im Kopf.

Dann öffnete sich auch schon die Tür und Giovanni begrüßte sie, auch zum zweiten Mal heute, herzlich. Auf ihren fragenden Gesichtsausdruck hin sagte er: „Es geht ihm gut. Ich konnte die Fremdkörper erfolgreich und restlos entfernen. Er wird keine bleibenden Schäden haben. Im Moment liegt er im Wohnzimmer auf dem Sofa und guckt Football mit mir“, Giovanni grinste. „Heute spielen die Chicago Bears.“

Das erklärte natürlich alles.

Trysha folgte Giovanni ins Wohnzimmer, es war geräumig eingerichtet. Gegenüber von der Tür waren eine Fensterreihe und eine Balkontür. Der Raum war abgedunkelt und die einzige Lichtquelle war der große Fernsehbildschirm, er stand so, dass Trysha, die grüne Grasfläche mit den verschiedenfarbig angezogenen Spielern sehen konnte. Ein Stück davor stand ein kleiner Couchtisch, auf dem etliche volle und leere Bierflaschen standen. Über die schwarze Sofalehne konnte Trysha Leftis blonden Haarschof sehen. Er war angespannt auf den Bildschirm gerichtet.

„Wir spielen gegen die Tennessee Titans“, flüsterte Giovanni ihr zu. Trysha fragte sich wieso Footballfans dazu neigten von der Mannschaft, dessen Fans sie waren in der ersten Person Plural zu sprechen. Sie gehörten doch eigentlich gar nicht zu der Mannschaft und sie spielten auch nicht mit. Was sollte dann dieses wir?

„Scheiße!“, hörte sie Lefti leise fluchen. Giovanni starrte auf die Anzeige, 15 zu 9 für die Bears.

„Ja!“, rief Giovanni und Lefti drehte sich zu ihnen um.

„Es ist noch alles drin, wir sind erst im zweiten Quartal!“, er nahm einen Schluck Bier und erst jetzt bemerkte er Trysha.

„Dir scheint es ja wieder gut zu gehen“, stellte Trysha fest während Giovanni sich neben Lefti auf das große Sofa setzte und nervös den Football mit den Augen verfolgte.

„Ja, na ja“, sagte Lefti, „Könnte besser sein, aber es geht.“

„Ich war gerade in der Zentrale“, erklärte sie ihm.

Lefti wurde ernst und schaute kurz rüber zu Giovanni. Er schien zu überlegen. Dann warf er einen letzten Blick auf das Spielfeld und sprang aus dem Sitzen über die Sofalehne und kam auf den Beinen wieder auf, die Bierflasche stellte er auf den Boden. Trysha staunte, wie konnte er nach so kurzer Zeit schon wieder solche Kunststücke vollführen? Anscheinend ignorierte er den Schmerz einfach. „Wir müssen reden“, sagte er knapp und Trysha folgte ihm aus dem dunklen Raum in die Küche.
 

Sie betraten die kalte Küche, in der nur ein paar Kontrollleuchten, der elektrischen Geräte blinkten, bis Lefti nach kurzem Suchen den Lichtschalter umlegte. Ein Deckenlicht erhellte den Raum, die Küche war geräumig und langsam fragte sich Trysha ob Giovanni eine Putzfrau hatte. Sie wusste, dass er nicht verheiratet war, konnte sich aber auch nicht vorstellen, dass er so ordentlich war. Die Küche war fast ausschließlich cremefarben gehalten. Vereinzelt hingen Fotos an den Wänden, mit italienischen Autos oder Frauen darauf. Lefti ging durch den Raum und lehnte sich ihr gegenüber an den Herd, wobei er lässig die Beine und Arme kreuzte. Trysha drehte sich einen Stuhl zu Recht und setzte sich. Er hatte ein frisches Hemd an, wahrscheinlich von Giovanni, deswegen war es auch etwas zu klein. Er musterte sie mit einem stechenden Blick und um das Schweigen zu brechen fragte sie: „Ich wusste gar nicht, dass du ein Fan von den Titans bist.“

„Woher auch?“, fragte er und Trysha zuckte mit den Schultern.

„Wie kommt das?“ Er seufzte.

„Ich bin in Alabama aufgewachsen und habe ganz in der Nähe des Flusses gewohnt. Wir sind dort oft baden gegangen...“

„Aha, ein Südstaatler also?“, fragte sie und schmunzelte.

„Wenn du es so nennen willst“, er bemerkte, dass sie sich Mühe gab eine vernünftige Unterhaltung aufzubauen und dabei sogar nicht mehr so bissig wie sonst war. Ihr feuchtes, frottiertes Haar, floss über ihre Schultern und sie bedachte ihn mit einem bezaubernden Lächeln. Er schob den Gedanken beiseite, aber es tat ihm trotzdem ein wenig Leid als er brüsk meinte: „Ich will nicht mit dir über meine Herkunft reden.“ Damit beendete er das Thema und ihre gute Laune.

Ach wirklich?, dachte Trysha bitter, sie hatte gehofft den unangenehmen Teil des Gesprächs noch ein wenig hinaus zu zögern.

„Was hat dein Vater gesagt?“, fragte Lefti gerade heraus. Trysha bemerkte, dass er noch etwas mitgenommen aussah. Seine Haare waren durcheinander, er sah müde aus und durch den Blutverlust war er noch ganz blass um die Nase.

„Eigentlich nichts besonderes“, log sie und fixierte einen Punkt neben seinen Kopf. Lefti zog eine Braue hoch.

„Nichts besonderes?“, fragte er, „Hast du ihm erzählt was mit mir ist?“

„Ja, teilweise“, antwortete Trysha, es stimmte, sie hatte mit ihrem Vater nicht viel über Lefti geredet.

„Teilweise“, wiederholte Lefti, „Und was hast du ihm über den Auftrag erzählt?“ Er hatte die Arme immer noch verschränkt und musterte sie eindringlich. Trysha schlug die Beine übereinander und ließ ihren Schuh auf und ab wippen.

„Ich hab ihm gesagt, dass wir den Auftrag erledigt haben und es keine Zeugen gibt.“

„Das ist alles?“, fragte Lefti. Trysha verschränkte ebenfalls die Arme und zögerte. Sollte sie ihm doch die Wahrheit sagen?

„Ja, das ist alles“, log sie dann.

„Verdammt!“, fluchte er und stieß sich von dem Herd ab, er baute sich vor Trysha auf, „Falls du es immer noch nicht kapiert hast, wir sind ein Team, ob es dir gefällt oder nicht. Ich kriege es früher oder später sowieso heraus, also kannst du es mir auch gleich beichten. Dir muss doch aufgefallen sein, dass an der Sache irgendwas nicht stimmte! Oder wie erklärst du dir sonst zum Beispiel die bewaffneten Typen?!“ Trysha schwieg, er hatte Recht. Lefti stieß einen ungeduldigen Seufzer aus und ließ sich erschöpft auf einen Stuhl neben ihr Fallen.

Es musste sein, er war ihr Partner, ihr Kollege, er musste es erfahren. Also stand Trysha auf und ging in dem Raum auf und ab, während sie Lefti schilderte, was sie in der Zentrale in Erfahrung gebracht hatte und wie ihr Vater mit der ganzen Sache in Verbindung stand. Dass Reilly die ganze Sache organisiert hatte und sie Teil eines Kräftemessens geworden waren.

Lefti verstand und alles fügte sich zusammen, sodass es einen Sinn ergab. Als Trysha fertig war, wartete sie auf seine Reaktion.

„Zehn Riesen?“, fragte er ungläubig, „Ganz schöner Wetteinsatz.“ Trysha nickte und Lefti lachte kurz künstlich auf. „Würde gern wissen, was für einen Anteil wir daran haben“, überlegte er spöttisch. Trysha fuhr zusammen. Wenn sie schon mal dabei war, konnte sie ihm auch alles erzählen.

„Ich schätze...“, setzte sie an und lächelte unsicher, „Gar keinen mehr.“ Lefti schaute sie verwirrt an und fragte: „Wieso das?“

„Na ja. Vielleicht habe ich auch etwas überreagiert, aber ich habe ihm die Umschläge mit dem Geld gegen den Kopf geworfen, nachdem ich raus bekommen hab was los war.“ Lefti starrte sie an, aber aus seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht erkennen, ob er es richtig oder falsch fand. Sie wandte den Blick von ihm ab und setzte sich wieder auf den Stuhl.

Und dann fing er an zu lachen.

„Ich stelle mir gerade vor wie er das Geld gegen den Schädel bekommt!“, sagte er lachend. Trysha grinste.

„Ja, er sah ziemlich verwirrt aus.“

„Und was hat er dann gesagt?“, wollte Lefti wissen. Trysha überlegte.

„Na ja, zuerst hab ich noch gesagt, dass-“, sie hielt inne.

„Ja? Was hast du gesagt?“, fragte er gespannt. Trysha wich seinem Blick aus und sah aus dem großen Küchenfenster auf das Licht der Straßenlaterne, die auf der anderen Straßenseite stand.

„Ist nicht so wichtig“, sagte sie.

„Doch! Komm schon. Sag' es mir“, drängte er weiter. Trysha sprang auf und stellte sich vor ihn.

„Nein! Das geht dich gar nichts an! Außerdem bin ich müde, also lass uns fahren!“ Lefti erhob sich ebenfalls, sein Gesichtsausdruck war jetzt ernst, fast bedrohlich.

„Langsam nervt es mich, dass du immer denkst du müsstest alles vor mir verheimlichen! Ich will nicht sagen, dass es falsch war, dass du ihm das Geld wieder zurück gegeben hast, auch wenn du dich bei der Entscheidung über mich hinweggesetzt hast, aber ich finde ich habe ein Recht darauf zu erfahren, wieso ich meine Bezahlung für das hier-“, er deutete auf seine Wunde, „Nicht bekommen werde!“ Er war wirklich größer als sie und hatte sich so dicht vor ihr aufgebaut, dass sie zu ihm hoch gucken musste und es ihr doppelt bewusst wurde. Sie stach ihm mit dem Zeigefinger in die Brust, als wollte sie die Luft aus einem Ballon heraus lassen.

„Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich wollte kündigen!“, sagte sie zu recht aufgebracht.

Als ob sie mit ihrem Finger eine Wirkung erzielt hatte, wich der wütende Ausdruck von Leftis Gesicht und er senkte den Blick. Er atmete aus und wusste nicht wohin mit seinen Händen, also stemmte er sich eine in die Seite und kratzte sich mit der anderen am Kopf. Dann schaute er sie entschuldigend an, während er fragte: „Und? Hast du?“ Trysha tat als würde sie überlegen, ob sie es ihm sagen sollte.

Sollte er doch noch ein bisschen zappeln! Schließlich mischte er sich in ihre Angelegenheiten ein. Nach einer Pause ließ sie sich dazu herab ihm zu antworten: „Nein.“

Lefti setzte sich wieder und starrte auf seine Hände, dann meinte er langsam, als hätte er sich gut überlegt was er sagen wollte: „Wieso nicht? Manchmal glaube ich, dass du den Job nicht magst... oder sogar nicht ausstehen kannst. Deswegen frage ich mich, warum du ihn trotzdem weiter machst, obwohl das die beste Chance wäre aufzuhören?“

„Wer sagt, dass ich den Job nicht leiden kann?“, fragte Trysha störrisch.

„Ach komm schon! Ich weiß, dass dein Vater uns nur in ein Team gesteckt hat, weil du zu viele Zeugen am Leben lässt. Das muss doch irgendwas bedeuten. Außerdem-“

„Nein. Es hat nichts zu bedeuten!“, unterbrach sie ihn bestimmt, „Und jetzt lass uns endlich fahren!“

Lefti wusste, dass das Gespräch beendet war und er nichts mehr aus ihr heraus bekommen würde, also stand er erledigt von seinem Stuhl auf. Er war hundemüde und er merkte, dass es ihr genauso ging.

„Okay, ich bring dich nach Hause.“ Trysha nickte und sie verabschiedeten sich noch dankend von Giovanni, der sich gerade die Verlängerung ansah, mittlerweile stand es 21:21. Bevor Lefti losfuhr sagte Trysha ihm noch, dass sie in der kommenden Woche Freitag ihren nächsten Auftrag hatten. Es war das erste Mal, dass sie ihm freiwillig eine Information gab, die ihre gemeinsame Arbeit betraf, und obwohl Lefti es bemerkt hatte, ließ er sich nichts anmerken.
 

***
 

So, die 4. Episode ist fertig! Langsam nimmt die Geschichte gestalt an! *freu*

Episode 5: Officer?!

Officer?!
 

Lefti verließ seine Wohnung, es war Mittag und er hatte sich den ganzen letzten Tag richtig schön ausgeschlafen. Er fühlte sich schon wieder viel besser. Seine Wunde oder Narbe, was es auch war, schmerzte nicht mehr. Irgendwann in der nächsten Woche musste er noch mal zu Giovanni und sich die Fäden ziehen lassen, aber das konnte erstmal warten. Außerdem war draußen schönes Wetter. Auch wenn man in der Stadt nicht allzu viel davon hatte, beruhigte es ihn. Es erinnerte ihn an seine Kindheit, als er noch in Alabama gelebt hatte, auf dem Land bei seinen Eltern. Er konnte die grünen Wiesen und die Felder, die sich sanft in den sommerlichen Brisen bewegten vor seinem inneren Auge sehen. Dort war die Sonne überall, wenn nicht gerade ein Baum in der Nähe stand und seinen Schatten über einen warf. Aber in Chicago waren die Bäume Hochhäuser und sie standen überall. Aber das war nicht das, was seine Laune verschlechterte, es war das was er vorhatte. Er war auf dem Weg zu Carrys Haus. Oder dem Haus, das ihr gehört hatte. Lefti hatte sich vorgenommen heute herauszufinden was mit ihr passiert war und was dieser Anruf zu bedeuten hatte. Wenn sie wirklich wegen ihm gestorben war, hieß das, dass irgendwer etwas von Lefti wollte, oder etwas anderes mit ihm vorhatte.

Er hielt bei dem großen Haus, stieg von seinem Motorrad und nahm seinen Helm ab. Vor dem Haus parkten noch zwei andere Wagen. Eins war ein Polizeiauto und das andere ein schwarzer Cadillac. Auf dem Rasen stand ein Polizist in seiner Uniform und notierte sich etwas auf einem Zettel. Lefti ging auf den Mann zu und stellte sich neben ihn.

„Officer“, sagte Lefti und tat als würde er das Haus von außen mit dem Blick nach verdächtigen Spuren absuchen. „Und? Was haben sie bis jetzt?“, fragte er fachmännisch.

Der Officer sah ihn abschätzend an, dann antwortete er: „Noch nicht besonders viel.“ Er schien ihm die Masche abzukaufen.

„Dann schießen sie mal los“, forderte Lefti ihn auf.

„Also“, setzte der Polizist an, „Wir haben im Haus Blutproben genommen. Sie stammen ausschließlich von Mrs. Villano. Wir vermuten, dass der Überfall so zwischen elf und dreizehn Uhr stattgefunden hat. Wir haben das Haus auf Fingerabdrücke untersucht.“ Lefti zuckte kaum merklich zusammen. Er selbst war auch in dem Haus gewesen und hatte höchstwahrscheinlich welche hinterlassen.

„Und?“, fragte er. Der Officer schaute kurz auf seinen Zettel, auf dem etliche Notizen standen und rückte sich die Mütze zurecht.

„Überall im Haus sind Spuren von Mrs. Villano, was verständlich ist“, er lächelte schwach. „Dann noch Spuren von Freunden und Verwandten, die alle ein Alibi haben. Und dann haben wir noch an vereinzelten Stellen, wie Türklinken oder auch an den beiden Scheiben, der Vorder- und Hintertür Abdrücke von einem gewissen“, er warf einen Blick auf seinen Zettel, „Lefti Keaton.“ Autsch!

„Ist er verdächtig? Oder haben sie noch etwas raus gefunden?“ Der Officer schaute zum Haus hinüber, hinter dem jetzt, aus dem Garten, eine Gruppe Menschen kam. Es war eine Frau, die sich bei einem Mann untergehakt hatte, beide sahen wohlhabend aus und trugen auch hier, Designerklamotten. Zwei weitere Officer begleiteten sie.

„Wir haben ihn noch nicht verhört, es wird sich noch herausstellen, ob er verdächtig ist. Aber einer seiner Abdrücke war auf der Klingel, das bedeutet, dass er wahrscheinlich auch ein Freund war. Na ja wer weiß, die Kriminellen heutzutage lassen sich auch immer etwas Neues einfallen, vielleicht hat er gar nicht gedrückt“, sagte der Officer und zuckte mit den Schultern.

Aha, dachte Lefti, sie hatten ihn also schon auf der Liste der Verdächtigen stehen, na toll.

„Was die zweite Frage betrifft, wir konnten von einer weiteren Person Fingerabdrücke sichern, aber noch nicht zuordnen.“ Lefti horchte auf, doch als der Officer nicht weiter sprach sackte er innerlich zusammen. Bis jetzt hatte er nur Sachen erfahren, die er schon gewusst hatte, nichts Informatives dabei. Schließlich wusste er, dass noch jemand hier gewesen sein musste und solange er den Namen nicht erfuhr brachte es ihn nicht weiter.

Das reiche Pärchen näherte sich und der Officer straffte sich.

„Wollen sie schon wieder gehen?“, fragte er.

„Ja, wir haben genug gesehen“, die Frau wandte sich an ihren Mann, sie hatte einen Pelzmantel mit dem passendem Hut dazu an, obwohl es schon warm war, „Ich würde sagen wir versteigern ihre Sachen, bis auf die teure Vase die ich ihr mal geschenkt habe.“ Die Frau grinste zuckersüß und verzog ihren knallpinken Mund. Ihr Begleiter nickte, er hatte braune kurze Haare und einen Anzug an, der perfekt saß. Er blickte auf die Frau herunter.

„Ja ja, alles was du willst, Darling“, versicherte er und drückte auf den Autoschlüssel, sodass die Lichter des Cadillacs aufleuchteten und die Schlösser entriegelt wurden. Die Frau musterte Lefti.

„Wer sind sie denn?“ Lefti fühlte sich merkwürdig ertappt. Sollte er seinen richtigen Namen sagen? Eigentlich hatte er nichts zu verlieren, er musste früher oder später sowieso aussagen, da würde es ihm nur verdächtig machen, wenn er jetzt log.

„Mein Name ist Lefti.“ Der Polizist, mit dem er geredet hatte guckte ihn aus großen Augen an und fragte: „Keaton? Lefti Keaton?“ Lefti grinste und nickte. „Aber, dann sind sie ja gar kein Detektiv!“, rief er aufgebracht.

„Hab ich auch nie behauptet“, bemerkte Lefti und der Officer guckte ihn schief an. Lefti wandte sich wieder an die Frau: „Und wer sind sie, wenn ich fragen darf?“ Alle starrten ihn verwirrt an. Die Frau lachte kurz und schrill auf.

„Wir sind die Eltern von Carry. Die Villanos“, sie gab ihrem Mann einen kleinen Schubs, „Komm jetzt, wir fahren.“

Natürlich, dachte Lefti, die Villanos, sie waren ja reich und berühmt, man musste sie einfach kennen.

„Ha!“, murmelte Lefti bitter.

Die beiden gingen zu ihrem Cadillac und stiegen ein. Das waren also die Eltern von Carry. Die Beamten schauten den beiden auch hinterher, bis sich der Officer wieder an ihn wandte: „Ich hoffe sie haben Zeit um uns aufs Revier zu begleiten! Denn das werden sie nämlich jetzt.“ Lefti nickte und beobachtete wie der Cadillac um die Ecke bog und aus seinem Blickfeld verschwand.

„Ja. Aber ich darf doch mit dem Motorrad fahren, oder?“ Der Officer musterte ihn abschätzend und schien zu dem Entschluss zu kommen, dass es zu riskant war.

„Nein! Und jetzt umdrehen!“, Lefti seufzte und ließ sich die Handschellen anlegen, „Sie sind vorläufig festgenommen wegen Verdacht auf Mord“, verkündete der Officer.

Oh Mann! Lefti schüttelte den Kopf. Wenn die wüssten wie berechtigt ihre Anklage war. Er hatte schon oft getötet, öfter als ihm manchmal lieb war, aber er war bis jetzt immer davon gekommen und die paar Mal bei denen sie ihn gekriegt hatten, hatten sie ihm nichts nachweisen können. Aber das war noch in Alabama gewesen. Seit er hier in Chicago war, hatte er sich noch nicht wieder schnappen lassen. Und jetzt, wo er noch nicht mal was gemacht hatte, nahmen sie ihn fest. Die Polizei hier war echt lachhaft!

Sie bugsierten ihn in den Streifenwagen, wechselten vor dem Wagen noch ein paar Worte und stiegen dann selbst ein um in Richtung Revier zu fahren.
 

Als sie ankamen, brachte man ihn in einen dieser Verhörräume, in denen es nur eine Lampe und einen Tisch mit zwei Stühlen gab. Bis endlich ein Mann, dessen Marke ihn als Officer identifizierte, den Raum betrat war bestimmt eine halbe Ewigkeit vergangen. Er wusste nicht ob die Polizei so viel zu tun hatte, oder ob das reine Manipulation gewesen war um ihn ungeduldig zu machen und im Falle seiner Schuld so schneller zum Reden zu bringen. Er glaubte es war zweiteres und beschloss seine Genervtheit zu verbergen indem er sich zurücklehnte und die Augenbrauen hochzog.

Der Mann setzte sich zu ihm an den Tisch und breitete seine Unterlagen aus.

„Ich bin Officer Thompson und für diesen Fall zuständig“, verkündete er, „Und Sie sind...?“ Als Lefti nichts erwiderte warf er einen kurzen Blick auf einen der Zettel.

„Lefti Keaton?“, dieser nickte. „Okay, wo waren Sie Samstagmorgen zwischen elf und dreizehn Uhr?“

„Im Bett.“

„Gibt es dafür Zeugen?“, fragte der Officer ernst.

„Natürlich! Gleich zwei Stück. Beide blond, blauäugig...“, Lefti grinste. Die Mundwinkel des Officers zuckten und er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, wandelte es aber gekonnt in einen Hustenanfall um. Dann folgerte er: „Also nicht?“ Lefti nickte und wünschte es wäre so wie er gesagt hatte, das würde die Sache einfacher machen.

„Dann erzählen Sie mir mal ihre Geschichte.“
 

„Und jetzt das rechte Bein so weit nach hinten strecken wie möglich.“ Die Frau verbog sich nach vorn und streckte ihr Bein in die Luft.

„Sehen sie wie es geht? -Oh, sie machen das gut!“ Trysha schob sich einen Schokoriegel in den Mund.

Woher wollte die wissen ob sie überhaupt mitmachte?

„Und jetzt die nächste Übung: Stellen sie sich schulterbreit hin und gehen sie in die Knie...“, redete die Frau im Fernsehen weiter. Sie hatte einen grässlichen pinken Stretchanzug an und führte irgendwelche gymnastischen Übungen vor. Trysha saß auf ihrem Sofa und schaute demotiviert zu. Sie griff nach einem weiteren Schokoriegel und schaltete den Fernseher wieder aus, sie hatte ihn vor fünf Minuten erst angemacht.

Sie lehnte sich zurück, seufzte und dachte über ihr verpfuschtes Leben nach. Liebend gerne würde sie ihren Job einfach hinschmeißen, doch gleichzeitig wusste sie, dass sie das nicht konnte. Wegen ihrer Schwester.

Sie musste eben weiterhin hoffen, dass irgendwann ein Wunder geschah und sie die Chance bekam ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen...

Die Frage war nur, wie dieses Wunder aussehen sollte. Trysha stand frustriert auf und holte sich eine Dose Sprühsahne aus dem Kühlschrank. Danach fleezte sie sich wieder auf ihr Sofa und spritzte sich eine Ladung in den Mund. Schon besser!

Ihre Gedanken schweiften wieder zu ihrem Job ab und blieben an Lefti hängen. Eigentlich musste sie sich eingestehen, dass sie doch dankbar darüber war einen Partner zu haben. Sie wusste zwar nicht warum, aber seitdem war ihre Arbeit irgendwie erträglicher geworden... wenn auch nur ein bisschen. Wahrscheinlich lag das aber daran, dass sie nicht mehr jede Situation alleine durchstehen musste und nicht direkt an ihm. Wenn sie sich ihren Teamkollegen hätte aussuchen können, wäre ihre Wahl bestimmt nicht auf Lefti gefallen.

Trysha schaltete ihren Fernseher wieder an und zappte sich gelangweilt durch das Programm.
 

„Nein, ich bin nicht eingebrochen!“, verneinte Lefti die Frage des Officers noch mal.

„Und warum sind sie dann durch die Hintertür rein?“ Lefti versuchte seine Wut unter Kontrolle zu behalten. Er fragte sich wie oft er es noch erzählen musste.

„Wir waren verabredet und ich habe geklingelt! Aber es machte keiner auf! Was ist denn daran so schwer zu verstehen?“, er seufzte, „Außerdem war es da schon vierzehn Uhr, Sie sagten der Mord war zwischen elf und dreizehn Uhr!“

„Ja, vierzehn Uhr, sagen Sie“, er betonte das Sie so, dass Lefti wusste, was der Officer von seiner Glaubwürdigkeit hielt, „Und was war dann?“

„Das hab ich Ihnen schon gesagt“, entgegnete Lefti und lächelte den Polizisten gespielt mitleidig an, „Vielleicht sollten Sie jemand anderes schicken, jemanden mit besserem Gedächtnis.“ Der Officer war für kurze Zeit verdutzt, doch als er verstand funkelte er Lefti böse an und zischte: „Du denkst wohl du bist ein ganz Schlauer! Aber in Wirklichkeit bist du ein verdammter Mörder! Und ich werde dich dran kriegen!“ Lefti tat als hätte er das unfreundliche überhört und meinte lediglich: „Wenn wir schon mal dabei sind uns zu duzen, erzähle ich es Ihnen... äh dir gerne nochmal: Also, es hat keiner aufgemacht und ich bin ums Haus herum gegangen. Hab mir aber nichts dabei gedacht“, fügte er viel sagend hinzu. Er hatte sich wirklich nichts dabei gedacht. Das würde wahrscheinlich jeder normale Mensch machen. Als Lefti den Officer fragte, ob der hinters Haus gegangen wäre, um zu gucken ob jemand zu Hause war, musste dieser, wenn auch widerstrebend, zugeben, dass er es auch so gemacht hätte.

„Natürlich nur wenn ich kein Handy dabei gehabt hätte!“, sagte der Officer noch schnell, „Wieso haben Sie nicht bei ihr angerufen?“ Lefti überlegte. Er wusste es nicht. Er hatte es eben einfach nicht gemacht, vielleicht hatte er es vergessen.

„Weiß ich nicht. Habe ich in dem Moment nicht dran gedacht“, der Officer notierte sich etwas und antwortete nur mit einem skeptischen: „Aha.“

Lefti musste daraufhin noch erklären wieso er in die Wohnung gegangen war. Der Grund dafür war die Unordnung und die Tatsache, dass die Balkontür sowieso entriegelt gewesen war. Als der Officer misstrauisch fragte, wieso die Tür offen gewesen war, er glaubte es anscheinend nicht, antwortete Lefti nur: „Weil schon jemand vor mir da gewesen war!“ Der Officer sah ihn daraufhin nur an.

„Wie wäre es, wenn Sie das in ihr kleines Büchlein da schreiben? Jemand ist schon vorher da gewesen!“, riet ihm Lefti und nickte ermutigend.

„Ich schreibe nur das auf, was ich für wichtig halte.“

„Ach so. Natürlich“, pflichtete ihm Lefti bei.

„Ja! Und jetzt sagen Sie mir, was sie gemacht haben als sie das Blut fanden!“

„Wissen Sie schon“, merkte Lefti störrisch an.

„Erzählen Sie es noch einmal!“, rief der Officer und seine braunen Augen quollen bedrohlich hervor.

„Okay, ich hab im Haus nach Carry gesucht“, er verschwieg das winzige Detail, dass er dabei eine Waffe in der Hand gehabt hatte. „Habe sie aber nicht gefunden. Und erst dann ist mir die Idee mit dem Handy gekommen“, vielleicht lag es daran, dass er sein Handy nicht gerne benutzte, weil es so mühsam war sich auf diesen kleinen Tasten nicht zu verwählen. Das Gesicht des Officers erhellte sich kurz, ihm war wohl eine neue Frage eingefallen.

„Wieso haben Sie nicht die Polizei gerufen?“, fragte er forschend und setzte ein Pokerface auf. Doch man sah ihm seine Enttäuschung trotzdem an, als Lefti nach kurzem Überlegen antwortete: „Ich dachte das wäre schon längst passiert. Ich hatte schließlich das Krankenhaus am Hörer und die arbeiten doch eng mit der Polizei zusammen.“ In Wirklichkeit hatte er in dem Moment gar nicht darüber nachgedacht die Polizei zu rufen, was vielleicht daran lag, dass er versuchte sich selbst, wenn möglich, von ihr fern zu halten. Aber im Nachhinein schien es ihm logisch, dass er so gedacht haben könnte. Das fand der Officer auch, denn er kritzelte mit einer Sorgenfalte zwischen den Augen wieder etwas in sein Notizbuch.

„Okay, na dann, sagen Sie mir doch nochmal-“, er wurde durch die Tür unterbrochen, die plötzlich auf flog und ein kleiner Mann mit Brille und Halbglatze trat zu ihnen in den kleinen Raum.

„Thompson! Wir haben ihn! Den zweiten Fingerabdruck!“, er breitete ein paar Unterlagen auf dem Tisch aus und kramte darin herum. Lefti wurde hellhörig, ließ sich sein Interesse aber nicht anmerken und blickte durch den Raum.

„Ah, hier ist es ja!“, der kleine fette Zeigefinger des Mannes fuhr auf einem Blatt entlang und seine Augen überflogen die Zeilen hastig. Er deutete auf den Fingerabdruck. „Der Abdruck, den wir am Briefkasten gefunden haben, bis auf den vom Postboten und Mrs. Villano. Er gehört einem gewissen Rudolph Christian Odelly. Er wohnt in Milwaukee.“

Milwaukee, dachte Lefti, ziemlich weiter Weg nur um jemanden zu töten. Thompson schien kurz zu überlegen.

„Machen Sie seinen genauen Wohnort aus und sagen sie der Wache in Milwaukee bescheid!“, der kleine Mann nickte eifrig und verließ, mit erstaunlich langen Schritten für seine Größe, den Raum und schloss die Tür hinter sich. Thompson musterte Lefti nachdenklich. Dann seufzte er.

„Gut. Ich kann Ihnen nichts beweisen. Also kann ich Sie auch nicht verhaften. Wenn Sie es waren, haben Sie ihre Arbeit zwar gründlich gemacht, aber wir werden Sie trotzdem kriegen. Also können Sie auch gleich damit heraus rücken“, klärte er ihn scharf auf. „Wenn Sie mir noch was zu sagen haben tun Sie es jetzt, dann fällt die Strafe milder aus“, fügte er noch hinzu, doch als Lefti nur mit den Schultern zuckte, stand er auf und funkelte ihn an. „Glauben Sie nicht, dass Sie endgültig aus der Sache raus sind. Ich werde Sie im Auge behalten!“, er fixierte Lefti noch mal scharf und ging zur Tür. „Wir sehen uns.“

Lefti hoffte, dass dem nicht so war. Thompson verschwand und es stand Lefti frei zu gehen.

„Rudolph Christian Odelly“, er flüsterte die Worte langsam und gedehnt vor sich hin, „Was willst du von mir?“

Episode 5: Gucken erlaubt. Anfassen verboten.

Gucken erlaubt. Anfassen verboten.
 

Am Freitagmorgen, der Tag ihres nächsten Auftrages, hatte Trysha sich entschieden anstatt mit der U-Bahn lieber zu Fuß zu gehen. Erstens, weil das Wetter so schön und zweitens, weil sie sowieso zu früh war. Sie war aber nicht auf dem Weg zur Zentrale, sondern zu dem Beruf, der ihr tausendmal lieber war. Also machte sie einen kleinen Umweg durch den Grant Park. Dort herrschte zu dieser Jahreszeit immer ein reges Treiben. Und dieses Jahr war da keine Ausnahme. Kinder tobten auf den Spielplätzen herum. Auf den Wiesen wurde mit Hunden gespielt. Frauen sonnten sich auf ihren Handtüchern und freuten sich insgeheim wenn ein Ball in ihre Nähe rollte, sie ihren großen Strohhut abnehmen und ihn ungeschickt zurückwerfen konnten.

Hinter sich hörte Trysha plötzlich schnelle Schritte. Als sie sich umdrehte, sah sie wie drei kleine Jungs auf sie zu gerannt kamen. Aber sie rannten nicht auf Trysha zu, sondern wollten an ihr vorbei auf den neuen Spielplatz, der erst vor kurzem fertig geworden war.

„Jetzt wartet doch mal!“, rief der letzte von ihnen.

„Tja, wenn du gewinnen willst, musst du mich schon überholen!“, schrie der erste über die Schulter nach hinten und achtete nicht mehr auf seinen Weg. Trysha wollte noch ausweichen und machte einen Satz schräg nach hinten, wobei sie mit jemandem zusammen stieß und als sie sich umdrehen wollte, rannte der kleine Junge schon in sie hinein. Durch die Wucht des Zusammenpralls wurde sie nach hinten geworfen und fiel zusammen mit dem Jungen und der Person hinter sich auf den Gehweg, der aus Kieselsteinen war.

„Aua“, stöhnte Trysha, die auf etwas Kantigem landete. Der kleine Junge sprang auf, er hatte sich nichts getan.

„Entschuldigung!“, rief er und rannte seinen Freunden hinterher, „Tim! Dan! Das gilt nicht! Bleibt doch stehen!“ Trysha starrte ihm nach. Wie nett.

Jemand räusperte sich und sie bemerkte, dass sie immer noch auf dem Boden saß oder eher auf einem Knie. Außerdem wurde ihre Position dadurch noch verschlechtert, dass ihr Rock, der sowieso schon kurz war, noch höher gerutscht war und allen umher stehenden Leuten einen großzügigen Einblick auf ihre wohl geformten Oberschenkel gewährte. Schnell richtete sie sich auf und streckte dem Mann, wie sie jetzt sah, die Hand entgegen und half ihm auf. Er war groß, gut aussehend und braunhaarig.

„Oh, verzeihen Sie, ich war eben abgelenkt“, sie lächelte ihn entschuldigend an und betrachtete den Schaden, sie war genau wie der Junge unversehrt. Doch der Mann hatte ein paar Flecken an seiner Hose und sie fühlte, dass seine Handfläche etwas rau war. Doch er schüttelte abwehrend den Kopf.

„Nein, nein. Sie können ja nichts dafür.“ Er grinste sie ebenfalls an. An seinem Verhalten erkannte sie, dass er darauf aus war, aus diesem Unfall seine Vorteile zu ziehen, was unter anderem wohl daran lag, dass sie fast auf ihm gesessen hatte und er mehr gesehen hatte als sie beabsichtigte zu zeigen.

„Ich bin David.“ Trysha zögerte, schüttelte dann aber trotzdem seine Hand.

„Ich heiße Trysha.“

„Ah. Tja, also die Jugend von heute“, er verdrehte spielerisch die Augen. Trysha musterte ihn, er sah aus wie ein Geschäftsmann, auch wenn er keinen Anzug trug, er hatte diese gewisse Art. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen.

„Ja, da haben sie Recht.“

„Hätten sie vielleicht Lust auf einen Kaffee, oder-“, wollte er gerade anfangen zu fragen, als sie eine Bewegung mit ihrem Kopf machte, wobei ihr Haar nach hinten flog und sie ihm genau in die blauen Augen sehen konnte. Das ließ ihn verstummen. Sie grinste ihn bedauernd an und säuselte: „Entschuldigung, aber ich muss jetzt zur Arbeit.“ Dann senkte sie die Lieder, schlängelte sich elegant an ihm vorbei und ließ ihn stehen.

So machte sie es mit den Männern, die ihr zu nahe kamen. Sie konnte nicht anders.

Gucken erlaubt. Anfassen verboten.
 

Wenig später betrat sie das Grundstück des großen Gebäudes, an dem mit schlichter Schrift über dem Eingang stand: Kinderkrankenhaus. Der Weg, der zu dem Eingang führte, war auf beiden Seiten von Bäumen und Grasflächen umgeben. Links befand sich ein kleiner Spielplatz, auf dem bei diesem Wetter auch ein paar der Kinder spielten. Es war ein privater Platz, also nur für die Kinder, die im Krankenhaus stationiert waren.

Aber Krankenhaus war eigentlich nur ein Oberbegriff, denn hier wurden auch Waisenkinder aufgenommen, sowie Frühchen, die noch in ihrem Inkubator liegen mussten. Das Hauptkrankenhaus war nämlich gleich nebenan und unterirdisch mit diesem Gebäude verbunden. Manchmal holten sie auch Babys aus Afrika oder anderswo aus der dritten Welt um diese aufzupeppen, weil sie so abgemagert waren und sie dann zur Adoption freizugeben.

Trysha öffnete die Tür und der bekannte Krankenhausgeruch umschloss sie. Sie ging zum Informationsschalter, wo sie überrascht von Rita empfangen wurde: „Oh! Heute bist du ja besonders früh!“

„Ja ich weiß. Ich hatte gerade nichts anderes zu tun und dann bin ich noch durch den Park gegangen“, sie schaute kurz durch die Glastüren nach draußen. „Außerdem ist es draußen doch so schön...“

„Da hast du Recht. Wenn du magst kannst du ja Steven schon ablösen, der freut sich bestimmt wenn er schon etwas früher Feierabend machen kann“, sie deutete auf den rechten Gang. „Ich glaube er ist gerade bei den Kindern im Spielzimmer.“

Rita strich sich eine blond gefärbte Haarsträhne hinters Ohr und beugte sich wieder über ihre Arbeit.

„Okay, danke!“, sagte Trysha, bemüht ihre Bitterkeit nicht zu zeigen, wenn sie daran dachte wie ihr Feierabend aussehen würde. Irgendjemand würde wieder sterben müssen und auch die Chancen auf eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater standen nicht schlecht...

Trysha ging den hellen Gang hinunter, an den zahlreichen Zimmern, in denen die kleinen Patienten lagen, vorbei. Das Krankenhaus wirkte auf sie immer etwas zu steril und ungemütlich mit seinen weißen Gummiböden, Wänden und Türen. Man musste immer Angst haben, dass man etwas schmutzig machte.

Sie betrat durch eine Schwingtür, die Abteilung der Waisen, in der sie arbeitete. Die Atmosphäre änderte sich abrupt und hier sah es nicht mehr so sehr nach Krankenhaus aus. Die Deckenlampen waren altmodisch und die Türen bestanden aus naturbelassenem Holz. Die Zimmer der Kinder besaßen sogar Teppichböden und Holzbetten, anstatt der unheimeligen Gummiböden und Plastik oder Metallbetten wie in der Krankenhausabteilung. Die Zimmer waren mit viel Spielzeug und schönen Tapeten, auf denen Luftballons, Blumen und Tiere drauf zu sehen waren, eingerichtet. Trysha fand, dass die Kinder im Krankenhaus sich in solch einer Umgebung bestimmt ebenfalls wohler fühlen würden, doch anscheinend war die Hygiene wichtiger.

Vom Weiten sah sie wie sich die Zimmertür mit der Nummer 27 öffnete und ein kleines Mädchen in einem rosa, bodenlangen Nachthemd auf den Flur getippelt kam. Ihr weißes Kuschelkissen fest unter den Arm geklemmt, bewegte sie sich ihr entgegen in Richtung Toilette.

„Fely!“, rief Trysha und winkte ihr entgegen. Felizitas schien sie erst jetzt zu bemerken und ihr Gesichtsausdruck erhellte sich augenblicklich. Sie strahlte Trysha an und stolperte ihr entgegen, wobei ihr platinblondes Haar wild umher flog.

„Fely, wieso gehst du denn alleine? Was ist denn mit deiner Freundin?“, fragte Trysha und kniete sich vor sie hin. Sie schien einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn Felizitas Lächeln erstarb und sie blickte zögernd zu ihrem Zimmer hinüber.

„Aishe will nicht“, sagte sie mit der größten Überzeugung, die eine Vierjährige aufbringen konnte und schmollte vor sich hin. Wahrscheinlich hatten sie sich gestritten, aber wie Trysha die beiden kannte, würden sie sich innerhalb kürzester Zeit wieder vertragen und spielten weiter mit ihren Puppen.

„Ach! Das kann ich gar nicht glauben. Komm doch gleich ins Spielzimmer, dann klären wir alles auf“, sagte Trysha in ihrem verständnisvollsten Tonfall und schüttelte den Kopf. Felizitas schaute sie erst zweifelnd an, ihre großen blauen Augen blinzelten ein paar mal, doch dann drückte sie ihre Decke fester an sich und lächelte.

„Ja. Trysh hat immer Recht“, sie nickte, steckte sich den Daumen in den Mund und setzte ihren Weg ins Bad weiter fort. Trysha grinste und erhob sich.

Felizitas war als Einjährige hier hergekommen. In ihrer Wohnung hatte es gebrannt, dabei war ihre Mutter gestorben und da ihr Vater, während der Schwangerschaft seiner Freundin, abgehauen war, war sie hier einquartiert worden. Bis jetzt hatte sie noch keiner adoptieren wollen, was wohl unter anderem an ihren Brandnarben lag, die größtenteils an ihrer linken Körperhälfte waren. Sie musste deswegen spezielle Kompressen tragen, die bei der Heilung halfen und die Schmerzen linderten. Am stärksten waren ihr Oberarm und ihre Füße betroffen. Auf ihrer Wange waren auch noch Spuren von dem Brand zu sehen, aber Trysha fand, dass es sie keinesfalls entstellte, sondern nur noch niedlicher machte.

Sie liebte ihren Nebenjob, obwohl sie so gut wie nichts daran verdiente. Es gab ihr einfach ein gutes Gefühl auch mal zu helfen und nicht immer nur der Todesengel zu sein. Sie hasste es nachts Menschen umzubringen, von denen sie nichts wusste, auch nicht ob sie es vielleicht gar nicht verdient hatten. Deswegen fühlte sie sich besser, wenn sie hier half junges Leben zu erhalten, die Waisen in Familien zu bringen und einfach nur auf die Kinder aufzupassen. Auch wenn sie wusste, dass sie dadurch ihre Taten nicht wieder gut machen konnte.

Sie öffnete die große Glastür, neben der an der Wand ein selbst getöpfertes Schild mit der bunten Aufschrift „Spielzimmer“ hing. Der Raum war groß und mit zwei langen Tischreihen versehen, an denen zahlreiche Stühle standen. Das Ganze natürlich in Kindergröße, so dass Steven, ihr Kollege, der auf einem der Stühle saß und einem Kind beim Malen zusah, viel zu groß wirkte.

„Hallo Steve“, grüßte sie und trat hinter ihn, um auf das Bild zu schauen. „Na, was malt ihr?“

„Der kleine Jonathan Jonas... versucht sich gerade an einem Elefanten“, antwortete er lächelnd und fuhr sich durch das dichte blonde Haar. Trysha warf einen belustigten Blick auf den großen blauen Fleck auf dem Bild. Doch dann musterte sie das Sorgenkind der Gruppe nachdenklich. Jonathan Jonas war fünf Jahre und erst vor einigen Wochen zu ihnen gekommen, da seine Eltern ihn einfach vor der Tür abgesetzt hatten und dann spurlos verschwunden waren. Sie hatten nicht gewusst wer dieser Junge war und er hatte stockend gesagt, dass sein Name Jonathan Jonas war. Das war aber auch so ziemlich das einzige was der Junge wusste oder sagte. Er war von seinen Eltern wohl stark vernachlässigt worden, denn er beherrschte nur wenige Wörter und kannte keine selbstverständlichen Verhaltensweisen oder Namen von Gegenständen. Sie waren dabei ihn von Grund auf neu zu erziehen, doch er lernte in diesem Alter nur noch langsam.

„Wieso bist du eigentlich schon hier?“, fragte Steve interessiert und drehte sich auf seinem kleinen Holzstuhl zu ihr um.

„Bin heute früher gekommen, wenn du willst kannst du Schluss machen.“

Er nickte, wollte aber noch Jonathan bei der Beendung seines Bildes zusehen und den kurzen Tagesbericht schreiben.

Trysha ging durch den Raum, um die verschiedenen Kinder zu begrüßen und sich einen Überblick zu verschaffen.

Momentan waren dreiundzwanzig Kinder hier im Waisenhaus und sie hatte jedes einzelne in ihr Herz geschlossen. Es war immer schwer für sie und ihre Kollegen, wenn eines ihrer Schützlinge adoptiert wurde. Auf der einen Seite freute man sich natürlich, aber auf der anderen war man auch traurig, weil man es aus den Augen verlor und seinen Wachstum nicht mehr mitverfolgen konnte. Doch man hatte die Gewissheit, dass es bei seinen neuen Eltern wenigstens in guten Händen war.

Die kleinen Zwerglein wuchsen ihr immer zu sehr ans Herz, aber sie konnte nichts dagegen tun. Mit ihrer Lebensfreude und ihren Begeisterungsstürmen für völlig belanglose Dinge schafften sie es immer wieder Trysha um ihre kleinen Finger zu wickeln. Zudem liebte sie es zuzuschauen, wie sie Spiele spielten. Verstecken, Fangen, Plumssack oder Mutter, Vater, Kind. Das erinnerte sie dann teilweise an ihre eigene Kindheit, die immer schön gewesen war, solange sie im Kindergarten oder in der Schule war. Zu Hause, bei ihrem Vater war es dann meistens langweilig und später unerträglich gewesen.

„Ich bin jetzt fertig!“, rief Steve zu ihr herüber und machte sich zur Tür auf, wobei er sich seine dünne Sommerjacke schnappte

„Ja, dann übernehme ich jetzt!“, antwortete sie und er nickte eifrig.

„Danke.“

„Gern geschehen“, meinte sie lächelnd und warf ihm eine Kusshand zu, er fing den Luftkuss gespielt dramatisch auf und torkelte ein paar Schritte rückwärts. Dann zwinkerte er ihr amüsiert zu und verließ den großen Raum.

Trysha grinste in sich hinein und setzte ihren Rundgang fort. Sie mochte ihre Kollegen.

Als sie bei Jonathans Jonas ankam blickte sie liebevoll zu ihm hinunter. Sie setzte sich neben ihn und versicherte, dass sein Elefant wunderhübsch war. Er sollte ihr erzählen was er als nächstes zeichnen wollte, er antwortete es würde ein Löwe werden und patschte mit seiner Hand auf eine aufgeschlagene Bilderbuchseite, auf der ein Löwe abgebildet war. Trysha freute sich über jedes Wort, dass er mit ihr redete und gesellte sich dann zu den Mädchen, die gerade mit Puppen spielten.
 

***
 

Ah gut. Die 5. Episode ist auch fertig! Als nächstes kommt wieder etwas Action.

Episode 6: Wie Öl und Wasser...

Wie Öl und Wasser...
 

„Heute so pünktlich?“, fragte Reilly und fixierte ihn scharf, was wohl bedeuten sollte, dass er sich das nicht zu oft erlauben konnte. Lefti antwortete nicht sondern zuckte nur demonstrativ mit den Schultern.

„Wo bleibt denn meine Tochter?!“, Reilly spähte zur Tür. „Auf die kann man sich auch nicht verlassen!“, meinte er verächtlich. Lefti fragte sich wieso er das sagte, es war schließlich noch vor der abgemachten Zeit. „Ich glaub ich muss sie mal wieder darauf aufmerksam machen, wer hier das Sagen hat“, stellte er fest. Lefti zog eine Braue hoch, der war ja regelrecht auf Streit aus. Reilly zog seinen Schlips zurecht und lehnte sich missgelaunt in seinem Ledersessel zurück. Dann richtete er seinen messerscharfen Blick auf ihn. „Ich habe gleich morgen wieder einen Auftrag für euch, nichts Wildes, nur ein paar Informationen beschaffen...“

„Gleich morgen?“, fragte Lefti überrascht, das war nicht gerade üblich, aber solange es nur Informationen waren.

„Ja. Es lässt sich nicht aufschieben. Kommt heute Abend nochmal vorbei, dann erkläre ich es euch genauer“, beendete Reilly das Thema und wechselte auch gleich zum nächsten: „Und? Wie sieht das bei dir aus?“, er gluckste kurz auf, „Hast du Trysha unter Kontrolle oder brauchst du Verstärkung?“ Jetzt fing er an laut und schadenfroh zu lachen, wobei sein Schnurrbart leicht vibrierte. Lefti wusste nicht, ob er auf diese hirnverbrannte Frage überhaupt antworten sollte. Doch das klärte sich ganz von alleine, denn Reilly redete schon weiter: „Ich konnte die als kleines Kind schon nicht leiden.“ Er schüttelte den Kopf und lachte wieder weil ihm wohl gerade ein besonders belustigender Gedanke gekommen war. „Geschieht ihr Recht!“

Lefti war seit dem gestrigen Abend selbst nicht gut auf Reilly zu sprechen, schließlich hatte er sie absichtlich auf eine andere Organisation gehetzt, trotzdem fragte er: „Was geschieht ihr Recht?“ Reilly hörte prompt auf zu lachen und musterte ihn. Anscheinend wunderte er sich, warum Lefti näher nachfragte und überlegte, ob er es verraten konnte. Dann grinste er schleimig.

„Tja. Es geschieht ihr Recht, dass sie nichts weiß! Sie weiß gar nichts!!“, er beugte sich nach vorne und nahm einen Bleistift in die Hand um ihn zwischen den Fingern zu drehen. „Sie will es ja wissen! Ha! Da kann sie warten bis sie schwarz wird...“ Er redete immer verworrener. Lefti musste sich anstrengen, damit er das Gemurmel überhaupt verstehen konnte.

„Ich werde ihr das Leben zur Hölle machen!“, er zerbrach den Bleistift mit beiden Händen und warf ihn in den Mülleimer. „Und heute-!“, er hörte abrupt auf zu reden und stand auf um durch den Raum zu stapfen und durch eine Tür in einen der kleinen Nebenzimmer zu verschwinden.

Lefti starrte ihm verwirrt hinterher. Er verstand gar nichts mehr und es ging ihn auch nichts an. Aber er fragte sich trotzdem, was es mit diesem bizarren Vater-Tochter Verhältnis auf sich hatte. Na ja, er hatte schließlich seine eigenen Probleme...
 

Trysha wappnete sich und stieß die Tür zum Vorraum leise quietschend auf. Sie schritt entschlossen zur Tapetentür. Heute würde sie sich nicht provozieren lassen. Heute würde sie nicht mit ihrem Vater streiten. Sie würde diesen Auftrag sauber und schnell hinter sich bringen, damit sie früh ins Bett kam. Die Woche war schon anstrengend genug gewesen.

Sie betrat den Hauptraum und richtete ihren Blick auf den Schreibtisch ihres Vaters. Er war leer.

Komisch, dachte Trysha und schaute sich nach Lefti um, sie war überrascht ihn zu entdecken, vielleicht hatte sie damit gerechnet, er würde wieder etwas später kommen. Aber er saß auf einem Stuhl in der Sitzreihe an der hinteren Wand. Er hatte sich zurück gelehnt und die Augen geschlossen.

Ihm fehlt wohl auch ein bisschen Schlaf, dachte Trysha resigniert und steuerte auf ihn zu.

„Deine Schuhe verraten dich“, klärte er sie mit geschlossenen Augen auf, als sie näher kam. Trysha betrachtete ihre Füße, heute hatte sie keine Lust gehabt vorsichtig zu sein und hatte sich Schuhe mit Absätzen angezogen.

„Ja, kann sein, aber es wird schon nichts passieren.“

Er öffnete ein Auge und warf ihr einen scharfen Blick zu, der ihr zeigte, was er davon hielt. Sein Blick wurde noch schärfer und er musste beide Augen öffnen, als er sah, was sie an hatte.

Heute trug sie ein eng anliegendes Latex-Minikleid, es war schwarz, trägerlos und betonte ihre kurvenreiche Figur. Dazu hatte sie, ebenso schwarze, Lederstiefel, die bis kurz unter die Knie reichten angezogen. Er musterte den Schwung ihrer perfekten Beine und gab seine Meinung über ihr Killer-Outfit wie es im Buche stand mit einem missmutigem Schnauben wieder. Wenigstens baumelte ein Helm in ihrer Hand, sie hatte sich also einen zugelegt und konnte somit nicht vollkommen lebensmüde sein, fuhr es Lefti durch den Kopf.

Trysha grinste in sich hinein, sie wusste wie es funktionierte. Wie sie sich die Männer vom Leib halten konnte. Bei Lefti gab sie sich hart und unantastbar, zudem bemühte sie sich darum unausstehlich zu sein, damit er sie in Ruhe ließ. Andere Männer hielt sie entweder genauso von sich fern, oder indem sie ihnen weiß machte, sie würden nicht an sie heran kommen. Und es gelang ihr meistens.

Ja, sie kannte ihre Rolle in und auswendig. Trysha seufzte innerlich und winkte Lefti hinter sich her, denn sie sah, dass ihr Vater gerade zu seinem Arbeitsplatz zurückgekehrt war.
 

„Guten Abend Trysha!“, sagte Reilly gespielt freundlich und schaute auf seine protzige Rolex, „Gerade noch rechtzeitig“ Er musterte sie geringschätzig und machte sich daran in seinen Schreibtischschubladen herumzuwühlen. Schließlich holte er einen Zettel raus und fasste ihren nächsten Auftrag zusammen: „Tja, also heute ist es ein bisschen anders. Ihr müsst in einen kleinen Shop, der hat um diese Zeit noch auf, na ja ihr wisst schon, wegen der Konkurrenz der großen Supermärkte. Was ich sagen will ist, es könnten Kunden kommen, also müsst ihr besonders aufpassen. Aber der Schuppen soll ziemlich abgelegen sein, also solltet ihr keine Probleme haben.“

Seitdem Lefti ihr Partner war, gab ihr Vater ihnen schwierigere Aufgaben. Das war einer der vielen Nachteile. Sie sah wie Lefti sein Gewicht entnervt auf sein anderes Bein verlagerte, ihm war es wohl auch aufgefallen, schließlich hatte er Erfahrung als Alleingänger und erkannte den Unterschied.

„Und wen?“, fragte er.

„Zwei Männer, sie arbeiten zu dieser Zeit in dem Laden-“

„Bist du sicher, dass sie die Einzigen sind, die dort arbeiten?“, unterbrach Trysha ihn.

„Nein!“, fuhr Reilly sie an, „Ist aber auch nicht mein Problem! Wenn da mehrere Leute sind, müsst ihr euch eben um alle kümmern.“ Er grinste seine Tochter an, die seinem Blick standhielt. Reilly drehte den Kopf übertrieben weit in Leftis Richtung, „Nicht wahr?“ Dieser nickte nur zögernd. Reilly lehnte sich zurück, räusperte sich gekünstelt und meinte: „Wir haben von gestern noch eine Rechnung offen.“ Er lachte abgehackt. „Im wahrsten Sinne des Wortes!!“ Daraufhin zog er einen Umschlag, der schon leicht zerknittert war, aus seiner Jackett-Tasche und hielt ihn Lefti, über den großen Schreibtisch, soweit entgegen, dass die Entscheidung bei ihm lag den Umschlag an sich zu nehmen oder nicht.

„Meine Tochter hatte sich heute Morgen entschieden den ihren nicht anzunehmen... aber das heißt ja nicht,-“, er legte seine Stirn in Falten und wedelte leicht mit dem Umschlag hin und her, „dass du die gleiche Meinung über dieses kleine Arrangement hast...“

Kleines Arrangement?, fragte sich Trysha und stieß ein missbilligendes Geräusch aus, was ihr Vater gezielt ignorierte. Sie wusste genau, dass er Lefti das Geld nicht anbot, weil er ihn besonders mochte, nein, er tat es nur um sie, seine Tochter, zu ärgern!

Lefti warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, sie ließ sich nichts anmerken, schließlich war es seine Entscheidung...

Er mochte Reilly nicht, er hatte so eine schmierige Art. Lefti wusste auch, dass er das Geld nicht annehmen sollte, es sich aber dennoch verdient hatte. Ihm war bewusst, dass sich dadurch das ohnehin schon schlechte Verhältnis zwischen ihm und Trysha noch weiter verschlechtern würde, aber schließlich nahm er den Umschlag entgegen. Reilly fing an überheblich zu grinsen.

„So ist es recht, Keaton!“, sagte er beifällig und nickte ununterbrochen. „Solche Leute könnte ich hier öfters gebrauchen!“ Lefti steckte den Umschlag in seine Hosentasche und nickte zurück.

„Komm wir gucken im Archiv wo der Laden liegt“, schlug Lefti schnell vor um einen Streit zu vermeiden, denn er konnte förmlich spüren wie Tryshas vernichtender Blick zwischen ihm und Reilly hin und her sprang. „Wie hieß der noch gleich?“

„Mannis Kiosk“, wiederholte Reilly. Sie hatten sich gerade in Bewegung gesetzt, als Reilly viel sagend meinte: „Ich hab noch etwas mit meiner Tochter zu besprechen. Keaton, geh doch schon mal vor.“

Also ging Lefti weiter und Trysha blieb widerwillig stehen.

„Na Tochter? Hast du es dir jetzt anders überlegt? Willst du deinen Umschlag vielleicht auch?“, er fächelte sich mit dem besagtem Gegenstand Luft zu.

„Nein“, sagte sie bestimmt.

„Tztztz!“, Reilly schüttelte bedauernd den Kopf, „Tja, dann. Umso besser für mich!“ Er steckte den Umschlag langsam in seine Schublade. Dann lehnte er sich zurück und musterte sie geringschätzig.

„War’s das jetzt?“, fragte sie angespannt.

„Ich hab deinem Partner auch schon gesagt, dass ihr morgen den nächsten Auftrag habt, also kommt später nochmal her, damit ich euch einweihen kann“, verlangte er hochnäsig.

Sie hatte sich vorgenommen sich nicht mit ihrem Vater zu streiten, egal wie gerne sie ihn jetzt angeschrien hätte, dass er seine blöden Aufträge doch selbst machen sollte. Stattdessen meinte sie so neutral wie möglich: „Aha, was ist das denn für einer? Wenn ich nämlich morgen schon wieder jemanden töten soll, kannst du es vergessen.“

Man sah Reilly an, dass er verärgert darüber war nicht die gewollte Reaktion bei ihr hervorgerufen zu haben. „Informationen“, meinte er nur knapp, dann machte er eine schnelle Bewegung mit seiner Hand und beachtete sie nicht weiter.

Damit war sie entlassen.

Wieso hätte er das Geld auch nicht annehmen sollen?, überlegte Lefti, es war zwar eine Bezahlung für etwas, das er nicht freiwillig gewollt hatte, aber es wäre Verschwendung es nicht anzunehmen. Doch wieso hatte er dann ein so schlechtes Gewissen?

Als Trysha etwas später zu ihm stieß hatte sie einen leicht gereizten Ausdruck im Gesicht.

„Weißt du wo er liegt?“, fragte sie knapp.

„Ja. Aber von wegen Mannis Kiosk!“, spottete Lefti und schüttelte den Kopf. „Der Laden heißt Mannis Shop.“ Trysha nickte zustimmend, ihr Vater war zu nichts zu gebrauchen.

“Lass uns fahren.“
 

Lefti parkte im Schatten einer dunklen Gasse und sie stiegen ab. Während Trysha damit beschäftigt war ihren neuen Helm zu öffnen und ihre Haare wieder in Ordnung zu bringen, machte sich Lefti daran seine Waffen zusammen zu sammeln. Er wühlte in seinem kleinen Kofferraum herum, bis er schließlich fand wonach er suchte, zwei Schalldämpfer, denn heute mussten sie leise sein, damit die umliegenden Wohnblocks nichts mitbekamen. Er warf einen kurzen Blick auf Tryshas Schuhe, beschloss dann aber, dass sie kein großes Problem darstellen würden. Sie würden in den Laden gehen und sich als Kunden ausgeben, obwohl sie weiß Gott nicht wie welche aussahen!

Er steckte das kleine Rohr auf seine Waffe und reichte das andere Trysha, die prompt ihre Haare in Ruhe ließ, den Helm beiseite legte und es auch befestigte.

„Okay, da geht's lang.“ Lefti ging voraus in die schmale Gasse.

Hier konnte unmöglich der Eingang zu dem Laden sein, dachte sich Trysha, die Gasse war viel zu eng und dunkel, außerdem roch es nach Schimmel und die Hauswände waren an manchen Stellen so dreckig, dass man dachte sie wären seit Jahren nicht mehr geputzt worden. Sie hatten wohl in einer Gasse geparkt, die senkrecht zu ihrem Ziel lag, vermutete Trysha.

Ihr Verdacht bestätigte sich, als Lefti am anderen Ende stehen blieb und sie auf die gegenüberliegende Straßenseite aufmerksam machte, auf der, etwas rechts von ihnen, ein Schild mit der Aufschrift Mannis Shop hing. Der Shop hatte eine Glastür und ein Schaufenster, unpraktisch, dachte Trysha, da mussten sie noch mehr aufpassen, dass sie nicht gesehen wurden. Im Inneren stand ein Mann hinter der Theke und beobachtete den einzigen Kunden dabei, wie er sich die Zeitschriften ansah.

Lefti versicherte sich, dass in der Gasse niemand war bis auf sie und dann spähte er um die Ecke. Die Bürgersteige waren menschenleer, nur eine schwarze Katze jagte eine Ratte aus einem Innenhof auf die Straße. In den parkenden Autos war niemand auszumachen und es fuhren auch im Moment keine vorbei, aber das konnte sich schnell ändern.

„Ich glaube die Luft ist rein“, sagte er.

„Die Fenster...“, zögerte Trysha und warf einen skeptischen Blick zu den Fenstern aus denen Licht kam. Lefti tat es ihr nach, in diesem Moment wünschte er, er würde wieder alleine arbeiten, dann hätte er diesen Auftrag garantiert nicht bekommen. Aber er wurde langsam ungeduldig, wollte die Sache hinter sich bringen.

„Ach egal! Lass uns gehen!“, drängte er. Er war schon halb aus der Gasse getreten als Trysha ihn entsetzt zurückzog. „Was?“, fragte er verwirrt.

„Der Kunde!!“, zischte sie.

„Was ist mit ihm?“, fragte Lefti und musterte den Kunden, durch das Schaufenster, dabei wie er eines der Magazine aufschlug und die Überschriften las.

„Wir sollten warten bis er weg ist...“, sagte Trysha zerknirscht, sodass er ihr einen forschenden Blick zuwarf.

„Wieso?“

„Weil-“, sie wich seinem Blick aus, „ich finde wir sollten nicht-“ Sie brach ab.

„Du meinst, wir sollten nicht unnötig jemanden töten der nichts getan hat?“, fragte er, seine Belustigung verbergend. Als sie merkte, dass er sie nicht ernst nahm sondern sich über sie lustig machte, schnellte ihr Kopf in die Höhe und sie funkelte ihn aus der Dunkelheit heraus an.

„Ja genau! Das meine ich! Oder hast du ein Problem damit? Bist du etwa scharf darauf jemanden einfach zu töten, wenn du es auch verhindern kannst?“ Er schien ernsthaft über diese Frage nachzudenken.

„Na ja, eigentlich nicht“, er machte eine Pause. „Allerdings finde ich, wenn du so denkst, hast du den falschen Job erwischt. Schließlich weißt du ja nicht, was die Typen, die getötet werden sollen getan haben. Ich glaube nicht, dass das alles Schwerverbrecher sind...“, er zuckte mit den Schultern.

„Den falschen Job!?“, rief sie aus und musste sich wirklich beherrschen um nicht gegen sein Schienbein zu treten, was wahrscheinlich sowieso nicht viel gebracht hätte. Wenn der wüsste wie viel Recht er damit hatte, dachte Trysha beschloss aber ihm vom Gegenteil zu überzeugen. „Erstmal geht dich mein Job gar nichts an und du kannst es mir überlassen als was ich arbeite. Und außerdem habe ich nicht den falschen Job, nur weil ich, im Gegensatz zu dir, wenigstens noch ein Quäntchen Gerechtigkeit in mir habe!“, sie machte eine Geste, die vage in seine Richtung ging. „Und das soll schon was heißen!“

Lefti zog daraufhin leicht die Augenbrauen zusammen und starrte sie herausfordernd an.

„Natürlich könnte ich den Mann umbringen, das weißt du ganz genau, aber wieso sollte ich das wollen, wenn ich auch genauso gut eine Minute warten kann und es dann nicht mehr nötig ist?“, fragte sie ihn aufgebracht. „Ach, weißt du was!? Es ist mir auch egal wie du darüber denkst, das ist zumindest mein Standpunkt.“ Sie warf wütend ihre Haare zurück und starrte ihn ebenfalls streitlustig an.

„Willst du damit sagen...“, er kam einen bedrohlich, großen Schritt auf sie zu, „dass ich kaltherzig oder so was in der Art bin?“

„Allerdings!“

Lefti stieß einen unterdrückten Seufzer aus und schloss kurz die Augen. Sie konnte einen wirklich zur Weißglut treiben, dachte er.

„Außerdem bist du ein Egoist!“, beschuldigte sie ihn weiter.

„Ach ja?“, fragte er gepresst. „Und woher weißt du das so genau?“ Sie baute sich auf, indem sie ihre Hände in die Seiten stemmte.

„Daran, dass du das Geld von Reilly angenommen hast!“, sagte sie anschuldigend. „Und daran, dass du dich kein Deut darum scherst, dass mein Vater mich damit provozieren wollte!“ Eine leise Stimme in Leftis Kopf, sagte ihm, dass sie Recht hatte, aber er ignorierte es.

„Jetzt reicht’s!“, meinte er und packte Trysha bei den Schultern. Er riss sie herum und drückte sie mit dem Rücken an die Wand hinter sich. Er brachte seinen Mund an ihr Ohr und zischte: „Glaub nicht, nur weil wir Partner sind könntest du dir alles erlauben! Du hast nicht das Recht mir Vorschriften oder unberechtigte Anschuldigungen zu machen.“

Trysha hatte so was nicht erwartet und starrte mit weit aufgerissenen Augen an seine Schulter. Irgendwo in der Nähe hörte man die Ratte fiepen und die Katze triumphierend miauen.

„Es ist ganz allein meine Sache, ob ich das Geld annehme oder nicht“, machte er ihr klar. „Genauso wie es meine Sache ist, ob ich jemanden während einem Auftrag töte!“

Sie hörte das klimpern seiner metallenen Erkennungsmarke, als er langsam den Kopf zurück zog und sie schweigend anfunkelte. Aber er drohte ihr immer noch mit seinem Körper indem er so dicht vor ihr stand, dass sie sogar sein Aftershave riechen konnte. Kurzerhand schubste sie ihn von sich weg.

„Ach ja? Und du glaub nicht, dass du so mit mir umgehen könntest, nur weil du stärker bist!“, fuhr sie ihn an. Leftis Wut wich der Resignation. Es brachte einfach nichts sich mit ihr zu streiten. Sie musste immer das letzte Wort und vor allem Recht haben. Als er schwieg fragte Trysha: „Was ist?“ Er zögerte einen Moment, bevor er ansetzte: „Ich frage mich...“ Er machte eine Pause, weil er nicht wusste, wie er es formulieren sollte, „Warum wir nicht einfach normal miteinander umgehen können? Immer wenn wir uns sehen streiten wir! Das macht den Job nicht gerade einfacher.“ Trysha sah ihn an.

„Tja, wir sind halt wie Öl und Wasser“, meinte sie. Woraufhin Lefti wieder einen Schritt näher kam. Und obwohl sie wusste, dass er sie diesmal nicht bedrohen wollte, erhöhte sich ihr Herzschlag abrupt wieder.

„Ich würde eher sagen wie Öl und ein brennendes Streichholz...“ Trysha verstand den kleinen Unterschied und grinste. Doch das Grinsen verging ihr, als sie sah, wie er sie anschaute. Seine meergrünen Augen wirkten in der dunklen Gasse irgendwie geheimnisvoll und unergründlich. Und Trysha bemerkte, wie es zwischen ihnen auf einmal knisterte. Was eigentlich total absurd war, er hatte es doch selbst auf den Punkt gebracht, sie mochten sich einfach nicht. Aber trotzdem...

Ein seltsames Gefühl überkam sie, ihr Mund wurde ganz trocken und sie fuhr sich mit der Zunge unbewusst über die Lippen. Lefti schluckte und sie nahm die kleine Bewegung seines Halsmuskels viel zu deutlich wahr.

Plötzlich hörte sie eine Tür aufgehen und ein Läuten, so wie von Glocken.

Beide erstarrten auf der Stelle und fuhren auseinander, die Blicke auf die andere Straßenseite gerichtet, wo die Tür von 'Mannis Shop', sich gerade wieder, von leisen Quietschen und Glockenläuten begleitet, schloss und der Kunde sich, mit einem Magazin unter dem Arm auf dem Bürgersteig entfernte. Leftis Blick verfinsterte sich und er versicherte sich noch einmal, dass kein Mensch, bis auf den Verkäufer in dem Laden und auf der Straße war. „Na dann mal los.“

Wie schaffte er es plötzlich so konzentriert zu sein?, dachte Trysha noch, bevor sie ihm mit rasendem Herzen aus der Gasse folgte.

Episode 6: Der hässliche Holzwecker

Der hässliche Holzwecker
 

Sie überquerten die Straße und betraten den kleinen Laden, so als wollten sie nur kurz Chips oder etwas anderes Unwichtiges kaufen. Die kleinen Glocken über der Ladentür kündigten sie an und der Verkäufer blickte auf. Als er sie durch seine große Brille erblickte versteifte er sich etwas, fragte jedoch freundlich: „Kann ich ihnen behilflich sein?“

„Nein, wir finden uns schon zurecht“, wehrte Lefti ihn ab. Trysha fand, dass der Verkäufer noch ziemlich jung und unsicher aussah. Vielleicht war er ein Auszubildender, aber auf keinen Fall der Besitzer des Ladens. Sie wusste noch nicht ob das hilfreich oder eher schlecht war, für das, was sie vorhatten.

Sie setzten sich in Bewegung und streiften durch den Laden um so zu tun, als würden sie etwas suchen.

Der Shop war ziemlich klein, es gab nur ein Regal, das mitten im Raum stand, der Rest stand an den Wänden und verdeckte die geschmacklose Tapete. Außer vor dem Schaufenster, da standen nur Getränkekisten und machten den Fußgängern den Blick auf das Innere frei. Die Theke nahm die gesamte rechte Wand ein und war in der Mitte von einer kleinen Schwingtür getrennt, hinter ihr waren Regale mit Zigaretten und anderen Kleinigkeiten aufgehängt, sowie ein einfacher Vorhang, der anstelle von einer Tür in einen Hinterraum, der wahrscheinlich das Lager war, führte. Aus diesem Raum waren leise Geräusche zu hören, als würde dort jemand herum stöbern.

Trysha kam eine Idee und als sie Blickkontakt mit Lefti hergestellt hatte, bedeutete sie ihm mit einer Geste, dass sie etwas versuchen wollte und er nicht dazwischenfunken sollte.

Wie immer, dachte er, nickte aber kaum merklich und blieb in der Nähe der Tür und des Schaufensters um die Straße im Auge zu haben.

Trysha machte sich daran ein Produkt zu suchen, das so aussah, als würde es sonst niemand kaufen, es aber trotzdem nur noch ein Exemplar gab. Sie wühlte sich durch die Regale, bis sie schließlich einen hässlichen Holzwecker mit Blümchenverzierungen fand. Ein absolutes Einzelstück, ging es ihr durch den Kopf, bevor sie unauffällig das Preisschild abkratzte.

Dann ging sie damit zur Kasse.

„Das, bitte“, meinte sie und legte es auf den Tresen. Der Verkäufer suchte nach dem Preisschild, aber er fand es natürlich nicht. Er seufzte und fragte: „Wo haben Sie das gefunden?“

„Da vorne“, Trysha zeigte auf die Stelle und der Verkäufer ging durch die Schwingtür, die leise quietschte, zu dem Regal und durchsuchte es. Trysha wusste wonach er suchte, er suchte nach einem zweiten hässlichen Wecker um auf sein Preisschild zu gucken, doch er würde keinen finden. Und das tat er auch nicht.

Er kehrte hinter den Tresen zurück und schüttelte den Kopf.

„Komisch...“, murmelte er, „warten Sie mal kurz.“ Er drehte sich zu dem Vorhang. „Chef?“, er bekam keine Antwort, „Manni?“ Die leisen Geräusche im Lager hörten auf und man hörte ein genervtes: „Was denn?“

Trysha warf Lefti über die Schulter einen kurzen Blick zu, er zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. Innerlich grinste er und bewunderte ihre Gerissenheit.

„Ich finde einfach diese blöden Taschenrechner nicht!“, fluchte Manni hinter dem Vorhang, „Die sollten doch in der heutigen Lieferung sein!“

„Ja, kann sein...“, meinte der Verkäufer. „Komm mal her. Du musst mir mal eben hier helfen“, sagte er und steckte seinen Kopf hinter den Vorhang. Mit einem leisen Grummeln kam Manni schließlich dahinter hervor. Er war ein großer, stämmiger Mann, letzteres lag aber nicht an seinen Muskeln, sondern an seinem überschüssigen Fett. Er hatte die Lippen unter seinem Schnurrbart fest zusammen gepresst. Er nickte Lefti und Trysha zu.

„Was ist denn jetzt?“, fragte er um einen freundlichen Ton bemüht.

„Die Dame hier möchte diesen Wecker kaufen, aber das Preisschild ist weg und ich weiß nicht wie viel der kostet“, erklärte er. Manni schnaubte.

„Und du denkst ich weiß das?“, fragte er ungehalten, „Woher denn? Wer kauft denn schon so ein Schrottding?“

Trysha hörte Lefti leise prusten. Sie drehte den Kopf zu ihm, sah ihn mahnend an und formte mit den Lippen eine Frage: Jetzt?

Dieser gab nach einem kurzen Blick durch das Schaufenster ein zustimmendes Augenfunkeln von sich, machte jedoch selbst keine Anstalten seine Waffe zu ziehen. Trysha seufzte.

Manni zuckte entschuldigend mit den Schultern und meinte: „Wie viel würden sie mir denn für dieses... bemerkenswerte... Ding geben?“

„Mal sehen…“, Trysha tat, als würde sie ihre Geldbörse raus holen, doch dann zog sie ihre Waffe und zielte damit auf Manni. Dieser erstarrte, genauso wie sein Angestellter. „Sorry, hab gerade kein Kleingeld dabei“, meinte sie, legte ihren Kopf schief und lächelte zuckersüß. Dann drückte sie zweimal hintereinander ab, die Waffe gab nur ein leises Zischen von sich, was sie selbst kaum hörte und die beiden sanken polternd zu Boden.

Als wäre Lefti dadurch zum Leben erwacht, zog er ebenfalls seine Waffe und stieß die Schwingtür auf. Er machte einen großen Schritt über die beiden Sterbenden und verschwand hinter dem Vorhang.

Trysha steckte ihre Waffe langsam wieder weg und atmete aus.

Sie hasste es.

Aus dem Lager waren nun wieder Geräusche zu hören, nur etwas lauter als vorher. Trysha ließ ihren Blick durch den Laden streifen, sie bemerkte, dass die Inneneinrichtung eigentlich ziemlich komisch war, nichts passte wirklich zusammen. Die kleinen Dinge erschienen ihr plötzlich größer als vorher und sie bemerkte eine Fliege, die auf dem Tresen entlang lief. Durch ihren Schleier der Benommenheit, der sie manchmal nach einem Auftrag überkam, hörte sie eine leise Melodie. Sie war kurz und hoch. Trysha schaute nach oben, wo der Himmel sein sollte, aber stattdessen nur eine rissige Betondecke zu finden war.

War das das Läuten der Himmelsglocke, die die Geister der Toten zu sich holte?, fragte sich Trysha und grinste über diese Vorstellung. Doch als sie begriff, was es damit wirklich auf sich hatte, verging ihr das Grinsen und sie wirbelte herum. Vor dem Regal in der Mitte des Raumes stand ein kleines Mädchen, von höchstens zehn Jahren und musterte den Laden suchend. Trysha wusste nicht was sie tun sollte, sie stand einfach nur da und starrte das blonde Kind an.

„Hier ist die Luft rein!“, hörte sie Lefti aus dem Lager rufen. Sie drehte sich wieder um und sah wie er gerade hinter dem Vorhang hervor trat und seine Waffe weg steckte. Sie warf einen panischen Blick zu dem Mädchen, das davon nicht besonders viel Notiz nahm, da es angestrengt nach etwas suchte. Trysha dachte noch, dass das Kind sie an irgendjemanden erinnerte als Lefti weiter redete: „Lass uns gehen, wir sind hier mit den Typen-“

„Willst du dich nicht um deinen Kunden kümmern?“, unterbrach sie ihn viel sagend und etwas zu laut. Lefti starrte sie verständnislos an, doch dann bemerkte auch er den Haarschopf hinter dem Regal. Daraufhin hörte Trysha ein Wort, es war leise, aber kam von ganzen Herzen: „Scheiße.“

Als hätte das Wort sie jetzt erst auf Lefti aufmerksam gemacht, horchte das kleine Mädchen auf und funkelte ihn über das Regal hin an. „Das sagt man aber nicht!“, verbesserte sie ihn. Lefti brachte daraufhin nur ein gequältes Lächeln zustande. Jetzt war es an Trysha auf seinen hilfesuchenden Blick hin, die Arme zu verschränken und eine Braue hochzuziehen.

„Äh-mh“, er räusperte sich. „Was suchst du denn?“

„Haargummis... und was zum Trinken.“ Lefti musterte die Getränkekisten und deutete drauf.

„Da findest du Getränke und...“, er machte einen Schritt zur Seite und trat dabei aus Versehen auf Mannis schlaffen Arm. Das erinnerte ihn daran, dass sie sich beeilen mussten. „Tja, Zopfgummis haben wir leider nicht“, er zuckte mit den Schultern. Das Mädchen nahm gerade einen Eistee und hielt ihm ihre Hand entgegen, in der zwei Haargummis baumelten.

„Habt ihr jawohl“, meinte sie und kam zum Tresen.

„Aha...“, murmelte Lefti genervt. Trysha musterte das Mädchen. Sie wurde den Verdacht nicht los, dass sie sie irgendwo schon mal gesehen hatte. Aber sie wusste mit Sicherheit, dass es nicht im Waisenhaus gewesen war, denn da kannte sie jedes der Kinder ganz genau.

„Dann gib mal her“, meinte Lefti und nahm die Gegenstände entgegen, er zählte die Preise schnell im Kopf zusammen. „Das macht dann... äh... vier Dollar zwanzig... nein, vier Dollar fünfundsiebzig“, er nickte noch einmal zur Unterstreichung der Korrektheit seiner Rechung. „Ja, vier Dollar fünfundsiebzig, bitte.“ Er versuchte ein verkäuferisches Grinsen aufzusetzen, was ihm nicht ganz gelang. Das Mädchen drückte ihm einen Fünfer in die Hand. Lefti musterte ihn verwirrt, doch dann begriff er, dass er wechseln sollte. Schnell machte er sich an der Kasse zu schaffen, nur um fest zu stellen, dass er keinen Schlüssel hatte. Seine Gesichtszüge entgleisten ihm kurz, doch dann setzte er wieder sein Lächeln auf, diesmal mit noch größeren Schwierigkeiten.

„Ja haha, ich hab den Schlüssel gerade nicht...“, meinte er und warf Trysha einen Blick zu, während er seine Hosentaschen nach einem Portemonnaie abtastete.

„Warum?“, fragte das Mädchen abrupt. Man sah Lefti an, dass ihn diese Frage überforderte. Genauso wie die Tatsache, dass er selbst auch kein Geld dabei hatte.

„Also, wenn du willst, dann...“, er schaute sich suchend um und griff nach dem Holzwecker, „Dann kriegst du diesen hier noch dazu... Und ich behalte deinen Fünfer.“ Das Mädchen, dem Trysha immer noch keinem Namen zuordnen konnte, griff skeptisch nach dem Wecker und musterte ihn, danach fixierte sie Lefti mit zusammengezogenen Brauen. Dieser sah schon fast irre aus mit seinem falschen Grinsen.

„Okay, abgem-“, setzte das Kind an, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas am Boden in Anspruch genommen und sie ließ die Gegenstände liegen. „Mister, ich glaube hinter der Theke ist eine Flasche umgefallen...“, klärte sie ihn auf und runzelte die Stirn. Lefti warf einen Blick zu Boden und bemerkte, dass er selbst in einer Blutlache stand, die auch unter der Schwingtür hervor kam. Das Mädchen bückte sich. „Was ist denn das? Erdbeersaft?“, fragte sie. Lefti und Trysha starrten sich geschockt an.

„Ja, das-“, setzte Lefti an.

„Wollen sie die Flasche nicht aufheben?“, fragte das Mädchen weiter und berührte mit einem Finger das Blut, diesen steckte sie sich dann in den Mund und verzog das Gesicht. „Nein, das ist kein Erdbeersaft...“, schlussfolgerte sie. Trysha sog scharf die Luft ein und wollte gerade nach vorne hechten um das Mädchen von der Schwingtür wegzuziehen, doch da hatte sie diese schon aufgemacht, um aus purer Neugierde zu erfahren was es mit der Flüssigkeit auf sich hatte. Doch anstelle von einer Getränkeflasche erblickte sie zwei Tote, das Mädchen holte laut Luft und bekam große Augen. Schnell ließ sie die Tür wieder zu schwingen und starrte abwechselnd Lefti und dann Trysha an. Sie öffnete und schloss den Mund ein paar Mal, unschlüssig was sie tun sollte. Dann tat sie ein paar Schritte zurück und wollte weg rennen, doch Lefti sprang über die Theke und packte sie grob unter den Armen und stellte sie hinter sich in die Ecke zwischen Tresen und Regal.

„Toll und was jetzt?“, fragte er aufgeregt. Das kleine Mädchen begriff den Ernst der Lage und fing an um Hilfe zu schreien, daraufhin zog Lefti seine Waffe. „Halt's Maul!“, fuhr er sie an. Trysha erwachte aus ihrer Schockstarre und drückte erschrocken seinen Arm runter.

„Mein Gott, Lefti!! Sie ist doch noch ein Kind!“, rief sie entsetzt und musterte das völlig verängstigte Mädchen nochmals. Woran erinnerte das Kind sie nur? Es kam ihr bekannt vor und sie wollte endlich wissen woher.

„Wie heißt du?“, fragte sie das Mädchen.

„S- sag ich nicht!“, antwortete dieses immer noch störrisch.

„Ist doch auch egal!“, funkte Lefti dazwischen. „Oder willst du dich etwa mit ihr anfreunden?“, er schnaubte bei dem Gedanken. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und er schwieg.

„Was machst du denn noch so spät hier?“, fragte sie weiter, doch das Mädchen reckte nur widerspenstig das Kinn nach vorne. Aus ihr würden sie nicht so leicht etwas raus bekommen.

„Sie ist eine Gefahr. Sie wird uns verraten.“, erklärte Lefti. Das Mädchen funkelte ihn an. Ihr Kampfgeist erinnerte Trysha an sich selbst.

„Lefti! Du machst es nur noch schlimmer. Komm wir lassen sie gehen“, Trysha drückte den Lauf der Pistole nach unten, „Sie wird uns nicht verraten...“ Sie versuchte ihn mit ihren Augen zu beschwören. Er zögerte und der Widerstand in seinem Arm gab etwas nach.

„Lass uns einfach nur von hier verschwinden...“, meinte Trysha müde.

„Nein!“, sagte Lefti jetzt wieder entschlossener, „Sie kennt meinen Namen!“

„Deinen was- Deinen Namen? Na und?“

„Du hast leicht Reden“, schnauzte er sie an. „Hättest du ihn nicht gesagt, dann hätten wir das Problem nicht! Die Polizei hat mich sowieso schon am Wickel...“, erklärte er ihr.

„Wieso? Dann müssten sie mich doch auch dran haben!“, meinte Trysha. „Und das haben sie nicht, also nimm endlich die Waffe runter!“

„Das hat nichts mit der Arbeit zu tun! Aber ich will es dir auch nicht erklären, es ist halt einfach so“, beendete er das Thema. „Außerdem sind wir nur ein Team, weil ich die Zeugen beseitigen soll“, er hielt ihren Blick mit seinem fest, „Und das werde ich auch tun.“ Trysha wusste, dass er sich entschlossen hatte, doch sie wollte es nicht hinnehmen. Schon allein deswegen, weil sie mit Kindern zusammen arbeitete. Aber der Hauptgrund war, dass sie wissen musste, wer dieses Mädchen war. Sie musterte das junge Ding, wie es da auf dem Boden saß und die Waffe mit ihren großen, grünen Augen anstarrte. Ihre blonden, langen Haare waren ganz verwuschelt und sie hielt sich mit den Händen krampfhaft in ihrem T-Shirt fest. Als Trysha genauer hinsah, konnte sie an ihrem Kopf einen dunklen Haaransatz erkennen, die Haare waren also gefärbt. Während sie versuchte sich das Mädchen mit dunklen Haaren vorzustellen hatte Lefti seine Entscheidung getroffen. Und die lautete, dass es zu gefährlich war sie am Leben zu lassen, auch wenn es ihm widerstrebte ein wehrloses Kind zu töten. Er hatte generell nichts gegen Kinder, eigentlich waren sie ja manchmal sogar ganz süß. Doch er hatte eine Aufgabe zu erledigen und er würde seine Position nicht dadurch gefährden, dass er verhaftet wurde. Er umfasste den Griff seiner Waffe fester und zielte erneut.

Trysha keuchte auf, endlich wusste sie, an wen sie das Kind die ganze Zeit erinnert hatte. Sie konnte ihr Glück kaum fassen! Die ganze Zeit hatte sie nach ihnen gesucht und jetzt, einfach so, liefen sie sich über den Weg. Ein Teil ihrer Familie. Rebecca, die Tochter ihrer Schwester, sie hatte sie bis jetzt nur auf den Erpressungsfotos ihres Vaters gesehen, aber sie war es eindeutig. Trotz der gefärbten Haare und dem Altersunterschied zu den Fotos, war das Mädchen zu erkennen und Trysha war sich sicher, dass es nur Rebecca sein konnte!

„Oh Gott...“, japste sie und ihr Herz machte ein Hüpfer. „Lefti, ich-“, sie brach ab als sie seinen Gesichtsausdruck sah, wie er seine Waffe fester packte, zielte und den Abzug drücken wollte. „Nein!!“, sie warf sich gegen seinen Arm und verhinderte, dass der Schuss traf.

„Was soll das?“, fragte er kalt und stieß sie weg, „Meinst du dadurch kannst du mich aufhalten?“

Trysha fand, dass er sich komisch anhörte, so als wäre er nicht er selbst. Er musste sich also von sich selbst distanzieren um es zu tun, er konnte es also auch nicht einfach so. Das war ein Hoffnungsschimmer und sie legte ihm die Hand auf den Arm.

„Du willst es doch auch nicht...“, beschwor sie ihn. Doch er sah sie nur verbissen an und da merkte Trysha, dass es nichts brachte ihn durch reden um zustimmen. Sie musste andere Geschütze auffahren, also schlug sie ihm kurzerhand die Waffe aus der Hand. Sie schlitterte über die Fliesen und zwischen den Regalen hindurch, außer Reichweite.

„Was soll denn das? Herrgott was ist los mit dir?“, fuhr er sie an. „Sonst markierst du doch auch immer die Harte!“

Aber nicht in dieser Situation, beschloss Trysha, dazu hatte sie einfach nicht die Kraft!

„Was ist denn mit dir los?!“, schrie sie ihn an. „Siehst du nicht, dass du im Begriff bist ein Kind zu töten?“

„Natürlich sehe ich das, ich bin doch nicht blind!“, brüllte er zurück und Trysha zuckte zusammen. Beide starrten sich entschlossen an. Die Situation war angespannt, stand kurz davor zu eskalieren und die Luft schien elektrisch geladen. Schließlich drehte sich Lefti mit einem Ruck um und steuerte seine Waffe an. Mit hastigen Schritten folgte Trysha ihm und schnappte sich seinen Arm. Daran zog sie einmal kräftig, sodass er stehen bleiben musste und sich zu ihr umdrehte. In dem Moment trat Trysha ihm mit all ihrer Kraft und den Absätzen ihrer schwarzen Lederstiefel auf den Fuß.

„Das wirst du nicht tun!! Hast du mich verstanden?!“, drohte sie und rammte ihren Ellenbogen in seine Brust, was ihn mit den Rücken gegen eines, an der Wand stehenden, Regale prallen ließ. Im ersten Moment schien Lefti irritiert, doch dann fing er sich wieder und grinste.

„Das werden wir ja noch sehen.“

Mit diesen Worten packte er sie bei den Schultern und drehte sie herum. Dann schlang er blitzschnell seinen linken Arm um ihre Taille und ihre Arme. So hievte er sie hoch und stapfte zu seiner Waffe.

„Lass mich runter!“, zischte Trysha und versuchte sich aus seinem Griff zu winden oder ihre Arm frei zu bekommen, aber er war einfach zu kräftig. Sie fing an mit ihren Beinen zu strampeln und ihn irgendwie zu treten, aber die einzige Wirkung, die sie damit erzielte war, dass sein Griff nur noch fester wurde und es ihr so vorkam als würde er jeden Moment ihre Rippen zerbrechen.

„Es wäre einfacher für dich, wenn du still hältst“, meinte Lefti und hob seine Waffe auf.

Tryshas Wut verwandelte sich in Verzweiflung, sie wusste, wenn Lefti es wirklich tun wollte, konnte sie ihn nicht aufhalten. Er war stärker als sie und selbst wenn sie mit all ihrer Kraft kämpfte, würde er nicht locker lassen und sie war gezwungen alles tatenlos mit anzuschauen. Trysha blickte zu Rebecca die ängstlich in ihrer Ecke kauerte und sie trotzdem hoffnungsvoll, fast flehend ansah. Trysha stiegen Tränen in die Augen, sie wusste nicht ob es wegen der Rührung über das Kind, was sie stumm um Hilfe bat oder aus Verzweiflung weil sie nicht wusste, ob sie dieser Bitte gerecht werden konnte, geschah.

Ihr wurde klar, dass sie um keinen Preis zulassen konnte, dass Lefti Rebecca etwas antat. Sie versuchte erneut sich zu befreien indem sie mit ihren Armen so viel Druck wie möglich auf seinen Klammergriff ausübte und gleichzeitig trat sie mit ihren Beinen gegen seine. „Lass-mich-gefälligst-los-oder-du-wirst-es-noch-bereuen!“, schrie sie und hämmerte bei jeden Wort ihren Kopf gegen seine Brust.

„Ich zittere schon“, war seine ernüchternde Antwort, doch genau in diesem Moment schaffte sie es ihren rechten Arm frei zu bekommen. Schnell verpasste sie ihm einen ordentlichen Kinnhaken, sodass er aufkeuchte und sie sich ganz befreien konnte. Eilig sprang sie hinter den Tresen um nicht zu riskieren, dass er sie nochmal gefangen nehmen konnte. Er fuhr sich mit der Hand über das Kinn und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Du bist doch nicht mehr ganz dicht“, stellte er fest und wandte sich Rebecca zu.

Als er sich wieder nach seiner Waffe bückte, die er im Gerangel fallen gelassen hatte riss irgendetwas in Trysha auseinander und eine Träne floss ihr über die Wange. Sie ignorierte es, nahm es gar nicht richtig wahr und schleuderte den nächst besten Gegenstand, den sie zu fassen bekam, auf Lefti.

Es war der hässliche Holzwecker.

„Wag es ja nicht ihr weh zu tun du egoistisches, gefühlloses Schwein!“, der Wecker traf ihn vor die Brust, prallte ab und zerschellte am Boden.

Lefti musterte sie argwöhnisch, irgendwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht. Sonst würde sie nicht so empfindlich reagieren. Dieses Kind konnte ihr doch nicht so wichtig sein, dass sie ihren Job dafür auf Spiel setzten wollte. Sie verstand den Ernst der Lage einfach nicht!

Trysha fixierte ihn wütend, jede Faser ihres Körpers tat vor Anspannung weh und ihre Knie wurden weich. Sie stütze sich auf den Tresen und wandte den Blick von ihm ab. Sie sah wie ihre Tränen auf den Tisch tropften und krallte ihre behandschuhten Fingernägel in das Holz. Sie wollte jetzt nicht heulen! Sie musste stark bleiben um Rebecca zu verteidigen! Sie holte zittrig Luft und schluchzte laut.

Sie musste das Kind unbedingt beschützen! Sie liebte Rebecca jetzt schon, sie war ihr so ähnlich und sie war ihre einzige Hoffnung auf eine Zukunft ohne diesen Job, ohne ihren Vater und ohne die ständige Angst erwischt zu werden. Lefti wusste ja nicht was er ihr damit antun würde, wenn er sie tötete. Sie würde sich hüten ihm zu erzählen, dass das Mädchen eine Verwandte war. Er sollte es nicht wissen! Sie musste ihn irgendwie anders davon abhalten sein Vorhaben durchzuziehen. Wenn sie es nicht schaffte, würde das, wofür sie so lange gekämpft hatte, das Wohlergehen der Familie ihrer Schwester, zerstört werden und es wäre ihre Schuld! Etwas warmes benetzte ihre Wange und sie begriff, dass sie immer noch weinte.

Trysha wollte sich wieder beruhigen, ihre Tränen zurückhalten und holte ab und zu tief Luft, doch sie konnte es nicht. All die Jahre des Starkseins und der Verzweiflung kamen raus und sie konnte es nicht verhindern. Nein, sie hatte sogar das Gefühl, dass sie die Tränen brauchte, weil sie sonst an ihnen ersticken würde.

„Trysha?“, fragte jemand. Es war Lefti, seine Stimme klang leicht unsicher. Trysha schaute ihn widerwillig an. Ihr Blick war noch verschwommen, doch sie sah, dass es ihn erschreckte sie so zu sehen. Aber sie konnte sich nicht verstellen, nicht jetzt. Trotzdem zwang sie sich dazu den Tresen los zu lassen und langsam um diesen herum zu gehen.

Lefti kam auf sie zu, seine Haltung hatte nichts Bedrohliches mehr an sich. Doch sie wich entsetzt zurück und stellte sich schützend vor Rebecca.

„Komm mir nicht zu nah!“, schrie sie. Schluchzte und weinte ununterbrochen.

„Okay“, er trat wieder zurück und hob ergeben die Hände hoch. Er wirkte verwirrt. „Was ist? Also... wieso? Ich meine...“, er brach ab und sortierte seine Gedanken. „Es ist doch fast das Gleiche wie bei einem Erwachsenen, oder?“, fragte er und belog dabei auch ein Stückweit sich selbst. Denn das war es nicht, auch nicht für ihn.

„Das Gleiche?“, fragte sie fassungslos und ihre Brust hob und senkte sich hektisch. „Vielleicht ist es das ja für dich!“ Lefti seufzte.

„Nein, für mich auch nicht...“, gab er zögernd zu, „aber-“

„Warum willst du es dann!?“, unterbrach sie ihn. „Etwa weil mein Vater es von dir erwartet?“

Ihre geweiteten, geschwollenen Augen gaben ihm das Gefühl, dass er wirklich etwas falsch gemacht hatte und es gab ihm ordentlich zu schaffen, dass er an ihrem jetzigen Zustand schuld sein sollte.

Wo war die Trysha, die er kannte? Mit der konnte er besser umgehen, weil sie mindestens genauso gut einstecken wie austeilen konnte. Doch so wie sie jetzt war verwirrte sie ihn nur und er wusste nicht wie er sich verhalten sollte, zumal er eben nicht sehr feinfühlig war...

„Ja, unter anderem deswegen“, lautete seine Antwort.

„Das ist so erbärmlich!“, schrie sie ihn an und sein Blick veränderte sich.

„Nein, das ist alles andere als erbärmlich“, sagte er hart. „Ich weiß ja nicht wie das bei dir ist, aber Reilly ist mein Boss und soweit ich weiß muss man machen was der Boss sagt! Willst du wissen was wirklich erbärmlich ist?“ Sie erwiderte nichts. „Wirklich erbärmlich ist, dass du überhaupt hier arbeitest! Guck dich doch an! Der Job macht dich total fertig! Richtig erbärmlich ist nämlich...“, er kam einen Schritt auf sie zu, doch sie wich sofort einen zurück, „dass du nicht kündigst!“

Trysha hatte im Moment keine Kraft mehr für diesen Streit. Und ihm erklären, warum sie nicht kündigte würde sie erst recht nicht! Aber es erübrigte sich von selbst, denn er machte auf dem Absatz kehrt und verließ polternd das Geschäft. Das leise Glockengebimmel wirkte beruhigend auf Trysha, vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass Lefti den Raum verlassen hatte. Sie vernahm ein leises Schluchzen und lenkte ihren Blick auf Rebecca. Sie hockte sich vor sie und brachte ein tröstendes Lächeln zustande.

„Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Er ist weg...“, es war als würde sie mit sich selbst reden. Das Mädchen nickte und flüsterte zaghaft: „Danke.“

Trysha lächelte froh, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und überlegte was sie jetzt tun sollte. Das Mädchen einfach laufen lassen kam nicht in Frage. Also entschied sie sich für die nächstliegendste Lösung.

„Komm steh auf, ich nehme dich erstmal mit zu mir.“ Sie streckte Rebecca die Hand hin, diese ergriff sie nur zögernd, ihr Argwohn kehrte zurück.

„Warum lässt du mich nicht einfach gehen?“, fragte sie.

Scharfsinniges Ding, das musste Trysha ihr lassen und das obwohl sie gerade um ihr Leben gefürchtet hatte. Spätestens jetzt wusste Trysha ohne Zweifel, dass sie verwandt waren.

„Weil das nicht geht... ich brauche Zeit zum nachdenken“, antwortete sie vage. Sie wusste noch nicht ob sie Rebecca in das Geheimnis ihrer Verwandtschaft einweihen sollte. In erster Linie wollte sie das Mädchen in Sicherheit wissen und dann vielleicht etwas über ihre Schwester aus ihr heraus bekommen. Sie half Rebecca auf und fragte: „Sagst du mir jetzt wie du heißt?“ Mit der Frage fing sie sich einen misstrauischen Seitenblick ein.

„Glaub mir, ich würd's auch ohne deine Hilfe herausfinden und da wir vielleicht einige Zeit miteinander auskommen müssen, könntest du es mir auch freiwillig sagen“, meinte Trysha und knuffte sie in die Seite.

„Rebecca...“, war die mürrische Antwort und Tryshas Herz machte einen Hüpfer.

„Gut, ich bin Trysha“, erwiderte sie und beobachtete wie die Kleine sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Gemeinsam verließen sie den Shop und Trysha ging mit ihr Richtung U-Bahn.
 

Lefti stand alleine in der Gasse. Sollte Trysha doch mit der Göre machen, was sie wollte! Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er verstand immer noch nicht, was da gerade passiert war.

Wieso hatte sie so seltsam reagiert? Er konnte sich keinen Reim darauf machen.

Und wieso war er gerade so ausgerastet? Hätte er nicht einfach fragen können, was mit ihr los war? Ohne sie anzuschnauzen? Aber nein, dazu war er ja nicht in der Lage! Anstatt normal mit ihr zu reden, versteckte er sich hinter seiner großen Klappe.

Wann würde er endlich lernen sie im falschen Moment einfach mal zu zulassen?
 

***
 

Das war also dann die Nummer 6. Ich hoffe es hat euch gefallen und die Gefühle waren nachvollziehbar! >.<

Episode 7: Hoffnungen

Hoffnungen
 

„Hast du alles beobachtet?“, fragte Reilly über seinen Schreibtisch. Der ihm gegenüber zuckte mit den Schultern.

„Ja, natürlich“, der schwarzhaarige junge Mann war gut gebaut und muskulös. Er zögerte. „Ich frage mich, wieso ich das machen sollte...“, er zog eine Braue hoch, doch Reilly ignorierte seine indirekte Frage und stellte seinerseits eine: „Sind die Personen, die ich dir beschrieben habe tot?“

„Ja, alle drei“, seufzte der Mann. Ihm gefiel das Verhalten seines Bosses gar nicht und er fragte sich, ob es in dieser Branche üblich war, dass man seine Angestellten überwachte. Aber was sollte man machen? Im Grunde genommen, hätte ihn das alles auch gar nicht interessiert, aber wenn es um jemanden ging, den er kannte, dann wurde er schon etwas neugierig.

„Und wieso lässt du die beiden überprüfen?“, stellte er die Frage diesmal direkt, „Hast du kein Vertrauen in deine Leute?“ Reilly lachte.

„Hör mal, ich habe zu keinem meiner Leute Vertrauen, wie auch? Sie sind kaltblütige Killer!“

„Heißt das, du spionierst allen hinterher?“, hakte der Mann fast erschrocken nach.

„Nein!“, rief Reilly genervt. „Nur dieses eine Mal!“

Der Schwarzhaarige fing an zu grübeln. Was war nur so besonders an diesem Auftrag? Er musterte Reilly, doch dessen versteinerte Miene sagte ihm, dass er nichts mehr aus ihm heraus bekommen würde. Hinter sich hörte er Schritte näher kommen.

„Ich hoffe, dass du mich mit deinem Misstrauen verschonst“, sagte der Mann, „oder hast du mich etwa auch schonmal-“ Er wurde unterbrochen, da er von hinten grob angerempelt und zur Seite gedrängt wurde.

„Müssen was besprechen“, sagte Lefti knapp zu Reilly.

„Aha?“, fragte dieser. „Und was?“

„'Tschuldigung, ich bin noch nicht fertig!“, klärte ihn der Mann auf, den er von seinem Platz verdrängt hatte. Lefti warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

„Das interessiert mich nicht!“, er wandte sich wieder an Reilly.

„Mich aber!“, beharrte der Mann. „Also würdest du bitte...“, er drückte ihn energisch beiseite.

„Ist aber wichtig“, log Lefti, er hatte keine Lust zu warten bis dieser Wichtigtuer fertig war.

„Und das interessiert mich nicht!“, pöbelte der zurück und fixierte Lefti mit seinen braunen Augen eindringlich.

„Keaton!“, donnerte Reilly, „Warte bis du dran bist!“ Lefti warf beiden einen vernichtenden Blick zu, schnaubte abfällig und stakste davon.
 

Als Trysha mit Rebecca in der U-Bahn saß, hatte sie viel Zeit zum Nachdenken. Wie würde es jetzt weitergehen? Das war die Frage. Sie würde Rebecca mit nach Hause nehmen und dort würde sie auch fürs Erste bleiben. Sie würde versuchen sich mit ihr anzufreunden und heraus zu bekommen, wo sie wohnte. Wenn ihr dies gelang, dann könnte sie mit Rebecca zu ihrer Schwester fahren und diese endlich kennen lernen. Vielleicht wäre das auch der erste Schritt um endlich ihr eigenes Leben leben zu können, weit weg von Mord und Todschlag. Dazu müsste sie nur erreichen, dass Sheyla den Kontakt zu Reilly abbrach und weg zog, damit er ihnen nichts mehr anhaben konnte. Das hörte sich bestimmt leichter an als es war, aber sie war zuversichtlich. Trysha lächelte vor sich hin und schielte zu Rebecca hinüber, die müde aus dem Fenster schaute. Es gab wieder Hoffnung.

Es war ihr zwar zuwider erstmal weiterhin nach der Pfeife ihres Vaters zu tanzen, aber sie hatte keine andere Wahl. Bevor sie nicht wusste wo Sheyla sich befand würde sie verhindern müssen, dass ihr Vater Verdacht schöpfte und das bedeutete weiterhin Aufträge zu bewältigen.

Ihr Entschluss stand fest: Sie würde heute Abend, nachdem sie Rebecca in ihre Wohnung gebracht hatte, noch in die Zentrale gehen und sich nach dem nächsten Auftrag erkundigen. So wie ihr Vater es verlangt hatte.
 

Lefti trat an Reillys Schreibtisch nachdem der schwarzhaarige Typ endlich gegangen war.

Der hat sich extra Zeit gelassen, dachte Lefti schlecht gelaunt.

„Was gibt es denn so dringendes, Keaton?“, fragte Reilly und spähte an Lefti vorbei in den Raum. „Wo ist denn meine Tochter?“ Lefti machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Der geht es gut. Sie hatte nur keine Lust.“

„Keine Lust also...“, murmelte Reilly spöttisch ohne, dass Lefti es verstand.

„Was ich eigentlich wollte hat was mit dem morgigen Auftrag zu tun...“, erläuterte Lefti.

„Wieso? Den kennst du doch noch gar nicht“, meinte Reilly ein wenig verwirrt.

„Egal“, Lefti schüttelte den Kopf. „Es geht darum, dass ich nicht da sein werde. Ich muss was Wichtiges erledigen.“ Daran hatte er nämlich gar nicht gedacht, als Reilly ihm vor ein paar Stunden gesagt hatte, dass morgen schon ihr nächster Auftrag war. Es war ihm erst auf dem Weg hierher eingefallen.

„Aha“, Reilly zog eine Braue hoch, „und was gibt es da so Wichtiges zu erledigen?“

„Privat“, erwiderte Lefti und verlagerte sein Gewicht auf sein anderes Bein. Er hatte vor nach Milwaukee zu fahren und sich diesen Rudolph Christian Odelly vorzuknöpfen. Das konnte nicht warten!

Reilly überlegte kurz. Er schien unschlüssig, aber er wusste, dass er Lefti so oder so nicht davon abbringen konnte. Außerdem brauchte er den Typen also willigte er zögernd ein: „Na ja, wenn es denn sein muss... Aber du weißt was das bedeutet?“ Lefti nickte.

Ja, er wusste was das bedeutete. Für ihn hatte es keine Folgen, nur dass er kein Geld bekam, aber das war normal. Wer nichts leistete, bekam auch nichts, so war das eben.

Aber es bedeutete auch, dass er seinen Partner alleine ließ und der war in diesem Fall Trysha. Und es hieß, dass sie trotzdem einen Auftrag erledigen würde, der für ihr Team gemacht war, so waren nun mal die Regeln. Und so wie Lefti Reilly kannte, freute ihn dies sogar. Dann konnte er Trysha wieder eins auswischen und das würde er auch, das erkannte Lefti an seinem schmierigen Grinsen.

War dem überhaupt klar, dass Trysha seine Tochter war und in große Gefahr kommen könnte? Anscheinend nicht. Oder es war ihm einfach egal.

Wenn sein Partner doch wenigstens ein Mann gewesen wäre! Nicht, dass Trysha ihren Job nicht gut machte, es war nur so... Sie war nur so...

Verdammt! Es war ihm wirklich zuwider sie nach der Sache die heute passiert war schon wieder zu enttäuschen. Was auch immer das gewesen war, er konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.

Aber wieso machte er sich überhaupt Gedanken darüber? Er mochte sie ja noch nicht einmal! Außerdem musste sie schließlich nur ein paar popelige Informationen besorgen, das konnte immerhin nicht so schwierig sein. Er schob seine Schuldgefühle beiseite und fixierte Reilly.

„Ja ich weiß. Aber das ist nicht mein Problem sondern ihres! Also wenn sie später vorbeikommt... oder morgen, dann richte ihr aus, dass ich nicht komme.“

Daraufhin zuckte Reilly mit den Schultern und wandte sich wieder seiner Papierarbeit zu. Lefti verließ das Gebäude mit gemischten Gefühlen. Er fühlte sich gar nicht wohl bei der Sache und hatte irgendwie eine schlechte Vorahnung. Hoffentlich hatte Trysha das Mädchen nicht einfach laufen lassen, obwohl er ihr das zutrauen würde. Dann hatte er jetzt nämlich richtige Probleme! Doch er schluckte seine Zweifel herunter und schwang sich auf seine Maschine um noch bei Giovanni vorbei zu schauen, er wollte endlich diese Fäden los werden.
 

Trysha sah wie Lefti aus der Zentrale kam und versteckte sich schnell im Schatten des Nachbargebäudes. Er sah irgendwie besorgt aus als er sich auf sein Motorrad schwang und mit quietschenden Reifen davon rauschte. Kurz fragte sie sich was ihn beschäftigen könnte, doch dann löste sie sich aus dem Schatten und stampfte rüber zum Eingang. Wahrscheinlich bereute er es, dass er Rebecca nicht doch getötet hatte. Schließlich war sie ein Zeuge und er hatte doch erwähnt, dass die Polizei ihn sowieso schon wegen irgendwas verdächtigte. Was das wohl war? Trysha schüttelte den Kopf, der war wirklich gemein gefährlich. Aber an Rebecca würde er nicht dran kommen! Dafür würde sie schon sorgen. Als sie eben zu Hause angekommen waren, hatte sie die Kleine direkt in ihr Bett gebracht, wo sie auch sofort eingeschlafen war. Anscheinend war das alles ein bisschen zu viel für sie gewesen. Dann hatte sie die Wohnung abgeschlossen, sicher war sicher und war hier her gegangen.

„Wieso kommst du erst jetzt?“, fragte ihr Vater ohne aufzublicken.

„Musste vorher noch nach Hause“, erklärte Trysha.

Sie gab sich möglichst normal und Reilly schilderte ihr den nächsten Auftrag. Sie mussten die Vornamen von vier Drogenhändlern ausmachen. Wenigstens mussten sie die vier nicht töten, schoss es Trysha durch den Kopf.

„Vier Namen...“, wiederholte sie gedankenverloren.

„Ja, sie treffen sich morgen Abend in einer Gasse die an die Delaware street grenzt. Der Auftraggeber ist der Boss der vier und braucht deshalb die Namen, weil er raus gefunden hat, dass diese vier noch für einen weiteren Drogenboss arbeiten. Das Problem ist nur, dass er nicht weiß welche vier seiner Leute es sind, aber eine Quelle ihm gesteckt hat, dass sie sich irgendwo dort aufhalten, wenn sie Drogen für den zweiten Boss verticken.“

„Also kein genauer Standpunkt?“, fragte Trysha.

„Nein, ihr müsst sie finden. Aber das sollte ja kein Problem sein.“ Trysha schüttelte den Kopf.

„Aber wieso reichen denn die Vornamen?“, fragte sie nachdenklich.

„Naja, ich denke mal, dass der Boss seine Schäfchen kennt und in feste Gruppen aufteilt. Deshalb hält er es wohl auch für wahrscheinlicher, dass eine ganze Gruppe übergelaufen ist und nicht vier Mitglieder aus verschiedenen Gruppen. Er wird mit den Vornamen anscheinend genug anfangen können.“

„Okay... dann bis morgen“, Trysha hatte sich vorgenommen das hier so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Sie wollte einfach nur nach Hause. Sie war müde, erschöpft und fühlte sich angeschlagen. Sie drehte sich um und ging los. Doch sie kannte ihren Vater viel zu gut um überrascht darüber zu sein, dass der sie zurückhielt.

„Ach, was ich noch sagen wollte“, fing er schon in seiner speziellen Stimme an, die er dann einsetzte, wenn er sie piesackte. „Ich schmeiße heute eine Party, du weißt ja, dass ich morgen Geburtstag habe...“

Schön für dich, dachte Trysha. Sie hatte ihrem Vater schon seit ihrem zehnten Lebensjahr nicht mehr gratuliert, geschweige denn an seinen Feiern teilgenommen. Sie war einfach in ihrem Zimmer geblieben. Aber worauf wollte er hinaus?

„Und ich dachte du möchtest vielleicht auch kommen“, sagte er und sie wusste, dass er es nicht ernst meinte. „Jeffrey wird auch da sein.“

Trysha blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich zu ihrem Vater um. Dieser grinste schadenfroh.

„Nicht? Na dann ist es ja auch egal...“, er hatte erreicht was er wollte. Ein kalter Schauer überkam sie.

Trysha zwang sich einfach wegzugehen. Zu Hause konnte sie immer noch zusammenbrechen. Sie versuchte die Erinnerung zurückzudrängen. Sie wollte nie wieder daran denken, doch ihr Vater musste ja immer alles neu aufwühlen. Mit Absicht!

Auf dem Weg zu ihrem Wohnblock schaffte sie es noch sich unter Kontrolle zu halten, aber als sie in ihrer Wohnung angekommen war konnte sie nicht mehr dagegen ankämpfen. Sie fiel erschöpft auf ihr Sofa und fühlte sich wie in der Zeit zurück versetzt bis dahin wo sie noch neun Jahre alt war. Der Geburtstag ihres Vaters. Sie sah es als würde es jetzt gerade passieren:
 

Der Raum war hell erleuchtet und ein paar Pärchen tanzten auf der kleinen Tanzfläche. Im Hintergrund spielte eine kleine Band und die Freunde ihres Vaters unterhielten sich an der Bar oder in kleinen Gruppen im Raum. Manche hatten auch ihre Kinder mitgebracht und Trysha alberte mit ihnen herum. Dann schlug Joey, er war auch in ihrem Alter, vor, sie könnten doch Verstecken spielen. Amelie und sie selbst nickten aufgeregt. Amelie hatte blondes, gelocktes Haar und war ein Jahr jünger als Trysha. Sie war die Tochter von irgendeinem George, der ein Geschäftspartner von Reilly war.

„Wer sucht zuerst?“, fragte Trysha die beiden.

„Immer der, der fragt!“, schrie Amelie und zeigte auf sie. Joey nickte und die beiden rannten los um sich irgendwo im Haus zu verstecken. Trysha stellte sich mit dem Gesicht an die nächste Wand, hielt sich die Augen zu und zählte bis Fünfzig.

„47, 48, 49, 50! Ene, mene Eckstein alles muss versteckt sein!“, rief sie so laut sie konnte, woraufhin die umstehenden Leute sie komisch musterten. Doch sie rannte vergnügt los und suchte alle guten Verstecke ab. Da sie das Haus kannte, hatte sie die beiden binnen kürzester Zeit gefunden. Und weil Amelie als erstes gefunden wurde, musste diese als nächste suchen. Als sie anfing zu zählen vergewisserte sich Joey, dass sie auch nicht guckte und schon sprinteten Trysha und er davon.

Trysha hatte schon ein ganz bestimmtes Versteck im Sinn.

„Da wird sie mich nie finden!“, kicherte sie in sich hinein. Das Haus ihres Vaters war groß und dunkel. An manchen Wänden hingen Hirschgeweihe und ausgestopfte Füchse, Vögel und Dachse, die einen mit ihren unheimlichen Augen verfolgten. Die Möbel waren allesamt aus dunklem Holz und der rote, teure Teppich verlieh dem ganzen den letzten Schliff ins Ungemütliche. Es wurde einem schon ein bisschen mulmig wenn man darin im Dunklen herumlief. Auf dem Weg zu ihrem Lieblingsversteck traf sie einen Mann der gerade von der Toilette kam. Sie kannte diesen Mann er war schon öfters hier gewesen. Ein weiterer Geschäftspartner, wie ihr Vater das nannte. Trysha fand ihn immer sehr freundlich, viel freundlicher als ihren Vater. Sein Name war Jeffrey Webber oder so.

„Jeffrey!“, rief sie.

„Was ist denn?“, fragte der. „Was machst du hier denn so alleine im Dunklen?“

„Ich spiele Verstecken mit Amelie und Joey!“, erzählte sie ihm hastig da sie sich beeilen musste. „Ich werde mich am Besten von allen verstecken!“

„Ach, der Heimvorteil oder was?“, fragte Jeffrey. Trysha nickte.

„Sie kennen doch diese Abstellkammer, die, bei der die Tür getarnt ist!?“

Er nickte und musterte sie unter seinen dunklen Haaren hinweg.

„Da findet mich Amelie nie!“, sagte Trysha überlegen. Er rieb sich das Kinn und funkelte sie an.

„Ja, da könntest du Recht haben.“

„Aber sie dürfen es ihr nicht verraten“, flüsterte die kleine Trysha verschwörerisch. „Ich muss mich jetzt beeilen sie ist bestimmt gleich bei fünfzig!“ Und schon rannte sie die Treppen in den Keller hinunter und zu der Abstellkammer, die nur einen kleinen Haken zum Aufziehen und die gleiche Farbe wie die Wand hatte. Die Kammer war nicht klein und auch nicht groß, aber ihr Vater konnte problemlos hier drin stehen wenn er etwas herausholte. Trysha versteckte sich hinter einem Kartoffelsack und wartete gespannt. Lange Zeit passierte nichts und weil es so spät abends war wurde sie langsam schläfrig. Sie war schon im Halbschlaf als die Tür schließlich doch aufgemacht wurde.

„Na endlich...“, gähnte sie und reckte sich. Als sie die Augen auf machte stand dort aber nicht Amelie sondern jemand größeres. Es war auf jeden Fall ein Mann, aber es war zu dunkel um genaueres zu erkennen. Er trat in den kleinen Raum und machte hinter sich die Tür zu. Trysha bekam ein wenig Angst, wollte es sich aber nicht eingestehen.

„Wer sind Sie?“, fragte sie aufmüpfig. „Und wo sind Amelie und Joey?“ Der Mann stank nach Alkohol und Trysha wurde ein wenig schlecht. Dann schloss er die Tür ab und griff nach ihr.

Trysha wollte entkommen und wehrte sich gegen die Hände des Mannes. Doch er ließ sie nicht los und wollte ihr das Kleidchen ausziehen. Trysha steckte ein dicker Kloß im Hals und sie krächzte: „Hör auf damit! Das darfst du nicht! Meine Lehrerin hat gesagt-“ Doch der Mann unterbrach sie mit einem gefährlichen Lachen und riss ihr Höschen runter...
 

Sie hatte ihrem Vater gleich am nächsten Tag von der Sache erzählt und da sie wusste, dass Jeffrey der einzige war, der ihr Versteck kannte, hatte sie gesagt dieser hätte sie vergewaltigt. Doch ihr Vater hatte ihr nicht geglaubt und alles mit einem Lachen abgetan. Obwohl sie mittlerweile wusste, dass er ihr insgeheim glaubte, es ihm aber einfach egal gewesen war. Das hatte ihre ganze Welt zusammen brechen lassen. Es war das Schlimmste für sie gewesen, dass er ihr nicht glaubte und ihr Wesen veränderte sich von Grund auf. Ihr kindliches Vertrauen verschwand und sie war gegenüber allem und jedem misstrauisch. Sie hatte keine Freunde mehr in der Schule und wurde zur Einzelgängerin. Als sie mit fünfzehn erfuhr, was ihr Vater arbeitete, zog sie ein Jahr später von zu Hause aus und drohte ihm zur Polizei zu gehen. Das war der Zeitpunkt, als er anfing sie mit Sheyla zu erpressen und sie zwang für ihn zu arbeiten. Das ließ den letzten Funken Hoffnung auf etwas Gutes im Menschen gänzlich erlöschen.

Später hatte sie aber verstanden, dass nicht alle Menschen so waren sondern eigentlich nur ihr Vater. Doch Vertrauen zu einem Mann aufbauen, mit dem sie zusammen sein wollte konnte sie einfach nicht. Und das war Jeffreys Schuld!

Es hatte viele Jungs an der High-school gegeben, die mit ihr hatten ausgehen wollen, aber sie hatte immer unsicher verneint und sich von ihnen fern gehalten. Mit achtzehn hatte es dann doch einen Jungen gegeben in den sie sich verliebt hatte und als er sie dann zu einer Party von sich eingeladen hatte, war sie auch nach langem Überlegen hingegangen. Auf der Party hatte sie sich mit ihm unterhalten und mit ihm gelacht. Sie hatte sich zum ersten Mal in ihren Leben schön und akzeptiert gefühlt. Aber als er sie mit auf sein Zimmer genommen hatte waren die Erinnerungen wieder hoch gekommen und sie hatte ihn abgeblockt. Sie hatte ihn noch nicht einmal Küssen können, weil sie dann an die stickige Kammer und den widerlich stinkenden Mund von Jeffrey denken musste, den er auf ihren gepresst hatte. Also war sie weggelaufen und hatte sich entschlossen so eine peinliche Situation nie wieder zu erleben, indem sie sich mit einem Jungen einließ oder sich sogar verliebte!

Sie würde ja sowieso nur wieder einen Rückzieher machen und diese schmerzvollen Erinnerungen haben.

Und das war der Grund für ihr heutiges Verhalten gegenüber Männern.

Trysha rollte eine Träne über die Wange als die Erinnerung langsam wieder verschwand. Sie schnäuzte in ihr Taschentuch, wischte die Träne weg und ließ sich noch tiefer in ihr Sofa sinken. Bis sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Episode 7: Raus mit der Sprache!

Raus mit der Sprache!
 

Lefti sah das riesige Gewirr aus Straßen, durch sein getöntes Helmvisier, schon von weiter weg. Diese waren übereinander, untereinander und kreuz und quer durcheinander. Er hielt Ausschau nach einem Schild und da fand er es auch schon. Er zog auf die rechte Spur hinüber und bog von der 90 auf die 94 West nach Milwaukee ab. Ohne Rücksicht auf Verluste und ob schon ein Auto links neben ihm fuhr, zog er von dem Beschleunigungsstreifen auf die 94ste und rauschte weiter. Die meiste Zeit fuhr er links und überholte alle Fahrzeuge.

Lefti hatte noch über neunzig Meilen vor sich und wollte diese so schnell wie möglich hinter sich bringen. Heute morgen hatte er sich Zeit gelassen, weil er eigentlich gar keine Lust auf diesen Trip hatte und war erst nach Mittag losgefahren. Aber was für eine Wahl hatte er denn? Er musste raus finden wieso das mit Carry passiert war und was dieser Odelly von ihm wollte! Dieser Telefonanruf ließ ihm keine ruhige Minute mehr. Vielleicht könnte er ja in Milwaukee übernachten, dann müsste er heute nicht mehr zurück fahren...

Er wechselte die Spur und überholte, woraufhin jemand hinter ihm laut hupte.

„Ja, ja“, murmelte er. „Rechts überholt man nicht, ich weiß schon.“

Und schon trat er das Gaspedal wieder durch.
 

Als Lefti sein Motorrad später vor dem Police Department parkte hatte er schlechte Laune. Ihn nervten jedes Mal wenn er unterwegs war und einen längeren Weg hinter sich zu bringen hatte diese Familienbullis, dessen Insassen Mütter waren, die immer Recht haben mussten und bei jeder Gelegenheit hupten. Obwohl sie selbst den Verkehr am meisten aufhielten, indem sie höchstens 120 fuhren, weil sie ja Kinder im Auto hatten! Es könnte ja etwas passieren! Aber in Wirklichkeit hatten sie nur Angst vor hohen Geschwindigkeiten und... na ja darum ging es jetzt nicht. Er musste sich auf diesen Odelly konzentrieren und auf das, was der im Schilde führte!

Er stieß die Tür zum Department auf. Hoffentlich hatten sie Odelly schon fest genommen, dann würde es leichter werden mit ihm zu reden. Ansonsten musste er ihn erst noch selbst aufstöbern, worauf er auch gut verzichten konnte. Lefti begrüßte den Officer, der hinter einem Tresen an einem Computer saß mit einem knappen: „Hey.“

„N' abend!“, grüßte der etwas rundliche Mann zurück und steckte sich den Rest seines Burgers in den Mund.

„Ich wollte fragen ob sich ein gewisser Rudolph Christian Odelly hier befindet?“ Der Mann sah ihn skeptisch an und fragte: „Sind Sie sein Bruder?“

Bruder!? Fuhr es Lefti durch den Kopf, wie kam der denn da drauf?

„Nein, nur ein Freund“, log Lefti sehr überzeugend, wie er selbst fand.

„Ach so. Na ja, mal schauen“, der Mann wandte sich seinem Computer zu. „Also, ja... ja. Sie meinen den Fall aus Chicago! Wir sollten Mr. Odelly schon mal unter Arrest stellen...“

„Und?“

„Ja. Wir haben ihn bereits. Ziemlich schlimmes Verbrechen... Wenn er es wirklich begangen hat, dann kann er sich schon mal auf den Knast gefasst machen. Und ich glaube wir haben ihn schon festgenagelt. Eine Nachbarin des Opfers sagte aus, dass sie gesehen hat, wie er aus dem Hintergarten des Opfers kam. Verdächtig was?“

„Äh... ja. Ja!“, Lefti nickte schnell.

„Aber wissen Sie was? Es wird noch schlimmer!“

Was für eine Trantüte! Da musste er ja gar nicht nachbohren...

„Er selbst hatte behauptet der Fingerabdruck, den sie auf ihrem Briefkasten gefunden hatten - das war übrigens der einzige - wäre dorthin gekommen, weil er gucken wollte wer dort wohnt“, plapperte der Officer weiter.

„Ja und warum wollte er das?“, fragte Lefti möglichst interessiert.

„Weil... weil er einen Brief einstecken wollte“, der Mann machte eine Pause und starrte ihn aus großen Augen an. „Einen Liebesbrief.“ Lefti zog die Brauen ungläubig zusammen und lachte dann los.

„Einen Liebesbrief?! Wie lächerlich!“, stellte er fest.

„Ja, das habe ich mir auch gedacht. Er meinte er hätte sie im Internet kennen gelernt!“, der Mann fing an zu glucksen und Lefti fing auch wieder an, zumal er aus zuverlässiger Quelle, nämlich von Carry selbst, wusste, dass sie nicht ins Internet ging weil sie sich damit nicht aus kannte.

Ich habe das Gefühl, immer wenn ich einen Computer anfasse mache ich ihn kaputt, also lasse ich es einfach, hörte er sie sagen.

„Und was soll in diesem Liebesbrief gestanden haben?“, fragte Lefti, obwohl er wusste, dass es keinen gab.

„Keine Ahnung. Mr. Odelly meinte er habe in letzter Sekunde den Nerv verloren und den Brief vernichtet“, ergänzte der Officer und schüttelte den Kopf.

„Was für eine dumme Ausrede!“, spottete Lefti. „Obwohl, vielleicht dachte er ja sie hätte einen zweiten Briefkasten hinter dem Haus“, er stützte sich auf dem Tresen ab und schüttelte den Kopf.

„Ja. Aber ich dachte Sie wären sein Freund...“, bemerkte der Officer skeptisch. Lefti beeilte sich sein Lachen zu unterdrücken.

„Natürlich!“, sollte er jetzt Mitleid oder Bedauern vortäuschen. „Aber, dass er sich so etwas Schwachsinniges einfallen lässt...“, Lefti schüttelte den Kopf. „Ja, ja der gute Rudolph“, würgte er gutmütig hervor. Ihm fiel auf, dass er in letzter Zeit andauernd in irgendwelche anspruchsvollen Rollen schlüpfen musste. Erst der dauergrinsende Verkäufer und jetzt der beste Freund von jemand, den er gar nicht kannte und der wahrscheinlich seine Freundin umgebracht hatte.

„Aber finden Sie nicht schrecklich, was er getan hat?!“, fragte der Polizist jetzt leicht empört.

„Äh... Richtig!“, Lefti stimmte schnell zu. „Das hätte er wirklich nicht tun dürfen“, er zog eine bedauernde Grimasse und nickte geistesabwesend.

„Wissen Sie vielleicht was seine Beweggründe waren?“, fragte der Officer. Leftis falscher Gesichtsausdruck erlosch ein wenig und wurde etwas düsterer.

„Deswegen bin ich hier...“, murmelte er zu sich selbst.

„Wie bitte?“, hakte der Officer nach. „Ich habe das akustisch-“

„Schon gut! Kann ich mit ihm sprechen?“, unterbrach Lefti ihn wieder freundlich.

„Ja natürlich, Sie scheinen ja gut befreundet zu sein“, willigte der Officer ein.

Entweder der Typ war ein totaler Trottel, oder Lefti könnte demnächst mal über eine Schauspielkarriere nachdenken.

„Warten Sie ich rufe kurz den Zuständigen an“, er wandte sich ab und telefonierte lauthals. Irgendwann hielt er die Sprechmuschel zu und fragte: „Ich weiß, Sie sind Freunde und so... aber würden Sie sich eventuell dazu bereit erklären raus zu kriegen, wieso er Mrs. Villano getötet hat und uns dann davon in Kenntnis setzen?“ Lefti zuckte zustimmend mit den Schultern und meinte: „Von mir aus.“

Der Officer zog eine Braue hoch. Diese Zustimmung reichte ihm wohl nicht. Lefti holte Luft: „Ich meine, auf jeden Fall! Auch wenn wir Freunde sind, das ist ja schließlich ein Verbrechen! Damit darf er nicht durch kommen. Aber ich schätze er hatte einen guten Grund, weil sonst ist Rudolph ein ganz netter und... gerechter... und ähm lieber... Mensch.“

Gott, klang das schwul!

Jetzt nickte der Officer und sprach weiter in das Telefon. Schließlich legte er auf.

„Also gut. Folgen sie mir!“, er stand auf und stieß die Tür zu einem Gang auf. Nach etlichen Türen blieb er stehen und schloss sie mit einem seiner vielen Schlüssel auf. Die Atmosphäre änderte sich bei dem Betreten des nächsten Ganges. Es war dieses Gefühl von Vorsicht, was einen überkam, wenn man wusste, dass nicht weit entfernt von einem gefährliche Dinge waren.

Das war so ähnlich wie im Zoo bei den Löwenkäfigen oder Elefantengehegen. Man weiß, dass sie nicht raus kommen können, aber man spricht trotzdem leiser und verhält sich möglichst unauffällig. Denn man weiß, dass man in freier Natur keine Chance gegen sie hätte.

Das hier war aber kein Zoo sondern die Vorstufe zu einem Gefängnis. Hier gab es keine gefährlichen Tiere sondern gefährliche Menschen. Und der Grund, warum Lefti diese Atmosphäre nicht spürte war, weil ein Löwe in freier Wildbahn eine reelle Chance gegen einen anderen Löwen hätte.

Der Officer stieß rechts eine Tür auf und wies ihn an rein zu gehen. Drinnen erwartete ihn noch ein Officer. Lefti erkannte im ersten Augenblick, dass der ein ganz anderes Kaliber als der zahme Empfangsofficer hatte.

„Hi. Ich bin Officer Meyer.“ Lefti nahm die schlanke Frauenhand in seine. Sie hatte einen festen Händedruck.

„Smith“, stellte er sich mit falschem Namen vor, schließlich war er selbst ein Verdächtiger in diesem Fall.

Sie war groß, schlank und trug drei Milimeter-Absätze und warf gerade ihr braunes Haar zurück. Sie hatte ihre Uniform irgendwie weiblich umgestaltet. Hochgekrempelte Ärmel, aufgeknöpftes Dekolleté und weiße Rüschenbluse.

„Wissen Sie, ich glaube zwar nicht, dass Sie und Odelly befreundet sind oder dass sie Smith heißen. Aber da sie uns nützlich sein können werde ich sie nicht nach ihrem Ausweis fragen. Hat Ernie ihnen erzählt was Sie zu tun haben?“

Ernie? Fragte sich Lefti kurz, das musste der dicke Officer hinter ihm sein.

„Ja. Ich werde mein Bestes geben“, knirschte er.

„Ich hoffe Sie wissen wie man hiermit umgeht?“, sie drückte ihm ein Diktiergerät in die Hand. Lefti musterte es kurz irritiert. Er hatte schon öfters mit diesen Teilen gearbeitet und kannte sich mehr als gut mit ihnen aus.

„Ja weiß ich.“

„Na dann...“, sie ging an ihm vorbei und strich mit ihren frisch manikürten Fingernägeln über seine Wange. „Sie wissen was zu tun ist.“

Oh ja. Das wusste er. Aber es wird dir nicht viel bringen Schätzchen, dachte er bei sich und steckte es in die Innenseite seiner Motorradjacke.

„Und enttäuschen Sie mich nicht“, mahnte sie noch, bevor ihr falsches Lächeln wieder in Autorität um schwang. „Dann bringe ich ihn mal her. Machen Sie es sich schon mal bequem.“

Lefti setzte sich auf einen der Stühle und wartete bis Officer Meyer seinen Freund herein bugsierte und auf den zweiten Stuhl schubste. Rudolph Christian Odelly war ein dürrer, schwarzhaariger Mann dessen Augen fies funkelten, er trug einen knielangen, dunkelbraunen Baumwoll-Mantel. Alles in allem war er eine große, ziemlich dunkle Erscheinung, aber trotzdem irgendwie vornehm, was im Kontrast zu der am Saum dreckigen und etwas zerrissenen Stoffhose stand. Er war Lefti auf Anhieb unsympathisch. Meyer befestigte Odellys behandschellte Hände hinter seinem Rücken am Stuhl.

„Na also“, sagte Odelly gespielt froh. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du kommen würdest.“ Er warf Lefti einen viel sagenden Blick zu. Der ahnte wohl, dass Lefti sich als Bekannter ausgegeben hatte. Officer Meyer fixierte Lefti nochmal scharf und verließ dann den Raum.

„Und wie ist es dir ergangen?“, fragte Lefti und startete einen Smalltalk, während er das Diktiergerät heraus holte und anfing es zu bearbeiten. Odelly verstand was er vor hatte und stieg mit ein.

„Na ja, was soll ich sagen? Ging mir schon mal besser...“ Lefti hätte beinahe gelacht bei dieser Bemerkung, riss sich jedoch zusammen und fragte scheinheilig: „Wer war eigentlich diese Mrs. Villano?“

„Ihr Vorname war Carry, sie war nur eine Freundin aus dem Internet. Die Officer denken ich hab sie umgebracht“, Odelly klang fast schon ein wenig traurig und Lefti warf ihm einen anerkennenden Blick zu, dieser grinste gewinnend.

Es machte ein leises Knacken, als Lefti das Diktiergerät aufbrach, er drehte das Gerät herum und musterte das Innenleben. Mit ein paar schnellen Handgriffen manipulierte er es so, dass es nichts mehr aufnehmen konnte, aber trotzdem weiter lief. Die Officer würden ab diesem Zeitpunkt nur noch ein Rauschen wahrnehmen, wenn sie das Gerät abhörten. Das bedeutete er und Odelly waren jetzt unter sich...

Lefti steckte das Gerät wieder weg und heftete seinen Blick auf ihn.

„Also. Dann lass uns mal Klartext reden. Was willst du von mir?“, Lefti machte eine kurze, bedrohliche Pause. „Und wieso hast du Carry umgebracht?“ Sein Gegenübersitzender veränderte seine Sitzposition ein wenig, anscheinend war es nicht gerade gemütlich am Stuhl fest gekettet zu sein.

„Tja, Keaton. Denk mal scharf nach, vielleicht kommst du von selbst drauf.“ Lefti stutzte, der Typ hatte Carry also wirklich getötet. Aber was sollte diese Andeutung? Er hatte nicht den blassesten Schimmer was Odelly meinte.

„Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst, also rück raus mit der Sprache!“

„Tu doch nicht so! Das kannst du unmöglich vergessen haben!“, höhnte Odelly. „Oder warum bist du sonst in Chicago?“ Ein kurzes Schweigen trat ein.

„Du meinst den letzten Auftrag aus Alabama?“, fragte Lefti und runzelte die Stirn. Odelly lehnte sich nach vorne und grinste gehässig, wobei er seine makellose Zähne zeigte.

„Genau den.“

In Leftis Kopf prallten die Gedanken nur so aufeinander. Natürlich hatte er seinen letzten Auftrag nicht vergessen, aber er wusste nicht, was dieser mit Carry zu tun haben sollte. In erster Linie war er aus Montgomery weg, wo er ebenfalls als Auftragskiller tätig gewesen war, nach Chicago gegangen, weil es ihm dort zu heiß geworden war. Ein paar Bullen in der Stadt hatten ihn schon auf dem Kiker gehabt, deswegen hatte er sich nach Chicago abgesetzt. Anscheinend war das seinem damaligen Boss Joe nur recht gewesen, denn der hatte ihm promt den Auftrag angeboten bestimmte Infos einer Organisation in Chicago für ihn zu besorgen. Und zwar nicht von irgendeiner Organisation, genau genommen war es Reilly, den es ins Visier zu nehmen galt. Natürlich hatte er das Angebot angenommen, was sprach auch dagegen sich nebenbei noch ein bisschen Geld zu verdienen?

Allerdings musste er zugeben, dass er den Auftrag nicht so ernst genommen hatte, schließlich war Joe nicht mehr sein richtiger Boss und so dringend konnten Informationen eigentlich nicht sein.

„Was hast du denn bis jetzt in Erfahrung gebracht?“, unterbrach Odelly seine Überlegungen.

„Naja, also... ich bin mit seiner Tochter in einem Team.“

Durch puren Zufall, aber das musste Odelly ja nicht wissen. In Wirklichkeit hatte Lefti noch keine einzige der gewünschten Informationen.

„Toll, erzähl mir was Neues“, meinte Odelly unbeeindruckt.

„Äh... hm“, machte Lefti, da ihm beim besten Willen nichts Nützliches einfiel. Odelly trat plötzlich mit einem Fuß gegen den Tisch und rief: „Da hast du es! Du vernachlässigst unseren Boss!!“, es kostete ihn anscheinend Mühe nicht allzu laut zu werden, damit die Officer ihn nicht hörten.

„Er ist nicht mehr mein Boss! Aber da du ihn als unseren Boss bezeichnest muss er wohl deiner sein!“, zischte Lefti.

„Da hast du Recht, er ist mein Boss. Aber er hat dir vertrauliche Informationen über diesen Fall mitgeteilt und seine Sorge war anscheinend berechtigt, dass du zur anderen Seite wechselst!“

„Auf welche andere Seite? Ich bin auf keiner Seite und auch nicht auf irgendeine gewechs-“

„Sei bloß vorsichtig, mein Lieber! Joe sieht es gar nicht gerne, wenn jemand nicht schnell und gründlich genug arbeitet. Gerade in so einem wichtigen Fall.“

„Was soll das bedeuten?“, Lefti verstand langsam überhaupt nichts mehr.

„Er lässt dich seit einiger Zeit überwachen.“

„Was?!“, platze Lefti geschockt heraus.

Wo war er da nur hinein geraten?

„Ja! Was denkst du, was ich sonst gemacht habe und woher ich weiß, dass du seit Monaten keinerlei Fortschritte gemacht hast? Mal abgesehen davon, dass du dich überhaupt nicht bemüht hast?“, Odelly kniff seine Augen zusammen und sah ihn über den Tisch hinweg verächtlich an. „Als ich Joe mitteilte, dass du dich lieber mit deinen Liebesromanzen beschäftigst, als deine Arbeit zu erledigen, war er außer sich vor Wut.“

Lefti wusste was als nächstes kam und schluckte seine Fassungslosigkeit mühsam herunter.

„Er befahl mir dir einen Denkzettel zu verpassen und deine kleine Freundin zu töten. Hoffentlich bist du dadurch zur Vernunft gekommen“, Odelly zuckte abschließend mit den Schultern und Lefti musste das ganze erstmal ein paar Sekunden sacken lassen, bevor er seine Sprache wieder fand: „Nur deswegen?“, war das Erste, was er heraus brachte.

„Außerdem befürchtete er, dass du dich in ihrer Gegenwart verplapperst oder sie gar einweihst, da du ja so viel Zeit mit ihr verbracht hast. Was ich allerdings für Schwachsinn hielt, aber na ja du kennst ja Joe. Ich hab einfach nur seinen Befehl befolgt.“ Langsam wurde es Lefti wirklich zu viel. So wichtig konnten diese beschissenen Informationen doch gar nicht sein!

„Sag deinem Boss, dass ich Beruf und Privates sehr gut unterscheiden kann!“

„Sag es ihm selbst!“, erwiderte Odelly bissig.

„Stimmt ja! Ich vergaß, dass du so dumm warst dich bei deiner überflüssigen Mission erwischen zu lassen!“, konterte Lefti aufgebracht.

Eine Zeit lang starrten sich die beiden schweigend an. Schließlich seufzte Odelly und meinte: „Ich gebe dir mal einen Rat“. Er beugte sich vor, soweit das angekettet überhaupt ging. „Ich glaube nämlich, dass Joe dich weiterhin bespitzeln wird, also zieh das Ding schnell und sauber durch, dann hast du es hinter dir und bist aus der Sache raus.“

Großartige Idee!, dachte Lefti ironisch und grinste gequält. Das sagte sich so leicht.

Sein Auftrag lautete spezielle Dateien von Reillys Laptop zu löschen und andere zu kopieren. Reillys Laptop hatte er zwar schon öfter gesehen, aber immer waren Reilly oder andere Mitarbeiter in der Nähe gewesen. Außerdem hatte Lefti sich noch nie richtig damit befasst, deswegen wusste er auch nicht ob das Ding in der Zentrale blieb wenn Reilly Feierabend machte. Das war wohl das Erste was er demnächst heraus finden würde. Wenn dem nicht so war, musste er wohl bei Reilly einbrechen oder dergleichen.

Zugegeben, er hatte wirklich noch keinen Plan, geschweige denn etwas unternommen. Aber musste man deswegen gleich Carry umbringen? Junge, junge. Was waren das nur für Dateien?

„Danke für den Tipp“, knirschte Lefti sarkastisch und seine Stimme troff nur so vor Geringschätzung gegenüber diesem Mann, der einen lieben Menschen einfach auf Befehl umgebracht hatte.

Wie konnte man nur so ignorant, so herzlos und so ein Arschloch sein?, fragte er sich und schnaubte. Er musste hier weg! Gerade wollte er sich verabschieden, als ihn schlagartig eine grausame Erkenntnis traf:

Genau das war auch sein eigener Job.

Ihm wurde bewusst, dass er genauso war wie Odelly. Er tat dasselbe. Er war genauso skrupellos, herzlos und grausam wie er. Das war ihm noch nie in den Sinn gekommen, denn bis jetzt hatte Lefti die Sache immer so gesehen:

Es war egal wer es tat. Immerhin hatte der Auftraggeber eine Anordnung gemacht und wenn Lefti diese nicht ausführte, dann würde eben irgend ein anderer es tun. Er hatte sich nie wirklich Gedanken über die Gefühle anderer gemacht.

Aber in diesem Moment dachte Lefti an die Menschen, die er mit seinen hirnlosen Taten, dem einfachen Folgen von Befehlen, verletzt hatte. Damit meinte er nicht nur die Toten, ihm wurde klar, dass diese auch Freunde, Verwandte oder andere Menschen gehabt hatten, denen es so erging wie ihm jetzt mit Carry. So gerne er diesen Gedankengang auch ignoriert hätte, sich eingeredet hätte, dass das etwas anderes war und er weiterhin seinen Prinzipien folgen konnte, es funktionierte nicht. Nicht mehr.

Jetzt verstand er auch, warum Trysha ihn vor Mannis Shop zurück gehalten hatte, als der Kunde noch im Geschäft war. Schadensbegrenzung war der Grund gewesen. Ihr war es also schon länger bewusst.

Lefti nahm sich vor seine Arbeit gründlichst zu überdenken. Aber nicht hier und nicht jetzt. Erstmal hatte Odelly Recht und er musste diesen letzten Auftrag aus Montgomery erledigen. Nebenbei musste er natürlich weiterhin für Reilly arbeiten, damit der keinen Verdacht schöpfte und Lefti leichter an die ach so wichtigen Informationen dran kam. Lefti erhob sich mit steinerner Miene und murmelte ein grimmiges: „Bis dann“, bevor er den Raum wütend und mit noch einem anderen, ihm undefinierbaren Gefühl verließ.

„Viel Glück“, rief Odelly ihm noch gespielt freundschaftlich hinterher, wobei sich Lefti der Magen umdrehte.
 

Er stieß die Tür zum Eingangsbereich schwungvoll auf und knallte das Diktiergerät auf den Tresen, woraufhin Ernie ihn fragend musterte: „Wie ist es gelaufen?“

Lefti gab sich nicht die Mühe sich zu verstellen, zumal er nichts zu befürchten hatte, da Meyer nicht anwesend war.

„Richten sie Officer Meyer schöne Grüße von mir aus. Ich denke das Band wird ihnen nicht viel weiterhelfen“, er grinste verschlagen und verabschiedete sich von dem völlig verdatterten Ernie. Dieser griff das Band vom Tresen und wandte sich ab, um eine Bratwurst zu verdrücken. Lefti verließ das Police-Departement und schwang sich auf sein Motorrad. Er würde jetzt nicht zurück nach Chicago fahren.

Was er im Augenblick wirklich brauchte, war eine ordentliche Portion ungesundes Fast-Food!
 

***
 

okay das war Episode 7! =)

Bald geht es weiter

lg Caro~

Episode 8: Gespitzte Ohren

Gespitzte Ohren
 

Es war schon gegen Mitternacht, als eine Person mit blonden Haaren aus einem Casino trat, bei dessen Neonleuchtbuchstaben das 's' flackerte und die Straßen von Milwaukee betrat. Zufrieden zählte Lefti sein gerade gemachtes Geld und steckte es sich in sein Jackett. Dieses hatte er heute erst erstanden, als ihm die spontane Idee gekommen war seine Geldbörse ein wenig zu füttern, indem er im Casino zocken ging. Er überquerte die Straße und schlenderte über den großen Parkplatz auf dem sein Motorrad geparkt war.

Sollte er sich ein Zimmer in einem Motel mieten und hier übernachten? Oder sollte er sich heute Nacht noch auf den Rückweg nach Chicago machen...? Lefti grübelte, während er seine Motorradjacke aus seinem Geheimfach holte und sie gegen das Jackett austauschte. Besser er fuhr heute noch zurück, dann konnte er sich erstens in seinem eigenen Bett aufs Ohr hauen und musste zweitens nicht morgen früh, während der Rush hour zurück gurken.

Heute Nacht würde er die Straßen für sich haben und konnte sein eigenes Tempo fahren. Also stülpte er seinen schwarz-silbernen Helm über und startete seine Maschine. Vor seinem Besuch im Casino war er nicht in der Stimmung zum Fahren gewesen, aber was ein gutes Spiel, ein paar Geldscheine und eine Portion Glück nicht alles bewirken konnten.
 

Aufgebracht stapfte Trysha die dunkle, verlassene Straße entlang. Heute morgen als sie aufgewacht war, hatte sie gesehen wie Rebecca irgendeine Nummer an ihrem Haustelefon wählte. Hastig war sie aufgesprungen, hatte den Stecker gezogen und sie angezischt die Finger davon zu lassen. Rebecca hatte daraufhin nur nörgelnd nach etwas Essbarem verlangt.

Das Mädchen entpuppte sich als ein richtiger Dickkopf und hatte öfter angemerkt, dass sie nach Hause wollte während sie stur geradeaus auf den Fernseher starrte und billige Chips in sich hinein stopfte. Trysha hatte mehrmals versucht etwas über ihren Wohnort oder ihre Telefonnummer heraus zu bekommen, doch die Kleine hatte einfach auf Durchzug geschaltet und sie ignoriert. Heute Abend, als Trysha die Wohnung verlassen und hinter sich die Tür abschließen wollte, hatte Rebecca ihr hinterher gerufen, dass sie sie nicht ewig gefangen halten konnte. Da hatte sie zwar Recht, nicht ewig, aber mindestens so lange, bis Rebecca ihr verriet wo sie wohnte!

Doch wie sollte Trysha sie zum reden bringen? Mit Gewalt oder Erpressungen auf keinen Fall! Es musste doch einen anderen Weg geben. Vielleicht sollte Trysha ihr einfach erzählen wer sie war, das würde vielleicht alles leichter machen. Oder noch schwerer...

Darüber musste sie nochmal in Ruhe nachdenken!

Wenn auch nicht jetzt, denn schließlich hatte sie einen Auftrag zu erledigen. Trysha bog in die Delaware street ein, die wenigstens ein bisschen von Straßenlampen erhellt war. Sie spähte unauffällig in die angrenzenden Seitengassen, irgendwo hier mussten die Typen doch sein.

Richtig. Sie war alleine gekommen.

Ihr, ach so verlässlicher, Partner war nicht aufgetaucht! Sie hatte bis kurz vor Mitternacht vergeblich gewartet und war dann einfach frustriert mit der U-Bahn gefahren. Was dachte der sich eigentlich? Konnte er nicht wenigstens vorher Bescheid sagen, wenn er vorhatte nicht zu kommen? Nein, stattdessen ließ er sie einfach ohne Vorwarnung alleine mit der Arbeit sitzen! Vielen Dank auch! Trysha schnaubte. Wenn er nicht mindestens im Koma lag, konnte er sich auf was gefasst machen!

Ein Seufzer kam ihr über die Lippen. So war das nun einmal, der einzige Mensch, auf den sie immer zählen konnte, war sie selbst!

Wie dumm von ihr etwas anderes zu erwarten...

Die parkenden, schäbigen Autos am Straßenrand wurden zahlreicher. Anscheinend waren viele der Hochhäuser Wohnblocks. In den meisten Gassen standen Müllcontainer und kaputte Möbel sowie verrostete Metallreste.

Aber nirgends eine Spur von den Drogendealern.

Trysha fragte sich, ob sie hier überhaupt richtig war, als sie aus einer Gasse, auf der anderen Straßenseite, eine Stimme vernahm. Sie blieb stehen und entdeckte ein paar Gestalten. Schnell ging sie hinter einem verdreckten aber dennoch rotem Auto in Deckung. Kurz überlegte sie, ob sie die Typen einfach ansprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Das wäre vielleicht dann doch ein wenig zu plump. Genauso wie es zu riskant wäre. Also schlenderte sie hinüber zu dem Wohnhaus das links an die Gasse, in der die Männer standen, grenzte und betrat es. Die Tür öffnete sich nur quietschend und Trysha stand im Treppenhaus. Sie stieg die Treppe auf der rechten Gebäudeseite hinauf und blieb nachdenklich an einem der Fenster stehen. Vorsichtig linste sie in die Gasse hinunter. Dort standen drei Männer, waren es die gesuchten? Wenn ja, wo war dann der vierte? Es war zu dunkel um irgendwelche Details zu erkennen und hören konnte sie auch nichts, da das Fenster geschlossen war.

Sie musste es öffnen!

Angespannt lauschte sie ins Treppenhaus hinein. Es war totenstill, aber das kleinste Geräusch hallte überall wieder. Zum Glück hatte sie heute ihre neuen Ballerinas an. Die waren ihre neuste Errungenschaft und echt stylisch. Schwarz mit einer weißen Schleife und vereinzelten, kleinen lila glitzer Steinchen verziert. Dazu trug sie ihre hautenge schwarze röhren-Jeans und einen längeren weißen Rollkragenpullover, der über ihren Brüsten einen waagerechten Schlitz hatte, was auch der Grund dafür war, dass sie noch ein schwarzes Top darunter trug. Alles in allem war sie heute sogar ziemlich züchtig gekleidet. Aber wen interessierte das schon? Diese Dealer da draußen bestimmt nicht!

Trysha holte nochmal tief Luft und legte ihre Finger langsam um den Fenstergriff. Vorsichtig drehte sie ihn herum und zog das Fenster auf Kipp. Erleichtert darüber, kein Geräusch gemacht zu haben atmete sie wieder aus. Eine erfrischende Brise erfasste Trysha und mit ihr wurden auch die gedämpften Stimmen der Männer zu ihr hoch getragen. Gespannt lauschte sie.

„...richtig einen getrunken! Konnte heute morgen gar nicht mehr aufstehen so dolle hat mein Kopf gedröhnt“, meinte eine aufgeweckte Stimme.

„Frag mich mal! - Hey Rob! Hast du mal Feuer?“, fragte eine dunklere, raue Stimme. Ein Brummeln ertönte als Antwort und Trysha sah ein kleines Licht aufleuchten, das daraufhin von einer Hand verdeckt wurde und einen glühenden Stängel hinterließ als sie wieder erlosch. Der Besitzer des Feuerzeugs, Rob, hatte dunkles Haar und ein mürrisches Gesicht. Das Gesicht von dem Mann mit der Zigarette konnte sie nicht erkennen, da eine Art Cowboyhut dieses verdeckte. Mehr war in den paar Sekunden in denen das Feuerzeug ein schwaches Licht geworfen hatte nicht zu sehen gewesen.

„Ich hab mir gestern diesen neuen Streifen mit Will Smith rein gezogen, ist geil, kann ich nur empf-“

„Ruhe, ich glaube wir bekommen Kundschaft“, wurde die dunkle Stimme unterbrochen. „Gerry, komm her und vergiss das Zeug nicht!“ Aus der hintersten Ecke der Gasse tauchte jetzt noch eine Person auf und gesellte sich zu den anderen.

Da war der vierte, dachte Trysha. Wenn die Kundschaft jetzt auch noch irgendwelches Tütenpulver kaufte, dann waren das eindeutig die Zielpersonen. Und zwei Namen hatte sie schon.

„Schönen Abend der Herr“, begrüßte die helle aufgeweckte Stimme den Mann und trat soweit aus der Gasse heraus, dass etwas Licht auf ihn fiel. Er hatte aschblondes Haar und war für einen Mann etwas klein geraten.

„N'abend“, der Kunde hatte seine Kapuze in sein Gesicht gezogen, „Das gleiche wie immer.“

„Dacht' ich mir schon.“ Trysha kniff die Augen zusammen und klebte regelrecht an der Scheibe um zu erkennen was die beiden austauschten. Es lief innerhalb von Sekunden ab, aber dennoch hatte sie die Geldscheine und die kleine Plastiktüte gesehen. Das war Beweis genug.

„Okay, danke. Bis zum nächsten Mal!“, verabschiedete sich der aufgeweckte blonde Kerl, während der Käufer ohne ein Wort ging.

„Oh man Allen... du vertreibst uns noch alle Kunden wenn du weiterhin so arsch-freundlich bist“, verkündete Rob ironisch aber trotzdem genervt.

„Komm schon, ich bin der Meinung die mögen das!“, verteidigte Allen sich.

„Wer's glaubt...“

So ging das dann weiter. Die vier unterhielten sich ab und zu. Manchmal kamen weitere Junkies, die jetzt von Rob in Empfang genommen wurden. Aber den Namen des vierten, der der eine Zigarette nach der anderen qualmte fiel nicht.

Trysha ließ sich auf die kalten Treppenstufen sinken und horchte weiterhin aufmerksam. Sie lehnte sich gegen die Steinwand und zupfte kleine Fussel von den Ärmeln ihres Pullis. Irgendwann war ihr Oberteil fusselfrei und sie saß einfach nur noch da und hörte den leisen Männerstimmen zu.

In einer längeren Pause zwischen den Gesprächen der vier Männer schloss sie erschöpft die Augen.

Los doch! Es fehlte nur noch ein blöder Name und sie konnte hier weg! Die Müdigkeit überkam sie wie eine große, schwarze Wolke und sie fragte sich wie lange sie hier schon saß. Irgendwann, ohne dass sie es merkte schlief Trysha ein. In diesem völlig fremden Haus auf der ungemütlichen Treppe.
 

Trysha schreckte hoch, als das Treppenhaus erleuchtet wurde und laute Stimmen zu hören waren. Erst wusste sie nicht wo sie sich befand, doch dann wurde es ihr klar:

Sie war eingeschlafen!

Wie lange hatte sie hier wohl untätig herum gelegen? Schnell stand sie auf und wischte sich den Dreck von der Hose. Sie konnte sich noch gerade rechtzeitig in Bewegung setzten um vorzutäuschen, dass sie die Treppe herunter ging, als drei kichernde und völlig betrunkene Mädchen von der Eingangstür her auf sie zukamen. Anscheinend kamen diese aus einer Disco oder von einer Party zurück, da sie immer noch aufgestylt waren. Sie schienen Trysha gar nicht zu bemerken, da sie viel zu sehr mit sich selbst und ihren Lachattacken beschäftigt waren. Kurze Zeit später hörte man nur noch das Knallen einer Tür, jemand löschte das Licht und es war wieder still im Treppenhaus. Zu still.

Hastig spähte Tryhsa durch das Fenster, konnte aber niemanden erkennen. „Mist!“, fluchte sie und kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Was sollte sie jetzt machen? Ihr Blick fiel erneut in die Gasse. Erleichtert atmete sie aus, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und sie doch zwei Gestalten ausmachen konnte. Wütend über sich selbst, weil sie eingeschlafen war, beschloss Trysha dem ganzen ein Ende zu setzten. Sie schritt die Treppe hinunter, doch dann zögerte sie. Würden die ihr abnehmen abhängig zu sein? Sie musterte ihren Aufzug. An jedem anderen Tag wahrscheinlich schon, aber heute nicht. Kurzerhand zog sie sich ihren vornehmen Pulli über den Kopf und warf ihn in die Ecke hinter die Tür, bevor sie diese öffnete und das Haus verließ. Sie wischte sich über die Augen in der Hoffnung ihr Make-up ein wenig zu verschmieren und schüttelte ihre Haare durcheinander. Dann zog sie ihr Top so weit hinunter, dass ihr mit rosa Spitze besetzte BH darunter hervor blitzte und trat entschlossen in die Gasse.

Wenn die sie für eine Bordsteinschwalbe hielten, dann würde es nicht mehr so schwer sein, sie zu überzeugen, dass sie dazu noch abhängig war.

„Oh, wen haben wir den da?“, fragte die ihr mittlerweile gut bekannte Stimme von Allen.

„Sei bloß still, ich erledige das“, funkte ihm Rob energisch dazwischen und der dritte, Gerry, guckte sie ebenfalls interessiert an. Weiter hinten in der Gasse erkannte sie den Glimmstängel von Mr. Unbekannt, sie waren also noch vollzählig. Rob schaute sie skeptisch an und zog die Braue hoch. Sollte Trysha jetzt fragen was sie alles im Angebot hatten? Nein, das machte man nicht, sie wollte ja eine bestimmte Droge, von der sie abhängig war... oder nicht? Sie überlegte, was im Moment eine angesagte Partydroge war...

„Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind...?“, bemerkte Allen, der blondhaarig und nicht besonders groß war.

„Stimmt“, gurrte sie und steuerte hüftschwingend auf die Männer zu.

„Wie heißt denn so ein schönes Wesen wie du?“, versuchte der sonst so mies gelaunte Rob heraus zu bekommen. Trysha hätte beinahe über seinen etwas ungekonnten und übertriebenen Flirtversuch gelacht. Stattdessen antwortete sie bedauernd: „Wenn ich dir das verraten würde, müsste ich dich töten.“ Sie grinse und ihr kam eine Idee. „Aber wenn du mir verrätst, wie dein Raucherfreud dort hinten heißt, damit ich ihm eine Zigarette abschnorren kann, dann ließe sich verhandeln.“ Sie senkte die Lider und schenkte ihm einen bezaubernden Augenaufschlag. Doch Robs Miene wirkte wieder verschlossen, als er begriff, dass sein Versuch mehr oder weniger missglückt war. Er zog sie am Arm und schubste sie in die Richtung von Mr. Unbekannt.

„Hey Dave! Hier ist Kundschaft, die nach dir verlangt!“ Gerade wollte Trysha protestieren, immerhin war sie gar keine echte Kundin, doch sie schaffte es den Drang zu unterdrücken.

Dave – wie sie gerade erfahren hatte – trat seine Kippe aus und winkte sie zu sich heran. Er trug zu ihrer Irritation immer noch diesen Stetson, was ihn irgendwie verwegen und rau wirken ließ. Er war verhältnismäßig groß und hatte seine Hemdsärmel so hoch gekrempelt, dass seine muskulösen Unterarme zu sehen waren. Sie hatte zwar gewusst, dass er rauchte, aber, dass er gleich der Marlboro Mann war, hätte sei nicht gedacht. Zögernd ging sie zu ihm hin.

„Was ist los, Kleine?“, fragte er mit seiner tiefen, rasselnden Stimme.

„Ähm...“, Trysha stand inzwischen dicht vor ihm und konnte seinen rauchigen Atem riechen, dass ihr ein wenig übel wurde. Ihr fiel mit einem Schlag ein, dass sie überhaupt keine Drogen kaufen konnte, immerhin hatte sie kein Geld dabei bis auf ein paar Dollar für die U-Bahn. Außerdem hatte sie jetzt alle Namen, die sie brauchte und musste nur noch unbeschadet hier weg kommen.

„Du bist also nicht wegen dem Stoff hier?“, folgerte er aus ihrem Schweigen und sie nickte.

„Nein, eigentlich wollte ich bloß eine Zigarette...“, verriet sie ihm.

„Interessant“, murmelte er gedehnt. Er glaubte ihr also nicht. Okay, es war auch wirklich ein wenig seltsam. Warum sollte sie ausgerechnet einen Drogendealer nach einer Zigarette fragen, der zudem noch in einer dunklen Gasse stand? Dennoch holte er seine Schachtel heraus und reichte ihr einen Zigarettenstängel. Dann hielt er ihr sein Feuerzeug vor die Nase und Trysha blieb nichts anderes übrig, als sie anzuzünden.

Sie hatte bis jetzt erst einmal in ihrem Leben geraucht und das war mit vierzehn gewesen. Aber dieses eine Mal hatte ihr gereicht. Deswegen fiel es ihr jetzt auch schwer den Hustenreiz zu unterdrücken und so zu tun, als würde sie den Rauch genießen.

„Bist du ein Bulle oder sowas?“

„Dann würde ich doch eure Drogen sehen wollen oder nicht?“, verteidigte sie sich ein wenig bissig. Ihr Argument schien ihm einleuchtend zu sein und er steckte sich ebenfalls eine neue Zigarette an.

„Und was machst du spät in der Nacht noch hier draußen?“, verhörte er sie weiter.

„Warten“, erwiderte sie und versuchte dabei anzüglich zu klingen. Immerhin versuchte sie sich doch als Dame aus dem horizontalen Gewerbe auszugeben. Er zog fragend eine Braue hoch.

„Ich bin noch mit einem Kunden verabredet“, log Trysha gespielt augenrollend über seine Begriffsstutzigkeit. Dave grinste und verstand. Sein Misstrauen gegenüber ihr verflüchtigte sich und sie rauchten im schweigenden Einvernehmen weiter. Er hatte es ihr also endlich abgekauft und hielt sie nicht mehr für eine Bedrohung. Er glaubte sie wären aus den gleichen Kreisen und da misstraute man sich nicht, sondern war aus demselben Holz geschnitzt und respektierte den anderen ohne viel drumherum Gerede. Als Trysha die zweite Zigarette ihres Lebens erfolgreich aufgeraucht hatte, verfestigte sich ihre Abneigung dagegen und ihr Bedürfnis endlich nach Hause zu gehen um zu schlafen.

„Danke für die Kippe.“ Sie schenkte Dave ein letztes Lächeln und drehte sich zum Gehen.

„Gern geschehen“, brummte dieser und tippte sich gegen seinen Hut. Trysha war froh die Sache endlich hinter sich gebracht zu haben. Gut gelaunt schritt sie an den anderen Kerlen vorbei und säuselte: „War schön euch kennen gelernt zu haben...“ Sie nickten zustimmend, auch wenn Rob sie immer noch beleidigt musterte. Da Trysha gerade in Geberlaune war, setzte sie für ihn noch einen oben drauf: „Besonders du bist ein interessanter Typ, Rob.“

Doch der ließ sich nicht von ihr beeindrucken und bevor sie ihren Fehler bemerkt hatte, hielt er sie schon am Handgelenk fest, sodass sie vor Schreck aufschrie.

„Woher kennst du meinen Namen?“, zischte er argwöhnisch und mit zusammen gekniffenen Augen.

Episode 8: Fahrstuhlsituation

Fahrstuhlsituation
 

Lefti erreichte die Innenstadt von Chicago. Der Tag war relativ gut verlaufen, zumindest was die Planung anging. Er hatte heraus gefunden was er heraus finden wollte. Auch wenn das, was er letztendlich erfahren hatte weniger positiv war. Eher das genaue Gegenteil. Er hatte zwar den Grund für Carrys Tod herausbekommen, aber der Grund an sich war nicht besonders entlastend für ihn selbst...

Wenigstens hatte er beim Poker genug Geld erspielt, damit dieser Tag ihn nicht auch noch finanziell etwas kostete. Denn das Spritgeld, das Jackett und den verpassten Auftrag heute Abend hatte er damit locker wieder draußen. Den Auftrag, den Trysha alleine erledigt hatte, oder noch erledigte? Lefti legte seine Stirn in Falten. Ob sie es wohl geschafft hatte?

Klar hatte sie! Schließlich hatte sie Erfahrung in Einzelgängen und diese Informationen zu beschaffen war nicht gerade schwer... Aber was wäre, wenn es Komplikationen gegeben hatte? Dann hätte er jetzt noch jemanden auf dem Gewissen... indirekt.

Es half nichts. Wenn er in Ruhe schlafen wollte, musste er sich versichern, dass alles glatt gelaufen war. Lefti bog in eine Seitenstraßen ein, die über einen kleinen Umweg zur Zentrale führte. Er wollte nur eine kurze Bestätigung, dass alles in Ordnung war.
 

„Lass mich los!“, zischte Trysha und zerrte an ihrem Arm.

„Was ist denn in dich gefahren Rob?“, fragte Allen empört.

„Was in mich gefahren ist?!“, rief Rob entgeistert. „Dieses kleine Flittchen hier kennt meinen Namen!“

„Na und?“

„Kannst du dich vielleicht erinnern, dass ich mich vorgestellt habe?“, kam es sarkastisch zurück. Allen überlegte und schüttelte dann den Kopf.

„Hey, Dave“, rief Gerry genervt von der Situation, „Hast du ihr Robs Namen verklickert?“ Dave löste sich aus seiner dunklen Ecke, kam grimmig näher und zuckte mit den Schultern.

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Aha! Da habt ihr's!“, triumphierte Rob und schaute Trysha jetzt auffordernd an. Anscheinend erwartete er eine Erklärung. Etwas, das sie nicht hatte. Außer sie würde die Wahrheit erzählen, aber dann konnte sie sich auch gleich selbst begraben! Wie konnte man auch nur so blöd sein!? Hätte sie nicht einfach „Tschüss“ sagen können und alles wäre gut gewesen? Nein, sie musste sich erst noch in Schwierigkeiten bringen!

„Raus mit der Sprache! Woher weißt du meinen Namen?!“, richtete Rob das Wort wieder an Trysha. Jetzt musste eine gekonnte Notlüge her!

„Weil... eine meiner Kolleginnen erzählt hat,... dass hier Nachts eine kleine Gruppe Dealer herumlungert und der große, gutaussehende Dunkelhaarige... äh Rob heißt“, versuchte sie ihn um den Finger zu wickeln, was allerdings nicht besonders gut klappte.

„Wer ist denn diese Kollegin? Wenn sie uns beim Namen kennt, dann ist das umgekehrt auch der Fall“, hakte Rob nach und kam ihr einen bedrohlichen Schritt näher. Trysha merkte, wie ihr Puls schneller ging. Was sollte sie jetzt tun? Einfach irgendeinen Namen sagen? Die Chance einen richtigen zu treffen dürfte verschwindend gering sein...

„Sag schon!“, fauchte Rob sie an und quetschte ihre Handgelenke mit einer seiner Pranken gegeneinander, die andere ballte er zur Faust. Trysha versuchte sich zu befreien, aber vergebens.

„Ähm... Cindy, ich glaube ich weiß es von ihr.“ Stille. Die vier Männer schauten sich gegenseitig an und schüttelten mit den Köpfen.

„Noch nie gehört“, verkündete Dave. Trysha schluckte, als sie merkte, wie Rob sie musterte. Hilfesuchend drehte sie sich zu Allen und Gerry um, doch die blickten sie ebenso misstrauisch an.

„Sie... Sie hat zwei Namen! Einen normalen und einen Decknamen... Cindy benutzt sie auf der Arbeit und den anderen privat“, Trysha versuchte versöhnlich zu lächeln, was aber kläglich scheiterte. Sie erinnerte sich an eine Studie, die sie mal irgendwo gelesen hatte über Amerikas häufigste Namen, „Ihr richtiger Name ist... Ashley.“ Sie war sich sicher, dass dieser unter den Top Five gewesen war. „Vielleicht kommt sie euch jetzt bekannt vor?“, fragte sie und drückte sich selbst die Daumen.

Die Männer tauschten wieder Blicke aus. „Könnte sein“, gab Dave seelenruhig zu, trat trotzdem näher an sie heran, sodass er jetzt bedrohlich vor ihr aufragte.

„Kann ich dann gehen?“, fragte Trysha kleinlaut und es hörte sich eher wie ein ersticktes Quieken an und nicht wie ihre eigene Stimme.

„Nicht, bevor du mir verraten hast, wie diese Ashley aussieht...“, er bedeutete Rob sie loszulassen, dieser überließ ihm ohne zu zögern das Ruder. Dave war also hier der Leitwolf, stellte Trysha fest, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Frage. Woher sollte sie wissen wie diese blöde Ashley aussah? Sie hatte so gut wie verloren! Sie sackte innerlich zusammen und senkte den Blick.

„Sie ist... blond“, riet Trysha. Daves Hand schnellte in ihre Haare und riss ihren Kopf nach hinten, sodass sie ihn angucken musste.

„Falsch. Die Ashley, die ich kenne hat schwarze Haare! Wer bist du und was willst du?“

„Gar nichts!“, rief Trysha und hielt seinem stechenden Blick stand.

„Sie lügt!“, gab Rob seinen Senf dazu und Dave nickte.

„Die Vermutung bekomme ich langsam auch. Und wenn sie nicht verraten will, warum sie wirklich hier ist, dann wird sie uns wohl so lange Gesellschaft leisten müssen, bis sie damit heraus rückt.“ Mit diesen Worten drehte er ihr den Arm auf den Rücken und stieß sie gegen die kalte Hauswand. Trysha keuchte unvermittelt auf.

Dave drückte ihr den Arm so weit in den Rücken, dass ihre Brüste und ihre Wange schmerzhaft gegen die Wand gepresst wurden.

„Jetzt sag mir die Wahrheit Schnecke. Was willst du hier? Schickt dich irgendwer?“ Trysha schloss die Augen und holte tief Luft.

„Niemand, okay!? Wie oft denn noch? Es ist alles so wie ich gesagt habe! Ashley hat deinen Freund halt öfter erwähnt, deswegen konnte ich mir denken, dass er es ist. Auch von seiner Art her, weil sie meinte er ist eher ernst und nachtragend. Vielleicht hatte sie bei euren Treffen mal die Haare gefärbt und deswegen... ach was weiß ich!? Und jetzt lass mich los du Idiot!“ Sie versuchte sich mit ihrem zweiten Arm von der Wand weg zu drücken, aber dadurch schob er ihren anderen Arm nur noch weiter nach oben.

„Versuch mich nicht für dumm zu verkaufen!“, drohte Dave und rammte ihr zusätzlich den Ellenbogen zwischen die Schulterblätter, was Trysha erneut leise nach Luft schnappen ließ.

„Jetzt reicht es aber. So geht man doch nicht mit einer Dame um!“, sagte eine tadelnde Stimme und alle Köpfe drehten sich zu Lefti, der lasziv am Anfang der Gasse mit verschränkten Armen gegen die Hauswand lehnte. Trysha merkte, wie ihre Wange sich ein wenig aufschürfte, als sie ihren Kopf drehte. Aber es war ihr egal, denn in diesem Moment fiel ihr ein riesengroßer Stein vom Herzen und sie wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, wenn sie hier nicht festgenagelt wäre.

„Lefti!“, rief Trysha erleichtert aus. „Sag dem Typen er soll mich los lassen!“

„Du kennst sie?“, fragte Dave skeptisch und gleichzeitig verwundert.

„Lass sie los“, meinte Lefti nur und grinste versöhnlich. Tatsächlich merkte Trysha, wie der Druck ein wenig nachließ. „Und ja ich kenne sie.“

„Woher?“, schnauzte Rob an Lefti gewandt.

„Hast du nicht gehört, was er gesagt hat?“, zischte Trysha Dave an. „Nimm deine Hände weg.“

„Sie ist meine Cousine“, log Lefti ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir waren hier verabredet, sie sollte vor dem Haus auf mich warten.“

„Ja klar“, meinte Dave ironisch. „Wir wissen schon, dass deine Braut ne kleine Nutte ist, also lass den Scheiß mit der Cousine.“ Lefti zuckte mit den Schultern.

„Meinetwegen“, er richtete seinen Blick auf Trysha. „Was hast du nur schon wieder angestellt?“, fragte Lefti und schnalzte mit der Zunge, „Die Jungs hier scheinen dich nicht besonders zu mögen... na ja kein Wunder bei deinem Mundwerk.“ Er steuerte auf Dave zu und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. Dann befreite er Trysha aus seinem Griff und meinte müde: „So und jetzt lass uns zu mir fahren.“ Mit diesen Worten legte er ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie sanft vor sich her. Trysha nickte, sie war müde, geschafft und es kostete sie viel Kraft aufrecht zu gehen.

Die vier Dealer tuschelten hinter ihrem Rücken miteinander. Lefti hatte ihr das perfekte Alibi gegeben, eines, das sich mit ihrer Geschichte deckte. Immerhin hatte sie behauptet noch mit einem Kunden verabredet zu sein. Was zählte da schon diese blöde Haarfarbe von irgendeiner Ashley? Dave schien das genauso zu gehen, denn keiner seiner Freunde hielt sie auf.

„Ich muss noch meinen Pullover von drin holen!“, sagte Trysha zu Lefti, aber absichtlich laut, sodass die vier es auch hörten und sie endgültig als ungefährlich abstempeln konnten.

„Na, gut. Dann aber los!“, willigte Lefti ein und Trysha begab sich zurück in das Haus um ihren Pullover wieder überzuziehen. Sie ließ sich extra ein bisschen Zeit, damit man glauben konnte, dass sie wirklich kurz in ihre Wohnung gegangen war, falls die Typen doch noch misstrauisch waren. Während sie wartete ebbte ihre Dankbarkeit ab und der Ärger auf Lefti kam wieder hoch. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass er der Held der Nation war, nur weil er doch noch gekommen war um sie zufällig zu retten! Pah! Sie zupfte ihr Oberteil noch ein wenig zurecht und trat dann wieder auf die Straße, wo Lefti ein paar Meter weiter auf sie wartete.

„Mein Motorrad steht da drüben.“ Sie folgte ihm zwar, sah sich aber nach einem U-Bahn Schild um, welches sie auch am Ende der Straße entdeckte. „Du hast dich also als Strichbiene ausgegeben?“, fragte er belustigt, als sie weit genug von der Gasse entfernt waren. Trysha zuckte nur mit den Schultern. Er sah sie prüfend von der Seite an. Sie war doch sonst nicht so wortkarg. „Die haben doch nichts mit dir angestellt, oder?“, hakte er vorsichtig nach, doch sie blickte gleich noch gereizter drein.

„Kann dir doch egal sein.“

Lefti seufzte und beließ das Thema dabei. „Ich habe dir deinen Helm mitgebracht, den du gestern am Motorrad stehen gelassen hast“, meinte er und grinste sie versöhnlich an.

„Nett von dir, aber ich fahre mit der Bahn“, sagte Trysha knapp. Er brauchte sich gar nicht einzubilden, dass er Stunden zu spät kommen konnte, um dann auf heile Welt zu machen.

„Warum das?“, er runzelte die Stirn als wäre ihm jetzt erst bewusst geworden, dass sie wegen ihm so schlecht gelaunt war. „Oh man. Du bist doch nicht immer noch wegen gestern ärgerlich, oder?“ Trysha stutze.

„Natürlich bin ich wegen gestern noch verärgert und habe auch allen Grund dazu! Aber das ist nicht das, worum es jetzt geht! Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht weißt wovon ich rede! Und wenn doch, dann denk mal scharf nach bevor du gleich was sagst!“ Lefti machte einen irritierten Eindruck und schien wirklich einen Moment nachdenken zu müssen.

„Meinst du weil ich den heutigen Auftrag abgesagt habe?“, hakte er vorsichtig nach. Trysha lachte kurz auf.

„Abgesagt? Das ist ja nicht zufassen! Das ist vielleicht nicht das richtige Wort, mein Lieber!“

„Wie meinst du das? Du solltest froh sein, dass ich doch noch gekommen bin, sonst würden die jetzt sonst was mit dir anstellen!“

„Wie ich das meine? Du hast mich stehen gelassen ohne ein Wort zu sagen! Ich habe eine geschlagene Stunde vor der Zentrale gestanden, bis ich beschlossen habe mit der U-Bahn zu fahren, weil du nicht fähig bist pünktlich zu sein! Und dann soll ich deiner Meinung nach auch noch froh sein?! Kannst du nicht wenigstens vorher Bescheid sagen, wenn dir was dazwischen kommt!?“, stellte ihn Trysha zur Rede. Lefti schien geradezu überrumpelt, bis er langsam zu verstehen begann, was sie meinte.

„Du willst mir sagen, du hast nicht gewusst, dass ich heute nicht kommen konnte?“

„Woher denn auch?“, rief Trysha aus. Das schien Lefti als Antwort zu reichen und er drückte ihr ihren Helm in die Hand, danach stülpte er sich seinen über den Kopf.

„Aufsetzten!“, befahl er und schwang sich auf seine Maschine. Als sie zögerte klappte er sein Visier hoch und fixierte sie warnend. „Mach schon!“

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?!“, fragte sie ungläubig.

„Trysha, ich meine es ernst! Keine Widerrede!“, mahnte er in das Futter seines Helms hinein. Seufzend tat Trysha, was er sagte und nahm hinter ihm Platz. Irgendwann auf dem Weg merkte sie, dass er ihr zu Hause ansteuerte.
 

Gegenüber von ihrem Wohnblock parkte Lefti sein Motorrad auf dem Bürgersteig.

Trysha sprang ab und machte sich ohne eine Verabschiedung auf den Weg. Hätte er sich nicht wenigstens entschuldigen oder rechtfertigen können? Stattdessen würgte er sie mitten im Gespräch ab und nötigte sie dazu bei ihm mitzufahren!

Sie erwartete, dass er den Motor wieder anschmiss und davon brauste, doch stattdessen ging dieser aus und sie hörte hinter sich Schritte. Sie beschleunigte ihre eigenen, stieß die Tür zum Hochhaus auf und ging schnurstracks zum Fahrstuhl.

„Mist!“, fluchte sie, weil die Türen nicht gleich öffneten als sie den Knopf drückte. Die Kabine musste irgendwo in den oberen Stockwerken sein. Lefti stellte sich genau neben sie und wartete ab. Nach ein paar Sekunden kam sich Trysha lächerlich vor.

„Was willst du?!“, fragte sie ohne ihn anzugucken.

„Reden.“

„Es gibt nichts zu reden!“, war die Antwort, in dem Moment kam der Fahrstuhl an und sie sprang erleichtert hinein. Trysha bediente den Knopf ihres Stockwerks, der anfing rot zu leuchten. Sie brauchte gar nicht nachzuschauen ob Lefti ihr gefolgt war. Denn erstens würde er sich nicht einfach geschlagen geben und zweitens spürte sie es an der Spannung, die ihr gefolgt war. Sie drehte sich entschlossen um. „Also worüber willst du reden!? Darüber, dass du heute nicht gekommen bist?“

„Zum Beispiel.“

Der Fahrstuhl schloss die Türen und fuhr los.

„Ach weißt du was? Es ist mir egal!! Okay? Ich will es gar nicht mehr wissen!“

„Schön! Denn den Grund hätte ich dir sowieso nicht gesagt! Nur, dass ich verpennt habe es dir persönlich zu sagen, mich aber gestern bei Reilly abgemeldet habe und ihn gebeten habe es dir zu erzählen.“ Trysha wusste im ersten Moment nicht was sie darauf erwidern sollte und schaute ihn nur wütend an.

„Hast du allen Ernstes geglaubt, das mein Vater mir das sagt? Du kennst ihn doch!“

„Nein ich kenne ihn nicht! Ich weiß nur, dass ihr irgendein Problem miteinander habt, wo ich immer mit rein gezogen werde!“

Trysha schwieg erneut. Er hatte Recht. Es war nicht gerecht Lefti für die Fehler ihres Vaters verantwortlich zu machen. „Na gut. Es war nicht deine Schuld. Ich werde morgen mit ihm darüber reden. So, hätten wir das geklärt und du kannst gehen.“

„Falsch, ich rede mit ihm und verschwinden werde ich jetzt auch nicht. Weil ich nämlich auch noch eine Frage an dich habe.“

„Und welche?“

„Na zum Beispiel was gestern los war?“

„Gestern?“, Trysha überlegte. Sie wusste zwar genau was er meinte, nämlich dass sie peinlicherweise vor ihm zu heulen angefangen hatte, aber mit ihm darüber reden wollte sie auf keinen Fall.

„Ja, gestern. Was war los mit dir?“

„Wovon redest du?“

„Du weißt genau was ich meine...“, er warf ihr einen abschätzenden Blick zu, so als wüsste er nicht genau, was sie bezwecken wollte.

„Nein, weiß ich nicht.“ Trysha verschränkte die Arme. „Erklär's mir.“ Sie musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie merkte, dass sie ihn damit aus dem Konzept brachte. Man merkte es ihm zwar nicht offensichtlich an, aber wenn man ihn etwas kannte, dann wusste man, dass es untypisch für ihn war nervös mit den Fingern zu trommeln und ihrem direkten Blick auszuweichen.

Endlich wieder auf gewohntem Territorium!, dachte sie, entspannte sich wieder und nahm Haltung an.

„Tja...“, er verlagerte sein Gewicht, „also... ich weiß nicht ob du drüber reden willst, aber... gestern Abend, nachdem... ich meine... ich hab... vielleicht hab ich ja – ach egal! Vergessen wir das! Wo ist das Mädchen?“, wechselte er schnell das Thema.

„Sag ich dir nicht!“

„Oh, doch das wirst du!“, er fixierte sie nachdrücklich.

„Nein, das kannst du vergessen! Meinst du ich bin so blöd und weiß nicht was du dann mit ihr machen würdest?“

„Ich habe Zeit. Zur Not begleite ich dich in deine Wohnung und warte bis du mir verrätst wo die Göre ist“, drohte er ihr beherrscht.

Wenn der wüsste, dass er ihre Wohnung nur betreten müsste um heraus zu bekommen wo sich Rebecca befand, dachte Trysha und in dem Moment kapierte sie auch, dass sie mächtig in der Patsche saß. Wenn sie ihm nicht verriet wo Rebecca war, würde er ihr in die Wohnung folgen und sie selbst finden. Aber wenn sie es ihm verriet, dann würde er ihr erst Recht folgen und womöglich nachholen, was er gestern Abend versäumt hatte. Ihr Augen weiteten sich vor Panik und ihre Gedanken rasten. Wie konnte sie bloß verhindern, dass er Rebecca fand? Sie brauchte mehr Zeit zum Nachdenken, aber die hatte sie nicht, weil der Fahrstuhl gleich in ihrem Stockwerk ankommen würde!! Schnell hechtete sie zu dem Schaltbrett des Fahrstuhls und drückte den Stopp-Kopf, sodass der Fahrstuhl ruckelnd anhielt. Im gleichen Moment fragte sie sich, was sie da eigentlich tat.

„Was machst du??!“, fuhr er sie an. „Wieso hältst du den Fahrstuhl an? Bist du verrückt?!“, er schob sie von dem Schaltbrett weg und drückte wild auf den Knöpfen herum. „Gibt es hier denn keinen Weiter-Kopf?!“, rief er verzweifelt. „Was bedeuten denn diese merkwürdigen Symbole??“ Er wirbelte zu ihr herum. „Du bist wirklich... die dümmste...“, er fasste sich an den Kopf, so als würde er ihm weh tun und kniff die Augen zusammen, „dumme Kuh die ich kenne!!“

„W- was?!“, fragte sie völlig entgeistert und starrte ihn an. „Ich bin-? Oh! Weißt du was du bist??! Du bist der nervigste, unzuverlässigste, unfreundlichste und egoistischste Trottel den ich kenne!“

„Na super! Ich merke schon, wir werden uns blendend amüsieren während wir hier festsitzen!“

„Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Wer musste denn unbedingt ungeladen mitkommen?“

„Glaub mir, wenn ich das geahnt hätte wäre ich gleich zu Hause geblieben! Dann hättest du selbst mit den Typen zurecht kommen können!“ Sie wollte gerade wieder dagegenreden als er ihr zuvor kam: „Aber das wäre für dich natürlich kein Problem gewesen, ich weiß. Du brauchst meine Hilfe ja nicht, geschweige denn die von irgendwem anderes, schon klar.“ Er winkte mit der Hand ab und lehnte sich gegen die teilweise ziemlich demolierte Fahrstuhlwand. Trysha schwieg ebenfalls, weil sie mit der Streiterei sowieso nicht weiter kommen würden.

„Ich weiß wie man hier wieder raus kommt“, meinte sie und verschränkte die Arme.

„Ach und ich wette du wirst es mir nicht einfach so verraten.“

„Richtig.“ Trysha nickte. „Nicht bevor du versprichst, dass du nicht weiter nach dem Mädchen fragst.“ Lefti betrachtete sie prüfend und schien zu grübeln.

„Also gut. Aber nur, wenn du dir absolut sicher bist, dass sie nicht redet und mir meine Frage von eben beantwortest!“

„Macht sie nicht!“, versicherte Trysha ihm und hegte gleichzeitig gewisse Zweifel, ob sie das wirklich gewährleisten konnte. „Und ich weiß immer noch nicht was du mit 'was war los?' meintest, also wenn ich dir irgendwas beantworten soll, dann musst du es schon verständlich formulieren!“, bemerkte sie spitz. So leicht würde sie es ihm nicht machen.

Lefti nickte. Das war schwer. Er machte sowas nicht oft. Oder eigentlich nie, wenn er genau darüber nachdachte. Einfühlsam sein. Aber wenn er ihr die Frage ins Gesicht brüllen würde, was für ihn viel einfacher wäre, dann stünden die Chancen auf eine ordentliche Antwort gleich Null. Also holte er tief Luft: „Ähm gestern. Ich habe nichts Schlimmes geahnt. Oder zumindest nicht gedacht, dass es so schlimm ist... äh wäre... für dich meine ich. Immerhin wollte ich nur... also sie war eben ein Zeuge! Aber du...“, er warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu, doch sie hörte ihm nur gespannt zu. Er hätte mit einem blöden Grinsen gerechnet, oder, dass sie uninteressiert tun würde, aber stattdessen hing sie förmlich an seinen Lippen. Sie war... er glaubte, dass sie irgendwie fasziniert war. Schluss! Er musste sich darauf konzentrieren nicht so herum zu stottern! Am besten kurze und knappe Sätze, dann verhaspelte er sich nicht so leicht. „Für dich war es... anders. Ich meine, als ich in den Laden zurückgekommen bin... da...“, er brach ab. Er konnte einfach nicht. „Scheiße“, rutschte es ihm heraus und er knirschte mit den Zähnen.

„Da...?“, fragte Trysha wie von selbst um ihn zum Weiterreden zu animieren. Es folgte eine längere Pause, in der Lefti mit sich rang und nach den passenden Worten suchte.

„Da warst du so... traurig. Warum?“, flüsterte er schließlich leicht verlegen und sie lächelte. Trysha machte einen Schritt auf ihn zu, sodass ihre Hand auf dem Schaltbrett entlang tasten und einen Knopf drücken konnte. Er sah sie fragend an.

„Der Hausmeister-Knopf“, erklärte sie.

„Sicher, der Hausmeister-Knopf“, er schlug sich grinsend vor den Kopf. „Bist du dir auch sicher, dass der kommt?“

„Ganz sicher“, sie nickte. „Du kennst Newt wohl nicht.“

Er schüttelte den Kopf und musterte sie eine Zeit lang mit seinen dunklen Augen.

Und da war sie wieder, diese prickelnde Spannung. Keiner von beiden sagte ein Wort und sie standen sich einfach nur schweigend gegenüber. Sein Blick wanderte über ihren Körper und blieb dann an ihrer aufgeschürften Wange hängen. Zögernd hob er seine Hand und berührte ganz sacht ihre Kratzer mit dem Daumenballen. Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde gewesen, aber Trysha bekam trotzdem eine leichte Gänsehaut.

„Du solltest wirklich vorsichtiger sein. Das hätte heute böse ausgehen können...“, murmelte er in einem weichen Südstaatenaktzent, den sie vorher noch nie bei ihm gehört hatte. Es kam ihr vor, als würde er die Worte wie ein Kaugummi genüsslich auseinander ziehen. Er ließ seine Hand wieder sinken und seine Augen fanden die ihren. „Also gut Schätzchen. Ich hab meinen Text aufgesagt. Jetzt bist du dran.“

Das holte Trysha wieder in die Realität zurück. Sie hatte gemerkt, dass es aus irgendeinem Grund schwierig für ihn gewesen war diese simple Frage zu formulieren. Deswegen musste sie ihm auch antworten. Aber was? Doch nicht etwa die Wahrheit? Sie wollte es ihm nicht verraten, aber andererseits, was hatte sie schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall war es ihm einfach egal und im besten Fall würde er sie vielleicht besser verstehen und ihre Entscheidung das Mädchen zu schützen akzeptieren. Sein warmer Atem streifte ihre Haare. Sollte sie es also wagen sich ihm anzuvertrauen? Unsicher blickte sie zu ihm auf. Er wartete geduldig auf ihre Antwort, er schien zu begreifen, dass es für sie ebenfalls nicht einfach war ihre Gefühle preis zu geben.

„Das Mädchen in dem Laden, sie ist...“, Trysha schluckte, los sag's ihm! „Sie ist die Tochter meiner Schwester.“ Jetzt war es raus und sie wartete regungslos auf seine nächste Reaktion.

„Das Mädchen soll die Tochter deiner Schwester gewesen sein?“, fragte er vorsichtshalber nochmal nach.

„Ja, ich hab sie erst nicht erkannt, weil sie gefärbte Haare hatte.“

„Sie ist also deine Nichte?“, folgerte Lefti.

„Nenne es wie du willst. Ich sag nur wie es ist!“ Trysha wartete immer noch auf die entscheidende Reaktion.

„Du willst mir erzählen, dass das deine Nichte war und du sie am Anfang nicht erkannt hast wegen ihrer Haare?“ Er sah sie ungläubig an und Trysha nickte langsam. „Und sie hat dich auch nicht erkannt?“ Wieder ein Nicken. „Und sie ist ganz zufällig genau zu dem Zeitpunkt in den Laden gekommen, als wir auch dort waren?“

„Ja. Sie heißt Rebecca“, ergänzte Trysha. Er schwieg eine Weile, doch dann begann er zu grinsen.

„Ist klar. Meinst du ich merke nicht, wenn du mich verarschst?“, er begann leise zu lachen. „Aber trotzdem, prima Geschichte. Ich hätte wissen müssen, dass ich nichts aus dir heraus bekomme, egal wie vernünftig ich nachfrage.“

„Warte mal...“, sie musste Luft holen, weil sie sie zuvor angehalten hatte, „soll das heißen, du glaubst mir nicht?“

„Ja“, antwortete er seine Enttäuschung verbergend. Trysha merkte, wie sich ihr Magen zusammen krampfte. „Ist schon egal. Ich hab versucht normal mit dir darüber zu reden, aber wenn du absolut nicht willst, kann ich auch nichts machen.“

Ihr klappte der Kiefer herunter. Sie hatte ihr Innerstes nach außen gekehrt und er glaubte ihr nicht? Er hatte es wirklich geschafft den schlimmsten Fall noch zu übertrumpfen! Es war ihm nicht nur egal, nein, er glaubte ihr noch nicht einmal!! Sie hätte es ihm nie anvertrauen sollen, das war ein Fehler gewesen! „Du glaubst mir wirklich nicht?“

„Trysha, lass gut sein.“ In diesem Moment setzte sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung. „Mh. Dieser Newt hat es tatsächlich geschafft“, bemerkte er und Trysha nickte bloß. Ihr steckte ein riesiger Kloß im Hals und sie fühlte sich auf einmal unfähig dazu ihm die Meinung zu sagen. Wenn sie erst anfangen musste wieder mit ihm zu streiten um ihm verständlich zu machen, dass sie die Wahrheit sagte, dann war es das nicht Wert. Sie kniff ihre Lippen aufeinander und wartete bis die Fahrstuhltüren sich endlich im richtigen Stock öffneten. Dann flüsterte sie bedrückt, ohne ihn dabei anzuschauen: „Danke für dein Vertrauen...“ Sie verließ die kleine Kabine bevor er ihr antworten konnte.
 

Lefti blieb im Aufzug zurück. Was war das denn jetzt gewesen? Normalerweise hätte sie sich doch lautstark verteidigt, auch wenn sie im Unrecht war mit ihrer Notlüge. Denn ihre Geschichte klang eher unlogisch als schlüssig. Wieso hätte ihre angebliche Nichte sie denn auch nicht erkennen sollen? Das bedeutete doch offensichtlich, dass sie Trysha überhaupt nicht kannte. Aber wenn er genauer darüber nachdachte, dann passte ihre Erklärung zu ihrem Verhalten. Dass sie plötzlich, als sie ihre Nichte erkannt hatte, so aufgewühlt und gegen sein Vorhaben gewesen war. Er schüttelte den Kopf und fuhr zurück ins Erdgeschoss. Er wurde aus Trysha einfach nicht schlau. Und das war nicht nur auf ihre Geschichte bezogen, sondern auch auf sie selbst! Auf der einen Seite war sie rechthaberisch und stahlhart, doch da war noch eine andere Seite in ihr, die sie vor anderen um jeden Preis verbarg. Auch vor ihm. Er wusste, dass das bescheuert war, aber er wurde langsam neugierig und fragte sich seit gestern wie diese Seite von ihr wohl im Detail aussah. Wer die echte Trysha war. Die Trysha, die gestern vor Verzweiflung geweint hatte und die sich protestlos von ihm über die Wange streicheln ließ. Die Trysha, die eben, als er ihr nicht glaubte, so verdammt enttäuscht ausgesehen hatte, sodass er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.

Fast so, als hätte er sie mit seinem Unglauben tief getroffen. Lag das daran, dass sie doch die Wahrheit gesagt hatte? Er wusste es einfach nicht zu hundert Prozent. Aber, verflucht nochmal, wenn er auf seine nicht vorhandene weibliche Intuition hören könnte, dann hatte Trysha ihm vielleicht doch keine Lüge aufgetischt!
 

***
 

So, die 8 Episode hätten wir auch!! =P
 

~Fahrstuhlflirt oder was?~
 

Lefti steigt in den Aufzug. Drinnen steht Trysha: Lange dunkle Haare, endlose Beine, Minirock, knappes Top.

Plötzlich reißt sie sich das Oberteil vom Leib und ruft: "Mach, dass ich mich endlich wie eine richtige Frau fühle!"

Lefti schaut erst ein wenig verdatter drein. Dann grinst er, zieht sein Hemd aus, schmeißt es vor sie auf den Boden und ruft: "BÜGEL DAS!!!!"

Episode 9: Vermisst

Vermisst
 

Am nächsten Tag erwachte Trysha erst gegen Mittag, weil sie den Abend zuvor nicht hatte einschlafen können. Ihre Gedanken waren die ganze Zeit nur um die Szene mit Lefti im Fahrstuhl gekreist. Verärgert schlug sie ihre Decke zurück und setzte sich auf. Sie dachte ja schon wieder daran!

Sie erhob sich von ihrem Sofa, auf dem sie seit Rebecca bei ihr wohnte, schlief und streckte sich genüsslich. Sie ging ins Bad um sich kurz frisch zu machen. Als sie ihr Spiegelbild betrachtete hätte sie beinahe einen Schrecken bekommen, so unausgeschlafen sah sie aus. Schnell fuhr sich durch die Haare und zog sich einen gemütlichen Jogginganzug an. Dann ging sie in die Küche um den Frühstückstisch zu decken. Rebecca war eine waschechte Langschläferin, soviel hatte Trysha wenigstens schon raus bekommen. Geistesabwesend fütterte sie Sparky, der ihr bettelnd um die Beine strich. Ungewollt schweiften ihre Gedanken wieder zu dem gestrigen Abend und sie fragte sich was das alles zu bedeuten hatte. Sie war sauer, dass Lefti nicht zu ihrem Auftrag gekommen war. Wenn er etwas so wichtiges zu erledigen hatte, wieso konnte er ihr das vorher nicht sagen? Okay, er hatte es angeblich vergessen und stattdessen ihrem Vater gesagt, aber wenn er eins und eins zusammenzählen konnte, dann hätte er wissen müssen, dass die Nachricht sie nicht erreichte! Auch wenn sie wusste, dass es eigentlich die Schuld ihres Vaters gewesen war, projizierte sie ihren Ärger auf Lefti. Er hätte es einfach wissen müssen! Er redete doch die ganze Zeit davon, dass sie ein Team waren, dann sollte er sich gefälligst auch an die Regeln halten!

Sie knallte geräuschvoll die Butterdose auf den Tisch, sodass Sparky sie erschrocken ansah.

„’Tschuldigung...“, murmelte sie und versuchte sich wieder zu fassen. Sie nahm die ganze Sache einfach zu ernst! Und schuld daran war allein Lefti! Wieso benahm er sich auch einmal wie ein Arschloch, aber dann wieder wie... sie konnte es nicht beschreiben. Manchmal, wenn ein Streit zwischen ihnen wieder zu eskalieren drohte, dann änderte sich abrupt seine Stimmung und er ergab sich einfach. Das wäre ja eigentlich kein Problem, aber gleichzeitig zwang er sie ebenfalls dazu ihre Waffen fallen zu lassen. Was er damit bezwecken wollte war ihr nicht ganz klar, aber sie glaubte, dass er einfach keine Lust auf diese ewigen Streitereien hatte. Er war plötzlich nett, einfühlsam und begann zweideutige Dinge zu sagen. Als er versucht hatte diese simple Frage zu formulieren, hatte er sich dermaßen schwer getan, dass sie gar nicht gewusste hatte was eigentlich los war. Das einzige woran sie gedacht hatte, war wie süß er sich doch selbst im Weg stand... Zudem war ihr wiedermal aufgefallen, wie unverschämt gut er eigentlich aussah und dann war er auch noch in diesen Südstaatenakzent verfallen, der Trysha nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie musste unvermittelt an heiße, schwüle Nächte denken, die er mit einer Unbekannten irgendwo in einem alten Heuschober verbrachte. Wie er ihr mit diesem gedehnten Akzent unanständige Sachen zuflüsterte während sie sich unter ihm rekelte.

Wenn er aber so mit ihr redete, dann machte es sie irgendwie schwach und das wiederum machte sie verletzlich. Dies hatte sie gestern schmerzhaft spüren müssen, als sie ihm die Wahrheit über Rebecca offenbart und er es ihr nicht einmal geglaubt hatte. Er war seit langem der erste Mensch der ihren Schutzwall ab und an bröckeln ließ, aber damit war jetzt Schluss! Sie musste ihm gegenüber vorsichtiger sein! Nur weil er verdammt gut aussah und von der einen zur anderen Minute anders sprach oder sensibel zu sein versuchte, war er immer noch derselbe gefühllose Klotz! Keine spannungsgeladenen Szenen in irgendwelchen abgelegenen Gassen oder Fahrstühlen mehr! Sie musste aufhören in alle seine Gesten irgendetwas hinein zu interpretieren was nicht da war.

Sie rückte gerade den Brotkorb zurecht und legte zwei Messer neben die Teller, als Rebecca durch die Tür geschlurft kam. Ohne ein Wort ließ sie sich auf einen Stuhl plumpsen und starrte mit schlaftrunkenen Augen das Essen an.

„Guten Morgen!“, sagte Trysha in ihrer best möglichsten Laune und lächelte. Rebecca brummte nur irgendwas Unverständliches und griff nach einer Scheibe Brot. Trysha seufzte und setzte sich ebenfalls. Sie überlegte wie sie am besten ein Gespräch anfangen konnte.

„Wie geht es dir heute?“, fragte sie und schnitt ein Brötchen auseinander. Rebecca warf ihr einen missbilligenden Blick zu und zuckte nur mit den Schultern. Sparky, der mittlerweile seinen Fressnapf leer gefuttert hatte strich Trysha um die Beine und bettelte schon wieder. Als er aber merkte, dass er bei Trysha keinen Erfolg haben würde versuchte er sein Glück bei Rebecca. Die musterte ihn kurz und schob ihn verärgert mit dem Fuß beiseite.

„Ich kann diesen fetten Kater nicht leiden...“, murmelte sie anklagend.

Trysha seufzte. Sie wusste einfach nicht wie sie an Rebecca heran kommen sollte, geschweigedenn wie sie die ganze Sache angehen sollte. Sie musste versuchen Rebecca auf ihre Seite zu ziehen und ihr klar machen, dass Reilly ein mieser Erpresser war. Dann würde Rebecca ihr vielleicht verraten wo sie wohnte...

Irgendwann würde sie sowieso damit heraus rücken, aber heute war erst ihr zweiter Tag in 'Gefangenschaft' und Trysha wollte nicht mehr so lange warten. Außerdem wollte sie nicht, dass Rebecca sie hasste und ihr nur ihren Wohnort verriet, damit sie endlich von hier weg kam. Doch momentan wusste sie ja noch nicht einmal, dass sie mit Trysha verwandt war. Das war das erste worüber sich Trysha Gedanken mach musste: Wie konnte sie Rebecca beweisen, dass sie die Schwester von Sheyla war?

Wenn sie nur die äußere Ähnlichkeit vorzuweisen hatte, dann würde das Mädchen ihr wahrscheinlich nicht glauben. Ihre einzige erreichbare Verbindung war Reilly. Er war Rebeccas Großvater und sie kannte ihn durch Besuche. Also musste sie sich überlegen, wie sie Rebecca beweisen konnte, dass sie selbst die Tochter von Reilly war. Ein wasserdichter Plan musste her!

Trysha war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie Rebecca aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen war. Kurz darauf hörte sie auch schon den Fernseher vor sich hin brabbeln. Entmutigt biss Trysha von ihrem Käsebrötchen ab.
 

Im Nebenzimmer klopfte Rebecca leise neben sich auf das Sofa. Sie zog ein wenig Luft durch die Zähne, sodass ein leises Zirpen zu hören war. Endlich sprang Sparky neben ihr auf die Couch und Rebecca streichelte ihn belohnend. Dann zog sie ein Stück Schinken aus ihrer Tasche, das sie eben vom Tisch mitgeschmuggelt hatte und fütterte ihn damit. Sie kraulte ihn hinter den Ohren und lächelte.

Der Kater war ihr einziger Verbündeter. Sie mochte es, wenn er schnurrte, das erinnerte sie an ihre eigene Katze zu Hause. Sehnsüchtig dachte sie an ihre Eltern, sie machten sich wahrscheinlich große Sorgen. Doch wie konnte sie zurück gelangen, wenn diese Trysha sie hier einsperrte? Die hatte zwar gemeint, dass sie Rebecca nach Hause bringen würde, wenn sie ihr verriet wo sie wohnte, doch Rebecca glaubte ihr nicht.

Dann könnte sie mich auch gleich laufen lassen, dachte sie bei sich und schaltete das Programm um. Sie hatte die Befürchtung, dass Trysha und vielleicht auch ihr krimineller Freund ihren Eltern etwas antun wollten, damit niemals heraus kam, dass sie die beiden Verkäufer in dem Laden umgebracht hatten. Sie würden ihnen drohen oder sonst was verlangen. Rebecca wusste es nicht genau, aber sie konnte es sich nicht anders erklären. Immerhin hatte sie so etwas schon oft in Filmen gesehen, die ihr Vater manchmal abends schaute. Weshalb sollte diese Trysha sie sonst gefangen halten? Sie hörte wie sich nebenan die Kühlschranktür schloss und schnell schubste sie Sparky vom Sofa herunter.
 

Trysha warf noch eine leere Plastikhülle in den Müll und wandte sich dann zum Wohnzimmer. Im Türrahmen blieb sie stehen und musterte Rebecca, die stur auf den Fernseher glotzte. Sparky saß am Boden und putzte sich beleidigt das Fell.

„Ich bin mal kurz unterwegs. In einer Stunde oder so bin ich wieder zurück“, verkündete Trysha, durchquerte das Wohnzimmer und zog sich eine Jacke über. Dann verließ sie die Wohnung und schloss von außen ab. Da sie bei Rebecca momentan nicht weiter kam würde sie erstmal zur Zentrale gehen und die Infos von ihrem Auftrag gestern berichten. Vielleicht hatte sie sogar zur Abwechslung mal Glück und Lefti war bis jetzt noch nicht dort gewesen, sodass sie den nächsten Auftrag mehr oder weniger bestimmen konnte.
 

„Vorgestern wurde Chicago erneut durch ein grauenvolles Verbrechen erschüttert. In der Nacht wurden ein Kleinladenbesitzer und sein Assistent kaltblütig ermordet. Die beiden Leichen hatten jeweils eine Schusswunde. Die Tatwaffe wurde bereits anhand der Kugeln identifiziert. Doch der Täter und das Motiv bleiben weiterhin unbekannt. Die Polizei ist mit vollem Einsatz an dem Fall dran. Augenzeugen gibt es unter den Anwohnern in unmittelbarer Nähe nicht“, las Reilly leise vor sich hin und runzelte die Stirn über dem Zeitungsartikel. Er saß an seinem Schreibtisch in der Zentrale. „Irgendwas stimmt da doch nicht...“ Erneut überflog er die Zeilen und dann zuckte er merklich zusammen. Wütend knallte er die Zeitung auf den Tisch und griff nach seinem Telefon. Dann wühlte er in seinen Unterlagen herum bis er die Nummer fand, die er suchte. Er tippte sie fluchend ein und hielt sich sein kabelloses Telefon an die Ohrmuschel.

„Craig? Hier ist Reilly! ... Und ob es ein Problem gibt, hast du heute schon mal in die Zeitung geschaut?! ... Nicht? Dann solltest du das vielleicht mal tun!“, zischte er aufgebracht. Er fuhr mit dem Finger über das Papier und zitierte: „Bla, bla, wurden ein Kleinladenbesitzer und sein Assistent kaltblütig ermordet. Die beiden Leichen hatten jeweils eine Schusswunde und so weiter! Fällt dir daran was auf?“ Er blickte auffordernd durch den Raum ließ dem am anderen Ende der Leitung jedoch keine Gelegenheit um zu antworten.

„Sollten es nicht eigentlich drei Leichen sein?! Und hattest du mir nicht versichert, dass es auch drei Leichen sind?!!“, schrie er jetzt. Dann lauschte er ein paar Sekunden. „Was heißt hier gehört?!!“, brüllte Reilly wütend, „Willst du mir weiß machen, dass du es eigentlich gar nicht weißt?! Nur weil du zu blöd oder zu faul bist um nachzugucken?!“ Er stutzte kurz, weil er unterbrochen wurde.

„Ach Papperlapapp!! Was nützen mir drei Schüsse?!! Ich will drei Leichen!!“, donnerte er, „Schluss jetzt mit den Ausreden, das macht die Sache auch nicht besser! Du hast es vergeigt und zwar komplett!!“ Wieder entstand eine kurze Pause. „Jetzt komm mir bloß nicht so! Das Mädchen scheint noch zu leben und das ist ganz allein dein Verdienst... Nein, du hättest dafür sorgen müssen, dass alles glatt läuft, auch wenn es nicht dein Auftrag war, Idiot!!“, zornig knallte Reilly das Telefon wieder in die Station. Er fuhr sich besorgt durch die Haare und überlegte. Sein Handy bimmelte und er zog es aus seiner Tasche und ging geistesabwesend dran.

„Ja?“, fragte er genervt.

„Hey, Daddy!“ Bei der Stimme am anderen Ende saß er sofort aufrecht und hätte beinahe laut geflucht.

„Sheyla...? Was ist los?“, fragte er jetzt freundlicher.

„Ach, ich wollte nur fragen, wann ich Becca heute abholen soll. Wir hatten doch abgemacht, dass sie nur zwei Tage bleibt, weil sie heute einen Zahnarzttermin hat.“

„Ach ja. Ja... ähm“, er war nicht darauf vorbereitet gewesen so schnell mit der neuen Situation umgehen zu müssen. Er musste sich schnell etwas glaubhaftes einfallen lassen. Er konnte ihr ja schließlich nicht die Wahrheit verklickern: Ich wollte mein Enkelkind eigentlich von Lefti, einem meiner Angestellten, umbringen lassen. Natürlich im Beisein von Trysha, die übrigens deine Schwester ist, von der du nur nichts weißt. Warum? Ach, ich wollte, dass Trysha ein bisschen leidet, nimm's nicht persönlich. Na ja mein Vorhaben ist allerdings fehlgeschlagen und jetzt ist deine Tochter verschwunden!

„Paps?“

„Oh! 'Tschuldige!“, rief er aus, als sie ihn aus seinen Gedanken riss. „Ich war gerade abgelenkt. Also, ich habe schlechte Neuigkeiten für dich, aber reg dich bitte nicht auf. Eigentlich hatte ich gehofft, dir das gar nicht erzählen zu müssen, weil ich dachte sie kommt vielleicht noch vorzeitig zurück... Aber Becca ist gestern Morgen weggelaufen und noch nicht wieder aufgetaucht...“, erklärte er lahm und hoffte sie würde ihm glauben.

„Was?! Weggelaufen? Du veräppelst mich doch!“, meinte Sheyla misstrauisch.

„Nein, ich sage die Wahrheit!“

„Das ist nicht lustig Papa!“, erwiderte Sheyla gereizt.

„Ist es auch nicht! Also glaub mir doch endlich!“ Er bekam ein paar Sekunden lang keine Antwort, doch dann fragte Sheyla: „Du meinst es ernst; oder?“

Reilly verdrehte die Augen. „Ja doch!“

„Aber warum?!“, japste Sheyla entsetzt und Reilly befürchtete, dass sie gleich hysterisch werden würde.

„Ich weiß nicht warum. Ich bin mit ihr kurz zum Bäcker gegangen... sie wollte draußen auf dem Spielplatz auf mich warten, während ich drin anstand. Doch als ich wieder raus kam war sie verschwunden...“ Reilly kaute sich nervös auf der Unterlippe herum und zog die Augenbrauen zusammen.

„Was hast du denn unternommen? Hast du sie gesucht? Ich kann das gar nicht glauben!! Becca ist noch nie einfach so weggelaufen... W- was ist wenn sie entführt wurde?!! Es gibt so viele Perverse!! Oh mein Gott, was sollen wir denn jetzt machen!?“, plapperte sie völlig verwirrt ins Telefon.

„Bis jetzt habe ich noch nichts unternommen, weil ich gehofft hatte, dass sie von alleine wieder auftaucht...“

„Was!!? Sie ist seit gestern morgen verschwunden und du hast noch nichts unternommen??! Hast du wenigstens die Polizei verständigt?“, keifte Sheyla ins Telefon und Reilly verstand wie dumm diese Aussage von ihm gewesen war.

„Ähm doch. Die Polizei ist schon informiert...“, log er schnell und kritzelte nebenbei mit seinem Kugelschreiber auf seiner Schreibtischunterlage herum, „Aber vor 24 Stunden unternehmen die sowieso nichts.“

„Hättest du uns nicht Bescheid sagen können? Was hast du dir dabei gedacht, das vor uns geheim zu halten?!“

„Ach Schätzchen“, begann Reilly versöhnlich, „ ich wollte doch nur nicht, dass ihre euch unnötige Sorgen macht, außerdem-“

„Unnötige Sorgen?! Ich glaube ich höre nicht richtig! Ich kann nicht fassen, dass du dich nicht gemeldet hast! Ich- ach ist jetzt auch egal, wir müssen Rebecca finden! Wir kommen sofort nach Chicago! Also sei in einer Stunde zu Hause oder du kannst dein blaues Wunder erleben, Vater!“ Reilly wusste, dass es ihr ernst war. Das lag wohl in der Familie, wenn eine Drohung ausgesprochen wurde, dann war diese auch ernst zu nehmen.

„Ja, ja ist schon in Ordnung“, murmelte er und sie legte auf. Reilly seufzte kurz und schüttelte den Kopf. Heute war echt ein scheiß Tag! Dann besann er sich und wählte die Nummer von dem Polizei-Departement in Chicago. Dort gab er eine Vermisstenanzeige auf, indem er den Polizisten die gleiche Geschichte erzählte wie vorher Sheyla. Zwar würden sie dann in einer völlig anderen Gegend anfangen nach dem Mädchen oder dem Entführer zu suchen, aber das konnte ihm nur recht sein. Denn wenn sie das Mädchen fanden und sie befragten, dann würde man den Mord von den zwei Männern höchstwahrscheinlich irgendwie mit ihm in Verbindung bringen können. Zumindest würde die Bullerei misstrauisch werden, weil er ihnen eine falsche Geschichte aufgetischt hatte. Womöglich würde sogar seine gesamte Organisation aufgedeckt werden! Nein, es war besser wenn Rebecca für immer verschwand...

Die Tür der Zentrale schwang auf und Trysha kam herein spaziert. Der Tag wird ja immer besser, dachte Reilly sarkastisch.
 

„Tachchen Trysha!“, begrüßte Reilly sie mit einem leicht ironischen Unterton.

„Tag Chef!“, sagte sie betont geschäftlich und setzte sich auf eine Ecke seines Schreibtisches. „Ich möchte über den gestrigen Auftrag Bericht erstatten.“ Ihr Vater musterte sie nachdenklich und nickte. „Also ich habe alle vier Vornamen in Erfahrung gebracht, aber die gibt es erst nach Bezahlung.“ Sie grinste und streckte ihre Hand aus. Reilly musterte diese und ließ sich danach viel Zeit um den gewünschten Umschlag aus einer Schublade heraus zu kramen. Er drückte ihn Trysha in die Hand und zog eine Braue hoch.

„Ich glaube du hast den zweiten Umschlag vergessen...“, merkte sie gespielt nachsichtig an.

„Nein, der wäre für Keaton gewesen, aber da der, wie wir beide wissen, nicht anwesend war, verfällt sein Anrecht darauf“, Reilly grinste schadenfroh, er glaubte wohl, dass sie noch nicht wusste, dass er ihr diese Information vorenthalten hatte. Aber da sie von Lefti schon darauf hingewiesen wurde, konnte sie jetzt ganz ruhig bleiben.

„Egal ich will ihn trotzdem haben, weil ich den Auftrag alleine gemacht habe und deshalb mit niemandem teilen muss!“, beharrte Trysha und lächelte kurz. Zwar war Lefti ihr in letzter Sekunde noch zur Hilfe gekommen und hatte sie sozusagen gerettet, aber das musste Reilly ja nicht wissen. Dieser zögerte. „Den zweiten Umschlag oder ich vergesse die Namen auf der Stelle!“, zischte Trysha und wusste, dass sie gewonnen hatte, denn Reilly war rot angelaufen und kochte vor Wut. Endlich holte er den zweiten Umschlag heraus und knallte ihn auf den Tisch.

„Rob, Dave, Allen und Gerry. Schreibs dir auf, wenn du es dir nicht merken kannst“, stichelte sie.

„Wie ist es eigentlich gelaufen? Gab es Komplikationen?“, fragte Reilly scheinheilig und beobachtete Tryshas Gesicht dabei ganz genau. Die musste sich beherrschen um nicht loszulachen und ihm vorzuhalten, dass sie zufällig seine Enkeltochter getroffen hatte und dabei war diese zu bekehren.

„Nein, keine besonderen Vorkommnisse“, sie zuckte mit den Schultern. „So, hast du den nächsten Auftrag schon geplant?“, fragte sie gleichgültig. Reilly schnaubte und räusperte sich. Verheimlichte sie etwas vor ihm? Hatte sie Rebecca erkannt oder nicht? Hatten die beiden sie vielleicht einfach laufen gelassen? Wahrscheinlich schon, was hätten sie denn sonst machen können, außer sie zu töten? Aber warum war das Mädchen dann verschwunden? Becca war doch nicht auf den Kopf gefallen und wusste auch wie man U-Bahn fuhr oder sich sonst Hilfe beschaffte. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Aber aus Trysha würde er bestimmt keine Informationen heraus bekommen... Er konzentrierte sich wieder auf das Blatt in seiner Hand.

„Ja, also der Auftrag wäre dann in drei Tagen und zwar-“

„Kannst du vegessen!“, unterbrach Trysha ihn und fächerte sich mit ihren Umschlägen Luft zu. „Ich glaube für drei Tage reicht das Geld locker!“

„Geht das schon wieder los? Meinst du dein Partner wäre einverstanden damit, dass du eure Aufträge absagst?“ Reilly grinste. Er wusste, dass er diesen Punkt aufführen konnte, seit Trysha in einem Team arbeitete. Doch anders als sonst war es Trysha diesmal und in Zukunft egal, was Lefti davon hielt. Er hatte sich nicht an die Teamarbeit gehalten, indem er einfach weggeblieben war, also konnte sie genauso gut die Regeln brechen.

„Das geht mir am Allerwertesten vorbei und jetzt sag mir wann der nächste Auftrag ist“, forderte sie spitz. Reilly schaute sie kurz verblüfft an, doch dann schien er zu verstehen, dass sie sauer auf Lefti war und es ihr im Moment egal war was dieser von irgendwas hielt. Er sah ein, dass er schon wieder den Kürzeren ziehen würde und holte resigniert einen neuen Ordner heraus.

„Also gut. Dieser Auftrag ist am Samstag...“, er sah kurz auf, aber sie schien keine Einwände zu haben, „Er ist verbunden mit einem 60. Geburtstag. Das Geburtstagskind will einen geladenen Gast tot sehen und lädt die beiden Killer, in diesem Fall ihr, ein. Er verlangte nach einem männlichen und einem weiblichen Killer, weil so weniger Aufsehen erregt wird, wenn ihr als glaubwürdiges Paar erscheint. Deswegen kommt auch eigentlich nur ihr beide für diesen Auftrag in Frage. Die Bezahlung ist natürlich auch dementsprechend“, er sah vielsagend zu ihren Umschlägen. „Ein Foto der Zielperson und die Einladungskarten lässt er uns morgen oder übermorgen zukommen, ihr könnt sie euch also schon vorher abholen. Allerdings steht ihr nicht auf der Gästeliste, damit ihr nachher nicht in Verdacht geratet und müsst euch irgendwie einschleichen... aber wie ihr das macht überlasse ich euch. Alle weiteren Informationen werden wahrscheinlich auf der Einladung stehen, zumindest weiß ich nicht um wie viel Uhr diese Party steigt. Nur, dass der Gastgeber einer von den hohen Tieren der Stadt ist, er ist der Besitzer von irgendeinem Betrieb. Das bedeutet der Dresscode wird wahrscheinlich kostspielig sein, also verplempere deinen Reichtum nicht sofort“, wieder ein Blick auf ihre Umschläge. Trysha steckte sie in ihre Jackentasche.

„Mach dir darum mal keine Gedanken“, sagte sie und erhob sich. „War nett mit dir geplaudert zu haben. Bis demnächst.“ Trysha verließ die Zentrale und machte sich auf den Weg zurück. Zwar hatte sie noch keine großen Fortschritte bei Rebecca gemacht, aber wenigstens hatte sie den nächsten Auftrag um eine Woche heraus gezögert!

Missmutig begann Reilly ebenfalls seine Sachen zu packen. Er musste sich auf den Weg nach Hause machen um sich mit der zweiten seiner beiden Töchter zu duellieren. Auch wenn diese nur ein halb so anspruchsvoller Gegner war wie Trysha.
 

Erst gegen Abend konnte Reilly Sheyla und ihren Mann abschütteln und sie zum nach Hause fahren bewegen. Vorher waren sie noch drei Stunden bei der Polizei gewesen und hatten Fotos, Beschreibungen von Rebecca, die bis hin zu ihrem Lieblingsessen und ihrer Lieblingsfarbe gingen, abgeliefert. Danach waren sie ziellos durch die Stadt gefahren und hatten an verschiedenen Orten nach ihr gesucht. Sheyla war regelmäßig in Weinkrämpfe verfallen und sein Schwiegersohn Matthew hatte ab und an wild mit Schimpfwörtern um sich geschmissen. Reilly hatte ganz den besorgten Großvater gespielt und sich immer wieder Vorwürfe anhören müssen. Er hatte sich mindestens genauso oft entschuldigt und war heilfroh gewesen, als die beiden endlich eingesehen hatten, dass sie sich in Geduld üben mussten.

„Die Polizei wird das Ding schon schaukeln“, hatte er zu ihnen gesagt, als sie abgefahren waren, „ich halte euch auf dem Laufenden!“

Jetzt war er endlich auf dem Weg zurück in die Zentrale und der Tag stand ihm jetzt schon bis Oberkante Unterlippe!



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Kommentare zu dieser Fanfic (44)
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Von:  -Ly-
2012-03-30T02:21:17+00:00 30.03.2012 04:21
So, hier ist auch das zweite Rekommi. Dieses Mal habe ich mir direkt beim Lesen Notizen gemacht. Denn leider gibt es hier etwas mehr zu kommentieren. Aber wie immer erst Allgemein. Die Idee finde ich weiterhin super. Auch der Vater reizt mich, denn so etwas ist immerhin nicht gerade ‚normal‘. Mich interessiert nun doch, warum das Verhältnis zwischen Vater und Tochter so gestört ist. Außerdem gefallen mir die Gespräche ziemlich gut. Es ist nicht langweilig und man weiß trotzdem wer etwas sagt.

Nun zu meinen Notizen:

Leider muss ich hier sagen, dass der erste Absatz nicht angenehm zu lesen war. Das Wort ‚hatte‘ dominiert den Absatz und die Satzstellung ist weniger anregend als im gesamten ersten Kapitel. Tipp: Vielleicht kannst du das ‚hatte‘ umgehen, indem du die Sätze umstellst. Dann schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe 
Im fortlaufenden Text gibt es dieses Problem auch mit dem Wort ‚war/waren‘. Allgemein würde ich es nicht anmerken, aber an manchen Stellen ist es sehr auffällig, da man ein anderes Verb hätte benutzen können.
Beispiel: In dem Raum waren einige Schreibtische, hinter denen Leute saßen, die Aufträge meist über Computer annahmen, weiterleiteten, archivierten, das Geld einforderten und andere Sachen zu tun hatten. -> In dem Raum befanden sich einige Schreibtische… Ansonsten ist der Satz toll geschrieben.

Vereinzelte Rechtschreibfehler: die kleineren -> die Kleineren
in denen die Aufträge nach ihren Schwierigkeitsgrad – nach ihrem Schwierigkeitsgrad (?)
unangebrachter weise – (die) Weise

Immerhin trug sie nur einen kurzen, schwarzen Minirock und das dazu farblich passende Korsett, was keine Ärmel hatte. -> Meines Erachtens ist ‚das‘ der falsche Artikel. So wirkt es, als würdest du den Satz abbrechen. Ich habe ihn drei Mal gelesen, weil ich dachte, dass da noch etwas fehlt. Ein indirekter Artikel (… und ein dazu farblich passendes Korsett, welches keine Ärmel hatte.) fände ich angebrachter.

Um mal wieder etwas Positives zu sagen. Diesen Satz finde ich wundervoll geschrieben:
Sie knurrte noch etwas Unverständliches, drehte den Kopf zur Seite und tat als wollte sie ihre Verletzung an der Hüfte noch mal überprüfen, doch in Wirklichkeit, wollte sie nur nicht, dass er merkte wie sie vor Schmerz die Lippen zusammenpresste.

doch da Lefti wie immer sein Motorrad dabei hatte‘ -> er hatte es dabei oder er ist damit gefahren? Das klingt, als hätte er es mal eben aus dem Rucksack geholt.

North-Hill Stadtteil? Ist das ausgedacht? Ich konnte ihn nicht finden. Also wenn du eine reale Stadt nimmst, solltest du darauf achten, auch ihre echten Stadtteile zu nehmen. Ich weiß nicht wie andere es sehen, aber für mich war das nun verwirrend. Chicago hat North Side, oder den Loop was du stattdessen hättest nehmen können.


So, ich hoffe meine Vorschläge und Anmerkungen waren verständlich. Wenn nicht, würde ich mich über eine ENS von dir freuen 
Da mir die Storyline gefällt werde ich auch weiter lesen, sobald ich Zeit habe.

Liebe Grüße aus Chicago,
-Ly-
✖✐✖ Re-Kommi

Von:  -Ly-
2012-03-30T01:12:17+00:00 30.03.2012 03:12
Endlich endlich habe ich es mal geschafft, anzufangen zu lesen und zu kommentieren. Das Zweite wird wohl heute auch noch kommen.

Also. Erst einmal musste ich lassen, als ich den Handlungsort gelesen habe. (wie du weiß, lebe ich seit einem Jahr in Chicago). Dementsprechend war ich doch ziemlich gespannt. Durch deine ausführliche Schreibweise, hatte ich eine wunderbare Vorstellung von der Geschichte und durch die Ortsbekanntheit auch eine geeignete Szenerie im Kopf. Dein Streibstil gefällt mir sehr, Rechtschreibfehler waren - ohne explizites Suchen - nicht zu finden.
Allerdings bin ich bei dem ein oder anderen Satz durch unnötige Wiederholungen gestolpert.

Beispiel: Funktionierende Straßenlampen waren hier die Ausnahme und das Innere der Hallen hatte schon ewig kein Licht mehr gesehen.
ich hätte hier das 'hier' einfach weggelassen. Aber da ist wohl jeder anders :) (muss mich bekennen, hab die vorherigen Kommentare nicht gelesen, weil ich wirklich nur meine Meinung rüber bringen will)

Die Geschichte hat einen wunderbaren Spannungsbogen. Ich war etwas überrascht als der Komplize dazu kam und er die letzten beiden Schüsse abgefeuert hat. Das ist dir wirklich sehr gelungen. Auch die Kapitellänge ist angenehm. Absätze sind super gewählt. Ich bin das ein oder andere Mal in der Zeile verrutscht, hab aber schnell wieder rein gefunden.

Ich find es ehrlich gelungen und werde gleich wohl das zweite Kapitel lesen.

Liebe Grüße,
-Ly-

✖✐✖ Re-Kommi
Von:  Ray-rey
2012-03-24T14:56:24+00:00 24.03.2012 15:56
Hallo,

So, dann versuch ich mich mal an konstruktiver Kritik ;)

Miss Keep- Your-Distance ist ein toller name für eine FF und passt auch noch gut zur beschreibung. Hat man bei FFs eher selten. Normalerweise versteht man Titel nicht so wirklich.

Das du den Schnuppertext noch mal erwähnst ist übrigens nicht nötig ;)
Stört höchstens nur.

Zu den Charakterbeschreibungen: Diese sind nett aufbereitet, was ich besonderst toll finde ist, dass sie selbstgemalt sind und nicht aus dem Internet geklaut! Daran sollte ich mir ein Beispiel nehmen ^////^.

So, jetzt zum ersten Kap.
Juhu keine zwanzig Seiten aufeinmal! Die Kapitellängen erschlagen einen nicht, was schon mal sehr gut ist.
Ansonsten haben meine Vorgänger im ersten Kap. gute arbeit geleisetet. Rechtschreibfehler konnte ich keinen finden (wobei ich da selbst kein Held bin) und ansonsten gibt es auch nichts zu meckern. Die Story an sich ist jetzt nicht meins, deshalb kann ich jetzt vom Aufbau her nicht viel sagen, aber was deine Formulierungen an geht ist alles toll soweit ;) Man kann sich richtig vorstellen was passiert und wie es passiert. Sowas mag ich!
Das einzige was vielleicht stören könnte, ist dass du viele Stimmen erwähnt hast (tiefe Stimme, helle Stimme etc.). Das wiederholt sich sehr oft.

Also, mir gefällt es aufjedenfall wie du schreibst, ob ich weiterlese weiß ich jetzt noch nicht. Ich werde mir mal deine anderen FFs ansehen. Vielleicht kann ich ja da dann etwas konstruktiver sein xD

LG Ray
✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2012-01-14T18:04:21+00:00 14.01.2012 19:04
Hallo und noch ein frohes neues Jahr!
Tut mir Leid, dass ich erst jetzt wieder zum Lesen komme!
Ich find es sehr interessant, wie Trysha über Lefti nachdenkt, obwohl sie das eigentlich nicht will.
Rebecca tut mir irgendwie Leid, immerhin hat sie ja keine Ahnung, was los ist. Während ich mir Gedanken darüber gemacht hab, ob sich ihre Eltern nicht eigentlich Sorgen machen müssten, schreibst du auch schon, wie ihre Mutter anruft :) Meine Güte, Reilly ist so ein Mistkerl. Ich weiß, das sag ich jedes Mal, aber wie er mit seinen Töchtern umgeht und dass er einfach seine Enkelin umbringen lassen will, ist furchtbar. Warum hasst er Trysha denn so?
Ich hoffe jedenfalls, dass sie mit Rebecca weiterkommt!
Und ein Auftag, bei dem Trysha und Lefti ein Paar spielen müssen, wird sicher interessant :)
Aber jetzt muss ich wie alle anderen auch auf das nächste Kapitel warten...
LG, Fee
Re-✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2011-12-18T12:44:06+00:00 18.12.2011 13:44
Hallo :)
Und wieder mag ich den Titel sehr ^__^
Dass Lefti sich entscheidet, noch bei Trysha vorbeizuschauen, finde ich sehr gut, und es war ja auch nötig ;) Hat mir gefallen, wie sie versucht hat, sich herauszureden, vor allem dass mit den häufigsten weiblichen Vornamen (eine Freundin von mir in Amerika heißt auch Ashley XD) und dass sie sich selbst die Daumen drückt.
Die Situation im Fahrstuhl hat mir auch sehr Gefallen, der Streit ist sehr gut beschrieben. "Dümmste dumme Kuh" fand ich sehr lustig :)
Wie die Stimmung dann plötzlich in ernst umschlägt, war auch sehr nachvollziehrbar und es ist ist irgendwie niedlich, dass es Lefti so schwer fällt, seine Frage zu formulieren.
Damit, dass Trysha ihm die Wahrheit sagt, hätte ich nicht gerechnet, aber ich kann gut verstehen, dass sie enttäuscht ist, als er ihr nicht glaubt. Allerdings würde ich das an Leftis Stelle wahrscheinlich auch nicht glauben.
Insgesamt wieder ein sehr schönes Kapitel :)
LG, Fee
Re-✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2011-12-08T14:18:08+00:00 08.12.2011 15:18
Oh, gleich zwei Fehler an einem Abend! Find ich aber nicht verwunderlich, dass sie einschläft, immerhin ist die Aufgabe recht langweilig und sie schlägt sich ja ständig die Nächte um die Ohren.
Dass sie bei Rebecca noch nicht weitergekommen ist, ist auch verständlich, aber ich find's schade, dass man nicht mehr von den beiden gesehen hat. Aber das kommt ja wahrscheinlich noch^^
Ich fand es eine gute Idee von ihr, so zu tun, als wäre sie aus dem gleichen Gewerbe, um an den Namen zu kommen und den Satz mit dem Malboro Mann fand ich sehr gut.
Bin mal gespannt, wie sie sich da jetzt rausredet.
Ihr Vater hat ihr übrigens nicht gesagt, dass Lefti abgesagt hat und sie einfach warten lassen? Ich weiß, das sag ich jedes Mal, aber er wird mir immer unsympathischer!
LG, Fee
Re-✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2011-12-05T13:28:04+00:00 05.12.2011 14:28
Hallo!
Ich war wirklich gespannt zu erfahren, warum Carry denn nun umgebracht wurde, und sie ist ja tatsächlich nur jemand, der zwischen dir Fronten geraten ist und nichts damit zu tun hatte. Das tut mir wirklich Leid für sie und auch für Lefti. Ich finde es irgendwie schön, dass er jetzt zum ersten Mal darüber nachdenkt, was für einen Job er da eigentlich macht und was das für andere bedeutet.
Insgesamt mochte ich das Kapitel sehr, das Gespräch zwischen Lefi und Odelly war sehr interessant.
Dier Satz "Entweder der Typ war ein totaler Trottel, oder Lefti könnte demnächst mal über eine Schauspielkarriere nachdenken." war allerdings mit Abstand mein Lieblingssatz in diesem Kapitel. Ernie ist wirklich ein passender Name! ;)
Den Vergleich mit Löwen fand ich auch sehr gut und der letzte Satz ist genial!
Lg, Fee
(Ich hab keine Ahnung mehr, ob das hier ein Re-Kommentar ist oder nicht, aber ist auch egal, ich werde ja eh alle Kapitel lesen)
Von:  Wolkenfee
2011-12-01T20:52:14+00:00 01.12.2011 21:52
Hallo!
Oh Mann, jetzt muss ich erstmal überlegen, was ich eigentlich sagen will. Ist ja etwas schwierig, bei so einem Thema zu sagen, dass ich es gut fand. Du hast es aber auf jeden Fall gut beschrieben, ich kann mir die kleine Trysha beim Spielen mit ihren Freunden sehr gut vorstellen. Und dann wird ihr das alles genommen. Auf jeden Fall erklärt es ihren heutigen Charakter, ich kann jetzt auf jeden Fall besser nachvollziehen, warum sie so ist, wie sie ist.
Und meine Güte, der Vater! Wie kann man den so ein Mensch sein! Jedes Mal denk ich, dass es gar nicht mehr schlimmer werden kann, aber von Kapitel zu Kapitel mag ich ihn weniger.
Dass er Trysha und Lefti bei dem Auftrag überwachen lässt, war irgendwie klar. Dachte ich mir doch, dass das kein Zufall war! ;)
Aber liegt das an mir, oder hat der, der sie überwachen sollte, gelogen? Er sagt, dass alle drei tot sind, aber sie haben doch nur den Ladenbesitzer und den Kassierer getötet, oder? Hm, interessant.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie es zwischen Trysha und Rebecca abläuft und was Lefti herausfindet.
LG, Fee
Re-✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2011-11-29T12:47:21+00:00 29.11.2011 13:47
Hach, der Titel gefällt mir doch schon wieder gut! XD
Die Idee, nach einem Gegenstand zu suchen, den es nur noch einmal gibt, find ich wirklich gut, so hatten sie ja kaum Probleme mit dem Leuten. Aber natürlich muss dann jemand reinkommen und natürlich auch noch ein Kind.
Ich find's irgendwie ein bisschen lustig, wie überfordert Lefti damit ist, den Ladenbesitzer spielen zu müssen.
Die Kleine ist aber auch wirklich klug! Den Streit zwischen Lefti und Trysha finde ich sehr gut dargestellt, vor allem, dass Lefti ja eigentlich auch kein Kind töten will, aber seinen Job machen und vor allem nicht im Gefängnis landen.
Ich versteh allerdings ehrlich gesagt nicht ganz, warum Trysha ihm nicht einfach sagt, dass Rebecca ihre Nichte ist, das würde die Situation sicher einfacher machen. Andererseits würde er ihr vielleicht nicht glauben und irgendwie würde es wahrscheinlich auch nicht zu ihrem Charakter passen, schließlich will sie ja um jeden Presi unabhängig sein.
Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergehtmit Trysha und Rebecca und ich frag mich, ob der Vater wusste, dass sie dort in der Gegend wohnt und das ganze irgendwie geplant hat.
LG, Fee
Re-✖✐✖
Von:  Wolkenfee
2011-11-28T21:05:38+00:00 28.11.2011 22:05
Hallo!
Gott, ich mag Tryshas Vater immer weniger! Was für ein ekliger, schleimiger Mistkerl! Das ist jetzt natürlich ein Kompliment für dich, schließlich hast du das mit großer Wahrscheinlichkeit so beabsichtigt.
Dass Lefti das Geld annimmt ist irgendwie schade, andererseits aber auch verständlich, schließlich kennt er Trysha einfach noch nicht gut genug.
"Mannis Kiosk" finde ich irgendwie lustig, ich kann mir nicht vorstellen, was jemand, der in so einem Laden arbeitet, getan haben soll, dass man ihn umbringt. Aber irgendwie hat es die Sache ein bisschen aufgelockert, das ist gut.
Dass du die Ratte und die Katze nochmal erwähnt hast, fand ich sehr gut, das sind so kleine Details, die auch wichtig sind.
Die Spannung zwischen den beiden am Ende des Kapitels hast du sehr gut geschildert. Jetzt wird es langsam interessant zwischen ihnen ;)
LG, Fee
✖✐✖


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