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Herr der Diebe II

Rückkehr der Jugend
von

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Ratlosigkeit

Kapitel 4: Ratlosigkeit
 


 

Ida starrte Scipio immer noch an. Zögernd griff sie nach seiner Vogelnase und zog ihm die Maske vom Gesicht. „Mein Gott, du bist es wirklich!“ entfuhr es ihr. Sie stützte sich an die Hausmauer, als hätte sie Angst, sonst in Ohnmacht zu fallen. Im Nachbarhaus ging ein Licht an. Das schien Ida aus ihrer Erstarrung zu lösen. „Los, komm rein. Oder willst du, dass hier bald ganz Venedig vor meinem Haus steht?“

Sie machte eine hastige Handbewegung und Scipio schob sich an ihr vorbei in den Garten. Ida blickte sich einmal um, dann hob sie ihr Gewehr auf und schloss leise das Tor ab.

Drinnen erwartete Scipio schon ein kleines Empfangskomitee. Prosper, Wespe, Mosca und Riccio saßen im Schlafanzug an Idas Esstisch. Prosper hatte den schlafenden Bo auf dem Schoß.

„Dachtest du etwa, du hättest nur mich geweckt?“ fragte Ida und goss sich einen Kaffee ein.

Die Kinder starrten Scipio ebenso an, wie Ida es getan hatte. „Was ist denn mit dir passiert?“ platzte Riccio als Erster heraus. „Das wüsste ich auch gerne!“ erwiderte Scipio ein wenig ärgerlich und ließ sich auf einen freien Stuhl fallen, während alle Blicke ihm folgten. „Guckt mich nicht so an!“

„Wer will einen Kaffee?“ fragte Ida. Als keiner sich meldete, goss sie einfach jedem eine Tasse ein. „Ich fürchte, ihr werdet ihn brauchen!“ Sie warf einen Blick zur Uhr. Es war beinahe fünf.

Scipio spielte mit seiner Maske herum. „Eigentlich hatte ich gehofft, du könntest mir das alles erklären!“ sagte Scipio leise. „Du kennst viel mehr Geschichten über das Karussell als ich!“

„Ich weiß nicht mehr darüber als du!“ erwiderte Ida, während sie einen Schluck Kaffee nahm.

Scipio spielte mit seiner Maske. Die anderen saßen immer noch wortlos am Tisch und sahen ihn an.

Bo rieb sich die Augen. Er gähnte und sah sich verschlafen um. „Was ist denn los?“ fragte er, als er Scipio sah. „Hey, Scip!“ rief er. „Warum bist du denn wieder ein Kind?“

„Das weiß keiner!“ sagte Prosper und wollte ihn festhalten, doch Bo rutschte von seinem Schoß und lief zu Scipio. „Bist du noch mal Karussell gefahren, Scip?“ Seine Augen leuchteten. Die Geschichten über das alte Karussell hatten ihn sofort fasziniert, als er sie das erste Mal gehört hatte.

Aber Scipio schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß nicht, was passiert ist!“

„Weiß Victor schon davon?“ fragte Wespe. Scipio nickte.

„So viele Gäste heute!“ murmelte Ida und goss sich eine zweite Tasse ein. „Ein ganzes Jahr läuft alles ruhig, und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse wieder. Erst kommen Prosper und Wespe mit Riccio und Mosca zurück, vollkommen aufgelöst wegen irgendeinem Abrissleiter, und mitten in der Nacht klopft mich Scipio aus dem Schlaf, der wieder auf seine Originalgröße zurückgeschrumpft ist und von einem kleinen, dicken Mann für einen Einbrecher gehalten wurde. Wo wir gerade dabei sind, warum wolltest du dich eigentlich reinschleichen?“

Scipio zuckte mit den Schultern und wechselte schnell das Thema: „Von was für einem Abrissleiter redet ihr?“
 

„Wir wollten heute Mosca und Riccio besuchen“ begann Bo. „Riccio hat versucht, so einen Mann zu bestehlen, und der hat ihn erwischt und ihm erzählt, dass er das STELLA abreißen will!“

„Naja, so direkt hat er es nicht gesagt!“ warf Prosper ein. „Er hat ihm nur erzählt, dass er einen Einbrecher am STELLA getroffen hat, als er mit deinem Vater da war, Scip. Dass er derjenige ist, der das Kino abreißen wird, wissen wir erst aus seinem Personalausweis und der Visitenkarte von Dottor Massimo!“

„Ich weiß!“ sagte Scipio nur und wärmte seine kalten Hände an der Kaffeetasse, ohne etwas daraus zu trinken. „Ich bin ihm auch begegnet. Ich war der angebliche Einbrecher!“

„Du warst beim STELLA?“ fuhr Wespe ihn an. „Du weißt doch, dass es dort nicht mehr sicher ist!“

„Hat dein Vater dich erkannt?“ fragte Bo und nahm einen von den Keksen, die Ida ihm hinhielt.

Scipio schüttelte den Kopf. „Dieser Mann war auch derjenige, der mich eben an Idas Haus erwischt hat!“

„Der ist ja überall!“ sagte Mosca beunruhigt. „Deswegen sind wir auch hergekommen. Riccio war sich nicht sicher, ob er ihn auf dem Weg zum Versteck wirklich abgehängt hatte. Wir haben schließlich immer noch seine Brieftasche!“

„Wirklich?“ fragte Scipio erstaunt. „Wie heißt er?“

„Giuseppe Armendola!“ sagte Bo mit vollem Mund und spuckte dabei ein paar Kekskrümel in Prospers Kaffeetasse. Dieser reichte Scipio den Personalausweis. „Das ist er!“

Scipio nickte. „Ganz eindeutig. Das ist der Kerl!“

„Ich frage dich noch einmal!“ sagte Wespe ungeduldig. „Warum warst du beim STELLA?“

Scipio spielte mit dem Ausweis herum. „Da war so ein... wartet!“ Er schlug sich gegen die Stirn. „Das Mädchen! Ich bin einem Mädchen begegnet, das meinen wirklichen Namen kann und das wusste, dass ich auf dem Karussell geritten bin!“

„Was?“ fragte Riccio, der bisher ruhig auf seinem Stuhl gesessen hatte. „Woher sollte sie das wissen?“

„Ich weiß es nicht.“ sagte Scipio. „Aber sie wusste es. Sie hat gesagt, sie fände es traurig, dass Erwachsene ihre Kindheit vergessen, und sie wollte dafür sorgen, dass ich meine verlorenen Jahre aufholen kann. Ich hab sie später noch einmal im Kino wieder getroffen. Sie hat gesagt, sie wüsste, dass ich dorthin kommen würde!“

„So ein Schwachsinn!“ rief Riccio. „Sie kann es nicht gewusst haben! Du hast das geträumt!“

Die Vorstellung, dass jemand ihr Geheimnis kannte und ihnen vielleicht die ganze Zeit hinterherspioniert hatte, versetzte ihn in Panik.

„Willst du sagen, ich lüge?“ fuhr Scipio ihn an.

„Es wäre ja nicht das erste Mal!“ schrie Riccio zurück.

„Verdammt!“ rief Wespe. „Ich dachte das hätten wir hinter uns. Ihr hört jetzt sofort auf, euch wie Kinder zu benehmen. Das macht das Ganze auch nicht besser!“

„Tja, dieses Mädchen scheint jedenfalls mehr über die ganze Sache zu wissen als wir!“ murmelte Prosper. „Wo hast du sie getroffen, Scip?“

„Keine Ahnung“ sagte Scipio. „Sie saß hinter ein paar Kisten in irgendeiner Gasse, in der Nähe vom Palazzo Ducale. Ich bezweifle, dass sie dort oft ist!“

Ida seufzte und zündete sich eine Zigarette an. Riccio beobachtete sie dabei und starrte gierig die Kippe an, doch Ida warf ihm einen alles sagenden Blick zu. „Das ist der Grund, warum ich nicht hier wohnen will!“ brummte Riccio und kratzte mit seinen Fingernägeln auf der Tischdecke herum.

„Jetzt sei doch mal still, Riccio!“ zischte Scipio ihm zu. „Ich muss nachdenken!“

Riccio schnitt ihm eine Grimasse und ließ Idas Zigarettenschachtel in seiner Jackentasche verschwinden, als diese kurz aus dem Fenster sah. Bo gähnte. „Du gehst besser wieder ins Bett“ sagte Prosper zu ihm, doch Bo krabbelte ihm nur wieder auf den Schoß, kuschelte sich an ihn und schloss die Augen. „Ich will nicht ins Bett!“ murmelte er.

„So kommen wir nicht weiter!“ beschloss Ida, nachdem alle eine Weile geschwiegen hatten. Sie sah auf die Uhr. Es war kurz vor sechs. „Wir legen uns jetzt alle noch mal eine Runde aufs Ohr. Zwei, drei Stunden. Ich werde Victor anrufen, er wird sicherlich noch wach sein.“ Mit diesen Worten drückte sie ihre Zigarette aus und ging zur Küchentür, wo sie sich noch einmal umdrehte. „Legt dem Herrn der Diebe eine Matratze hin!“
 

Oben im Kinderzimmer war schon ein großes Bettenlager aufgebaut. Für Mosca und Riccio war ebenfalls eine Matratze hingelegt worden. Prosper legte den schlafenden Bo vorsichtig in sein Bett, dann half er Wespe, die Matratze für Scipio hereinzuholen. Erschöpft ließen sich alle in ihre Betten fallen, doch schlafen konnte niemand.

Das Karussell selbst war schon Wunder genug gewesen. Dass es nun auch noch wieder rückgängig gemacht werden konnte, ohne dass man darauf fuhr, das war für alle unbegreiflich. Am allermeisten für Scipio. Er lag auf seiner Matratze uns starrte die Decke an. Als Riccio anfing, im Schlaf zu murmeln und Mosca schnarchte, lag Scipio immer noch wach. Und auch als Prosper und Wespe schließlich vor Müdigkeit die Augen zufielen, konnte der ehemalige Herr der Diebe noch immer nicht einschlafen.
 

Prosper schlief gerade mal eine Viertelstunde, als Scipio etwas einfiel. Er stand von seinem Bett auf und weckte ihn. „Hey, Prop!“ flüsterte er. „Mir ist da noch was eingefallen!“

Prosper rieb sich die Augen. „O Mann, ich war so froh, endlich eingeschlafen zu sein. Konntest du damit nicht bis zum Frühstück warten?“

Aber Scipio schüttelte entschieden den Kopf. „Letzte Nacht, als ich wieder zum Kind geworden bin...“ begann er und wartete auf Prospers interessiertes Gesicht, doch es blieb aus. „Naja, jedenfalls habe ich in dieser Nacht, wahrscheinlich während meiner...Rückentwicklung geträumt, dass ich wieder auf dem Karussell reiten würde. Wäre es nicht eine Möglichkeit, dass man nur von dem Karussell träumen muss, um sein Alter zu verändern?“

Prosper sah einen Hoffnungsschimmer in Scipios Gesicht.

„Hast du geträumt, dass du rückwärts gefahren bist?“ fragte er.

Scipio dachte nach. Die Hoffnung wich wieder aus seinem Gesicht. „Nein. Ich habe geträumt, vorwärts zu fahren. Und ich saß auf dem Seepferd. Der Löwe ist ja eigentlich derjenige, der einen wieder jünger macht. Ginge es nach meinem Traum, wäre ich jetzt mein eigener Großvater.“

„Tut mir Leid, Scip!“ sagte Prosper. „Es wäre eine Möglichkeit gewesen!“

„Irgendwas hat es sicher damit zu tun!“ murmelte Scipio, als er sich wieder hinlegte.
 

Zum Frühstück tauchte Victor auf, der zwar eigentlich an einem Fall dran war, doch der auf keinen Fall irgendwelche Neuigkeiten verpassen wollte. Er brachte frische Brötchen und Zeitung mit.

„Na, sieh mal einer an!“ sagte er. „So voll war Idas Haus ja schon lange nicht mehr!“

Die zusätzlichen paar Stunden Schlaf hatten allen gut getan. Nur Scipio, der in Idas Haus sowieso kein Auge zubekommen hatte, und Prosper, der nach Scipios Weckattacke auch nicht wieder einschlafen konnte, hingen ziemlich zermürbt auf ihren Stühlen. Sie tranken sogar etwas von Idas Kaffee, obwohl sie ihn immer viel zu stark machte.

„Eigentlich wollte ich euch etwas aus der Zeitung vorlesen!“ warf Victor in die Runde. „Aber eure Stimmung scheint ohnehin nicht besonders gut zu sein, oder?“

Neugierig hob Scipio den Kopf. „Worum geht es denn?“

„Nun“ begann Victor. „In der Zeitung steht etwas über euer STELLA!“

„Wir wissen eh, worum es geht!“ maulte Riccio und biss von seiner dick mit Marmelade bestrichenen Brötchenhälfte ab. „Das Stella wird bald abgerissen, von so einem Giuseppe Armendola!“

Victor sah ihn erstaunt an. „Soso, ihr seid wohl immer über alles zuerst informiert? Aber seht euch mal den letzten Absatz an!“ Er reichte Wespe die Zeitung. Diese nahm sie entgegen und fuhr mit den Augen schnell über den Artikel, bis sie an etwas haften blieben. Wespe runzelte die Stirn. „Lies vor!“ sagte Mosca.
 

„Immer noch Interessenten für altes STELLA-Kino gesucht!“ begann Wespe.

„Das Kino ist geräumig und gut erhalten und benötigt lediglich einige Renovierungsarbeiten.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Dottor Massimo, Fondamenta Bollani 233!“
 

„Aber wenn er es gar nicht abreißen will, warum hat sich dieser Armendola das Gebäude dann schon angesehen?“ fragte Prosper. „Er will es schon abreißen!“ warf Scipio ein. „Aber günstiger käme es ihn natürlich, wenn er es verkaufen würde. Was glaubt ihr, wie viel Geld so ein Abriss kostet? Ihr habt keine Vorstellung davon, wie geizig er ist!“ Scipio schnaubte ärgerlich und starrte finster in seinen Kaffee. Die anderen saßen auf ihren Stühlen und wussten nicht, was sie sagen sollten.

„Können wir das Kino denn nicht kaufen?“ fragte Bo in die Stille hinein.

„Mit welchem Geld?“ antwortete Prosper und fuhr seinem Bruder über die blonden Locken.

„Warum lässt dein Vater es denn nicht einfach leer stehen?“ fragte Mosca.

„Das verstehst du nicht!“ erwiderte Scipio ein wenig gereizt. „Das hat was mit Image zu tun. Mein Vater ist ein wichtiger Mann, er kann es sich nicht leisten, ein altes Kino verfaulen zu lassen. Was sollen die Leute von ihm denken? Also macht er jetzt Alarm, denn wenn ihm niemand diese schwere Bürde abnimmt, dann muss er es für viel Geld abreißen lassen!“

„Wie viel von dem Falschgeld des Conte ist noch übrig?“ fragte Prosper.

Wespe sah ihn erschrocken an. „Bist du verrückt? Wir können das STELLA nicht mit Falschgeld bezahlen!“

„So besonders viel ist eh nicht mehr da!“ sagte Riccio. Als Victor ihn schräg von der Seite ansah, wurde er rot.

„Also, ich glaube das mit dem STELLA können wir vergessen!“ sagte Ida abschließend. „Keiner von uns hat auch nur annähernd genug Geld, um euer altes Kino zu kaufen.“

„Trotzdem gut zu wissen, dass vielleicht irgendjemand es kauft und neu eröffnet!“ sagte Riccio ärgerlich. “Dann können wir in die Vorstellungen gehen und sehen, wie irgendwelche fremden Leute ihre Cola auf den Fußboden verschütten, den wir geschrubbt haben, und ihr Popcorn unter die Sitze kleben, auf denen wir immer gesessen haben. Wenn wir Glück haben, dann legen sie sogar einen Fußabtreter an die Stelle, an der wir unsere Betten hatten!“ Mit diesen Worten stapfte er aus der Küche.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Staubengel
2006-12-01T20:51:36+00:00 01.12.2006 21:51
Hey du *fuchtel*
Ich sags dir ja wirklich ungern, aber... ich finde, du verschlechterst dich.
Am Anfang war wirklich alles so, wie Cornelia es hätte schreiben können, aber seit dem letzten Kapitel finde ich, dass sich alles nur noch sehr stockend lesen lässt. Es sind Worte drin, die nicht zum Gesamtbild passen und ich finde auch, dass du die Personen schleifen lässt. Man kann sich nicht mehr vorstellen, dass das wirklich passiert sein könnte.
Bitte bitte bitte ändere das, ich weiß, dass du das kannst >.<
We will stock you!!
Denk da dran ^_^d


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